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Document 52012XC0113(01)

Leitlinien zur Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG des Rates auf das Versicherungswesen im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-236/09 (Test-Achats) Text von Bedeutung für den EWR

ABl. C 11 vom 13.1.2012, p. 1–11 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

13.1.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 11/1


Leitlinien zur Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG des Rates auf das Versicherungswesen im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-236/09 (Test-Achats)

(Text von Bedeutung für den EWR)

2012/C 11/01

1.   EINLEITUNG

1.

Artikel 5 der Richtlinie 2004/113/EG (1) des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen („die Richtlinie“) regelt die Verwendung geschlechtsspezifischer versicherungsmathematischer Faktoren im Versicherungswesen und bei verwandten Finanzdienstleistungen. Artikel 5 Absatz 1 bestimmt, dass bei nach dem 21. Dezember 2007 abgeschlossenen Verträgen die Berücksichtigung des Faktors Geschlecht bei der Berechnung von Prämien und Leistungen nicht zu unterschiedlichen Prämien und Leistungen führen darf (sogenannte „Unisex-Regel“). Eine Ausnahme von dieser Regel findet sich in Artikel 5 Absatz 2, wonach die Mitgliedstaaten proportionale Unterschiede bei den Prämien und Leistungen weiterhin zulassen dürfen, wenn die Berücksichtigung des Geschlechts bei einer auf relevanten und genauen versicherungsmathematischen und statistischen Daten beruhenden Risikobewertung ein bestimmender Faktor ist.

2.

Mit Urteil vom 1. März 2011 (2) (nachstehend „Test-Achats-Urteil“) erklärte der Gerichtshof der Europäischen Union („der Gerichtshof“) Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie mit Wirkung vom 21. Dezember 2012 für ungültig. Er befand, dass eine Regelung, die es den Mitgliedstaaten gestattet, eine Ausnahme von der in Artikel 5 Absatz 1 verankerten Unisex-Regel zeitlich unbefristet aufrechtzuerhalten, dem Ziel der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Berechnung von Versicherungsprämien und-dienstleistungen, so wie es die Richtlinie auch für den Versicherungsbereich vorgegeben hat, zuwiderläuft und daher mit den Artikeln 21 und 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union unvereinbar ist.

3.

Derzeit lassen alle Mitgliedstaaten mindestens bei einer Versicherungsart geschlechtsspezifische Unterschiede zu. Im Falle von Lebensversicherungen dürfen die Versicherer in allen Mitgliedstaaten den Faktor Geschlecht in die Berechnung des Versicherungsrisikos miteinbeziehen (3). Das Test-Achats-Urteil wird somit Auswirkungen auf sämtliche Mitgliedstaaten haben.

4.

Mit den vorliegenden Leitlinien soll den Mitgliedstaaten die Anpassung ihrer Gesetzgebung an das Test-Achats-Urteil erleichtert werden. Der Standpunkt der Kommission lässt jedoch etwaige weitere Auslegungen des Artikels 5 durch den Gerichtshof unberührt.

2.   LEITLINIEN

5.

Gemäß Artikel 5 Absatz 1 hat die Unisex-Regel ab dem 21. Dezember 2012 bei der Berechnung privater Versicherungsprämien und -leistungen ausnahmslos für alle neue Verträge zu gelten.

2.1   Auswirkungen des Test-Achats-Urteils — Welche Verträge sind betroffen?

2.1.1   Artikel 5 Absatz 1 gilt ab 21. Dezember 2012 ohne Ausnahmen

6.

In dem Test-Achats-Urteil kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie „nach Ablauf einer angemessenen Übergangszeit als ungültig anzusehen ist“. Diese Übergangszeit endet am 21. Dezember 2012 (4). Das bedeutet, dass von diesem Tag an Artikel 5 Absatz 1 ohne Ausnahmen gilt.

2.1.2   Artikel 5 Absatz 1 gilt nur für neue Verträge

7.

Die Übergangszeit ist im Einklang mit dem in Artikel 5 Absatz 1 verankerten Ziel der Richtlinie auszulegen, wo es heißt, dass die Unisex-Regel ausschließlich für neue Verträge gilt, die nach Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie am 21. Dezember 2007 geschlossen werden. Wie im Erwägungsgrund 18 der Richtlinie erwähnt, soll mit dieser Vorschrift eine abrupte Umstellung des Marktes verhindert werden. Das Test-Achats-Urteil ändert an dieser Zielsetzung nichts und hat auch keine Auswirkungen auf die in Artikel 5 Absatz 1 vorgenommene Beschränkung der Unisex-Regel auf neue Verträge. Das Urteil bedeutet, dass für neue Verträge, die nach dem 21. Dezember 2012 geschlossen werden, die Unisex-Regel ohne jede Ausnahme gilt und Artikel 5 Absatz 2 mit diesem Tag ungültig wird.

8.

Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitsgrundsatzes, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (5).

9.

Der Begriff des „neuen Vertrags“ ist in der Richtlinie nicht definiert. Zur Klärung seiner Bedeutung wird auch nicht auf einzelstaatliches Recht verwiesen. Für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie sollte der Begriff daher als ein eigenständiger Begriff des Unionsrechts verstanden werden, der überall in der Union einheitlich ausgelegt werden muss. Die Notwendigkeit der einheitlichen Auslegung ergibt sich aus dem erklärten Ziel der Richtlinie, nach Ablauf der Übergangsfrist im Versicherungswesen die Unisex-Regel einzuführen. Der in Artikel 5 Absatz 1 verwendete Begriff des „neuen Vertrags“ ist für die praktische Umsetzung dieser Bestimmung von grundlegender Bedeutung. Unterschiedliche Auslegungen des Begriffs auf der Grundlage des jeweiligen einzelstaatlichen Vertragsrechts könnten zu unterschiedlichen Übergangsfristen führen und damit die durchgängige Anwendung der Unisex-Regel verzögern und zudem ungleiche Wettbewerbsbedingungen für die Versicherer schaffen. Dies würde dem Zweck der Richtlinie, ab dem in Artikel 5 Absatz 1 genannten Datum bei privaten Versicherungsprämien und -leistungen in allen Mitgliedstaaten die uneingeschränkte Gleichbehandlung von Frauen und Männern sicherzustellen, zuwiderlaufen (6).

10.

Um Artikel 5 Absatz 1 umsetzen zu können, müssen alte und neue vertragliche Vereinbarungen klar voneinander abgegrenzt werden. Die Abgrenzung muss dem Gebot der Rechtssicherheit Rechnung tragen und anhand von Kriterien erfolgen, mit denen unverhältnismäßige Eingriffe in bestehende Rechte vermieden und die legitimen Erwartungen aller Beteiligten nicht enttäuscht werden. Diese Herangehensweise steht im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie, eine abrupte Umstellung des Marktes zu vermeiden, indem die Unisex-Regel auf neue Verträge beschränkt wird.

11.

Dementsprechend soll die Unisex-Regel nach Artikel 5 Absatz 1 immer dann gelten, wenn a) eine vertragliche Vereinbarung getroffen wird, die die ausdrückliche Einwilligung aller Parteien erfordert, was auch die Änderung eines bestehenden Vertrages miteinschließen kann, und b) die letzte für den Abschluss des Vereinbarung erforderliche Einwilligung einer Partei nach dem 21. Dezember 2012 erfolgt.

12.

Ein „neuer Vertrag“, bei dem die Unisex-Regel einzuhalten ist, ist folglich dann gegeben, wenn (7)

a)

es erstmals nach dem 21. Dezember 2012 zum Vertragsschluss kommt (8). Wurde ein Angebot vor dem 21. Dezember 2012 abgegeben, aber erst nach diesem Datum angenommen, gilt somit die Unisex-Regel;

b)

die Parteien nach dem 21. Dezember 2012 vertraglich vereinbaren, einen vor diesem Datum geschlossenen Vertrag, der ansonsten ausgelaufen wäre, zu verlängern.

13.

Folgende Sachverhalte sind hingegen nicht mit dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichzusetzen (9):

a)

die vertraglich festgelegte automatische Verlängerung eines bestehenden Vertrags, wenn bis zu einem bestimmten Datum keine Benachrichtigung, z. B. in Form eines Kündigungsschreibens, erfolgt ist,

b)

die Änderung einzelner Punkte des Vertragsinhalts wie etwa die Anpassung von Prämien, wenn sie anhand zuvor festgelegter Parameter erfolgt und die Zustimmung des Versicherungsnehmers nicht erforderlich ist (10),

c)

der Abschluss durch den Versicherungsnehmer von Zusatz- oder Anschlussversicherungen, sofern die entsprechenden Modalitäten bereits in vor dem 21. Dezember 2012 geschlossenen Verträgen festgelegt sind und die Policen durch eine einseitige Erklärung des Versicherungsnehmers wirksam werden (11),

d)

der reine Transfer eines Versicherungsportfolios von einem Versicherer auf einen anderen, ohne dass sich der Status der in diesem Portfolio enthaltenen Verträge ändert.

2.2   Weiterhin erlaubte geschlechtsspezifische Versicherungspraktiken

14.

Artikel 5 Absatz 1 untersagt Praktiken, bei denen die Verwendung des Faktors Geschlecht bei der Berechung von Prämien und Leistungen zu individuellen Unterschieden in den Prämien und Leistungen führt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Berücksichtigung des Geschlechts bei der Risikobewertung generell verboten wäre. Ein solches Vorgehen ist erlaubt, wenn es um die Berechnung von Prämien und Leistungen in ihrer Gesamtheit geht, solange dies nicht zu individuellen Unterschieden führt. Auch nach dem Test-Achats-Urteil ist es daher möglich, den Faktor Geschlecht oder geschlechtsspezifische Daten mit der genannten Einschränkung für folgende Zwecke zu verwenden:

—   Berechnung von Rückstellungen und interne Preiskalkulation: Der Versicherer darf auch künftig geschlechtsspezifische Daten sammeln und das Geschlecht zur internen Risikobewertung heranziehen, um entsprechend den Solvabilitätsvorschriften für die Versicherungsbranche die Höhe der erforderlichen Rückstellungen zu berechnen und um die Zusammensetzung des Portfolio-Mixes für gesamtkalkulatorische Zwecke zu verfolgen.

—   Berechnung von Rückversicherungen: Rückversicherungsverträge sind Verträge zwischen einem Versicherungsunternehmen und einem Rückversicherer. Der Faktor Geschlecht darf bei der Preiskalkulation für diese Produkte einfließen, solange dies nicht zu geschlechtsspezifischen Unterschieden beim einzelnen Versicherungsnehmer führt.

—   Vermarktung und Werbung: Gemäß Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie gilt diese nicht für den Inhalt von Medien und Werbung, denn Artikel 5 Absatz 1 bezieht sich ausschließlich auf die Berechnung von Prämien und Leistungen. Die Versicherer dürfen daher die Zusammensetzung ihrer Portfolios durch Vermarktungs- und Werbestrategien beeinflussen und beispielsweise mit ihrer Werbung gezielt Männer oder Frauen ansprechen. Hingegen steht es ihnen nicht zu, einer Person aufgrund ihres Geschlechts den Zugang zu einem bestimmten Produkt zu verwehren, es sei denn, die Voraussetzungen des Artikels 4 Absatz 5 sind erfüllt (12).

—   Lebens- und Krankenversicherungen: Die Unisex-Regel bedeutet, dass die Prämien und Leistungen für dieselbe Versicherungspolice nicht von einer Person zur anderen allein deshalb variieren dürfen, weil sie nicht demselben Geschlecht angehören. Es gibt jedoch andere Risikofaktoren, z. B. der Gesundheitszustand oder die familiäre Vorbelastung einer Person, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können und für deren Bewertung der Versicherer das Geschlecht bzw. bestimmte physiologische Unterschiede zwischen Mann und Frau mit berücksichtigen muss (13).

15.

Die Kommission steht auf dem Standpunkt, dass die Versicherer in den Grenzen des Artikels 5 Absatz 5 der Richtlinie weiterhin geschlechtsspezifische Versicherungsprodukte (oder vertragliche Optionen) anbieten dürfen, die auf Sachverhalte zugeschnitten sind, die ausschließlich oder überwiegend Frauen bzw. Männer betreffen (14). Dies gilt allerdings nicht für Schwangerschaft und Mutterschaft, die unter die spezielle Solidaritätsklausel des Artikels 5 Absatz 3 fallen.

2.3   Verwendung sonstiger Risikofaktoren

2.3.1   Mit dem Geschlecht zusammenhängende Faktoren — Problem der mittelbaren Diskriminierung

16.

Das Test-Achats-Urteil geht nur auf die Verwendung des Geschlechts als Risikofaktor ein und nicht auf die Zulässigkeit anderer Faktoren, die Versicherer in ihre Berechnungen einbeziehen. Gemäß Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie ist mittelbare Diskriminierung dann gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Risikofaktoren Personen des einen Geschlechts gegenüber Personen des anderen Geschlechts in besonderer Weise benachteiligen. Im Gegensatz zur unmittelbaren Diskriminierung kann mittelbare Diskriminierung gerechtfertigt sein, wenn das damit verfolgte Ziel legitim ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

17.

Die Verwendung von Risikofaktoren, die eine geschlechtsspezifische Komponente haben könnten, bleibt daher möglich, solange sie echte und eigenständige Risikofaktoren darstellen (15).

2.3.2   Geschlechtsunabhängige Faktoren

18.

Das Test-Achats-Urteil bezieht sich auf die Verwendung des Geschlechts als Risikofaktor in einer Situation, die laut Gesetzgeber für Mann und Frau als vergleichbar einzustufen ist. Es betrifft nicht die Verwendung sonstiger Risikofaktoren wie Alter oder Behinderungen, die derzeit auf EU-Ebene noch nicht geregelt sind.

19.

Der Gerichtshof führt in dem Test-Achats-Urteil aus, dass „(…) der Gleichbehandlungsgrundsatz [verlangt], dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt [sic] werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist“ und dass „die Vergleichbarkeit der Sachverhalte im Licht des Zwecks und des Ziels der Unionsmaßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu beurteilen [ist]“ (16).

20.

Der Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung (17) sieht vor, dass das Alter und das Vorhandensein einer Behinderung auch künftig berücksichtigt werden dürfen, solange damit keine Diskriminierung verbunden ist. Wenn der Gesetzgeber daher beschließt, dass eine bestimmte Praxis unter bestimmten Bedingungen keine Diskriminierung darstellt, bedeutet dies keine Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte (die sowieso nur für eine Übergangsfrist zulässig wäre). Eine solche Regelung ist vielmehr ganz im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes, da damit anerkannt wird, dass die fraglichen Sachverhalte nicht miteinander vergleichbar und daher unterschiedlich zu behandeln sind (oder dass trotz Vergleichbarkeit objektive Gründe für eine Ungleichbehandlung sprechen).

2.4   Versicherungen zur Altersvorsorge und betriebliche Renten

21.

Einige Versicherungsprodukte wie etwa kapitalbasierte Vorsorgeprodukte tragen zur Altersversorgung bei. Die Richtlinie 2004/113/EG gilt nur für private, freiwillige und von Beschäftigungsverhältnissen unabhängige Versicherungen und Rentensysteme, da der Bereich der Beschäftigung ausdrücklich von ihrem Geltungsbereich ausgenommen ist (18). Die Gleichbehandlung von Frauen und Männern bei Betriebsrenten wird im Rahmen der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (19) vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) behandelt.

22.

Bei einigen betrieblichen Systemen der Altersvorsorge erfolgt die Leistung in besonderer Form, etwa in Form einer Zeitrente. Ist dies der Fall, dann fällt das fragliche System unter die Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG, selbst wenn die Auszahlung durch einen Versicherer erfolgt. Muss dagegen der abhängig Beschäftigte direkt mit dem Versicherer ohne Mitwirkung des Arbeitgebers einen Vertrag abschließen, beispielsweise um einen Pauschalbetrag in eine regelmäßige Rentenzahlung umzuwandeln, ist die Richtlinie 2004/113/EG anwendbar. Nach Artikel 8 Buchstabe c der Richtlinie 2006/54/EG sind Versicherungsverträge, bei denen der Arbeitgeber nicht Vertragspartei ist, ausdrücklich vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen.

23.

Nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe h der Richtlinie 2006/54/EG können für Frauen und Männer unterschiedliche Leistungsniveaus festgelegt werden, wenn dies aus versicherungsmathematischen Gründen gerechtfertigt ist. Nach Ansicht der Kommission hat das Test-Achats-Urteil keine Auswirkungen auf diese Bestimmung, die sich auf einen völlig anderen Sachverhalt, nämlich den der betrieblichen Altersversorgung, bezieht und der sich auch von der Formulierung her stark von Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie 2004/113/EG unterscheidet. Nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe h der Richtlinie 2006/54/EG gilt die Festlegung unterschiedlicher Leistungsniveaus für Frauen und Männer nicht als Ungleichbehandlung, wenn dies aus versicherungsmathematischen Gründen gerechtfertigt ist.

3.   UMSETZUNG DER LEITLINIEN

24.

Die Mitgliedstaaten müssen die Konsequenzen aus dem Test-Achats-Urteil ziehen und ihre Gesetzgebung bis 21. Dezember 2012 so anpassen, dass die Anwendung der Unisex-Regel durch die Versicherer gewährleistet ist. Die Kommission wird sich über den Stand der Dinge auf dem Laufenden halten und so sicherstellen, dass nach diesem Datum die diesbezügliche nationale Gesetzgebung im Versicherungswesen mit dem Urteil übereinstimmt, wobei die in diesen Leitlinien erläuterten Kriterien als Richtschnur dienen.

25.

Die Kommission möchte eine wettbewerbsfähige, innovative Branche wie den Versicherungssektor ermutigen, ohne grundlose Eingriffe in das Gesamtpreisniveau die nötigen Anpassungen vorzunehmen und ihren Kunden attraktive Unisex-Produkte anzubieten. Sie wird die Entwicklung auf dem Versicherungsmarkt weiterhin aufmerksam beobachten, um festzustellen, ob es im Zusammenhang mit dem Test-Achats-Urteil zu unbegründeten Preisanhebungen gekommen ist, und bei vermutetem wettbewerbswidrigem Verhalten dabei auch die vorhandenen wettbewerbsrechtlichen Instrumente (20) heranziehen.

26.

Die Kommission wird über die Umsetzung des Test-Achats-Urteils in innerstaatliches Recht und in die Versicherungspraxis 2014 im Rahmen eines ausführlicheren Berichts über die Umsetzung der Richtlinie berichten.


(1)  ABl. L 373 vom 21.12.2004, S. 37.

(2)  Urteil vom 1. März 2011 in der Rechtssache C-236/09, ABl. C 130 vom 30.4.2011, S. 4.

(3)  Näheres zur Gesetzgebung und zur Praxis der Versicherer in den Mitgliedstaaten siehe Anhänge 1 und 2.

(4)  Randnummer 33 des Urteils.

(5)  Erst kürzlich wieder bestätigt durch das Urteil des Gerichtshofs vom 18. Oktober 2011 in der Rechtssache C-34/10, Oliver Brüstle gegen Oliver Brüstle/Greenpeace e.V., Rdnr. 25. Siehe auch Rechtssache 327/82, Ekro, Slg. 1984, 107, Randnr. 11; Rechtssache C-287/98, Linster, Slg. 2000, I-6917, Rdnr. 43; Rechtssache C-5/08, Infopaq International, Slg. 2009, I-6569, Rdnr. 27 und Rechtssache C-467/08, Padawan, Slg. 2010, I-0000, Rdnr. 32.

(6)  Eine sehr enge Auslegung des Begriffs des „neuen“ Vertrags, die dazu führt, dass das Geschlecht bei der Bewertung des Versicherungsrisikos und folglich auch bei der Festsetzung der Versicherungsprämien und –leistungen eine Rolle spielt, stünde dem Zweck des Artikels 5 Absatz 1, spätestens mit Ablauf der Übergangsfrist eine solche Vorgehensweise auszuschließen, entgegen. Unterschiedliche Auslegungen durch die Mitgliedstaaten wären zudem nicht mit dem Erfordernis einer autonomen und einheitlichen Auslegung dieses für den Geltungsbereich und die Bedeutung der Richtlinie so wesentlichen Begriffs vereinbar.

(7)  Es handelt sich um eine nicht erschöpfende Aufzählung von Beispielen, die in der Praxis eine größere Rolle spielen dürften.

(8)  Dies ist z. B. dann der Fall, wenn die versicherte Person den Anbieter wechseln möchte, um in den Genuss der Unisex-Regel zu kommen.

(9)  Es handelt sich hier um eine nicht erschöpfende Aufzählung von Beispielen, die in der Praxis eine größere Rolle spielen dürften.

(10)  Beispielsweise die Anhebung der Prämie um eine bestimmten Prozentsatz aufgrund des Schadenverlaufs.

(11)  Beispielsweise die Aufstockung der Lebensversicherung durch die versicherte Person.

(12)  Danach ist eine unterschiedliche Behandlung erlaubt, wenn es durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, die Güter und Dienstleistungen ausschließlich oder vorwiegend für die Angehörigen eines Geschlechts bereitzustellen, und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

(13)  Tritt beispielsweise in einer Familie gehäuft Brustkrebs auf, haben Mann und Frau nicht dasselbe Erkrankungsrisiko (um dieses einschätzen zu können, muss man folglich wissen, ob es sich bei der betreffenden Person um eine Frau oder einen Mann handelt). Fettleibigkeit ist ein Risikofaktor, der sich nach dem Verhältnis zwischen Taillen- und Hüftumfang bemisst („waist-to-hip-ratio“), das bei Frauen und Männern anders ausfällt. Mehr Beispiele sind Anhang 3 zu entnehmen.

(14)  Beispielsweise Prostatakrebs oder Brust- und Gebärmutterkrebs.

(15)  So sollten beispielsweise bei Kfz-Versicherungen Preisunterschiede je nach Motorenleistung weiterhin zulässig sein, selbst wenn statistisch gesehen Fahrzeuge mit PS-stärkeren Motoren meist von Männern gefahren werden. Unterschiede in der Kfz-Versicherung aufgrund der Größe oder des Gewichts einer Person wären hingegen unzulässig.

(16)  Siehe Randnrn. 28 und 29 des Test-Achats-Urteils.

(17)  KOM(2008) 426 endg. Im Gegensatz zur Richtlinie 2004/113/EG enthält der Vorschlag keine Generalklausel wie die Unisex-Regel, wonach die Berücksichtigung des Alters oder einer Behinderung nicht zu Unterschieden bei den Prämien und Leistungen führen darf. Mit der entsprechenden Vorschrift in der Richtlinie soll anerkannt werden, dass beispielsweise zwei Personen unterschiedlichen Alters im Hinblick auf Lebensversicherungen nicht in einer vergleichbaren Situation sind und dass eine verhältnismäßige Ungleichbehandlung auf der Grundlage einer zuverlässigen Risikobewertung daher keine Diskriminierung darstellt.

(18)  Siehe Erwägungsgrund 15 sowie Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie. Gruppenkranken- und Gruppenunfallversicherungen fallen daher nicht unter die Richtlinie.

(19)  ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23.

(20)  Die gegenwärtige Gruppenfreistellungsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 267/2010 der Kommission vom 24. März 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und abgestimmten Verhaltensweisen im Versicherungssektor, ABl. L 83 vom 30.3.2010, S. 1) enthält eine Ausnahmeregelung, die es Versicherern ermöglicht, bestimmte Arten von Daten in Form von Erhebungen, Tabellen und Studien unter bestimmten Voraussetzungen gemeinsam zu nutzen. Speziell Vereinbarungen über Bruttoprämien fallen jedoch nicht unter die Freistellung. Die Gruppenfreistellungsverordnung läuft am 31. März 2017 aus; die Kommission wird sie vorab überprüfen, um zu sehen, ob eine Verlängerung der Freistellung gerechtfertigt ist.


ANHANG 1

Berücksichtigung des Geschlechts bei der Risikobewertung im nationalen Recht (a)

Land

Lebensversicherung

Private Krankenversicherung

Hypothekarkredite

Kfz-Versicherung

Reisekrankenversicherung

Invaliditäts-/Berufsunfähigkeitsversicherung

Verbraucherkredit

Kapitalbasierte Vorsorgeprodukte

Unfallversicherung

Kreditkarten

Einlagenkonten

Kreditausfallversicherung

Gebäudeversicherung

Private Haftpflichtversicherung

Pflegeversicherung

Versicherung gegen schwere Krankheiten

Belgien

Ja

Nein (2)

Nein (2)

Nein

Nein (2)

Nein

Nein (2)

Ja

Nein (2)

Nein (2)

Nein (2)

Nein (2)

Nein (2)

Nein (2)

Nein (2)

Nein

Bulgarien

Ja

Ja

entfällt

Nein

entfällt

entfällt

entfällt

Ja

Nein

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

Ja

Dänemark

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

entfällt

entfällt

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Deutschland

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

entfällt

entfällt

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Estland

Ja (1)

Ja (1)

entfällt

Nein

entfällt

entfällt

entfällt

Ja (1) (b)

Ja (1)

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

Nein

entfällt

Finnland

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

entfällt

entfällt

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Frankreich

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

entfällt

entfällt

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Griechenland

Ja (1)

entfällt

entfällt

Ja (1)

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

Ja (1)

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

Ja (1)

Irland

Ja

Ja

entfällt

Ja

entfällt

Ja

entfällt

Ja

Nein

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

Ja

Ja

Italien

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

entfällt

entfällt

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Lettland

Ja

Ja

entfällt

Nein

entfällt

Ja

entfällt

Ja

Ja

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

Ja

Ja

Litauen

Ja

Ja

entfällt

Nein

entfällt

Ja

entfällt

Ja

Ja

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

Ja

Luxemburg

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

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entfällt

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Malta

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

Niederlande

Ja (2)

Nein

Nein (c)

Nein

Nein (c)

Nein (2) (c)

Nein (c)

Nein (2) (c)

Nein

Nein (c)

Nein (c)

Nein (c)

Nein (c)

Nein (c)

Nein (c)

Nein (c)

Österreich

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

entfällt

entfällt

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Polen

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

entfällt

entfällt

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Portugal

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

entfällt

entfällt

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Rumänien

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

Schweden

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

entfällt

entfällt

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Slowakei

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

entfällt

entfällt

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Slowenien

Ja

Ja

entfällt

Nein

entfällt

Ja

entfällt

Ja

Ja

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

Ja

Ja

Spanien

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

entfällt

entfällt

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Tschechische Republik

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

entfällt

Ungarn

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

entfällt

entfällt

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Vereinigtes Königreich

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

Ja

entfällt

Ja

Ja

entfällt

entfällt

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Zypern

Ja

Nein

Nein (2)

Nein

Nein (2)

Nein

Nein (2)

Ja

Ja

Nein (2)

Nein (2)

entfällt

Nein (2)

Nein (2)

Nein

Nein

Quelle: Umsetzung der Gleichstellungsrichtlinie im Versicherungswesen, Group Consultatif 2009, sofern nicht anders angegeben: (1) Civic Consulting-Umfrage bei einschlägigen Behörden (2) Civic Consulting-Befragung von einschlägigen Behörden, Gleichstellungsstellen und Wirtschaftsverbänden. Anmerkungen: (a) Die Übersicht zeigt, für welche Finanzprodukte die nationale Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten die Berücksichtigung des Geschlechts bei der Risikobewertung gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie zulässt. (b) Keine nach Geschlecht aufgeschlüsselten Sterbetafeln bei der staatlich geförderten obligatorischen kapitalbasierten Form der Alterssicherung. (c) Das Geschlecht darf in die Berechnungen der Versicherer einfließen, aber nicht zu unterschiedlichen Prämien für Frauen und Männer führen.


ANHANG 2

Verwendung von Risikofaktoren je nach Versicherungsprodukt (Häufigkeit der Verwendung anhand der Berichte interessierter Kreise)

Produktkategorie

Definition der Produktkategorie

Faktoren

 

 

Geschlecht

Alter

Behinderung

Versicherungsprodukte

Private Krankenversicherung

Private Krankenversicherung — Teil- oder Zusatzversicherung, die Gesundheitsrisiken abdeckt, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht getragen werden

++

++

++

Versicherung gegen schwere Krankheiten (Dread-Disease-Versicherung)

Versicherung gegen schwere Krankheiten — Versicherungspolice, deren Leistungen in Anspruch genommen werden können, wenn bei dem Versicherten während der Laufzeit der Police eine bestimmte schwere Krankheit diagnostiziert wird

++

++

++

Invaliditäts-/Erwerbsunfähigkeitsversicherung

Invaliditäts-/Erwerbsunfähigkeitsversicherung — Versicherung, die zahlt, um den Einkommensverlust auszugleichen, wenn der Versicherte aufgrund einer Behinderung erwerbsunfähig geworden ist

++

++

++

Lebensversicherung

Lebensversicherung — Versicherung, die bei Erreichen eines bestimmten Lebensalters an den Versicherten oder im Todesfall an die Begünstigten ausgezahlt wird

++

++

++

Kapitalbasierte Vorsorgeprodukte

Kapitalbasierte Vorsorgeprodukte (einschließlich privater Altersvorsorge) — Versicherung, die künftige regelmäßige Zahlungen garantiert, nachdem zuvor ein Pauschalbetrag eingezahlt oder eine Reihe regelmäßiger Zahlungen geleistet wurden

++

++

+

Kfz-Versicherung

Kfz-Versicherung — Versicherung für Privatfahrzeuge, die zumindest die Haftpflichtversicherung umfasst

++

++

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Reiseversicherung

Reiseversicherung — vorübergehende, nur für die Dauer der Reise gültige Versicherung, die auf jeden Fall die Krankheitskosten sowie etwaige während der Reise erlittene finanzielle und sonstige Verluste abdeckt

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Unfallversicherung

Unfallversicherung — Versicherung, die für Verluste infolge eines durch einen Unfall verursachten Körperschadens oder für die Kosten der ärztlichen Behandlung eines unfallbedingten Körperschadens aufkommt

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Pflegeversicherung

Pflegeversicherung — Versicherung, die die Kosten für die Langzeitpflege übernimmt, nachdem der durch die Krankenversicherung abgedeckte Zeitraum abgelaufen ist

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Kreditausfallversicherung/Restschuldversicherung

Kreditausfallversicherung/Restschuldversicherung — Versicherung, die für die monatlichen Kreditraten aufkommt, wenn der Versicherungsnehmer erwerbslos oder wegen Krankheit oder Unfall zahlungsunfähig wird

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Gebäudeversicherung

Gebäude-/Hausratversicherung — Versicherung des Eigentums, die für Schäden an privaten Gebäuden und ihrem Inhalt aufkommt

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Private Haftpflichtversicherung

Private Haftpflichtversicherung — Versicherung, die gegen Ansprüche Dritter schützt, d. h. die Zahlung erfolgt in der Regel an eine Person, die durch den Versicherten einen Schaden erlitten hat

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Bank-/Darlehensprodukte (1)

Hypothekarkredite

Hypothekarkredite — durch eine Immobilie gesicherter Kredit

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Verbraucherkredit (2)

Verbraucherkredit — kurzfristiger Kredit an Verbraucher für den Kauf einer Ware; hierzu zählen auch Kundenkredite bei Einzelhandelsgeschäften, persönliche Kredite, Ratenkäufe, jedoch nicht Kreditkarten

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Kreditkarten

Kreditkarten — Karte, die es dem Karteninhaber aufgrund eines Schuldversprechens ermöglicht, Waren und Dienstleistungen sofort zu erwerben, aber erst später zu bezahlen

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Einlagenkonten

Einlagenkonto — Giro-, Spar- oder sonstiges Bankkonto bei einem Kreditinstitut, auf das der Kontoinhaber Geld einzahlen oder von dem er Geld abheben kann.

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Anmerkungen:

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Wird den Berichten zufolge häufig praktiziert (nach Aussage von Wirtschaftsverbänden, Versicherungsmathematikern, einschlägigen Behörden und Gleichstellungsbeauftragten zu 50 % oder mehr).

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Wird den Berichten zufolge gelegentlich praktiziert (nach Aussage von Wirtschaftsverbänden, Versicherungsmathematikern, einschlägigen Behörden und Gleichstellungsbeauftragten zu 10 % bis 50 %).

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Wird den Berichten zufolge selten praktiziert (nach Aussage von Wirtschaftsverbänden, Versicherungsmathematikern, einschlägigen Behörden und Gleichstellungsbeauftragten zu weniger als 10 %).

Gibt es bei den Angaben zur Häufigkeit zwischen den drei befragten Gruppen, auf die sich die Aussagen stützen (Wirtschaftsverbände/Versicherungsmathematiker/einschlägigeBehörden und Gleichstellungsbeauftragte) Abweichungen, wurden für die Tabelle die Angaben der beiden Gruppen herangezogen, die in etwa gleich liegen).

Die Produktkategorien können eine Vielzahl verschiedener marktgängiger Produkte umfassen. Gebündelte Produkte sind nicht erfasst (z. B. Girokonto plus Versicherungsprodukt).


(1)  Alter und Geschlecht werden bisweilen zur Einschätzung der Kreditwürdigkeit verwendet, was Auswirkungen auf die Gewährung von Bankdienstleistungen oder Krediten haben kann.

(2)  Verbraucherkredite schließen Autokredite und persönliche Kredite mit ein.


ANHANG 3

Beispiele für trotz des „Test-Achats-Urteils“ weiterhin erlaubte geschlechtsspezifische Praktiken — Übernahme medizinischer Risiken

Bei Abschluss einer Versicherung nimmt der Versicherer eine Abschätzung des vom Versicherungsanwärter ausgehenden Risikos vor, bevor das Risiko in einen kollektiven Pool von versicherten Risiken eingehen kann. Risikoübernahme und Grundpreis eines Versicherungsproduktes sind voneinander getrennt, um das Risikoprofil eines jeden Versicherungsnehmers mit berücksichtigen zu können. Bringt ein Versicherungsanwärter ein höheres Risiko in einen zuvor festgelegten Pool von Standardrisiken ein, wird der Versicherer in der Regel einen Risikozuschlag verlangen. Versicherer verwenden Antragsformulare, um Informationen über die Risikofaktoren zu sammeln; diese Formulare können lediglich ein paar generelle Fragen (vereinfachter Abschluss) oder aber ausführliche Fragen zur Krankengeschichte enthalten. Das Maß an Ausführlichkeit hängt von verschiedenen Faktoren — unter anderem vom jeweiligen Produkt und von der Versicherungssumme — ab. Es ist auch möglich, dass eine medizinische Untersuchung verlangt wird.

Die nachstehende Übersicht enthält Beispiele für geschlechtsspezifische Praktiken, die trotz des „Test-Achats-Urteils“ gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie weiterhin erlaubt sind. Grob gesagt dürfen bei Fragen und Tests sowie bei der Bewertung medizinischer Befunde auch künftig die physiologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau berücksichtigt werden. Die folgenden Beispiele lassen etwaige Vorschriften der Mitgliedstaaten zur Regelung einzelner Aspekte, die in der Richtlinie nicht erfasst sind, unberührt.

Antragsformulare

Versicherer dürfen Angaben zum Geschlecht verlangen und Fragen zu etwaigen geschlechtsspezifischen Krankheiten stellen. Die Antragsformulare können je nach Geschlecht unterschiedliche Fragen beinhalten (ausgenommen Fragen zur Schwangerschaft).

Die Familiengeschichte ist für bestimmte Produkte wie beispielsweise Versicherungen gegen schwere Krankheiten besonders wichtig.

Eine Frau, in deren Familie Brustkrebs gehäuft vorkam, wird in der Regel eine höhere Risikoprämie zahlen müssen als eine Frau, die keine solche Familiengeschichte aufweist, da dieser Faktor für die Einschätzung des Risikos, die Krankheit zu bekommen, von zentraler Bedeutung ist. Dagegen gibt es keinen Grund, von einem Mann mit derselben Familienhistorie einen solchen Risikozuschlag zu verlangen, da die Wahrscheinlichkeit, dass er an Brustkrebs erkrankt, sehr gering ist.

Medizinische Untersuchungen

Frauen und Männer müssen sich nicht zwangsläufig denselben medizinischen Untersuchungen unterziehen; aus versicherungstechnischen Gründen können daher, wenn nötig, je nach Geschlecht unterschiedliche Untersuchungen vorgeschrieben werden (Mammographie, Prostata-Vorsorgeuntersuchungen usw.).

Die Versicherer dürfen auch künftig je nach Geschlecht unterschiedliche Richtwerte für die Notwendigkeit von Untersuchungen zugrunde legen, die die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung im Vorfeld einer Untersuchung widerspiegeln. So tritt zum Beispiel die ischämische Herzkrankheit (IHK) überwiegend bei Männern in der Zeit auf, in der normalerweise Versicherungen abgeschlossen werden, während die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung bei Frauen vor dem Klimakterium sehr gering ist. Eine Untersuchung auf IHK ist daher bei Männern sehr viel aussagekräftigerer als bei Frauen. Indem dieser Aspekt berücksichtigt wird, können unnötige Untersuchungen vermieden werden.

Auswertung medizinischer Untersuchungsergebnisse

Verschiedene Referenzwerte

Unterschiedliche Prognosen für dieselbe Krankheit

Für Männer und Frauen kann es unterschiedliche medizinische Referenzwerte/Prognosen geben; deshalb muss das Geschlecht bei der Auswertung medizinischer Befunde berücksichtigt werden:

Um festzustellen, ob eine Anämie vorliegt, wird für gewöhnlich ein Hämoglobintest durchgeführt. Der Normalbereich ist bei Frauen und Männern unterschiedlich, was bedeutet, dass ein Mann und eine Frau mit demselben Untersuchungsergebnis sich medizinisch gesehen nicht in derselben Situation befinden. Es ist daher normal, dass die Ergebnisse anhand unterschiedlicher Spektren für Männer und Frauen bewertet werden.

Erhöhte Kreatininwerte sind ein Hinweis auf eine Nierenerkrankung. Die Referenzwerte sind für Frauen und Männer unterschiedlich; Männer haben höhere Kreatininwerte, weil sie über mehr Skelettmuskelmasse verfügen.

Der prognostische Wert von Hämaturie (Vorkommen von roten Blutkörperchen im Urin) variiert bei Frauen und Männern, da Frauen irreführende positive Ergebnisse aufgrund der Menstruation haben können.

Um festzustellen, ob eine koronare Herzkrankheit vorliegt, werden zumeist Belastungstest durchgeführt. Da bei jungen Frauen die Wahrscheinlichkeit, an einer koronaren Herzkrankheit zu leiden, sehr viel geringer ist als bei Männern, müssen die Ergebnisse unter Berücksichtigung des Geschlechts ausgewertet werden, da solche Tests bei jungen Frauen sehr viel mehr falsche positive Ergebnisse erzeugen würden als tatsächliche Hinweise auf das Vorliegen einer Krankheit.

Dieselbe Krankheit kann auch je nach Geschlecht unterschiedliche Auswirkungen haben. Dies ist zum Beispiel beim Alport-Syndrom der Fall, einer erblichen Form der Nierenentzündung. Frauen mit dieser Störung haben in der Regel eine normale Lebenserwartung, wobei als einziges Symptom eine Hämaturie auftritt, während sich bei Männern diese Erkrankung noch vor dem 50. Lebensjahr wahrscheinlich in Form von Taubheit, Sehstörungen und schließlich Nierenversagen äußert.

Die Versicherer dürfen daher auch künftig unterschiedliche Prämien festlegen, wenn sie dabei die von der Medizin befürworteten geschlechtsspezifischen Normalbereiche zugrunde legen. Prädispositionen oder Risikofaktoren, die zwar bei beiden Geschlechtern zum Tragen kommen, aber jeweils einen unterschiedlich schweren Verlauf nehmen oder sich anders äußern, dürfen auch in Zukunft bei der Prämienfestsetzung berücksichtigt werden.

Anatomische Unterschiede

Es gibt anatomische Unterschiede zwischen Frau und Mann (z. B. bei der Skelettmuskelmasse), die erklären, warum die Referenzwerte und damit auch die Grenzwerte, die darüber entscheiden, was noch bzw. nicht mehr im Normalbereich liegt, nicht dieselben sind (siehe oben). So ist die Verträglichkeit von Alkohol bei Männern und Frauen im Allgemeinen nicht dieselbe, weshalb der Staat in der Regel für den Alkoholkonsum, der noch als ungefährlich gilt, je nach Geschlecht andere Richtwerte ausgibt, die auf medizinischen Erkenntnissen beruhen. Ein bestimmtes Maß an Alkoholkonsum, das für ein Geschlecht noch ungefährlich ist, kann für das andere Geschlecht gefährlich sein und ein klinisches Risiko darstellen.

Leistungen

Zwei Personen, bei denen dieselbe Krankheit diagnostiziert wird, erhalten nicht unbedingt dieselbe Behandlung, weil ihre Geschlechtszugehörigkeit mit darüber bestimmen kann, welche Behandlung aus medizinischer Sicht die am besten geeignete ist. So kann beispielsweise das Wachstum einiger Krebsarten (z. B. Nierenkrebs) hormonbedingt sein und es könnte eine geschlechtsspezifische Hormonbehandlung zur Eindämmung des Krebses nötig sein. In einem solchen Fall würden dann jeweils andere Versicherungsleistungen für die medizinische Behandlung geltend gemacht werden.


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