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Document 52016AE4259

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System von Überprüfungen im Hinblick auf den sicheren Betrieb von Ro-Ro-Fahrgastschiffen und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen im Linienverkehr und zur Änderung der Richtlinie 2009/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Hafenstaatkontrolle sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/35/EG des Rates“ (COM(2016) 371 final — 2016/0172 (COD))

ABl. C 34 vom 2.2.2017, p. 176–181 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

2.2.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 34/176


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System von Überprüfungen im Hinblick auf den sicheren Betrieb von Ro-Ro-Fahrgastschiffen und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen im Linienverkehr und zur Änderung der Richtlinie 2009/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Hafenstaatkontrolle sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/35/EG des Rates“

(COM(2016) 371 final — 2016/0172 (COD))

(2017/C 034/30)

Berichterstatter:

Jan SIMONS

Befassung

Europäisches Parlament, 9.6.2016

Rat der Europäischen Union, 22.6.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 100 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

(COM(2016) 371 final — 2016/0172 (COD))

Zuständige Fachgruppe

Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

6.10.2016

Verabschiedung auf der Plenartagung

19.10.2016

Plenartagung Nr.

520

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

222/2/6

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der EWSA begrüßt insgesamt die Ziele des REFIT-Programms der Europäischen Kommission zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung mit dem übergeordneten Ziel, einen klaren, einfachen und kohärenten Rechtsrahmen für die Sicherheit von Fahrgastschiffen zu schaffen, der einfacher umzusetzen, zu überwachen und durchzusetzen ist, und dadurch das allgemeine Sicherheitsniveau für Fahrgäste und Schiffsbesatzungen zu gewährleisten.

1.2.

Der EWSA hält es für sehr wichtig, dass das EU-Überprüfungssystem für Fahrgastschiffe auf Inland- und/oder Auslandfahrten gleiche Wettbewerbsbedingungen in den EU-Gewässern für alle Fahrgastschiffe ungeachtet ihrer Flagge sicherstellt. Dennoch sollte sich die EU nach Meinung des EWSA vorrangig darum bemühen, angemessene Standards für die Seeverkehrssicherheit und den Schutz der Meeresumwelt weltweit sicherzustellen, die dann auf Schiffe anwendet werden, die in EU-Gewässern verkehren.

1.3.

Nach Auffassung des EWSA müssen einige Bestimmungen der vorgeschlagenen neuen Richtlinie präzisiert und zusätzliche Bestimmungen aufgenommen werden, um Überschneidungen bei den Überprüfungen oder unnötige neue Auflagen für die Behörden der Mitgliedstaaten zu vermeiden, die den kommerziellen Betrieb eines Schiffes beeinträchtigen oder die Besatzungen zusätzlich belasten würden. Hierzu zählen:

die Vermeidung möglicher Überschneidungen betreffend Überprüfungen zwischen der vorgeschlagenen neuen Richtlinie und der Richtlinie 2009/16/EG über die Hafenstaatkontrolle;

eine angemessene Koordinierung zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Planung der Überprüfungen.

1.4.

Mit der vorgeschlagenen neuen Richtlinie soll in angemessener Weise die Belastung der Besatzungen verringert werden; der EWSA betont indes, dass die Einhaltung der Mindestanforderungen für die Arbeit von Seeleuten an Bord eines Schiffes, u. a. auch in Bezug auf die im STCW-Übereinkommen (Internationales Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten) enthaltenen Befähigungsnachweise betreffend medizinische Fürsorge und Ausbildung, von grundlegender Bedeutung für die Seeverkehrssicherheit ist und daher im Einklang mit den geltenden internationalen Übereinkommen zu gewährleisten ist, beispielsweise mit dem Seearbeitsübereinkommen aus dem Jahr 2006, das mit der Richtlinie 2009/13/EG des Rates in EU-Recht umgesetzt wurde.

1.5.

Der EWSA ist sich daher bewusst, dass sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Schifffahrtsunternehmen aufgrund des Umfangs der zu präzisierenden Bestimmungen ihre derzeitigen Verfahren anpassen müssen. Der EWSA begrüßt daher die Rolle der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) und die nützliche Funktion der Sachverständigengruppe für die Sicherheit von Fahrgastschiffen (Passenger Ship Safety Expert Group) gegenüber der Gruppe der Sachverständigen für Sicherheit im Seeverkehr (Maritime Safety Group), um die Umsetzung und Durchführung in Zusammenarbeit mit den einschlägigen Sachverständigengruppen für die Hafenstaatkontrollen und die Umsetzung des nationalen einzigen Fensters (National Single Window) zu erleichtern.

1.6.

Der EWSA bringt sieben besondere technische Bemerkungen vor, für die an dieser Stelle auf Ziffer 5 verwiesen wird.

2.   Einleitung

2.1.

Die geografische Beschaffenheit Europas, das eine große Halbinsel ist, macht deutlich, wie entscheidend Seeverkehrsdienste, einschließlich der Beförderung von Fahrgästen, sind. Jährlich werden in den Häfen der EU mehr als 400 Mio. Fahrgäste abgefertigt, von denen 120 Mio. von Fahrgastschiffen auf Inlandfahrten befördert werden. Daher müssen höchste Sicherheitsstandards in den EU-Gewässern gewährleistet werden, zumal die Sicherheitsvorschriften für Fahrgastschiffe erhebliche Auswirkungen insbesondere auf die Umwelt, das Arbeitsrecht, die Mobilität der EU-Bürger sowie die Erleichterung des Handels mit Fahrgastschiffen haben, da letztere in der gesamten EU denselben Normen unterliegen.

2.2.

Die tragischen Fährunglücke der „Herald of Free Enterprise“ bei der Ausfahrt aus dem Hafen von Seebrügge (Belgien) im Jahr 1987 und der „Estonia“ auf dem Weg von Tallinn nach Stockholm vor der finnischen Küste in der Nacht vom 27. auf den 28. September 1994 sind zumindest all jenen, die sich für Seefahrt interessieren, noch in Erinnerung. Das erste Unglück, bei dem die Fähre auf eine Sandbank auflief, forderte 193 Opfer, beim Untergang der „Estonia“ kamen 852 Menschen ums Leben — ein trauriger Rekord. Die Bugklappe, durch die Fahrgäste und Fahrzeuge ein- und ausschiffen („roll-on-roll-off“, daher auch die Bezeichnung „Ro-Ro-Schiffe“), war nicht geschlossen bzw. wurde durch den heftigen Sturm stark beschädigt. In der Folge bekamen die Fähren schnell schwere Schlagseite und sanken aufgrund der eindringenden Wassermassen innerhalb von knapp 30 Minuten.

2.3.

Als Reaktion auf die „Estonia“-Katastrophe änderte die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) das Internationale Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (International Convention for the Safety of Life at Sea — SOLAS) und erhöhte u. a. die Anforderungen an die Leckstabilität für Ro-Ro-Fahrgastschiffe.

2.4.

Es kam indes auch weiter zu Unfällen, weshalb Europa in den letzten 20 Jahren ergänzende Sicherheitsvorschriften für Fahrgastschiffe ausgearbeitet hat, darunter einige spezifische Vorschriften, beispielsweise die Registrierung der an Bord befindlichen Personen, neben dem SOLAS-Übereinkommen für Auslandfahrten, unter die auch Fahrten zwischen zwei EU-Mitgliedstaaten fallen, sowie eine weitaus größere Zahl an EU-Vorschriften für Inlandfahrten.

2.5.

Die Vorschläge leiten sich aus dem REFIT-Programm (für „Regulatory Fitness and Performance“) zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung ab, dem die Europäische Kommission auch das Regelwerk für die Sicherheit von Fahrgastschiffen unterzogen hat.

2.6.

Ziel war die Vereinfachung und Straffung des bestehenden EU-Rechtsrahmens für die Sicherheit von Fahrgastschiffen wo immer möglich, um:

EU-Vorschriften nur dort, wo sie notwendig und angemessen sind, beizubehalten;

eine ordnungsgemäße und einheitliche Anwendung sicherzustellen;

Überschneidungen und Unstimmigkeiten zu beseitigen.

Dies steht im Einklang mit den Empfehlungen des EWSA in Sachen REFIT, die er in seiner vor Kurzem verabschiedeten Sondierungsstellungnahme (SC/044 vom 26. Mai 2016) ausgesprochen hat.

2.7.

Mit dem kohärenten Paket von Vorschlägen sollen eben diese Ziele erreicht werden.

Das Maßnahmenpaket für die Sicherheit von Fahrgastschiffen beinhaltet Vorschläge zur Überprüfung nahezu aller EU-Vorschriften für die Sicherheit von Fahrgastschiffen, selbstverständlich mit Ausnahme der technischen Richtlinie 2003/25/EG über besondere Stabilitätsanforderungen für Ro-Ro-Fahrgastschiffe.

2.8.

Das Paket umfasst folgende drei Vorschläge:

Beschränkung und Präzisierung des Geltungsbereichs der Richtlinie 2009/45/EG (technische Anforderungen für im Seeverkehr eingesetzte Fahrgastschiffe auf Inlandfahrten);

Verbesserung und Klärung der Berichterstattungspflichten gemäß Richtlinie 98/41/EG (Registrierung der an Bord von Fahrgastschiffen befindlichen Personen) in Verbindung mit anderen Rechtsinstrumenten (Richtlinie 2010/65/EU über Meldeformalitäten und Richtlinie 2002/59/EG über das gemeinschaftliche Überwachungs- und Informationssystem für den Schiffsverkehr), um so auch Überschneidungen zu beseitigen;

Präzisierung und Vereinfachung der EU-Vorschriften für Besichtigungen und Überprüfungen von Ro-Ro-Fahrgastschiffen (die neben Fahrgästen auch Fahrzeuge und Züge befördern können) und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen.

2.9.

Der letztgenannte Vorschlag ist Gegenstand dieser Stellungnahme.

3.   Zusammenfassung des Kommissionsvorschlags für das Überprüfungssystem

3.1.

Ziel des Vorschlags ist die Präzisierung und Vereinfachung der EU-Vorschriften für Besichtigungen und Überprüfungen von Ro-Ro-Fahrgastschiffen und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen, die derzeit gemäß den Bestimmungen der Richtlinie 1999/35/EG (verpflichtende Besichtigungen von Ro-Ro-Fahrgastschiffen und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen im Linienverkehr) und der Richtlinie 2009/16/EG (Hafenstaatkontrolle) durchgeführt werden.

3.2.

Der Vorschlag steht im Einklang mit den Richtlinien 2009/21/EG und 2009/45/EG (Hafenstaatkontrolle von im Seeverkehr eingesetzten Schiffen auf Inland- und Auslandfahrten). Auch hier wird die Richtlinie in verschiedenen Mitgliedstaaten offenbar unterschiedlich umgesetzt.

3.3.

Mit dem Vorschlag soll das Konzept des „Aufnahmestaats“ gestrichen werden (gemäß Richtlinie 1999/35/EG ist der Aufnahmestaat, d. h. der Mitgliedstaat, in dem das Schiff unter der Flagge eines anderen Mitgliedstaats eingesetzt ist, für die Überprüfung von Ro-Ro-Fahrgastschiffen verantwortlich). Die Überprüfungen sollen in die Flaggen- und Hafenstaatkontrollen integriert werden. Abschließend soll klargestellt werden, wann die zwei jährlich durchzuführenden Überprüfungen gemäß der geltenden Richtlinie 1999/35/EG stattfinden müssen.

3.4.

Daher wird vorgeschlagen, durch eine neue Richtlinie die Richtlinie 2009/16/EG zu ändern und die Richtlinie 1999/35/EG aufzuheben. Die wichtigsten Punkte dieser neuen Richtlinie lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Der Geltungsbereich der Richtlinie wird beschränkt auf Ro-Ro-Fahrgastschiffe und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeuge im Linienverkehr zwischen Häfen innerhalb eines Mitgliedstaats oder zwischen einem Hafen eines Mitgliedstaats und einem Hafen in einem Drittstaat, wenn die Flagge des Schiffes mit der des betreffenden Mitgliedstaats übereinstimmt.

Diverse überflüssige Begriffsbestimmungen und Bezeichnungen werden aufgehoben, u. a. „Fahrgast“, „Aufnahmestaat“, „Auslandfahrten“ und „Ausnahmezeugnis“, und der Verweis auf die Untersuchung von Seeunfällen wird gestrichen, die nunmehr Gegenstand der Richtlinie 2009/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist.

Es wird ein System von Überprüfungen vorgesehen, die auf das Schiff (und weniger das Unternehmen) bezogen sind und vor Aufnahme eines Linienverkehrsdienstes durchzuführen sind. Das Schiff muss einer Überprüfung gemäß Anhang II unterzogen werden, und auch eine Reihe von Punkten, die das Sicherheitsmanagement betreffen und in Anhang I aufgeführt sind, gilt es zu kontrollieren.

In den Geltungsbereich der Richtlinie fallende Schiffe sind in einem bestimmten Abstand zweimal pro Jahr zu überprüfen, wobei eine der Überprüfungen im Betrieb während eines Linienverkehrsdienstes stattfinden muss.

Die Mitgliedstaaten können die Überprüfung mit einer Flaggenstaat-Besichtigung kombinieren, die bei jedem Schiff jährlich durchzuführen ist.

Die Bestimmungen betreffend Überprüfungsberichte, Auslaufverbote, Widerspruch, Kosten sowie die Überprüfungsdatenbank und Sanktionen werden mit denen in der Richtlinie 2009/16/EG in Einklang gebracht.

Die Richtlinie wird mit den Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich der Ausübung der Befugnisse der Kommission in Bezug auf delegierte Rechtsakte in Einklang gebracht.

Die Richtlinie 2009/16/EG wird geändert, damit der derzeitige Inhalt und die Häufigkeit der Überprüfungen von Ro-Ro-Fahrgastschiffen und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen aufrechterhalten werden.

Die Bewertung der Richtlinie erfolgt durch die Kommission.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1.

Der EWSA begrüßt insgesamt die Ziele des REFIT-Programms der Europäischen Kommission zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung mit dem übergeordneten Ziel, einen klaren, einfachen und kohärenten Rechtsrahmen für die Sicherheit von Fahrgastschiffen zu schaffen, der leichter umzusetzen, zu überwachen und durchzusetzen ist, und dadurch das allgemeine Sicherheitsniveau für Fahrgäste und Schiffsbesatzungen zu gewährleisten. Diese REFIT-Vorschläge und Bewertungen ergänzen darüber hinaus konsequent die Ziele der Europäischen Seeverkehrsstrategie (COM(2009) 8 final), das volle Potenzial des Kurzstreckenseeverkehrs und der Seeverkehrsdienste für Unternehmen und Bürger in Europa zu nutzen.

4.2.

Unfallstatistiken zeigen, dass der geltende Rechtsrahmen ein hohes Sicherheitsniveau auf Fahrgastschiffen in EU-Gewässern bewirkt hat. Der EWSA begrüßt, dass durch die vorgeschlagene neue Richtlinie und die Änderung der Richtlinie 2009/16/EG erneut spezifische Sicherheitsanforderungen für Ro-Ro-Fahrgastschiffe und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeuge in den Mittelpunkt gestellt werden. Das Ergebnis der REFIT-Überprüfung bringt eine Präzisierung und Vereinfachung der bestehenden Anforderungen gemäß Richtlinie 1999/35/EG für Besichtigungen, erweiterte Überprüfungen im Rahmen der Hafenstaatkontrolle und jährliche Flaggenstaat-Besichtigungen, wobei weiterhin das gleiche Sicherheitsniveau für Fahrgäste von Ro-Ro-Fahrgastschiffen und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen im Linienverkehr in allen EU-Gewässern gewährleistet wird.

4.3.

Der EWSA hält es für sehr wichtig, dass das EU-Überprüfungssystem für Fahrgastschiffe auf Inland- und/oder Auslandfahrten gleiche Wettbewerbsbedingungen in den EU-Gewässern für alle Fahrgastschiffe ungeachtet ihrer Flagge sicherstellt.

4.4.

Der EWSA begrüßt, dass mit der geplanten Vereinfachung nicht nur mehr Rechtsklarheit geschaffen, sondern auch der Überprüfungsaufwand der nationalen Verwaltungen weiter rationalisiert und gleichzeitig die Dauer der wirtschaftlichen Nutzung der Schiffe maximiert wird.

4.5.

Die neue, 2009 im Rahmen der Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle beschlossene Überprüfungsregelung (New Inspection Regime — NIR) ist vor allem auf die Leistung des Seeverkehrs ausgerichtet: die Zahl der Überprüfungen von unternormigen Schiffen wurde erhöht, und Schiffe, die hohe Qualitätsstandards erfüllen, sollen seltener überprüft werden. Der EWSA anerkennt diese neue Überprüfungsregelung, insbesondere angesichts des zunehmenden Verwaltungsaufwands vor allem für Schiffe im Kurzstrecken-Seegüterverkehr sowie der Tatsache, dass jede zusätzliche Überprüfung diesen Verwaltungsaufwand noch weiter erhöht.

4.6.

Der EWSA betont, dass die Einhaltung von Mindestanforderungen für die Arbeit von Seeleuten an Bord eines Schiffes, u. a. auch in Bezug auf die im STCW-Übereinkommen enthaltenen Befähigungsnachweise betreffend medizinische Fürsorge und Ausbildung, von grundlegender Bedeutung für die Seeverkehrssicherheit ist und daher im Einklang mit geltenden internationalen Übereinkommen zu gewährleisten ist, beispielsweise mit dem Seearbeitsübereinkommen aus dem Jahr 2006, das mit der Richtlinie 2009/13/EG des Rates in EU-Recht umgesetzt wurde. Mit dieser Richtlinie wurden auch die spezifischen Rechtsvorschriften über die Regelung der Arbeitszeit von Seeleuten, d. h. die Richtlinie 1999/63/EG, geändert, mit der die Gesundheit und die Sicherheit der Seeleute durch die Festlegung von Mindestanforderungen betreffend der Arbeitszeit gewährleistet werden sollte. Parallel dazu soll mit der
Richtlinie 1999/95/EG
die Seeverkehrssicherheit verbessert, unlauterer Wettbewerb durch Schifffahrtsunternehmen aus Drittländern bekämpft sowie die Gesundheit und die Sicherheit von Seeleuten an Bord von Schiffen, die EU-Häfen anlaufen, geschützt werden.

4.7.

Der EWSA ist sich bewusst, dass sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Schifffahrtsunternehmen aufgrund des Umfangs der zu präzisierenden Bestimmungen ihre derzeitigen Verfahren anpassen müssen. Der EWSA begrüßt daher die Rolle der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) und die nützliche Funktion der Sachverständigengruppe für die Sicherheit von Fahrgastschiffen (Passenger Ship Safety Expert Group) gegenüber der Gruppe der Sachverständigen für Sicherheit im Seeverkehr (Maritime Safety Group, eine ständige Sachverständigengruppe zur Seeverkehrssicherheit, die von der GD Mobilität und Verkehr eingerichtet wurde), um die Umsetzung und Durchführung in Zusammenarbeit mit den einschlägigen Sachverständigengruppen für die Hafenstaatkontrollen und die Umsetzung des nationalen einzigen Fensters (National Single Window) zu erleichtern. Der EWSA begrüßt die seit Kurzem bestehende Möglichkeit für Organisationen der Interessenträger, an den Sitzungen der Sachverständigengruppe für die Sicherheit von Fahrgastschiffen teilzunehmen, da derartige Diskussionsplattformen nach dem Vorbild des Europäischen Forums für nachhaltige Schifffahrt (European Sustainable Shipping Forum — ESSF) äußerst zweckdienlich sein können, da sie die Europäische Kommission, die Industrie, NRO und die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten an einen Tisch bringen.

4.8.

In Bezug auf die regelmäßigen Überprüfungen gemäß Artikel 5 kann ein Schiff im Linienverkehr durchaus sowohl in den Anwendungsbereich der vorgeschlagenen neuen Richtlinie als auch der Richtlinie 2009/16/EG über Hafenstaatkontrollen fallen, die durch Artikel 14 dieser Richtlinie in Bezug auf die Überprüfung von Ro-Ro-Fahrgastschiffen und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen geändert wird. Im Sinne der Rationalisierung sollten potenzielle Überschneidungen in Bezug auf Überprüfungen zwischen den beiden genannten Richtlinien mit dieser vorgeschlagenen neuen Richtlinie vermieden werden.

4.8.1.

Auch wenn der Fall eintreten könnte, dass ein Schiff zu dem Zeitpunkt, zu dem gemäß der vorgeschlagenen neuen Richtlinie eine Überprüfung angesetzt ist, aufgrund der Risikoparameter im derzeitigen System für Hafenstaatkontrollen keiner erweiterten Überprüfung im Rahmen der Hafenstaatkontrolle unterliegt, ist eine angemessene Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten erforderlich, um den zeitlichen Abstand zwischen den beiden gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b vorgeschriebenen Überprüfungen zu gewährleisten.

4.8.2.

Gemäß Artikel 10 der vorgeschlagenen neuen Richtlinie muss die Kommission eine Überprüfungsdatenbank einrichten. Es sollte klargestellt werden, ob eine derartige Überprüfungsdatenbank parallel zur Pariser Vereinbarung und zu dem THETIS-Informationssystem der EMSA unterhalten wird; insbesondere muss geklärt werden, welche Auswirkungen die gemäß dieser neuen Richtlinie durchgeführten Überprüfungen auf das Risikoprofil von Schiffen im Rahmen der Pariser Vereinbarung haben werden.

4.8.3.

In Bezug auf Artikel 1 Absatz 1 sollte betreffend den Begriff „Drittstaat“ präzisiert werden, ob damit Nicht-EU-Mitgliedstaaten oder sowohl EU-Mitgliedstaaten als auch Nicht-EU-Mitgliedstaaten gemeint sind. Nach Meinung des EWSA sollte ein „Drittstaat“ als Nicht-EU-Mitgliedstaat definiert werden, um Verwechslungen mit Ro-Ro-Fahrgastschiffen und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen zu vermeiden, die unter die Bestimmungen für die Hafenstaatkontrolle gemäß Artikel 14 der vorgeschlagenen neuen Richtlinie fallen.

4.9.

Nach Auffassung des EWSA liegt die vorrangige Aufgabe der EU darin, sicherzustellen, dass etwaige Änderungen der in Artikel 2 der vorgeschlagenen neuen Richtlinie genannten internationalen Übereinkommen angemessene Standards für die Seeverkehrssicherheit und den Schutz der Meeresumwelt weltweit nicht beeinträchtigen. Daher ist er der Meinung, dass die Bestimmungen über eine mögliche künftige Abweichung von internationalen Rechtsvorschriften gemäß Artikel 12 und 13 der vorgeschlagenen neuen Richtlinie nur als letztes Mittel eingesetzt werden und ggf. ein europäisches Handeln nach sich ziehen sollten, um sicherzustellen, dass jedweder Widerspruch zwischen den EU-Rechtsvorschriften für den Seeverkehr und internationalen Instrumenten letztendlich zu einer kompatiblen Lösung auf internationaler Ebene führt.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1.

In Bezug auf die Begriffsbestimmung von „Linienverkehr“ gemäß Artikel 2 Absatz 5 Buchstabe a und Artikel 14 des Richtlinienvorschlags schlägt der EWSA vor, diese wie folgt zu präzisieren: „nach einer öffentlich zugänglichen oder geplanten Liste mit den Abfahrts- und Ankunftszeiten“.

5.2.

Die Anforderungen in Artikel 3 Absatz 2 für die „Vorab-Überprüfung“ und in Artikel 4 Absatz 1 für „Ausnahmen von der Pflicht zur Durchführung der Vorab-Überprüfung“ sind überflüssig und verwirrend. Der EWSA schlägt vor, diese beiden Absätze in einem neuen Artikel 4 Absatz 1 zusammenzuführen, um kohärent auf die Bedingungen zu verweisen, unter denen ein Schiff von einer Überprüfung ausgenommen werden kann, wenn ein Mitgliedstaat die vorherige Überprüfung oder Besichtigung als zufriedenstellend befunden hat. In diesen neuen Absatz sollte auch ein Verweis auf die Vorab-Überprüfungen für Ro-Ro-Fahrgastschiffe und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeuge aufgenommen werden, die in der Richtlinie 2009/16/EG in der durch Artikel 14 der vorgeschlagenen neuen Richtlinie geänderten Fassung vorgeschrieben sind.

5.3.

In der vorgeschlagenen neuen Richtlinie ist ein Verfahren für den Fall vorgesehen, dass aufgrund unvorhergesehener Umstände rasch ein Ro-Ro-Fahrgastschiff oder Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeug als Ersatz eingesetzt werden muss (Artikel 4 Absatz 3). Der EWSA schlägt indes vor, ein eigenes Verfahren für ein Ersatzschiff für einen begrenzten Zeitraum vorzusehen, wenn Artikel 4 Absatz 1 keine Anwendung findet, beispielsweise im Falle einer planmäßigen Wartung des Schiffes im Linienverkehr.

5.4.

Der Abstand für die zwei jährlichen Überprüfungen gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b sollte auch in Artikel 14a Absatz 2 aufgenommen werden, um in zeitlicher Hinsicht ein gemeinsames Sicherheitsniveau zwischen dieser Richtlinie und Richtlinie 2009/16/EG zu gewährleisten. Außerdem ist der Abstand zwischen den zwei jährlichen Überprüfungen, die innerhalb von zwölf Monaten erfolgen sollten, für Schiffe, die saisonal betrieben werden, nicht präzisiert; dies sollte geklärt werden.

5.5.

Der Wortlaut von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b „auf eine ausreichende Anzahl der in den Anhängen I und II aufgeführten Punkte“, auf die sich die Überprüfung während eines Linienverkehrsdienstes erstreckt, ist unklar. Der EWSA schlägt vor, dass der Überprüfer sich bei der Entscheidung, welche Punkte in welchem Ausmaß zu überprüfen sind, auf seine Berufserfahrung verlässt, um den Gesamtzustand in diesen Bereichen zu überprüfen und eine Doppelüberprüfung von Punkten zu vermeiden, die aufgrund anderer internationaler Vorschriften bereits verpflichtend überprüft wurden. Er schlägt außerdem vor, die gleiche Änderung in Artikel 14a Absatz 2 Buchstabe b vorzunehmen. Darüber hinaus könnte in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b und in Anhang III im Interesse der Klarheit festgehalten werden, dass während eines Linienverkehrsdienstes eine Überprüfungen im Betrieb stattfindet. Sowohl aus praktischen Gründen als auch aufgrund der begrenzten zur Verfügung stehenden Zeit während des Linienverkehrsdienstes sollten Überprüfungen im Betrieb insbesondere auf sehr kurzen Seeverkehrsstrecken in Betracht gezogen werden.

5.6.

Der Richtlinienvorschlag ist zwar deutlich an Artikel 19 der Richtlinie 2009/16/EG zu „Mängelbeseitigung und Festhalten“ angelehnt, doch sollte Folgendes präzisiert werden: „Bei der Ausübung der Überprüfung gemäß dieser Richtlinie sind alle nur möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um ein unangemessenes Festhalten oder Aufhalten des Schiffes zu vermeiden.“

5.7.

Da Ro-Ro-Fahrgastschiffe und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeuge in Artikel 2 des Richtlinienvorschlags getrennt definiert sind, schlägt der EWSA vor, im Interesse der Klarheit im gesamten Text ausschließlich auf „Ro-Ro-Fahrgastschiffe und Fahrgast-Hochgeschwindigkeitsfahrzeuge“ zu verweisen. Erwägungsgrund 6 sollte daher entsprechend geändert werden.

Brüssel, den 19. Oktober 2016

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


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