EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62016CJ0256

Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 15. März 2018.
Deichmann SE gegen Hauptzollamt Duisburg.
Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Düsseldorf.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Zulässigkeit – Antidumpingverfahren – Gültigkeit einer Verordnung zur Durchführung eines Urteils des Gerichtshofs, mit dem frühere Verordnungen für ungültig erklärt wurden – Durchführungspflicht – Rechtsgrundlage – Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 – Art. 14 – Festlegung der Modalitäten für die Erhebung von Antidumpingzöllen durch die Mitgliedstaaten – Anordnung an die nationalen Zollbehörden, die Erstattung von Antidumpingzöllen auszusetzen – Wiederaufnahme des Verfahrens, das den für ungültig erklärten Verordnungen vorausgegangen ist – Art. 10 – Rückwirkungsverbot – Zollkodex der Gemeinschaften – Art. 221 – Verjährung – Art. 236 – Erstattung nicht geschuldeter Abgaben.
Rechtssache C-256/16.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2018:187

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

15. März 2018 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Zulässigkeit – Antidumpingverfahren – Gültigkeit einer Verordnung zur Durchführung eines Urteils des Gerichtshofs, mit dem frühere Verordnungen für ungültig erklärt wurden – Durchführungspflicht – Rechtsgrundlage – Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 – Art. 14 – Festlegung der Modalitäten für die Erhebung von Antidumpingzöllen durch die Mitgliedstaaten – Anordnung an die nationalen Zollbehörden, die Erstattung von Antidumpingzöllen auszusetzen – Wiederaufnahme des Verfahrens, das den für ungültig erklärten Verordnungen vorausgegangen ist – Art. 10 – Rückwirkungsverbot – Zollkodex der Gemeinschaften – Art. 221 – Verjährung – Art. 236 – Erstattung nicht geschuldeter Abgaben“

In der Rechtssache C‑256/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. April 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Mai 2016, in dem Verfahren

Deichmann SE

gegen

Hauptzollamt Duisburg

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter), M. Safjan, D. Šváby und M. Vilaras,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Deichmann SE, vertreten durch die Rechtsanwälte D. Ehle und C. Zimmermann, S. De Knop, advocaat, sowie A. Willems, avocat,

der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Armati, K. Blanck-Putz, L. Grønfeldt, N. Kuplewatzky und T. Maxian Rusche als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Juli 2017

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit der Durchführungsverordnung (EU) 2016/223 der Kommission vom 17. Februar 2016 zur Einführung eines Verfahrens zur Prüfung bestimmter, von ausführenden Herstellern aus China und Vietnam eingereichter Anträge auf Marktwirtschaftsbehandlung und individuelle Behandlung und zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C‑659/13 und C‑34/14 (ABl. 2016, L 41, S. 3, im Folgenden: streitige Verordnung).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Deichmann SE und dem Hauptzollamt Duisburg (Deutschland) (im Folgenden: Hauptzollamt) wegen eines Antrags auf Erstattung von Antidumpingzoll, der bei der Einfuhr von Schuhen mit Oberteil aus Leder in die Europäische Union entrichtet wurde.

Rechtlicher Rahmen

Antidumpingvorschriften

3

Der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits und die streitige Verordnung fallen in einen Zeitraum, in dem der Erlass von Antidumpingmaßnahmen in der Union nacheinander durch die Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. 1996, L 56, S. 1, berichtigt im ABl. 2000, L 263, S. 34, und im ABl. 2007, L 13, S. 10) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2117/2005 des Rates vom 21. Dezember 2005 (ABl. 2005, L 340, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 384/96) und dann durch die Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. 2009, L 343, S. 51, berichtigt im ABl. 2010, L 7, S. 22, im ABl. 2015, L 45, S. 22, und im ABl. 2016, L 44, S. 20) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 37/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2014 (ABl. 2014, L 18, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1225/2009) geregelt wurde.

4

Art. 9 („Abschluss ohne Maßnahmen; Einführung endgültiger Zölle“) der Verordnung Nr. 384/96 bestimmte in Abs. 4:

„Ergibt sich aus der endgültigen Feststellung des Sachverhalts, dass Dumping und eine dadurch verursachte Schädigung vorliegen und im Gemeinschaftsinteresse ein Eingreifen gemäß Artikel 21 erforderlich ist, so führt der Rat … einen endgültigen Antidumpingzoll ein. …“

5

Art. 9 der Verordnung Nr. 1225/2009, der ebenfalls die Überschrift „Abschluss ohne Maßnahmen; Einführung endgültiger Zölle“ trug, bestimmte in Abs. 4:

„Ergibt sich aus der endgültigen Feststellung des Sachverhalts, dass Dumping und eine dadurch verursachte Schädigung vorliegen und im Unionsinteresse ein Eingreifen gemäß Artikel 21 erforderlich ist, so führt die Kommission … einen endgültigen Antidumpingzoll ein. …“

6

Art. 10 der Verordnung Nr. 384/96 und Art. 10 der Verordnung Nr. 1225/2009, die beide die Überschrift „Rückwirkung“ trugen, hatten einen gleichlautenden Abs. 1, in dem es hieß:

„… [E]ndgültige Antidumpingzölle werden nur auf Waren angewendet, die nach dem Zeitpunkt, zu dem der gemäß … Artikel 9 Absatz 4 gefasste Beschluss in Kraft tritt, in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden, vorbehaltlich der in dieser Verordnung genannten Ausnahmen.“

7

Art. 14 („Allgemeine Bestimmungen“) der Verordnung Nr. 1225/2009 sah in Abs. 1 vor:

„Vorläufige oder endgültige Antidumpingzölle werden durch Verordnung eingeführt und von den Mitgliedstaaten in der Form, zu dem Satz und nach den sonstigen Modalitäten erhoben, die in der Verordnung zur Einführung dieser Zölle festgelegt sind. …“

8

Art. 23 („Aufhebung“) der Verordnung Nr. 1225/2009 sah vor:

„Die Verordnung (EG) Nr. 384/96 wird aufgehoben.

Die Verordnung (EG) Nr. 384/96 ist weiterhin auf Verfahren anwendbar, die während ihrer Geltungsdauer eingeleitet wurden.

…“

9

Gemäß ihrem Art. 24 („Inkrafttreten“) trat die Verordnung Nr. 1225/2009 am 20. Tag nach ihrer am 22. Dezember 2009 erfolgten Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft, also am 11. Januar 2010. Sie wurde durch die Verordnung (EU) 2016/1036 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Union gehörenden Ländern (ABl. 2016, L 176, S. 21) aufgehoben, die am 20. Tag nach ihrer am 30. Juni 2016 erfolgten Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft trat.

Zollrechtliche Bestimmungen

10

Der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits und die streitige Verordnung fallen in einen Zeitraum, in dem die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 (ABl. 2013, L 269, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex) die anwendbaren zollrechtlichen Bestimmungen waren. Dieser Kodex wurde inzwischen aufgehoben.

11

Titel VII („Zollschuld“) des Kodex umfasste dessen Art. 189 bis 242.

12

Das zu diesem Titel des Kodex gehörende Kapitel 3 („Erhebung des Zollschuldbetrags“) enthielt u. a. die Art. 217 und 221.

13

Art. 217 des Zollkodex sah in Abs. 1 vor:

„Jeder einer Zollschuld entsprechende Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrag – nachstehend ‚Abgabenbetrag‘ genannt – muss unmittelbar bei Vorliegen der erforderlichen Angaben von den Zollbehörden berechnet und in die Bücher oder in sonstige stattdessen verwendete Unterlagen eingetragen werden (buchmäßige Erfassung).“

14

Art. 221 des Kodex bestimmte in den Abs. 1 und 3:

„(1)   Der Abgabenbetrag ist dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.

(3)   Die Mitteilung [des Abgabenbetrags] an den Zollschuldner darf nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Diese Frist wird ab dem Zeitpunkt ausgesetzt, in dem ein Rechtsbehelf gemäß Artikel 243 eingelegt wird, und zwar für die Dauer des Rechtsbehelfs.“

15

Zu Kapitel 5 („Erstattung oder Erlass der Abgaben“) von Titel VII des Kodex gehörte Art. 236, der in Abs. 1 vorsah:

„Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben werden insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war …

…“

Vorgeschichte des Rechtsstreits und Vorlagefrage

Vorgeschichte der streitigen Verordnung

16

Am 5. Oktober 2006 erließ der Rat der Europäischen Union die Verordnung (EG) Nr. 1472/2006 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China und Vietnam (ABl. 2006, L 275, S. 1, im Folgenden: endgültige Verordnung).

17

Durch Art. 1 Abs. 1 der endgültigen Verordnung wurde der endgültige Antidumpingzoll eingeführt; er enthielt eine Aufzählung der verschiedenen Kategorien von Schuhen mit Oberteil aus Leder, auf die er anwendbar war. In Art. 1 Abs. 3 der Verordnung wurde der Antidumpingzollsatz für die von Unternehmen mit Sitz in China mit Ausnahme von Golden Step hergestellten Schuhe mit Oberteil aus Leder auf 16,5 %, für die von Golden Step hergestellten Schuhe auf 9,7 % und für die von Unternehmen mit Sitz in Vietnam hergestellten Schuhe auf 10 % festgesetzt.

18

Außerdem lautete Art. 1 Abs. 4 der endgültigen Verordnung: „Sofern nichts anderes bestimmt ist, finden die geltenden Zollvorschriften Anwendung.“

19

Schließlich sah Art. 3 der endgültigen Verordnung vor, dass sie am Tag nach ihrer am 6. Oktober 2006 erfolgten Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft tritt und für einen Zeitraum von zwei Jahren in Kraft bleibt, d. h. vom 7. Oktober 2006 bis zum 6. Oktober 2008.

20

Am 22. Dezember 2009 erließ der Rat die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1294/2009 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in Vietnam und in der Volksrepublik China, ausgeweitet auf aus der Sonderverwaltungsregion Macau versandte Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder, ob als Ursprungserzeugnisse der Sonderverwaltungsregion Macau angemeldet oder nicht, nach einer Auslaufüberprüfung nach Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung Nr. 384/96 (ABl. 2009, L 352, S. 1, im Folgenden: Verlängerungsverordnung).

21

Durch Art. 1 Abs. 1 der Verlängerungsverordnung wurde dieser Zoll eingeführt; er enthielt eine Aufzählung der verschiedenen Kategorien von Schuhen mit Oberteil aus Leder, auf die er anwendbar war. In Art. 1 Abs. 3 und 4 dieser Verordnung wurde der Zollsatz für die von Unternehmen mit Sitz in China hergestellten oder aus Macau versandten Schuhe mit Oberteil aus Leder auf 16,5 %, für die von Golden Step hergestellten Schuhe auf 9,7 % und für die von Unternehmen mit Sitz in Vietnam hergestellten Schuhe auf 10 % festgesetzt.

22

Außerdem sah Art. 1 Abs. 5 der Verlängerungsverordnung vor: „Sofern nichts anderes bestimmt ist, finden die geltenden Zollvorschriften Anwendung.“

23

Schließlich bestimmte Art. 2 dieser Verordnung, dass sie am Tag nach ihrer am 30. Dezember 2009 erfolgten Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft tritt und für einen Zeitraum von 15 Monaten in Kraft bleibt, d. h. vom 31. Dezember 2009 bis zum 30. März 2011.

24

Mit Urteil vom 4. Februar 2016, C & J Clark International und Puma (C‑659/13 und C‑34/14, EU:C:2016:74), erklärte der Gerichtshof die endgültige Verordnung und die Verlängerungsverordnung für ungültig, soweit sie gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und Art. 9 Abs. 5 der Verordnung Nr. 384/96 verstießen.

Streitige Verordnung

25

Wie aus der Überschrift der streitigen Verordnung und ihrem 13. Erwägungsgrund hervorgeht, sollen mit ihr Maßnahmen zur Durchführung des Urteils vom 4. Februar 2016, C & J Clark International und Puma (C‑659/13 und C‑34/14, EU:C:2016:74), ergriffen werden.

26

Insoweit hat die Kommission im Wesentlichen in den Erwägungsgründen 13 bis 16, 21 und 24 der streitigen Verordnung dargelegt, dass sie beabsichtige, der vom Gerichtshof festgestellten Regelwidrigkeit dadurch abzuhelfen, dass sie die Verfahren, die zum Erlass der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung geführt hätten, in dem Stadium, in dem die Regelwidrigkeit eingetreten sei, wieder aufnehmen, neue Verordnungen verabschieden und Antidumpingzölle mit angemessenen Zollsätzen wieder einführen werde. Ferner führte sie aus, dass diese Antidumpingzölle ab dem Tag wirksam würden, an dem die endgültige Verordnung und die Verlängerungsverordnung in Kraft getreten seien.

27

Außerdem hat die Kommission in den Erwägungsgründen 18 und 22 der streitigen Verordnung ausgeführt, dass „die nationalen Zollbehörden, die über einen Antrag auf Erstattung von Antidumpingzöllen auf der Grundlage von Artikel 236 des Zollkodex … entscheiden müssen, zu verpflichten [sind], … die Bewertung [der entsprechenden Anträge auf Marktwirtschaftsbehandlung und auf individuelle Behandlung] und, wo angemessen, die Wiedereinführung des Antidumpingzolls zum angemessenen Satz durch die Kommission abzuwarten, bevor sie die Erstattung vornehmen“. Die Kommission hat hinzugefügt: „Die Rechtsgrundlage für eine derartige Verpflichtung ist Artikel 14 [Abs. 1 Satz 1] der [Verordnung Nr. 1225/2009], der vorsieht, dass die Verordnung zur Einführung von Zöllen die detaillierten Modalitäten für deren Erhebung durch die Mitgliedstaaten angeben muss.“

28

Auf dieser Grundlage bestimmt Art. 1 der streitigen Verordnung:

„(1)   Nationale Zollbehörden, bei denen ein Antrag auf [der] Grundlage von Artikel 236 des Zollkodex … auf Erstattung von durch die [endgültige] Verordnung oder [die Verlängerungsverordnung] eingeführten und von nationalen Zollbehörden erhobenen Antidumpingzöllen eingereicht wurde, der darauf basiert, dass ein nicht in die Stichprobe einbezogener ausführender Hersteller einen [Antrag auf Marktwirtschaftsbehandlung oder auf individuelle Behandlung] gestellt hat, leiten diesen Antrag und alle Belege an die Kommission weiter.

(2)   Innerhalb von acht Monaten nach Empfang des Antrags und aller Belege prüft die Kommission, ob der ausführende Hersteller tatsächlich einen [Antrag auf Marktwirtschaftsbehandlung und auf individuelle Behandlung] gestellt hat, und, falls dem so ist, bewertet die Kommission den Antrag und führt durch eine Durchführungsverordnung der Kommission nach Unterrichtung … den angemessenen Zoll wieder ein.

(3)   Die nationalen Zollbehörden warten die Veröffentlichung der einschlägigen Durchführungsverordnung der Kommission zur Wiedereinführung der Zölle ab, bevor sie über den Antrag auf Erstattung oder Erlass von Antidumpingzöllen entscheiden.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

29

Mit Bescheid vom 10. Mai 2010, der sodann der Klägerin des Ausgangsverfahrens mitgeteilt wurde, setzte das Hauptzollamt den Betrag des von ihr gemäß der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung zu entrichtenden Antidumpingzolls für die Überführung bestimmter aus China und Vietnam stammender Schuhe mit Oberteil aus Leder in den zollrechtlich freien Verkehr in der Union auf 11181,92 Euro fest. Die Schuhe waren von einer chinesischen und einer vietnamesischen Gesellschaft hergestellt worden, die im Rahmen der Verfahren zum Erlass der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung eine Marktwirtschaftsbehandlung oder, hilfsweise, eine individuelle Behandlung beantragt hatten. Die Kommission entschied jedoch nicht über diese Anträge, da die antragstellenden Gesellschaften nicht in die Stichprobe der ausführenden Hersteller einbezogen worden waren, die für die Zwecke der dem Erlass der genannten Verordnungen vorausgegangenen Untersuchung erstellt worden war.

30

Am 12. Juni 2012 beantragte die Klägerin des Ausgangsverfahrens beim Hauptzollamt, ihr gemäß Art. 236 des Zollkodex den auf der Grundlage der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung entrichteten Antidumpingzoll zu erstatten. Sie machte insoweit geltend, dieser Zoll sei aufgrund der Ungültigkeit der genannten Verordnungen als zum Zeitpunkt der Zahlung rechtlich nicht geschuldet anzusehen. Ihr Antrag wurde mit Bescheid vom 15. November 2013 abgelehnt. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens legte gegen diese Entscheidung Einspruch ein und erhob nach dessen Zurückweisung durch das Hauptzollamt Klage beim vorlegenden Gericht.

31

Das Finanzgericht Düsseldorf (Deutschland) weist zunächst darauf hin, dass sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens in Anbetracht der Situation, in der sie sich befinde, auf die vom Gerichtshof im Urteil vom 4. Februar 2016, C & J Clark International und Puma (C‑659/13 und C‑34/14, EU:C:2016:74), festgestellte teilweise Ungültigkeit der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung berufen könne und dass ihrer Klage demnach stattzugeben wäre, indem das Hauptzollamt gemäß Art. 236 des Zollkodex zu verpflichten wäre, ihr den entrichteten Antidumpingzoll zu erstatten.

32

Sodann stellt das vorlegende Gericht fest, dass die – nach Klageerhebung ergangene – streitige Verordnung aufgrund ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit der Auferlegung einer solchen Verpflichtung nunmehr entgegenstehe. Es habe jedoch aus mehreren Gründen Zweifel an der Gültigkeit dieser Verordnung.

33

Erstens sei fraglich, ob die streitige Verordnung nicht auf die Verordnung Nr. 384/96 anstelle der Verordnung Nr. 1225/2009 hätte gestützt werden müssen und ob infolgedessen die Befugnis zur Einführung eines Antidumpingzolls nicht der Kommission zustehe, sondern dem Rat, dem diese Befugnis durch Art. 9 Abs. 4 der Verordnung Nr. 384/96 verliehen worden sei.

34

Zweitens müsse, falls die Kommission in der streitigen Verordnung zu Recht die Verordnung Nr. 1225/2009 herangezogen haben sollte, geklärt werden, ob sie angesichts des Wortlauts von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 dieser Verordnung und von Art. 236 Abs. 1 des Zollkodex zum Erlass der in Art. 1 der streitigen Verordnung vorgesehenen Anordnungen ermächtigt gewesen sei.

35

Drittens sei fraglich, ob es im Hinblick auf das in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 384/96 und dann in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1225/2009 vorgesehene Rückwirkungsverbot sowie die Verjährungsvorschrift in Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex zulässig gewesen sei, das der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung zugrunde liegende Verfahren mit der streitigen Verordnung wieder aufzunehmen, um die mit ihnen auferlegten Antidumpingzölle wieder einzuführen.

36

Viertens sei unklar, ob die in der streitigen Verordnung vorgesehenen Anordnungen als unverhältnismäßig angesehen werden könnten, soweit sie die nationalen Zollbehörden verpflichteten, die Erstattungsanträge, mit denen sie gemäß Art. 236 des Zollkodex befasst worden seien, an die Kommission weiterzuleiten.

37

Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Düsseldorf beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist die streitige Verordnung gültig?

Zur Zulässigkeit

38

Die Kommission macht geltend, das Vorabentscheidungsersuchen sei als unzulässig zurückzuweisen, weil die Klägerin des Ausgangsverfahrens zweifelsfrei legitimiert gewesen sei, beim Unionsrichter die Nichtigerklärung der streitigen Verordnung zu beantragen, was sie indes innerhalb der in Art. 263 Abs. 6 AEUV vorgesehenen Frist nicht getan habe, so dass ihr nicht gestattet werden könne, diese Frist zu umgehen, indem sie sich nun beim vorlegenden Gericht auf die Ungültigkeit der Verordnung berufe.

39

Insoweit entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass eine Person, die ohne jeden Zweifel die Nichtigerklärung eines Rechtsakts beim Unionsrichter hätte beantragen können, dies aber nicht innerhalb der in Art. 263 Abs. 6 AEUV vorgesehenen Frist getan hat, nicht berechtigt ist, sich im Rahmen einer Klage bei einem nationalen Gericht, die gegen eine auf der Grundlage dieses Rechtsakts erlassene nationale Maßnahme gerichtet ist, auf dessen Ungültigkeit zu berufen (Urteile vom 9. März 1994, TWD Textilwerke Deggendorf, C‑188/92, EU:C:1994:90, Rn. 23, und vom 4. Februar 2016, C & J Clark International und Puma, C‑659/13 und C‑34/14, EU:C:2016:74, Rn. 56).

40

Befasst in einer Situation wie der in der vorstehenden Randnummer dargestellten das betreffende nationale Gericht den Gerichtshof mit einem Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit des Rechtsakts, ist dieses Ersuchen folglich als unzulässig zurückzuweisen.

41

Im vorliegenden Fall bedarf jedoch nicht der Klärung, ob die Klägerin des Ausgangsverfahrens ohne jeden Zweifel die Nichtigerklärung der streitigen Verordnung beim Unionsrichter hätte beantragen können, da sie sich nicht in der Situation befindet, auf die sich die in Rn. 39 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung bezieht. Die streitige Verordnung wurde nämlich nach der Erhebung der Klage beim vorlegenden Gericht erlassen und nach dessen Angaben im Rahmen dieses Verfahrens der Klägerin des Ausgangsverfahrens entgegengehalten. Letztere will sich somit verteidigen und nicht die Frist umgehen, innerhalb deren sie die Verordnung vor dem Gericht der Europäischen Union hätte anfechten können.

42

Das Vorabentscheidungsersuchen ist demnach zulässig.

Zur Vorlagefrage

43

Obwohl aus dem Wortlaut der Vorlagefrage nicht hervorgeht, welche Nichtigkeitsgründe für das vorlegende Gericht in Betracht kommen, ist in Anbetracht der Ausführungen in der Vorlageentscheidung davon auszugehen, dass es mit dieser Frage wissen möchte, ob die streitige Verordnung aus verschiedenen Gründen ungültig ist, und zwar deshalb, weil die Verordnung Nr. 1225/2009 anstelle der Verordnung Nr. 384/96 herangezogen wurde, weil ihre Rechtsgrundlage Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1225/2009 ist, weil die Vorschriften über das Rückwirkungsverbot und die Verjährung missachtet worden sein könnten und weil die Anordnungen, die sie enthält, möglicherweise unverhältnismäßig sind.

44

Diese verschiedenen Ungültigkeitsgründe sind nacheinander zu prüfen.

45

Erstens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die streitige Verordnung angesichts des Wortlauts von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1225/2009 und des Zeitpunkts, zu dem die Verfahren zum Erlass der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung eingeleitet wurden, nicht auf die Verordnung Nr. 1225/2009, sondern auf die Verordnung Nr. 384/96 hätte gestützt werden müssen. Außerdem weist es darauf hin, dass in diesem Fall die streitige Verordnung folgerichtig auch deshalb ungültig wäre, weil darin zu Unrecht nicht der Rat, sondern die Kommission zur Auferlegung von Antidumpingzöllen ermächtigt werde, obwohl Art. 9 Abs. 4 der Verordnung Nr. 384/96 diese Befugnis dem Rat zuweise.

46

Das Verhältnis zwischen der Verordnung Nr. 384/96 und der Verordnung Nr. 1225/2009 ist in deren Art. 23 geregelt.

47

Dieser Artikel trägt die Überschrift „Aufhebung“. Art. 23 Abs. 1 lautet: „Die Verordnung [Nr. 384/96] wird aufgehoben.“ In Abs. 2 sind die Auswirkungen der Aufhebung auf Verfahren geregelt, die aufgrund der Verordnung Nr. 384/96 eingeleitet wurden.

48

Die Sprachfassungen von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1225/2009 weichen voneinander ab. Während es nämlich in einigen von ihnen, u. a. in der deutschen Sprachfassung, heißt, dass die Verordnung Nr. 384/96 weiterhin auf Verfahren anwendbar ist, die während ihrer Geltungsdauer eingeleitet wurden, beschränken sich die übrigen Fassungen auf die Angabe, dass die Aufhebung der Verordnung die Gültigkeit dieser Verfahren nicht berührt.

49

Nach ständiger Rechtsprechung schließt die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung des Unionsrechts es aus, den Text einer Unionsvorschrift im Zweifelsfall isoliert zu betrachten, und gebietet vielmehr, ihn anhand des wirklichen Willens des Gesetzgebers und des von ihm verfolgten Zwecks im Licht u. a. aller ihrer Sprachfassungen auszulegen (Urteile vom 4. Februar 2016, C & J Clark International und Puma, C‑659/13 und C‑34/14, EU:C:2016:74, Rn. 122, und vom 25. Januar 2017, Vilkas, C‑640/15, EU:C:2017:39, Rn. 47).

50

Im konkreten Fall geht aus dem ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1225/2009 hervor, dass sie im Wesentlichen darauf abzielt, die Verordnung Nr. 384/96 zu kodifizieren, ohne sie inhaltlich zu ändern.

51

Außerdem ergibt sich aus der Überschrift und dem Wortlaut von Art. 23 der Verordnung Nr. 1225/2009, dass der Unionsgesetzgeber mit dieser Vorschrift die Verordnung Nr. 384/96 aufheben und dabei ausdrücklich gewährleisten wollte, dass die aufgrund von ihr eingeleiteten Verfahren Bestand haben, um den zuständigen Organen ihre Fortführung zu ermöglichen. Dagegen hat der Unionsgesetzgeber in den meisten Sprachfassungen der Verordnung Nr. 1225/2009 nicht vorgesehen, dass die Bestimmungen der Verordnung Nr. 384/96 weiterhin auf solche Verfahren anzuwenden sind.

52

Schließlich müssen nach der Rechtsprechung die Rechtsakte der Union grundsätzlich im Einklang mit den Verfahrensvorschriften erlassen werden, die zum Zeitpunkt ihres Erlasses in Kraft sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2016, Kommission/McBride u. a., C‑361/14 P, EU:C:2016:434, Rn. 40). Hieraus folgt, dass gerade wegen der Aufhebung der Verordnung Nr. 384/96 und angesichts der Zielsetzung der Verordnung Nr. 1225/2009 die auf der Grundlage der Verordnung Nr. 384/96 eingeleiteten Verfahren ab ihrer Aufhebung nur auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1225/2009 fortgeführt werden konnten.

53

Im vorliegenden Fall wurde die streitige Verordnung am 17. Februar 2016 erlassen, d. h. zu einem nach der Aufhebung der Verordnung Nr. 384/96 durch die Verordnung Nr. 1225/2009, die am 11. Januar 2010 erfolgte, liegenden Zeitpunkt.

54

Die Kommission hat daher die streitige Verordnung zu Recht auf die Verordnung Nr. 1225/2009 gestützt.

55

Außerdem ist festzustellen, dass in der streitigen Verordnung die Befugnis zur Einführung von Antidumpingzöllen zu Recht der Kommission und nicht dem Rat verliehen wird. Diese Befugnis steht nämlich nach Art. 9 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1225/2009 in der durch die Verordnung Nr. 37/2014 geänderten Fassung der Kommission zu.

56

Zweitens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1225/2009 eine Rechtsgrundlage darstellt, die den Erlass der in Art. 1 der streitigen Verordnung vorgesehenen Anordnungen erlaubt. Es führt hierzu aus, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 lasse sich keine Ermächtigung der Kommission zum Erlass vorbereitender Maßnahmen zur Wiedereinführung von Antidumpingzöllen oder zum Erlass von Anordnungen entnehmen, die möglicherweise gegen Art. 236 Abs. 1 des Zollkodex verstießen, weil sie die nationalen Zollbehörden an der Erstattung der in Anwendung der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung erhobenen Antidumpingzölle hinderten.

57

Zum ersten Aspekt der vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen Fragen ist festzustellen, dass nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1225/2009 Antidumpingzölle durch Verordnung eingeführt und von den Mitgliedstaaten in der Form, zu dem Satz und nach den sonstigen Modalitäten erhoben werden, die in der Verordnung zu ihrer Einführung festgelegt sind.

58

Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass der Unionsgesetzgeber die Modalitäten für die Erhebung von Antidumpingzöllen nicht abschließend bestimmen, sondern ihre Festlegung der Kommission überlassen wollte.

59

Die in Art. 1 der streitigen Verordnung vorgesehenen Anordnungen zielen darauf ab, die Erhebung der mit der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung eingeführten Antidumpingzölle abzusichern, indem die nationalen Zollbehörden verpflichtet werden, mit der Entscheidung über die Erstattungsanträge der Wirtschaftsteilnehmer, die diese Zölle entrichtet haben, abzuwarten, bis die Kommission in Durchführung des Urteils vom 4. Februar 2016, C & J Clark International und Puma (C‑659/13 und C‑34/14, EU:C:2016:74), ermittelt hat, welche Sätze für die Zölle hätten festgelegt werden müssen.

60

Da sich die genannten Anordnungen somit auf die Erhebung der betreffenden Antidumpingzölle durch die Mitgliedstaaten beziehen, ermächtigte Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1225/2009 die Kommission zu ihrem Erlass.

61

Zum zweiten in Rn. 56 des vorliegenden Urteils angesprochenen Aspekt ist darauf hinzuweisen, dass mit der streitigen Verordnung die Maßnahmen getroffen werden sollen, die zur Durchführung des Urteils vom 4. Februar 2016, C & J Clark International und Puma (C‑659/13 und C‑34/14,EU:C:2016:74), erforderlich sind, mit dem der Gerichtshof die endgültige Verordnung und die Verlängerungsverordnung mit den in Rn. 24 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Worten für ungültig erklärt hat.

62

Zwar sind nach ständiger Rechtsprechung, wenn der Gerichtshof eine Verordnung, mit der Antidumpingzölle eingeführt werden – wie mit der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung –, für ungültig erklärt, diese Zölle als im Sinne von Art. 236 des Zollkodex nicht gesetzlich geschuldet anzusehen und müssen grundsätzlich von den nationalen Zollbehörden unter den hierfür vorgesehenen Voraussetzungen erstattet werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. September 2007, Ikea Wholesale, C‑351/04, EU:C:2007:547, Rn. 66 bis 69, und vom 18. Januar 2017, Wortmann, C‑365/15, EU:C:2017:19, Rn. 34).

63

Die genaue Tragweite eines die Ungültigkeit aussprechenden Urteils des Gerichtshofs und damit der sich daraus ergebenden Pflichten ist aber in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung nicht nur des Tenors dieses Urteils, sondern auch der ihn tragenden Gründe zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2016, CM Eurologistik und GLS, C‑283/14 und C‑284/14, EU:C:2016:57, Rn. 49 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

64

Unter diesen Umständen muss im vorliegenden Fall die genaue Tragweite der Feststellung der Ungültigkeit im Tenor des Urteils vom 4. Februar 2016, C & J Clark International und Puma (C‑659/13 und C‑34/14, EU:C:2016:74), anhand der ihn tragenden Gründe dieses Urteils bestimmt werden.

65

Zunächst geht aus den Rn. 79, 112, 135 und 177 des genannten Urteils hervor, dass die vom Gerichtshof ausgesprochene Ungültigkeit der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung die Folge zweier zwar gesonderter, aber miteinander verbundener Regelwidrigkeiten war. Zum einen haben der Rat und die Kommission diese Verordnungen – unter Verstoß gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 384/96 – erlassen, ohne zuvor die Anträge verschiedener ausführender Hersteller, auf die sich die den Verordnungen zugrunde liegende Untersuchung erstreckte, auf Marktwirtschaftsbehandlung zu prüfen. Zum anderen haben der Rat und die Kommission es – entgegen Art. 9 Abs. 5 der Verordnung Nr. 384/96 – unterlassen, die Anträge dieser Hersteller auf individuelle Behandlung zu prüfen.

66

Sodann ergibt sich aus den Rn. 39, 108, 120 und 131 des genannten Urteils, dass alle diese Anträge es den ausführenden Herstellern, die sie gestellt hatten, ermöglichen sollten, im Rahmen der verschiedenen Maßnahmen zur Vorbereitung der Einführung von Antidumpingzöllen in den Genuss einer individualisierten Behandlung zu kommen, was den Rat und die Kommission hätte veranlassen können, für diese ausführenden Hersteller niedrigere als die in der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung vorgesehenen Antidumpingzollsätze festzusetzen.

67

Schließlich geht aus den Rn. 174 und 177 des Urteils vom 4. Februar 2016, C & J Clark International und Puma (C‑659/13 und C‑34/14, EU:C:2016:74), hervor, dass die vom Gerichtshof in diesem Urteil vorgenommene Prüfung keine sonstigen Gesichtspunkte ergab, die die Gültigkeit der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung zu beeinträchtigen vermochten.

68

In Anbetracht dieser Gründe ist davon auszugehen, dass die Kommission im Rahmen der Erfüllung ihrer Pflicht zur Durchführung des Urteils vom 4. Februar 2016, C & J Clark International und Puma (C‑659/13 und C‑34/14, EU:C:2016:74), davon ausgehen durfte, dass es ihr oblag, die von den betreffenden ausführenden Herstellern gestellten Anträge zu prüfen, um zu klären, ob die für sie nach der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung geltenden Antidumpingzölle zu niedrigeren als den in diesen beiden Verordnungen vorgesehenen Sätzen hätten festgesetzt werden müssen.

69

Zu Unrecht erhoben worden und deshalb den Betroffenen zu erstatten wäre nämlich allenfalls ein Teil der in Anwendung der genannten Verordnungen erhobenen Antidumpingzölle, und zwar die etwaige Differenz zwischen den darin festgesetzten Antidumpingzollsätzen und den Zollsätzen, die hätten festgesetzt werden müssen, wenn die vom Gerichtshof im Urteil vom 4. Februar 2016, C & J Clark International und Puma (C‑659/13 und C‑34/14, EU:C:2016:74), festgestellten Regelwidrigkeiten nicht begangen worden wären. In diesem Zusammenhang kann Art. 236 des Zollkodex nicht dahin ausgelegt werden, dass er es der Kommission verbietet, anzuordnen, dass über die Anträge auf Erstattung der fraglichen Antidumpingzölle am Ende eines Verfahrens entschieden wird, das gerade dazu dient, ihr die Berechnung einer solchen Differenz zu ermöglichen.

70

Unter diesen Umständen war angesichts der in den Rn. 62 und 63 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die sofortige und vollständige Erstattung der betreffenden Antidumpingzölle nicht geboten.

71

Da die in Art. 1 der streitigen Verordnung vorgesehenen Anordnungen nicht gegen Art. 236 Abs. 1 des Zollkodex verstoßen, war die Kommission somit befugt, sie auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1225/2009 zu erlassen.

72

Drittens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es zulässig war, mit der streitigen Verordnung das der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung zugrunde liegende Verfahren wieder aufzunehmen, um die mit diesen Verordnungen während ihres ursprünglichen Geltungszeitraums eingeführten Antidumpingzölle wieder einzuführen. Es wirft nämlich die Frage auf, ob eine solche Wiedereinführung angesichts dessen, dass diese Antidumpingzölle zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verordnung bereits ausgelaufen waren, nicht gegen das in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 384/96 und sodann in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1225/2009 vorgesehene Rückwirkungsverbot oder gegen die Verjährungsvorschrift in Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex verstößt.

73

Was zunächst die Möglichkeit betrifft, das der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung zugrunde liegende Verfahren mit dem Ziel wieder aufzunehmen, die mit diesen Verordnungen während ihres ursprünglichen Geltungszeitraums eingeführten Antidumpingzölle wieder einzuführen, ist festzustellen, dass im Anschluss an ein Urteil des Gerichtshofs, mit dem eine Verordnung zur Einführung von Antidumpingzöllen für nichtig oder für ungültig erklärt wird, das Organ, das die zur Durchführung des Urteils erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hat, zur Wiederaufnahme des dieser Verordnung zugrunde liegenden Verfahrens befugt ist, selbst wenn diese Befugnis in den anwendbaren Rechtsvorschriften nicht ausdrücklich vorgesehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2016, CM Eurologistik und GLS, C‑283/14 und C‑284/14, EU:C:2016:57, Rn. 51 und 52).

74

Außerdem ist das betreffende Organ nach ständiger Rechtsprechung, sofern die festgestellte Regelwidrigkeit nicht zur Rechtswidrigkeit des gesamten Verfahrens geführt hat, befugt, zum Zweck des Erlasses eines Rechtsakts, der einen zuvor für nichtig oder für ungültig erklärten Rechtsakt ersetzen soll, das Verfahren erst in dem Stadium wieder aufzunehmen, in dem die Regelwidrigkeit begangen wurde (Urteil vom 28. Januar 2016, CM Eurologistik und GLS, C‑283/14 und C‑284/14, EU:C:2016:57, Rn. 51).

75

Folglich war es zulässig, mit der streitigen Verordnung das der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung zugrunde liegende Verfahren wieder aufzunehmen.

76

Was sodann die Frage betrifft, ob eine solche Wiederaufnahme des Verfahrens angesichts der anwendbaren Vorschriften im Bereich des Rückwirkungsverbots zulässig ist, wenn die in Rede stehenden Antidumpingzölle ausgelaufen sind, geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass ein Unionsorgan, wenn es von der in den Rn. 73 und 74 des vorliegenden Urteils angesprochenen Möglichkeit zur Wiederaufnahme des Verfahrens Gebrauch macht, nach den Grundsätzen über das intertemporale Recht die materiell-rechtlichen Vorschriften beachten muss, die in zeitlicher Hinsicht für den Sachverhalt galten, auf den sich die für nichtig oder für ungültig erklärte Verordnung bezog (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2016, Kommission/McBride u. a., C‑361/14 P, EU:C:2016:434, Rn. 40).

77

Aufgrund von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 384/96 darf somit die Wiederaufnahme des Verfahrens, die im vorliegenden Fall mit der streitigen Verordnung erfolgte, nicht dazu führen, dass mit der Verordnung, die am Ende dieses Verfahrens anstelle der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung erlassen wird, Antidumpingzölle wieder eingeführt werden, die auf Waren Anwendung finden, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnungen in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wurden.

78

Dagegen schließt der Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 384/96 eine solche Wiederaufnahme des Verfahrens in einem Fall, in dem die betreffenden Antidumpingzölle inzwischen ausgelaufen sind, nicht aus, wenn die Zölle während ihres ursprünglichen Geltungszeitraums wieder eingeführt werden, d. h. im vorliegenden Fall für Waren, die nach dem Inkrafttreten der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wurden.

79

Infolgedessen kann in der im vorliegenden Fall erfolgten Wiederaufnahme des Verfahrens nicht aufgrund dessen, dass die mit der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung eingeführten Antidumpingzölle zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verordnung ausgelaufen waren, ein Verstoß gegen das in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 384/96 vorgesehene Rückwirkungsverbot gesehen werden.

80

Schließlich ist in Bezug auf die Vorschrift in Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex darauf hinzuweisen, dass sie zwar nicht nur der Mitteilung des Zollabgabenbetrags an den Schuldner nach Ablauf einer Dreijahresfrist ab der Entstehung seiner Zollschuld entgegensteht, sondern auch bewirkt, dass die Zollschuld selbst nach Ablauf dieser Frist verjährt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Februar 2006, Molenbergnatie, C‑201/04, EU:C:2006:136, Rn. 39 und 41).

81

Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex gilt jedoch, wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, schon nach seinem Wortlaut nur für die Mitteilung des Zollabgabenbetrags an den Schuldner, und seine Umsetzung obliegt insoweit allein den für diese Mitteilung zuständigen nationalen Zollbehörden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2003, Niederlande/Kommission, C‑156/00, EU:C:2003:149, Rn. 63 und 64).

82

Außerdem geht aus Art. 221 Abs. 1 des Zollkodex hervor, dass die Mitteilung des Zollabgabenbetrags an den Schuldner erst nach der buchmäßigen Erfassung dieses Betrags erfolgen kann, die gemäß Art. 217 Abs. 1 des Zollkodex darin besteht, dass die zuständige Zollbehörde ihn unmittelbar bei Vorliegen der erforderlichen Angaben berechnet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. Februar 2006, Molenbergnatie, C‑201/04, EU:C:2006:136, Rn. 46, sowie vom 16. Juli 2009, Snauwaert u. a., C‑124/08 und C‑125/08, EU:C:2009:469, Rn. 21 und 23).

83

Die Verjährungsvorschrift in Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex kann die Kommission folglich nicht daran hindern, eine Verordnung über die Einführung oder Wiedereinführung von Antidumpingzöllen zu erlassen, und erst recht nicht daran, das ihrem Erlass vorausgehende Verfahren einzuleiten oder wieder aufzunehmen, da alle diese Handlungen zwangsläufig vor der Berechnung des Betrags der in Anwendung der fraglichen Verordnung zu erhebenden Zölle und dessen Mitteilung an den Schuldner durch die zuständigen nationalen Zollbehörden stattfinden.

84

Im vorliegenden Fall können somit die nationalen Zollbehörden erst dann, wenn die Kommission das mit der streitigen Verordnung wieder aufgenommene Verfahren durch die Wiedereinführung der mit der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung eingeführten Antidumpingzölle zu angemessenen Sätzen beendet hat, die entsprechenden Zölle bestimmen und den Schuldnern mitteilen. Diesen Behörden obliegt es dabei, unter der Kontrolle der zuständigen nationalen Gerichte im Einzelfall die Beachtung von Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex sicherzustellen, indem sie prüfen, ob eine solche Mitteilung angesichts der in Art. 221 Abs. 3 Satz 1 vorgesehenen Dreijahresfrist und ihrer etwaigen Aussetzung nach Art. 221 Abs. 3 Satz 2 noch erfolgen darf.

85

Folglich verstößt die fragliche Wiederaufnahme des Verfahrens nicht gegen die Verjährungsvorschrift in Art. 221 Abs. 3 des Zollkodex.

86

Viertens schließlich möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in der streitigen Verordnung vorgesehenen Anordnungen möglicherweise unverhältnismäßig sind, und führt hierzu aus, auch weniger weitgehende Maßnahmen hätten zur Durchführung des Urteils vom 4. Februar 2016, C & J Clark International und Puma (C‑659/13 und C‑34/14, EU:C:2016:74), ausreichen können.

87

Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Feststellung der Ungültigkeit eines Rechtsakts der Union zwar zur Rechtsfolge hat, dass das Organ, das diesen Rechtsakt erlassen hat, die erforderlichen Maßnahmen treffen muss, um der festgestellten Regelwidrigkeit abzuhelfen, da die in Art. 266 AEUV für den Fall eines Nichtigkeitsurteils aufgestellte Pflicht entsprechend gilt, doch verfügt es über ein weites Ermessen bei der Wahl dieser Maßnahmen, die allerdings mit dem Tenor des fraglichen Urteils und den ihn tragenden Gründen vereinbar sein müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2016, CM Eurologistik und GLS, C‑283/14 und C‑284/14, EU:C:2016:57, Rn. 48 und 76 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

88

Angesichts dieses weiten Ermessens kann die Rechtmäßigkeit der betreffenden Maßnahmen nur dann berührt sein, wenn sie zur Erreichung des verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet sind (vgl. entsprechend Urteile vom 8. Februar 2000, Emesa Sugar, C‑17/98, EU:C:2000:70, Rn. 53, und vom 6. September 2017, Slowakei und Ungarn/Rat, C‑643/15 und C‑647/15, EU:C:2017:631, Rn. 207).

89

Im vorliegenden Fall ist aber erstens festzustellen, dass nach den vorstehenden Erwägungen die Prüfung der in Art. 1 der streitigen Verordnung vorgesehenen Anordnungen nicht ergeben hat, dass sie mit dem Tenor und den Gründen des Urteils vom 4. Februar 2016, C & J Clark International und Puma (C‑659/13 und C‑34/14, EU:C:2016:74), unvereinbar wären.

90

Zweitens ist nicht ersichtlich, dass die Kommission bei der Wahl dieser Maßnahmen einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hätte. Die Pflicht der nationalen Zollbehörden, die bei ihnen gemäß Art. 236 des Zollkodex gestellten Erstattungsanträge der Kommission zu übermitteln, vermag nämlich zu gewährleisten, dass dieses Organ über alle relevanten Angaben verfügt, um den vom Gerichtshof im Urteil vom 4. Februar 2016, C & J Clark International und Puma (C‑659/13 und C‑34/14, EU:C:2016:74), festgestellten Regelwidrigkeiten abzuhelfen, ohne dass damit ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer verbunden wäre oder die Bearbeitung der fraglichen Anträge in ungerechtfertigter Weise verzögert würde. Überdies ist festzustellen, dass für ihre Bearbeitung die in Art. 1 Abs. 2 der streitigen Verordnung aufgestellte zeitliche Grenze gilt und dass eine eventuelle Verzögerung durch die Zahlung von Zinsen ausgeglichen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Januar 2017, Wortmann, C‑365/15, EU:C:2017:19, Rn. 37).

91

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass ihre Prüfung nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der streitigen Verordnung berühren könnte.

Kosten

92

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Prüfung der Vorlagefrage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Durchführungsverordnung (EU) 2016/223 der Kommission vom 17. Februar 2016 zur Einführung eines Verfahrens zur Prüfung bestimmter, von ausführenden Herstellern aus China und Vietnam eingereichter Anträge auf Marktwirtschaftsbehandlung und individuelle Behandlung und zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C‑659/13 und C‑34/14 berühren könnte.

 

Bay Larsen

Malenovský

Safjan

Šváby

Vilaras

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. März 2018.

Der Kanzler

A. Calot Escobar

Der Präsident der Dritten Kammer

L. Bay Larsen


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

Top