URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

25. November 2020 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Wettbewerb – Art. 102 AEUV – Missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung – Begriff ‚unangemessene Preise‘ – Gesellschaft für die kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten – Faktische Monopolstellung – Beherrschende Stellung – Missbrauch – Aufführung von Musikwerken während Musikfestivals – Auf die Bruttoeinnahmen aus dem Verkauf der Eintrittskarten gestützte Tarifskala – Angemessenes Verhältnis zur von der Verwertungsgesellschaft erbrachten Leistung – Bestimmung des Anteils tatsächlich aufgeführter Musikwerke aus dem Repertoire der Gesellschaft für die kollektive Wahrnehmung“

In der Rechtssache C‑372/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Ondernemingsrechtbank Antwerpen (Unternehmensgericht Antwerpen, Belgien) mit Entscheidung vom 28. Februar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Mai 2019, in dem Verfahren

Belgische Vereniging van Auteurs, Componisten en Uitgevers CVBA (SABAM)

gegen

Weareone.World BVBA,

Wecandance NV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Fünften Kammer, sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter), C. Lycourgos und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2020,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Belgische Vereniging van Auteurs, Componisten en Uitgevers CVBA (SABAM), vertreten durch B. Michaux, O. Sasserath, G. Ryelandt, E. Deturck und J. Vrebos, advocaten,

der Weareone.World BVBA, vertreten durch C. Curtis, E. Monard und K. Geelen, advocaten,

der Wecandance NV, vertreten durch P. Walravens, T. De Meese und C. Lebon, advocaten,

der belgischen Regierung, vertreten durch J.‑C. Halleux, S. Baeyens, L. Van den Broeck und C. Pochet als Bevollmächtigte im Beistand von P. Goffinet und S. Depreeuw, advocaten,

der französischen Regierung, vertreten durch P. Dodeller, A.‑L. Desjonquères und A. Daniel als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda, F. van Schaik und C. Zois als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Juli 2020

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 102 AEUV, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 16 der Richtlinie 2014/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt (ABl. 2014, L 84, S. 72).

2

Das Ersuchen ergeht im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen der Belgische Vereniging van Auteurs, Componisten en Uitgevers CVBA (SABAM) (Belgische Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Verleger) (im Folgenden: SABAM) einerseits sowie der Weareone.World BVBA und der Wecandance NV andererseits wegen der Gebühren aus der Verwertung von Urheberrechten, die SABAM von Letzteren verlangt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Der achte Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/26 lautet:

„Das Ziel dieser Richtlinie ist die Koordinierung nationaler Vorschriften, die sich auf die Aufnahme der Tätigkeit einer Organisation zur kollektiven Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die Modalitäten ihrer internen Funktionsweise und auf ihre Beaufsichtigung beziehen …“

4

Art. 16 („Lizenzvergabe“) dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung und Nutzer nach Treu und Glauben über die Lizenzierung von Nutzungsrechten verhandeln. Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung und Nutzer stellen sich gegenseitig alle notwendigen Informationen zur Verfügung.

(2)   Die Lizenzbedingungen sind auf objektive und diskriminierungsfreie Kriterien zu stützen. …

Die Rechtsinhaber erhalten eine angemessene Vergütung für die Nutzung ihrer Rechte. Tarife für ausschließliche Rechte und Vergütungsansprüche stehen in einem angemessenen Verhältnis unter anderem zu dem wirtschaftlichen Wert der Nutzung der Rechte unter Berücksichtigung der Art und des Umfangs der Nutzung des Werks und sonstiger Schutzgegenstände sowie zu dem wirtschaftlichen Wert der von der Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung erbrachten Leistungen. Die Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung informieren die betroffenen Nutzer über die der Tarifaufstellung zugrunde liegenden Kriterien.

…“

Belgisches Recht

5

Die Richtlinie 2014/26 wurde durch die Wet van 8 juni 2017 tot omzetting in Belgisch recht van de richtlijn 2014/26/EU van het Europees Parlement en de Raad van 26 februari 2014 betreffende het collectieve beheer van auteursrechten en naburige rechten en de multiterritoriale licentieverlening van rechten inzake muziekwerken voor het online gebruik ervan op de interne markt (Gesetz vom 8. Juni 2017 zur Umsetzung der Richtlinie 2014/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt in belgisches Recht) (Belgisch Staatsblad vom 27. Juni 2017, S. 68276) in belgisches Recht umgesetzt.

6

Durch Art. 63 dieses Gesetzes wurde Art. XI.262 des Wirtschaftsgesetzbuchs wie folgt geändert:

„1.   Die Lizenzbedingungen sind auf objektive und diskriminierungsfreie Kriterien zu stützen. …

Die Rechtsinhaber erhalten eine angemessene Vergütung für die Nutzung ihrer Rechte. Tarife für ausschließliche Rechte und Vergütungsansprüche stehen in einem angemessenen Verhältnis unter anderem zu dem wirtschaftlichen Wert der Nutzung der Rechte unter Berücksichtigung der Art und des Umfangs der Nutzung der Werke und Leistungen sowie zu dem wirtschaftlichen Wert der von der Organisation für die Rechtewahrnehmung erbrachten Leistung. Die Verwertungsgesellschaften informieren die betroffenen Nutzer über die der Tarifaufstellung zugrunde liegenden Kriterien.

…“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

7

SABAM ist eine Handelsgesellschaft mit Gewinnerzielungsabsicht, die aufgrund ihrer Stellung als einzige Organisation für die kollektive Wahrnehmung der Urheberrechte in Belgien dort ein faktisches Monopol auf dem Markt der Einziehung und Verteilung von für die Vervielfältigung und die öffentliche Wiedergabe von Musikwerken urheberrechtlich geschuldeten Gebühren innehat.

8

Weareone.World und Wecandance veranstalten seit den Jahren 2005 bzw. 2013 die jährlich stattfindenden Festivals Tomorrowland und Wecandance. Bei verschiedenen Ausgaben dieser Veranstaltungen wurden urheberrechtlich geschützte Musikwerke verwendet, deren Verwaltung SABAM sicherstellt.

9

Der Vorlageentscheidung zufolge bestimmt sich die Höhe der durch SABAM bei diesen Festivalveranstaltern erhobenen Gebühren nach dem mit „211“ bezeichneten Tarif von SABAM (im Folgenden: Tarif 211).

10

Der auf das Ausgangsverfahren anwendbare Tarif 211 enthält zwei verschiedene Tarifskalen, deren Anwendung im freien Ermessen von SABAM steht. SABAM kann entweder einen „Mindesttarif“ zugrunde legen, der anhand der beschallten Fläche oder der Zahl der verfügbaren Sitzplätze berechnet wird, oder aber, wie im vorliegenden Fall, einen „Grundtarif“ anwenden.

11

Der Grundtarif wird entweder auf der Grundlage der Bruttoeinnahmen aus dem Kartenverkauf berechnet und schließt auch den Wert der Eintrittskarten ein, die als Gegenleistung für Sponsoring abgegeben wurden, abzüglich der Reservierungsgebühren, der Mehrwertsteuer und gegebenenfalls zu entrichtender kommunaler Abgaben, oder aber alternativ anhand des Budgets für die Künstler, d. h. der Beträge, die den Künstlern für die Durchführung ihres Programms zur Verfügung gestellt werden, wenn dieses Budget für die Künstler insgesamt über die mit dem Kartenverkauf erzielten Bruttoeinnahmen hinausgeht. Dieser Grundtarif umfasst acht verschiedene Einkommenssegmente, auf die ein degressiver Gebührensatz angewandt wird.

12

Ein Festivalveranstalter kann entsprechend dem Anteil der zum Repertoire von SABAM gehörenden Musikwerke, die bei der Veranstaltung tatsächlich aufgeführt wurden, Ermäßigungen auf den genannten Grundtarif erhalten. So besteht für einen Veranstalter, wenn er SABAM binnen einer bestimmten Frist die Liste der bei der Veranstaltung aufgeführten Werke übermittelt, die Möglichkeit, dass ihm eine Ermäßigung des Grundtarifs nach folgender Maßgabe gewährt wird: Gehört weniger als ein Drittel der aufgeführten Musikwerke zum Repertoire von SABAM, stellt diese ein Drittel des Grundtarifs in Rechnung; gehören weniger als zwei Drittel der aufgeführten Musikwerke zum Repertoire von SABAM, stellt sie zwei Drittel des Grundtarifs in Rechnung; gehören mindestens zwei Drittel der aufgeführten Musikwerke zum Repertoire von SABAM, stellt diese den vollen Grundtarif in Rechnung (im Folgenden: 1/3‑2/3-Regel).

13

Mit verfahrenseinleitenden Schriftsätzen vom 13. April und 5. Mai 2017 erhob SABAM beim vorlegenden Gericht Klagen gegen Weareone.World und gegen Wecandance und beantragte, diese zur Zahlung der Gebühren für Urheberrechte zu verurteilen, die die genannten Festivalveranstalter nach dem im Tarif 211 vorgesehenen Grundtarif für die Tomorrowland-Festivals der Jahre 2014, 2015 und 2016 sowie für die Wecandance-Festivals der Jahre 2013 bis 2016 an SABAM zu entrichten hätten.

14

Weareone.World und Wecandance machten beim vorlegenden Gericht die Rechtswidrigkeit des Tarifs 211 geltend, weil die auf der Grundlage dieses Tarifs berechneten Gebühren nicht dem wirtschaftlichen Wert der von SABAM erbrachten Leistungen entsprächen, was gegen Art. 102 AEUV verstoße.

15

Insbesondere machten diese Festivalveranstalter erstens geltend, dass die 1/3‑2/3-Regel nicht präzise genug sei. Mit Hilfe moderner Technik sei es insoweit möglich, die tatsächlich aufgeführten Musikwerke aus dem Repertoire von SABAM sowie deren Laufzeit genauer zu ermitteln.

16

Zweitens werfen die Festivalveranstalter SABAM vor, dass diese den Grundtarif auf der Grundlage der Bruttoeinnahmen aus dem Kartenverkauf oder anhand des Künstlerbudgets berechne, ohne aber von diesen Bruttoeinnahmen einen Abzug sämtlicher Ausgaben zuzulassen, die bei der Veranstaltung dieser Festivals entstanden seien und die nicht im Zusammenhang mit den dabei aufgeführten Musikwerken stünden.

17

Insoweit weisen die genannten Veranstalter darauf hin, dass die mit dem Kartenverkauf erzielten Einnahmen keinen Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Wert der von SABAM erbrachten Leistung aufwiesen, da diese Gesellschaft für die Nutzung derselben Werke aus ihrem Repertoire bei Veranstaltungen mit höherem Eintrittspreis auch eine höhere Vergütung verlangen könne. Die Bereitschaft der Festivalbesucher, ein höheres Eintrittsgeld zu entrichten, ergebe sich aber aus Faktoren, die unabhängig von den durch SABAM erbrachten Leistungen seien, wie etwa aus dem Aufwand, den die Veranstalter betrieben, um das Festival zu einem „vollkommenen Erlebnis“ zu machen, aus der angebotenen Infrastruktur oder auch aus der Qualität der auftretenden Künstler.

18

Das vorlegende Gericht fragt sich, ob die von SABAM angewandte Tarifierung mit Art. 102 AEUV sowie mit Art. 16 der Richtlinie 2014/26 vereinbar ist. Insbesondere möchte es wissen, wie trennscharf eine Tarifierung sein muss, die von einer Organisation mit beherrschender Stellung erstellt worden ist, damit bei dieser Organisation nicht davon ausgegangen werden kann, sie nütze infolge einer unangemessenen Tarifierung eine solche beherrschende Stellung missbräuchlich aus.

19

Unter diesen Umständen hat die Ondernemingsrechtbank Antwerpen (Unternehmensgericht Antwerpen) die Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 102 AEUV, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 16 der Richtlinie 2014/26, dahin auszulegen, dass eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung vorliegt, wenn eine Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte, die in einem Mitgliedstaat ein faktisches Monopol innehat, gegenüber Organisatoren von Musikveranstaltungen für das Recht auf öffentliche Wiedergabe von Musikwerken ein Vergütungsmodell anwendet, das u. a. auf dem Umsatz beruht und

1.

dem ein gestufter Pauschaltarif anstatt eines Tarifs zugrunde liegt, der (mit Hilfe der zeitgemäßen technischen Hilfsmittel) den genauen Anteil des von der Verwertungsgesellschaft verwalteten Repertoires an der während der Veranstaltung abgespielten Musik berücksichtigt,

2.

nach dem die Lizenzvergütungen auch von externen Faktoren wie u. a. dem Eintrittspreis, dem Preis für Speisen und Getränke, dem Budget für die auftretenden Künstler und dem Budget für andere Elemente wie Dekor abhängen?

Zur Vorlagefrage

20

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteile vom 18. Dezember 2019, IT Development, C‑666/18, EU:C:2019:1099, Rn. 26, und vom 19. Dezember 2019, Nederlands Uitgeversverbond und Groep Algemene Uitgevers, C‑263/18, EU:C:2019:1111, Rn. 31 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

21

Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht zwar den Gerichtshof um die Auslegung von Art. 102 AEUV, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 16 der Richtlinie 2014/26, ersucht, aus der Vorlageentscheidung aber hervorgeht, dass vielmehr spezifisch nach der Auslegung des Begriffs „missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung“ gefragt wird, der weder ausdrücklich in Art. 16 noch in einer anderen Bestimmung dieser Richtlinie enthalten ist; ihrem achten Erwägungsgrund zufolge besteht deren Ziel nämlich insbesondere in der Koordinierung der nationalen Vorschriften, die sich auf die Aufnahme der Tätigkeit einer Organisation zur kollektiven Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die Modalitäten ihrer internen Funktionsweise und auf ihre Beaufsichtigung beziehen. Unter diesen Umständen ist die Frage des vorlegenden Gerichts ausschließlich anhand von Art. 102 AEUV zu prüfen, wobei allerdings der genannte Art. 16 in seinem Abs. 2 Unterabs. 2 Kriterien enthält, die für die Beurteilung der Frage relevant sind, ob eine solche Organisation bei der Erhebung der urheberrechtlich geschuldeten Gebühren unangemessene Tarife erzwingt.

22

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass sich der zweite Teil der Frage des nationalen Gerichts an den Gerichtshof spezifisch auf die Verbindung bezieht, die im Tarif 211 zwischen zum einen den geforderten Gebühren und zum anderen den „externen Faktoren“ – wie etwa dem Eintrittspreis, dem Preis für Speisen und Getränke, dem Budget für die auftretenden Künstler und dem Budget für andere Rechnungsposten wie Dekor – hergestellt wird.

23

Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, wurden indessen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gebühren auf der Grundlage der mit dem Kartenverkauf erzielten Bruttoeinnahmen und nicht anhand des Künstlerbudgets der Veranstalter berechnet. Ob es möglich sein müsste, bei der Berechnung der geschuldeten Gebühren die Ausgaben der Veranstalter u. a. für die Dekoration, anders als im Tarif 211 vorgesehen, von den mit dem Verkauf der Eintrittskarten erzielten Bruttoeinnahmen abzuziehen, ist des Weiteren ausdrücklich Gegenstand der Vorlagefrage.

24

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seiner Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 102 AEUV dahin auszulegen ist, dass eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne dieses Artikels vorliegt, wenn eine Verwertungsgesellschaft, die in einem Mitgliedstaat ein faktisches Monopol innehat, gegenüber Organisatoren von Musikveranstaltungen eine Tarifskala für das Recht zur öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken zwingend festlegt, bei der zum einen die nach dem Urheberrecht geschuldeten Gebühren anhand eines Tarifs berechnet werden, der auf die mit dem Verkauf von Eintrittskarten erzielten Bruttoeinnahmen abstellt, ohne dass von diesen Einnahmen die gesamten mit der Veranstaltung des Festivals verbundenen Ausgaben, die keinen Zusammenhang zu den dort aufgeführten Musikwerken aufweisen, abgezogen werden können, und bei der zum anderen ein abgestuftes Pauschalsystem zugrunde gelegt wird, um den zum Repertoire dieser Verwertungsgesellschaft gehörenden Anteil jener Werke zu bestimmen.

25

Nach Art. 102 Abs. 1 AEUV ist jede missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten. Wie aus Abs. 2 Buchst. a dieses Artikels hervorgeht, stellt die Erzwingung von unangemessenen Geschäftsbedingungen durch ein Unternehmen, das eine beherrschende Stellung innehat, einen Missbrauch dieser Stellung dar.

26

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei einer Verwaltungsgesellschaft wie SABAM um ein Unternehmen handelt, auf das Art. 102 AEUV Anwendung findet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2014, OSA, C‑351/12, EU:C:2014:110, Rn. 80).

27

Bei einer Verwertungsgesellschaft, die für die Wahrnehmung der Urheberrechte in Bezug auf eine bestimmte Kategorie geschützter Werke im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats über ein Monopol verfügt, ist nämlich anzunehmen, dass sie eine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Binnenmarkts im Sinne von Art. 102 AEUV innehat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2014, OSA, C‑351/12, EU:C:2014:110, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28

Der Gerichtshof hat in Bezug auf die Gebühren, die Verwertungsgesellschaften einfordern, wiederholt entschieden, dass das Verhalten solcher Unternehmen missbräuchlich sein und damit unter das Verbot des Art. 102 AEUV fallen kann, wenn sie beim Festlegen der Gebührenhöhe einen überhöhten Preis ohne vernünftigen Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Wert der von ihnen erbrachten Leistung verlangen, die darin besteht, den Nutzern das gesamte von ihnen verwaltete Repertoire urheberrechtlich geschützter Musikwerke zur Verfügung zu stellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Dezember 2008, Kanal 5 und TV 4, C‑52/07, EU:C:2008:703, Rn. 28 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, vom 27. Februar 2014, OSA, C‑351/12, EU:C:2014:110, Rn. 88, und vom 14. September 2017, Autortiesību un komunicēšanās konsultāciju aģentūra – Latvijas Autoru apvienība, C‑177/16, EU:C:2017:689, Rn. 35).

29

Es ist Sache des nationalen Gerichts, die etwaige Überhöhtheit solcher Gebühren vor dem Hintergrund des konkreten Falles, mit dem es befasst ist, und unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. April 1987, Basset, 402/85, EU:C:1987:197, Rn. 19, und vom 13. Juli 1989, Tournier, 395/87, EU:C:1989:319, Rn. 32).

30

Im Rahmen dieser Feststellung hat das Gericht insbesondere die Besonderheiten des Urheberrechts zu berücksichtigen und ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Interesse der Urheber urheberrechtlich geschützter Musikwerke an einer Vergütung für die Nutzung dieser Werke und dem Interesse der Nutzer zu finden, diese Werke unter angemessenen Bedingungen nutzen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2008, Kanal 5 und TV 4, C‑52/07, EU:C:2008:703, Rn. 30 und 31). Um zu prüfen, ob die Höhe der von der Verwertungsgesellschaft erzwungenen Tarife sowohl im Hinblick auf das Recht der Urheber auf eine billige Vergütung als auch im Hinblick auf die berechtigten Interessen der Nutzer angemessen ist, ist u. a. nicht nur der wirtschaftliche Wert der Leistung als solcher, die in der kollektiven Rechtewahrnehmung besteht, sondern sind auch die Art und der Umfang der Nutzung der Werke sowie der durch diese Nutzung generierte wirtschaftliche Wert zu berücksichtigen.

31

Insoweit hat der Gerichtshof zwar darauf hingewiesen, dass ermittelt werden muss, ob ein übertriebenes Missverhältnis zwischen den tatsächlich entstandenen Kosten und dem tatsächlich verlangten Preis besteht, und dass, wenn dies der Fall sein sollte, zu prüfen ist, ob ein Preis erzwungen wurde, der, sei es absolut, sei es im Vergleich zu den in Wettbewerb stehenden Dienstleistungen, unangemessen ist; der Gerichtshof hat aber auch festgestellt, dass es noch andere Methoden gibt, um die etwaige Überhöhtheit eines Preises zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2017, Autortiesību un komunicēšanās konsultāciju aģentūra – Latvijas Autoru apvienība, C‑177/16, EU:C:2017:689, Rn. 36 und 37 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

32

Insbesondere in Bezug auf die von Verwertungsgesellschaften auferlegten Gebühren können diese Methoden, wie der Generalanwalt in Nr. 33 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, an einem Vergleich zwischen dem Preis, dessen Angemessenheit bestritten wird, und Bezugsgrößen wie etwa denjenigen Preisen ansetzen, die das beherrschende Unternehmen in der Vergangenheit für gleiche Dienstleistungen auf demselben relevanten Markt verlangte, oder etwa denjenigen Preisen, die ein solches Unternehmen für andere Dienstleistungen oder gegenüber anderen Kundenkategorien verlangte, oder auch denjenigen Preisen, die andere Unternehmen für die gleiche Dienstleistung oder für vergleichbare Dienstleistungen auf anderen nationalen Märkten verlangten, jedoch nur, soweit dieser Vergleich auf einheitlicher Grundlage vorgenommen wird (vgl. in diesem Sinne insbesondere für die letztgenannte Vergleichsgrundlage Urteil vom 14. September 2017, Autortiesību un komunicēšanās konsultāciju aģentūra – Latvijas Autoru apvienība, C‑177/16, EU:C:2017:689, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33

Die Fragen des vorlegenden Gerichts sind im Licht der vorstehenden Erwägungen zu beantworten.

34

Als Erstes möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV vorliegt, wenn eine Verwertungsgesellschaft gegenüber den Organisatoren von Musikveranstaltungen eine Tarifskala zwingend festlegt, bei der die nach dem Urheberrecht geschuldeten Gebühren anhand eines Tarifs berechnet werden, der auf die mit dem Verkauf von Eintrittskarten erzielten Bruttoeinnahmen abstellt, ohne dass von diesen Einnahmen die gesamten mit der Veranstaltung des Festivals verbundenen Ausgaben, die keinen Zusammenhang zu den aufgeführten Musikwerken aufweisen, abgezogen werden können.

35

Weareone.World und Wecandance machten nämlich, wie in Rn. 17 des vorliegenden Urteils ausgeführt, beim vorlegenden Gericht zum einen geltend, dass die mit dem Kartenverkauf erzielten Einnahmen keinen Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Wert der von SABAM erbrachten Leistung aufwiesen, da diese Gesellschaft für die Nutzung derselben Werke aus ihrem Repertoire bei Veranstaltungen mit höherem Eintrittspreis auch eine höhere Vergütung verlangen könne.

36

Zum anderen sei die Höhe der Bruttoeinnahmen von Festivals wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden das Ergebnis der Bemühungen der Veranstalter, diese Festivals zu einem „vollkommenen Erlebnis“ zu machen, der angebotenen Infrastruktur oder auch der Qualität der auftretenden bzw. ausführenden Künstler. Diese Faktoren, für die SABAM bei der Berechnung der von den Festivalveranstaltern geschuldeten Gebühren keinen Abzug von den Bruttoeinnahmen zulasse, wiesen keinen Zusammenhang mit der von dieser Organisation erbrachten wirtschaftlichen Leistung auf.

37

Insoweit ist erstens, was die Frage angeht, ob eine Verwertungsgesellschaft gegen Art. 102 AEUV verstoßen kann, indem sie gegenüber Festivalveranstaltern eine Tarifskala zwingend festlegt, deren Gebühren auf der Grundlage der mit dem Verkauf von Eintrittskarten erzielten Bruttoeinnahmen berechnet werden, darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Bezug auf Gebühren, die als urheberrechtliche Vergütung für die öffentliche Darbietung aufgezeichneter Musikwerke in Diskotheken erhoben wurden und deren Betrag auf der Grundlage des Bruttoumsatzes dieser Diskotheken berechnet wurde, bereits festgestellt hat, dass derartige Gebühren als übliche Verwertung eines Urheberrechts anzusehen sind und dass ihre Erhebung als solche kein missbräuchliches Verhalten im Sinne von Art. 102 AEUV ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. April 1987, Basset, 402/85, EU:C:1987:197, Rn. 15, 18, 20 und 21, sowie vom 13. Juli 1989, Tournier, 395/87, EU:C:1989:319, Rn. 45).

38

Der Gerichtshof hat in Bezug auf die Erhebung von Gebühren, die sich auf einen bestimmten Prozentsatz der Einnahmen von Fernsehgesellschaften aus der Ausstrahlung von für die Allgemeinheit bestimmten Sendungen, der Werbung oder von Abonnements belaufen, außerdem entschieden, dass diese Gebühren, da sie auf der Grundlage der Einnahmen der Fernsehgesellschaften berechnet werden, mit dem wirtschaftlichen Wert der von der Verwertungsgesellschaft erbrachten Leistung grundsätzlich in einen vernünftigen Zusammenhang stehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2008, Kanal 5 und TV 4, C‑52/07, EU:C:2008:703, Rn. 34 und 37).

39

Eine solche Rechtsprechung, aus der sich ergibt, dass eine Tarifskala für Gebühren einer Verwertungsgesellschaft, die auf einem Prozentsatz der mit einer Musikveranstaltung erzielten Einnahmen beruht, als übliche Verwertung des Urheberrechts anzusehen ist und mit dem wirtschaftlichen Wert der von der genannten Gesellschaft erbrachten Leistung grundsätzlich in einem vernünftigen Zusammenhang steht, ist auf eine Tarifskala wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende übertragbar, deren Gebühren auf der Grundlage der mit dem Verkauf der Eintrittskarten für ein Festival erzielten Bruttoeinnahmen berechnet werden, so dass an sich die zwangsweise Festlegung einer solchen Gebührenskala durch eine Verwertungsgesellschaft kein missbräuchliches Verhalten im Sinne von Art. 102 AEUV darstellt.

40

SABAM verfolgt nämlich, indem sie eine solche Tarifskala zwingend festlegt, ein legitimes Ziel, und zwar die Wahrung der Rechte und Interessen ihrer Mitglieder gegenüber den Nutzern ihrer Musikwerke (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 1989, Tournier, 395/87, EU:C:1989:319, Rn. 31).

41

Zudem handelt es sich bei den gemäß einer solchen Tarifskala erhobenen Gebühren um die Gegenleistung, die für die öffentliche Wiedergabe dieser Musikwerke geschuldet wird. Diese Gegenleistung ist indessen im Hinblick auf den Wert dieser Nutzung im Wirtschaftsverkehr zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2008, Kanal 5 und TV 4, C‑52/07, EU:C:2008:703, Rn. 36), der u. a. von der tatsächlichen Zahl der Personen abhängt, die in den Genuss der geschützten Werke kommen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631, Rn. 109 sowie die dort angeführte Rechtsprechung), und von der Bedeutung der Nutzung dieser Musikwerke für die in Rede stehende Veranstaltung.

42

Zweitens kann – was die Bemühungen der Veranstalter, diese Festivals zu einem „vollkommenen Ereignis“ zu machen, die angebotene Infrastruktur oder auch die Qualität der auftretenden bzw. ausführenden Künstler betrifft – nicht ausgeschlossen werden, wie Weareone.World und Wecandance geltend machen, dass solche Investitionen geeignet sind, sich auf die Eintrittspreise, die verlangt werden können, und damit auf die Höhe der Gebühr auszuwirken, die SABAM zu Recht verlangen darf.

43

Hierdurch kann allerdings nicht die von der Rechtsprechung gezogene Schlussfolgerung, auf die in Rn. 39 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, in Frage gestellt werden.

44

Zum einen erging, wie der Generalanwalt in den Nrn. 63 und 68 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, diese Rechtsprechung im Hinblick auf Tarifskalen für Gebühren, die Verwertungsgesellschaften gegenüber Nutzern auf der Grundlage von deren Bruttoumsätzen aufgestellt hatten, ohne dass dabei alle im Rahmen ihrer Leistungen entstandenen Kosten abgezogen werden konnten, und zwar unabhängig davon, dass diese Umsätze nicht unwesentlich von Faktoren abhängen konnten, die mit der Nutzung der geschützten Musikwerke nichts zu tun hatten. Daher stehen Faktoren wie die in Rn. 42 des vorliegenden Urteils angeführten als solche der Berechnung der an eine Verwertungsgesellschaft zu entrichtenden Gebühren anhand einer solchen Tarifskala nicht entgegen, sofern dabei sämtlichen maßgeblichen Umständen, u. a. den von der in Rn. 41 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung genannten, Rechnung getragen wird.

45

Zum anderen kann es sich als besonders schwierig erweisen, bei den genannten Faktoren objektiv diejenigen spezifischen Aspekte zu bestimmen, die keine Verbindung zu den aufgeführten Musikwerken und damit zur Leistung der Verwertungsgesellschaft aufweisen, oder den wirtschaftlichen Wert dieser Aspekte sowie ihre Auswirkungen auf die Einnahmen, die mit dem Kartenverkauf für die fraglichen Festivals erzielt wurden, objektiv zu bemessen.

46

Im Übrigen könnte es zu einer unverhältnismäßigen Zunahme der bei der Vertragsverwaltung und für die Überwachung der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Musikwerke entstehenden Kosten führen, wenn eine Verwertungsgesellschaft verpflichtet wäre, derartige besonders heterogene und subjektive Aspekte in allen Fällen bei der Erstellung einer Tarifskala für die Nutzungsgebühren geschützter Musikwerke zu berücksichtigen und sie konkret zu prüfen, um zu vermeiden, dass sonst diese Tarifskala als missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV angesehen werden könnte.

47

Legt also eine Verwertungsgesellschaft eine Tarifskala zwingend fest, bei der die nach dem Urheberrecht zu entrichtenden Gebühren anhand eines Tarifs berechnet werden, der auf die mit dem Verkauf von Eintrittskarten erzielten Bruttoeinnahmen abstellt, ohne dass von diesen Einnahmen die gesamten mit der Organisation solcher Veranstaltungen verbundenen Ausgaben abgezogen werden können, liegt hierin an sich kein missbräuchliches Verhalten im Sinne von Art. 102 AEUV.

48

Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen kann es, worauf in den Rn. 28 und 29 des vorliegenden Urteils hingewiesen wurde, unter das Verbot des genannten Artikels fallen, wenn eine Verwertungsgesellschaft eine Tarifskala für Gebühren zwingend festlegt, bei der auf die mit dem Verkauf der Eintrittskarten erzielten Bruttoeinnahmen abgestellt wird, falls die Höhe der tatsächlich festgesetzten Gebühr mit dem wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung in keinem vernünftigen Zusammenhang steht. Ob dies der Fall ist, hat das nationale Gericht vor dem Hintergrund des konkreten Falles, mit dem es befasst ist, unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, wozu auch der festgesetzte Gebührensatz und die Einnahmen, anhand deren dieser Satz berechnet wird, gehören.

49

Als Zweites möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV darstellt, wenn eine Verwertungsgesellschaft von den Organisatoren von Musikveranstaltungen Gebühren verlangt, die auf einer Tarifskala beruhen, bei der ein abgestuftes Pauschalsystem – wie es die 1/3‑2/3-Regel vorsieht – angewandt wird, um unter den aufgeführten Werke denjenigen Anteil zu bestimmen, der zum Repertoire dieser Verwertungsgesellschaft gehört.

50

Wie der Gerichtshof bereits bei anderer Gelegenheit betont hat, muss eine Organisation für die kollektive Rechtewahrnehmung bei den von ihr erhobenen Gebühren berücksichtigen, in welchem quantitativen Umfang urheberrechtlich geschützte Musikwerke tatsächlich genutzt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Dezember 2008, Kanal 5 und TV 4, C‑52/07, EU:C:2008:703, Rn. 39, sowie vom 16. Juli 2009, Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, C‑385/07 P, EU:C:2009:456, Rn. 143).

51

Insoweit ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass der Tarif 211 in gewissem Maße den quantitativen Umfang der urheberrechtlich geschützten Musikwerke berücksichtigt, die tatsächlich aufgeführt wurden, da es die 1/3‑2/3-Regel, wie in Rn. 12 des vorliegenden Urteils ausgeführt, dem Festivalveranstalter ermöglicht, eine pauschale Ermäßigung auf den Grundtarif entsprechend dem Anteil der bei der betreffenden Veranstaltung tatsächlich aufgeführten Musikwerke aus dem Repertoire von SABAM zu erhalten.

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Nach dieser Klarstellung ist hinzuzufügen, dass außerdem aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, dass die Anwendung einer Tarifskala für Gebühren, die den quantitativen Umfang der tatsächlich aufgeführten Musikwerke berücksichtigt, missbräuchlich sein kann, wenn es eine alternative Methode gibt, nach der die Nutzung dieser Werke präziser bestimmt und bemessen werden kann, und wenn diese Methode geeignet ist, dasselbe legitime Ziel des Schutzes der Interessen der Urheber, Komponisten und Musikverleger zu verwirklichen, ohne dass sie zugleich zu einer unverhältnismäßigen Erhöhung der Kosten der Verwaltung der Vertragsbestände und der Überwachung der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Musikwerke führen würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2008, Kanal 5 und TV 4, C‑52/07, EU:C:2008:703, Rn. 40).

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Die 1/3-2/3-Regel scheint indessen dem quantitativen Umfang der tatsächlich aufgeführten Musikwerke, die zum Repertoire von SABAM gehören, nur sehr ungenau Rechnung zu tragen. Wie Wecandance, Weareone.World und die Europäische Kommission ausgeführt haben, führt diese Regel nämlich dazu, dass SABAM fast systematisch Einnahmen erzielt, die erheblich über denen liegen können, die diesem quantitativen Umfang entsprechen.

54

SABAM macht geltend, dass die derzeitige Identifizierungstechnik sehr teuer sei und sich zusätzliche Verwaltungskosten ergäben, müsste SABAM bereits bei der Gebührenerhebung den Anteil ihres vom Veranstalter genutzten Repertoires präziser bestimmen.

55

Wie sich aus Rn. 29 des vorliegenden Urteils ergibt, ist es Sache des nationalen Gerichts, vor dem Hintergrund des konkreten Falles, mit dem es befasst ist, und unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, wozu in einer Rechtssache wie der des Ausgangsverfahrens auch die Verfügbarkeit und Verlässlichkeit der vorgelegten Daten über die Nutzung der Werke aus dem Repertoire der in Rede stehenden Verwertungsgesellschaft sowie die vorhandenen technischen Mittel gehören, zu entscheiden, ob es eine alternative Methode gibt, anhand deren die Nutzung dieser Werke präziser bestimmt und bemessen werden kann; dies hat unter Berücksichtigung der in Rn. 52 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen zu geschehen.

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Im vorliegenden Fall zeigt es sich, dass mehrere Anhaltspunkte belegen, dass SABAM auf eine solche andere Methode zurückgreifen könnte, was jedoch vom nationalen Gericht zu überprüfen ist.

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Erstens bedarf es nämlich für die Anwendung der 1/3‑2/3-Regel einer präzisen Bestimmung des Anteils der aufgeführten Werke, die zum Repertoire von SABAM gehören, da diese Regel – wie aus Rn. 12 des vorliegenden Urteils hervorgeht – von SABAM nur angewandt wird, sofern der Veranstalter ihr binnen einer bestimmten Frist die Liste mit den bei der fraglichen Veranstaltung tatsächlich aufgeführten Werken übermittelt hat, damit SABAM bestimmen kann, ob weniger als ein oder weniger als zwei Drittel der aufgeführten Werke zu ihrem Repertoire gehören. Eine solche Liste ermöglicht aber grundsätzlich eine noch präzisere Bestimmung des Anteils der aufgeführten Werke, die zum Repertoire von SABAM gehören.

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Zweitens beriefen sich Wecandance und Weareone.World auf technische Fortschritte u. a. bei der Entwicklung von Software zur Musikerkennung, die die präzise Identifizierung der aufgeführten Werke erlaubten, die zum Repertoire von SABAM gehörten. Es kann indessen nicht ausgeschlossen werden, dass solche technischen Mittel eine präzisere Bestimmung und genauere quantitative Erfassung der aufgeführten Werke erlauben.

59

Schließlich verweist Weareone.World drittens darauf, dass es weitere Methoden zur Bestimmung und quantitativen Erfassung der aufgeführten Werke gebe, die von SABAM in anderen Fassungen des Tarifs 211 gebilligt worden seien, etwa den Rückgriff auf ein zugelassenes Kontrollunternehmen oder die zeitweilige Ersetzung der 1/3‑2/3-Regel durch eine Regel, die es erlaube, den Anteil der aufgeführten Musikwerke aus ihrem Repertoire präziser zu berücksichtigen.

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Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 102 AEUV dahin auszulegen ist, dass keine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne dieses Artikels vorliegt, wenn eine Verwertungsgesellschaft, die in einem Mitgliedstaat ein faktisches Monopol innehat, gegenüber Organisatoren von Musikveranstaltungen eine Tarifskala für das Recht zur öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken zwingend festlegt, bei der

zum einen die nach dem Urheberrecht geschuldeten Gebühren anhand eines Tarifs berechnet werden, der auf die mit dem Verkauf von Eintrittskarten erzielten Bruttoeinnahmen abstellt, ohne dass von diesen Einnahmen die gesamten mit der Veranstaltung des Festivals verbundenen Ausgaben, die keinen Zusammenhang zu den dort aufgeführten Musikwerken aufweisen, abgezogen werden können, sofern unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls die von der Verwertungsgesellschaft unter Anwendung dieser Tarifskala tatsächlich verlangten Gebühren insbesondere im Hinblick auf Art und Umfang der Nutzung der Werke, in Ansehung des durch diese Nutzung generierten wirtschaftlichen Wertes und in Anbetracht des wirtschaftlichen Wertes der von dieser Verwertungsgesellschaft erbrachten Leistungen nicht überhöht sind, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist, und

zum anderen ein abgestuftes Pauschalsystem zugrunde gelegt wird, um den zum Repertoire dieser Verwertungsgesellschaft gehörenden Anteil der aufgeführten Musikwerke zu bestimmen, sofern es keine andere Methode gibt, die es erlaubt, die Nutzung dieser Werke präziser zu bestimmen und quantitativ genauer zu erfassen, und mit der dasselbe legitime Ziel erreicht werden kann, nämlich der Schutz der Interessen von Urhebern, Komponisten und Musikverlegern, ohne dass dies zugleich zu einer unverhältnismäßigen Zunahme der Kosten für die Verwaltung der Vertragsbestände und die Überwachung der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Musikwerke führt; dies ist vom nationalen Gericht vor dem Hintergrund des konkreten Falles, mit dem es befasst ist, und unter Berücksichtigung sämtlicher maßgeblichen Umstände zu prüfen, wozu auch die Verfügbarkeit und Verlässlichkeit der vorgelegten Daten sowie vorhandene technische Mittel zählen.

Kosten

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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 102 AEUV ist dahin auszulegen, dass keine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne dieses Artikels vorliegt, wenn eine Verwertungsgesellschaft, die in einem Mitgliedstaat ein faktisches Monopol innehat, gegenüber Organisatoren von Musikveranstaltungen eine Tarifskala für das Recht zur öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken zwingend festlegt, bei der

 

die nach dem Urheberrecht geschuldeten Gebühren anhand eines Tarifs berechnet werden, der auf die mit dem Verkauf von Eintrittskarten erzielten Bruttoeinnahmen abstellt, ohne dass von diesen Einnahmen die gesamten mit der Veranstaltung des Festivals verbundenen Ausgaben, die keinen Zusammenhang zu den dort aufgeführten Musikwerken aufweisen, abgezogen werden können, sofern unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls die von der Verwertungsgesellschaft unter Anwendung dieser Tarifskala tatsächlich verlangten Gebühren insbesondere im Hinblick auf Art und Umfang der Nutzung der Werke, in Ansehung des durch diese Nutzung generierten wirtschaftlichen Wertes und in Anbetracht des wirtschaftlichen Wertes der von dieser Verwertungsgesellschaft erbrachten Leistungen nicht überhöht sind, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist, und

ein abgestuftes Pauschalsystem zugrunde gelegt wird, um den zum Repertoire dieser Verwertungsgesellschaft gehörenden Anteil der aufgeführten Musikwerke zu bestimmen, sofern es keine andere Methode gibt, die es erlaubt, die Nutzung dieser Werke präziser zu bestimmen und quantitativ genauer zu erfassen, und mit der dasselbe legitime Ziel erreicht werden kann, nämlich der Schutz der Interessen von Urhebern, Komponisten und Musikverlegern, ohne dass dies zugleich zu einer unverhältnismäßigen Zunahme der Kosten für die Verwaltung der Vertragsbestände und die Überwachung der Nutzung der urheberrechtlich geschützten Musikwerke führt; dies ist vom nationalen Gericht vor dem Hintergrund des konkreten Falles, mit dem es befasst ist, und unter Berücksichtigung sämtlicher maßgeblichen Umstände zu prüfen, wozu auch die Verfügbarkeit und Verlässlichkeit der vorgelegten Daten sowie vorhandene technische Mittel zählen.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.