URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

10. Juli 2019 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollkodex – Zollanmeldung – Fehlerhafte Angabe der Unterposition der Kombinierten Nomenklatur – Nacherhebungsbescheid – Art. 78 des Zollkodex – Überprüfung der Anmeldung – Änderung des Transaktionswerts – Art. 221 des Zollkodex – Frist für die Verjährung des Rechts auf Erhebung der Zollschuld – Unterbrechung“

In der Rechtssache C‑249/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) mit Entscheidung vom 6. April 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 11. April 2018, in dem Verfahren

Staatssecretaris van Financiën

gegen

CEVA Freight Holland BV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen, des Richters J. Malenovský und der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin),

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der CEVA Freight Holland BV, vertreten durch B. J. B. Boersma, advocaat,

der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und J. M. Hoogveld als Bevollmächtigte,

der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels, F. Clotuche-Duvieusart und M. Kocjan als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 26. März 2019

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 78 und 221 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 (ABl. 2000, L 311, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen, Niederlande, im Folgenden: Staatssekretär) und der CEVA Freight Holland BV (im Folgenden: CEVA Freight) wegen der Rechtmäßigkeit bestimmter Aufforderungen zur Zahlung von Zöllen, die an diese Gesellschaft gerichtet wurden.

Rechtlicher Rahmen

3

Die Verordnung Nr. 2913/92 wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 450/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaft (Modernisierter Zollkodex) (ABl. 2008, L 145, S. 1) aufgehoben und ersetzt. Die letztgenannte Verordnung ist jedoch nach ihrem Art. 188 hinsichtlich der nachfolgenden Bestimmungen nicht auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar. Auf ihn sind nämlich weiterhin die Bestimmungen des Zollkodex anwendbar.

4

Art. 29 Abs. 1 des Zollkodex sah vor:

„Der Zollwert eingeführter Waren ist der Transaktionswert, das heißt der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis …“

5

Art. 65 des Zollkodex lautete:

„Dem Anmelder wird auf Antrag bewilligt, eine oder mehrere Angaben in der Anmeldung zu berichtigen, nachdem diese von den Zollbehörden angenommen worden ist. Die Berichtigung darf nicht zur Folge haben, dass sich die Anmeldung auf andere als die ursprünglich angemeldeten Waren bezieht.

Eine Berichtigung wird jedoch nicht mehr zugelassen, wenn der Antrag gestellt wird, nachdem die Zollbehörden

a)

den Anmelder davon unterrichtet haben, dass sie eine Beschau der Waren vornehmen wollen,

b)

festgestellt haben, dass die betreffenden Angaben unrichtig sind, oder

c)

die Waren dem Anmelder bereits überlassen haben.“

6

In Art. 76 Abs. 1 des Zollkodex hieß es:

„Um die Förmlichkeiten und Verfahren möglichst weitgehend zu vereinfachen, ohne dass die Ordnungsmäßigkeit der Vorgänge dadurch beeinträchtigt wird, lassen die Zollbehörden unter den nach dem Ausschussverfahren festgelegten Voraussetzungen zu, dass

c)

die Anmeldung der Waren zu dem betreffenden Zollverfahren durch Anschreibung der Waren in der Buchführung vorgenommen wird. In diesem Fall können die Zollbehörden den Anmelder von der Gestellungspflicht befreien.

…“

7

In Art. 78 des Zollkodex hieß es:

„(1)   Die Zollbehörden können nach der Überlassung der Waren von Amts wegen oder auf Antrag des Anmelders eine Überprüfung der Anmeldung vornehmen.

(3)   Ergibt die nachträgliche Prüfung der Anmeldung, dass bei der Anwendung der Vorschriften über das betreffende Zollverfahren von unrichtigen oder unvollständigen Grundlagen ausgegangen worden ist, so treffen die Zollbehörden unter Beachtung der gegebenenfalls erlassenen Vorschriften die erforderlichen Maßnahmen, um den Fall unter Berücksichtigung der ihnen bekannten neuen Umstände zu regeln.“

8

Art. 201 Abs. 2 des Zollkodex lautete:

„Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird.“

9

Art. 221 Abs. 1 bis 3 des Zollkodex sah vor:

„(1)   Der Abgabenbetrag ist dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.

(2)   Ist der zu entrichtende Abgabenbetrag in der Zollanmeldung als Hinweis vermerkt worden, so können die Zollbehörden vorsehen, dass die Mitteilung nach Absatz 1 nur erfolgt, wenn der angegebene Abgabenbetrag nicht mit dem von ihnen ermittelten Betrag übereinstimmt.

Wird von der im vorstehenden Unterabsatz genannten Möglichkeit Gebrauch gemacht, so gilt unbeschadet des Artikels 218 Absatz 1 zweiter Unterabsatz die Überlassung der Waren durch die Zollbehörden als Mitteilung des buchmäßig erfassten Abgabenbetrags an den Zollschuldner.

(3)   Die Mitteilung an den Zollschuldner darf nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Diese Frist wird ab dem Zeitpunkt ausgesetzt, in dem ein Rechtsbehelf gemäß Artikel 243 eingelegt wird, und zwar für die Dauer des Rechtsbehelfs.“

10

Art. 147 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 (ABl. 1993, L 253, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1762/95 der Kommission vom 19. Juli 1995 (ABl. 1995, L 171, S. 8) geänderten Fassung (im Folgenden: Durchführungsverordnung) sah in Abs. 1 vor:

„Für die Anwendung des Artikels 29 des Zollkodex wird die Tatsache, dass Waren, die Gegenstand eines Verkaufs sind, zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der Gemeinschaft angemeldet werden, als ausreichendes Indiz dafür angesehen, dass sie zum Zweck der Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft verkauft wurden. Dies gilt bei aufeinanderfolgenden Verkäufen vor der Bewertung im Hinblick auf den letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft geführt hat, oder sofern es sich um einen Verkauf im Zollgebiet der Gemeinschaft vor der Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr handelt.

Bei der Anmeldung eines Preises aus einem Verkauf, der dem letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft geführt hat, vorausgeht, ist den Zollbehörden nachzuweisen, dass dieser Verkauf von Waren mit Bestimmung für das genannte Gebiet abgeschlossen wurde.

Die Vorschriften der Artikel 178 bis 181a finden Anwendung.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

11

CEVA Freight ist eine Zollspediteurin, die im Auftrag von Importeuren Anmeldungen zur vereinfachten Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr nach dem in Art. 76 Abs. 1 Buchst. c des Zollkodex vorgesehenen Verfahren abgibt.

12

Im Zeitraum vom 1. März bis zum 31. Oktober 2010 gab CEVA Freight solche Anmeldungen für die Überführung verschiedener Modelle von Medienabspielgeräten in den zollrechtlich freien Verkehr ab. Hierbei reihte sie diese Abspielgeräte in die zolltariflichen Unterpositionen 84717050 und 85176200 der Kombinierten Nomenklatur ein, für die ein Zollsatz von 0 % galt. Die Zollbehörden gaben die Medienabspielgeräte frei, ohne Einfuhrabgaben vorzuschreiben.

13

Im Jahr 2011 stellte sich der Zollinspektor nach einer Kontrolle dieser Anmeldungen auf den Standpunkt, dass die in Rede stehenden Medienabspielgeräte in die zolltarifliche Unterposition 85219000 der Kombinierten Nomenklatur hätten eingereiht werden müssen, für die ein Zollsatz von 13,9 % galt.

14

Mit Schreiben vom 22. Februar 2013 teilte der Zollinspektor CEVA Freight mit, dass er beabsichtige, Zölle nachzuerheben. Im Rahmen dieser Nacherhebung setzte er den Zollwert der Medienabspielgeräte fest, indem er sich auf den von CEVA Freight angegebenen Preis stützte, d. h. den Preis, zu dem die Importeure die Medienabspielgeräte verkauft hatten.

15

Am 27. Februar 2013 beantragte CEVA Freight in ihrer Antwort an den Zollinspektor, auf der Grundlage von Art. 78 des Zollkodex den Zollwert zu überprüfen und seiner Berechnung den niedrigeren Transaktionspreis zugrunde zu legen, der von dem in Asien ansässigen Hersteller der Medienabspielgeräte den Importeuren in Rechnung gestellt worden sei und auf den für die Berechnung des Zollwerts ebenfalls abgestellt werden könne.

16

Am 28. Februar 2013 erließ der Zollinspektor einen einheitlichen Abgabenbescheid, in dem die Zahlungsaufforderungen für die in Rede stehenden Einfuhrerklärungen zusammengefasst wurden. Dieser Bescheid ging CEVA Freight am 4. März 2013 zu.

17

CEVA Freight legte daraufhin gegen die genannten Zahlungsaufforderungen eine Beschwerde ein, in der sie ihren Antrag auf Überprüfung wiederholte.

18

Da der Zollinspektor diesen Antrag im Wesentlichen zurückwies, erhob CEVA Freight beim Gerechtshof Amsterdam (Berufungsgericht Amsterdam, Niederlande) Klage. Mit Urteil vom 10. Februar 2016 gab der Gerechtshof Amsterdam dem Zollinspektor auf, erneut über den Überprüfungsantrag zu entscheiden. Der Staatssekretär legte daraufhin gegen dieses Urteil beim Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) Kassationsbeschwerde ein.

19

Das vorlegende Gericht führt aus, es sei unstreitig, dass CEVA Freight zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihre Zollanmeldungen vorgenommen habe, keine Zweifel hinsichtlich der richtigen Auslegung oder der Anwendbarkeit von Art. 147 Abs. 1 der Durchführungsverordnung in Verbindung mit Art. 29 des Zollkodex gehabt habe. Sie sei indes der Auffassung gewesen, dass die Medienabspielgeräte zollfrei eingeführt werden könnten und die Angabe ihres Preises somit unerheblich sei. Der Staatssekretär habe geltend gemacht, bei der Überprüfung einer Anmeldung nach Art. 78 des Zollkodex sei es gleichgültig, ob der Anmelder einen Fehler begangen habe. Eine Überprüfung der Anmeldung sei nur dann zulässig, wenn darin enthaltene Angaben „unrichtig“ oder „unvollständig“ seien.

20

Das vorlegende Gericht hält es zwar für denkbar, dass der Anmelder, wenn die in der Erklärung enthaltenen Angaben nicht unrichtig seien, an die von ihm gemachten Angaben gebunden sei und beachten müsse, dass die Zollbehörden die Möglichkeit haben müssten, diese Angaben uneingeschränkt – auch bei der Überprüfung der Höhe einer Zollschuld – zu benutzen. Weder die materiell-rechtlichen Bestimmungen des Zollkodex oder der Durchführungsverordnung über den Zollwert noch das Ziel oder der Zweck dieser Bestimmungen sprächen jedoch dagegen, dass der Anmelder, nachdem eine Zollanmeldung angenommen worden sei, zusätzliche Angaben zur Ermittlung des Zollwerts der betreffenden Waren liefere. Im letztgenannten Fall sei die Steuerverwaltung unter den Umständen eines Rechtsstreits wie des beim vorlegenden Gericht anhängigen verpflichtet, den Zollwert der Waren auch dann herabzusetzen, wenn der Anmelder keinen Fehler begangen habe.

21

Überdies macht CEVA Freight, die ein Anschlussrechtsmittel eingelegt hat, u. a. geltend, der Gerechtshof Amsterdam (Berufungsgericht Amsterdam) habe gegen Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex verstoßen, als er angenommen habe, dass der Abgabenbescheid nicht verspätet gewesen sei, weil es für die Berechnung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verjährungsfrist auf den Zeitpunkt ankomme, zu dem der Abgabenbescheid versandt worden sei – wie es die im Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Bestimmungen vorsähen –, und nicht auf den Zeitpunkt, zu dem der Schuldner den Bescheid erhalten habe. Somit stelle sich die Frage, ob die in Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex vorgesehene Bedingung, nach der die Mitteilung an den Zollschuldner innerhalb einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld erfolgen müsse, erfüllt sei, wenn der Schuldner die Mitteilung nicht vor Fristablauf erhalten habe.

22

Das vorlegende Gericht weist insoweit darauf hin, dass die in Art. 221 Abs. 1 des Zollkodex angesprochene Form der Mitteilung dem innerstaatlichen Recht jedes Mitgliedstaats unterliege. Fraglich sei, ob es daher Sache der Mitgliedstaaten sei, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem die Mitteilung an den Schuldner als erfolgt gelte, oder ob die Modalitäten für die Bestimmung dieses Zeitpunkts eine Frage des Unionsrechts seien. In einem solchen Fall sei ferner fraglich, ob insoweit auf das Versanddatum oder auf das Eingangsdatum der Mitteilung abzustellen sei.

23

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen hat der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 78 des Zollkodex dahin auszulegen, dass ein Anmelder im Rahmen einer buchmäßigen Erfassung nachträglich unter Bezugnahme auf Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung einen anderen, niedrigeren Transaktionspreis der eingeführten Waren wählen kann, um die Zollschuld herabzusetzen?

2.

a)

Ist bei der Anwendung von Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die Mitteilung an den Zollschuldner erfolgt ist, eine Frage des Unionsrechts?

b)

Falls Frage 2a bejaht wird, ist Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex dann dahin auszulegen, dass der Zollschuldner die darin genannte Mitteilung innerhalb von drei Jahren nach der Entstehung der Zollschuld erhalten haben muss, oder reicht es aus, dass die Mitteilung innerhalb dieser Frist an den Zollschuldner versandt wurde?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

24

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 78 des Zollkodex dahin auszulegen ist, dass der Anmelder, wenn er die Möglichkeit hat, den Preis der zur Ausfuhr in das Unionsgebiet verkauften Waren zu wählen – der als Grundlage für die Bestimmung ihres Zollwerts herangezogen werden kann –, gestützt auf Art. 78 verlangen kann, dass die von ihm erstellte Zollanmeldung überprüft und der ursprünglich angegebene Preis durch einen niedrigeren Transaktionspreis ersetzt wird, damit sich seine Zollschuld verringert.

25

Zur Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass es nach Art. 29 des Zollkodex und Art. 147 der Durchführungsverordnung dem Importeur bei aufeinanderfolgenden Verkäufen von Waren zum Zweck ihrer Einfuhr in das Zollgebiet der Union freisteht, unter den für jeden der Verkäufe vereinbarten Preisen denjenigen auszuwählen, den er der Ermittlung des Zollwerts der betreffenden Waren zugrunde legen will, vorausgesetzt, er ist in der Lage, den Zollbehörden für den von ihm ausgewählten Preis alle Angaben und erforderlichen Unterlagen zu liefern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2008, Carboni e derivati, C‑263/06, EU:C:2008:128, Rn. 27 bis 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26

Zudem wird gemäß Art. 65 des Zollkodex dem Anmelder auf Antrag bewilligt, eine oder mehrere Angaben in der Anmeldung zu berichtigen, nachdem diese von den Zollbehörden angenommen worden ist. Daraus folgt, dass der Anmelder insbesondere den von ihm als Grundlage für die Bestimmung des Zollwerts der betreffenden Waren gewählten Preis ändern kann.

27

Zwar hat der Gerichtshof, worauf die Kommission hinweist, in Bezug auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 79/695/EWG des Rates vom 24. Juli 1979 zur Harmonisierung der Verfahren für die Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr (ABl. 1979, L 205, S. 19) – einer mit Art. 65 Abs. 2 Buchst. c des Zollkodex im Wesentlichen identischen Bestimmung – klargestellt, dass der Importeur, wenn er auf einen der als Grundlage für die Ermittlung des Zollwerts in Betracht kommenden Preise Bezug genommen hat, diese Anmeldung nicht mehr berichtigen kann, sobald die Waren zollrechtlich freigegeben wurden (Urteil vom 6. Juni 1990, Unifert, C‑11/89, EU:C:1990:237, Rn. 21).

28

Auch wenn es einem Anmelder vor dem Inkrafttreten des Zollkodex am 1. Januar 1994 verwehrt war, seine Anmeldung nach der Überlassung der Waren zu berichtigen, wurde jedoch durch Art. 78 des Zollkodex mit Wirkung ab diesem Tag ausdrücklich die Möglichkeit geschaffen, dass die Zollbehörden auf einen vom Anmelder nach Überlassung der Waren gestellten Antrag eine Zollanmeldung überprüfen (Urteil vom 20. Oktober 2005, Overland Footwear, C‑468/03, EU:C:2005:624, Rn. 61 und 62).

29

Die Art. 65 und 78 des Zollkodex sehen daher nunmehr zwei verschiedene Regelungen vor, die vor bzw. nach der Freigabe der Waren für eventuelle Änderungen der Angaben gelten, die bei der Bestimmung des Zollwerts und damit der Bemessung der Einfuhrabgaben Berücksichtigung finden (Urteil vom 20. Oktober 2005, Overland Footwear, C‑468/03, EU:C:2005:624, Rn. 64).

30

Zum einen erlaubt Art. 65 des Zollkodex die einseitige Berichtigung der Zollanmeldung durch den Anmelder selbst, solange die Waren noch nicht freigegeben wurden. Dieses Recht erklärt sich daraus, dass bis zur Freigabe die Richtigkeit der Berichtigungen erforderlichenfalls von den Zollbehörden leicht anhand einer physischen Kontrolle der Waren nachgeprüft werden kann. Die Berichtigung kann außerdem gegebenenfalls zu einer Zeit erfolgen, zu der der Betrag der Einfuhrabgaben von den Zollbehörden noch nicht festgesetzt wurde (Urteil vom 20. Oktober 2005, Overland Footwear, C‑468/03, EU:C:2005:624, Rn. 65).

31

Zum anderen ist mit Art. 78 des Zollkodex eine restriktivere Regelung eingeführt worden. Diese Bestimmung gilt für die Zeit nach der Freigabe der Waren, wenn sich ihre Vorführung als unmöglich erweisen kann und die Einfuhrabgaben bereits festgesetzt wurden. Darum betraut sie die Zollbehörden damit, auf Antrag des Anmelders eine Überprüfung vorzunehmen, die sowohl hinsichtlich der Frage, ob sie überhaupt vorgenommen werden soll, als auch hinsichtlich ihres Ergebnisses im Ermessen der Zollbehörden liegt (Urteil vom 20. Oktober 2005, Overland Footwear, C‑468/03, EU:C:2005:624, Rn. 66).

32

Art. 78 Abs. 3 des Zollkodex unterscheidet indes nicht zwischen Irrtümern oder Unterlassungen, die einer Berichtigung zugänglich sind, und solchen, die es nicht sind. Die in dieser Bestimmung enthaltene Wendung „unrichtige oder unvollständige Grundlagen“ ist so zu verstehen, dass sie sich sowohl auf tatsächliche Irrtümer oder Unterlassungen als auch auf Irrtümer bei der Auslegung des anwendbaren Rechts bezieht (Urteil vom 20. Oktober 2005, Overland Footwear, C‑468/03, EU:C:2005:624, Rn. 63).

33

Daher ist zu prüfen, ob die von CEVA Freight vorgenommenen Anmeldungen unrichtige oder unvollständige Angaben zum Preis der Waren enthalten, auf den für die Bestimmung ihres Zollwerts abzustellen ist.

34

Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte ergibt sich, dass der von CEVA Freight angegebene Preis dem Kaufpreis der Waren entspricht, der von den Gesellschaften angesetzt wurde, für deren Rechnung CEVA Freight die Anmeldungen vornahm; dieser Preis war somit materiell richtig, und CEVA Freight wollte ihn mit ihrem Antrag keineswegs berichtigen.

35

Daraus ergibt sich jedoch auch, dass CEVA Freight, als sie in ihren Anmeldungen eine falsche zollrechtliche Unterposition für die Einreihung der betreffenden Waren angab, einen Fehler bei der Auslegung des anwendbaren Rechts beging.

36

Ein solcher Fehler hatte offensichtlich Auswirkungen auf die Wahl des Transaktionswerts dieser Waren, d. h. den beim Verkauf zwecks Ausfuhr in die Union tatsächlich für die Waren gezahlten oder zu zahlenden Preis, auf den nach Art. 29 des Zollkodex und Art. 147 der Durchführungsverordnung zur Bestimmung ihres Zollwerts abgestellt werden konnte.

37

Zum Zeitpunkt der Zollanmeldungen war CEVA Freight nämlich zu Unrecht der Ansicht, dass die betreffenden Waren in eine zolltarifliche Unterposition einzureihen seien, für die ein Zollsatz von 0 % galt, und dass ihr Transaktionswert somit für die Höhe der Zollschuld unerheblich sei. Folglich gab CEVA Freight auf der Grundlage dieser unrichtigen Auslegung des Zollkodex und insbesondere der Definition der maßgeblichen zolltariflichen Unterposition sodann den der Bestimmung des Zollwerts zugrunde zu legenden Preis an. Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte geht klar hervor, dass CEVA Freight, wenn sie zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Anmeldungen die anwendbare Unterposition, für die ein Zollsatz von 13,9 % galt, richtig ausgelegt hätte, zum Zweck der Herabsetzung ihrer Zollschuld einen geringeren Transaktionswert angegeben hätte.

38

Hat ein solcher Irrtum bei der Auslegung des anwendbaren Rechts den Anmelder dazu gebracht, bei den Waren, die Gegenstand aufeinanderfolgender Verkäufe waren, den höchsten Transaktionswert als Grundlage für die Bestimmung ihres Zollwerts anzugeben, kann dieser Irrtum aber nicht als Ausübung eines Wahlrechts angesehen werden, die per definitionem bewusstes Handeln voraussetzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Oktober 2005, Overland Footwear, C‑468/03, EU:C:2005:624, Rn. 69).

39

Somit stellt in Anbetracht der in Rn. 32 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung der in einer Zollerklärung von einem Anmelder wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden angegebene Transaktionswert eine unvollständige Grundlage im Sinne von Art. 78 des Zollkodex dar, die den Zollbehörden die Möglichkeit gibt, diese Anmeldung zu überprüfen.

40

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 78 des Zollkodex dahin auszulegen ist, dass der Anmelder, wenn er die Möglichkeit hat, den Preis der zur Ausfuhr in das Gebiet der Europäischen Union verkauften Waren – der als Grundlage für die Bestimmung ihres Zollwerts herangezogen werden kann – zu wählen, und wenn eine nachträgliche Prüfung ergibt, dass die von ihm erstellte Zollanmeldung einen Fehler hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung der betreffenden Waren enthält, der zur Anwendung eines höheren Zolls führt, gestützt auf Art. 78 verlangen kann, dass die Zollanmeldung überprüft und der ursprünglich angegebene Preis durch einen niedrigeren Transaktionspreis ersetzt wird, damit sich seine Zollschuld verringert.

Zur zweiten Frage

41

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 221 Abs. 1 und 3 des Zollkodex dahin auszulegen ist, dass er es ermöglicht, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem die Mitteilung des Abgabenbetrags an den Zollschuldner als erfolgt gilt, so dass die dreijährige Verjährungsfrist für die Zollschuld unterbrochen wird, und, wenn ja, ob auf den Zeitpunkt des Versands der Mitteilung durch die Zollbehörden oder auf den Zeitpunkt ihres Eingangs beim Schuldner abzustellen ist.

42

Zur Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 221 Abs. 1 des Zollkodex der Abgabenbetrag dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen ist, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.

43

Der Unionsgesetzgeber wollte in Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex die Frist harmonisieren, innerhalb deren die Zollbehörden diese Mitteilung vornehmen müssen, sowie den Zeitpunkt, zu dem die Frist beginnt. Er hat jedoch weder die Form einer solchen Mitteilung geregelt noch den Zeitpunkt, zu dem sie erfolgen muss, damit die Verjährungsfrist unterbrochen wird. Das erklärt sich aus dem Umstand, dass die Vorschrift in Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex, wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, nur für die Mitteilung des Abgabenbetrags an den Zollschuldner gilt und die Umsetzung dieses Artikels insoweit allein den für eine solche Mitteilung zuständigen nationalen Zollbehörden obliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2003, Niederlande/Kommission, C‑156/00, EU:C:2003:149, Rn. 63 und 64, sowie Urteil vom 15. März 2018, Deichmann, C‑256/16, EU:C:2018:187, Rn. 81).

44

Da die zollrechtlichen Bestimmungen der Union somit weder Vorschriften über den Inhalt des Begriffs „geeignete Form“ enthalten noch andere Stellen als die Mitgliedstaaten und deren Behörden ermächtigen, diese Form festzulegen, ist davon auszugehen, dass für sie die interne Rechtsordnung der Mitgliedstaaten maßgebend ist und dass die nationalen Behörden bei der Durchführung dieser Bestimmungen anhand der formellen und materiellen Regeln ihres nationalen Rechts vorgehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Februar 2006, Molenbergnatie, C‑201/04, EU:C:2006:136, Rn. 52 und 53).

45

Folglich ist es Sache der Mitgliedstaaten, den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die Mitteilung des Betrags der geschuldeten Abgaben an den Zollschuldner als erfolgt gilt. Wie der Gerichtshof bereits ausgeführt hat, obliegt es in jedem Fall den zuständigen staatlichen Stellen, dafür zu sorgen, dass ihre Mitteilung dem Zollschuldner eine genaue Kenntnis seiner Rechte verschafft (Urteil vom 23. Februar 2006, Molenbergnatie, C‑201/04, EU:C:2006:136, Rn. 53).

46

Schließlich ist hervorzuheben, dass die Bestimmung der Form, die bei der Mitteilung des Abgabenbetrags an den Zollschuldner zu wählen ist, damit die in Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex vorgesehene Verjährungsfrist unterbrochen wird, eine verfahrensrechtliche Modalität darstellt, die darauf abzielt, die Wahrung eines Rechts sicherzustellen, das einem Einzelnen, wie CEVA Freight, aus dem Unionsrecht erwächst, und zwar des Rechts, nach Ablauf dieser Frist keinen Zoll für die Einfuhr der betreffenden Waren in das Zollgebiet der Union mehr zu schulden.

47

Folglich haben die Mitgliedstaaten, wenn sie den Zeitpunkt bestimmen, zu dem die Mitteilung an den Zollschuldner als erfolgt gilt, die gemäß Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex dazu führt, dass die Verjährungsfrist unterbrochen wird, dafür zu sorgen, dass die anwendbaren nationalen Vorschriften zum einen nicht weniger günstig gestaltet sind als bei entsprechenden Verfahren, die innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und zum anderen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. April 2010, Barth, C‑542/08, EU:C:2010:193, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48

Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 221 Abs. 1 und 3 des Zollkodex dahin auszulegen ist, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, unter Beachtung der Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem die Mitteilung des Abgabenbetrags an den Zollschuldner erfolgen muss, damit die dreijährige Verjährungsfrist, mit deren Ablauf die Zollschuld erlischt, unterbrochen wird.

Kosten

49

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 78 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Anmelder, wenn er die Möglichkeit hat, den Preis der zur Ausfuhr in das Gebiet der Europäischen Union verkauften Waren – der als Grundlage für die Bestimmung ihres Zollwerts herangezogen werden kann – zu wählen, und wenn eine nachträgliche Prüfung ergibt, dass die von ihm erstellte Zollanmeldung einen Fehler hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung der betreffenden Waren enthält, der zur Anwendung eines höheren Zolls führt, gestützt auf Art. 78 verlangen kann, dass die Zollanmeldung überprüft und der ursprünglich angegebene Preis durch einen niedrigeren Transaktionspreis ersetzt wird, damit sich seine Zollschuld verringert.

 

2.

Art. 221 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 2700/2000 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, unter Beachtung der Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem die Mitteilung des Abgabenbetrags an den Zollschuldner erfolgen muss, damit die dreijährige Verjährungsfrist, mit deren Ablauf die Zollschuld erlischt, unterbrochen wird.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.