URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
10. März 2022 ( *1 )
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Grundsätze des Rechts der Europäischen Union – Vorrang – Unmittelbare Wirkung – Loyale Zusammenarbeit – Art. 4 Abs. 3 EUV – Art. 63 AEUV – Pflichten eines Mitgliedstaats, die sich aus einem Vorabentscheidungsurteil ergeben – Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts durch den Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsurteil – Pflicht, dem Unionsrecht die volle Wirksamkeit zu verschaffen – Pflicht eines nationalen Gerichts, eine nationale Regelung unangewendet zu lassen, die dem Unionsrecht in seiner Auslegung durch den Gerichtshof zuwiderläuft – Verwaltungsentscheidung, die mangels gerichtlichen Rechtsbehelfs bestandskräftig geworden ist – Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität – Haftung des Mitgliedstaats“
In der Rechtssache C‑177/20
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Győri Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Győr, Ungarn) mit Entscheidung vom 6. März 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 2020, in dem Verfahren
„Grossmania“ Mezőgazdasági Termelő és Szolgáltató Kft.
gegen
Vas Megyei Kormányhivatal
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin der Zweiten Kammer A. Prechal in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer (Berichterstatterin), der Richter J. Passer und F. Biltgen, der Richterin L. S. Rossi und des Richters N. Wahl,
Generalanwalt: E. Tanchev,
Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juni 2021,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
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der „Grossmania“ Mezőgazdasági Termelő és Szolgáltató Kft., vertreten durch T. Szendrő-Németh, Ügyvéd, |
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der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér als Bevollmächtigten, |
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der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte, |
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der spanischen Regierung, vertreten durch J. Rodríguez de la Rúa Puig als Bevollmächtigten, |
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der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Erlbacher, L. Malferrari und L. Havas als Bevollmächtigte, |
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. September 2021
folgendes
Urteil
1 |
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 267 AEUV. |
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Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Grossmania“ Mezőgazdasági Termelő és Szolgáltató Kft. (im Folgenden: Grossmania) und der Vas Megyei Kormányhivatal (Regierungsbehörde für das Komitat Vas, Ungarn) wegen der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung, mit der ein Antrag auf Wiedereintragung von kraft Gesetzes erloschenen und gelöschten Nießbrauchsrechten in das Grundbuch abgelehnt wurde. |
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 |
Anhang X der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33) trägt die Überschrift „Liste nach Artikel 24 der Beitrittsakte: Ungarn“. In Nr. 2 von Kapitel 3 („Freier Kapitalverkehr“) dieses Anhangs heißt es: „Unbeschadet der Verpflichtungen aus den Verträgen, auf die sich die Europäische Union gründet, kann Ungarn die Verbote des Erwerbs von landwirtschaftlichen Flächen durch natürliche Personen, die weder ihren Wohnsitz in Ungarn haben noch ungarische Staatsbürger sind, sowie durch juristische Personen gemäß seinen zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Akte geltenden Rechtsvorschriften nach dem Beitritt sieben Jahre lang beibehalten. Auf keinen Fall dürfen Staatsangehörige der Mitgliedstaaten oder juristische Personen, die gemäß den Gesetzen eines anderen Mitgliedstaats geschaffen wurden, beim Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen ungünstiger als am Tag der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags behandelt werden. … Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats, die sich als selbstständige Landwirte niederlassen wollen, mindestens drei Jahre lang ununterbrochen ihren rechtmäßigen Wohnsitz in Ungarn hatten und dort mindestens drei Jahre lang ununterbrochen in der Landwirtschaft tätig waren, dürfen weder den Bestimmungen des vorstehenden Unterabsatzes noch anderen Regeln und Verfahren als denjenigen unterworfen werden, die für ungarische Staatsangehörige gelten. … Liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass bei Ablauf der Übergangsfrist der Markt für landwirtschaftliche Flächen in Ungarn ernsthaft gestört ist oder dass solche ernsthaften Störungen drohen, so entscheidet die [Europäische] Kommission auf Antrag Ungarns über eine Verlängerung der Übergangsfrist von bis zu drei Jahren.“ |
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Mit dem Beschluss 2010/792/EU der Kommission vom 20. Dezember 2010 zur Verlängerung des Übergangszeitraums für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen in Ungarn (ABl. 2010, L 336, S. 60) wurde die in Anhang X Kapitel 3 Nr. 2 der vorstehend genannten Beitrittsakte vorgesehene Übergangsfrist bis zum 30. April 2014 verlängert. |
Ungarisches Recht
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§ 38 Abs. 1 des Földről szóló 1987. évi I. törvény (Gesetz Nr. I von 1987 über Grundbesitz) sah vor, dass natürliche Personen, die nicht die ungarische Staatsangehörigkeit besitzen oder diese zwar besitzen, sich aber dauerhaft außerhalb Ungarns aufhalten, und juristische Personen, die ihren Sitz außerhalb Ungarns haben oder zwar in Ungarn haben, aber deren Kapital von natürlichen oder juristischen Personen gehalten wird, die außerhalb Ungarns ansässig sind, das Eigentum an Anbauflächen – sei es durch Kauf, Tausch oder Schenkung – nur nach vorheriger Genehmigung durch das Finanzministerium erwerben konnten. |
6 |
Mit § 1 Abs. 5 der 171/1991 Korm. rendelet (Regierungsverordnung 171/1991) vom 27. Dezember 1991, die am 1. Januar 1992 in Kraft trat, wurde für Personen, die nicht die ungarische Staatsangehörigkeit besitzen, die Möglichkeit eines Erwerbs von Anbauflächen ausgeschlossen; dies galt nicht für Personen mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder für Personen mit Flüchtlingsstatus. |
7 |
Das Termőföldről szóló 1994. évi LV. törvény (Gesetz Nr. LV von 1994 über Anbauflächen, im Folgenden: Gesetz von 1994 über Anbauflächen) behielt dieses Erwerbsverbot aufrecht und erstreckte es auf juristische Personen, unabhängig davon, ob sie ihren Sitz in Ungarn haben oder nicht. |
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Dieses Gesetz wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2002 durch das Termőföldről szóló 1994. évi LV. törvény módosításáról szóló 2001. évi CXVII. törvény (Gesetz Nr. CXVII von 2001 zur Änderung des Gesetzes Nr. LV von 1994 über Anbauflächen) geändert, um auch die Möglichkeit auszuschließen, vertraglich ein Nießbrauchsrecht an Anbauflächen zugunsten von natürlichen Personen ohne ungarische Staatsangehörigkeit oder juristischen Personen zu bestellen. § 11 Abs. 1 des Gesetzes von 1994 über Anbauflächen bestimmte nach diesen Änderungen: „Für die vertragliche Bestellung eines Nießbrauchs- oder Nutzungsrechts gelten die Bestimmungen des Kapitels II über die Beschränkung des Eigentumserwerbs. …“ |
9 |
§ 11 Abs. 1 des Gesetzes von 1994 über Anbauflächen wurde in der Folge durch das Egyes agrár tárgyú törvények módosításáról szóló 2012. évi CCXIII. törvény (Gesetz Nr. CCXIII von 2012 zur Änderung bestimmter Gesetze über die Landwirtschaft) geändert. In der neuen geänderten Fassung, die am 1. Januar 2013 in Kraft trat, bestimmte § 11 Abs. 1: „Das vertraglich bestellte Nießbrauchsrecht ist nichtig, es sei denn, die Bestellung erfolgte zugunsten eines nahen Verwandten.“ Durch das Gesetz Nr. CCXIII von 2012 wurde in dieses Gesetz von 1994 auch ein neuer § 91 Abs. 1 eingefügt, wonach „[a]m 1. Januar 2033 kraft Gesetzes alle am 1. Januar 2013 bestehenden unbefristeten oder über den 30. Dezember 2032 hinaus befristeten Nießbrauchsrechte [erlöschen], die durch einen Vertrag zwischen Personen begründet worden sind, die keine nahen Angehörigen sind“. |
10 |
Das Mező- és erdőgazdasági földek forgalmáról szóló 2013. évi CXXII. törvény (Gesetz Nr. CXXII von 2013 über den Verkauf land- und forstwirtschaftlicher Flächen, im Folgenden: Gesetz von 2013 über landwirtschaftliche Flächen) wurde am 21. Juni 2013 erlassen und ist am 15. Dezember 2013 in Kraft getreten. |
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§ 37 Abs. 1 des Gesetzes von 2013 über landwirtschaftliche Flächen beließ es bei der Regelung, dass ein vertraglich bestelltes Nießbrauchs- oder Nutzungsrecht an den genannten Flächen nichtig ist, es sei denn, die Bestellung erfolgte zugunsten eines nahen Angehörigen. |
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Das Mező- és erdőgazdasági földek forgalmáról szóló 2013. évi CXXII. törvénnyel összefüggő egyes rendelkezésekről és átmeneti szabályokról szóló 2013. évi CCXII. törvény (Gesetz Nr. CCXII von 2013 über bestimmte Vorschriften und Übergangsregelungen betreffend das Gesetz Nr. CXXII von 2013 über den Verkauf land- und forstwirtschaftlicher Flächen, im Folgenden: Gesetz von 2013 über Übergangsregelungen) wurde am 12. Dezember 2013 erlassen und ist am 15. Dezember 2013 in Kraft getreten. |
13 |
§ 108 Abs. 1 dieses Gesetzes, mit dem § 91 Abs. 1 des Gesetzes von 1994 über Anbauflächen aufgehoben wurde, lautet: „Am 1. Mai 2014 erlöschen kraft Gesetzes alle am 30. April 2014 bestehenden unbefristeten oder über den 30. April 2014 hinaus befristeten Nießbrauchsrechte, die durch einen Vertrag zwischen Personen begründet worden sind, die keine nahen Angehörigen sind.“ |
14 |
Nach der Verkündung des Urteils vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth (C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157), wurde § 108 des Gesetzes von 2013 über Übergangsregelungen durch die Hinzufügung von zwei neuen Abs. 4 und 5 mit Wirkung vom 11. Januar 2019 geändert, die wie folgt lauten: „(4) Ist aufgrund gerichtlicher Entscheidungen die Wiederherstellung des gemäß Absatz 1 erloschenen Rechts erforderlich, hätte dieses aufgrund der zum Zeitpunkt der erstmaligen Eintragung geltenden Rechtsvorschriften jedoch wegen eines Formfehlers oder eines materiellen Fehlers nicht eingetragen werden können, unterrichtet die Grundbuchbehörde die Staatsanwaltschaft und setzt das Verfahren bis zum Abschluss der Prüfung durch die Staatsanwaltschaft und des daraufhin eingeleiteten Verfahrens aus. (5) Als Fehler im Sinne des Absatzes 4 ist es anzusehen, wenn
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15 |
§ 94 des Ingatlan-nyilvántartásról szóló 1997. évi CXLI. törvény (Gesetz Nr. CXLI von 1997 über das Grundbuch, im Folgenden: Grundbuchgesetz) bestimmt: „(1) Im Fall der Löschung eines aufgrund der Bestimmungen von § 108 Abs. 1 [des Gesetzes von 2013 über Übergangsregelungen] erlöschenden Nießbrauchs- oder Nutzungsrechts (in diesem Paragrafen im Folgenden zusammen: Nießbrauchsrecht) im Grundbuch muss eine nießbrauchsberechtigte natürliche Person auf die durch die Grundbuchbehörde spätestens bis zum 31. Oktober 2014 versandte Aufforderung hin binnen 15 Tagen nach deren Zustellung auf einem durch den Minister eingeführten Formular eine Erklärung über das Bestehen des nahen Angehörigenverhältnisses zwischen ihr und dem Grundstückseigentümer, der gemäß der für die Eintragung als Grundlage dienenden Urkunde das Nießbrauchsrecht bestellt hat, abgeben. Bei einem Versäumen dieser Frist ist nach dem 31. Dezember 2014 kein Antrag auf Wiedereinsetzung zulässig. … (3) Wenn aufgrund der Erklärung kein nahes Angehörigenverhältnis besteht oder der Berechtigte innerhalb der Frist keine Erklärung abgibt, löscht die Grundbuchbehörde das eingetragene Nießbrauchsrecht innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Frist zur Abgabe der Erklärung, spätestens bis zum 31. Juli 2015, von Amts wegen im Grundbuch. … (5) Die Grundbuchbehörde löscht spätestens am 31. Dezember 2014 von Amts wegen im Grundbuch Nießbrauchsrechte, die zugunsten von juristischen Personen oder Einheiten eingetragen wurden, die keine Rechtspersönlichkeit haben, aber fähig sind, Rechte zu erwerben, die in das Register eingetragen werden können, und die gemäß § 108 Abs. 1 des [Gesetzes von 2013 über Übergangsregelungen] erloschen sind.“ |
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
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Grossmania, eine Handelsgesellschaft mit Sitz in Ungarn, deren Gesellschafter natürliche Personen mit der Staatsangehörigkeit anderer Mitgliedstaaten sind, war Inhaberin von Nießbrauchsrechten, die sie an landwirtschaftlichen Parzellen in Jánosháza und Duka (Ungarn) erworben hatte. |
17 |
Nachdem diese Nießbrauchsrechte gemäß § 108 Abs. 1 des Gesetzes von 2013 über Übergangsregelungen am 1. Mai 2014 kraft Gesetzes erloschen waren, wurden sie von der zuständigen Behörde gemäß § 94 Abs. 5 des Grundbuchgesetzes im Grundbuch gelöscht. Die Firma Grossmania legte gegen diese Löschung keinen Rechtsbehelf ein. |
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Nachdem der Gerichtshof mit seinem Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth (C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157), entschieden hatte, dass Art. 63 AEUV einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach in der Vergangenheit bestellte Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen, deren Inhaber keine nahen Angehörigen des Eigentümers dieser Flächen sind, kraft Gesetzes erlöschen und infolgedessen im Grundbuch gelöscht werden, beantragte Grossmania am 10. Mai 2019 bei der Vas Megyei Kormányhivatal Celldömölki Járási Hivatala (Regierungsbehörde für das Komitat Vas – Verwaltungsbehörde Celldömölk, Ungarn) die Wiedereintragung ihrer Nießbrauchsrechte. |
19 |
Mit Bescheid vom 17. Mai 2019 wies diese Behörde den Antrag gestützt auf § 108 Abs. 1 des Gesetzes von 2013 über Übergangsregelungen und § 37 Abs. 1 des Gesetzes von 2013 über landwirtschaftliche Flächen als unzulässig zurück. |
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Die von Grossmania mit einem Widerspruch gegen diesen Bescheid befasste Regierungsbehörde für das Komitat Vas bestätigte diesen Bescheid mit Bescheid vom 5. August 2019 mit der Begründung, dass § 108 Abs. 1 des Gesetzes von 2013 über Übergangsregelungen und § 37 Abs. 1 des Gesetzes von 2013 über landwirtschaftliche Flächen noch in Kraft seien und der beantragten Wiedereintragung entgegenstünden. Zu dem Argument in Bezug auf das Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth (C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157), erklärte diese Behörde, dass dieses Urteil nur auf die Einzelfälle anwendbar sei, in denen es ergangen sei. Das Urteil vom 21. Mai 2019, Kommission/Ungarn (Nießbrauch an landwirtschaftlichen Flächen) (C‑235/17, EU:C:2019:432), das in einem Verfahren über eine Vertragsverletzungsklage wegen derselben nationalen Regelung ergangen ist, habe für Entschädigungsfragen Geltung, nicht für die Wiedereintragung von zuvor gelöschten Nießbrauchsrechten. |
21 |
Grossmania erhob gegen den Bescheid vom 5. August 2019 Klage beim Győri Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Győr, Ungarn), dem vorlegenden Gericht. |
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Dieses weist zunächst darauf hin, dass es zum Zeitpunkt des Ausgangsrechtsstreits im innerstaatlichen Recht noch keine Rechtsvorschriften gebe, aufgrund deren Grossmania einen Ausgleich für den Schaden erlangen könne, der sich aus dem Erlöschen kraft Gesetzes und aus der Löschung ihrer Nießbrauchsrechte ergebe. |
23 |
Zwar habe das Alkotmánybíróság (Verfassungsgericht, Ungarn) in einer Entscheidung vom 21. Juli 2015 zum einen festgestellt, dass das Magyarország Alaptörvénye (Ungarisches Grundgesetz) dadurch verletzt worden sei, dass der nationale Gesetzgeber für die durch die Anwendung von § 108 des Gesetzes von 2013 über Übergangsregelungen weggefallenen Nießbrauchs- und Nutzungsrechte keine Regelung für den Ausgleich außergewöhnlicher Vermögensnachteile getroffen habe, die durch die Aufhebung dieser Rechte verursacht worden seien und nicht im Rahmen der Abrechnung zwischen den Vertragsparteien geltend gemacht werden könnten, und zum anderen den nationalen Gesetzgeber aufgefordert, diesem Versäumnis bis spätestens 1. Dezember 2015 abzuhelfen. Zum Zeitpunkt des Ausgangsrechtsstreits sei jedoch noch keine Maßnahme in dieser Hinsicht getroffen worden. |
24 |
Das vorlegende Gericht führt sodann aus, dass Grossmania, da sie keinen Vermögensausgleich erlangen könne, keine andere Möglichkeit gehabt habe, als die Wiedereintragung ihrer Nießbrauchsrechte zu beantragen. In diesem Zusammenhang fragt sich das vorlegende Gericht nach der Tragweite der Bindungswirkungen der in Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Urteile des Gerichtshofs. |
25 |
Es weist insoweit darauf hin, dass wegen des zwingenden Charakters einer Auslegung, die der Gerichtshof zuvor auf der Grundlage von Art. 267 AEUV vorgenommen habe, ein letztinstanzliches nationales Gericht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zur Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens verpflichtet sei, wenn die aufgeworfene Frage materiell identisch sei mit einer Frage, die bereits Gegenstand einer Vorabentscheidung in einem gleich gelagerten Fall gewesen sei, oder wenn eine Rechtsprechung des Gerichtshofs vorliege, durch die die betreffende Rechtsfrage gelöst worden sei, gleichviel, in welcher Art von Verfahren diese Rechtsprechung ergangen sei, und selbst dann, wenn die strittigen Fragen nicht vollkommen identisch seien. Außerdem habe die Auslegung durch den Gerichtshof Ex-tunc-Wirkung in dem Sinne, dass die nationalen Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden seien, anwenden könnten und müssten. |
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Aus dem Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth (C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157), gehe eindeutig hervor, dass § 108 Abs. 1 des Gesetzes von 2013 über Übergangsregelungen, auf dessen Grundlage der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Bescheid erlassen worden sei, gegen das Unionsrecht verstoße und dass dies auch im Ausgangsrechtsstreit festgestellt werden könne. |
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Im Unterschied zum Sachverhalt des Urteils vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth (C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157), habe Grossmania gegen die Löschung ihrer Nießbrauchsrechte jedoch keinen Rechtsbehelf eingelegt. Das vorlegende Gericht fragt sich daher, ob die Erkenntnisse aus diesem Urteil auf den Ausgangsrechtsstreit Anwendung finden könnten, und insbesondere, ob es § 108 Abs. 1 des Gesetzes von 2013 über Übergangsregelungen wegen seiner Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht unangewendet lassen und die Beklagte des Ausgangsverfahrens dazu verpflichten könne, die Nießbrauchsrechte von Grossmania wieder eintragen zu lassen, auch angesichts des zwischenzeitlichen Inkrafttretens von § 108 Abs. 4 und 5. |
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Unter diesen Umständen hat das Győri Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Győr) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen: Ist Art. 267 AEUV dahin auszulegen, dass dann, wenn der Gerichtshof in seiner Entscheidung über ein Vorabentscheidungsverfahren festgestellt hat, dass eine mitgliedstaatliche Rechtsvorschrift gegen das Unionsrecht verstößt, diese mitgliedstaatliche Rechtsvorschrift auch in späteren Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht angewandt werden kann, unabhängig davon, dass der dem späteren Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt und der Sachverhalt, der dem früheren Vorabentscheidungsverfahren zugrunde lag, nicht vollkommen identisch sind? |
Zur Vorlagefrage
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Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteil vom 26. Oktober 2021, PL Holdings, C‑109/20, EU:C:2021:875, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
30 |
Insoweit ergibt sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen erstens, dass die Frage des vorlegenden Gerichts, ob es verpflichtet ist, eine nationale Regelung unangewendet zu lassen, die es für unvereinbar mit dem Unionsrecht hält, wie es vom Gerichtshof in einem Urteil im Wege der Vorabentscheidung ausgelegt worden ist, im vorliegenden Fall dem Urteil vom 6. März 2018,SEGRO und Horváth (C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157), zu Art. 63 AEUV, im Kontext eines Rechtsstreits steht, der zwar einen Antrag auf Aufhebung eines Bescheids über die Ablehnung der Wiedereintragung von Nießbrauchsrechten zum Gegenstand hat, die nach derselben nationalen Regelung, um die es in den Rechtssachen geht, die zu diesem Urteil geführt haben, kraft Gesetzes erloschen und im Grundbuch gelöscht worden sind, sich von diesen Rechtssachen aber dadurch unterscheidet, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens im Gegensatz zu den in diesen Rechtssachen betroffenen Personen gegen die Löschung ihrer Nießbrauchsrechte innerhalb der gesetzlichen Fristen keinen Rechtsbehelf eingelegt hat. |
31 |
Zweitens fragt sich das vorlegende Gericht, ob es, da es im ungarischen Recht keine Rechtsgrundlage für eine Entschädigung von Grossmania für den durch das Erlöschen kraft Gesetzes und die Löschung ihrer Nießbrauchsrechte erlittenen Schaden gebe, die Beklagte des Ausgangsverfahrens dazu verpflichten könne, diese Rechte auf einen entsprechenden Antrag dieser Gesellschaft wieder eintragen zu lassen. |
32 |
Unter diesen Umständen ist die Frage des vorlegenden Gerichts dahin zu verstehen, dass mit ihr geklärt werden soll, ob das Unionsrecht, insbesondere Art. 267 AEUV, dahin auszulegen ist, dass ein nationales Gericht, das mit einer Klage gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein Antrag auf Wiedereintragung von kraft Gesetzes erloschenen Nießbrauchsrechten abgelehnt wird, die gemäß einer nationalen Regelung im Grundbuch gelöscht wurden, die unvereinbar ist mit Art. 63 AEUV, wie er durch den Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsurteil ausgelegt worden ist, verpflichtet ist, zum einen diese Regelung unangewendet zu lassen und zum anderen die zuständige Verwaltungsbehörde zur Wiedereintragung dieser Nießbrauchsrechte zu verpflichten, obwohl die Löschung der Rechte nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen gerichtlich angefochten wurde. |
33 |
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht in seinem Vorabentscheidungsersuchen zwar lediglich auf das Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth (C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157), Bezug genommen hat, die nationale Regelung, die in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, und in der Rechtssache des Ausgangsverfahrens in Rede stand bzw. steht, aber auch zu dem Urteil vom 21. Mai 2019, Kommission/Ungarn (Nießbrauch an landwirtschaftlichen Flächen) (C‑235/17, EU:C:2019:432), Anlass gegeben hat, das in einem Verfahren über eine von der Kommission gemäß Art. 258 AEUV erhobene Vertragsverletzungsklage ergangen ist. |
34 |
Mit diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass Ungarn durch den Erlass von § 108 Abs. 1 des Gesetzes von 2013 über Übergangsregelungen und das damit ex lege eintretende Erlöschen der Nießbrauchsrechte, die Angehörige anderer Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar an land- und forstwirtschaftlichen Flächen in Ungarn innehaben, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 63 AEUV in Verbindung mit Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verstoßen hat. |
35 |
Nach Art. 260 Abs. 1 AEUV hat, wenn der Gerichtshof feststellt, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus den Verträgen verstoßen hat, dieser Staat die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, dessen Rechtskraft sich auf Tatsachen- und Rechtsfragen erstreckt, die tatsächlich oder notwendigerweise Gegenstand der betreffenden gerichtlichen Entscheidung waren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Januar 2013, Kommission/Spanien, C‑529/09, EU:C:2013:31, Rn. 65 und 66). |
36 |
So sind die an der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt beteiligten Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zwar verpflichtet, die nationalen Bestimmungen, die Gegenstand eines Vertragsverletzungsurteils waren, so zu ändern, dass sie den Anforderungen des Unionsrechts entsprechen, doch haben die Gerichte dieses Mitgliedstaats ihrerseits die Pflicht, bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die Beachtung des Urteils sicherzustellen, was insbesondere bedeutet, dass der nationale Richter aufgrund der verbindlichen Wirkung, die diesem Urteil zukommt, gegebenenfalls den darin festgelegten rechtlichen Kriterien Rechnung zu tragen hat, um die Tragweite der von ihm anzuwendenden Vorschriften des Unionsrechts zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 1982, Waterkeyn u. a., 314/81 bis 316/81 und 83/82, EU:C:1982:430, Rn. 14 und 15). |
37 |
Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass § 108 Abs. 1 des Gesetzes von 2013 über Übergangsregelungen noch immer in Kraft war, als der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Bescheid über die Wiedereintragung der Nießbrauchsrechte erlassen wurde, wobei sich die zuständigen nationalen Behörden zur Rechtfertigung dieses Bescheids auf diese nationale Bestimmung beriefen. Somit hatten zu diesem Zeitpunkt die an der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt beteiligten ungarischen Behörden die Maßnahmen, die das in Rn. 33 des vorliegenden Urteils angeführte Vertragsverletzungsurteil impliziert, nicht getroffen. |
38 |
Gleichwohl ist das vorlegende Gericht ungeachtet des Umstands, dass keine solchen Maßnahmen ergriffen wurden, verpflichtet, alle Maßnahmen zu ergreifen, um im Einklang mit den Erkenntnissen des Vertragsverletzungsurteils die volle Geltung des Unionsrechts zu erleichtern (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Januar 1993, Kommission/Italien, C‑101/91, EU:C:1993:16, Rn. 24, und vom 18. Januar 2022, Thelen Technopark Berlin, C‑261/20, EU:C:2022:33, Rn. 39). |
39 |
Im vorliegenden Fall ist erstens darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth (C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157), auf das sich das vorlegende Gericht bezieht, für Recht erkannt hat, dass Art. 63 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach in der Vergangenheit bestellte Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen, deren Inhaber keine nahen Angehörigen des Eigentümers dieser Flächen sind, kraft Gesetzes erlöschen und infolgedessen im Grundbuch gelöscht werden. |
40 |
Der Gerichtshof hat nämlich zunächst in den Rn. 62 bis 64 dieses Urteils ausgeführt, dass die betreffende nationale Regelung dadurch, dass sie das Erlöschen von Nießbrauchsrechten an landwirtschaftlichen Flächen durch Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten als Ungarn kraft Gesetzes vorsieht, schon wegen ihres Gegenstands und allein aufgrund dieses Umstands das Recht der Betroffenen auf den in Art. 63 AEUV garantierten freien Kapitalverkehr beschränkt, wobei diese Regelung ihnen sowohl die Möglichkeit nimmt, ihr Nießbrauchsrecht weiterhin auszuüben, indem sie u. a. daran gehindert werden, die betreffenden Flächen zu nutzen und zu bewirtschaften oder zu verpachten und dadurch Gewinn zu erzielen, als auch die Möglichkeit, dieses Recht zu veräußern. Sodann hat der Gerichtshof in Rn. 65 dieses Urteils weiter ausgeführt, dass diese Regelung geeignet ist, Gebietsfremde von künftigen Investitionen in Ungarn abzuhalten. Schließlich hat der Gerichtshof in den Rn. 24, 94 und 107 dieses Urteils festgestellt, dass diese Beschränkung des freien Kapitalverkehrs nicht mit den von Ungarn angeführten Gesichtspunkten gerechtfertigt werden kann. |
41 |
Was zweitens die Frage betrifft, ob eine solche Auslegung von Art. 63 AEUV in einem Vorabentscheidungsurteil nach Art. 267 AEUV für das vorlegende Gericht die Verpflichtung impliziert, die fragliche nationale Regelung unangewendet zu lassen, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs durch die Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Art. 267 AEUV vornimmt, erforderlichenfalls erläutert und verdeutlicht wird, in welchem Sinne und mit welcher Bedeutung diese Bestimmung ab ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre (Urteil vom 7. August 2018, Hochtief, C‑300/17, EU:C:2018:635, Rn. 55). Eine Vorabentscheidung ist, mit anderen Worten, nicht konstitutiver, sondern rein deklaratorischer Natur (Urteil vom 28. Januar 2015, Starjakob, C‑417/13, EU:C:2015:38, Rn. 63). |
42 |
Geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine eindeutige Antwort auf eine Frage nach der Auslegung des Unionsrechts hervor, muss der nationale Richter somit alles Erforderliche tun, damit diese Auslegung umgesetzt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2016, PFE, C‑689/13, EU:C:2016:199, Rn. 42). |
43 |
Nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts ist das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat, außerdem verpflichtet, dann, wenn es eine nationale Regelung nicht den Anforderungen des Unionsrechts entsprechend auslegen kann, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede – auch spätere – Bestimmung des nationalen Rechts, die einer Bestimmung des Unionsrechts mit unmittelbarer Wirkung entgegensteht, aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juni 2019, Popławski, C‑573/17, EU:C:2019:530, Rn. 58 und 61). |
44 |
Zu Art. 63 AEUV, auf den sich das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen bezieht, ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass dieser Artikel unmittelbare Wirkung hat, so dass er vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden und zur Unanwendbarkeit der ihm zuwiderlaufenden nationalen Vorschriften führen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2017, The Trustees of the BT Pension Scheme, C‑628/15, EU:C:2017:687, Rn. 49). |
45 |
Da im vorliegenden Fall die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung mit Art. 63 AEUV unvereinbar ist, wie sich aus dem Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth (C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157), ergibt, ist das vorlegende Gericht, bei dem eine Klage auf Aufhebung eines u. a. auf diese Regelung gestützten Bescheids anhängig ist, verpflichtet, die volle Wirksamkeit von Art. 63 AEUV dadurch zu gewährleisten, dass es diese nationale Regelung für die Zwecke der Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits unangewendet lässt. |
46 |
Es ist hinzuzufügen, dass den nationalen Verwaltungsbehörden, die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens mit einem Antrag auf Wiedereintragung ihrer Nießbrauchsrechte in das Grundbuch befasst wurden, dieselbe Verpflichtung oblag (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Dezember 2018, Minister for Justice and Equality und Commissioner of An Garda Síochána, C‑378/17, EU:C:2018:979, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung); diese haben indes unter Missachtung dieser Verpflichtung die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung weiterhin angewandt und daher diesen Antrag zurückgewiesen. |
47 |
Was drittens den Umstand betrifft, dass Grossmania gegen die Löschung ihrer Nießbrauchsrechte keinen Rechtsbehelf innerhalb der dafür vorgesehenen Fristen eingelegt hat, ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht nicht erläutert hat, inwiefern ein solcher Umstand geeignet ist, eine Schwierigkeit für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits aufzuwerfen. In diesem Zusammenhang hat das vorlegende Gericht nämlich nur angegeben, dass die zuständige nationale Behörde ihre Ablehnung der Wiedereintragung der Nießbrauchsrechte der Klägerin des Ausgangsverfahrens darauf gestützt habe, dass § 108 Abs. 1 des Gesetzes von 2013 über Übergangsregelungen und § 37 Abs. 1 des Gesetzes von 2013 über landwirtschaftliche Flächen noch in Kraft seien. Die ungarische Regierung hat jedoch in ihren Erklärungen vor dem Gerichtshof darauf hingewiesen, dass nach nationalem Recht die Löschung mangels Anfechtung bestandskräftig geworden sei und einer Wiedereintragung der Nießbrauchsrechte in das Grundbuch entgegenstehe. |
48 |
Zwar ist es aufgrund der Zusammenarbeit nach Art. 267 AEUV nicht Sache des Gerichtshofs, die Richtigkeit des rechtlichen und tatsächlichen Rahmens zu prüfen, den das nationale Gericht in eigener Verantwortung festlegt, doch ist es im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen, dass sich die Zweifel des vorlegenden Gerichts daraus ergeben können, dass es durch die Endgültigkeit der Löschung der Nießbrauchsrechte daran gehindert ist, für die Zwecke des Ausgangsrechtsstreits alle Konsequenzen zu ziehen, die sich aus der festgestellten Rechtswidrigkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung ergeben. |
49 |
Sollte sich diese Annahme als begründet erweisen, und um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist darauf hinzuweisen, dass es nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats ist, die verfahrensrechtlichen Modalitäten der Rechtsbehelfe, die zum Schutz der Rechte der Bürger bestimmt sind, festzulegen, vorausgesetzt allerdings, dass sie nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 2021, Konsul Rzeczypospolitej Polskiej w N., C‑949/19, EU:C:2021:186, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
50 |
Was die Wahrung des Äquivalenzgrundsatzes betrifft, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob im ungarischen Recht die Möglichkeit, eine bestandskräftig gewordene Löschung von Nießbrauchsrechten im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf Wiedereintragung dieser Rechte abgelehnt wird, anzufechten, nicht unterschiedlich ist, je nachdem, ob diese Maßnahme gegen das nationale Recht oder das Unionsrecht verstößt. |
51 |
Was den Effektivitätsgrundsatz betrifft, ist nach der Rechtsprechung jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z. B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (Urteil vom 20. Mai 2021, X [LPG-Tankfahrzeuge], C‑120/19, EU:C:2021:398, Rn. 72). |
52 |
Der Gerichtshof hat bereits anerkannt, dass die Bestandskraft einer Verwaltungsentscheidung, die nach Ablauf angemessener Klagefristen eingetreten ist, zur Rechtssicherheit beiträgt und das Unionsrecht daher nicht verlangt, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen (Urteil vom 12. Februar 2008, Kempter, C‑2/06, EU:C:2008:78, Rn. 37). Die Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit erlaubt es somit, zu verhindern, dass Handlungen der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfalten, unbegrenzt in Frage gestellt werden (Urteil vom 19. September 2006, i‑21 Germany und Arcor, C‑392/04 und C‑422/04, EU:C:2006:586, Rn. 51). |
53 |
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass die Beschwerdefrist gegen eine Entscheidung der für das Grundbuch zuständigen nationalen Behörde 15 Tage ab deren Zustellung und dass im Fall der Zurückweisung dieser Beschwerde die Klagefrist 30 Tage ab Zustellung dieser Zurückweisung beträgt. Solche Fristen scheinen grundsätzlich ausreichend zu sein, um den Betroffenen die Anfechtung einer solchen Entscheidung zu ermöglichen. |
54 |
Der Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass besondere Umstände geeignet sein können, eine nationale Verwaltungsbehörde nach den in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsätzen der Effektivität und der loyalen Zusammenarbeit zu verpflichten, eine bestandskräftig gewordene Verwaltungsentscheidung zu überprüfen. In diesem Zusammenhang sind die Besonderheiten der in Rede stehenden Situationen und Interessen zu berücksichtigen, um einen Ausgleich zwischen dem Erfordernis der Rechtssicherheit und dem der Rechtmäßigkeit im Hinblick auf das Unionsrecht zu finden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, Incyte, C‑492/16, EU:C:2017:995, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
55 |
Im vorliegenden Fall wurden die Nießbrauchsrechte von Grossmania auf der Grundlage einer nationalen Regelung im Grundbuch gelöscht, die, wie in Rn. 40 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, dadurch, dass sie das Erlöschen kraft Gesetzes von Nießbrauchsrechten an landwirtschaftlichen Flächen durch Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten als Ungarn vorsieht, schon wegen ihres Gegenstands und allein aufgrund dieses Umstands das Recht der Betroffenen auf den in Art. 63 AEUV garantierten freien Kapitalverkehr beschränkt, ohne dass diese Beschränkung durch irgendeinen Gesichtspunkt gerechtfertigt werden könnte. |
56 |
Außerdem verletzt diese nationale Regelung, wie sich aus dem Urteil vom 21. Mai 2019, Kommission/Ungarn (Nießbrauch an landwirtschaftlichen Flächen) (C‑235/17, EU:C:2019:432), insbesondere dessen Rn. 81, 86, 124, 125 und 129 ergibt, auch das in Art. 17 Abs. 1 der Charta garantierte Eigentumsrecht, da sie den Betroffenen per definitionem zwangsweise, vollständig und endgültig ihre bestehenden Nießbrauchsrechte entzieht, ohne dass sie durch einen Grund des öffentlichen Interesses gerechtfertigt wäre, und im Übrigen auch ohne dass sie mit einer Regelung für eine rechtzeitige angemessene Entschädigung einherginge. |
57 |
Daraus folgt, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung ebenso wie die sie umsetzenden Entscheidungen eine offensichtliche und schwerwiegende Verletzung sowohl der in Art. 63 AEUV vorgesehenen Grundfreiheit als auch des durch Art. 17 Abs. 1 der Charta garantierten Eigentumsrechts darstellt. Dieser Verstoß scheint im Übrigen große Auswirkungen gehabt zu haben, da, wie der Generalanwalt in Nr. 50 seiner Schlussanträge – gestützt auf Angaben, die die ungarische Regierung in den Rechtssachen gemacht hat, in denen das Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth (C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157, Rn. 71), ergangen ist – ausgeführt hat, mehr als 5000 Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten als Ungarn von der Aufhebung ihrer Nießbrauchsrechte betroffen waren. |
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Unter diesen Umständen muss dem Erfordernis der Rechtmäßigkeit nach dem Unionsrecht angesichts der weitreichenden negativen Folgen, die durch die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung und die im Rahmen ihrer Umsetzung erfolgte Löschung der Nießbrauchsrechte verursacht wurden, besondere Bedeutung beigemessen werden. |
59 |
In Bezug auf das Erfordernis der Rechtssicherheit ist hinzuzufügen, dass § 108 des Gesetzes von 2013 über Übergangsregelungen für die von ihm erfassten Nießbrauchsrechte das Erlöschen dieser Rechte „kraft Gesetzes“ am 1. Mai 2014 vorsah und diese anschließend gemäß § 94 des Grundbuchgesetzes durch eine zu diesem Zweck erlassene Entscheidung im Grundbuch gelöscht wurden. |
60 |
Ein solches Erlöschen der Nießbrauchsrechte „kraft Gesetzes“ entfaltet aber schon aufgrund seiner Natur seine Wirkungen unabhängig von den Entscheidungen über die Löschung, die später nach § 94 des Grundbuchgesetzes ergehen. |
61 |
Auch wenn die Löschung der Nießbrauchsrechte, wie die ungarische Regierung in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, ein gegenüber dem Erlöschen dieser Rechte kraft Gesetzes selbständiges Ereignis darstellen sollte, kann die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung daher dadurch, dass sie die Modalitäten eines solchen Erlöschens auf diese Weise festlegt, zu Verwirrung hinsichtlich der Frage führen, ob die Inhaber von Nießbrauchsrechten, die kraft Gesetzes erloschen sind, die nachfolgenden Löschungsentscheidungen anfechten müssen, um ihre Nießbrauchsrechte zu wahren. |
62 |
Sollte sich bestätigen, dass es nach ungarischem Recht nicht möglich ist, im Rahmen einer Klage gegen die Ablehnung eines Antrags auf Wiedereintragung von Nießbrauchsrechten bei einem Gericht die zwischenzeitlich bestandskräftig gewordene Löschung dieser Rechte anzufechten, kann diese Unmöglichkeit daher vernünftigerweise nicht mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit gerechtfertigt werden und müsste somit von diesem Gericht als Verstoß gegen die sich aus Art. 4 Abs. 3 EUV ergebenden Grundsätze der Effektivität und der loyalen Zusammenarbeit außer Acht gelassen werden. |
63 |
Was viertens die Frage betrifft, ob unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die zuständigen Behörden, wenn sie die nationale Regelung unangewendet lassen, unter allen Umständen verpflichtet sind, die betreffenden Nießbrauchsrechte wieder eintragen zu lassen, oder ob diese rechtswidrige Löschung auf andere Weise behoben werden kann, ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach dem in Art. 4 Abs. 3 EUV vorgesehenen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet sind, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht zu beheben (Urteil vom 25. Juni 2020, A u. a. [Windkraftanlagen in Aalter und Nevele], C‑24/19, EU:C:2020:503, Rn. 83). |
64 |
Daher sind die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats aufgrund eines auf ein Vorabentscheidungsersuchen ergangenen Urteils, aus dem sich die Unvereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht ergibt, nicht nur verpflichtet, solche Rechtsvorschriften gemäß der in Rn. 43 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung unangewendet zu lassen, sondern auch, alle anderen allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Beachtung des Unionsrechts in ihrem Hoheitsgebiet zu sichern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juni 2007, Jonkman u. a., C‑231/06 bis C‑233/06, EU:C:2007:373, Rn. 38). |
65 |
Mangels spezieller unionsrechtlicher Vorschriften über die Modalitäten, nach denen die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen Art. 63 AEUV unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens zu beheben sind, können solche Maßnahmen u. a. darin bestehen, rechtswidrig aufgehobene Nießbrauchsrechte wieder in das Grundbuch einzutragen, da eine solche Wiedereintragung das Mittel ist, das am ehesten geeignet ist, zumindest mit Wirkung für die Zukunft die rechtliche und tatsächliche Lage wiederherzustellen, in der sich der Betroffene ohne die rechtswidrige Aufhebung seiner Rechte befunden hätte. |
66 |
Jedoch können, wie der Generalanwalt in Nr. 55 seiner Schlussanträge im Wesentlichen auch ausgeführt hat, in bestimmten Fällen objektive und legitime Hindernisse, insbesondere rechtlicher Art, einer solchen Maßnahme entgegenstehen, beispielsweise wenn nach der Aufhebung der Nießbrauchsrechte ein neuer Eigentümer die Flächen, auf denen die betreffenden Rechte lasteten, gutgläubig erworben hat oder wenn diese Flächen Gegenstand einer Umstrukturierung waren. |
67 |
Im vorliegenden Fall wird es Sache des vorlegenden Gerichts sein, im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Entscheidung bestehende Rechts- und Sachlage zu prüfen, ob gegenüber der zuständigen Behörde angeordnet werden muss, die Wiedereintragung der Nießbrauchsrechte, deren Inhaber Grossmania war, zu veranlassen. |
68 |
Nur wenn sich eine solche Wiedereintragung tatsächlich als unmöglich erweist, wäre es zur Behebung der rechtswidrigen Folgen des Verstoßes gegen das Unionsrecht erforderlich, den ehemaligen Inhabern der aufgehobenen Nießbrauchsrechte einen Anspruch auf eine finanzielle oder sonstige Entschädigung zu gewähren, deren Wert geeignet wäre, den durch die Aufhebung dieser Rechte entstandenen wirtschaftlichen Verlust finanziell auszugleichen. |
69 |
Unabhängig von den in den Rn. 65 und 68 des vorliegenden Urteils genannten Maßnahmen zur Beseitigung der rechtswidrigen Folgen des Verstoßes gegen Art. 63 AEUV setzt die volle Wirksamkeit des Unionsrechts außerdem voraus, dass Einzelne, die durch einen Verstoß gegen dieses Recht geschädigt wurden, nach dem Grundsatz der Haftung des Staates für die durch einen solchen Verstoß verursachten Schäden auch einen Entschädigungsanspruch haben, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt die Verleihung von Rechten an die Geschädigten, der Verstoß gegen diese Norm ist hinreichend qualifiziert, und zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang (Urteile vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame, C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 51, sowie vom 24. März 2009, Danske Slagterier, C‑445/06, EU:C:2009:178, Rn. 20). |
70 |
Zunächst ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass Art. 63 AEUV die Verleihung von Rechten an die Einzelnen bezweckt, da er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens den Inhabern von Nießbrauchsrechten das Recht gewährt, dass ihnen diese Rechte nicht unter Verstoß gegen diesen Artikel entzogen werden (vgl. entsprechend Urteil vom 14. September 2017, The Trustees of the BT Pension Scheme, C‑628/15, EU:C:2017:687, Rn. 48). Auch Art. 17 der Charta stellt eine Rechtsnorm dar, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen (Urteil vom 21. Mai 2019, Kommission/Ungarn [Nießbrauch an landwirtschaftlichen Flächen], C‑235/17, EU:C:2019:432, Rn. 68). |
71 |
Sodann ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ein Verstoß gegen das Unionsrecht offenkundig qualifiziert, wenn er trotz des Erlasses eines Urteils, in dem der zur Last gelegte Verstoß festgestellt wird, eines Urteils im Vorabentscheidungsverfahren oder aber einer gefestigten einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, aus denen sich die Pflichtwidrigkeit des fraglichen Verhaltens ergibt, fortbestanden hat (Urteil vom 30. Mai 2017, Safa Nicu Sepahan/Rat, C‑45/15 P, EU:C:2017:402, Rn. 31). Dies ist hier, wie in Rn. 37 des vorliegenden Urteils ausgeführt, der Fall. |
72 |
Schließlich scheint im Licht der Urteile vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth (C‑52/16 und C-113/16, EU:C:2018:157), und vom 21. Mai 2019, Kommission/Ungarn [Nießbrauch an landwirtschaftlichen Flächen] (C‑235/17, EU:C:2019:432), ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß gegen Art. 63 AEUV und den Schäden, die Grossmania infolge dieses Verstoßes erlitten hat, zu bestehen; es ist Sache des vorlegenden Gerichts oder gegebenenfalls des nach ungarischem Recht hierfür zuständigen Gerichts, dies zu prüfen. |
73 |
Was fünftens und letztens den vom vorlegenden Gericht angeführten Umstand des Inkrafttretens von § 108 Abs. 4 und 5 des Gesetzes von 2013 über Übergangsregelungen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht weder erläutert, inwiefern diese neuen Bestimmungen für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits erheblich sein sollen, noch angibt, ob sie im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens anwendbar sind. Die ungarische Regierung hat diese Anwendbarkeit in Abrede gestellt, da diese in jedem Fall das Vorliegen einer Entscheidung über die Wiedereintragung der Nießbrauchsrechte von Grossmania voraussetzen würde, die zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgt ist. |
74 |
Unter diesen Umständen genügt der Hinweis, dass auch § 108 Abs. 4 und 5 des Gesetzes von 2013 über Übergangsregelungen den in Rn. 51 des vorliegenden Urteils angeführten Effektivitätsgrundsatz beachten muss, also die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren darf, und mit den Grundfreiheiten, insbesondere der in Art. 63 AEUV vorgesehenen Kapitalverkehrsfreiheit, vereinbar sein muss. |
75 |
Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass das Unionsrecht, insbesondere Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 267 AEUV, dahin auszulegen ist, dass ein nationales Gericht, das mit einer Klage gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein Antrag auf Wiedereintragung von Nießbrauchsrechten abgelehnt wird, die kraft Gesetzes erloschen und aufgrund einer mit Art. 63 AEUV in seiner Auslegung durch den Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsurteil unvereinbaren nationalen Regelung im Grundbuch gelöscht worden sind, verpflichtet ist,
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Kosten
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Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt: |
Das Unionsrecht, insbesondere Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 267 AEUV, ist dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, das mit einer Klage gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein Antrag auf Wiedereintragung von Nießbrauchsrechten abgelehnt wird, die kraft Gesetzes erloschen und aufgrund einer mit Art. 63 AEUV in seiner Auslegung durch den Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsurteil unvereinbaren nationalen Regelung im Grundbuch gelöscht worden sind, verpflichtet ist, |
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Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Ungarisch.