Brüssel, den 18.12.2020

COM(2020) 813 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

über die Anwendung der durch die Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen vorgeschriebenen Regelung

{SWD(2020) 340 final}


Einleitung

1.Steuergerechtigkeit ist ein Schlüsselelement des kürzlich angenommenen Aktionsplans der Kommission für eine faire und einfache Besteuerung zur Unterstützung der Aufbaustrategie. 1  Von jedem wird erwartet, dass er seinen Anteil an Steuern bezahlt. Wenn Steuern nicht entrichtet werden, müssen die Steuerbehörden Maßnahmen zur Beitreibung der Steuern ergreifen. Die Zuständigkeit der Steuerbehörden beschränkt sich jedoch auf ihr nationales Hoheitsgebiet. In anderen Ländern können sie keine Beitreibungsmaßnahmen ergreifen, auch wenn Steuerschuldner womöglich in ein anderes Land gezogen sind oder über Vermögenswerte in anderen Ländern verfügen. Daher hat die EU Rechtsvorschriften erlassen, auf deren Grundlage die Mitgliedstaaten einander Amtshilfe bei der Beitreibung ihrer Steuern und sonstiger EU-Forderungen im Sinne von Artikel 2 der Richtlinie leisten können.

Das folgende Beispiel zeigt, wie diese Beitreibungsamtshilfe funktioniert: Eine Person begleicht ihre Steuerschulden in Mitgliedstaat A nicht. Sie zieht in Mitgliedstaat B und besitzt außerdem Immobilien in Mitgliedstaat C. In diesem Fall können die Steuerbehörden des Mitgliedstaats A die Steuerbehörden der Mitgliedstaaten B und C ersuchen, ihnen bei der Beitreibung der in Mitgliedstaat A fälligen Steuern behilflich zu sein.

Die Amtshilfe bei der Beitreibung leistet so einen Beitrag zur Gewährleistung von Gerechtigkeit und Nichtdiskriminierung im Steuerbereich: Sie hilft sicherzustellen, dass jeder seine Steuern zahlt, und trägt zur Verhinderung von Steuerbetrug und Einnahmeausfällen für die Mitgliedstaaten und die EU bei.

2.Dieses Dokument ist der Folgebericht zu dem Bericht der Kommission COM(2017) 778 2 vom 18. Dezember 2017 an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung der durch die Richtlinie 2010/24/EU 3 des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen vorgeschriebenen Regelung. Gemäß Artikel 27 Absatz 3 dieser Richtlinie berichtet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat alle fünf Jahre über die Anwendung der durch diese Richtlinie vorgeschriebenen Regelung. Der vorliegende Bericht ist der zweite im Rahmen dieser neuen Richtlinie vorgelegte Bericht. Er erstreckt sich auf den Zeitraum 2017–2019.

3.Im Einklang mit den Schlussfolgerungen des vorherigen Berichts wurden folgende Maßnahmen festgelegt:

1)    Verbesserung der Erfassung statistischer Daten über die Inanspruchnahme der Amtshilfe bei der Steuerbeitreibung im Hinblick auf eine detaillierte Bewertung der Effizienz und Wirksamkeit der Amtshilfe bei der Beitreibung, wobei eine zusätzliche Arbeitsbelastung für die nationalen Steuerbehörden zu vermeiden oder zu begrenzen ist. Besondere Aufmerksamkeit sollte zudem dem Zusammenhang zwischen der Arbeitsbelastung durch eingehende Amtshilfeersuchen und den im ersuchten Mitgliedstaat eingesetzten Verwaltungsressourcen gelten;

2)    Analyse von Problemen auf der Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten, die das reibungslose Funktionieren der Amtshilfe bei der Beitreibung behindern, im Hinblick auf Empfehlungen oder andere Maßnahmen zur Lösung dieser Probleme;

3)    Prüfung der Erfordernisse und Möglichkeiten zur Verbesserung der Funktionsweise des Systems der Beitreibungsamtshilfe auf EU-Ebene;

4)    Ausbau des Kenntnisstands und Förderung des Bewusstseins sowohl der nationalen Behörden als auch der Steuerpflichtigen über die Rechtsvorschriften zur Amtshilfe bei der Beitreibung;

5)    Prüfung von Möglichkeiten und Wegen zur Förderung und Erleichterung der Beitreibungsamtshilfe mit Drittländern, wobei die Zuständigkeit und Prioritäten der EU zu berücksichtigen sind.

4.Im Hinblick auf die ersten drei Aktionspunkte hat die Fiscalis-Projektgruppe 110, an der 13 Mitgliedstaaten 4 beteiligt waren, weitere Analysen durchgeführt. Zudem wurden Beiträge aus den anderen Mitgliedstaaten eingeholt, insbesondere in Bezug auf Probleme, die auf nationaler Ebene aufgetreten sind.

5.In diesem Bericht werden die Folgemaßnahmen vorgestellt und eine Reihe von Empfehlungen für weitere Verbesserungen ausgesprochen.

1. Erster Aktionspunkt: Verbesserung und Automatisierung der Erfassung statistischer Daten

6.Die beigetriebenen Beträge, die von den ersuchenden Mitgliedstaaten und den ersuchten Mitgliedstaaten gemeldet wurden, weisen im Zeitraum 2017–2019 einige Unterschiede auf.

Tabelle 1: Überblick über die beigetriebenen Beträge (2017–2019):

Auf Ersuchen anderer Mitgliedstaaten vor Abzug eigener Kosten beigetriebene Beträge (gemeldet von den ersuchten Mitgliedstaaten)

Im Wege von an andere Mitgliedstaaten gerichteten Ersuchen beigetriebene Beträge (gemeldet von den ersuchenden Mitgliedstaaten)

in EUR

in EUR

2017

103 536 690

159 544 517

2018

86 099 511

127 517 949

2019

93 304 732

106 391 930

Aus diesen Daten geht hervor, dass während des dreijährigen Zeitraums zwischen 283 und 393 Mio. EUR beigetrieben wurden.

Die Beträge in der linken und rechten Spalte der obigen Tabelle müssen nicht exakt übereinstimmen. Die Beträge in der linken Spalte beziehen sich auf die beigetriebenen Beträge vor Abzug der dem ersuchten Mitgliedstaat entstandenen Kosten (was normalerweise zu einem höheren Betrag in der linken Spalte führen würde), und ein Teil der Schulden kann direkt an den ersuchenden Mitgliedstaat gezahlt werden (was zu einem höheren Betrag in der rechten Spalte führt). Die Abweichungen zwischen den Spalten sind jedoch erheblich, insbesondere im Jahr 2017, wenngleich die Unterschiede zwischen den gemeldeten Beträgen von Jahr zu Jahr abnehmen. Ungeachtet dieser Verbesserung wirft dies Fragen bezüglich der Genauigkeit dieser Statistiken auf.

Abweichungen ergeben sich auch bei der Zahl der von den Mitgliedstaaten gemeldeten Amtshilfeersuchen (für weitere Informationen über die Zahl der Amtshilfeersuchen siehe Abschnitt 1.1. der diesem Bericht beigefügten Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen).

7.Die Umstellung auf eine automatische Erfassung statistischer Daten wird dazu beitragen, die Zuverlässigkeit der von den Mitgliedstaaten gemeldeten statistischen Daten zu verbessern. Zudem wird sich der Verwaltungsaufwand für die Mitgliedstaaten verringern.

8.Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten mithilfe einer automatischen Erfassung von Statistiken in der Lage sein, relevantere Informationen über ihre tatsächliche Leistung in Bezug auf die Amtshilfe bei der Steuerbeitreibung zu sammeln.

Die Expertengruppe Beitreibung hat bereits die Möglichkeit erörtert, dass die Mitgliedstaaten die – automatische – Erfassung statistischer Daten auf folgende Elemente ausweiten:

-die Art der Antworten auf Beitreibungsersuchen, was einen Hinweis auf die Zweckdienlichkeit des Ersuchens und die mit ihm verbundenen Chancen auf eine Beitreibung gibt;

-die Anzahl der Fälle, in denen Anträge vom ersuchenden Mitgliedstaat nach Korrekturen, Streitigkeiten, (Teil-)Zahlungen usw. geändert werden;

-die Rechtzeitigkeit von Bestätigungen über den Eingang von Amtshilfeersuchen und die Rechtzeitigkeit der ersten Antworten auf Amtshilfeersuchen;

-die Anzahl der Beitreibungsersuchen in Bezug auf vom ersuchten Staat zu leistende MwSt-Erstattungen (wenn die von diesem Staat erbetene Maßnahme auf die Beitreibung des betreffenden MwSt-Erstattungsbetrags beschränkt ist).

Die Kommission geht davon aus, dass diese zusätzlichen Informationen dazu beitragen werden, die Bewertung der Arbeit der ersuchten und der ersuchenden Mitgliedstaaten zu verbessern und die von ihnen unternommenen Anstrengungen besser zu veranschaulichen.

9.Die automatische Erfassung der genannten statistischen Daten erfordert eine Reihe weiterer Entwicklungen im IT-Bereich. Diese sollten normalerweise im Jahr 2021 abgeschlossen sein, sodass die Mitgliedstaaten die automatische Erfassung dieser Statistiken vollumfänglich auf die ab 2022 gesendeten Ersuchen und Antworten anwenden könnten.

2.    Zweiter Aktionspunkt: Verbesserung der Rechtsvorschriften und der Praxis auf nationaler Ebene

10.Es gibt verschiedene Situationen, in denen die Beitreibung und die Erledigung von Ersuchen um Beitreibungsamtshilfe auf nationaler Ebene verbessert werden sollten:

1a)    Fälle, in denen keine Antwort erfolgt, wodurch ein deutlicher Mangel bei der Zusammenarbeit erkennbar wird. Hierzu zählen Fälle, in denen die ersuchten Behörden den Erhalt des Amtshilfeersuchens nicht bestätigen oder keine weiteren Antworten auf das Ersuchen geben.

Derartige Situationen beeinträchtigen das gegenseitige Vertrauen, das für die Amtshilfe bei der Steuerbeitreibung von grundlegender Bedeutung ist.

1b)    Andere Situationen mangelnder Zusammenarbeit, die auf unzureichende oder unklare Informationen und Kommunikationsprobleme zurückzuführen sind. Hierzu zählen Situationen, in denen die ersuchenden Behörden keine klaren Informationen über ihr Ersuchen liefern (z. B. unzureichende oder fehlende Begründung für ein Ersuchen um Beitreibung einer alten Forderung; fehlende Erläuterung der Informationen, auf denen das Ersuchen basiert, obwohl diese Informationen für die Erledigung des Ersuchens nützlich wären) oder in denen die ersuchten Behörden keine klaren Informationen über die Maßnahmen, die im ersuchten Mitgliedstaat durchgeführt werden, und/oder über die Probleme, die die Erledigung des Amtshilfeersuchens verhindern oder behindern, bereitstellen.

Derartige Situationen beeinträchtigen die Wirksamkeit und Effizienz der Amtshilfe bei der Steuerbeitreibung. Sind Ersuchen und Antworten unklar, führt dies zu einem unnötigen zusätzlichen Verwaltungsaufwand für die betreffenden Behörden. Darüber hinaus erschwert die Unsicherheit Entscheidungen des ersuchenden Mitgliedstaates darüber, ob weitere Maßnahmen ergriffen werden sollen (z. B. Maßnahmen zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder zur Unterbrechung oder Hemmung der Verjährungsfrist).

2a)    Nicht ordnungsgemäße Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie: Situationen, in denen die Richtlinie 2010/24/EU in den Rechtsvorschriften und/oder der Verwaltungspraxis des ersuchten Mitgliedstaates nicht ordnungsgemäß umgesetzt wird, oder Situationen, die mit einer falschen Auslegung der Richtlinie zusammenhängen (siehe Abschnitte 2.2.1.–2.2.4. der diesem Bericht beigefügten Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen).

Derartige Situationen stellen eine ernsthafte Behinderung für das ordnungsgemäße Funktionieren des Systems der Beitreibungsamtshilfe dar. Sie sorgen für unnötige Verwirrung, die mitunter zu weiteren Fehlinterpretationen und gegenseitigen Missverständnissen führt.

2b)    Unzureichende nationale Rechtsvorschriften oder Praktiken: Situationen, in denen der rechtliche Rahmen oder die Praxis im ersuchten Mitgliedstaat nicht dazu geeignet ist, anderen Mitgliedstaaten Beitreibungsamtshilfe zu leisten (siehe Abschnitt 2.2.5. der diesem Bericht beigefügten Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen).

Sind die nationalen Rechtsvorschriften oder Praktiken nicht ausreichend entwickelt und an die Erfordernisse der internationalen Beitreibungsamtshilfe angepasst, kann die Beitreibungsamtshilfe nicht richtig funktionieren. Derartige Situationen können direkt oder indirekt diskriminierend sein und negative Folgen für die Steuererhebung und das Funktionieren des Binnenmarktes haben.

11.Generell lässt sich der Schluss ziehen, dass die Mitgliedstaaten ausreichende Humanressourcen und IT-Infrastrukturen für die Bearbeitung der eingehenden Ersuchen um Beitreibungsamtshilfe bereitstellen müssen und dass die nationalen Vorschriften und Verwaltungspraktiken weiterentwickelt werden müssen, damit aktive und wirksame Beitreibungsamtshilfe geleistet werden kann.

12.Die Kommission beabsichtigt, die gemeldeten Probleme genau zu beobachten. Alle betroffenen Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, Stellung zu nehmen und gegebenenfalls ihre Folgemaßnahmen vorzustellen. Die Kommission nimmt derzeit noch eine Bewertung dieser Probleme vor; in Situationen, in denen die Beitreibungsrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt wurde, kann dies gegebenenfalls auch mit der Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren verbunden sein.

3.    Dritter Aktionspunkt: Verbesserung der Funktionsweise der Beitreibungsamtshilfe auf EU-Ebene

13.In ihrem Bericht COM(2017) 778 gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass die Verbesserung verschiedener rechtlicher und technischer Aspekte der Funktionsweise des EU-Systems der Amtshilfe bei der Steuerbeitreibung geprüft werden kann (siehe Abschnitt 4.3. des genannten Berichts).

14.Einige Ideen zur Verbesserung des EU-Rahmens wurden von den Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Evaluierung im Jahr 2017 vorgebracht. 5 Die Fiscalis-Projektgruppe 110 hat eine Reihe von Vorschlägen zur Verbesserung der Effizienz der Modalitäten für die Beitreibungsamtshilfe weiter analysiert. In der nachstehenden Übersicht sind die wesentlichen Elemente aufgeführt.

15.Anlass zu großer Sorge gibt der Austausch von Informationen. Dieser könnte unter anderem durch Folgendes verbessert werden:

   mehr Flexibilität hinsichtlich der Verwendung des Antragsformblatts für den Informationsaustausch;

   Ausweitung des Informationsaustauschs ohne Ersuchen und des schnellen Zugangs zu Informationen.

16.In der Vergangenheit wurde Beitreibungsamtshilfe nur für diejenigen Steuern geleistet, die in beiden betroffenen Mitgliedstaaten existierten. Dieser „Spiegelungsansatz“ wurde im Jahr 2010 aufgegeben, als der Anwendungsbereich durch die Richtlinie 2010/24/EU auf Forderungen im Zusammenhang mit „Steuern und Abgaben aller Art“ ausgeweitet wurde. Der Spiegelungsansatz – der eine Ähnlichkeit zwischen den Steuern des ersuchenden und des ersuchten Mitgliedstaates voraussetzt – wurde jedoch für die folgenden Elemente beibehalten:

   Bei der Erledigung eines Beitreibungsersuchens oder bei Sicherungsmaßnahmen muss der ersuchte Mitgliedstaat seine eigenen Befugnisse ausüben und seine eigenen Verfahren anwenden, die für die gleichen oder – in Ermangelung gleicher – für vergleichbare Steuern oder Abgaben vorgesehen sind (wobei Einkommenssteuern eine Ausweichoption darstellen) (Artikel 13 Absatz 1 der Richtlinie 2010/24/EU).

   Bei der Übermittlung von Amtshilfeersuchen müssen die Mitgliedstaaten berücksichtigen, wie die Zuständigkeiten für die Beitreibung der spezifischen Kategorien von Steuern, für die um Beitreibungsamtshilfe ersucht wird, in den ersuchten Mitgliedstaaten intern aufgeteilt sind. Daher wurde ein System von 13 Briefkästen eingerichtet, deren Nutzung je nach Mitgliedstaat unterschiedlich sein kann, je nachdem, wie die Zuständigkeiten für die spezifischen Kategorien von Steuern in den einzelnen Mitgliedstaaten intern aufgeteilt sind.

   Bei der Hemmung, Unterbrechung oder Verlängerung der Verjährungsfristen, da in Artikel 19 Absatz 2 der Richtlinie 2010/24/EU berücksichtigt wird, ob das geltende Recht in beiden Mitgliedstaaten eine entsprechende Wirkung vorsieht.

17.Eine Vereinfachung der oben genannten Vorschriften sollte in Erwägung gezogen werden, zumindest auf freiwilliger Basis. Dies würde eine mögliche (freiwillige) Ausweitung des Anwendungsbereichs auf andere öffentliche Forderungen erleichtern, für die es derzeit keinen Rahmen für die Beitreibungsamtshilfe gibt. Tatsächlich haben sich mehrere Mitgliedstaaten wiederholt dafür ausgesprochen, den Anwendungsbereich der Beitreibungsamtshilfe auf andere öffentliche Forderungen, für die gegenwärtig keine andere Rechtsgrundlage besteht, weiter auszuweiten.

18.Ein weiteres Augenmerk sollte darauf gelegt werden, wie die Digitalisierung von Umsätzen und Vermögenswerten gehandhabt wird; dies stellt ein weiteres Problem zusätzlich zu den bereits bestehenden Problemen bei der Beitreibung dar, nämlich:

   Problemen bezüglich der Pfändung von E-Bankkonten und Kryptowährungen;

   Schwierigkeiten bei der Beitreibung von Steuern, die von einem Steuerpflichtigen geschuldet werden, der in einem anderen Land als dem Land, in dem er tätig ist, ansässig ist (insbesondere im Falle des elektronischen Handels). In dieser Hinsicht sollte bei der Erarbeitung neuer Steuervorschriften den Aspekten im Zusammenhang mit der (Amtshilfe bei der) Beitreibung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

19.Die Kommission plant weitere Diskussionen mit den Mitgliedstaaten, um eine eingehende Analyse darüber durchzuführen, welche Möglichkeiten und Erfordernisse für die Stärkung und Vereinfachung des Rahmens für die Beitreibungsamtshilfe bestehen.

20.Bei sämtlichen künftigen Entwicklungen sollte jedoch uneingeschränkt darauf geachtet werden, dass die Rechte von Steuerschuldnern gewahrt werden. Die wachsende Zahl von Fragen zur Vorabentscheidung an den EU-Gerichtshof bestätigt, dass bei der Beitreibungsamtshilfe gemäß der Richtlinie 2010/24/EU – ebenso wie bei der Beitreibungsamtshilfe gemäß jeder anderen Übereinkunft – die Rechte der Steuerschuldner, insbesondere ihr Verteidigungsrecht, gewahrt werden müssen.

4.    Vierter Aktionspunkt: Ausbau des Kenntnisstands und Förderung des Bewusstseins über die Vorschriften zur Beitreibungsamtshilfe

21.Eine der Schlussfolgerungen des Bewertungsberichts der Kommission COM(2017) 778 lautete, dass der Kenntnisstand über die Rechtsvorschriften zur Amtshilfe bei der Beitreibung ausgebaut und das Bewusstsein dafür geschärft werden muss. 6  Offenbar sind Probleme bei der Beitreibungsamtshilfe oftmals auf ein mangelndes Verständnis der Vorschriften der Richtlinie 2010/24/EU zurückzuführen. Darüber hinaus ist eine stärkere Sensibilisierung nicht nur auf der Ebene der nationalen Steuerbehörden, sondern auch auf der Ebene der Steuerpflichtigen erforderlich.

22.Auf EU-Ebene wurde bereits eine Reihe von Schulungsveranstaltungen organisiert. 7 Die Kommission plant, im Rahmen des Fiscalis-Programms regelmäßigere und systematischere Schulungen zu veranstalten, um zu einem gemeinsamen Verständnis und Bewusstsein für die Möglichkeiten der Beitreibungsamtshilfe innerhalb der EU beizutragen.

Bei diesen Schulungsmaßnahmen gilt es auch, die zunehmenden Auswirkungen der Entwicklung der Rechtsprechung im Bereich der Steuerbeitreibung und der Beitreibungsamtshilfe zu berücksichtigen.

23.Darüber hinaus wird von jedem Mitgliedstaat erwartet, dass er Informationen über seine nationalen Rechtsvorschriften und Praktiken mit anderen Mitgliedstaaten teilt. Diese Informationen sind wichtig für die Steuerbehörden anderer Mitgliedstaaten, die die Möglichkeiten der Beitreibungsamtshilfe in anderen Ländern prüfen wollen. Ein Teil dieser nationalen Informationen ist bereits in der gemeinsamen Datenbank CIRCABC verfügbar. Die Kommission wird koordiniert vorgehen und die Mitgliedstaaten auffordern, diese nationalen Informationen zu aktualisieren und zu erweitern.

24.Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Steuerpflichtigen für die Möglichkeiten und Folgen der grenzüberschreitenden Amtshilfe bei der Steuerbeitreibung zu sensibilisieren.

5.    Fünfter Aktionspunkt: Prüfung von Möglichkeiten und Wegen zur Förderung und Erleichterung der Beitreibungsamtshilfe mit Drittländern

25.Im Jahr 2018 unterzeichnete die Europäische Union ihre erste bilaterale Übereinkunft über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden, die Betrugsbekämpfung und die Beitreibung von Forderungen auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer mit einem Drittland: dem Königreich Norwegen. 8

Gemäß der Übereinkunft zwischen der EU und Norwegen ist es den Mitgliedstaaten und Norwegen gestattet, die elektronischen Formblätter auch für die Amtshilfe bei der Beitreibung anderer Steuern als der Mehrwertsteuer zu nutzen. 9 Mehrere Mitgliedstaaten haben sich interessiert gezeigt, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Dies wäre nützlich im Hinblick auf die automatische Übersetzung der Standardformblätter 10 , anhand derer die Betroffenen in der Amtssprache des ersuchten Staates informiert werden können. 11 Norwegen hat angegeben, dass die Bewertung der erweiterten Nutzung der elektronischen Formblätter bis Ende 2020 abgeschlossen sein soll.

26.In seinen Schlussfolgerungen vom 5. Dezember 2019 12 erkannte der Rat der Europäischen Union an, dass die Übereinkunft EU-Norwegen ein wichtiger Schritt beim Informationsaustausch mit Drittländern war. Er betonte, wie wichtige eine derartige Zusammenarbeit zwischen den europäischen Mitgliedstaaten und Drittländern bei der Bekämpfung des Steuerbetrugs ist, und ersuchte die Kommission, Möglichkeiten für neue Übereinkünfte über Amtshilfevereinbarungen im Bereich der Mehrwertsteuer und ihrer Beitreibung mit anderen Drittländern zu prüfen.

Übereinkommen zur Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden mit Drittländern, insbesondere zur Bekämpfung des Steuerbetrugs im Bereich des elektronischen Handels, sind Teil der Initiativen, die in dem kürzlich angenommenen Aktionsplan der Kommission für eine faire und einfache Besteuerung zur Unterstützung der Aufbaustrategie dargelegt sind. 13

27.In das Austrittsabkommen mit dem Vereinigten Königreich wurden Bestimmungen über die Beitreibungsamtshilfe aufgenommen, nach denen es weiterhin möglich ist, den gegenwärtigen Rahmen für die laufende Beitreibungsamtshilfe mit dem Vereinigten Königreich anzuwenden. 14

Darüber hinaus hat der Rat der Europäischen Union die Kommission ermächtigt, Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen mit dem Vereinigten Königreich aufzunehmen. 15 Gemäß den Verhandlungsrichtlinien 16 erstreckt sich die geplante Partnerschaft unter anderem auf die Verwaltungszusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe in Zoll- und Mehrwertsteuerfragen, einschließlich des Informationsaustauschs zur Bekämpfung des Zoll- und Mehrwertsteuerbetrugs, sowie die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Steuern und Abgaben.

28.Seit 2019 können elektronische Antragsformblätter für Ersuchen um Beitreibungsamtshilfe (im Java-Format 17 ) an Drittländer verwendet werden. Als diese Formulare ursprünglich entwickelt wurden, wurden sie tatsächlich so konzipiert, dass sie für andere Drittländer verwendet werden können.

Eine Zusammenarbeit mit Drittstaaten kann auch bei der Überarbeitung der derzeitigen Antragsformblätter der EU für Ersuchen um Amtshilfe bei der Steuerbeitreibung ins Auge gefasst werden.

29.Schließlich hat die EU-Expertengruppe Beitreibung vorgeschlagen, eine EU-Mustervereinbarung für bilaterale Übereinkünfte mit Drittstaaten zu entwickeln. Auf der Grundlage des Austauschs bewährter Verfahren könnte dieses Muster von den Mitgliedstaaten für die Organisation ihrer Beitreibungsamtshilfe mit Drittländern genutzt werden, um die Umsetzung solcher Übereinkünfte zu vereinfachen.

   

6.    Allgemeine Schlussfolgerungen und Empfehlungen

30.Die automatische Erfassung statistischer Daten wird dazu beitragen, die Genauigkeit dieser Statistiken zu verbessern und den Verwaltungsaufwand für die Mitgliedstaaten zu verringern.

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, die automatische Erfassung statistischer Daten wirksam zu nutzen und die zusätzlich erfassten Daten in ihre Jahresberichte an die Kommission aufzunehmen.

31.Obwohl die beigetriebenen Beträge beträchtlich sind, lassen die gemeldeten Probleme darauf schließen, dass es Bedenken/Zweifel hinsichtlich der Bereitschaft oder der Fähigkeit einiger Mitgliedstaaten zur Leistung von Beitreibungsamtshilfe gibt. Die Mitgliedstaaten sind gesetzlich verpflichtet, anderen Mitgliedstaaten bei der Beitreibung von Steuerforderungen Amtshilfe zu leisten, weshalb auf nationaler Ebene angemessene Maßnahmen ergriffen werden müssen, um diese Anforderung zu erfüllen.

32.Jedes Amtshilfeersuchen sollte angemessen weiterverfolgt und die Bearbeitungszeit sollte erheblich verkürzt werden. Die Mitgliedstaaten sollten ausreichende Humanressourcen, IT-Infrastrukturen und IT-Werkzeuge für die Amtshilfe bei der Steuerbeitreibung bereitstellen, damit sie ihren Verpflichtungen zur Amtshilfe nachkommen und das ständig wachsende Volumen an Amtshilfeersuchen bewältigen können. Nationale Vorschriften und Verwaltungspraktiken müssen mit Blick darauf entwickelt werden, dass die Steuerbeitreibungsbehörden eine solche Amtshilfe leisten können.

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, eine interne Kontrolle zu organisieren, um sicherzustellen, dass Amtshilfeersuchen wirksam erledigt werden und dass die ersuchten Behörden den ersuchenden Behörden rechtzeitig klare Informationen über die Erledigung von Amtshilfeersuchen zur Verfügung stellen.

Die Steuerbehörden werden aufgefordert, Situationen, in denen die Vorschriften über die Beitreibungsamtshilfe nicht eingehalten werden, an die zuständige Ebene innerhalb der Mitgliedstaaten zu melden; die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, diese Probleme (in einem früheren Stadium) den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission mitzuteilen, damit anhaltende Probleme in den Beziehungen zu anderen Mitgliedstaaten proaktiver und wirksamer in Angriff genommen werden können.

33.Der EU-Rahmen für die Amtshilfe bei der Steuerbeitreibung steht vor mehreren Herausforderungen: Die Werkzeuge und Instrumente zur Beantragung und Gewährung von Beitreibungsamtshilfe müssen an den zunehmenden Bedarf an Beitreibungsamtshilfe, an die neuen wirtschaftlichen sowie technologischen Entwicklungen und an die rechtlichen Entwicklungen, insbesondere im Hinblick auf die Wahrung der Rechte der Steuerschuldner, angepasst werden.

34.Ein wichtiger Aspekt besteht darin, dass der Kenntnisstand über den EU-Rahmen für die Amtshilfe bei der Steuerbeitreibung ausgebaut und das Bewusstsein dafür geschärft werden muss. Es wurden zwar Maßnahmen zum Ausbau des Kenntnisstands und zur Schärfung des Bewusstseins ergriffen, doch weitere Maßnahmen sind erforderlich.

35.Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, mit der Kommission zusammenzuarbeiten, um diese Maßnahmen proaktiv und in einem positiven europäischen Geist umzusetzen.

 

(1)

     Maßnahme 14 des Aktionsplans, https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/2020_tax_package_tax_action_plan_de.pdf .

(2)

     Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung der durch die Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen vorgeschriebenen Regelung.

(3)

     Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen, ABl. L 84 vom 31.3.2010.

(4)

     In der Fiscalis-Projektgruppe 110 waren folgende Mitgliedstaaten vertreten: Bulgarien, Deutschland, Estland, Griechenland, Spanien, Litauen, Ungarn, Österreich, Polen, Rumänien, Slowenien, Slowakei und Finnland.

(5)

     Siehe Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen SWD(2017) 461 vom 18. Dezember 2017, Begleitdokument zum Bericht der Kommission COM(2017) 778, Ziffer 6.3.2.

(6)

     Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung der durch die Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen vorgeschriebenen Regelung.

(7)

     Fiscalis-Workshops über die Verwendung der elektronischen Formblätter für die Beitreibung im Rahmen der zentralen Anwendung (12.-13. April 2018 sowie 19.-20. April 2018) und ein Schulungsworkshop für norwegische Steuerbeitreibungsbehörden nach der Annahme der Übereinkunft zwischen der EU und Norwegen über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (25.-27. September 2018).

(8)

     ABl. L 195/1 vom 1. August 2018. Diese Übereinkunft ist am 1. September 2018 in Kraft getreten.

(9)

     Artikel 40 Absatz 4 der Übereinkunft.

(10)

     Insbesondere das einheitliche Formblatt für die Zustellung und der einheitliche Vollstreckungstitel für die Vollstreckung.

(11)

     Die Verpflichtung, den Betroffenen in einer bestimmten Sprache zu informieren, wurde durch die Rechtsprechung des EU-Gerichtshofs bestätigt (Rechtssache C-233/08, Kyrian, und Rechtssache C-34/17, Donnellan).

(12)

     Punkt 15 der Schlussfolgerungen des Rates 14682/19 vom 5. Dezember 2019 zum Sonderbericht Nr. 12/2019 des Europäischen Rechnungshofs: „Elektronischer Handel: Zahlreiche Herausforderungen bei der Erhebung von MwSt. und Zöllen müssen noch angegangen werden“.

(13)

     Maßnahme 14 des Aktionsplans,  https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/2020_tax_package_tax_action_plan_de.pdf

(14)

     Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft, ABl. C 348 I vom 12.11.2019, S. 1.

(15)

      https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-5870-2020-INIT/de/pdf  

(16)

      https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-5870-2020-ADD-1-REV-3/de/pdf  

(17)

     In Bezug auf die elektronischen Formblätter der zentralen Anwendung (eFCA) wurde angemerkt, dass dies eine IT-Verbindung und Unterstützung seitens der Kommission sowie einen finanziellen Beitrag der teilnehmenden Länder erfordern würde, was eine internationale Übereinkunft (wie im Falle Norwegens) voraussetzt.