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Document 52011XC0115(01)

    Mitteilung der Kommission — Anwendung von Artikel 260 Absatz 3 AEUV

    ABl. C 12 vom 15.1.2011, p. 1–5 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    15.1.2011   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 12/1


    Mitteilung der Kommission — Anwendung von Artikel 260 Absatz 3 AEUV

    2011/C 12/01

    I.   EINLEITUNG

    1.

    Die Möglichkeit, gegen einen Mitgliedstaat, der einem Urteil, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt wird, nicht nachgekommen ist, finanzielle Sanktionen zu verhängen, wurde durch den Vertrag von Maastricht eingeführt. Durch diesen Vertrag wurden der ehemalige Artikel 171 EWG-Vertrag, der zu Artikel 228 EG-Vertrag wurde, sowie Artikel 143 Euratom-Vertrag geändert (1). Am 13. Dezember 2005 nahm die Kommission eine Mitteilung über die Anwendung von Artikel 228 EG-Vertrag (2) an, die zwei vorhergehende Mitteilungen von 1996 (3) und 1997 (4) ersetzte.

    2.

    Durch den Vertrag von Lissabon wurde Artikel 228 EG-Vertrag , der zu Artikel 260 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäsichen Union (AEUV) wurde, geändert, um die vorgesehene Regelung in zweierlei Hinsicht in ihrer Wirkung zu verstärken.

    3.

    Erstens wird bei dem in Artikel 260 Absatz 2 (ehemaliger Artikel 228 Absatz 2 EG-Vertrag) vorgesehenen Verfahren mit dem Vertrag von Lissabon das Vorverfahren der mit Gründen versehenen Stellungnahme abgeschafft. Seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gilt folgendes: Wenn die Kommission der Auffassung ist, dass ein Mitgliedstaat einem Urteil des Gerichtshofs nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, so muss sie im Rahmen des Vorverfahrens lediglich ein Aufforderungsschreiben versenden, in dem sie dem Mitgliedstaat Gelegenheit gibt, sich zu äußern (5). Hält die Kommission die anschließenden Äußerungen des Mitgliedstaats für ungenügend oder antwortet dieser nicht, kann sie nach Artikel 260 Absatz 2 direkt den Gerichtshof anrufen. Das in Artikel 260 Absatz 2 vorgesehene Verfahren läuft damit in der Praxis schneller ab, so dass sich die durchschnittliche Dauer des in der Mitteilung von 2005 vorgesehenen Verfahrens zwangsläufig auf einen Zeitraum zwischen 8 und 18 Monaten verkürzen dürfte (6). Diese voraussichtliche Dauer schließt nicht aus, dass besondere Umstände in außergewöhnlichen Fällen eine längere Verfahrensdauer rechtfertigen können. Umgekehrt berührt sie nicht das Bemühen der Kommission um eine möglichst zügige Umsetzung der Richtlinien durch die Mitgliedstaaten.

    4.

    Ansonsten entspricht die Regelung nach Artikel 260 Absatz 2 AEUV vollständig der des ehemaligen Artikels 228 EG-Vertrag. Die Mitteilung der Kommission von 2005 bleibt somit in vollem Umfang auf die Verfahren nach Artikel 260 Absatz 2 anwendbar; die Abschaffung der mit Gründen versehenen Stellungnahme ändert dies in keiner Weise.

    5.

    Die zweite und wichtigere Neuerung des Vertrags von Lissabon findet sich im neuen Absatz 3 von Artikel 260 AEUV, der folgendermaßen lautet:

    „—

    Erhebt die Kommission beim Gerichtshof Klage nach Artikel 258, weil sie der Auffassung ist, dass der betreffende Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, Maßnahmen zur Umsetzung einer gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinie mitzuteilen, so kann sie, wenn sie dies für zweckmäßig hält, die Höhe des von dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds benennen, die sie den Umständen nach für angemessen hält.

    Stellt der Gerichtshof einen Verstoß fest, so kann er gegen den betreffenden Mitgliedstaat die Zahlung eines Pauschalbetrags oder eines Zwangsgelds bis zur Höhe des von der Kommission genannten Betrags verhängen. Die Zahlungsverpflichtung gilt ab dem vom Gerichtshof in seinem Urteil festgelegten Zeitpunkt.“

    6.

    Mit diesem Absatz wird ein völlig neues Instrument geschaffen: Die Kommission kann dem Gerichtshof bereits in ihrer Vertragsverletzungsklage nach Artikel 258 (ehemaliger Artikel 226 EG-Vertrag) vorschlagen, in dem Urteil, in dem er feststellt, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, Maßnahmen zur Umsetzung einer gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinie mitzuteilen, die Zahlung eines Pauschalbetrags oder eines Zwangsgelds zu verhängen.

    7.

    Ziel dieser Neuerung im Vertrag ist es, die Mitgliedstaaten stärker dazu anzuhalten, die Richtlinien innerhalb der vom Gesetzgeber festgelegten Fristen umzusetzen und so sicherzustellen, dass die Rechtsvorschriften der Union tatsächlich wirksam sind. Auf diese Weise trägt der Vertrag von Lissabon dem Umstand Rechnung, dass eine fristgerechte Umsetzung von Richtlinien durch die Mitgliedstaaten von größter Bedeutung ist: Hiervon hängt nicht nur die mit den Rechtsvorschriften der Union angestrebte Wahrung der allgemeinen Interessen ab, die keine Verzögerungen duldet, sondern vor allem auch der Schutz der europäischen Bürger, die subjektive Rechte aus diesen Rechtsvorschriften ableiten. Letztendlich steht die Glaubwürdigkeit des Unionsrechts in seiner Gesamtheit auf dem Spiel, wenn mehrere Jahre vergehen, bevor Rechtsakte ihre volle Rechtswirkung in den Mitgliedstaaten entfalten.

    8.

    In der vorliegenden Mitteilung legt die Kommission dar, in welcher Form sie von diesem neuen, durch den Vertrag von Lissabon geschaffenen Instrument Gebrauch machen wird.

    9.

    Im Rahmen des neuen Artikels 260 Absatz 3 spielt die Kommission als Hüterin der Verträge im Vorfeld eine entscheidende Rolle: Ihr obliegt es, das in Artikel 258 vorgesehene Verfahren einzuleiten und mit einem Antrag nach Artikel 260 Absatz 3 zu verbinden, indem sie die Verhängung eines Pauschalbetrags und/oder eines Zwangsgeldes in bestimmter Höhe vorschlägt. In diesem Fall wird die zu verhängende Sanktion im Gegensatz zu dem in Artikel 260 Absatz 2 vorgesehenen Verfahren vom Gerichtshof bis zur Höhe des von der Kommission genannten Betrags festgelegt.

    10.

    Aufbauend auf die fallbezogene Anwendung der nachstehenden allgemeinen Regeln und Kriterien sowie auf die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs wird die Kommission ihre Rechtsauffassung von dieser Mitteilung aus weiterentwickeln. Da die finanzielle Sanktion stets den Umständen des Einzelfalls angepasst sein muss, behält sich die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens die Möglichkeit vor, mit einer ausführlichen Begründung von diesen allgemeinen Regeln und Kriterien abzuweichen, wenn dies im Einzelfall berechtigt erscheint.

    11.

    Artikel 260 Absatz 3 ist ein innovatives Instrument, das im Vertrag vorgesehen wurde mit dem Ziel, eine wirksame Antwort auf die verbreitete und nach wie vor besorgniserregende verspätete Umsetzung von Richtlinien zu finden. In ihrem Jahresbericht über die Anwendung des Rechts der Europäischen Union wird die Kommission auf der Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Statistiken die Leistung der Mitgliedstaaten in Bezug auf die fristgerechte Umsetzung von Richtlinien eingehend prüfen. Zeigen die Ergebnisse keine wesentliche Verbesserung, wird die Kommission ihre Vorgehensweise entsprechend ändern und die in der vorliegenden Mitteilung dargelegte Politik überdenken.

    II.   ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE

    12.

    Zunächst verweist die Kommission auf die drei allgemeinen Grundsätze, die für die Anwendung von Artikel 260 Absatz 3 in gleicher Weise gelten wie für die Anwendung von Absatz 2.

    13.

    Erstens ist für die Höhe der Sanktion der Zweck maßgebend, der mit ihr verfolgt wird, nämlich die fristgerechte Umsetzung des Unionsrechts zu gewährleisten und eine Wiederholung derartiger Verstöße zu verhindern. Nach Ansicht der Kommission müssen bei der Festlegung der Höhe der Sanktion drei Kriterien zugrunde gelegt werden:

    die Schwere des Verstoßes,

    dessen Dauer,

    die erforderliche Abschreckungswirkung, um einen erneuten Verstoß zu verhindern.

    14.

    Zweitens müssen die Sanktionen, die die Kommission dem Gerichtshof vorschlägt, für die Mitgliedstaaten vorhersehbar sein und nach einem Verfahren berechnet werden, bei dem die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten gewahrt werden. Außerdem muss das Verfahren klar und einheitlich sein, da die Kommission gegenüber dem Gerichtshof begründen muss, wie sie den vorgeschlagenen Betrag festgesetzt hat.

    15.

    Drittens muss die Höhe der Sanktion, um wirksam zu sein, eine abschreckende Wirkung entfalten. Die Verhängung rein symbolischer Sanktionen würde diesem Instrument seine Wirksamkeit nehmen und dem Ziel, die Umsetzung der Richtlinien innerhalb der vorgesehenen Fristen zu gewährleisten, zuwiderlaufen.

    III.   VERWENDUNG DES NEUEN INSTRUMENTS

    16.

    Nach Artikel 260 Absatz 3 kann die Kommission die in diesem Artikel vorgesehene neue Möglichkeit in Anspruch nehmen, „wenn sie dies für zweckmäßig hält“. Diese Formulierung ist so zu verstehen, dass der Kommission ein breiter Ermessensspielraum eingeräumt wird, vergleichbar mit der Ermessensbefugnis, ein Vertragsverletzungsverfahren im Sinne von Artikel 258 einzuleiten, über die die Kommission nach ständiger Rechtsprechung verfügt.

    17.

    In Ausübung dieser Ermessensbefugnis hält es die Kommission für angebracht, das Instrument nach Artikel 260 Absatz 3 grundsätzlich in allen Rechtssachen in Anspruch zu nehmen, in denen es um in dieser Bestimmung genannte Verstöße geht, also um die Umsetzung von gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinien. Auf die fristgerechte Umsetzung durch die Mitgliedstaaten ist bei allen legislativen Richtlinien in gleichem Maße zu achten, ohne dass von vornherein zwischen ihnen zu unterscheiden wäre. Dennoch schließt die Kommission nicht aus, dass möglicherweise besondere Fälle eintreten, in denen ein Antrag auf Sanktionen gemäß Artikel 260 Absatz 3 unangemessen erschiene.

    18.

    Bei der Nichtumsetzung von nicht in einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinien ist ein Rückgriff auf Artikel 260 Absatz 3 nicht möglich. In diesem Fall muss die Kommission den Gerichtshof weiterhin zunächst im Verfahren nach Artikel 258 anrufen, auf das im Falle der Nichtumsetzung eines Urteils eine zweite Anrufung des Gerichtshofs gemäß Artikel 260 Absatz 2 folgt.

    19.

    Hier ist darauf hinzuweisen, dass der in Artikel 260 Absatz 3 genannte Verstoß sowohl darin bestehen kann, dass Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie überhaupt nicht gemeldet werden, als auch darin, dass eine Meldung von Umsetzungsmaßnahmen unvollständig ist. Letzteres ist dann der Fall, wenn sich die mitgeteilten Umsetzungsmaßnahmen nicht auf das ganze Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats erstrecken oder wenn sie sich nur auf einen Teil der Richtlinie beziehen. Hat der Mitgliedstaat alle notwendigen Angaben zu der nach seiner Auffassung vollständigen Umsetzung der Richtlinie mitgeteilt, kann sich die Kommission auf den Standpunkt stellen, dass der Mitgliedstaat nicht gegen seine Verpflichtung zur Mitteilung der Umsetzungsmaßnahmen verstoßen hat. Artikel 260 Absatz 3 ist in diesem Fall nicht anwendbar. Etwaige Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die mitgeteilten Umsetzungsmaßnahmen oder die bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften ausreichend sind, sind im Verfahren nach Artikel 258 über die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie zu klären.

    IV.   DIE BEIDEN VORGESEHENEN ARTEN VON SANKTIONEN

    20.

    Nach Artikel 260 Absatz 3 ist der Gerichtshof befugt, auf Antrag der Kommission die Zahlung „eines Pauschalbetrags oder eines Zwangsgelds“ zu verhängen. Die Kommission ist der Auffassung, dass diese Formulierung — ebenso wie die ähnliche Formulierung in Absatz 2 dieses Artikels — angesichts ihres Zwecks nicht die Möglichkeit ausschließt, die beiden Arten von Sanktionen in einem Urteil zu kombinieren (7).

    21.

    Der Kommission ist bewusst, dass es durch diese Neuerung des Vertrags von Lissabon möglich ist, bereits in einer viel früheren Phase als in der Vergangenheit eine Sanktion wegen Nichtmitteilung zu verhängen. Daher hofft sie, dass das Zwangsgeld sich grundsätzlich als ausreichend erweist, um das mit dieser neuen Bestimmung verfolgte Ziel zu erreichen, nämlich die Mitgliedstaaten stärker dazu anzuhalten, Richtlinien fristgerecht umzusetzen. Die Kommission wird allerdings von nun an in geeigneten Fällen, wenn die Umstände dies rechtfertigen, zusätzlich einen Pauschalbetrag beantragen. Zudem wird sie je nach der Praxis der Mitgliedstaaten nicht zögern, ihre Vorgehensweise zu ändern, und die Beantragung eines Pauschalbetrags zur allgemeinen Regel machen (siehe Ziffer 11).

    22.

    Entsprechend der diesen beiden Arten von Sanktionen innewohnenden Logik wird die Kommission in Verfahren vor dem Gerichtshof, in denen sie lediglich ein Zwangsgeld beantragt hat, die Klage zurücknehmen, wenn der Mitgliedstaat die erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen mitteilt, um die Vertragsverletzung zu beenden. In Verfahren hingegen, in denen sie auch einen Pauschalbetrag beantragt hat, wird sie die Klage nicht allein deshalb zurückziehen, weil die erforderliche Mitteilung erfolgt ist (8).

    V.   BERECHNUNG DES ZWANGSGELDS UND GEGEBENENFALLS DES PAUSCHALBETRAGS

    23.

    Die Kommission berechnet das Zwangsgeld, das sie gemäß Artikel 260 Absatz 3 vorschlägt, nach der Methode, die auch für Klagen vor dem Gerichtshof nach Absatz 2 des genannten Artikels verwendet wird und unter Ziffer 14 bis 18 der Mitteilung von 2005 dargelegt ist.

    24.

    So berechnet sich der Tagessatz für das Zwangsgeld durch Multiplikation des einheitlichen Grundbetrags (Ziffer 15 der Mitteilung von 2005 (9)) zunächst mit einem Schwerekoeffizienten und einem Dauerkoeffizienten, und anschließend mit dem festen Länderfaktor „n“, der die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats berücksichtigt (Ziffer 18 der Mitteilung von 2005 (10)).

    25.

    Der Schwerekoeffizient wird nach den unter Ziffer 16 bis 16.6 der Mitteilung von 2005 vorgesehenen Regelungen und Kriterien festgesetzt. Die Kommission wird diese Regelungen und Kriterien weiterhin so anwenden, wie sie es bislang in Verfahren aufgrund des ehemaligen Artikels 228 EG-Vertrag bezüglich der Nichtmitteilung der Umsetzungsmaßnahmen zu Richtlinien getan hat. So kann im Einklang mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit und der aktuellen Praxis die Mitteilung unvollständiger Umsetzungsmaßnahmen durch den Mitgliedstaat als mildernder Umstand gewertet werden, der die Anwendung eines niedrigeren Schwerekoeffizienten zur Folge hat als bei einer vollständigen Unterlassung der Umsetzung.

    26.

    Sollte die Kommission ihre Politik in diesem Bereich überprüfen (siehe Ziffer 11), wird sie sich besonders mit den Schwerekoeffizienten unter Berücksichtigung der Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs befassen.

    27.

    Bei der Festsetzung des Dauerkoeffizienten, der gemäß Ziffer 17 der Mitteilung von 2005 berechnet wird, wird als Dauer des Verstoßes der Zeitraum nach Ablauf der in der jeweiligen Richtlinie festgelegten Umsetzungsfrist zugrunde gelegt (vorbehaltlich Ziffer 31).

    28.

    Beschließt die Kommission, zusätzlich einen Pauschalbetrag vorzuschlagen, wird dieser gemäß der unter Ziffer 19 bis 24 der Mitteilung von 2005 dargelegten Methode berechnet, wobei als Tag des Fristbeginns (11) der Tag nach dem Ablauf der in der jeweiligen Richtlinie festgelegten Umsetzungsfrist festzulegen ist.

    VI.   WIRKSAMWERDEN DER ZAHLUNGSVERPFLICHTUNG

    29.

    Nach Artikel 260 Absatz 3 Unterabsatz 2 gilt, wenn der Gerichtshof gegen den betreffenden Mitgliedstaat die Zahlung eines Pauschalbetrags oder Zwangsgelds verhängt, die Verpflichtung zur Zahlung „ab dem vom Gerichtshof in seinem Urteil festgelegten Zeitpunkt“. Diese Bestimmung ermöglicht dem Gerichtshof, als Zeitpunkt des Wirksamwerdens entweder den Tag der Urteilsverkündung oder einen späteren Zeitpunkt festzulegen. Hier ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Rahmen von Artikel 228 EG-Vertrag auch ohne die ausdrückliche Bestimmung in diesem Artikel bereits über denselben Ermessensspielraum verfügte. Der Gerichtshof hat diesen eher selten genutzt, um einen späteren Zeitpunkt als den der Urteilsverkündung festzusetzen (12), und in Fällen, in denen es um die Nichtmitteilung von Umsetzungsmaßnahmen zu Richtlinien ging, hat er dies noch nie getan.

    30.

    Nach Auffassung der Kommission wäre es angemessen, im Rahmen von Artikel 260 Absatz 3 regelmäßig den Tag der Urteilsverkündung als den Tag festzulegen, an dem die Zahlungsverpflichtung wirksam wird. Das würde bedeuten, dass der Tagessatz des Zwangsgeldes ab dem Tag der Urteilsverkündung fällig wird.

    VII.   ÜBERGANGSREGELUNG

    31.

    Die Kommission wird das neue in Artikel 260 Absatz 3 vorgesehene Instrument sowie die in dieser Mitteilung dargelegten Grundsätze und Kriterien für seine Anwendung auf Verfahren gemäß Artikel 258 anwenden, die nach der Veröffentlichung dieser Mitteilung eingeleitet werden, sowie auf Verfahren, die vor dieser Veröffentlichung eingeleitet wurden mit Ausnahme derjenigen, in denen sie den Gerichtshof bereits angerufen hat. In Verfahren, in denen bereits eine mit Gründen versehene Stellungnahme versandt wurde, wird die Kommission eine zusätzliche mit Gründen versehene Stellungnahme versenden, mit der sie dem betreffenden Mitgliedstaat mitteilt, dass sie eine Sanktion gemäß Artikel 260 Absatz 3 beantragen wird, wenn sie den Gerichtshof anruft. Die Kommission wird bei der Festsetzung des Betrags der Sanktionen und der Bestimmung der Dauer des Verstoßes den Zeitraum vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon, d. h. vor dem 1. Dezember 2009, nicht berücksichtigen.


    (1)  Diese Mitteilung gilt auch für den Euratom-Vertrag, insofern als Artikel 260 AEUV durch den neuen Artikel 106a Euratom-Vertrag auf diesen Vertrag anwendbar wird.

    (2)  SEK(2005) 1658.

    (3)  ABl. C 242 vom 21.8.1996, S. 6.

    (4)  ABl. C 63 vom 28.2.1997, S. 2.

    (5)  Übergangsweise wird in Fällen, in denen vor dem Inkrafttreten des AEUV ein Aufforderungsschreiben versandt wurde, dem betreffenden Mitgliedstaat ein zusätzliches Aufforderungsschreiben zugesandt, um ihm mitzuteilen, dass die nächste Phase in der Anrufung des Gerichtshofs und nicht mehr in der mit Gründen versehenen Stellungnahme besteht.

    (6)  Siehe Ziffer 3 der Mitteilung der Kommission — Ein Europa der Ergebnisse — Anwendung des Gemeinschaftsrechts (KOM(2007) 502 endgültig, in der die Kommission bezüglich des Verfahrens gemäß dem ehemaligen Artikel 228 EG-Vertrag folgendes angab: „Vorbehaltlich besonderer Umstände in außergewöhnlichen Fällen sollte sich der entsprechende Zeitraum bei Verfahren, um die Befolgung eines früheren Urteils des Gerichtshofs sicherzustellen, im Schnitt zwischen 12 und 24 Monaten bewegen“. Als besondere Umstände gelten insbesondere Fälle, in denen die Durchführung eines früheren Urteils Maßnahmen umfasst, mit denen die Infrastruktur vor Ort entwickelt oder verstärkt oder Ergebnisverpflichtungen Folge geleistet werden soll.

    (7)  Urteil Rs. C-304/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2005, I-6263.

    (8)  Vgl. in diesem Sinne auch Ziffer 11 der Mitteilung von 2005.

    (9)  Aktualisiert durch die Mitteilung vom 20. Juli 2010 (SEK(2010) 923).

    (10)  Vgl. Fußnote 9.

    (11)  Ab diesem Tag läuft der Zeitraum, der bei der Berechnung des Pauschalbetrags berücksichtigt wird (siehe Ziffer 22 der Mitteilung von 2005).

    (12)  Von den neun gemäß Artikel 228 EG-Vertrag ergangenen Urteilen, mit denen eine Sanktion verhängt wurde, hat der Gerichtshof nur in drei Fällen einen späteren Zeitpunkt als den seiner Urteilsverkündung als ersten Fälligkeitstermin für ein Zwangsgeld festgelegt, siehe Rechtssachen C-278/01, Kommission/Spanien, Slg. 2003, I-14141; C-304/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2005, I-6263; C-369/07, Kommission/Griechenland (noch nicht veröffentlicht).


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