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Document 62021CJ0042

    Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 12. Januar 2023.
    Lietuvos geležinkeliai AB gegen Europäische Kommission.
    Rechtsmittel – Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Schienengüterverkehrsmarkt – Beschluss, mit dem ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV festgestellt wird – Zugang dritter Unternehmen zu den vom staatlichen Bahnunternehmen Litauens betriebenen Infrastrukturen – Entfernung eines Gleisabschnitts – Begriff ‚Missbrauch‘ – Tatsächliche oder wahrscheinliche Verdrängung eines Wettbewerbers – Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht – Herabsetzung der Geldbuße.
    Rechtssache C-42/21 P.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:12

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

    12. Januar 2023 ( *1 )

    „Rechtsmittel – Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Schienengüterverkehrsmarkt – Beschluss, mit dem ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV festgestellt wird – Zugang dritter Unternehmen zu den vom staatlichen Bahnunternehmen Litauens betriebenen Infrastrukturen – Entfernung eines Gleisabschnitts – Begriff ‚Missbrauch‘ – Tatsächliche oder wahrscheinliche Verdrängung eines Wettbewerbers – Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht – Herabsetzung der Geldbuße“

    In der Rechtssache C‑42/21 P

    betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 27. Januar 2021,

    Lietuvos geležinkeliai AB mit Sitz in Vilnius (Litauen), vertreten durch Rechtsanwältin K. Apel sowie Rechtsanwälte W. Deselaers und P. Kirst,

    Rechtsmittelführerin,

    andere Parteien des Verfahrens:

    Europäische Kommission, vertreten durch A. Cleenewerck de Crayencour, A. Dawes, H. Leupold und G. Meessen als Bevollmächtigte,

    Beklagte im ersten Rechtszug,

    Orlen Lietuva AB mit Sitz in Mažeikiai (Litauen), vertreten durch C. Conte, Avvocato, und C. Thomas, Avocat,

    Streithelferin im ersten Rechtszug,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

    unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe (Berichterstatterin) sowie der Richter M. Safjan, N. Piçarra, N. Jääskinen und M. Gavalec,

    Generalanwalt: A. Rantos,

    Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2022,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Juli 2022

    folgendes

    Urteil

    1

    Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Lietuvos geležinkeliai AB (im Folgenden: LG) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 18. November 2020, Lietuvos geležinkeliai/Kommission (T‑814/17, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2020:545), mit dem das Gericht zum einen ihre Klage abgewiesen hat, soweit sie auf die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2017) 6544 final der Kommission vom 2. Oktober 2017 in einem Verfahren nach Art. 102 AEUV (Sache AT.39813 – Baltic Rail) (im Folgenden: streitiger Beschluss) gerichtet war, und zum anderen den Betrag der gegen LG durch den Beschluss verhängten Geldbuße auf 20068650 Euro herabgesetzt hat.

    Rechtlicher Rahmen

    Verordnung (EG) Nr. 1/2003

    2

    In Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a und Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) heißt es:

    „(2)   Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig

    a)

    gegen Artikel [101] oder Artikel [102 AEUV] verstoßen …

    (3)   Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen.“

    3

    Art. 31 dieser Verordnung bestimmt:

    „Bei Klagen gegen Entscheidungen, mit denen die Kommission eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld festgesetzt hat, hat der Gerichtshof die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Entscheidung. Er kann die festgesetzte Geldbuße oder das festgesetzte Zwangsgeld aufheben, herabsetzen oder erhöhen.“

    Richtlinie 2001/14/EG

    4

    Der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (ABl. 2001, L 75, S. 29) lautet:

    „Um Transparenz und einen nichtdiskriminierenden Zugang zu den Eisenbahnfahrwegen für alle Eisenbahnunternehmen sicherzustellen, sind alle für die Wahrnehmung der Zugangsrechte benötigten Informationen in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen zu veröffentlichen.“

    5

    Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

    „Die Eisenbahnunternehmen haben unter Ausschluss jeglicher Diskriminierung Anspruch auf das in Anhang II beschriebene Mindestzugangspaket sowie auf den dort beschriebenen Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen. Die Erbringung der in Anhang II Nummer 2 genannten Leistungen erfolgt unter Ausschluss jeglicher Diskriminierung, wobei entsprechende Anträge von Eisenbahnunternehmen nur abgelehnt werden dürfen, wenn vertretbare Alternativen unter Marktbedingungen vorhanden sind. Falls die betreffenden Leistungen nicht von ein und demselben Betreiber der Infrastruktur angeboten werden, muss der Anbieter des ‚Hauptfahrwegs‘ nach Kräften bestrebt sein, die Erbringung dieser Leistungen zu erleichtern.“

    6

    In Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie heißt es:

    „Bei technisch bedingten oder unfallbedingten Störungen der Zugbewegungen hat der Betreiber der Infrastruktur alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die normale Situation wiederherzustellen. Zu diesem Zweck erstellt er einen Notfallplan, in dem die verschiedenen staatlichen Stellen aufgeführt sind, die bei schwerwiegenden Vorfällen oder schwerwiegenden Störungen der Zugbewegungen zu unterrichten sind.“

    Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitiger Beschluss

    7

    Die Vorgeschichte des Rechtsstreits und der Inhalt des streitigen Beschlusses sind in den Rn. 1 bis 48 des angefochtenen Urteils dargestellt. Für die Behandlung des vorliegenden Rechtsmittels lassen sie sich wie folgt zusammenfassen.

    Sachverhalt

    8

    LG ist das staatliche Bahnunternehmen Litauens mit Sitz in Vilnius (Litauen). LG ist ein öffentliches Unternehmen, dessen alleiniger Aktionär der litauische Staat ist. Als vertikal integriertes Unternehmen ist es gleichzeitig Betreiberin der Eisenbahninfrastrukturen, die jedoch im Eigentum des litauischen Staats verbleiben, und Erbringerin von Dienstleistungen für den Güter- und Personenschienenverkehr in Litauen.

    9

    Orlen Lietuva AB (im Folgenden: Orlen) ist ein Unternehmen mit Sitz in Juodeikiai im Distrikt Mažeikiai (Litauen), das auf die Erdölraffination und die Verteilung raffinierter Erdölprodukte spezialisiert ist. Orlen ist eine 100%ige Tochtergesellschaft des polnischen Unternehmens PKN Orlen SA.

    10

    Im Rahmen ihrer Tätigkeiten betreibt Orlen verschiedene Anlagen in Litauen, darunter eine wichtige Raffinerie (im Folgenden: Raffinerie) in Bugeniai im Distrikt Mažeikiai im Nordwesten Litauens in der Nähe der Grenze zu Lettland. Ende der 2000er Jahre wurden 90 % der Produktion der in dieser Raffinerie erzeugten raffinierten Erdölprodukte über den Schienenweg transportiert, wodurch Orlen eine der wichtigsten Kundinnen von LG wurde.

    11

    Damals erzeugte Orlen in der Raffinerie etwa 8 Mio. Tonnen raffinierter Erdölprodukte im Jahr. Drei Viertel der Produktion waren für den Export bestimmt, der hauptsächlich auf dem Seeweg erfolgte. So wurden 4,5 bis 5,5 Mio. Tonnen raffinierter Erdölprodukte durch Litauen mit dem Zug zum Seehafen Klaipėda (Litauen) befördert.

    12

    Der Rest der exportierten Produktion, d. h. etwa 1 bis 1,5 Mio. Tonnen, wurde – ebenfalls per Zug – nach oder durch Lettland befördert und war hauptsächlich für den Verbrauch auf den estnischen und lettischen Inlandsmärkten bestimmt. Etwa 60 % dieser per Zug nach oder durch Lettland transportierten Produktion wurde über die Bahnlinie „Bugeniai-Mažeikiai-Rengė“ befördert, deren Strecke von der in der Nähe des Gleisanschlusses von Mažeikiai gelegenen Raffinerie bis zur Stadt Rengė in Lettland führte und auf 34 km durch Litauen verlief (im Folgenden: kurze Strecke nach Lettland). Der Rest der per Zug nach oder durch Lettland transportierten Produktion wurde über die Bahnlinie „Bugeniai-Kužiai-Joniškis-Meitene“ befördert, eine längere Strecke, die auf 152 km durch Litauen verlief.

    13

    Um ihre Produkte auf der kurzen Strecke nach Lettland zu transportieren, nutzte Orlen die Dienste von LG für den litauischen Teil der Strecke, d. h. von der Raffinerie bis zur lettischen Grenze. LG hatte damals mit Latvijas dzelzceļš, dem staatlichen Bahnunternehmen Lettlands (im Folgenden: LDZ), einen Subunternehmervertrag über den Transport auf dem litauischen Abschnitt der Strecke geschlossen. Da LDZ nicht über die notwendigen Genehmigungen für die selbständige Ausübung ihrer Tätigkeiten auf litauischem Gebiet verfügte, wurde sie als Subunternehmerin von LG tätig. Nach dem Überqueren der Grenze führte LDZ den Transport der Produkte von Orlen auf lettischem Gebiet durch.

    14

    Die Geschäftsbeziehungen zwischen Orlen und LG in Bezug auf die Transportdienstleistungen von LG im litauischen Eisenbahnnetz, einschließlich der Transportdienste auf der kurzen Strecke nach Lettland, waren in einer im Lauf des Jahres 1999 unterzeichneten Vereinbarung (im Folgenden: Vereinbarung von 1999) geregelt.

    15

    Neben der Regelung der Tarife, die LG für die Transportdienste erhob, beinhaltete die Vereinbarung von 1999 u. a. eine besondere Verpflichtung von LG, die Fracht von Orlen während der gesamten Laufzeit der Vereinbarung, d. h. bis 2024, auf der kurzen Strecke nach Lettland zu transportieren.

    16

    Anfang 2008 kam es zwischen LG und Orlen zu geschäftlichen Differenzen über die Tarife, die Orlen für den Transport ihrer Erdölprodukte zu entrichten hatte.

    17

    Aufgrund dieser geschäftlichen Differenzen erwog Orlen die Möglichkeit, einen unmittelbaren Vertrag mit LDZ über die Leistungen zum Transport ihrer Fracht per Eisenbahn auf der kurzen Strecke nach Lettland zu schließen sowie ihre See-Exporttätigkeiten von Klaipėda in Litauen abzuziehen und auf die Seehäfen Riga und Ventspils in Lettland zu verlagern.

    18

    Am 12. Juni 2008 fand ein Treffen zwischen LG und Orlen statt, bei dem dieses Vorhaben zur Verlagerung der Exporttätigkeiten von Orlen thematisiert wurde. Zudem leitete LG am 17. Juli 2008 ein schiedsgerichtliches Verfahren gegen Orlen ein, nachdem Letztere im Frühjahr 2008 einseitig entschieden hatte, einen geringeren als den von LG verlangten Satz zu zahlen und den Differenzbetrag einzubehalten.

    19

    Am 28. Juli 2008 teilte LG Orlen die Kündigung der Vereinbarung von 1999 zum 1. September 2008 mit.

    20

    Am 2. September 2008 setzte LG, nachdem eine Verformung der Gleisstrecke von mehreren Dutzend Metern (im Folgenden: Verformung) festgestellt worden war, auf einem 19 km langen Abschnitt der kurzen Strecke nach Lettland, der sich zwischen Mažeikiai und der Grenze zu Lettland befand (im Folgenden: Gleisabschnitt), unter Berufung vor allem auf Sicherheitsgründe den Verkehr aus.

    21

    Am 3. September 2008 berief LG einen Untersuchungsausschuss ein, der aus leitenden Angestellten ihrer örtlichen Tochtergesellschaft bestand, um die Ursachen der Verformung zu ermitteln. Am 5. September 2008 legte der Untersuchungsausschuss einen Untersuchungsbericht und einen technischen Bericht vor. Diesem Untersuchungsbericht zufolge war die Verformung durch eine physische Verschlechterung zahlreicher Bestandteile der Struktur des Gleisabschnitts verursacht worden. Dem Bericht lässt sich auch entnehmen, dass der Verkehr ausgesetzt bleiben müsse, „bis alle Wiederherstellungs- und Ausbesserungsmaßnahmen abgeschlossen sind“. Die Bemerkungen im Untersuchungsbericht wurden durch den Inhalt des technischen Berichts bestätigt.

    22

    Nach einer Besprechung am 22. September 2008 unterbreitete LDZ Orlen am 29. September 2008 ein Angebot für den Transport ihrer Erdölprodukte. Orlen zufolge war dieses Angebot „konkret und attraktiv“.

    23

    Ab dem 3. Oktober 2008 wurde der Gleisabschnitt von LG vollständig entfernt. Ende Oktober 2008 war der Gleisabschnitt komplett abgebaut.

    24

    Mit Schreiben vom 17. Oktober 2008 bestätigte Orlen LDZ ihre Absicht, etwa 4,5 Mio. Tonnen Erdölprodukte von der Raffinerie bis zu den lettischen Seehäfen zu befördern. Am 20. Februar 2009 fand ein Treffen statt, und weiter gehende Gespräche erfolgten im Frühjahr 2009.

    25

    Zwischenzeitlich wurde im Januar 2009 eine neue allgemeine Transportvereinbarung für einen Zeitraum von 15 Jahren bis zum 1. Januar 2024 zwischen LG und Orlen geschlossen. Diese Vereinbarung ersetzte eine Zwischenvereinbarung, die am 1. Oktober 2008 unterzeichnet worden war.

    26

    Die Verhandlungen zwischen Orlen und LDZ liefen bis Ende Juni 2009, als LDZ eine Lizenz für die Nutzung des litauischen Teils der kurzen Strecke nach Lettland beantragte.

    27

    Am 10. November 2009 entschied das Schiedsgericht, dass die einseitige Kündigung der Vereinbarung von 1999 durch LG rechtswidrig sei und von einer Geltung der Vereinbarung bis zum 1. Oktober 2008 auszugehen sei.

    28

    Orlen zufolge sind die Gespräche mit LDZ Mitte 2010 unterbrochen worden, als sie schließlich zu der Auffassung gelangt sei, dass LG nicht beabsichtige, den Gleisabschnitt kurzfristig zu reparieren. Zu diesem Zeitpunkt zog LDZ ihren Antrag auf eine Lizenz für die Nutzung des litauischen Teils der kurzen Strecke nach Lettland zurück.

    Verwaltungsverfahren

    29

    Am 14. Juli 2010 reichte Orlen bei der Kommission gemäß Art. 7 der Verordnung Nr. 1/2003 eine förmliche Beschwerde ein.

    30

    Vom 8. bis zum 10. März 2011 führte die Kommission mit Unterstützung der nationalen Wettbewerbsbehörden der Republik Lettland und der Republik Litauen in den Geschäftsräumen von LG in Vilnius und denen von LDZ in Riga Nachprüfungen gemäß Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 durch.

    31

    Am 6. März 2013 beschloss die Kommission, gegen LG ein Verfahren nach Art. 102 AEUV einzuleiten.

    32

    Nachdem die Kommission LG eine Mitteilung der Beschwerdepunkte und anschließend ein Sachverhaltsschreiben übermittelt hatte, zu denen die Parteien sich geäußert hatten, erließ sie am 2. Oktober 2017 den streitigen Beschluss.

    Streitiger Beschluss

    Bestimmung der relevanten Märkte und beherrschende Stellung von LG auf diesen Märkten

    33

    Im streitigen Beschluss bestimmt die Kommission zwei für den LG vorgeworfenen Missbrauch einer beherrschenden Stellung sachlich relevante Märkte: zum einen den vorgelagerten Markt des Betriebs von Eisenbahninfrastrukturen und zum anderen den nachgelagerten Markt der Erbringung von Schienentransportdiensten für Erdölprodukte.

    34

    Als räumlich relevanter Markt für den Betrieb von Eisenbahninfrastrukturen wird der nationale litauische Markt angesehen. Was den räumlich relevanten Markt für Schienentransportdienste für Erdölprodukte betrifft, vertrat die Kommission auf der Grundlage des Ansatzes „Ausgangsort – Zielort“, des sogenannten „O&D-Ansatzes“, die Auffassung, dass es sich um einen Markt für Schienenfrachttransportdienste handele, dessen Ausgangspunkt die Raffinerie und dessen Zielort die drei Seehäfen Klaipėda, Riga und Ventspils seien.

    35

    Die Kommission stellte fest, dass LG aufgrund der litauischen Rechtsvorschriften über ein gesetzliches Monopol auf dem vorgelagerten Markt für den Betrieb von Eisenbahninfrastrukturen in Litauen verfüge. Diese Rechtsvorschriften bestimmten, dass die öffentlichen Eisenbahninfrastrukturen Eigentum des litauischen Staats seien und LG zum Betrieb überlassen würden.

    36

    Die Kommission stellte außerdem fest, dass LG mit Ausnahme der sehr geringen von LDZ transportierten Mengen das einzige Unternehmen sei, das auf dem nachgelagerten Markt der Erbringung von Schienentransportdiensten für Erdölprodukte tätig sei, was ihr eine beherrschende Stellung auf diesem Markt verschaffe.

    Missbräuchliches Verhalten

    37

    Die Kommission vertrat die Auffassung, dass LG ihre beherrschende Stellung als Betreiberin der litauischen Eisenbahninfrastrukturen missbraucht habe, indem sie den Gleisabschnitt entfernt habe, was geeignet gewesen sei, wettbewerbswidrige Auswirkungen in Form der Verdrängung von Wettbewerbern vom Markt für die Erbringung von Schienentransportdiensten für Erdölprodukte zwischen der Raffinerie und den benachbarten Seehäfen hervorzurufen, indem Hindernisse für den Markteintritt errichtet worden seien, ohne dass dies objektiv gerechtfertigt gewesen wäre.

    38

    Die Kommission stellte insbesondere in den Erwägungsgründen 182 bis 201 des streitigen Beschlusses fest, dass LG durch die vollständige Entfernung des Gleisabschnitts wettbewerbswidrige Methoden angewandt habe.

    39

    Insoweit wies die Kommission darauf hin, dass erstens LG sich bewusst gewesen sei, dass Orlen erwogen habe, auf die lettischen Seehäfen umzusteigen und dafür die Dienste von LDZ zu nutzen, dass zweitens LG die Entfernung des Gleisabschnitts in großer Eile vorgenommen habe, ohne sich zuvor zu vergewissern, dass die dafür erforderlichen Mittel bereitständen, und ohne die normalen Vorbereitungen für den Neubau des Gleisabschnitts zu treffen, dass drittens die Beseitigung des Gleisabschnitts nicht dem branchenüblichen Vorgehen entsprochen habe, dass viertens LG sich der Gefahr bewusst gewesen sei, im Fall eines Neubaus des Gleisabschnitts alle geschäftlichen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Transport der Produkte von Orlen zu verlieren, und dass fünftens LG Schritte unternommen habe, um die litauische Regierung davon zu überzeugen, den Gleisabschnitt nicht wieder aufzubauen.

    40

    Der Gleisabschnitt liege auf dem kürzesten und kostengünstigsten Weg von der Raffinerie zu einem lettischen Seehafen. Weil der Gleisabschnitt in der Nähe von Lettland und vom Logistikzentrum von LDZ liege, stelle er ferner eine sehr gute Möglichkeit für LDZ dar, in den litauischen Markt einzutreten.

    41

    Zu den wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Verhaltens von LG stellte die Kommission nach einer Analyse in den Erwägungsgründen 202 bis 324 des streitigen Beschlusses fest, dass die Beseitigung des Gleisabschnitts geeignet gewesen sei, den Eintritt von LDZ in den litauischen Markt für Schienenfrachtdienste zu verhindern oder zumindest erheblich zu erschweren, und dies obwohl LDZ vor der Beseitigung des Gleisabschnitts glaubhaft die Möglichkeit gehabt habe, die für den See-Export bestimmten Erdölprodukte von Orlen über die kurze Strecke nach Lettland von der Raffinerie bis zu den lettischen Seehäfen zu transportieren.

    42

    Nach der Beseitigung des Gleisabschnitts habe der Schienenverkehr von der Raffinerie zu einem lettischen Seehafen über wesentlich längere Strecken auf litauischem Hoheitsgebiet geführt werden müssen. Insbesondere habe LDZ nach der Beseitigung des Gleisabschnitts als einzige Option, die sich ihr geboten habe, um in Wettbewerb mit LG zu treten, nur die Möglichkeit gehabt, zu versuchen, auf der Strecke nach Klaipėda oder auf der in Rn. 12 des vorliegenden Urteils erwähnten längeren Strecke nach Lettland tätig zu werden. Somit hätte LDZ weit von ihrem Logistikzentrum in Lettland entfernt agieren müssen, wobei sie zudem auf die Infrastrukturdienstleistungen ihres Wettbewerbers, nämlich LG, angewiesen gewesen wäre. Unter diesen Umständen wären LDZ nach Auffassung der Kommission bei einer Ex-ante-Betrachtung erhebliche finanzielle Risiken entstanden, die einzugehen das Unternehmen weniger geneigt gewesen wäre.

    43

    In den Erwägungsgründen 325 bis 357 des streitigen Beschlusses stellte die Kommission ferner fest, dass LG keine objektive Rechtfertigung für die Beseitigung des Gleisabschnitts vorgelegt habe, da ihre Erklärungen weder kohärent noch überzeugend seien und sich zum Teil widersprächen.

    Geldbuße und Anordnung

    44

    Unter Anwendung der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2) verhängte die Kommission in Anbetracht der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung eine Geldbuße in Höhe von 27873000 Euro gegen LG.

    45

    Die Kommission wies LG auch an, die Zuwiderhandlung einzustellen und ihr innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe des streitigen Beschlusses mitzuteilen, welche Maßnahmen das Unternehmen zu diesem Zweck vorschlägt.

    Verfügender Teil des streitigen Beschlusses

    46

    In den Art. 1 und 2 des streitigen Beschlusses heißt es:

    „Artikel 1

    [LG] hat durch die Beseitigung des Gleisabschnitts zwischen Mažeikiai in Litauen und der lettischen Grenze gegen Artikel 102 AEUV verstoßen. Die Zuwiderhandlung hat am 3. Oktober 2008 begonnen und dauert zum Zeitpunkt des Erlasses des vorliegenden Beschlusses an.

    Artikel 2

    Wegen der in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlung wird gegen [LG] eine Geldbuße in Höhe von 27873000 [Euro] verhängt.

    …“

    Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

    47

    Mit Klageschrift, die am 14. Dezember 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, erhob LG eine Klage, mit der sie die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses und hilfsweise die Herabsetzung der in diesem Beschluss gegen sie verhängten Geldbuße begehrte.

    48

    Mit Beschluss des Präsidenten der Dritten Kammer des Gerichts vom 13. Juli 2018 wurde Orlen als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen. Bestimmte Gesichtspunkte in den Schriftsätzen der Hauptparteien wurden gegenüber Orlen vertraulich behandelt.

    49

    LG stützte ihren Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses auf fünf Klagegründe. Im Wesentlichen betrafen der erste Klagegrund offensichtliche Beurteilungs- und Rechtsfehler bei der Anwendung von Art. 102 AEUV in Bezug auf die Missbräuchlichkeit des Verhaltens von LG, der zweite Klagegrund Beurteilungs- und Rechtsfehler bei der Anwendung von Art. 102 AEUV in Bezug auf die Beurteilung der fraglichen Praxis, der dritte Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 296 AEUV und Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 wegen unzureichender Beweise und eines Begründungsmangels, der vierte Klagegrund – nur im ersten Teil – Fehler bei der Festsetzung der Geldbuße und der fünfte Klagegrund Fehler bei der Anordnung einer Abhilfemaßnahme.

    50

    Im Rahmen ihres Antrags auf Herabsetzung der Geldbuße machte LG mit mehreren Rügen und dem zweiten Teil des vierten Klagegrundes geltend, dass der Betrag der Geldbuße unverhältnismäßig sei, und sie beanstandete im Wesentlichen erstens den von der Kommission gemäß der Schwere der Zuwiderhandlung festgestellten Prozentsatz des Umsatzes, zweitens die Dauer der Zuwiderhandlung und drittens die Entscheidung, dem Grundbetrag zur Abschreckung einen zusätzlichen Betrag hinzuzurechnen.

    51

    Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht sämtliche Klagegründe und Argumente zurückgewiesen, die LG zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses sowie ihres Antrags auf Herabsetzung der Geldbuße vorgetragen hatte.

    52

    In Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hat das Gericht den Betrag der Geldbuße jedoch herabgesetzt und diesen auf 20068650 Euro festgesetzt.

    53

    Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

    Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

    54

    Mit ihrem Rechtsmittel beantragt LG,

    das angefochtene Urteil ganz oder teilweise aufzuheben, soweit mit ihm ihre Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses abgewiesen worden ist,

    den Beschluss ganz oder teilweise für nichtig zu erklären,

    hilfsweise, die gegen sie verhängte Geldbuße für nichtig zu erklären oder weiter herabzusetzen, und

    der Kommission alle Kosten im Zusammenhang mit dem vorliegenden Verfahren und dem Verfahren vor dem Gericht aufzuerlegen.

    55

    Die Kommission und Orlen beantragen,

    das Rechtsmittel zurückzuweisen und

    LG die Kosten aufzuerlegen.

    Zum Rechtsmittel

    56

    LG stützt ihr Rechtsmittel auf vier Gründe, von denen mit den ersten drei im Wesentlichen die vom Gericht vorgenommene Beurteilung der Frage, ob ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung vorliegt, beanstandet wird. Der vierte Rechtsmittelgrund betrifft die Bemessung der gegen LG verhängten Geldbuße.

    Zur Zulässigkeit bestimmter Argumente

    57

    Einleitend ist anzumerken, dass die Parteien ihren Argumenten Erwägungen zum tatsächlichen Rahmen der vorliegenden Rechtssache voranstellen.

    58

    So schildert LG die aus ihrer Sicht relevanten Tatsachen. Die Kommission merkt an, dass diese Schilderung irreführend und fehlerhaft sei, während Orlen vorbringt, LG versuche mit der Schilderung, den vom Gericht festgestellten Sachverhalt in Zweifel zu ziehen.

    59

    Die Kommission bezieht sich in ihren Vorbemerkungen zudem auf eine Pressemitteilung des Vorstandsvorsitzenden von LG vom 30. Dezember 2019, deren Zulässigkeit und Relevanz für das vorliegende Rechtsmittel von LG bestritten werden.

    60

    Insoweit genügt der Hinweis, dass nach Art. 256 Abs. 1 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt ist. Allein das Gericht ist für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie die Beweiswürdigung zuständig. Somit ist die Würdigung der Tatsachen und Beweise, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt (Urteil vom 24. September 2020, Prysmian und Prysmian Cavi e Sistemi/Kommission, C‑601/18 P, EU:C:2020:751, Rn. 126 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    61

    Folglich sind die verschiedenen Äußerungen und Beanstandungen zum Sachverhalt für unzulässig zu erklären.

    Zum ersten Rechtsmittelgrund

    Vorbringen der Parteien

    62

    Mit dem ersten Rechtsmittelgrund rügt LG, dem Gericht seien in den Rn. 90 bis 99 des angefochtenen Urteils dadurch Rechtsfehler unterlaufen, dass es für die Feststellung, ob die behauptete missbräuchliche Praxis vorliege, eine Anwendung der in Rn. 41 des Urteils vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), eingeführten Prüfung zu Unrecht abgelehnt habe.

    63

    Diese Prüfung sei auf die vorliegende Rechtssache anwendbar, in der die Rechtsfrage aufgeworfen werde, ob LG aufgrund von Art. 102 AEUV rechtlich verpflichtet sei, LDZ Zugang zu dem Gleisabschnitt zu gewähren. Der vorliegende Fall genüge indessen nicht den Prüfungskriterien.

    64

    Konkret habe das Gericht mit den Ausführungen in den Rn. 90 bis 99 des angefochtenen Urteils, wonach die Prüfung im vorliegenden Fall nicht anzustellen sei, vier Rechtsfehler begangen.

    65

    Erstens existiere – entgegen den Feststellungen des Gerichts in Rn. 90 des angefochtenen Urteils – weder in der Rechtsprechung des Gerichtshofs noch in den Schlussanträgen von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache, in der das vom Gericht angeführte Urteil vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), ergangen sei, keine Regel, wonach die in diesem Urteil aufgestellten Kriterien nur anwendbar seien, wenn die Notwendigkeit bestehe, für ein beherrschendes Unternehmen den Anreiz aufrechtzuerhalten, in die Errichtung grundlegender Infrastrukturen zu investieren.

    66

    Zweitens gebe es entgegen den Feststellungen des Gerichts in den Rn. 91 und 92 des angefochtenen Urteils auch keine Regel, wonach diese Kriterien nicht anwendbar seien, wenn der geltende Rechtsrahmen bereits eine Verpflichtung enthalte, die in Rede stehenden Leistungen zur Verfügung zu stellen.

    67

    Zunächst würde die Nichtanwendung der Kriterien in einem solchen Fall nämlich bedeuten, dass das nationale Recht oder das abgeleitete Recht der Union den Anwendungsbereich des Primärrechts definiere, was mit dem Vorrang des Unionsrechts und dem Erfordernis einer kohärenten Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union nicht vereinbar wäre. Sodann verfolgten die Ex-post-Kontrolle nach Art. 102 AEUV und die Ex-ante-Regelung des in Rede stehenden Bereichs unterschiedliche Ziele. Es sei mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar, wenn Unternehmen aus regulierten Wirtschaftszweigen unterschiedlichen rechtlichen Kriterien im Rahmen von Art. 102 AEUV unterlägen. Schließlich sei vorliegend LG zum Zeitpunkt der Entfernung des Gleisabschnitts nicht verpflichtet gewesen, LDZ Zugang zum Gleisabschnitt zu gewähren, da Letztere zum Zeitpunkt der Entfernung des Gleisabschnitts keine Lizenz für eine betriebliche Tätigkeit in Litauen beantragt oder erhalten habe. Insofern unterscheide sich die vorliegende Rechtssache von den Rechtssachen, in denen das Urteil vom 13. Dezember 2018, Slovak Telekom/Kommission (T‑851/14, EU:T:2018:929), sowie danach die Urteile vom 25. März 2021, Deutsche Telekom/Kommission (C‑152/19 P, EU:C:2021:238), und vom 25. März 2021, Slovak Telekom/Kommission (C‑165/19 P, EU:C:2021:239), ergangen seien.

    68

    In diesen zuletzt genannten Urteilen habe der Gerichtshof zwischen dem Zugang zu einer Infrastruktur und den Bedingungen eines solchen Zugangs unterschieden. In der vorliegenden Rechtssache beziehe sich in Anbetracht dessen, dass der Gleisabschnitt entfernt worden sei, der vom Gericht festgestellte Missbrauch auf eine echte Verweigerung der Gewährung eines Zugangs. LG stellt klar, dass diese Zugangsverweigerung nicht das gesamte litauische Eisenbahnnetz betroffen habe, sondern nur einen Gleisabschnitt. Dessen Entfernung könne nicht von den Bedingungen dieser Entfernung getrennt werden.

    69

    Drittens gebe es unter den Bestimmungen, die das Gericht in den Rn. 96 und 97 des angefochtenen Urteils erwähne, keine Regelung, die dem Betreiber einer Infrastruktur, wie etwa LG, die „unbedingte gesetzliche Pflicht“ auferlege, Zugang zu jedem Gleisabschnitt seines Netzes zu gewähren, insbesondere wenn Alternativstrecken verfügbar seien. Ebenso wenig enthalte eine dieser Bestimmungen die „unbedingte Verpflichtung“, einen verfallenen Gleisabschnitt mit Hilfe einer Lösung wiederherzustellen, die der Betreiber der Infrastruktur als ineffizient und wirtschaftlich nicht vertretbar ansehe. Insoweit bezieht sich LG speziell auf Art. 5 der Richtlinie 2001/14 in Verbindung mit deren fünften Erwägungsgrund und ihrem Art. 29 Abs. 1.

    70

    Viertens gebe es entgegen den Feststellungen des Gerichts in den Rn. 91 und 93 des angefochtenen Urteils keine rechtliche Regel, der zufolge die im Urteil vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), aufgestellten Kriterien nicht anwendbar seien, wenn sich die beherrschende Stellung aus einem staatlichen Monopol ergebe. Nach Rn. 23 des Urteils vom 27. März 2012, Post Danmark (C‑209/10, EU:C:2012:172), die vom Gericht angeführt worden sei, müsse der Umstand, dass eine beherrschende Stellung aus einem ehemaligen gesetzlichen Monopol entstanden sei, lediglich berücksichtigt werden.

    71

    Im vorliegenden Fall gehe es nicht darum, festzustellen, ob LG verpflichtet sei, Zugang zu einem funktionsfähigen Netz zu gewähren, das in der Vergangenheit mit öffentlichen Geldern errichtet worden sei, sondern darum, ob sie nach Art. 102 AEUV verpflichtet sei, eigene Mittel in die Ausbesserung und Ersetzung einer verfallenen Anlage zu investieren, um den Marktzugang für einen bestimmten Wettbewerber auf dem relevanten nachgelagerten Markt weniger schwierig und vorteilhafter zu gestalten. Die Abwägung der Interessen dieser beiden Unternehmen sei der zentrale Gedanke der im Urteil vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), eingeführten Prüfung.

    72

    Die Kommission und Orlen beantragen, den ersten Rechtsmittelgrund als nicht stichhaltig zurückzuweisen.

    Würdigung durch den Gerichtshof

    73

    Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund greift LG insbesondere die Rn. 90 bis 99 des angefochtenen Urteils mit der Begründung an, das Gericht habe, indem es eine Anwendung der in Rn. 41 des Urteils vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), aufgestellten Kriterien auf die vorliegende Rechtssache abgelehnt habe, ein fehlerhaftes rechtliches Kriterium herangezogen, um zu beurteilen, ob ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vorliege.

    74

    In Rn. 99 des angefochtenen Urteils hat das Gericht entschieden, dass die Kommission keinen Fehler begangen habe, als sie nicht geprüft habe, ob das streitige Verhalten, das – wie sich aus Rn. 84 dieses Urteils entnehmen lasse – in der Beseitigung des Gleisabschnitts als solcher bestanden habe, die Voraussetzungen erfüllt habe, die die Unentbehrlichkeit der Dienstleistung, deren Zugang verweigert worden sei, und die Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs beträfen und die in Rn. 41 des Urteils vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), aufgeführt würden. Darüber hinaus hat das Gericht in Rn. 99 entschieden, dass vorbehaltlich einer etwaigen objektiven Rechtfertigung der Nachweis ausreichend gewesen sei, dass es sich um ein Verhalten gehandelt habe, das den Wettbewerb habe beschränken und insbesondere ein Hindernis für den Markteintritt habe darstellen können.

    75

    In den Rn. 90 bis 98 des Urteils hat das Gericht dieses Ergebnis anhand des Zweckzusammenhangs der im Urteil vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), genannten außergewöhnlichen Umstände begründet, der darin liege, sicherzustellen, dass die einem beherrschenden Unternehmen auferlegte Verpflichtung, Zugang zu seiner Infrastruktur zu gewährleisten, nicht letztlich dadurch den Wettbewerb beeinträchtige, dass der ursprüngliche Anreiz des Unternehmens, eine solche Infrastruktur zu errichten und in die Infrastrukturen zu investieren, verringert werde. Das Gericht hat daraus im Wesentlichen abgeleitet, dass die aus dem Urteil vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), hervorgegangene Rechtsprechung dann keine Anwendung finden könne, wenn – wie es vorliegend der Fall sei – der geltende Rechtsrahmen dem beherrschenden Unternehmen bereits eine Lieferverpflichtung auferlege oder sich die beherrschende Stellung aus einem gesetzlichen Monopol ergebe, zumal wenn die in Rede stehende Infrastruktur dem Staat gehöre und mit öffentlichen Mitteln errichtet und entwickelt worden sei.

    76

    Zur Beurteilung der Frage, ob diese Ausführungen, wie LG vorbringt, rechtsfehlerhaft sind, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 102 AEUV die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen verbietet, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Das Unternehmen, das eine beherrschende Stellung innehat, trägt daher eine besondere Verantwortung dafür, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Binnenmarkt nicht beeinträchtigt (Urteil vom 25. März 2021, Deutsche Telekom/Kommission, C‑152/19 P, EU:C:2021:238, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    77

    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs handelt es sich bei dem Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV um einen objektiven Begriff, der auf die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung abstellt, die auf einem Markt, auf dem der Grad an Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Grades an Wettbewerb oder die Entwicklung des Wettbewerbs durch den Einsatz von anderen Mitteln behindern als denjenigen eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Wirtschaftsteilnehmer (Urteil vom 25. März 2021, Deutsche Telekom/Kommission, C‑152/19 P, EU:C:2021:238, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    78

    Bei der Prüfung der Frage, ob die Verhaltensweise eines Unternehmens in beherrschender Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV missbräuchlich ist, ist allen besonderen Umständen des Falles Rechnung zu tragen (Urteil vom 25. März 2021, Deutsche Telekom/Kommission, C‑152/19 P, EU:C:2021:238, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    79

    Zu Verhaltensweisen, die darin bestehen, den Zugang zu einer Infrastruktur zu verweigern, die ein beherrschendes Unternehmen für seine eigenen Tätigkeiten entwickelt hat und die es in Besitz hat, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass eine solche Verweigerung dann einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann, wenn nicht nur diese Verweigerung geeignet gewesen wäre, jeglichen Wettbewerb auf dem in Rede stehenden Markt durch denjenigen, der den Zugang begehrt, auszuschalten, und nicht objektiv zu rechtfertigen gewesen wäre, sondern die Infrastruktur selbst auch für die Ausübung der Tätigkeit des Wettbewerbers in dem Sinne unentbehrlich gewesen wäre, dass kein tatsächlicher oder potenzieller Ersatz für die Infrastruktur bestanden hätte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. November 1998, Bronner, C‑7/97, EU:C:1998:569, Rn. 41, und vom 25. März 2021, Deutsche Telekom/Kommission, C‑152/19 P, EU:C:2021:238, Rn. 43 und 44).

    80

    Dass in Rn. 41 des Urteils vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), diese Voraussetzungen verlangt wurden, war durch die besonderen Umstände der Rechtssache bedingt, in der dieses Urteil ergangen ist. Es ging dort um die Weigerung eines beherrschenden Unternehmens, einem Wettbewerber Zugang zu einer Infrastruktur zu gewähren, die es für seine eigene Tätigkeit entwickelt hatte, und um keine andere Verhaltensweise (Urteil vom 25. März 2021, Deutsche Telekom/Kommission, C‑152/19 P, EU:C:2021:238, Rn. 45).

    81

    Erstens muss, wie der Generalanwalt in den Nrn. 78 bis 82 seiner Schlussanträge ausgeführt, hat, die Fallgestaltung der Zerstörung einer Infrastruktur durch ein beherrschendes Unternehmen aber von der Fallgestaltung einer Zugangsverweigerung im Sinne der aus dem Urteil vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), hervorgegangenen Rechtsprechung unterschieden werden.

    82

    Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass sich diese Rechtsprechung im Wesentlichen auf die Fallgestaltung bezieht, in der der Zugang zu einer Infrastruktur verweigert wird und das beherrschende Unternehmen die von ihm entwickelte Infrastruktur durch diese Verweigerung letztlich seinem eigenen Gebrauch vorbehält (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. März 2021, Deutsche Telekom/Kommission, C‑152/19 P, EU:C:2021:238, Rn. 47). Diese Rechtsprechung setzt, wie der Generalanwalt im Einzelnen in Nr. 80 seiner Schlussanträge dargelegt hat, die Beibehaltung einer Infrastruktur voraus, deren Gebrauch sich das beherrschende Unternehmen vorbehält, um einen unmittelbaren Vorteil zu erlangen.

    83

    Es liegt auf der Hand, dass mit der Zerstörung einer Infrastruktur im Gegensatz dazu – gegebenenfalls über die mit dieser Zerstörung verbundenen Kosten – ein Vermögensgegenstand geopfert wird. Aufgrund der Zerstörung wird die Infrastruktur nicht nur für die Wettbewerber, sondern auch für das beherrschende Unternehmen selbst zwangsläufig unbrauchbar.

    84

    Die vorliegende Rechtssache wirft damit entgegen dem Vorbringen von LG kein „Problem des Zugangs“ zu einer Infrastruktur im Sinne der aus dem Urteil vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), hervorgegangenen Rechtsprechung auf.

    85

    Dies gilt umso mehr, als das beanstandete Verhalten, wie LG im Übrigen einräumt, nur einen einzigen Abschnitt des litauischen Schienennetzes betraf und den potenziellen Wettbewerber von LG nicht daran hinderte, gegebenenfalls über einen anderen Gleisabschnitt Zugang zu diesem Netz zu erhalten.

    86

    Zweitens lässt sich der Rechtsprechung des Gerichtshofs ebenfalls entnehmen, dass die in Rn. 41 des Urteils vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), aufgestellten Kriterien dazu dienen, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Erfordernissen eines unverfälschten Wettbewerbs einerseits sowie der Vertragsfreiheit und dem Eigentumsrecht des beherrschenden Unternehmens andererseits herzustellen. In diesem Sinne finden die Kriterien bei einer Verweigerung des Zugangs zu einer Infrastruktur Anwendung, die im Eigentum des beherrschenden Unternehmens steht und von ihm durch eigene Investitionen für seine eigene Tätigkeit aufgebaut wurden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. November 1998, Bronner, C‑7/97, EU:C:1998:569, Rn. 37, und vom 25. März 2021, Deutsche Telekom/Kommission, C‑152/19 P, EU:C:2021:238, Rn. 47).

    87

    Folglich hat das Gericht in den Rn. 90, 93 und 94 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Kriterien in Anbetracht ihres Zweckzusammenhangs keine Anwendung finden, wenn die in Rede stehende Infrastruktur wie im vorliegenden Fall nicht über eigene Investitionen des beherrschenden Unternehmens, sondern mit öffentlichen Mitteln finanziert wurde und dieses Unternehmen nicht Eigentümer der Infrastruktur ist.

    88

    Drittens ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass eine regulatorische Verpflichtung für die Beurteilung der Frage relevant sein kann, ob eine Verhaltensweise im Sinne von Art. 102 AEUV missbräuchlich ist. Zwar vermag eine das beherrschende Unternehmen treffende regulatorische Verpflichtung, Zugang zu der in Rede stehenden Infrastruktur zu gewähren, die Kommission nicht davon zu entbinden, einen „Missbrauch“ im Sinne von Art. 102 AEUV nachzuweisen. Ungeachtet dessen hat eine solche Verpflichtung zur Folge, dass das beherrschende Unternehmen den Zugang zu dieser Infrastruktur – gegebenenfalls unbeschadet seiner Freiheit in der Gestaltung der Bedingungen eines solchen Zugangs – nicht regelrecht verweigern darf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. März 2021, Deutsche Telekom/Kommission, C‑152/19 P, EU:C:2021:238, Rn. 57 und 58 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    89

    Das Gericht hat also rechtsfehlerfrei in den Rn. 91 und 92 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die im Urteil vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), aufgestellten Kriterien keine Anwendung finden, wenn das beherrschende Unternehmen einer Pflicht unterliegt, Zugang zu seiner Infrastruktur zu gewähren.

    90

    LG als solche bestreitet im vorliegenden Fall indessen nicht, der Pflicht zu unterliegen, Zugang zum litauischen Schienennetz zu gewähren. Streitig ist ausschließlich, wie weit diese Pflicht reicht.

    91

    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Beseitigung des Gleisabschnitts entgegen der Argumentation von LG nicht als Verweigerung des Zugangs im Sinne der aus dem Urteil vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), hervorgegangenen Rechtsprechung, sondern gegebenenfalls als eine eigenständige Form des Missbrauchs anzusehen ist (vgl. entsprechend Urteile vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige, C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 55 bis 58, und vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 75). Daher sind die in Rn. 41 des Urteils vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:569), aufgestellten Kriterien für die Beurteilung des in Rede stehenden Verhaltens nicht anwendbar.

    92

    Das Gericht hat folglich zu Recht in Rn. 99 des angefochtenen Urteils befunden, dass die Kommission keinen Fehler beging, als sie nicht prüfte, ob das in Rede stehende Verhalten diese Kriterien erfüllte.

    93

    Nach alledem greift der erste Rechtsmittelgrund nicht durch.

    Zum zweiten Rechtsmittelgrund

    Vorbringen der Parteien

    94

    Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund macht LG geltend, das Gericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen habe, dass die Beseitigung des Gleisanschlusses unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache einen „Missbrauch“ im Sinne von Art. 102 AEUV darstelle, und es habe diese Beseitigung somit selbst rechtsfehlerhaft als „missbräuchliche Praxis“ eingestuft.

    95

    Das Gericht habe, wie schon die Kommission, diese Einstufung in den Rn. 168, 170, 177, 197, 204 und 231 des angefochtenen Urteils auf zwei kumulative Umstände gestützt, und zwar den Umstand, dass die Beseitigung „in großer Eile“ vollzogen worden sei und dass sie vollzogen worden sei, „ohne die benötigten Mittel erhalten zu haben“. Keiner dieser beiden Umstände rechtfertige jedoch eine solche Beurteilung.

    96

    Unter Verweis auf die Rn. 148, 164 und 168 des angefochtenen Urteils macht LG erstens geltend, das Gericht habe anerkannt, dass ihr die Möglichkeit offengestanden habe, sich für die Beseitigung des Gleisabschnitts zu entscheiden, statt Teilreparaturen vorzunehmen, die zu seiner späteren Ersetzung geführt hätten. Somit sei der ihr vorgeworfene Missbrauch allein im Zeitpunkt der Beseitigung, ab dem 3. Oktober 2008, zu sehen. Da der Zeitpunkt der Beseitigung jedoch keine Auswirkungen auf deren Kosten gehabt habe, sei die Entscheidung, die Beseitigung sofort durchzuführen, eine vernünftige Managemententscheidung gewesen. Überdies habe das Gericht in den Rn. 197, 204 und 209 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass LG keine wettbewerbsfeindliche Absicht verfolgt habe.

    97

    Zweitens trägt LG vor, sie sei davon ausgegangen, die Mittel für den Wiederaufbau des Gleisabschnitts zum Zeitpunkt der Durchführung des Hauptteils der Arbeiten zu erhalten. Unter Verweis auf die Rn. 152, 153, 160, 171, 174 bis 176 und 196 des angefochtenen Urteils trägt sie vor, dass sie am 2. Oktober 2008 vor Beginn der Arbeiten zur Beseitigung des Gleisabschnitts eine Finanzierung beantragt habe, dass europäische Mittel zu diesem Zeitpunkt verfügbar gewesen seien und dass sie somit nicht in wettbewerbsfeindlicher Absicht gehandelt habe.

    98

    Die Umstände, auf die sich das Gericht bezogen habe, um den ihr vorgeworfenen Missbrauch festzustellen, seien im Wesentlichen nach dem 3. Oktober 2008 eingetreten. Das Gericht habe insoweit einen Rechtsfehler begangen, als es ihr in den Rn. 164, 165, 170 und 178 des angefochtenen Urteils auferlegt habe, den Zeitpunkt der Beseitigung des Gleisabschnitts zu belegen oder zu rechtfertigen, obwohl es der Kommission obliege, den Missbrauch nachzuweisen.

    99

    Außerdem habe das Gericht in den Rn. 152 und 170 des angefochtenen Urteils versäumt, ihr Vorbringen zur Zwischenlagerung der wiederverwendbaren Teile des Gleisabschnitts und zu ihrer Wiederverwendung für andere Abschnitte des Schienennetzes konkret zu prüfen. Jedenfalls sei es für den Beginn der Vorbereitungen eines Projekts nicht notwendig, zuvor die für das gesamte Projekt benötigten Mittel erhalten zu haben.

    100

    In ihrer Erwiderung stellt LG klar, dass sie den vorliegenden Rechtsmittelgrund auf die beiden einzigen Gesichtspunkte gestützt habe, die vom Gericht systematisch angeführt worden seien und den Umstand beträfen, dass die Beseitigung des Gleisabschnitts „in großer Eile“, und ohne dass LG zuvor die benötigten Mittel erhalten habe, vollzogen worden sei. Selbst wenn sämtliche der vier oder fünf in den Rn. 42 und 194 des angefochtenen Urteils aufgeführten Gesichtspunkte einzubeziehen sein sollten, so trüge dies jedenfalls die Feststellung eines Missbrauchs nicht. Denn die zusätzlichen Gesichtspunkte, die nebensächlich oder unerheblich seien, eigneten sich nicht zum Nachweis eines solchen Missbrauchs.

    101

    LG hat außerdem in der mündlichen Verhandlung Argumente angeführt, um jeden dieser fünf Gesichtspunkte zu widerlegen.

    102

    Die Kommission ist der Auffassung, dass der Rechtsmittelgrund jeder Grundlage entbehre.

    103

    Orlen macht geltend, der Rechtsmittelgrund sei nicht schlüssig und in jedem Fall insofern unzulässig, als er auf eine Beanstandung der Tatsachen- und Beweiswürdigung des Gerichts hinauslaufe.

    Würdigung durch den Gerichtshof

    104

    Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund wirft LG dem Gericht vor, die Einstufung der Beseitigung des Gleisabschnitts durch die Kommission als „Missbrauch einer beherrschenden Stellung“ im Sinne von Art. 102 AEUV rechtsfehlerhaft bestätigt zu haben. Diese Einstufung werde in den Rn. 168, 170, 177, 197, 204 und 231 des angefochtenen Urteils auf zwei kumulative Umstände gestützt, und zwar den Umstand, dass die Beseitigung „in großer Eile“ durchgeführt worden sei, und darauf, dass sie vollzogen worden sei, „ohne die benötigten Mittel erhalten zu haben“.

    105

    Soweit diese Argumentation auf der Prämisse fußt, dass die Einstufung der Beseitigung des Gleisabschnitts als „Missbrauch einer beherrschenden Stellung“ ausschließlich auf diesen beiden Umständen beruhe, ist festzustellen, dass sie auf einem offensichtlich falschen Verständnis des angefochtenen Urteils basiert.

    106

    Einer Gesamtbetrachtung des angefochtenen Urteils und insbesondere seiner Rn. 42, 83, 193, 194, 196 und 224 lässt sich nämlich unzweideutig entnehmen, dass das Gericht betont hat, die Kommission sei unter Berücksichtigung sämtlicher tatsächlicher und rechtlicher Umstände, die mit der Beseitigung des Gleisabschnitts einhergegangen seien, im streitigen Beschluss zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Beseitigung einen „Missbrauch einer beherrschenden Stellung“ im Sinne von Art. 102 AEUV darstelle.

    107

    Diese in Rn. 39 des vorliegenden Urteils dargelegten Umstände beziehen sich darauf, dass LG sich bewusst gewesen sei, dass Orlen erwogen habe, auf die lettischen Seehäfen umzusteigen und dafür die Dienste von LDZ zu nutzen, dass LG die Entfernung des Gleisabschnitts in großer Eile vorgenommen habe, ohne sich zuvor zu vergewissern, dass die dafür erforderlichen Mittel bereitständen, und ohne die normalen Vorbereitungen für den Neubau des Gleisabschnitts zu treffen, dass die Beseitigung des Gleisabschnitts nicht dem branchenüblichen Vorgehen entsprochen habe, dass LG sich der Gefahr bewusst gewesen sei, im Fall eines Neubaus des Gleisabschnitts alle geschäftlichen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Transport der Produkte von Orlen zu verlieren, und dass LG Schritte unternommen habe, um die litauische Regierung davon zu überzeugen, den Gleisabschnitt nicht wieder aufzubauen.

    108

    Erst nachdem es sämtliche von LG gegen diese Beurteilung vorgebrachten Argumente verworfen hat, hat das Gericht die Stichhaltigkeit der Beurteilung der Kommission bestätigt.

    109

    Dass das Gericht sich in den von LG angegriffenen Rn. 168, 170, 177, 197, 204 und 231 des angefochtenen Urteils lediglich auf die beiden in den Rn. 39 und 107 des vorliegenden Urteils dargestellten Umstände, nämlich die Beseitigung des Gleisabschnitts in großer Eile und ohne Sicherstellung der benötigten Mittel, bezogen hat, kann diesem Verständnis des angefochtenen Urteils nicht entgegengehalten werden. Denn das Gericht hat sich in diesen Randnummern darauf beschränkt, die konkret auf diese Umstände bezogenen Argumente zu prüfen, die LG gegen die Feststellung vorgebracht hatte, es liege ein „Missbrauch einer beherrschenden Stellung“ im Sinne von Art. 102 AEUV vor.

    110

    Der vorliegende Rechtsmittelgrund ist folglich als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass das Vorbringen, das sich im Einzelnen mit diesen beiden Umständen beschäftigt, geprüft zu werden braucht.

    111

    In jedem Fall ist, wie der Generalanwalt in den Nrn. 99 bis 102 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, darauf hinzuweisen, dass LG mit dieser Argumentation wie auch mit dem verspäteten Vorbringen in der Erwiderung und in der mündlichen Verhandlung, mit dem sie sich gegen die übrigen Umstände wendet, anhand deren die Feststellung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung gerechtfertigt wurde, in Wirklichkeit eine neue Beurteilung des Sachverhalts anstrebt.

    112

    Da keinerlei Verfälschung behauptet wird, ist dieses Vorbringen nach der in Rn. 60 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung daher unzulässig.

    113

    Nach alledem ist der zweite Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

    Zum dritten Rechtsmittelgrund

    Vorbringen der Parteien

    114

    Mit dem dritten Rechtsmittelgrund macht LG geltend, dem Gericht seien in den Rn. 219 bis 233 des angefochtenen Urteils Rechtsfehler unterlaufen, als es die Beseitigung des Gleisabschnitts als solche und unabhängig von der vorherigen Aussetzung des Verkehrs auf diesem Gleisabschnitt als „Praxis, die wettbewerbswidrige Wirkungen habe entfalten können“ angesehen habe.

    115

    Erstens beruhe der Ansatz des Gerichts auf einer falschen Annahme, die aus den Rn. 223, 225 und 227 des angefochtenen Urteils hervorgehe. Nach dieser Annahme des Gerichts habe die von LG als „Option 1“ eingestufte Option, die in zielgerichteten Anfangsreparaturen, gefolgt von einem anschließenden vollständigen Neubau des gesamten Gleisabschnitts innerhalb von fünf Jahren, bestanden habe, eine relevante und wirtschaftlich sinnvolle Alternative zu der von LG als „Option 2“ bezeichneten Option gebildet, die in einem sofortigen vollständigen Neubau des Gleisabschnitts bestanden habe. Das Gericht habe den in den Rn. 150, 151 und 167 des angefochtenen Urteils zusammengefassten Standpunkt von LG, wonach die „Option 2“ die einzig relevante und wirtschaftlich sinnvolle Lösung gewesen sei, aber nicht zurückgewiesen, sondern sich in Rn. 168 des Urteils damit begnügt, diese Frage unbeantwortet zu lassen. Unter diesen Umständen ist LG der Auffassung, dass für das vorliegende Rechtsmittel anzunehmen sei, dass die „Option 2“ die einzige relevante und wirtschaftlich sinnvolle Lösung gewesen sei. Folglich seien die Rn. 223, 225 und 227 des Urteils widersprüchlich und nicht mit der Wahl dieser zuletzt genannten Option vereinbar.

    116

    Außerdem beruhten die Rn. 223, 225 und 227 des angefochtenen Urteils auf der falschen Annahme, der Gleisabschnitt habe „kurzfristig“ durch die Anfangsreparaturen der „Option 1“ wieder in Betrieb genommen werden können. Dies sei indessen nicht der Fall, da – wie LG vor dem Gericht geltend gemacht habe – für solche Reparaturen das gleiche Verfahren, u. a. um Gelder der Republik Litauen oder der Union zu erhalten, wie für die „Option 2“ hätte verfolgt werden müssen. Das Gericht habe dies nicht berücksichtigt und sich somit widersprochen.

    117

    Zweitens habe sich das Gericht in Rn. 225 des angefochtenen Urteils widersprochen, als es entschieden habe, dass die erste Maßnahme der „Option 1“„[R]eparaturen an … Stellen des Gleisabschnitts“ bedeutet hätte, während es in Rn. 164 des Urteils anerkannt habe, dass diese Option erhebliche Reparaturen entlang des gesamten Gleisabschnitts mit sich gebracht hätte.

    118

    Drittens meint LG, ihr obliege entgegen den Ausführungen des Gerichts in den Rn. 221 bis 223 des angefochtenen Urteils keine unbedingte gesetzliche Pflicht, durch Vornahme der Anfangsreparaturen im Rahmen der „Option 1“ den Normalbetrieb des Gleisabschnitts wiederherzustellen, vielmehr sei sie berechtigt gewesen, sich für die „Option 2“ zu entscheiden. Diese habe eine Wiederherstellung des Normalbetriebs erlaubt, wobei der Zeitpunkt der bei der Durchführung der „Option 2“ unvermeidbaren Beseitigung des Gleisabschnitts keine Relevanz habe.

    119

    Viertens sei die Feststellung in Rn. 225 des angefochtenen Urteils, es sei dadurch, dass LDZ ihren Antrag auf Erteilung einer Lizenz für die Nutzung des litauischen Teils der kurzen Strecke nach Lettland zurückgezogen habe, als Orlen zu der Auffassung gelangt sei, dass LG nicht beabsichtige, den Gleisabschnitt kurzfristig zu reparieren, zu einer Verdrängungswirkung gekommen, im Hinblick auf die Rn. 24 und 25. des Urteils widersprüchlich. In diesen Rn. 24 und 25 habe das Gericht ausgeführt, dass LDZ die Lizenz „Ende Juni 2009“, d. h. nach Beseitigung des Gleisabschnitts, beantragt habe. Die Beseitigung habe mithin keinen Einfluss auf die Entscheidung gehabt, den Antrag auf Erteilung einer Lizenz zurückzuziehen. Diese Entscheidung sei in Wirklichkeit darauf zurückzuführen, dass Orlen Mitte 2010 zu der Auffassung gelangt sei, dass LG nicht beabsichtige, den Gleisabschnitt kurzfristig zu reparieren, wie Rn. 26 des angefochtenen Urteils zu entnehmen sei.

    120

    Fünftens ergänzt LG in ihrer Erwiderung, dass die nach der zuvor erfolgten Aussetzung des Verkehrs bestehende Situation durch die unverzügliche Umsetzung der Beseitigung des Gleisabschnitts nicht verschlimmert worden sei. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt, d. h. dem 3. Oktober 2008, habe es ohne die Beseitigung „keine Aussicht gegeben, dass der Gleisabschnitt kurzfristig wieder in Betrieb genommen [werde]“.

    121

    Die Kommission und Orlen beantragen, dieses Vorbringen insgesamt als im Wesentlichen unbegründet zurückzuweisen.

    Würdigung durch den Gerichtshof

    122

    Mit dem dritten Rechtsmittelgrund rügt LG Rechtsfehler des Gerichts in den Rn. 219 bis 233 des angefochtenen Urteils.

    123

    In diesen Randnummern hat das Gericht das Vorbringen geprüft und verworfen, mit dem LG die Beurteilungen der Kommission angegriffen hatte, die Beseitigung des Gleisabschnitts als solche sei unabhängig von der zuvor erfolgten Aussetzung des Verkehrs auf dem Gleisabschnitt geeignet gewesen, wettbewerbswidrige Verdrängungswirkungen zu entfalten.

    124

    Erstens beruht die Argumentation, es liege ein Widerspruch zwischen Rn. 168 des angefochtenen Urteils und dessen Rn. 223, 225 und 227 vor, auf einem fehlerhaften Verständnis dieser Randnummern.

    125

    Das Gericht hat in Rn. 168 des angefochtenen Urteils nämlich in keiner Weise die „Option 2“, die einen sofortigen vollständigen Neubau des Gleisabschnitts bedeutete, als einzig relevante und wirtschaftlich sinnvolle Lösung eingestuft. Im Gegenteil. Der dortigen Formulierung „[s]elbst wenn man … annimmt, dass, wie [LG] geltend macht, die Option 2 die einzig relevante und wirtschaftlich sinnvolle Lösung gewesen sei“ lässt sich eindeutig entnehmen, dass das Gericht – wie LG im Übrigen einräumt – die Frage, ob diese Option gegebenenfalls unter Ausschluss der „Option 1“ die einzige relevante und wirtschaftlich sinnvolle Lösung gewesen wäre, nicht entschieden hat. Folglich kann entgegen dem Vorbringen von LG offensichtlich nicht vertreten werden, dass die „Option 2“ für die Zwecke des vorliegenden Rechtsmittels die einzige relevante und wirtschaftlich sinnvolle Option gewesen wäre.

    126

    Damit ist die auf einer derartigen Prämisse beruhende und auf eine widersprüchliche Begründung gestützte Argumentation als nicht stichhaltig zurückzuweisen.

    127

    Soweit LG außerdem die Erwägung in den Rn. 223, 225 und 227 des angefochtenen Urteils angreift, nach der eine „kurzfristige“ Wiederinbetriebnahme des Gleisabschnitts im Wege von Anfangsreparaturen möglich gewesen wäre, genügt der Hinweis, dass LG damit in Wahrheit unter dem Deckmantel der Geltendmachung eines angeblichen Widerspruchs versucht, die Tatsachenwürdigung des Gerichts in Frage zu stellen. Da LG keinerlei Verfälschung dieser Tatsachen durch das Gericht behauptet, ist ihr Vorbringen gemäß der in Rn. 60 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung unzulässig.

    128

    Was zweitens einen angeblichen Widerspruch zwischen den Rn. 164 und 225 des angefochtenen Urteils betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass sich nach den Feststellungen des Gerichts in Rn. 164 des Urteils aus einem Schreiben vom 18. September 2008 der Direktion für Eisenbahninfrastrukturen der LG an den Rat für strategische Planung der LG ergibt, dass nur 1,6 km des Gleisabschnitts sofort saniert werden müssten und dass die auf 19 km des Gleisabschnitts konstatierten Mängel bedeuteten, dass dieser „innerhalb von fünf Jahren vollständig repariert werden müsse“. Das Gericht ist davon ausgegangen, dass Probleme, die 1,6 km von 19 km des Gleisabschnitts beträfen, nicht dessen völlige und sofortige Entfernung rechtfertigen könnten. Es hat ebenfalls festgestellt, dass dieses Schreiben auch keinen Hinweis darauf gegeben habe, dass die vollständige, innerhalb von fünf Jahren durchzuführende Reparatur die vollständige und sofortige Entfernung des Gleisabschnitts vorausgesetzt hätte.

    129

    Was Rn. 225 des angefochtenen Urteils betrifft, hat das Gericht dort darauf verwiesen, dass die erste Maßnahme der „Option 1“ darin bestanden habe, „Anfangsreparaturen an den Stellen des Gleisabschnitts, die keinen sicheren Schienenverkehr ermöglichten“, durchzuführen.

    130

    Diese Feststellung steht aber offensichtlich in keiner Weise im Widerspruch mit der Notwendigkeit sofortiger Reparaturen auf einem Bruchteil des Gleisabschnitts und auch nicht mit der einer vollständigen Reparatur innerhalb eines längeren Zeitraums von fünf Jahren.

    131

    Das auf einen Widerspruch zwischen den Rn. 164 und 225 des angefochtenen Urteils gestützte Vorbringen ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

    132

    Drittens ist zu dem Vortrag, mit dem die Rn. 221 bis 223 des angefochtenen Urteils angegriffen werden sollen, festzustellen, dass er auf einem isolierten und fehlerhaften Verständnis dieser Randnummern beruht.

    133

    In den Rn. 221 und 222 des Urteils hat das Gericht festgestellt, dass LG als Betreiberin von Eisenbahninfrastrukturen neben der gesetzlichen Verpflichtung zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit eine gesetzliche Verpflichtung obliege, Störungen gering zu halten und die Leistung des Eisenbahnnetzes zu verbessern. In Rn. 223 des Urteils hat das Gericht darauf verwiesen, dass LG als beherrschendes Unternehmen auf dem relevanten Markt auch eine besondere Verantwortung dafür trage, durch ihr Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb nicht zu beeinträchtigen. LG hätte dem Rechnung tragen müssen und mittels eines stufenweisen Neubaus vermeiden müssen, dass jegliche Möglichkeit für eine kurzfristige Wiederinbetriebnahme des Gleisabschnitts vereitelt werde. Daraus hat das Gericht in Rn. 224 des Urteils abgeleitet, dass es LG mit der Beseitigung des gesamten Gleisabschnitts unter den vorliegenden Umständen unterlassen habe, auf die besondere Verantwortung, die ihr nach Art. 102 AEUV oblegen habe, Rücksicht zu nehmen.

    134

    Aus den Rn. 225 und 229 des angefochtenen Urteils ergibt sich ferner, dass die Feststellung, dass es durch diese Beseitigung des Gleisabschnitts zu einer möglichen wettbewerbswidrigen Verdrängung vom Markt kommen könne, zum einen auf den Umstand gestützt wurde, dass LG die Situation, die nach der Aussetzung des Verkehrs auf diesem Gleisabschnitt gegeben war, verschlimmert hatte, und zum anderen auf die Modalitäten der Durchführung der „Option 2“, nicht aber auf den Umstand als solchen, dass diese Option anstelle der „Option 1“ gewählt worden war.

    135

    Diesen Gesichtspunkten lässt sich entnehmen, dass das Gericht LG entgegen deren Vortrag keine „unbedingte gesetzliche Pflicht“ auferlegt hat, im Wege der Anfangsreparaturen der „Option 1“ den Normalbetrieb des Gleisabschnitts wiederherzustellen. Vielmehr wurde mit den konkreten Modalitäten der Durchführung der „Option 2“ und mit den Wirkungen der Beseitigung des Gleisabschnitts die Feststellung wettbewerbswidriger Wirkungen begründet.

    136

    Folglich ist dieses Vorbringen als unbegründet zurückzuweisen.

    137

    Viertens stellt, wie die Verwendung des Ausdrucks „in der Tat“ im Sinnzusammenhang des letzten Satzes der Rn. 225 des angefochtenen Urteils zeigt, die Bezugnahme darauf, dass LDZ ihren Antrag auf Erteilung einer Lizenz für die Nutzung des litauischen Teils der kurzen Strecke nach Lettland zurückgezogen hat, keine tragende Erwägung dar.

    138

    Daraus folgt, dass das Vorbringen von LG, es liege ein Widerspruch zwischen dieser Randnummer sowie den Rn. 24 und 25 des Urteils vor, als ins Leere gehend zurückzuweisen ist.

    139

    Fünftens ist das Vorbringen von LG, soweit sie in ihrer Erwiderung erstmals geltend macht, dass die nach der Aussetzung des Verkehrs bestehende Situation durch die unverzügliche Umsetzung der Beseitigung des Gleisabschnitts nicht verschlimmert worden sei, aufgrund seiner Verspätung unzulässig. Außerdem soll mit ihm eine Tatsachenwürdigung in Frage gestellt werden, die gemäß der in Rn. 60 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs im Rechtsmittelverfahren fällt.

    140

    Nach alledem ist der dritte Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

    Zum vierten Rechtsmittelgrund

    Vorbringen der Parteien

    141

    Mit dem vierten Rechtsmittelgrund beanstandet LG, dem Gericht sei bei seiner Prüfung der Rechtmäßigkeit der gegen sie verhängten Geldbuße ein Rechtsfehler unterlaufen.

    142

    Hierzu führt LG aus, dass sich den Rn. 98, 196, 204 und 209 des angefochtenen Urteils entnehmen lasse, dass der streitige Beschluss und die Erwägungen der Kommission nach Ansicht des Gerichts nicht auf die Feststellung einer wettbewerbsfeindlichen Absicht von LG gestützt gewesen seien.

    143

    Das Gericht habe sich aber im Rahmen der Prüfung des Vorbringens zur Neuartigkeit der im streitigen Beschluss vertretenen Rechtsansicht und der Schwere der LG vorgeworfenen Zuwiderhandlung bei der Überprüfung der Geldbuße auf eine solche Absicht bezogen. Dies werde durch die Formulierungen in den Rn. 339, 368 und 374 des angefochtenen Urteils belegt, nach denen das beanstandete Verhalten „darauf gerichtet [gewesen sei], die Konkurrenten vom Markt fernzuhalten“, oder mit dem „Ziel, Wettbewerber vom Markt fernzuhalten“, erfolgt sei.

    144

    Das Gericht habe sich somit selbst widersprochen. Diese Widersprüchlichkeit der Begründung habe sich auf die Beurteilung des Gerichts zur Notwendigkeit, eine Geldbuße zu verhängen, und gegebenenfalls auf die Beurteilung ihres angemessenen Betrags sowie der Schwere der Zuwiderhandlung ausgewirkt. Ohne die Widersprüchlichkeit hätte das Gericht die Neuartigkeit der dem streitigen Beschluss zugrunde liegenden Rechtsansicht einräumen müssen und hätte einen anderen Ansatz zur Schwere der Zuwiderhandlung bei Fehlen einer wettbewerbsfeindlichen Ansicht und somit auch hinsichtlich der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung wählen können.

    145

    In ihrer Erwiderung fügt LG, auf den letztgenannten Gesichtspunkt bezogen, an, dass die Beurteilung des Gerichts, da die Feststellung einer solchen Absicht fehlerhaft gewesen sei, unabhängig von den weiteren, gegebenenfalls von ihm berücksichtigten Faktoren abgeändert werden könne. In jedem Fall könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Betrag der vom Gericht festgesetzten Geldbuße niedriger ausgefallen wäre, wenn es sich nicht auf eine widersprüchliche Begründung und auf die angebliche Absicht von LG, ihre Wettbewerber vom Markt fernzuhalten, gestützt hätte.

    146

    In der mündlichen Verhandlung hat LG noch hinzugefügt, dass das Gericht bei der Berechnung der Geldbuße in Rn. 399 des angefochtenen Urteils die Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt habe, die auf der wettbewerbsfeindlichen Absicht basiere. Mit der Bezugnahme auf die wettbewerbsfeindliche Absicht als Gesichtspunkt für die Beurteilung der Schwere habe das Gericht die von der Kommission festgestellten Tatbestandsmerkmale der Zuwiderhandlung geändert und somit seine Befugnisse überschritten.

    147

    Die Kommission wendet ein, dieser Rechtsmittelgrund gehe ins Leere.

    Würdigung durch den Gerichtshof

    148

    Mit dem vierten Rechtsmittelgrund wirft LG dem Gericht eine widersprüchliche Begründung vor. So habe das Gericht zum einen in den Rn. 169, 204 und 209 des angefochtenen Urteils das Vorliegen einer wettbewerbsfeindlichen Absicht bei der Überprüfung der Feststellung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung ausdrücklich verneint. Zum anderen habe es in den Rn. 339, 368 und 374 des Urteils jedoch eine solche Absicht anklingen lassen und sie bei der Berechnung des Betrags der Geldbuße in den Rn. 397 bis 406 des Urteils berücksichtigt. Diese Widersprüchlichkeit und die Berücksichtigung einer wettbewerbsfeindlichen Absicht bei der Berechnung der Geldbuße hätten sich auf die Wahrnehmung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht und folglich auf den Betrag der gegen LG verhängten Geldbuße ausgewirkt.

    149

    Dieser Rechtsmittelgrund geht ins Leere. Selbst wenn sich das Gericht, wie LG vorträgt, widersprochen hätte, wäre eine solche Widersprüchlichkeit nämlich weder dazu geeignet, eine Aufhebung des angefochtenen Urteils zu rechtfertigen, noch dazu, zu einer Neubewertung des Betrags der Geldbuße durch den Gerichtshof zu führen.

    150

    Denn das Gericht hat, nachdem es sämtliche auf eine Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses wegen Rechtswidrigkeit gerichteten Klagegründe sowie alle von LG zur Stützung ihres Antrags auf Herabsetzung der Geldbuße vorgebrachten Rügen zurückgewiesen hat, in den Rn. 389 bis 406 des angefochtenen Urteils eine Neubewertung des Betrags der Geldbuße vorgenommen. Nach Abschluss dieser Neubewertung hat das Gericht – ohne den geringsten Hinweis auf eine wettbewerbsfeindliche Absicht – die Geldbuße auf 20068650 Euro festgesetzt, einen erheblich niedrigeren Betrag als den von der Kommission angesetzten.

    151

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht nach Art. 261 AEUV und Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 über die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der von der Kommission festgesetzten Geldbußen verfügt.

    152

    Das Gericht ist deshalb über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit dieser Geldbußen hinaus dazu ermächtigt, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen (Urteile vom 22. November 2012, E.ON Energie/Kommission, C‑89/11 P, EU:C:2012:738, Rn. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 18. März 2021, Pometon/Kommission, C‑440/19 P, EU:C:2021:214, Rn. 136).

    153

    Dagegen darf der Gerichtshof bei seiner Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens nicht seine eigene Würdigung aus Gründen der Billigkeit an die Stelle der Würdigung des Gerichts setzen, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über die Höhe der gegen Unternehmen wegen Verletzung des Unionsrechts verhängten Geldbußen entscheidet. Nur wenn der Gerichtshof der Ansicht wäre, dass die Höhe der Sanktion nicht nur unangemessen, sondern auch dermaßen überhöht ist, dass sie unverhältnismäßig wird, wäre somit ein Rechtsfehler des Gerichts wegen der unangemessenen Höhe einer Geldbuße festzustellen (Urteile vom 22. November 2012, E.ON Energie/Kommission, C‑89/11 P, EU:C:2012:738, Rn. 125 und 126 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 18. März 2021, Pometon/Kommission, C‑440/19 P, EU:C:2021:214, Rn. 137).

    154

    Außerdem ist das Gericht nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch bestimmte Pflichten gebunden, zu denen die Begründungspflicht gemäß Art. 36 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach Art. 53 Abs. 1 dieser Satzung auf das Gericht anwendbar ist, und der Gleichbehandlungsgrundsatz zählen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Dezember 2014, Kommission/Parker Hannifin Manufacturing und Parker-Hannifin, C‑434/13 P, EU:C:2014:2456, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 18. März 2021, Pometon/Kommission, C‑440/19 P, EU:C:2021:214, Rn. 138).

    155

    Im vorliegenden Fall hat sich das Gericht bei der Beurteilung des Betrags der Geldbuße im Einklang mit Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003, wie sich den Rn. 394, 395, 397 und 404 des angefochtenen Urteils entnehmen lässt, von der Berücksichtigung der Schwere der Zuwiderhandlung und deren Dauer leiten lassen. In den Rn. 399 bis 402 des angefochtenen Urteils hat das Gericht hinsichtlich der Schwere der in Rede stehenden Zuwiderhandlung die Art dieser Zuwiderhandlung, die Position von LG auf den relevanten Märkten und die geografische Tragweite der Zuwiderhandlung berücksichtigt.

    156

    Der in den Rn. 398 bis 406 des angefochtenen Urteils ausgeführten Begründung lässt sich, wie der Generalanwalt in den Nrn. 151 und 153 bis 155 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, eindeutig entnehmen, dass die Neubewertung der Geldbuße keineswegs auf der Berücksichtigung irgendeiner wettbewerbswidrigen Absicht beruht.

    157

    Selbst wenn sich das Gericht bei der Beurteilung des Vorbringens von LG zur Stützung ihrer Anträge auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses und auf Herabsetzung des Betrags der Geldbuße hinsichtlich des Bestehens einer wettbewerbsfeindlichen Absicht widersprochen haben sollte, hätte sich eine solche Widersprüchlichkeit folglich jedenfalls nicht auf die Neubewertung des Betrags der Geldbuße durch das Gericht ausgewirkt.

    158

    Daher geht die Argumentation von LG, das angefochtene Urteil leide an einer widersprüchlichen Begründung, in jedem Fall ins Leere.

    159

    Soweit LG vom Gerichtshof eine Kontrolle der Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht begehrt, genügt außerdem die Feststellung, dass LG in Anbetracht der in Rn. 153 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung keine Gesichtspunkte vorgetragen hat, denen entnommen werden könnte, dass die Höhe der durch das Gericht herabgesetzten Geldbuße nicht nur unangemessen, sondern auch dermaßen überhöht wäre, dass sie unverhältnismäßig würde.

    160

    Nach alledem ist der vierte Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

    161

    Da keiner der zur Stützung des vorliegenden Rechtsmittels geltend gemachten Gründe durchgreift, ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

    Kosten

    162

    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

    163

    Da LG mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission und von Orlen neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission und von Orlen aufzuerlegen.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

     

    1.

    Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

     

    2.

    Die Lietuvos geležinkeliai AB trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten, die der Europäischen Kommission und der Orlen Lietuva AB entstanden sind.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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