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Document 62022CC0538

    Schlussanträge der Generalanwältin J. Kokott vom 30. November 2023.
    SB gegen Agrárminiszter.
    Vorabentscheidungsersuchen des Fővárosi Törvényszék.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Landwirtschaft – Gemeinsame Agrarpolitik – Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 – Art. 52 – Delegierte Verordnung (EU) Nr. 639/2014 – Art. 53 Abs. 1 – Festlegung der Beihilfefähigkeitskriterien für gekoppelte Stützungsmaßnahmen – Zuständigkeit der Mitgliedstaaten – Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 – Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Nrn. 16 und 18 – Unterscheidung zwischen „gemeldeten Tieren“ und „ermittelten Tieren“ – Art. 30 Abs. 3 – Anhand der ermittelten Tiere berechnete Stützung – Art. 31 Abs. 1 bis 3 – Verwaltungssanktionen im Fall von Verstößen bei den gemeldeten Tieren – Antrag auf gekoppelte Stützung für die Haltung von Mutterkühen – In den nationalen Rechtsvorschriften vorgeschriebene Abkalbquote, die nicht von allen gemeldeten Tieren erreicht wurde – Von einer geringeren Zahl dieser Tiere erreichte Quote – Nationale Praxis, wonach die Stützung versagt wird.
    Rechtssache C-538/22.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:938

     SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

    JULIANE KOKOTT

    vom 30. November 2023 ( 1 )

    Rechtssache C‑538/22

    SB

    gegen

    Agrárminiszter

    (Vorabentscheidungsersuchen des Fővárosi Törvényszék [Hauptstädtisches Stuhlgericht, Ungarn])

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Landwirtschaft – Gemeinsame Agrarpolitik – Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 – Art. 52 – Delegierte Verordnung (EU) Nr. 639/2014 – Art. 53 Abs. 1 – Beihilfefähigkeitsbedingungen für gekoppelte Stützungsmaßnahmen – Ermessen des Mitgliedstaats – Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 – Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Nrn. 13 und 15 – Fakultative gekoppelte Stützung auf der Grundlage von Beihilfeanträgen im Rahmen von Beihilferegelungen für Tiere – Beihilfeantrag für Tiere – Art. 30 und 31 – Berechnung von Beihilfen – Verwaltungssanktionen – Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014 – Art. 15 Abs. 3 – Nachträgliche Änderung des Beihilfeantrags – Unzulässigkeit – Nationale Regelung über die Einhaltung einer Abkalbquote für die Haltung von Mutterkühen – Vollständige Verweigerung der gekoppelten Beihilfe bei Nichterreichen der Abkalbquote“

    I. Einleitung

    1.

    Dieses Vorabentscheidungsersuchen betrifft eine vor dem Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtisches Stuhlgericht, Ungarn) anhängige Klage des Landwirts SB (im Folgenden: Kläger) gegen die Weigerung des Agrárminiszter (Landwirtschaftsminister, Ungarn), eine sogenannte gekoppelte fakultative Stützung ( 2 ) oder Beihilfe für die Haltung von Mutterkühen zu gewähren. Der Kläger hatte nämlich im Antragsjahr die gesetzlich geforderte Reproduktionsquote – die sogenannte „Abkalbquote“ – für die Zahl der im Antrag gemeldeten Tiere nicht erreicht.

    2.

    Die vom vorlegenden Gericht gestellten Vorlagefragen zielen im Wesentlichen darauf ab, zu erfahren, ob es zulässig ist, die Gewährung der Beihilfe völlig zu versagen, oder ob diese nur verhältnismäßig – anhand der Zahl der Tiere, die die geforderte Abkalbquote erfüllen – zu kürzen ist.

    3.

    Bei der Beantwortung der ersten Vorlagefrage ist zwischen den Bedingungen für die Gewährung der Beihilfe, für deren Festlegung die Mitgliedstaaten ein Ermessen haben, und den möglichen Rechtsfolgen von Verstößen bei ihrer Durchführung zu unterscheiden. Bei Nichterfüllung der Gewährungsbedingungen besteht kein Beihilfeanspruch. Eine eventuelle Neuberechnung oder verhältnismäßige Kürzung der Beihilfe käme dann hier von vornherein nicht in Betracht.

    II. Rechtlicher Rahmen

    A.   Unionsrecht

    1. Verordnung (EU) Nr. 1306/2013

    4.

    Art. 63 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 ( 3 ) regelt unter der Überschrift „Zu Unrecht gezahlte Beträge und Verwaltungssanktionen“ u. a. Folgendes:

    „1.   Stellt sich heraus, dass ein Begünstigter die Förderkriterien, die mit der Gewährung der Beihilfe oder Stützung verbundenen Auflagen oder anderen Verpflichtungen gemäß den sektorbezogenen Agrarvorschriften nicht erfüllt, so wird die Beihilfe nicht gezahlt oder ganz oder teilweise zurückgenommen und werden gegebenenfalls die entsprechenden Zahlungsansprüche nach Artikel 21 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 nicht zugewiesen oder zurückgenommen.

    …“

    2. Verordnung (EU) Nr. 1307/2013

    5.

    Die „Allgemeine[n] Vorschriften“ in Art. 52 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 ( 4 ) des Kapitels 1, überschrieben mit „Fakultative gekoppelte Stützung“, bestimmen u. a.:

    „1.   Die Mitgliedstaaten können den Betriebsinhabern unter den in diesem Kapitel festgelegten Bedingungen eine gekoppelte Stützung gewähren …

    6.   Die gekoppelte Stützung ist eine die Erzeugung begrenzende Regelung, welche die Form einer jährlichen Zahlung hat und auf festgesetzten Flächen und Erträgen oder einer festgesetzten Anzahl an Tieren beruht; dabei müssen finanzielle Obergrenzen, die von den Mitgliedstaaten für jede Maßnahme festzulegen und der Kommission mitzuteilen sind, eingehalten werden.

    …“

    3. Delegierte Verordnung (EU) Nr. 639/2014

    6.

    Art. 53 Abs. 1 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 639/2014 ( 5 ), überschrieben mit „Voraussetzungen für die Gewährung der Stützung“, lautet:

    „Die Mitgliedstaaten legen im Einklang mit den Rahmenvorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 und den Bedingungen der vorliegenden Verordnung Beihilfefähigkeitskriterien für gekoppelte Stützungsmaßnahmen fest.“

    4. Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014

    7.

    Die Erwägungsgründe 28 und 31 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 ( 6 ) lauten u. a. wie folgt:

    „(28)

    Was die Beihilfe- oder Zahlungsanträge im Rahmen von Beihilferegelungen für Tiere oder tierbezogenen Stützungsmaßnahmen anbelangt, so führen Verstöße dazu, dass das betreffende Tier nicht beihilfe- bzw. stützungsfähig ist. Hierbei sollten Kürzungen bereits ab dem ersten Tier mit festgestellten Verstößen vorgesehen sein; unabhängig vom Grad der Kürzung sollte jedoch eine weniger einschneidende Verwaltungssanktion gelten, wenn bei nur drei oder weniger Tieren Verstöße festgestellt werden. In allen anderen Fällen sollte die Schwere der Verwaltungssanktion vom Prozentsatz der Tiere mit festgestellten Verstößen abhängen.

    (31)

    Ablehnung und Rücknahme der Förderung sowie Verwaltungssanktionen im Rahmen von Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum sollten unter Beachtung der Grundsätze der Abschreckung und der Verhältnismäßigkeit beschlossen werden. Ablehnung und Rücknahme der Förderung sollten je nach Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit des festgestellten Verstoßes abgestuft sein. Mit Blick auf die Förderkriterien, Verpflichtungen und sonstigen Auflagen sollte dabei den Besonderheiten der verschiedenen Beihilferegelungen oder Stützungsmaßnahmen Rechnung getragen werden. Bei schwerwiegenden Verstößen oder für den Fall, dass der Begünstigte falsche Nachweise vorgelegt hat, um die Förderung zu erhalten, sollte die Förderung abgelehnt und eine Verwaltungssanktion verhängt werden. Die Verwaltungssanktionen sollten bis zum vollständigen Ausschluss von einer oder mehreren Stützungsmaßnahmen oder Vorhabenarten während eines bestimmten Zeitraums reichen.“

    8.

    Art. 2 Abs. 1 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 sieht u. a. folgende Begriffsbestimmungen vor:

    „…

    2.

    ‚Verstoß‘:

    a)

    bei Beihilfekriterien, Verpflichtungen und anderen Auflagen im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfe oder Stützung im Sinne von Artikel 67 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 jede Nichtbeachtung dieser Beihilfekriterien, Verpflichtungen oder anderer Auflagen …

    13.

    ‚Beihilferegelung für Tiere‘: eine fakultative gekoppelte Stützungsmaßnahme gemäß Titel IV Kapitel 1 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013, wonach die unter Berücksichtigung vorgegebener Mengenbegrenzungen zu gewährende jährliche Zahlung auf festgesetzten Tierzahlen beruht;

    15.

    ‚Beihilfeantrag für Tiere‘: der Antrag auf Zahlung der Beihilfe, bei der die unter Berücksichtigung vorgegebener Mengenbegrenzungen zu gewährende jährliche Zahlung auf festgesetzten Tierzahlen beruht und im Rahmen der fakultativen gekoppelten Stützung gemäß Titel IV Kapitel 1 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 erfolgt;

    16.

    ‚gemeldete Tiere‘: Tiere, für die ein Beihilfeantrag im Rahmen der Beihilferegelung für Tiere oder ein Zahlungsantrag für eine tierbezogene Stützungsmaßnahme gestellt wurde;

    18.

    ‚ermitteltes Tier‘:

    a)

    im Rahmen einer Beihilferegelung für Tiere ein Tier, das alle in den Vorschriften für die Beihilfegewährung festgelegten Voraussetzungen erfüllt, oder

    b)

    im Rahmen einer tierbezogenen Stützungsmaßnahme ein Tier, das durch Verwaltungskontrollen oder Vor-Ort-Kontrollen ermittelt wurde; …“

    9.

    Art. 30 Abs. 1 bis 3 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014, überschrieben mit „Berechnungsgrundlage“, bestimmt:

    „1.   In keinem Fall kann die Beihilfe oder Stützung für mehr Tiere gewährt werden, als im Beihilfe- oder Zahlungsantrag angegeben sind.

    2.   Die im Betrieb vorhandenen Tiere gelten nur als ermittelt, wenn sie im Beihilfe- oder Zahlungsantrag identifiziert sind. Identifizierte Tiere können ersetzt werden, ohne dass dies zum Verlust des Anspruchs auf Zahlung der Beihilfe oder Stützung führt, sofern die zuständige Behörde den Begünstigten nicht bereits über Verstöße in Bezug auf den Beihilfe- oder Zahlungsantrag unterrichtet oder ihm nicht bereits ihre Absicht, eine Vor-Ort-Kontrolle durchzuführen, mitgeteilt hat. Mitgliedstaaten, die nicht von der Möglichkeit eines antragslosen Systems Gebrauch machen, stellen gemäß den von der Kommission auf der Grundlage von Artikel 78 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 erlassenen Vorschriften sicher, dass eindeutig feststeht, welche Tiere unter die Anträge der Begünstigten fallen.

    3.   Liegt die Zahl der in einem Beihilfe- oder Zahlungsantrag angegebenen Tiere über der Zahl der bei Verwaltungskontrollen oder Vor-Ort-Kontrollen ermittelten Tiere, so wird der Beihilfe- oder Stützungsbetrag unbeschadet des Artikels 31 anhand der Zahl der ermittelten Tiere berechnet.“

    10.

    Art. 31 Abs. 1 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014, überschrieben mit „Verwaltungssanktionen im Zusammenhang mit den im Rahmen von Beihilferegelungen für Tiere oder tierbezogenen Stützungsmaßnahmen gemeldeten Tiere“, lautet:

    „Wird in Bezug auf Beihilfeanträge im Rahmen einer Beihilferegelung für Tiere, in Bezug auf Zahlungsanträge im Rahmen einer tierbezogenen Stützungsmaßnahme oder in Bezug auf eine Vorhabenart im Rahmen einer solchen Stützungsmaßnahme eine Differenz zwischen der angegebenen und der gemäß Artikel 30 Absatz 3 ermittelten Zahl der Tiere festgestellt, so ist der Gesamtbetrag, auf den der Begünstigte im Rahmen dieser Beihilferegelung, Stützungsmaßnahme oder Vorhabenart im Rahmen einer solchen Stützungsmaßnahme für das betreffende Antragsjahr Anspruch hat, um den gemäß Absatz 3 dieses Artikels zu bestimmenden Prozentsatz zu kürzen, wenn bei höchstens drei Tieren Verstöße festgestellt werden.“

    5. Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014

    11.

    Art. 15 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014 ( 7 ) bestimmt unter der Überschrift „Änderungen des Sammelantrags oder des Zahlungsantrags“ u. a.:

    „1.   Nach dem Termin für die Einreichung des Sammelantrags oder des Zahlungsantrags können einzelne landwirtschaftliche Parzellen oder einzelne Zahlungsansprüche in dem Antrag hinzugefügt oder angepasst werden, sofern die Voraussetzungen für die betreffenden Direktzahlungsregelungen oder Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums erfüllt sind.

    3.   Hat die zuständige Behörde den Begünstigten bereits auf einen Verstoß im Sammelantrag oder Zahlungsantrag hingewiesen oder ihn von ihrer Absicht unterrichtet, eine Vor-Ort-Kontrolle durchzuführen, oder wird bei einer Vor-Ort- Kontrolle ein Verstoß festgestellt, so sind Änderungen im Sinne von Absatz 1 für die von dem Verstoß betroffenen landwirtschaftlichen Parzellen nicht zulässig.

    …“

    12.

    Art. 21 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014, überschrieben mit „Anforderungen an Beihilfeanträge für Tiere und Zahlungsanträge im Rahmen tierbezogener Stützungsmaßnahmen“, bestimmt u. a.:

    „Ein Beihilfeantrag für Tiere gemäß der Begriffsbestimmung nach Artikel 2 Absatz 1 Unterabsatz 2 Nummer 15 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 … muss alle erforderlichen Angaben zur Feststellung der Beihilfe- und/oder Förderfähigkeit enthalten, insbesondere:

    c)

    Anzahl und Art der Tiere, für die ein Beihilfe- oder Zahlungsantrag vorgelegt wird, und bei Rindern den Kenncode der Tiere;

    …“

    B.   Nationales Recht

    13.

    § 4 der A termeléshez kötött közvetlen támogatások igénybevételének szabályairól szóló 9/2015. (III. 13.) FM rendelet (Dekret Nr. 9/2015 vom 13. März 2015 des Ministers für Landwirtschaft über die Vorschriften der Inanspruchnahme von gekoppelten Direktbeihilfen, im Folgenden: Ministerial-Dekret Nr. 9) bestimmt u. a. Folgendes:

    „(2)   Die Staatskasse entscheidet über die Beihilfe nach den … in der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 … vorgesehenen Kontrollen unter Berücksichtigung der darin vorgesehenen Bestimmungen zu Kürzungen und sonstigen Sanktionen.

    …“

    14.

    Nach § 7 Abs. 3 des Ministerial-Dekrets Nr. 9 ist „[d]ie beihilfefähige Mindesttierzahl … ein Tier“.

    15.

    § 11 Abs. 1 Buchst. e des Ministerial-Dekrets Nr. 9 lautet:

    „Anspruch auf Beihilfen für die Haltung von Mutterkühen hat der Landwirt, … der in seinem für die Beihilfe gemeldeten Tierbestand mehr als 50 % Kälber für die Fleischerzeugung hält, in dessen Tierbestand mindestens 30 % der Tiere, für die ein Antrag gestellt wird, im Laufe des Bezugsjahres gekalbt haben und von dessen Tieren, für die ein Antrag gestellt wird, während der Haltung geworfene Kälber ab dem Tag ihrer Geburt mindestens einen Monat im gleichen Tierbestand mit ihren Müttern gehalten werden …“

    III. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

    16.

    Am 9. Mai 2019 beantragte der Kläger bei der erstinstanzlich für landwirtschaftliche Beihilfen zuständigen Behörde für elf Tiere die Zahlung einer an die Erzeugung gekoppelten Beihilfe für die Haltung von Mutterkühen.

    17.

    Am 25. Juni 2020 lehnte diese Behörde den Antrag auf Zahlung der Beihilfe ab, da nur drei der elf Tiere im Veranlagungszeitraum gekalbt hätten, was einer Abkalbquote von 27 % entsprochen hätte, so dass die Voraussetzungen in § 11 Abs. 1 Buchst. e des Ministerial-Dekrets Nr. 9 nicht erfüllt gewesen seien. In diesem Fall sei keines der im Antrag angegebenen Tiere beihilfefähig und auch Art. 31 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 nicht anwendbar.

    18.

    Auf den Widerspruch des Klägers hin bestätigte der Agrárminiszter die erstinstanzliche Entscheidung und verwies darauf, dass die Zahl der beihilfefähigen Tiere im Sinne von § 7 Abs. 3 des Ministerial-Dekrets Nr. 9 gleich null sei, wenn nicht mindestens 30 % der Tiere, für die ein Antrag gestellt wird, gekalbt hätten.

    19.

    Der Kläger hat gegen die Widerspruchsentscheidung vor dem vorlegenden Gericht Klage erhoben. Zu deren Stützung trägt er vor, der Agrárminiszter habe es rechtswidrig unterlassen, die in den Art. 30 und 31 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 vorgesehenen Rechtsfolgen, nämlich Kürzungen und Sanktionen, anzuwenden. Zudem habe er die Zahl der ermittelten Tiere und die Zahl der Tiere, die die Beihilfekriterien nicht erfüllen, nicht gemäß Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Nr. 18 bestimmt, sondern nur die Zahl der gemäß Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Nr. 16 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 gemeldeten Tiere berücksichtigt. Art. 30 Abs. 3 dieser Verordnung sehe jedoch vor, dass die Beihilfe anhand der Zahl der ermittelten Tiere berechnet werde. Der Kläger meint schließlich, dass zehn der elf Mutterkühe, für die der Antrag gestellt worden war, die Beihilfekriterien, insbesondere die Abkalbquote von 30 %, erfüllten, so dass nur eine verhältnismäßige Kürzung der Beihilfe, nicht aber deren vollständige Verweigerung, in Betracht komme.

    20.

    Das vorlegende Gericht hat Zweifel daran, ob die vollständige Versagung der gekoppelten Beihilfe insbesondere mit den Art. 30 und 31 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 vereinbar ist, und stellt daher folgende Fragen:

    1.

    Ist die Praxis eines Mitgliedstaats, nach der der Antrag auf Zahlung einer an die Erzeugung gekoppelten Beihilfe für die Haltung von Mutterkühen – wenn nach dem durch den Mitgliedstaat vorgeschriebenen Kriterium für den Beihilfeanspruch die erfüllte Abkalbquote in Bezug auf die festgestellte Abkalbquote der gemeldeten Tiere und die Zahl der gemeldeten Tiere niedriger als vorgeschrieben ist – auch dann vollständig abzulehnen ist, wenn die vorgeschriebene Abkalbquote in Bezug auf eine Gruppe von Tieren, die kleiner ist als die Zahl der gemeldeten Tiere, erfüllt wurde, da, weil die Abkalbquote zu einem niedrigeren Prozentsatz erfüllt wurde als in den nationalen Rechtsvorschriften vorgeschrieben, die Zahl der gemeldeten Tiere vollständig als nicht beihilfefähig eingestuft wird, mit Art. 30 Abs. 3 – auch unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe 28 und 31, Art. 2 Abs. 1 Nrn. 16 und 18 und Art. 31 Abs. 1 bis 3 – der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 vereinbar?

    2.

    Falls die vorstehende Frage verneint wird: Ist in diesem Fall die Zahl der Tiere, für die die Beihilfe nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 18 und Art. 30 Abs. 3 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 gewährt wird, unter Berücksichtigung der in den Erwägungsgründen 28 und 31 genannten Erfordernisse der Abstufung und der Verhältnismäßigkeit – auch unter Berücksichtigung der in der vorigen Frage genannten unionsrechtlichen Vorschriften – so zu bestimmen, dass dann, wenn der Prozentsatz der erfüllten Abkalbquote niedriger ist als in den nationalen Rechtsvorschriften vorgeschrieben,

    a)

    die Zahl der Tiere, für die die Beihilfe gewährt wird, ausschließlich der Zahl der Tiere, die abgekalbt haben, entspricht oder

    b)

    die Zahl der Tiere, für die die Beihilfe gewährt wird, der Gruppe der gemeldeten Tiere entspricht, in Bezug auf die die in den nationalen Rechtsvorschriften bestimmte Abkalbquote erfüllt wurde?

    3.

    Ist Art. 31 Abs. 3 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 unter Berücksichtigung von Art. 30 Abs. 3, Art. 31 Abs. 1 bis 2 und des Erfordernisses der Verhältnismäßigkeit gemäß dem 31. Erwägungsgrund dahin auszulegen, dass bei der Bestimmung der Grundlage der Sanktion die Zahl der Tiere, die die Kriterien erfüllen, mit der Zahl der die Kriterien nicht erfüllenden Tiere ins Verhältnis zu setzen ist, oder dahin, dass sie mit der Zahl der gemeldeten Tiere ins Verhältnis zu setzen sind und darüber hinaus die als Quotient erhaltene Bruchzahl wegen der Prozentrechnung auch noch mit 100 zu multiplizieren ist?

    21.

    Zu diesen Fragen haben im Verfahren vor dem Gerichtshof neben dem Kläger auch die ungarische Regierung und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der Gerichtshof gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verfahrensordnung abgesehen.

    IV. Würdigung

    A.   Gegenstand der ersten Vorlagefrage

    22.

    Die erste Vorlagefrage betrifft die Auslegung der unionsrechtlichen Bestimmungen über eine fakultative gekoppelte Stützung auf der Grundlage von Beihilfeanträgen im Rahmen von Beihilferegelungen für Tiere ( 8 ), zu deren Umsetzung das Ministerial-Dekret Nr. 9 erlassen wurde. Zu diesem Zweck sind vor allem die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1307/2013 und der ihrer Durchführung dienenden Delegierten Verordnungen Nrn. 639/2014 und 640/2014 sowie der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 heranzuziehen.

    23.

    Nach § 11 Abs. 1 Buchst. e des Ministerial-Dekrets Nr. 9 setzt ein Anspruch auf den Erhalt einer gekoppelten Beihilfe für das Halten von Mutterkühen u. a voraus, dass mindestens 30 % der Tiere des für die Beihilfe gemeldeten Tierbestands und für die dieser Antrag gestellt wurde, im Antragsjahr gekalbt haben. Nach Auskunft der ungarischen Regierung dient die Abkalbquote von 30 % dazu, einen Anreiz für die Landwirte zu schaffen, ihren Herdenbestand langfristig zu erhalten oder sogar zu erhöhen.

    24.

    Der Agrárminiszter hat in Anwendung dieser Vorschrift den Beihilfeantrag des Klägers vollständig zurückgewiesen, weil die darin angegebenen elf Mutterkühe im Antragsjahr nur eine Abkalbquote von 27 % erreicht hatten. Der Kläger bestreitet das nicht, möchte aber mit seiner Klage erreichen, dass ihm die beantragte Beihilfe für nur zehn Mutterkühe, die die geforderte Abkalbquote von 30 % erfüllt hätten, gewährt wird. Der Kläger und die ungarische Regierung bringen vor, dass es sich bei dieser Quote nur um die Grundlage für die Berechnung der Beihilfenhöhe handele, so dass die Beihilfe lediglich verhältnismäßig gekürzt werden dürfe.

    25.

    Zunächst untersuche ich, ob die Mitgliedstaaten eine solche Beihilfenregelung einführen dürfen. Außerdem ist zu klären, ob ein Antrag auf gekoppelte Beihilfe und die darin angegebene Zahl der Tiere – so wie vom Kläger vertreten – noch im Nachhinein geändert werden kann (unter B).

    26.

    Schließlich untersuche ich noch, ob die unionsrechtlichen Bestimmungen über die Berechnung gekoppelter Beihilfen und die Verhängung von Verwaltungssanktionen hier lediglich eine Kürzung der Beihilfe – statt ihrer Versagung – ermöglichen (unter C).

    B.   Ermessen der Mitgliedstaaten zur Festlegung der Bedingungen für die Gewährung gekoppelter Beihilfen

    27.

    Art. 52 Abs. 9 der Verordnung Nr. 1307/2013 ermächtigt die Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Art 70 dieser Verordnung, u. a. um die Bedingungen für die Gewährung der gekoppelten Stützung festzulegen. Unter der Überschrift „Voraussetzungen für die Gewährung der Stützung“ sieht Art. 53 Abs. 1 der Delegierten Verordnung Nr. 639/2014 entsprechend vor, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit den Rahmenvorschriften der Verordnung Nr. 1307/2013 und den Bedingungen dieser Delegierten Verordnung Beihilfefähigkeitskriterien für gekoppelte Stützungsmaßnahmen festlegen.

    28.

    Meines Erachtens hat Ungarn mit dem Erlass der Beihilferegelung in § 11 Abs. 1 Buchst. e des Ministerial-Dekrets Nr. 9 das ihm eingeräumte Ermessen im Einklang mit den anwendbaren unionsrechtlichen Bestimmungen ausgeübt. Die darin vorgesehenen Kriterien für die Gewährung der gekoppelten Beihilfe sind nämlich „Beihilfefähigkeitsbedingungen“ im Sinne von Anhang I Abs. 3 Buchst. g der Delegierten Verordnung Nr. 639/2014 ( 9 ), die der Kommission nach Art. 67 Abs. 1 dieser Verordnung mitgeteilt worden sind. ( 10 )

    29.

    § 11 Abs. 1 Buchst. e des Ministerial-Dekrets Nr. 9 regelt mithin, wie auch die Kommission meint, die Bedingungen für den Erhalt der darin vorgesehenen gekoppelten Beihilfe. Danach müssen die im Antrag benannten Mutterkühe, d. h. die Zahl der gemeldeten Tiere im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Nr. 16 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 ( 11 ), im Antragsjahr eine Abkalbquote von 30 % erreichen. Es handelt sich also um eine strikt an die Anzahl der im Antrag gemeldeten Tiere gebundene Gewährungsbedingung.

    30.

    Dieses Verständnis bestätigen sowohl der Wortlaut von Art. 52 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013, wonach die jährliche Zahlung der gekoppelten Stützung u. a. auf einer festgesetzten Anzahl an Tieren beruht, als auch die ihn konkretisierenden Begriffsbestimmungen in Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Nrn. 13 und 15 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 für eine „Beihilferegelung für Tiere“ und einen darauf gestützten „Beihilfeantrag für Tiere“. ( 12 )

    31.

    Im Einklang damit stützt sich § 11 Abs. 1 Buchst. e des Ministerial-Dekrets Nr. 9 – im Hinblick auf die im Beihilfeantrag „gemeldete[n] Tier[e]“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Nr. 16 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 – auf eine festgesetzte Tierzahl. Nur anhand dieser ist zu bestimmen, ob die Abkalbquote von 30 % im Antragsjahr erfüllt und die Beihilfe zu gewähren war.

    32.

    Das Argument, dass § 11 Abs. 1 Buchst. e des Ministerial-Dekrets Nr. 9 keine Gewährungsbedingungen, sondern nur die Grundlage für die Berechnung der gekoppelten Beihilfe anhand der Zahl der „ermittelt[en] Tier[e]“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Nr. 18 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 regele, ist daher zurückzuweisen.

    33.

    Es ist unstreitig, dass der Kläger, gemessen an der Zahl der Tiere, für die er den Antrag auf Erhalt einer gekoppelten Beihilfe gestellt hatte, nämlich elf Kühe, diese Gewährungsbedingungen nicht erfüllt hat. Denn die aufgrund dieser Zahl nach Ablauf des Antragsjahrs berechnete Abkalbquote betrug nur 27 %.

    34.

    Der Kläger argumentiert allerdings, ihm müsse zumindest für zehn Kühe eine Beihilfe gewährt werden, weil diese die Abkalbquote von 30 % erfüllt hätten. Diese Argumentation läuft darauf hinaus, die im ursprünglichen Beihilfeantrag vom 9. Mai 2019 gemeldete Tierzahl nachträglich zu reduzieren.

    35.

    Wie die Kommission zutreffend ausführt, kommt eine solche nachträgliche Korrektur hier aber nicht in Betracht.

    36.

    Nach Art. 15 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 sind Änderungen des Zahlungsantrags für die betroffenen landwirtschaftlichen Parzellen, inklusive der darin angegebenen Anzahl der Tiere, unzulässig, wenn die zuständige Behörde den Begünstigten bereits auf einen Verstoß im Zahlungsantrag hingewiesen hat. Nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Nr. 2 Buchst. a der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 gilt jede Nichtbeachtung der Beihilfekriterien als ein solcher Verstoß. Die zuständige Behörde erteilte einen solchen Hinweis am 25. Juni 2020, also nach Ablauf des Antragsjahrs, als sie den Beihilfeantrag unter Hinweis auf die Nichterfüllung der Abkalbquote von 30 % zurückwies.

    37.

    Die oben erörterten unionsrechtlichen Bestimmungen stehen daher der auf § 11 Abs. 1 Buchst. e des Ministerial-Dekrets Nr. 9 gestützten Entscheidung des Agrárminiszter, dem Kläger die beantragte Beihilfe vollständig zu versagen, nicht entgegen.

    C.   Unanwendbarkeit der Art. 30 und 31 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014

    38.

    Entgegen dem Vortrag des Klägers und der ungarischen Regierung sowie den Zweifeln des vorlegenden Gerichts ergibt sich aus den Art. 30 und 31 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 kein anderes Ergebnis. Diese Vorschriften betreffen weder die Bedingungen für die Gewährung gekoppelter Beihilfen, so dass sie das diesbezügliche Ermessen des Mitgliedstaats nicht einschränken können, noch sind sie anwendbar, wenn eine Gewährungsbedingung der vorliegenden Art nicht eingehalten wird.

    1. Art. 30 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014

    39.

    Art. 30 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 regelt schon seiner Überschrift („Berechnungsgrundlage“) zufolge nicht die Bedingungen für die Gewährung einer gekoppelten Beihilfe, sondern nur die Kriterien für deren Berechnung. Nach Art. 30 Abs. 1 darf die Beihilfe nicht für mehr Tiere gewährt werden, als im Beihilfe- oder Zahlungsantrag angegeben sind. Voraussetzung ist nach Art. 30 Abs. 2 Satz 1, dass die im Betrieb vorhandenen Tiere ermittelt bzw. zu diesem Zweck im Beihilfeantrag identifiziert sind. Liegt die Zahl der im Beihilfeantrag angegebenen Tiere über der Zahl der bei Verwaltungskontrollen oder Vor-Ort-Kontrollen ermittelten Tiere, so wird nach Art. 30 Abs. 3 der Beihilfeantrag anhand der Zahl der ermittelten Tiere berechnet. ( 13 )

    40.

    Diese Bestimmungen betreffen daher nicht die in § 11 Abs. 1 Buchst. e des Ministerial-Dekrets Nr. 9 geregelte Beihilfefähigkeitsbedingung der für das Antragsjahr gemeldeten Tierzahl und sind unanwendbar.

    41.

    Der Wortlaut von Art. 30 Abs. 1 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 scheint zwar nicht auszuschließen, dass die Beihilfe für weniger Tiere als im Beihilfe- oder Zahlungsantrag angegeben gewährt wird.

    42.

    Wie oben in den Nrn. 28 bis 36 dargelegt, wäre aber die nachträgliche Reduzierung der im Antrag gemeldeten Zahl der Tiere, hier von elf auf zehn Mutterkühe, weder mit den Gewährungsbedingungen der Beihilferegelung in § 11 Abs. 1 Buchst. e des Ministerial-Dekrets Nr. 9 noch mit Art. 15 Abs. 3 der Durchführungsverordnung Nr. 809/2014 vereinbar. Darüber hinaus widerspräche sie dem Ziel dieser Beihilferegelung, das die ungarische Regierung hervorgehoben hat. Die Bedingung, dass mindestens 30 % der im Beihilfeantrag gemeldeten Mutterkühe im Antragsjahr kalben müssen, soll für die Landwirte einen Anreiz schaffen, den Herdenbestand langfristig zu erhalten oder sogar zu erhöhen (oben, Nr. 23). Weder diese Anreizwirkung noch die Bestandserhaltung wären jedoch garantiert, wenn ein Landwirt im Nachhinein die Zahl der im Beihilfeantrag gemeldeten Tiere reduzieren könnte, um die vorgeschriebene Abkalbquote zu erfüllen.

    2. Art. 31 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014

    43.

    Die Bestimmungen über Verwaltungssanktionen in Art. 31 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 sind ebenfalls nicht anwendbar und können daher zu keiner prozentualen Kürzung des Betrags der beantragten Beihilfe führen.

    44.

    Zwar ist nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Nr. 2 Buchst. a der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 jede Nichtbeachtung der Beihilfekriterien ein Verstoß (oben, Nr. 36), der grundsätzlich Verwaltungssanktionen nach sich ziehen kann. Lediglich zu diesem Zweck stellen die Bestimmungen in Art. 31 Abs. 1 bis 3 dieser Verordnung auf die Zahl der ermittelten Tiere sowie auf Verstöße bezüglich einzelner Tiere ab. ( 14 ) Voraussetzung ist aber, dass der Beihilfeanspruch dem Grunde nach besteht.

    45.

    § 11 Abs. 1 Buchst. e des Ministerial-Dekrets Nr. 9 setzt hierfür jedoch wie gesagt voraus, dass die im Beihilfeantrag gemeldete Zahl von Mütterkühen im Antragsjahr eine Abkalbquote von 30 % erfüllt. Diese Gewährungsbedingung ist – im Einklang mit den in Art. 52 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Nrn. 13 und 15 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 geregelten Voraussetzungen (oben, Nrn. 30 und 31) – also herden- und nicht (einzel‑)tierbezogen.

    46.

    Eine verhältnismäßige Kürzung der Beihilfe nach den Bestimmungen in Art. 31 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 kommt daher nicht in Betracht. Da es sich hier um die Nichtbeachtung einer Gewährungsbedingung handelt, gebietet auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der durch diese Bestimmungen konkretisiert wird ( 15 ), kein anderes Ergebnis. Denn eine Beihilfe darf nicht, auch nicht zum Teil, gewährt werden, wenn die dafür vorgesehenen Voraussetzungen nicht vorliegen.

    D.   Zwischenergebnis

    47.

    Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Bestimmungen in Art. 30 Abs. 3 und Art. 31 Abs. 1 bis 3 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 der streitigen Entscheidungspraxis nicht entgegenstehen.

    48.

    Die erste Vorlagefrage ist daher positiv zu beantworten.

    49.

    Somit bedarf es auch keiner Antwort auf die zweite und die dritte Vorlagefrage in Bezug auf die Methode der Berechnung der prozentualen Kürzung nach Art. 30 Abs. 3 und Art. 31 Abs. 1 bis 3 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014.

    V. Ergebnis

    50.

    Ich schlage dem Gerichtshof vor, auf die erste Vorlagefrage wie folgt zu antworten:

    Die vollständige Versagung eines Antrags auf Zahlung einer an die Erzeugung gekoppelten Beihilfe für die Haltung von Mutterkühen mit der Begründung, dass die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgeschriebene Abkalbquote in Bezug auf die im Beihilfeantrag gemeldete Zahl von Tieren nicht erfüllt wurde, ist mit Art. 30 Abs. 3 und Art. 31 Abs. 1 bis 3 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 vereinbar, auch wenn eine Teilmenge der Tiere, die kleiner ist als die Zahl der gemeldeten Tiere, diese Abkalbquote erfüllen würde.


    ( 1 ) Originalsprache: Deutsch.

    ( 2 ) Nach den Erläuterungen der Kommission (https://agriculture.ec.europa.eu/common-agricultural-policy/income-support/additional-optional-schemes/voluntary-coupled-support_de) wurde in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) die Verknüpfung zwischen den Zahlungen zur Stützung der Einkommen der Landwirte und der Produktion bestimmter Erzeugnisse allmählich abgebaut („entkoppelt“). Das soll verhindern, dass bei bestimmten Erzeugnissen Überschüsse entstehen, und dafür sorgen, dass die Landwirte ihre Erzeugung an der tatsächlichen Marktnachfrage ausrichten. In bestimmten Agrarsektoren in Schwierigkeiten können jedoch gezielte Hilfen erforderlich sein. Durch die „fakultative gekoppelte Stützung“ soll verhindert werden, dass sich diese Schwierigkeiten verschärfen, weil dies zur Aufgabe der Erzeugung führen könnte. Dadurch würden auch andere Teile der Versorgungskette oder damit verbundene Märkte in Mitleidenschaft gezogen. Deshalb haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, in bestimmten Sektoren oder für bestimmte Erzeugnisse auch weiterhin in begrenztem Umfang eine (gekoppelte) Einkommensstützung zu gewähren. Für eine solche Maßnahme gelten jedoch verschiedene Bedingungen und strenge Obergrenzen, damit das Risiko einer Markt- oder Wettbewerbsverzerrung eingedämmt wird.

    ( 3 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 549, berichtigt in ABl. 2016, L 130, S. 9) in der durch die Verordnung (EU) 2017/2393 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2017 geänderten Fassung (ABl. 2017, L 350, S. 15).

    ( 4 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 608).

    ( 5 ) Delegierte Verordnung der Kommission vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 1307/2013 und zur Änderung des Anhangs X der genannten Verordnung (ABl. 2014, L 181, S. 1) in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2018/1784 der Kommission vom 9. Juli 2018 geänderten Fassung (ABl. 2018, L 293, S. 1).

    ( 6 ) Delegierte Verordnung der Kommission vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem und die Bedingungen für die Ablehnung oder Rücknahme von Zahlungen sowie für Verwaltungssanktionen im Rahmen von Direktzahlungen, Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum und der Cross-Compliance (ABl. 2014, L 181, S. 48) in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2016/1393 der Kommission vom 4. Mai 2016 geänderten Fassung (ABl. 2016, L 225, S. 41).

    ( 7 ) Durchführungsverordnung der Kommission vom 17. Juli 2014 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1306/2013 hinsichtlich des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems, der Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums und der Cross-Compliance (ABl. 2014, L 227, S. 69).

    ( 8 ) Vgl. insbesondere Art. 52 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1307/2013 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Nr. 13 der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014.

    ( 9 ) Dieser Begriff entspricht demjenigen der „Beihilfefähigkeitskriterien“ in Art. 53 Abs. 1 der Delegierten Verordnung Nr. 639/2014.

    ( 10 ) Auch wenn sich das nicht aus dem Vorlagebeschluss ergibt, ist davon auszugehen, dass die ungarischen Behörden diese „Beihilfefähigkeitsbedingungen“ der Kommission ordnungsgemäß nach Art. 67 Abs. 1 der Delegierten Verordnung Nr. 639/2014 mitgeteilt haben. Die Einlassung der Kommission, wonach sie ein Prüfungsrecht hinsichtlich der Vereinbarkeit der mitgeteilten Beihilfefähigkeitsbedingungen mit dem Unionsrecht, aber nach der Mitteilung Ungarns dazu keine Veranlassung gehabt habe, bestätigt dies.

    ( 11 ) Nämlich die „Tiere, für die ein Beihilfeantrag im Rahmen der Beihilferegelung für Tiere … gestellt wurde“.

    ( 12 ) Eine solche Beihilferegelung ist „eine fakultative gekoppelte Stützungsmaßnahme gemäß Titel IV Kapitel 1 der Verordnung Nr. 1307/2013, wonach die … zu gewährende jährliche Zahlung auf festgesetzten Tierzahlen beruht“. Auch der darauf gestützte „Beihilfeantrag für Tiere“ oder „Antrag auf Zahlung der Beihilfe“ sieht vor, dass „die zu gewährende jährliche Zahlung auf festgesetzten Tierzahlen beruht“ (Hervorhebungen hinzugefügt).

    ( 13 ) Hervorhebungen hinzugefügt.

    ( 14 ) Der 28. Erwägungsgrund der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014 stellt ebenso auf Verstöße in Bezug auf einzelne, nur drei, weniger oder mehr Tiere ab.

    ( 15 ) Siehe Satz 1 des 31. Erwägungsgrundes der Delegierten Verordnung Nr. 640/2014.

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