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Document 52005XC0305(01)

Mitteilung der Kommission über die Verweisung von FusionssachenText von Bedeutung für den EWR

ABl. C 56 vom 5.3.2005, p. 2–23 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

5.3.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 56/2


Mitteilung der Kommission über die Verweisung von Fusionssachen

(2005/C 56/02)

(Text von Bedeutung für den EWR)

1.

Zweck dieser Mitteilung ist es, in allgemeiner Form die Überlegungen zu erläutern, die dem Verweisungssystem der Artikel 4 Absätze 4 und 5 sowie 9 und 22 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (1) (nachstehend: „Fusionskontrollverordnung“ oder FKVO) zugrunde liegen; dargelegt werden auch die Neuerungen des Systems, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verweisung und die Faktoren, die bei der Entscheidung über Verweisungsanträge berücksichtigt werden. Die Mitteilung enthält darüber hinaus praktische Hinweise zur Funktionsweise des Verweisungssystems und insbesondere zur Verweisung vor der Anmeldung, wie sie in Artikel 4 Absätzen 4 und 5 Fusionskontrollverordnung vorgesehen ist. Diese Hinweise gelten entsprechend auch für die Verweisungsbestimmungen des EWR-Abkommen (2).

I.   EINLEITUNG

2.

Die Zuständigkeit der Gemeinschaft für Fusionskontrollverfahren richtet sich nach den auf den Umsatz abstellenden Kriterien des Artikels 1 Absätze 2 und 3 Fusionskontrollverordnung. Es gibt keine konkurrierende Zuständigkeit der Kommission und der Mitgliedstaaten in Fusionskontrollsachen. Die Fusionskontrollverordnung sieht vielmehr eine klare Kompetenzabgrenzung vor. Zusammenschlüsse von „gemeinschaftsweiter Bedeutung“, bei denen die Umsätze der fusionierenden Unternehmen über den in Artikel 1 Fusionskontrollverordnung festgelegten Schwellenwerten liegen, fallen in die ausschließliche Zuständigkeit der Kommission; nach Artikel 21 Fusionskontrollverordnung dürfen die Mitgliedstaaten ihr innerstaatliches Wettbewerbsrecht nicht auf solche Zusammenschlüsse anwenden. Zusammenschlüsse, bei denen diese Schwellenwerte nicht erreicht werden, verbleiben hingegen in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten; die Fusionskontrollverordnung begründet keine Zuständigkeit der Kommission.

3.

Die Bestimmung der Zuständigkeit alleine aufgrund fester auf den Umsatz abstellender Kriterien bietet den fusionierenden Unternehmen Rechtssicherheit. Generell sind diese wirtschaftlichen Kennzahlen zur Herausfilterung jener Fallkategorien geeignet, bei denen sich eine Prüfung durch die Kommission anbietet, aber dieses grobe Schema der Kompetenzaufteilung wurde schon in der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 durch die Möglichkeit ergänzt, die Verweisung einer Fusionssache zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten zu beantragen, wenn bestimmte Kriterien erfüllt waren.

4.

Beim Erlass der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 waren Rat und Kommission davon ausgegangen, dass Fusionssachen nur „in Ausnahmefällen“ verwiesen würden, „in denen die Wettbewerbsinteressen des betreffenden Mitgliedstaates nicht auf andere Weise hinreichend geschützt werden könnten“ (3). Auch nach dem Erlass der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 ist die Entwicklung nicht stehen geblieben. Zum einen wurden in fast allen Mitgliedstaaten Vorschriften zur Fusionskontrolle erlassen. Zweitens hat die Kommission gemäß Artikel 9 in Ausübung ihres Ermessens eine Reihe von Fällen an die Mitgliedstaaten verwiesen, in denen sie der Auffassung war, dass der betreffende Mitgliedstaat eher als die Kommission zur Durchführung der Untersuchung geeignet war (4). Ebenso haben Mitgliedstaaten mehrfach (5) gemeinsam eine Sache gemäß Artikel 22 an die Kommission verwiesen, wenn eine Prüfung durch sie als sinnvoller erschien (6). Drittens hat die Zahl der Vorhaben, die die Schwellenwerte nach Artikel 1 Fusionskontrollverordnung nicht erreichen und in mehreren Mitgliedstaaten angemeldet werden müssen, zugenommen und dürfte angesichts der Erweiterung der Gemeinschaft weiter wachsen. Vielfach beeinträchtigen diese Vorhaben den Wettbewerb über das Hoheitsgebiet einzelner Mitgliedstaaten hinaus (7).

5.

Mit der Überarbeitung des Verweisungssystems in der Fusionskontrollverordnung sollte die Umverteilung von Fällen zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Subsidiaritätsgrundsatz erleichtert werden, damit jeweils die besser geeignete Wettbewerbsbehörde mit dem betreffenden Zusammenschluss befasst wird. Gleichzeitig sollten die wesentlichen Errungenschaften des 1989 eingeführten Fusionskontrollsystems der Gemeinschaft, u.a. das Prinzip einer einzigen Anlaufstelle für die Untersuchung von Fusionen mit grenzübergreifenden Auswirkungen, und eine Alternative zur mehrfachen Anmeldung von Fusionsvorhaben, beibehalten werden (8). Die Mehrfachanmeldungen verursachen oftmals hohe Kosten sowohl bei den Wettbewerbsbehörden als auch bei den Unternehmen.

6.

Deswegen kann eine Verweisung im neuen System schon vor der Anmeldung in einem Mitgliedstaat vorgenommen werden, so dass die fusionierenden Unternehmen so früh wie möglich Gewissheit darüber erhalten, welche Wettbewerbsbehörde letzten Endes für ihr Vorhaben zuständig sein wird. Die Verweisung vor der Anmeldung vermeidet die mit einer späteren Verweisung verbundenen zusätzlichen, insbesondere durch die zeitliche Verzögerung bedingten Kosten.

7.

Der Überarbeitung des Verweisungssystems mit der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 lag der Wunsch zugrunde, die Kompetenzzuweisung so effizient und flexibel wie möglich zu gestalten (9), gleichzeitig aber den Wettbewerb wirksam zu schützen und so weit wie möglich zu verhindern, dass die Unternehmen sich die Wettbewerbsbehörde aussuchen, von der sie die für sie günstigste Entscheidung erwarten. Gerade aus Gründen der Rechtssicherheit ist jedoch zu betonen, dass Verweisungen auch weiterhin eine Ausnahme darstellen werden; die Regel bleibt die Kompetenzzuweisung mittels objektiver Umsatzschwellen. Darüber hinaus behalten die Kommission und die Mitgliedstaaten einen beträchtlichen Spielraum bei der Entscheidung, ob sie auf der Grundlage von Artikel 4 Absätze 4 und 5, Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a) und Artikel 22 in ihre „ursprüngliche Zuständigkeit“ fallende Vorhaben verweisen oder nicht in ihre „ursprüngliche Zuständigkeit“ fallende Vorhaben zur Prüfung annehmen (10). Deswegen sollen in dieser Mitteilung lediglich allgemeine Orientierungshilfen zur Beantwortung der Frage gegeben werden, ob eine Verweisung bestimmter Fälle oder Fallkategorien angebracht ist.

II.   VERWEISUNG VON FUSIONSSACHEN

Leitsätze

8.

Die Vorschriften der Fusionskontrollverordnung einschließlich der Bestimmungen über die Verweisung von Fällen zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten entsprechen dem im EG-Vertrag verankerten Subsidiaritätsgrundsatz (11). Verweisungsentscheidungen sollten sämtliche praktischen Aspekte dieses Grundsatzes berücksichtigen, insbesondere welche Behörde für die Prüfung geeigneter ist, die Vorteile einer einmaligen Prüfung und die Bedeutung der Rechtssicherheit in Zuständigkeitsfragen (12). Diese Faktoren sind interdependent und fallspezifisch gegeneinander abzuwägen. Bei der Ermessensentscheidung, eine Verweisung vor- oder anzunehmen, sollten die Kommission und die Mitgliedstaaten den wirksamen Schutz des Wettbewerbs in allen von dem Vorhaben betroffenen Märkten im Blick haben (13).

Geeignetere Behörde

9.

Grundsätzlich sollte eine Fusionssache nur an eine andere Wettbewerbsbehörde verwiesen werden, wenn diese angesichts der Besonderheiten des Falles und mit Rücksicht auf die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente und Expertise besser geeignet ist. Besondere Bedeutung sollte dabei der Frage beigemessen werden, wo etwaige Wettbewerbsfolgen einer Fusion am wahrscheinlichsten auftreten werden. Auch der aus einer Verweisung resultierende Verwaltungsaufwand kann berücksichtigt werden (14).

10.

Die Verweisung ist insbesondere dann zweckmäßig, wenn ein bestimmtes Vorhaben erhebliche Wettbewerbsfolgen nach sich zu ziehen droht und deswegen besonders sorgfältig untersucht werden sollte.

Grundsatz der einzigen Anlaufstelle

11.

Bei Verweisungsentscheidungen sollten auch die Vorteile bedacht werden, die mit dem Grundsatz der einzigen Anlaufstelle, einem Kerngedanken der Fusionskontrollverordnung, verbunden sind (15). Wenn nur eine einzige Behörde mit einem Fusionsvorhaben befasst wird, profitieren davon sowohl die Wettbewerbsbehörden als auch die Unternehmen. Die Bearbeitung ist effizienter, und Doppelarbeit, Fragmentierung der Durchsetzungsanstrengungen und möglicherweise eine widersprüchliche Behandlung durch mehrere Behörden (hinsichtlich der Untersuchung, der Beurteilung und der Abhilfen) werden vermieden. Für die Unternehmen, insbesondere die an der Fusion Beteiligten, verringern sich normalerweise die mit einer Mehrfachanmeldung verbundenen Kosten und Arbeiten und das mit der Würdigung eines Vorhabens durch mehrere Behörden auf der Grundlage unterschiedlicher Rechtsvorschriften einher gehende Risiko einander widersprechender Entscheidungen.

12.

Deswegen sollten Verweisungen, die zu einer Aufspaltung einer Sache auf mehrere Behörden führen, so weit wie möglich (16) vermieden werden, es sei denn, der Schutz des Wettbewerbs auf sämtlichen durch das Vorhaben betroffenen Märkten kann durch mehrere Behörden offensichtlich besser geschützt werden. Teilverweisungen sind zwar nach Artikel 4 Absatz 4 und Artikel 9 möglich, aber in der Regel sollte das gesamte Vorhaben (oder zumindest alle miteinander zusammenhängenden Teile) von einer einzigen Behörde untersucht werden (17).

Rechtssicherheit

13.

Gebührend zu berücksichtigen ist ferner die Bedeutung, die der Rechtssicherheit hinsichtlich der Zuständigkeit für einen bestimmten Zusammenschluss für alle am Verfahren Beteiligten zukommt (18). Eine Verweisung sollte nur dann vorgenommen werden, wenn es in der fraglichen Sache einen zwingenden Grund für ein Abweichen von der „ursprünglichen Zuständigkeit“ gibt; das gilt insbesondere für Verweisungen nach der Anmeldung. Ebenso sollte, wenn die Sache bereits vor ihrer Anmeldung einmal verwiesen wurde, eine spätere erneute Verweisung unbedingt vermieden werden (19).

14.

Rechtssicherheit spielt auch bei den rechtlichen Kriterien für eine Verweisung eine Rolle, insbesondere — angesichts der knappen Fristen — vor einer Anmeldung. Folglich sollten Verweisungen vor der Anmeldung auf Fälle beschränkt werden, in denen relativ eindeutig absehbar ist, welchen Umfang die betroffenen räumlichen Märkte aufweisen und/oder ob sich das Vorhaben auf den Wettbewerb auswirkt, damit über solche Anträge rasch entschieden werden kann.

Verweisung von Fusionssachen: rechtliche Anforderungen und sonstige zu berücksichtigende Umstände

Verweisung vor der Anmeldung

15.

Das Verfahren für eine Verweisung vor der Anmeldung wird durch einen begründeten Antrag der an dem Zusammenschluss Beteiligten ausgelöst. Die Beteiligten müssen vor einem solchen Antrag prüfen, ob der einschlägige Verweisungstatbestand der Fusionskontrollverordnung erfüllt sind, und ob eine Verweisung vor der Anmeldung mit den o.a. Leitlinien in Einklang stehen würde.

Verweisung von der Kommission an die Mitgliedstaaten nach Artikel 4 Absatz 4

Rechtliche Voraussetzungen

16.

Für die Verweisung einer Fusionssache von der Kommission an einen oder mehrere Mitgliedstaaten nach Artikel 4 Absatz 4 müssen zwei Tatbestandsmerkmale vorliegen:

i)

Es müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb in einem oder mehreren Märkten erheblich beeinträchtigen kann, und

ii)

der fragliche Markt oder die fraglichen Märkte müssen sich in einem Mitgliedstaat befinden und alle Merkmale eines gesonderten Marktes aufweisen.

17.

Mit Blick auf die erste Voraussetzung müssen die Antragsteller vor allem nachweisen, dass sich das Vorhaben möglicherweise auf den Wettbewerb in einem gesonderten Markt in einem Mitgliedstaat so erheblich auswirkt, dass eine genaue Untersuchung angezeigt ist. Die entsprechenden Anzeichen können durchaus vorläufiger Natur sein und greifen jedenfalls nicht dem Ergebnis der Untersuchung vor. Die Beteiligten müssen nicht nachweisen, dass sich der Zusammenschluss nachteilig auf den Wettbewerb auswirkt (20), sondern sich lediglich auf Indikatoren beziehen, die allgemein darauf schließen lassen, dass Auswirkungen auf den Wettbewerb zu erwarten sind (21).

18.

Damit die zweite Voraussetzung als erfüllt gilt, müssen die Antragsteller nachweisen, dass der oder die räumlichen Märkte, auf denen die in Randnummer 17 beschriebenen Wettbewerbsfolgen zu erwarten sind, einen nationalen oder noch kleineren Umfang haben (22).

Sonstige zu berücksichtigende Umstände

19.

Die Beteiligten sollten im Blick auf die Erfolgsaussichten des Verweisungsantrags nicht nur prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, sondern auch, ob eine Verweisung als sachlich gerechtfertigt eingestuft werden dürfte. Dazu sind die Leitsätze (siehe Randnummern 8 bis 14) und insbesondere die Ausführungen zu der Frage heranzuziehen, ob die Wettbewerbsbehörde(n), an die eine Verweisung beantragt wird, tatsächlich am besten für die Prüfung des Vorhabens geeignet sind. Hierbei ist nicht nur zu erwägen, wo sich die Wettbewerbsfolgen des Vorhabens besonders bemerkbar machen, sondern auch, inwieweit die nationale Wettbewerbsbehörde zu einer Prüfung des Vorhabens in der Lage ist.

20.

Fälle von gemeinschaftsweiter Bedeutung eignen sich am ehesten für eine Verweisung an einen Mitgliedstaat, wenn sie sich voraussichtlich auf den Wettbewerb in rein nationalen oder noch kleineren Märkten auswirken und sich in ihren wirtschaftlichen und sonstigen Konsequenzen im Wesentlichen auf einen Mitgliedstaat (23) beschränken. Das gilt insbesondere für Vorhaben, deren Folgen auf einem gesonderten Markt zu spüren wären, der keinen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes bildet. Soweit eine Sache lediglich an einen einzigen Mitgliedstaat verwiesen wird, bleibt auch der Vorteil der „einzigen Anlaufstelle“ gewahrt.

21.

Inwieweit sich ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung, der zwar voraussichtlich beträchtliche Folgen in einem nationalen Markt hat, aber auch erhebliche grenzüberschreitende Wirkung entfalten könnte (z.B. weil die Folgen der Fusion in einem räumlichen Markt auch auf räumlichen Märkten in anderen Mitgliedstaaten massiv spürbar sind, oder weil Marktabschottungseffekte drohen und als Folge davon eine Aufsplitterung des Gemeinsamen Marktes zu befürchten ist (24)), für eine Verweisung eignet, wird von den Einzelfallumständen abhängen. Da in diesen Fällen die Kommission und die Mitgliedstaaten gleichermaßen zur Bearbeitung geeignet sein können, sollte den Behörden bei Verweisungsanträgen ein beträchtlicher Ermessensspielraum belassen werden.

22.

Inwieweit sich Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung, die den Wettbewerb in mehreren nationalen oder noch kleineren Märkten in mehr als einem Mitgliedstaat beeinträchtigen können, für eine Verweisung an die betreffenden Mitgliedstaaten eignen, wird von fallspezifischen Umständen wie der Zahl der potenziell erheblich betroffenen Märkte, der Aussicht auf die Beseitigung aller Wettbewerbsbedenken durch verhältnismäßige, einander nicht widersprechende Abhilfemaßnahmen und dem zu erwartenden Prüfungsaufwand abhängen. Sind Wettbewerbsprobleme in mehreren Mitgliedstaaten zu erwarten und koordinierte Untersuchungen und Abhilfemaßnahmen erforderlich, wäre es angebracht, dass die Kommission ihre Zuständigkeit für die Gesamtheit des Falles beibehält (25). Soweit koordinierte Untersuchungen und Abhilfemaßnahmen trotz der Betroffenheit nationaler Märkte in mehr als einem Mitgliedstaat nicht erforderlich scheinen, kann eine Verweisung sinnvoll sein. In einigen wenigen Fällen hat die Kommission ein Vorhaben sogar an mehr als einen Mitgliedstaat verwiesen, weil sich die Wettbewerbsbedingungen auf den jeweiligen betroffenen Märkten signifikant unterschieden (26). Die Aufteilung der Zuständigkeit für ein Fusionssachen nimmt den Beteiligten zwar die Vorteile einer einzigen Anlaufstelle, aber dieser Punkt ist bei Verweisungsanträgen vor der Anmeldung kaum von Belang, die ja gerade von den Beteiligten selbst ausgehen.

23.

Soweit möglich sollten auch die etwaige besondere Erfahrung der nationalen Wettbewerbsbehörden, an die die Sache verwiesen werden soll, mit lokalen Märkten (27) oder etwa der Umstand berücksichtigt werden, dass sie gerade die Prüfung eines anderen Vorhabens in der gleichen Branche durchführen oder in Angriff nehmen (28).

Verweisung von den Mitgliedstaaten an die Kommission nach Artikel 4 Absatz 5

Rechtliche Voraussetzungen

24.

Im Rahmen von Artikel 4 Absatz 5 müssen lediglich zwei Tatbestandsmerkmale vorliegen, damit die Beteiligten eine Verweisung ihres Vorhabens an die Kommission beantragen können: das Vorhaben muss ein Zusammenschluss im Sinne von Artikel 3 Fusionskontrollverordnung sein, und der Zusammenschluss muss nach dem innerstaatlichen Wettbewerbsrecht von mindestens drei Mitgliedstaaten geprüft werden können. (Siehe auch Randnummern 65ff. und 70ff.)

Sonstige zu berücksichtigende Umstände

25.

Die Beteiligten sollten im Blick auf die Erfolgsaussichten des Verweisungsantrags nicht nur prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, sondern auch, ob eine Verweisung als sachlich gerechtfertigt eingestuft werden dürfte. Dazu sind die obigen Leitsätze und insbesondere die Ausführungen zu der Frage heranzuziehen, ob die Kommission tatsächlich besser für die Prüfung des Vorhabens geeignet ist.

26.

Nach Erwägungsgrund 16 Fusionskontrollverordnung wären solche Anträge auf eine Verweisung vor der Anmeldung an die Kommission insbesondere dann angebracht, wenn der betreffende Zusammenschluss den Wettbewerb über das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hinaus beeinträchtigen würde. Hierbei ist insbesondere zu erwägen, wo sich die Wettbewerbsfolgen des Vorhabens besonders bemerkbar machen, und inwieweit die Kommission zu einer Prüfung des Vorhabens in der Lage ist.

27.

Deswegen ist u.a. die Frage zu beantworten, ob es sich um einen nach seinem Wesen im Hinblick auf seine Wettbewerbsfolgen und die zu seiner ordnungsgemäßen Bearbeitung erforderlichen Untersuchungs- und Vollstreckungsbefugnisse grenzüberschreitenden Zusammenschluss handelt. Hierfür ist insbesondere zu berücksichtigen, ob sich das Vorhaben möglicherweise auf den Wettbewerb in dem oder den betroffenen Märkten auswirkt. Die entsprechenden Anhaltspunkte können durchaus vorläufiger Natur sein (29) und greifen jedenfalls nicht dem Ergebnis der Untersuchung vor. Auch brauchen die Beteiligten nicht nachzuweisen, dass die Auswirkungen auf den Wettbewerb wahrscheinlich nachteilig wären.

28.

Am ehesten für eine Verweisung an die Kommission geeignet sind Vorhaben, bei denen die von etwaigen Wettbewerbsfolgen betroffenen räumlichen Märkte über die Staatsgrenzen hinausreichen (30) oder einige der möglicherweise betroffenen Märkte über die Staatsgrenzen hinausreichen und die wichtigsten wirtschaftlichen Folgen des Zusammenschlusses mit diesen Märkten in Zusammenhang stehen. Da die wettbewerbliche Dynamik in solchen Fällen über nationale Grenzen hinausreichende Gebiete erfasst und folglich Untersuchungen in mehreren Ländern und entsprechende Vollstreckungsbefugnisse erforderlich sein können, dürfte die Kommission die am besten geeignete Behörde sein.

29.

Ebenso dürfte sich eine Prüfung durch die Kommission anbieten (sowohl was die Untersuchung und Würdigung als auch was mögliche Abhilfemaßnahmen angeht), wenn Vorhaben Wettbewerbsprobleme in einer ganzen Reihe nationaler oder noch kleinerer Märkte in mehreren Mitgliedstaaten verursachen könnten (31). Die Eignung der Kommission zur Prüfung dieser Vorhaben ergibt sich aus dem Bedarf einer durchgehenden, wirksamen Untersuchung in allen betroffenen Ländern mittels der entsprechenden Untersuchungsbefugnisse und einer Ausräumung etwaiger Wettbewerbsprobleme durch miteinander vereinbare Abhilfemaßnahmen.

30.

Analog zu den Ausführungen zu Verweisungen nach Artikel 4 Absatz 4 gilt auch hier: Inwieweit sich ein Zusammenschluss, der zwar voraussichtlich beträchtliche Folgen in einem nationalen Markt hat, aber auch erhebliche grenzüberschreitende Wirkung entfalten könnte, für eine Verweisung eignet, wird von den Einzelfallumständen abhängen. Da in diesen Fällen die Kommission und die Mitgliedstaaten gleichermaßen zur Bearbeitung geeignet sein können, sollte den Behörden bei Verweisungsanträgen ein beträchtlicher Ermessensspielraum belassen werden.

31.

Soweit möglich sollte auch die besondere Eignung der Kommission für die Prüfung des Falles berücksichtigt werden, z.B. besondere sachliche Schwerpunkte oder branchenspezifische Erfahrungen. Je größer die Gefahr, dass ein Zusammenschluss den Wettbewerb über das Hoheitsgebiet eines einzelnen Mitgliedstaates hinaus beeinträchtigt, umso wahrscheinlicher ist die Kommission die geeignete Behörde zur Prüfung des Vorhabens, insbesondere wegen ihrer Ermittlungs- und Durchsetzungskompetenzen.

32.

Außerdem sind die Beteiligten berechtigt anzuführen, dass es trotz augenscheinlich nicht vorhandener Wettbewerbsfolgen zwingende Gründe für eine Prüfung des Vorhabens durch die Kommission gibt, wie den Kosten- und Zeitaufwand einer Anmeldung bei mehreren Mitgliedstaaten (32).

Verweisung nach der Anmeldung

Verweisungen von der Kommission an Mitgliedstaaten gemäß Artikel 9

33.

Nach Artikel 9 verfügt ein Mitgliedstaat, der eine Verweisung nach Anmeldung eines Vorhabens bei der Kommission beantragen möchte, über zwei Möglichkeiten: Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a) und Buchstabe b).

Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a)

Rechtliche Voraussetzungen

34.

Für die Verweisung einer Fusionssache von der Kommission an einen oder mehrere Mitgliedstaaten nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a) müssen folgende rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein:

i)

der Zusammenschluss muss geeignet sein, den Wettbewerb auf einem Markt erheblich zu beeinträchtigen, und

ii)

der fragliche Markt muss sich in dem antragstellenden Mitgliedstaat befinden und alle Merkmale eines gesonderten Marktes aufweisen.

35.

In Bezug auf die erste Voraussetzung muss der antragstellende Mitgliedstaat nachweisen, dass nach einer vorläufigen Analyse ein wirkliches Risiko besteht, dass das Vorhaben erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb hat und daher genau geprüft werden sollte. Bei den vorläufigen Anhaltspunkten kann es sich durchaus um Anscheinsbeweise für mögliche erhebliche nachteilige Auswirkungen handeln, die jedenfalls nicht dem Ergebnis der eigentlichen Untersuchung vorgreifen.

36.

In Bezug auf die zweite Voraussetzung muss der Mitgliedstaat nachweisen, dass der oder die räumlichen Märkte, auf denen der Wettbewerb durch das Vorhaben in der in Randnummer 35 beschriebenen Weise beeinträchtigt wird, einen nationalen oder noch kleineren Umfang haben (33).

Sonstige zu berücksichtigende Umstände

37.

Neben den rechtlichen Voraussetzungen sollten weitere Umstände bei der Würdigung der Frage berücksichtigt werden, ob eine Verweisung voraussichtlich als gerechtfertigt angesehen wird. Dazu sind die obigen Leitsätze und insbesondere die Ausführungen zu der Frage heranzuziehen, ob die Wettbewerbsbehörde(n), die die Verweisung beantragen, tatsächlich am besten für die Prüfung des Vorhabens geeignet ist (sind). Hierbei ist nicht nur zu erwägen, wo sich die Wettbewerbsfolgen des Vorhabens besonders bemerkbar machen, sondern auch, inwieweit die nationale Wettbewerbsbehörde zu einer Prüfung des Vorhabens in der Lage ist (siehe Randnummern 19-23).

Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b)

Rechtliche Voraussetzungen

38.

Für die Verweisung einer Fusionssache von der Kommission an einen oder mehrere Mitgliedstaaten nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b) müssen folgende Tatbestandsmerkmale vorliegen:

i)

der Zusammenschluss muss den Wettbewerb auf einem Markt beeinträchtigen, und

ii)

der fragliche Markt muss sich in dem antragstellenden Mitgliedstaat befinden und alle Merkmale eines gesonderten Marktes aufweisen, darf aber nicht einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes bilden.

39.

In Bezug auf die erste Voraussetzung muss der antragstellende Mitgliedstaat nachweisen, dass der Zusammenschluss sich nach einer vorläufigen Analyse auf den Wettbewerb in einem Markt auswirkt. Bei den vorläufigen Anhaltspunkten kann es sich durchaus um Anscheinsbeweise für mögliche nachteilige Auswirkungen handeln, die jedenfalls nicht dem Ergebnis der eigentlichen Untersuchung vorgreifen.

40.

Mit Blick auf die zweite Voraussetzung muss der antragstellende Mitgliedstaat nicht nur nachweisen, dass der Markt, in dem der Wettbewerb in der in Randnummer 38 beschriebenen Weise betroffen ist, einen gesonderten Markt innerhalb eines Mitgliedstaates bildet, sondern auch, dass dieser Markt kein wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes ist. Nach bewährter Fallpraxis und ständiger Rechtsprechung kommen hierfür nur räumlich eng begrenzte Märkte innerhalb eines Mitgliedstaates in Frage (34).

41.

Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist die Kommission verpflichtet, die Sache zu verweisen.

Verweisungen von den Mitgliedstaaten an die Kommission gemäß Artikel 22

Rechtliche Voraussetzungen

42.

Für die Verweisung einer Fusionssache von einem oder mehreren Mitgliedstaaten an die Kommission nach Artikel 22 müssen zweiTatbestandsmerkmale vorliegen:

i)

der Zusammenschluss muss den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und

ii)

er muss den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des beziehungsweise der antragstellenden Mitgliedstaates erheblich zu beeinträchtigen drohen.

43.

Die erste Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Zusammenschluss erkennbaren Einfluss auf den Verlauf der Handelsströme zwischen Mitgliedstaaten nimmt (35).

44.

In Bezug auf die zweite Voraussetzung nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a) muss der verweisende Mitgliedstaat im Kern nachweisen, dass nach einer vorläufigen Analyse ein wirkliches Risiko besteht, dass das Vorhaben erhebliche nachteiligen Auswirkungen auf den Wettbewerb hat und daher genau geprüft werden sollte. Bei den vorläufigen Anhaltspunkten kann es sich durchaus um Anscheinsbeweise für mögliche erhebliche nachteilige Auswirkungen handeln, die jedenfalls nicht dem Ergebnis der eigentlichen Untersuchung vorgreifen.

Sonstige zu berücksichtigende Umstände

45.

Da Verweisungen an die Kommission nach der Anmeldung für die fusionierenden Unternehmen einen zusätzlichen Kosten- und Zeitaufwand nach sich ziehen können, sollten sie sich normalerweise auf solche Fälle beschränken, die eine wirkliche Gefahr nachteiliger Folgen für Wettbewerb und zwischenstaatlichen Handel in sich bergen, denen am besten auf Gemeinschaftsebene begegnet werden kann (36). Folgende Fallkategorien kommen demgemäß in der Regel am ehesten für eine Verweisung an die Kommission nach Artikel 22 in Betracht:

Vorhaben, bei denen ernste Wettbewerbsbedenken in Bezug auf einen oder mehrere räumliche Märkte bestehen, die über die Staatsgrenzen hinausreichen, oder bei denen einige der möglicherweise betroffenen Märkte über die Staatsgrenzen hinausreichen, und die wichtigsten wirtschaftlichen Folgen des Zusammenschlusses mit diesen Märkten in Zusammenhang stehen;

Vorhaben, bei denen ernste Wettbewerbsbedenken in Bezug auf eine Reihe nationaler oder noch kleinerer Märkte in mehreren Mitgliedstaaten bestehen, die wichtigsten wirtschaftlichen Folgen des Zusammenschlusses mit diesen Märkten in Zusammenhang stehen und eine einheitliche Bearbeitung der Sache (im Hinblick sowohl auf mögliche Abhilfen als auch gegebenenfalls schon auf das Verfahren) wünschenswert wäre.

III.   FUNKTIONSWEISE DES VERWEISUNGSSYSTEMS

A.   ÜBERBLICK

46.

Maßgeblich für die Handhabung des Verweisungssystems sind die Rechtsvorschriften der Fusionskontrollverordnung. Die einzelnen Schritte einer Verweisung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten sind in den Artikel 4 Absätze 4 und 5, Artikel 9 und Artikel 22 ausführlich geregelt.

47.

Jede dieser vier Vorschriften enthält eine vollständige Verweisungsregelung für eine bestimmte Kategorie. Dabei handelt es sich um folgende Kategorien:

a)

Verweisung vor der Anmeldung:

i)

von der Kommission an die Mitgliedstaaten (Artikel 4 Absatz 4)

ii)

von den Mitgliedstaaten an die Kommission (Artikel 4 Absatz 5)

b)

Verweisung nach der Anmeldung:

i)

von der Kommission an die Mitgliedstaaten (Artikel 9)

ii)

von den Mitgliedstaaten an die Kommission (Artikel 22)

48.

Die Schaubilder in Anhang I zeigen die verschiedenen Verfahrensschritte bei Verweisungen Artikel 4 Absätze 4 und 5, Artikel 9 und Artikel 22.

Verweisung vor der Anmeldung

49.

Nur die beteiligten Unternehmen können eine Verweisung vor der Anmeldung beantragen (37). Die beteiligten Unternehmen müssen prüfen, ob die Verweisungsvoraussetzungen nach Artikel 4 Absatz 4 (Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung, der aber den Wettbewerb in einem gesonderten Markt innerhalb eines Mitgliedstaates erheblich beeinträchtigen kann) oder Artikel 4 Absatz 5 (Zusammenschluss ohne gemeinschaftsweite Bedeutung, der aber in mindestens drei Mitgliedstaaten nach innerstaatlichem Wettbewerbsrecht geprüft werden kann) vorliegen. Anschließend können sie mit begründetem Antrag unter Verwendung des Formblatts RS eine Verweisung von der oder an die Kommission beantragen. Die Kommission leitet diesen Antrag unverzüglich an alle Mitgliedstaaten weiter. Die weiteren Verfahrensschritte bei Verweisungen nach Artikel 4 Absatz 4 bzw. Absatz 5 unterscheiden sich voneinander.

Nach Artikel 4 Absatz 4 verfügen die betroffenen Mitgliedstaaten (38) über eine Frist von 15 Arbeitstagen ab Erhalt des Antrags, um diesem zuzustimmen oder ihn abzulehnen. Trifft der Mitgliedstaat keine Entscheidung, so gilt dies als Zustimmung (39). Stimmen die betroffenen Mitgliedstaaten der Verweisung zu, muss die Kommission binnen ungefähr 10 Arbeitstagen (25 Arbeitstage ab Eingang des Formblatts RS bei der Kommission) über den Verweisungsantrag entscheiden. Trifft die Kommission keine Entscheidung, gilt dies als positive Entscheidung. Bei einer positiven Entscheidung wird das Vorhaben (ganz oder teilweise) an den oder die betroffenen Mitgliedstaaten verwiesen, wie von den Unternehmen beantragt. Der oder die betroffenen Mitgliedstaaten prüfen das Vorhaben bzw. die an sie verwiesenen Teile nach ihrem innerstaatlichen Wettbewerbsrecht (40). Artikel 9 Absätze 6 bis 9 findet entsprechend Anwendung.

Nach Artikel 4 Absatz 5 verfügen die betroffenen Mitgliedstaaten (41) über eine Frist von 15 Arbeitstagen ab Erhalt des Antrags, um diesem zuzustimmen oder ihn abzulehnen. Nach Ablauf der Frist prüft die Kommission, ob ein nach innerstaatlichem Wettbewerbsrecht zuständiger Mitgliedstaat den Antrag abgelehnt hat. Wenn keiner der zuständigen Mitgliedstaaten abgelehnt hat, so wird die gemeinschaftsweite Bedeutung des Zusammenschlusses vermutet und er ist bei der Kommission anzumelden, die alleine für seine Prüfung zuständig ist. Dann müssen die Beteiligten ihr Vorhaben mit dem Formblatt CO bei der Kommission anmelden. Hat jedoch mindestens ein zuständiger Mitgliedstaat den Verweisungsantrag abgelehnt, unterrichtet die Kommission sämtliche Mitgliedstaaten und die betroffenen Unternehmen unverzüglich über diese Ablehnung, und das Verweisungsverfahren ist beendet. Für die Beteiligten gelten dann die etwaigen nationalen Anmelderegeln.

Verweisung nach der Anmeldung

50.

Gemäß Artikel 9 Absatz 2 und Artikel 22 Absatz 1 werden Verweisungen von den Mitgliedstaaten entweder von Amts wegen oder nach Aufforderung durch die Kommission nach Artikel 9 Absatz 2 oder Artikel 22 Absatz 5 veranlasst. Die Verfahren für Verweisungen von der und an die Kommission unterscheiden sich.

Nach Artikel 9 kann ein Mitgliedstaat bei der Kommission beantragen, dass ein bei ihr angemeldeter Zusammenschluss mit gemeinschaftsweiter Bedeutung ganz oder teilweise an ihn verwiesen wird, wenn der Zusammenschluss den Wettbewerb auf einem gesonderten Markt in diesem Mitgliedstaat erheblich zu beeinträchtigen droht (Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a)), oder wenn er den Wettbewerb auf einem gesonderten Markt in diesem Mitgliedstaat beeinträchtigen würde, der keinen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes darstellt (Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b)). Dieser Antrag ist binnen 15 Arbeitstagen nach Eingang der Kopie des Formblatts CO beim Mitgliedstaat zu stellen. Die Kommission prüft zuerst, ob diese Tatbestandsmerkmale vorliegen. Ist dies der Fall, so entscheidet die Kommission unter Ausübung ihres Ermessens darüber, ob sie die Sache ganz oder teilweise verweist. Im Falle eines auf Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b) gestützten Verweisungsantrags ist die Kommission (ohne eigenen Ermessensspielraum) verpflichtet, die Sache zu verweisen, wenn die Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Die Entscheidung ist binnen 35 Arbeitstagen ab Anmeldung zu treffen, oder — wenn die Kommission das Verfahren eingeleitet hat — binnen 65 Arbeitstagen (42). Im Falle einer Verweisung prüfen die Mitgliedstaaten das Vorhaben nach ihrem innerstaatlichen Wettbewerbsrecht und sind lediglich an Artikel 9 Absätze 6 und 8 gebunden.

Nach Artikel 22 kann ein Mitgliedstaat bei der Kommission beantragen, jeden Zusammenschluss zu prüfen, der keine gemeinschaftsweite Bedeutung hat, aber den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb in seinem Hoheitsgebiet erheblich zu beeinträchtigen droht. Der Antrag muss innerhalb von 15 Arbeitstagen, nachdem der Zusammenschluss bei dem betreffenden Mitgliedstaat angemeldet oder, falls eine Anmeldung nicht erforderlich ist, ihm „zur Kenntnis gebracht worden ist“ (43), gestellt werden. Die Kommission leitet diesen Antrag an alle Mitgliedstaaten weiter. Jeder andere Mitgliedstaat kann sich innerhalb von 15 Arbeitstagen nach Erhalt einer Kopie des ersten Antrags diesem anschließen (44). Alle nationalen Fristen sind während dieser 15 Arbeitstage gehemmt, bis über die endgültige Prüfungskompetenz entschieden wurde. Ein Mitgliedstaat kann seine innerstaatlichen Fristen schon vor Ablauf der 15 Arbeitstage wieder in Gang setzen, indem er der Kommission mitteilt, dass er sich dem Antrag nicht anschließt. Nach Ablauf der 15-Tage-Frist hat die Kommission höchstens zehn Arbeitstage Zeit, um zu entscheiden, ob sie die Verweisung annimmt oder nicht. Akzeptiert die Kommission die Zuständigkeit für ein Vorhaben, enden die innerstaatlichen Verfahren in den verweisenden Mitgliedstaaten, und die Kommission prüft den Zusammenschluss nach Artikel 22 Absatz 4 Fusionskontrollverordnung für die antragstellenden Mitgliedstaaten (45). Staaten, die keine Verweisung beantragt haben, können ihr innerstaatliches Recht weiterhin anwenden.

51.

Im folgenden Abschnitt der Mitteilung werden Unternehmen, die einen Verweisungsantrag vor der Anmeldung in Betracht ziehen, oder die an einem Vorhaben beteiligt sind, das nach seiner Anmeldung verwiesen werden könnte, weitere Orientierungshilfen zu bestimmten Einzelheiten des Systems geboten.

B.   EINZELNE ASPEKTE DES VERWEISUNGSSYSTEMS

52.

In diesem Teil der Mitteilung werden Orientierungshilfen zu einzelnen Aspekten des Verweisungssystems des Artikels 4 Absätze 4 und 5 sowie der Artikel 9 und 22 Fusionskontrollverordnung geboten.

1.   Das Netz der Wettbewerbsbehörden

53.

Gemäß Artikel 19 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung führt die Kommission die in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren in enger und stetiger Verbindung mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten (den nationalen Wettbewerbsbehörden) durch. Die Zusammenarbeit und der Dialog zwischen der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden und unter den nationalen Wettbewerbsbehörden sind besonders bei Fusionssachen von Bedeutung, die nach der Fusionskontrollverordnung verwiesen werden können.

54.

In Erwägungsgrund 14 der Fusionskontrollverordnung heißt es: „Die Kommission sollte gemeinsam mit den nationalen Wettbewerbsbehörden ein Netz von Behörden bilden, die ihre jeweiligen Zuständigkeiten in enger Zusammenarbeit durch effiziente Regelungen für Informationsaustausch und Konsultation wahrnehmen, um sicherzustellen, dass jeder Fall unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips von der für ihn am besten geeigneten Behörde behandelt wird und um Mehrfachanmeldungen weitestgehend auszuschließen.“

55.

Dieses Netz sollte eine effiziente Handhabung des Verweisungssystems nach den in Abschnitt II beschriebenen Grundsätzen ermöglichen, d.h. die reibungslose Anwendung des Systems der Verweisungen vor der Anmeldung erleichtern und im Rahmen des Vorhersehbaren eine möglichst frühe Identifizierung jener Fälle erlauben, die für eine Verweisung nach der Anmeldung in Betracht kommen (46).

56.

Gemäß Artikel 4 Absätze 4 und 5 ist die Kommission verpflichtet, die begründeten Anträge der betroffenen Unternehmen „unverzüglich“ weiterzuleiten (47). Die Kommission wird sich darum bemühen, Schriftstücke an dem auf ihren Eingang oder ihren Erlass folgenden Arbeitstag weiterzuleiten. Der Informationsaustausch im Netz der Wettbewerbsbehörden erfolgt situationsabhängig über elektronische Post, normale Post, Boten, Fax oder Telefon. Sensible oder vertrauliche Angaben werden über geschützte elektronische oder sonstige Kommunikationswege ausgetauscht.

57.

Sämtliche Mitglieder des Netzes, d.h. sowohl die Kommission als auch die nationalen Wettbewerbsbehörden sowie alle ihre Beamten und sonstigen Bediensteten, andere unter Aufsicht dieser Behörden tätige Personen, und schließlich Beamte und Bedienstete anderer Behörden der Mitgliedstaaten sind gemäß Artikel 17 Fusionskontrollverordnung verpflichtet, Berufsgeheimnisse zu wahren. Sie dürfen keine nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Informationen, die sie in Anwendung der Fusionskontrollverordnung erworben haben, offen legen, sofern die natürliche oder juristische Person, von der sie die betreffende Information erhalten haben, ihrer Offenlegung nicht zugestimmt hat.

58.

Konsultationen und Informationsaustausch innerhalb des Netzes gelten hingegen als Kontakte zwischen mit der Rechtsanwendung beauftragten Behörden und lassen die Rechte und Pflichten, die Unternehmen aus dem Gemeinschaftsrecht oder dem innerstaatlichen Recht entstehen, unberührt. Jede Wettbewerbsbehörde bleibt für die Gewährleistung des ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs in den von ihr behandelten Fällen uneingeschränkt verantwortlich.

2.   Inanspruchnahme des Systems zur Verweisung vor der Anmeldung; von den Antragstellern vorzulegende Angaben

59.

Für ein schnelles und reibungsloses Funktionieren des Verweisungssystem ist es unerlässlich, dass die Antragsteller, wann immer es erforderlich ist, vollständige und genaue Informationen rechtzeitig und so effizient wie möglich übermitteln. Welche Informationen vorzulegen sind und welche Folgen unrichtige, unvollständige oder irreführende Angaben haben können, ist in der Fusionskontrollverordnung, der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 und dem Formblatt RS in rechtlich verbindlicher Weise festgelegt (48).

60.

Wie im Formblatt RS angegeben, müssen sämtliche einem begründeten Antrag beigefügten Angaben richtig und vollständig sein. Im Falle unrichtiger oder unvollständiger Angaben kann die Kommission entweder eine Entscheidung nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a) Fusionskontrollverordnung erlassen (wenn sie während der Untersuchung erkennt, dass die Voraussetzungen von Artikel 4 Absatz 5 nicht erfüllt sind), oder eine auf eine Verweisung gemäß Artikel 4 Absatz 5 folgende Entscheidung nach Artikel 6 oder 8 gemäß Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe a) oder Artikel 8 Absatz 6 Buchstabe a) Fusionskontrollverordnung widerrufen. Nach eine Entscheidung nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a) oder dem Widerruf gilt für das Vorhaben erneut innerstaatliches Wettbewerbsrecht. Beruht eine Verweisung nach Artikel 4 Absatz 4 auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben, kann die Kommission eine Anmeldung nach Artikel 4 Absatz 1 verlangen. Ferner ist die Kommission befugt, eine Geldbuße gemäß Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a) Fusionskontrollverordnung zu verhängen. Schließlich können die Kommission und/oder die Mitgliedstaaten, wenn eine Verweisung aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben einschließlich jener im Formblatt RS vorgenommen wurde, die Sache nach der Anmeldung erneut verweisen, um die vor der Anmeldung erfolgte, auf diesen unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruhende Verweisung zu korrigieren (49).

61.

Nicht vorgesehen oder erforderlich ist, dass Unternehmen, die Angaben im Formblatt RS vorlegen oder einen Antrag auf Verweisung vor der Anmeldung stellen, nachweisen, dass die Auswirkungen des Zusammenschlusses wettbewerbsschädlich sein würden (50). Sie sollten jedoch möglichst viele Angaben vorlegen, aus denen eindeutig hervorgeht, inwieweit die Verweisungskriterien nach Artikel 4 Absätze 4 und 5 erfüllt sind und warum die Wettbewerbsbehörde(n), an die die Sache verwiesen werden soll, für eine Prüfung des Vorhabens besonders geeignet ist (sind). Eine Veröffentlichung der Information, dass ein RS-Formblatt eingereicht wurde, ist in der Fusionskontrollverordnung nicht vorgeschrieben und auch nicht beabsichtigt. Ein nicht öffentlich bekanntes Vorhaben kann somit durchaus Gegenstand eines Verweisungsantrags sein.

62.

Auch wenn die Kommission gemäß der Fusionskontrollverordnung Anträge mittels des Formblatts RS in allen Amtssprachen der Gemeinschaft entgegennimmt, werden die betroffenen Unternehmen, deren Angaben an das Netz der Wettbewerbsbehörden übermittelt werden sollen, nachdrücklich gebeten, eine Sprache zu verwenden, die von sämtlichen Adressaten ihrer Angaben verstanden wird. Damit soll den Mitgliedstaaten die Bearbeitung solcher Anträge erleichtert werden. Anträge auf Verweisung an einen oder mehrere Mitgliedstaaten sollten im Übrigen auch in den Sprachen dieses Staates/dieser Staaten eingereicht werden.

63.

Über die rechtlichen Anforderungen im Formblatt RS hinaus sollten die Unternehmen darauf vorbereitet sein, auf Anfrage zusätzliche Angaben zu unterbreiten und die Angelegenheit mit der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden offen zu besprechen, damit die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden die Berechtigung des Verweisungsantrags beurteilen können.

64.

Vor und auch nach Einreichung des Formblatts RS sind informelle Kontakte zwischen den fusionierenden Unternehmen einerseits und der Kommission und den Behörden der Mitgliedstaaten andererseits ausdrücklich gewünscht. Die Kommission steht allen Unternehmen, die von der Möglichkeit einer Verweisung aufgrund von Artikel 4 Absätze 4 und 5 Fusionskontrollverordnung Gebrauch machen wollen, für frühzeitige informelle Beratung zur Verfügung (51).

3.   Zusammenschlüsse, die für eine Verweisung in Frage kommen

65.

Nur Zusammenschlüsse im Sinne von Artikel 3 der Fusionskontrollverordnung können auf der Grundlage von Artikel 4 Absatz 5 und Artikel 22 verwiesen werden. Auf der Grundlage von Artikel 4 Absatz 4 und Artikel 9 hingegen können nur Zusammenschlüsse verwiesen werden, die unter nationales Fusionskontrollrecht fallen (52).

66.

Anträge nach Artikel 4 Absatz 4 oder 5 Fusionskontrollverordnung auf eine Verweisung vor der Anmeldung können nur für ausreichend konkrete Zusammenschlussvorhaben eingereicht werden. Die beteiligten Unternehmen müssen zumindest einen Zusammenschluss tatsächlich beabsichtigen oder im Fall eines Übernahmeangebots öffentlich ihre Absicht zur Abgabe eines solchen Angebots bekundet haben (53).

4.   Das Konzept der Verweisung „vor der Anmeldung“ in Artikel 4 Absätze 4 und 5

67.

Artikel 4 Absätze 4 und 5 ist nur vor der Anmeldung eines Zusammenschlussvorhabens anwendbar.

68.

Nach Artikel 4 Absatz 4 können die beteiligten Unternehmen „vor der Anmeldung eines Zusammenschlusses gemäß Absatz 1“ einen begründeten Verweisungs-antrag (mittels des Formblatts RS) stellen. Das bedeutet, dass ein solcher Antrag nur möglich ist, wenn noch keine förmliche Anmeldung mit dem Formblatt CO nach Artikel 4 Absatz 1 erfolgt ist.

69.

Ebenso ist ein Antrag nach Artikel 4 Absatz 5 ausdrücklich „vor einer Anmeldung bei den zuständigen [nationalen] Behörden“ zu stellen. Mit anderen Worten: diese Bestimmung ist nur anwendbar, wenn der betreffende Zusammenschluss zuvor bei keiner Fusionskontrollbehörde eines Mitgliedstaates angemeldet wurde. Selbst eine einzige Anmeldung innerhalb der Gemeinschaft nimmt den Beteiligten die Möglichkeit, Artikel 4 Absatz 5 in Anspruch zu nehmen. Nach Auffassung der Kommission sollte für die Nichtanmeldung eines Zusammenschlusses auf nationaler Ebene während der Bearbeitung eines Verweisungsantrags nach Artikel 4 Absatz 5 keine Geldbuße erhoben werden.

5.   Die Begriffe des Zusammenschlusses, der „ nach nationalem Wettbewerbsrecht geprüft werden könnte “, und des „ zuständigen Mitgliedstaates “ in Artikel 4 Absatz 5

70.

Nach Artikel 4 Absatz 5 können die beteiligten Unternehmen die Verweisung eines Zusammenschlusses ohne gemeinschaftsweite Bedeutung beantragen, der „nach dem Wettbewerbsrecht mindestens dreier Mitgliedstaaten geprüft werden könnte“.

71.

Die Prüfbarkeit eines Zusammenschlusses durch einen Mitgliedstaat sollte als gegeben angesehen werden, wenn er im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates unter das innerstaatliche, auf Unternehmensfusionen anwendbare Wettbewerbsrecht fällt. Dazu ist nicht erforderlich, dass dieser Zusammenschluss nach dem innerstaatlichen Recht „anmeldepflichtig“ ist (54).

72.

Nach Artikel 4 Absatz 5 Unterabsätze 3 und 4 wird ein Vorhaben nicht verwiesen, wenn mindestens ein Mitgliedstaat, der „nach seinem Wettbewerbsrecht für die Prüfung des Zusammenschlusses zuständig ist“, die Verweisung ablehnt. „Zuständig“ ist ein Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet das Vorhaben prüfbar ist, der folglich befugt ist, das Vorhaben nach innerstaatlichem Wettbewerbsrecht zu prüfen.

73.

Sämtliche Mitgliedstaaten — und nicht nur die „zuständigen“ — erhalten das Formblatt RS. Allerdings können laut Artikel 4 Absatz 5 Unterabsätze 3 und 4 nur die für die Prüfung des Vorhabens „zuständigen“ Mitgliedstaaten eine Verweisung ablehnen. Nach Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 3 verfügen die „zuständigen“ Mitgliedstaaten über eine Frist von 15 Arbeitstagen ab Erhalt des Formblatts RS, um diesem zuzustimmen oder ihn abzulehnen. Stimmen alle diese Mitgliedstaaten dem Antrag zu, erhält er gemäß Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 5 gemein-schaftsweite Bedeutung. Lehnt hingegen nur einer der „zuständigen“ Mitgliedstaaten den Antrag ab, kommt nach Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 4 überhaupt keine Verweisung zustande.

74.

Angesichts dieser Regelung ist es für die reibungslose Handhabung von Artikel 4 Absatz 5 unerlässlich, dass sämtliche Mitgliedstaaten, in denen das Vorhaben nach innerstaatlichem Wettbewerbsrecht geprüft werden kann, und die damit für eine Untersuchung des Zusammenschlusses nach innerstaatlichem Wettbewerbsrecht „zuständig“ sind, korrekt angegeben werden. Deswegen müssen die beteiligten Unternehmen im Formblatt RS ausreichende Angaben vorlegen, damit jeder Mitgliedstaat sich vergewissern kann, ob er nach seinem eigenen innerstaatlichen Wettbewerbsrecht für eine Prüfung des Vorhabens zuständig wäre.

75.

Bei richtiger Ausfüllung des Formblatts RS ist nicht mit Problemen zu rechnen. Die beteiligten Unternehmen dürften dann korrekt alle „zuständigen“ Mitglied-staaten angegeben haben. Probleme können jedoch auftreten, wenn die Unternehmen das Formblatt RS fehlerhaft ausgefüllt haben oder Meinungs-verschiedenheiten darüber auftreten, welche Mitgliedstaaten „zuständig“ sind.

Während der in Artikel 4 Absatz 5 (Unterabsatz 3) vorgesehenen 15-Tage-Frist kann jeder Mitgliedstaat, der im Formblatt RS nicht als „zuständig“ bezeichnet wurde, die Kommission von seiner Zuständigkeit unterrichten und wie alle anderen „zuständigen“ Mitgliedstaaten dem Verweisungsantrag zustimmen oder ihn ablehnen.

Ebenso kann während dieser 15-Tage-Frist jeder Mitgliedstaat, der im Formblatt RS als „zuständig“ bezeichnet wurde, der Kommission mitteilen, dass er nicht „zuständig“ ist. Eine Zustimmung oder Ablehnung durch diesen Mitgliedstaat würde dann für das Zustandekommen einer Verweisung nach Artikel 4 Absatz 5 keine Rolle spielen.

76.

Läuft die Frist von 15 Arbeitstagen ab, ohne dass ein zuständiger Mitgliedstaat den Antrag abgelehnt hat, gilt die Verweisung als zustande gekommen. Damit ist gewährleistet, dass auf Artikel 6 oder 8 der Fusionskontrollverordnung gestützte Kommissionsentscheidungen nach einer Verweisung gemäß Artikel 4 Absatz 5 Geltung erlangen.

77.

Das heißt jedoch nicht, dass die beteiligten Unternehmen durch fahrlässige oder vorsätzliche Falschangaben u.a. zur Prüfungskompetenz der Mitgliedstaaten im Formblatt RS das System missbrauchen können. Wie in Randnummer 60 ausgeführt, kann die Kommission Maßnahmen ergreifen, um die Situation zu korrigieren und solchen Verstößen vorzubeugen. Außerdem sollten die beteiligten Unternehmen beachten, dass im Falle einer aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben zustande gekommenen Verweisung ein Mitgliedstaat, der sich für zuständig hält, aber wegen unrichtiger Angaben keine Gelegenheit hatte, den Antrag abzulehnen, eine Verweisung nach der Anmeldung beantragen kann.

6.   Zustellung und Veröffentlichung von Entscheidungen

78.

Nach Artikel 4 Absatz 4 (Unterabsatz 4), Artikel 4 Absatz 4 (Unterabsatz 4), Artikel 9 Absatz 1 und Artikel 22 Absatz 3 (Unterabsatz 2) ist die Kommission verpflichtet, die beteiligten Unternehmen und Personen und alle Mitgliedstaaten von auf diese Bestimmungen gestützten Entscheidungen über eine Verweisung zu unterrichten.

79.

Dazu richtet die Kommission ein Schreiben an die beteiligten Unternehmen (oder bei Entscheidungen nach Artikel 9 Absatz 1 oder Artikel 22 Absatz 3 an den betreffenden Mitgliedstaat). Sämtliche Mitgliedstaaten erhalten eine Kopie des Schreibens.

80.

Eine Veröffentlichung dieser Entscheidungen im Amtsblatt der Europäischen Union ist nicht erforderlich (55). Die Kommission wird jedoch — unter Berücksichtigung etwaiger Vertraulichkeitserfordernisse — für eine angemessene Bekanntgabe dieser Entscheidungen auf den Internetseiten der GD Wettbewerb Sorge tragen.

7.   Artikel 9 Absatz 6

81.

Verweist die Kommission einen angemeldeten Zusammenschluss gemäß Artikel 4 Absatz 4 oder Artikel 9 Absatz 3 an einen Mitgliedstaat, muss die betreffende nationale Wettbewerbsbehörde nach Artikel 9 Absatz 6 das Vorhaben „ohne unangemessene Verzögerung“ prüfen. Die zuständige Behörde sollte den Fall folglich so zügig wie möglich nach innerstaatlichem Wettbewerbsrecht bearbeiten.

82.

Ferner muss gemäß Artikel 9 Absatz 6 die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats innerhalb von 45 Arbeitstagen nach der Verweisung durch die Kommission oder der Anmeldung auf nationaler Ebene, sofern eine solche vorgeschrieben ist, den beteiligten Unternehmen das Ergebnis ihrer „vorläufigen wettbewerbsrechtlichen Prüfung“ sowie gegebenenfalls die von ihr „beabsichtigten Maßnahmen“ mitteilen. Den fusionierenden Unternehmen sollten demnach binnen 45 Arbeitstagen nach der Verweisung oder gegebenenfalls der Anmeldung ausreichende Angaben übermittelt werden, damit diese sich ein Bild über die etwaigen vorläufigen Wettbewerbsbedenken der Behörde, den wahrscheinlichen Umfang und die voraussichtliche Dauer der Untersuchung machen können. Der betreffende Mitgliedstaat kann diese Frist ausnahmsweise hemmen, wenn die beteiligten Unternehmen die nach seinem innerstaatlichen Wettbewerbsrecht zu übermittelnden Angaben nicht gemacht haben.

IV.   ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN

83.

Diese Mitteilung wird von Zeit zu Zeit und insbesondere nach einer Änderung der Verweisungsvorschriften in der Fusionskontrollverordnung aktualisiert. Nach Artikel 4 Absatz 6 Fusionskontrollverordnung berichtet die Kommission dem Rat spätestens bis 1. Juli 2009 über das Funktionieren des Systems der Verweisungen vor der Anmeldung des Artikels 4 Absätze 4 und 5.

84.

Diese Mitteilung greift der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des EG-Vertrags und des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts durch das Gericht erster Instanz und den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht vor.


(1)  ABl. L 24 vom 29.1.2004, S. 1. Sie ist eine Neufassung der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 1. Berichtigte Fassung in ABl. L 257 vom 21.9.1990, S. 13).

(2)  Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 78/2004 vom 8. Juni 2004. ABl. L 219 vom 8.6.2004, S. 13.

(3)  Siehe Anmerkungen zur Verordnung (EWG) Nr. 4064/89, in: „Die Fusionskontrolle in der Europäischen Union“, Europäische Kommission, Brüssel-Luxemburg 1998, S. 54. Siehe auch Urteil in der Rs. T-119/02, Philips/Kommission, Slg. 2003, II-1433, (Sache M.2621 SEB/Moulinex), Rdnr. 354.

(4)  Einige Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung beeinträchtigen den Wettbewerb eher in nationalen oder noch kleineren Märkten innerhalb von Mitgliedstaaten.

(5)  M.2698 Promatech/Sulzer; M.2738 GE/Unison; M.3136 GE/AGFA.

(6)  Ebenso haben die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Zusammenarbeit eine Empfehlung mit Leitlinien erarbeitet, wie mit Fusionsvorhaben umzugehen ist, die für eine gemeinsame Verweisung nach Artikel 22 Fusionskontrollverordnung in Frage kommen — Principles on the application, by National Competition Authorities within the ECA network, of Article 22 of the EC Merger Regulation

(7)  Auch wenn mit dem 1997 eingeführten Artikel 1 Absatz 3 nunmehr einige dieser Fälle unter die Fusionskontrollverordnung fallen, bleiben die meisten Vorhaben davon unberührt. Siehe Ziff. 21ff des Grünbuchs der Kommission vom 11. Dezember 2001 [KOM(2001) 745 endgültig].

(8)  Erwägungsgründe 11, 12 und 14 der Fusionskontrollverordnung.

(9)  Erwägungsgrund 11 der Fusionskontrollverordnung.

(10)  Siehe jedoch auch unten Fußnote 14. Darüber hinaus ist zu vermerken, dass die Kommission bei Verweisungsanträgen nach Artikel 4 Absatz 5 über keinerlei Ermessensspielraum bei der Entscheidung verfügt, ob sie eine ursprünglich nicht in ihre Zuständigkeit fallende Fusionssache annimmt oder nicht.

(11)  Siehe Artikel 5 EG-Vertrag.

(12)  Erwägungsgründe 11 und 14 der Fusionskontrollverordnung.

(13)  Siehe Artikel 9 Absatz 8 Fusionskontrollverordnung und Philips/Kommission (Rdnr. 343), wo das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften ausführt, „dass Artikel 9 Absatz 3 Unterabsatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 der Kommission zwar ein weites Ermessen hinsichtlich der Frage verleiht, ob ein Zusammenschluss zu verweisen ist, dass die Kommission jedoch andererseits eine Verweisung nicht beschließen kann, wenn bei der Prüfung des Verweisungsantrags des Mitgliedstaats aufgrund einer Gesamtheit genauer und übereinstimmender Hinweise deutlich wird, dass die Verweisung nicht geeignet ist, auf den relevanten Märkten einen wirksamen Wettbewerb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen“; siehe auch Urteil vom 30. September 2003 in den Rs. T-346/02 und Rs. T-347/02, Cableuropa SA/Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht (Rdnr. 215). Dabei berücksichtigt die Kommission u.a., ob ein Mitgliedstaat i) ein spezifisches Fusionskontrollrecht erlassen hat und Fachorgane tätig sind, um dieses Recht unter der Kontrolle der nationalen Gerichte umzusetzen, und ii) ob sie die Wettbewerbsprobleme, die durch den Zusammenschluss auf den relevanten Märkten in diesem Mitgliedstaat verursacht werden, korrekt identifiziert hat (siehe Rdnrn. 346-347 der o.g. Rs. Philips/Kommission).

(14)  Beispielsweise die relativen Kosten, Zeitverluste, Rechtsunsicherheit und möglicherweise einander widersprechende Entscheidungen, wenn eine Untersuchung ganz oder teilweise von mehreren Behörden durchgeführt wird.

(15)  Erwägungsgrund 11 der Fusionskontrollverordnung.

(16)  In der Rechtssache Philips/Kommission vertrat das Gericht erster Instanz die Auffassung, dass „eine derartige Fragmentierung“ zwar durch die Anwendung von Artikel 9 hervorgerufen werden kann, aber „gewiss nicht wünschenswert ist angesichts des Grundsatzes einer einzigen Anlaufstelle, auf dem die Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 beruht“. Das Gericht erster Instanz räumte zwar ein, „dass bei einer teilweisen Verweisung an die nationalen Behörden die Gefahr, dass deren Entscheidung mit der Entscheidung der Kommission im Widerspruch steht oder mit dieser sogar unvereinbar ist, im Verweisungssystem des Artikels 9 begründet ist“, stellte aber auch klar, dass eine solche Situation nach seiner Auffassung nicht wünschenswert sei (Rdnrn. 350 und 381).

(17)  Das steht in Einklang mit der Entscheidung der Kommission in den Sachen M.2389 Shell/DEA und M.2533 BP/E.ON, die Prüfung sämtlicher Märkte nachgelagerter Mineralölprodukte an Deutschland zu verweisen. Die Kommission behielt hingegen die Zuständigkeit für die Prüfung der Fusionssachen mit Blick auf die vorgelagerten Märkte. So entschied sich die Kommission in der Sache M.2706 P&O Princess/Carnival in Wahrnehmung ihrer Ermessensbefugnis gegen die teilweise Verweisung des Vorhabens an das Vereinigte Königreich, um eine Fragmentierung der Sache zu vermeiden (siehe Pressemitteilung der Kommission vom 11.4.2002, IP/02/552).

(18)  Erwägungsgrund 11 der Fusionskontrollverordnung.

(19)  Erwägungsgrund 14 der Fusionskontrollverordnung. Das setzt natürlich voraus, dass die Beteiligten sämtliche einschlägigen Sachverhalte in ihrem Antrag auf Verweisung vor der Anmeldung vollständig und wahrheitsgemäß offen gelegt haben.

(20)  Siehe 16. Erwägungsgrund der Fusionskontrollverordnung: „ohne dass dazu von den beteiligten Unternehmen der Nachweis verlangt werden sollte, dass die Auswirkungen des Zusammenschlusses wettbewerbsschädlich sein würden“.

(21)  Wird nachgewiesen, dass es „betroffene Märkte“ im Sinne des Formblatts RS gibt, können die Anforderungen von Artikel 4 Absatz 4 generell als erfüllt gelten. Den Beteiligten steht es jedoch frei, auch andere für die wettbewerbsrechtliche Analyse der Sache relevante Faktoren zu nennen (Überschneidungen, vertikale Integration etc.).

(22)  Deswegen sollten die Antragsteller alle Faktoren einbringen, die typischerweise auf nationale oder noch engere Märkte hindeuten, wie vor allem Produktmerkmale (z.B. geringer Wert gegenüber hohen Transportkosten), Nachfrage- und Anbebotsbesonderheiten (z.B. Endverbraucher, die das Produkt in ihrem näheren Umfeld erwerben), erhebliche Unterschiede in Preis und Marktanteilen von einem Land zum anderen, landestypische Konsumgewohnheiten, Unterschiede in der Regulierung, unterschiedlicher Steuer- oder Rechtsrahmen. Näheres dazu enthält die Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. C 372 vom 9.12.1997, S. 5).

(23)  Beispielsweise hat die Kommission die Untersuchung bestimmter gesonderter Öllager-Märkte an die französischen Behörden verwiesen; siehe Sachen M.1021 Compagnie Nationale de Navigation-SOGELF, M.1464 Total/Petrofina, und Sachen M.1628 Totalfina/Elf Aquitaine, M.1030 Lafarge/Redland, M.1220 Alliance Unichem/Unifarma, M.2760 Nehlsen/Rethmann/ SWB/Bremerhavener Energiewirtschaft, sowie Sachen M.2154 C3D/Rhone/Go-ahead; M.2845 Sogecable/Canal Satelite Digital/Vias Digital.

(24)  In der Sache M.580 ABB/Daimler Benz hat die Kommission eine Verweisung an Deutschland nach Artikel 9 abgelehnt; zwar beschränkten sich die Wettbewerbsprobleme auf deutsche Märkte, das Vorhaben (mit dem der größte Schienenverkehrsanlagen-Anbieter der Welt entstanden wäre) hätte aber erhebliche Folgen in ganz Europa nach sich gezogen. Siehe auch Sache M.2434 Hidroelectrica del Cantabrico/EnBW/Grupo Vilar Mir, in der die Kommission trotz eines Verweisungsantrags der spanischen Behörden nach Artikel 9 die Untersuchung fortsetzte und eine Entscheidung gemäß Artikel 8 Absatz 2 erließ.

(25)  In der Sache Exxon Mobil (M.1383) hatte die Kommission den Antrag des Vereinigten Königreichs auf eine Verweisung der Aspekte des Falles, die sich auf den Kraftstoffeinzelhandel in Nordwesten Schottlands bezogen, mit der Begründung abgelehnt, dass zur Ausräumung der Wettbewerbsprobleme in der Branche ein einziges, kohärentes Paket von Abhilfemaßnahmen erforderlich war; in der Sache M.2706 P&O Princess/Carnival gab die Kommission einem teilweisen Verweisungsantrag nicht statt, obwohl die britischen Behörden ein konkurrierendes Übernahmeangebot von Royal Caribbean prüften, um eine Aufsplitterung der Zuständigkeit zu vermeiden und eine Gesamtuntersuchung der verschiedenen von dem Vorhaben betroffenen Märkte zu gewährleisten.

(26)  S. M. 2898, Le Roy Merlin/Brico, M. 1030, Redland/Lafarge, M. 1684, Carrefour/Promodes.

(27)  In der Sache M.330 MacCormick/CPC/Rabobank/Ostmann nahm die Kommission eine Verweisung an Deutschland vor, weil die deutschen Behörden besser platziert waren, um die örtlichen Bedingungen in 85 000 Zweigstellen zu bewerten; die Verweisung an die Niederlande in der Sache M.1060 Vendex/KBB erging wegen der Bedeutung einheimischer Verbraucherpräferenzen und -gewohnheiten; vgl. auch die Sachen M.1555 Heineken/Cruzcampo, M.2621 SEB/Moulinex (wo es um frankreichspezifische Verbräaucherpräferenzen und Vertriebs- und Werbepraktiken ging); M.2639 Compass/Restorama/RailGourmet/Gourmet und M.2662 Danish-Crown/Steff-Houlberg.

(28)  Die Sache M.716 Gehe/Lloyds Chemists wurde beispielsweise an die britischen Behörden verwiesen, weil für Lloyds noch ein anderes Übernahmeangebot unterbreitet worden war, das nicht unter die Schwellenwerte der Fusionskontrollverordnung fiel und für das deswegen das Vereinigte Königreich zuständig war. Auf diese Weise konnten beide Übernahmegebote von der gleichen Behörde geprüft werden. Die Vorhaben M.1001/M.1019 Preussag/Hapag-Lloyd/TUI wurden an Deutschland verwiesen, wo sie zusammen mit einem dritten, bei den deutschen Behörden angemeldeten Vorhaben Wettbewerbsprobleme verursacht hätten, so dass eine Verweisung im Sinne einer einheitlichen und ordnungsgemäßen Prüfung angezeigt war. Die Kommission verwies die Sache M.2044 Interbrew/Bass an die britischen Behörden, da diese gleichzeitig die Übernahme einer anderen Brauerei (Whitbread) durch Interbruw untersuchten und schon kurz zuvor Untersuchungen in den betroffenen Märkten vorgenommen hatten. Ähnliche Erwägungen gelten für die Sachen M.2760 Nehlsen/Rethmann/SWB/Bremerhavener Energiewirtschaft, M.2234 Metsäliitto Osuuskunta/Vapo Oy/JV, M.2495 Haniel/Fels, M.2881 Koninklijke BAM NBM/HBG, M.2857/M.3075-3080 ECS/IEH sowie sechs weitere Übernahmen örtlicher Verteilergesellschaften durch Electrabel. In der Sache M.2706 P&O Princess/Carnival sah die Kommission jedoch von der beantragten teilweisen Verweisung ab, obwohl die britischen Behörden ein konkurrierendes Übernahmeangebot von Royal Caribbean prüften, weil die Fusion auch auf anderen betroffenen nationalen Märkten wettbewerbsrechtlich bedenklich war und die Kommission eine Aufteilung der Sache vermeiden wollte (siehe Pressemitteilung IP/02/552 der Kommission vom 11.4.2002).

(29)  Wird nachgewiesen, dass es „betroffene Märkte“ im Sinne des Formblatts RS gibt, können die Anforderungen generell als erfüllt gelten. Den Beteiligten steht es jedoch frei, auch andere für die wettbewerbsrechtliche Analyse der Sache relevante Faktoren zu nennen (Überschneidungen, vertikale Integration etc.).

(30)  Hier sei auf die gemeinsame Verweisung eines weltweite Märkte betreffenden Vorhabens von sieben Mitgliedstaaten an die Kommission in der Sache M.2738 GE/Unison oder eines den weisteuropäischen Markt betreffenden Vorhabens von ebenfalls sieben Mitgliedstaaten an die Kommission in der Sache M.2698 Promatech/Sulzer hingewiesen; siehe auch Principles on the application, by National Competition Authorities within the ECA network, of Article 22 of the EC Merger Regulation, veröffentlicht von den Europäischen Wettbewerbsbehörden, Abschnitt 11.

(31)  Das gilt beispielsweise für Vorhaben, bei denen die betroffenen Märkte zwar national (oder für die Zwecke der wettbewerbsrechtlichen Würdigung noch kleiner) sind, aber von europäischen oder Weltmarken, europa- oder weltweit gültigen geistigen Eigentumsrechten, oder zentralisierter Produktion oder Vermarktung geprägt werden, im letzteren Fall jedenfalls soweit diese zentrale Produktion oder Vermarktung für die Abhilfemaßnahmen von Belang ist.

(32)  Erwägungsgründe 12 und 16 der Fusionskontrollverordnung.

(33)  Vgl. die Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. C 372 vom 9.12.1997, S. 5).

(34)  Verweisungen nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b) nahm die Kommission u.a. vor in den Sachen: M.2446, Govia/Connex South Central, wo der Zusammenschluss den Wettbewerb auf bestimmten Schienenstrecken im Raum London/Gatwick-Brighton im Vereinigten Königreich beeinträchtigte; M.2730, Connex/DNVBVG, wo es um öffentliche Nachverkehrsnetze in Riesa (Sachsen) ging; und M.3130, Arla Foods/Express Diaries, wo der Wettbewerb auf dem Markt der Belieferung von Haushalten mit Flaschenmilch in den britischen Gebieten London, Yorkshire und Lancashire betroffen war. Zur Klärung, was nicht wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes ist, kann auch die Rechtsprechung zu Artikel 82 EGV herangezogen werden. Der Gerichtshof hat den Begriff „wesentlicher Teil“ ziemlich weit ausgelegt und sich dabei u.a. auf empirische Belege gestützt. In der Rechtsprechung werden in erster Linie praktische Kriterien wie „Struktur und Umfang der Produktion und des Verbrauchs des in Betracht kommenden Erzeugnisses sowie die Gewohnheiten und die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Verkäufer und der Käufer“ herangezogen, siehe Rs. 40/73, Suiker Unie/Kommission, Slg. 1975, 1663. Siehe auch Rs. C-179/90, Porto di Genova, Slg. 1991, I-5889, in der der Hafen von Genua als wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes angesehen wurde. In seiner Rechtsprechung hat der Gerichtshof mehrfach auch eine Reihe gesonderter Märkte zusammen als wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes betrachtet. In der Rechtssache C-323/93, Centre d'insémination de la Crespelle, Slg. 1994, I-5077, Rdnr. 17 führte er beispielsweise aus: „Im vorliegenden Fall sind den Besamungsstationen durch die nationalen Rechtsvorschriften, wonach ihr Betrieb genehmigungspflichtig ist und jede Station ein bestimmtes Gebiet ausschließlich versorgt, ausschließliche Rechte eingeräumt worden. Diese nationalen Vorschriften schaffen dadurch, dass sie zugunsten dieser Unternehmen Monopole nebeneinanderstellen, die territorial begrenzt sind, in ihrer Gesamtheit aber das ganze Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erfassen, eine beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 86 EWG-Vertrag auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes“.

(35)  Vgl. analog dazu die Bekanntmachung der Kommission „Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags“, ABl. C 101 vom 27.4.2004, S. 81.

(36)  Hier sei auf die gemeinsame Verweisung eines weltweite Märkte betreffenden Vorhabens von sieben Mitgliedstaaten an die Kommission in der Sache M.2738 GE/Unison oder eines den westeuropäischen Markt betreffenden Vorhabens von ebenfalls sieben Mitgliedstaaten an die Kommission in der Sache M.2698 Promatech/Sulzer hingewiesen; siehe auch Principles on the application, by National Competition Authorities within the ECA network, of Article 22 of the EC Merger Regulation, veröffentlicht von den Europäischen Wettbewerbsbehörden, Abschnitt 11.

(37)  Der Begriff der „beteiligten Unternehmen“ schließt auch „Personen“ i.S.v. Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) ein.

(38)  Die betroffenen Mitgliedstaaten sind jene Mitgliedstaaten, an die eine Verweisung beantragt wird.

(39)  Dabei handelt es sich um eine wesentliche Regel in allen Verweisungsverfahren auf der Grundlage der Fusionskontrollverordnung. Sie kann als „zustimmendes Schweigen“ oder Verzicht auf Widerspruch bezeichnet werden: bleibt eine Entscheidung der Kommission oder eines Mitgliedstaates aus, gilt das als Zustimmung bzw. Genehmigung. Diese Regel war bereits in Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 enthalten. Sie wurde in Artikel 4 Absatz 4 (Unterabsätze 2 und 4), Artikel 4 Absatz 5 (Unterabsatz 4), Artikel 9 Absatz 5 und Artikel 22 Absatz 3 (Unterabsatz 1, letzter Satz) der Fusionskontrollverordnung übernommen. Diese Regel ist jedoch nicht anwendbar auf Entscheidungen von Mitgliedstaaten, sich einem Antrag nach Artikel 22 Absatz 2 anzuschließen.

(40)  Artikel 4 Absatz 4 erlaubt Anträge auf eine Verweisung sowohl des gesamten als auch von Teilen des Vorhabens. Die Kommission und die Mitgliedstaaten können diesen Antrag nur annehmen oder ablehnen; sie dürfen ihn nicht abändern, indem sie beispielsweise nur eine teilweise Verweisung beschließen, wenn die Verweisung des gesamten Vorhabens beantragt wurde. Im Falle einer teilweisen Verweisung prüfen die Mitgliedstaaten die an sie verwiesenen Teile nach ihrem innerstaatlichen Wettbewerbsrecht. Für die übrigen Teile des Vorhabens gilt unverändert die Fusionskontrollverordnung, d.h. die Unternehmen müssen die nicht verwiesenen Teile gemäß Artikel 4 Absatz 1 Fusionskontrollverordnung mittels des Formblatts CO anmelden. Wird jedoch das gesamte Vorhaben an einen Mitgliedstaat verwiesen, ist gemäß Artikel 4 Absatz 4 letzter Unterabsatz keine Anmeldung bei der Kommission erforderlich. Eine Prüfung des Vorhabens durch die Kommission unterbleibt. Der betreffende Mitgliedstaat prüft das gesamte Vorhaben gemäß seinem innerstaatlichen Wettbewerbsrecht; kein anderer Mitgliedstaat darf sein innerstaatliches Wettbewerbsrecht auf diesen Zusammenschluss anwenden.

(41)  d.h. die Mitgliedstaaten, die für die Prüfung des Vorhabens nach ihrem innerstaatlichen Wettbewerbsrecht zuständig gewesen wären, wenn kein Verweisungsantrag gestellt worden wäre. Zum Zuständigkeitsbegriff siehe Abschnitt B5.

(42)  In Fällen, in denen die Kommission vorbereitende Schritte unternommen hat, ist die Entscheidung binnen 65 Arbeitstagen zu treffen (siehe Artikel 9 Absatz 4 Buchstabe b) und Absatz 5).

(43)  Die Formel „zur Kenntnis gebracht worden ist“ im Sinne des Wortlauts von Artikel 22 heißt in diesem Zusammenhang auch, dass ausreichende Informationen vorliegen, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Verweisungsantrag nach Artikel 22 vorliegen.

(44)  Nach Artikel 22 können sich die übrigen Mitgliedstaaten dem ursprünglichen Antrag folglich auch dann anschließen, wenn der Zusammenschluss nicht bei ihnen angemeldet wurde. Das mag jedoch daran scheitern, dass sie bei Erhalt der Kopie des ersten Verweisungsantrags noch nicht die erforderlichen Angaben von den fusionierenden Unternehmen erhalten haben. Unabhängig vom Recht der Mitgliedstaaten, mit den fusionierenden Unternehmen in Verbindung zu treten, um zu prüfen, ob sie gegebenenfalls für ihr Vorhaben zuständig sind, wird den Anmeldern nachdrücklich empfohlen, ihre Anmeldung nach Möglichkeit gleichzeitig bei sämtlichen zuständigen Mitgliedstaaten einzureichen.

(45)  Bei einer Prüfung einer Zusammenschlusses im Namen eines oder mehrerer Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Artikel 22 ist die Kommission nach Artikel 22 Absatz 4 Fusionskontrollverordnung auch zum Erlass von materiellrechtlichen Entscheidungen nach Artikel 6 und 8 Fusionskontrollverordnung berechtigt. Die Kommission prüft den Zusammenschluss auf Antrag und im Namen der antragstellenden Mitgliedstaaten. Diese Bestimmung sollte so ausgelegt werden, dass er die Kommission verpflichtet, die Folgen des Zusammenschlusses im Hoheitsgebiet dieser Mitgliedstaaten zu untersuchen. Die Folgen des Zusammenschlusses im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, die sich dem Antrag nicht angeschlossen haben, sind nur dann Gegenstand der Untersuchung, wenn ihre Analyse für die Würdigung seiner Folgen im Gebiet der antragstellenden Mitgliedstaaten erforderlich ist (z.B. wenn der räumliche Markt über das Hoheitsgebiet des antragstellenden Mitgliedstaates hinausreicht).

(46)  Erhält die Kommission früh genug Kenntnis von der Möglichkeit eines Verweisungsantrags, kann sie diesen Umstand beispielsweise bei der Entscheidung über einen Antrag auf Freistellung vom Vollzugsaufschub nach Artikel 7 Absatz 3 Fusionskontrollverordnung berücksichtigen.

(47)  Ebenso ist die Kommission nach Artikel 19 Absatz 1 Fusionskontrollverordnung verpflichtet, den nationalen Wettbewerbsbehörden Kopien der Anmeldungen und der wichtigsten bei ihr eingereichten oder von ihr erstellten Schriftstücke zu übermitteln.

(48)  Das Formblatt RS ist der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission vom 7. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 133 vom 30.4.2004, S. 1) als Anhang beigefügt.

(49)  Das wäre die geeignete „Abhilfemaßnahme“, wenn zwar die Voraussetzungen von Artikel 4 Absatz 5 erfüllt sind, die Antragsteller aber unrichtige oder unvollständige Angaben vorgelegt haben und die Kommission sich dessen im Zuge ihrer Untersuchung bewusst wird.

(50)  Erwägungsgrund 16 der Fusionskontrollverordnung.

(51)  Ein gemäß Artikel 7 Absatz 3 Fusionskontrollverordnung gestellter Antrag auf Freistellung von der aufschiebenden Wirkung würde normalerweise mit der Absicht unvereinbar sein, gemäß Artikel 4 Absatz 4 vor der Anmeldung einen Verweisungsantrag zu stellen.

(52)  Das „innerstaatliche Wettbewerbsrecht“, auf das in Artikel 21 Absatz 3 und Artikel 22 Absatz 3 verwiesen wird, schließt hingegen sämtliche Bestandteile des nationalen Wettbewerbsrechts ein.

(53)  Erwägungsgrund 34 und Artikel 4 Absatz 1 der Fusionskontrollverordnung.

(54)  Selbst wenn eine Anmeldung von Rechts wegen freiwillig vorgenommen werden kann, ist es möglich, dass die Beteiligten de facto eine Anmeldung wünschen oder sie von ihnen erwartet wird.

(55)  Sie ist nach Artikel 20 Fusionskontrollverordnung nur bei Entscheidungen nach Artikel 8 Absätze 1-6, sowie nach den Artikeln 14 und 15 vorgeschrieben.


ANHÄNGE

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