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Erdgasbinnenmarkt
Mit der durch die Richtlinie 2003/55/EG geregelten vollständigen Öffnung der nationalen Erdgasmärkte nimmt die Vollendung eines wirklich vom Wettbewerb geprägten Erdgasbinnenmarktes in der Europäischen Union (EU) konkret Gestalt an. In der Praxis können die Industriekunden seit dem 1. Juli 2004 und die Haushaltskunden seit dem 1. Juli 2007 ihren Gasversorger frei wählen. Die Marktöffnung ist eng mit den Zielen Dienstleistungsqualität, Grundversorgung, Verbraucherschutz und Versorgungssicherheit verbunden.
RECHTSAKT
Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG.
ZUSAMMENFASSUNG
Mit der durch die Richtlinie 2003/55/EG geregelten vollständigen Öffnung der nationalen Erdgasmärkte nimmt die Vollendung eines wirklich vom Wettbewerb geprägten Erdgasbinnenmarktes in der Europäischen Union (EU) konkret Gestalt an.
Durch die Vollendung des Erdgasbinnenmarktes können die Wettbewerbsfähigkeit intensiviert und die Dienstleistungsqualität verbessert, den Verbrauchern faire Preise geboten, Regeln für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen festgelegt, der Verbundgrad verbessert und die Versorgungssicherheit gestärkt werden.
Marktzugang
In der Richtlinie 2003/55/EG ist das Recht auf den nicht diskriminierenden Zugang Dritter zu den Erdgasfernleitungs- und –verteilernetzen sowie zu den Flüssigerdgasanlagen (LNG-Anlagen) verankert. Folglich können neue Anbieter in den Markt eintreten und die Verbraucher ihren Gasversorger frei wählen.
Damit der Erdgasbinnenmarkt gut funktionieren kann, müssen alle Unternehmen - auch die kleinsten, die z. B. in erneuerbare Energien investieren, Zugang zum Markt haben können. Es muss für faire Wettbewerbsbedingungen gesorgt werden, um der Gefahr marktbeherrschender Stellungen, vor allem der etablierten Unternehmen, und Verdrängungspraktiken vorzubeugen.
Um den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, sich auf die Regelungen einzustellen und gleichzeitig den Schutz der Verbraucherinteressen zu gewährleisten, wurde eine schrittweise Vorgehensweise gewählt. Seit dem 1. Juli 2004 können die Industriekunden ihren Gasversorger frei wählen. Für Haushaltskunden besteht diese Möglichkeit seit dem 1. Juli 2007.
Der Zugang zu den Speicheranlagen ist Gegenstand eigener Bestimmungen, nach denen dieser entweder auf Verhandlungsbasis oder reguliert erfolgen kann.
Netzbetrieb: Netzbetreiber
In jedem Mitgliedstaat werden Fernleitungsnetzbetreiber, Betreiber von Speicheranlagen, Betreiber von Flüssigerdgasanlagen und Verteilernetzbetreiber benannt. Ihre Aufgaben sind Betrieb, Instandhaltung und Ausbau der Fernleitungs-, Verteiler-, Speicher- und Flüssigerdgasanlagen (LNG-Anlagen). Sie müssen unter Beachtung des Umweltschutzes die Sicherheit, Zuverlässigkeit, Effizienz und Anbindung der Anlagen sicherstellen.
Die Netzbetreibern müssen allen Nutzern den nicht diskriminierenden und transparenten Zugang zum Netz gewährleisten. So muss der Zugang auf objektiven und fairen Tarifen beruhen.
Die Netzbetreiber dürfen bestimmte Unternehmen, insbesondere deren möglicherweise verbundenen Unternehmen, nicht begünstigen. Um jegliche Diskriminierung hinsichtlich des Netzzugangs zu vermeiden und neuen Marktteilnehmern den gleichen Zugang zu gewähren, müssen im Fall vertikal integrierter Unternehmen die Fernleitungs- und Verteilungsaktivitäten rechtlich und funktionell von den übrigen Tätigkeiten, etwa von der Gewinnung und der Versorgung, getrennt sein. Diese Trennung beinhaltet jedoch keine eigentumsrechtliche Entflechtung.
Darüber hinaus müssen die Netzbetreiber den übrigen Betreibern die für den sicheren und effizienten Netzbetrieb erforderlichen Informationen bereitstellen.
Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen und Schutz der Kunden
Der Erdgasbinnenmarkt kann nur dann Wirklichkeit werden, wenn die Verbraucher eine aktive Rolle spielen und von ihrem Recht der freien Gasversorgerwahl tatsächlich Gebrauch machen. Für das gute Funktionieren des Erdgasbinnenmarktes ist es daher unabdingbar, dass die Verbraucher über ihre Rechte informiert werden und der Schutz dieser Rechte auf wirksame Weise gewährleistet wird.
In der Richtlinie 2003/55/EG sind gemeinsame Mindestnormen für ein hohes Verbraucherschutzniveau (Recht auf Versorgerwechsel, transparente allgemeine Vertragsbedingungen, allgemeine Informationen, Streitbeilegungsverfahren) verankert und wird insbesondere dafür Sorge getragen, dass für schutzbedürftige Kunden ein angemessener Schutz besteht (z. B. durch geeignete Maßnahmen, um den Ausschluss von der Erdgasversorgung zu vermeiden).
Die Gasversorgung wird als Dienstleistung von allgemeinem Interesse gesehen, auf die die Bürger gegen Entgelt Anspruch haben. In der Richtlinie ist daher geregelt, dass die Mitgliedstaaten den im Gassektor tätigen Unternehmen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen können, um die Versorgungssicherheit, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, Regelmäßigkeit, Qualität und Preis der Gasversorgung und den Umweltschutz zu gewährleisten.
Regulierungsbehörden
Als Schlüsselfaktoren für das ordnungsgemäße Funktionieren des Erdgasbinnenmarktes sind in den einzelnen Mitgliedstaaten unabhängige Regulierungsbehörden eingesetzt, deren Aufgabe es ist, vor allem die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, das Ausmaß an Transparenz und Wettbewerb, die Tarife und die Tarifberechnungsmethoden zu kontrollieren. Die Regulierungsbehörden fungieren auch als Streitbeilegungsstellen.
Durch den Beschluss 2003/796/EG wurde die europäische Gruppe, in der die nationalen Regulierungsbehörden vertreten sind, um die Entwicklung des Erdgasbinnenmarktes zu konsolidieren und eine kohärente Anwendung der Rechtsvorschriften der Richtlinie 2003/55/EG in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen (die Gruppe der europäischen Regulierungsbehörden für Elektrizität und Erdgas – ERGEG), eingesetzt.
Ausnahmen
In der Richtlinie sind für bestimmte Fälle Ausnahmen vorgesehen oder können gemäß den Modalitäten der Richtlinie vorgesehen werden:
Darüber hinaus kann ein Mitgliedstaat vorübergehend Schutzmaßnahmen treffen, wenn plötzliche Marktkrisen auftreten oder die Sicherheit von Personen, Geräten oder Anlagen oder die Unversehrtheit des Netzes gefährdet ist.
Monitoring und Versorgungssicherheit
Die Europäische Kommission erstellt jedes Jahr einen Benchmarking-Bericht, in dem die bei der Schaffung wettbewerbsorientierter Strom- und Gasmärkte erzielten Fortschritte anhand der von den nationalen Regierungen und Regulierungsbehörden übermittelten Informationen bewertet werden.
Darüber hinaus muss unbedingt die Versorgungssicherheit dadurch gestärkt werden, dass ausreichende Investitionen in die Fernleitungsnetze zur Vermeidung von Gasversorgungsunterbrechungen gewährleistet werden und das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in den verschiedenen Mitgliedstaaten, die Verbindungskapazitäten sowie Qualität und Grad der Netzinstandhaltung überwacht werden. Durch eine solche Überwachung können zweckmäßige Maßnahmen für den Fall von Versorgungsschwierigkeiten antizipiert werden.
Anwendungsbereich
Die Richtlinie 2003/55/EG gilt für den Gasmarkt, wobei unter Gas Folgendes zu verstehen ist: Erdgas, verflüssigtes Erdgas (LNG), Biogas, Gas aus Biomasse und jede andere Art von Gas, soweit es technisch möglich ist, diese Gase durch das Erdgasnetz zu transportieren.
Daher müssen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass Biogas, Gas aus Biomasse und andere Gasarten unter Berücksichtigung der Qualitätsanforderungen, der technischen Vorschriften und der Sicherheitsnormen einen nicht diskriminierenden Zugang zum Gasnetz erhalten.
Hintergrund
Neben dem Elektrizitätsbinnenmarkt ist das Vorhandensein eines Gasbinnenmarktes von grundlegender Bedeutung für die Entwicklung eines wirklich vom Wettbewerb geprägten Energiebinnenmarktes in der Europäischen Union (EU). Der Gasbinnenmarkt wurde zunächst durch die Richtlinie 98/30/EG geregelt, die später durch die Richtlinie 2003/55/EG aufgehoben und ersetzt wurde.
Bezug
Rechtsakt |
Datum des Inkrafttretens - Datum des Außerkrafttretens |
Termin für die Umsetzung in den Mitgliedstaaten |
Amtsblatt |
Richtlinie 2003/55/EG |
4.8.2003 |
1.7.2004 |
ABl. L 176 vom 15.7.2003. |
VERBUNDENE RECHTSAKTE
Mitteilung der Kommission vom 11. März 2009 an den Rat und das Europäische Parlament - Bericht über die Fortschritte bei der Verwirklichung des Erdgas- und Elektrizitätsbinnenmarktes [KOM(2009) 115 endg. - Nicht im Amtsblatt veröffentlicht]. Der Bericht gibt einen Überblick über Umsetzung des zweiten Binnenmarktpakets. Zahlreiche Anstrengungen zur Schaffung eines echten Wettbewerbs wurden unternommen, insbesondere im Rahmen regionaler Initiativen.
Allerdings sind die Gaspreise im ersten Halbjahr 2008 stark gestiegen und die funktionelle Entflechtung der Verteilungsnetzbetreiber (verbindlich seit dem 1. Juli 2007) wurde nicht systematisch umgesetzt. Die Mitgliedstaaten gewähren weiterhin in großem Maße Ausnahmen in diesem Bereich.
Zudem liegen der Kommission nur wenige Zahlen zum Versorgerwechsel der Gaskunden vor, was die Bewertung der Wettbewerbssituation erschwert.
Der Erdgasbinnenmarkt ist noch zu stark fragmentiert. Zur Überwindung dieser Fragmentierung sollten Marktintegration sowie Aufbau von Infrastrukturen und grenzüberschreitender Handel Priorität haben. Schließlich empfiehlt die Kommission, auf regulierte Preise, die den Wettbewerb und den Markteintritt potenzieller Lieferanten behindern, zu verzichten.
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. September 2007 zur Änderung der Richtlinie 2003/55/EG über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt [KOM(2009) 115 endg. – Nicht im Amtsblatt veröffentlicht]. Zur Vervollständigung der Liberalisierung der europäischen Energiemärkte und der Verwirklichung des Energiebinnenmarktes wurde ein drittes Legislativpaket vorgeschlagen.
Auf dem Energiebinnenmarkt gibt es Missstände, gegen die die derzeitigen Rechtsvorschriften keine wirksame Handhabe bieten, wie die Kommission in ihrer sektorspezifischen Untersuchung festgestellt hat. Die Vorschläge des dritten Legislativpakets erfolgen im Rahmen der Mitteilung über die Aussichten für den Erdgas- und den Elektrizitätsbinnenmarkt und betreffen Folgendes:
Die Kommission schlägt fünf Projekte zur Änderung der Richtlinien 2003/54/EG und 2003/55/EG über den Elektrizitätsmarkt und den Erdgasmarkt sowie der Verordnungen (EG) Nr. 1228/2003 und 1775/2005 über den Zugang zu den Stromnetzen bzw. zu den Erdgasfernleitungsnetzen und zur Schaffung einer Agentur für die Zusammenarbeit zwischen den Energieregulierungsbehörden vor.
Mitentscheidungsverfahren (COD/2007/0196)
Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 10. Januar 2007 - Aussichten für den Erdgas- und den Elektrizitätsbinnenmarkt [KOM(2006) 841 endg. – Nicht im Amtsblatt veröffentlicht].
Mitteilung der Kommission vom 10. Januar 2007 - Untersuchung der europäischen Gas- und Elektrizitätssektoren gemäß Artikel 17 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (Abschlußbericht) [KOM(2006) 851 endg. – Nicht im Amtsblatt veröffentlicht].
Verordnung (EG) Nr. 1775/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. September 2005 über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen (Amtsblatt L 289 vom 3.11.2005).
Beschluss 2003/796/EG der Kommission vom 11. November 2003 zur Einsetzung der Gruppe der europäischen Regulierungsbehörden für Elektrizität und Erdgas [Amtsblatt L 296 vom 14.11.2003].
Weitere Informationen sind den Internetseiten der GD Energie und Verkehr zu entnehmen, die dem Thema „Gas“ (EN) gewidmet sind.
Letzte Änderung: 28.05.2009