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Document 52011DC0222

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Offenes Internet und Netzneutralität in Europa

/* KOM/2011/0222 endg. */

52011DC0222

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Offenes Internet und Netzneutralität in Europa /* KOM/2011/0222 endg. */


[pic] | EUROPÄISCHE KOMMISSION |

Brüssel, den 19.4.2011

KOM(2011) 222 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Offenes Internet und Netzneutralität in Europa

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Offenes Internet und Netzneutralität in Europa

INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung 3

2. Die Debatte über die Netzneutralität 3

3. Bestimmungen des EU-Rechtsrahmens über die Netzneutralität 5

3.1. Wettbewerbsgrundsätze 5

3.2. Der geänderte Telekommunikationsrahmen 6

4. Bisherige Feststellungen 7

4.1. Sperren 7

4.2. Datenverkehrssteuerung 8

4.3. Verbraucher und Dienstqualität 9

4.4. Internationale Entwicklungen 10

5. Schlussfolgerung 10

EINLEITUNG

Bei der Annahme des EU-Telekommunikationsreformpakets im Jahr 2009 bekräftigte die Kommission in einer Erklärung[1] ihre Absicht, „der Erhaltung des offenen und neutralen Charakters des Internet hohe Bedeutung“ beizumessen und dem Willen der Mitgesetzgeber umfassend Rechnung zu tragen, „jetzt die Netzneutralität als politisches Ziel und als von den nationalen Regulierungsbehörden zu fördernden Regulierungsgrundsatz festzuschreiben“. In der Erklärung kündigte die Kommission an, neben der Umsetzung der einschlägigen Bestimmungen über „Netzfreiheiten“ auch die Auswirkungen der Entwicklungen des Markts und der Technik auf die Netzfreiheiten zu beobachten und dem Europäischen Parlament und dem Rat bis Ende 2010 darüber zu berichten, ob zusätzliche Leitlinien erforderlich sind. Diese Zusage, die die Kommission in ihrer Mitteilung über eine „Digitale Agenda für Europa“ wiederholte, möchte sie mit der vorliegenden Mitteilung erfüllen[2] und dazu die Ergebnisse ihrer Konsultations- und Sondierungsverfahren und die daraus gezogenen Schlüsse darlegen.

Verfahren

Um die Mitteilung auf eine faktengesicherte Grundlage zu stützen, führte die Kommission vom 30. Juni bis zum 30. September 2010 eine öffentliche Konsultation zum Thema „Offenes Internet und Netzneutralität in Europa“ durch. Im Rahmen dieser Konsultation gingen mehr als 300 Antworten von Akteuren aus ganz unterschiedlichen Bereichen ein, darunter Netzbetreiber, Anbieter von Internet-Inhalten, Mitgliedstaaten, Verbraucherorganisationen und Organisationen der Zivilgesellschaft sowie auch mehrere Einzelpersonen. Die Kommission veröffentlichte die vollständige Liste der Konsultationsteilnehmer und die nicht vertraulichen Antworten zusammen mit einem Bericht, der einen knappen, nicht erschöpfenden Überblick enthält, auf einer zu diesem Zweck eingerichteten Website[3]. Zudem organisierten die Kommission und das Parlament am 11. November 2010 eine Tagung[4], auf der zahlreiche beteiligte Akteure die Gelegenheit hatten, ihre Ansichten zur Netzneutralität in einem offenen und öffentlichen Forum vorzustellen und zu erörtern.

DIE DEBATTE ÜBER DIE NETZNEUTRALITÄT

Entwicklung des Internets

Das Internet hat seine heutige weltweite Bedeutung mit atemberaubender Geschwindigkeit erlangt. In nur 15 Jahren hat sich der Markt für Internet-Anschlussdienste von einem nahezu bedeutungslosen Geschäftsbereich zu einem milliardenschweren Sektor entwickelt. Durch den elektronischen Handel wirkt sich der Boom des Internets auch vorteilhaft auf den grenzübergreifenden Handel aus und fördert die Entwicklung des Binnenmarkts und den Abbau von Barrieren zwischen den Mitgliedstaaten. Das Internet ist Motor der weltweiten Wirtschaft. Es hat ein bisher nie dagewesenes Innovationsniveau ermöglicht.

Der Erfolg des Internets ist zu einem Großteil auf seine Offenheit und leichte Zugänglichkeit zurückzuführen, da für den Zugang lediglich ein Internet-Anschluss erforderlich ist. Für die Bereitstellung von Inhalten oder Diensten haben Privatpersonen und Unternehmen – mit Ausnahme einiger grundlegender technischer Voraussetzungen – derzeit keine Hindernisse wie hohe Eintrittskosten zu überwinden, die viele andere etablierte Netzindustrien noch immer kennzeichnen. So haben eben diese fehlenden Hindernisse vielen heute überall verbreiteten Anwendungen ihren Erfolg erst ermöglicht.

Während der Zugang zum Internet anfangs noch telefonisch erfolgte, ist das Internet aufgrund der Verbreitung attraktiver Anwendungen – die durch die immer schnelleren Breitbandverbindungen zugänglich wurden – heute weit mehr als eine bloße Telefonverbindung. Es ist das „Netz der Netze“, das unsere Kommunikations-, Geschäfts- und Arbeitsweisen verändert hat, ungeahnte Möglichkeiten in Bildung, Kultur, Kommunikation und sozialer Interaktion eröffnet, Fortschritte in Wissenschaft und Technik ermöglicht und die freie Meinungsäußerung und Medienvielfalt insgesamt unterstützt.

In den Ausbau der Infrastruktur wurden Milliarden Euro investiert, um bessere Dienste für die Verbraucher zu niedrigeren Preisen erbringen zu können. In Kombination mit dem EU-Modell einer wettbewerbsfreundlichen Zugangsregulierung auf Vorleistungsebene und der Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts hat dies einen verstärkten Wettbewerb in den nachgeordneten Wirtschaftsbereichen nach sich gezogen und ein wettbewerbsfähiges Angebot von Breitbandzugangspaketen ermöglicht, das zusammen mit einem attraktiven Angebot an Inhalten und Diensten die Verbrauchernachfrage weiter erhöht hat. Es sind daher weitere Investitionen erforderlich, um mit dem explosionsartig ansteigenden Datenverkehr Schritt zu halten. Einigen Prognosen zufolge wird der festnetzgestützte Datenverkehr um jährlich 35 % und der mobilfunkgestützte Datenverkehr um jährlich 107 % zunehmen.

Das Internet hat sich zu einem unverzichtbaren gesellschaftlichen Gut entwickelt. Sein volles Potenzial ist jedoch noch nicht erschlossen.

Parameter der Debatte über die Netzneutralität

Zwar gibt es bisher keine feste Definition der „Netzneutralität“, doch die nationalen Regulierungsbehörden werden in Artikel 8 Absatz 4 Buchstabe g der Rahmenrichtlinie[5] dazu verpflichtet, die Interessen der Bürger der Europäischen Union zu fördern, indem sie die Endnutzer in die Lage versetzen, Informationen abzurufen und zu verbreiten oder beliebige Anwendungen und Dienste zu nutzen. Dies unterliegt selbstverständlich dem anwendbaren Recht, so dass Maßnahmen auf EU- oder einzelstaatlicher Ebene nicht berührt werden, die zur Bekämpfung illegaler Tätigkeiten, insbesondere im Bereich der Verbrechensbekämpfung, dienen.

Das Wesen der Netzneutralität und die der Debatte zugrunde liegenden Themen betreffen zuallererst die Frage, wie die Offenheit dieser Plattform am besten erhalten werden kann und wie sichergestellt werden kann, dass auch weiterhin allgemein zugängliche hochwertige Dienste erbracht und Innovationen unterstützt werden und gleichzeitig Grundrechte wie die Freiheit der Meinungsäußerung und die unternehmerische Freiheit gewahrt und gefördert werden.

Einen Schwerpunkt der Debatte über die Netzneutralität bilden die Steuerung des Datenverkehrs und die Frage, was eine angemessene Steuerung des Datenverkehrs darstellt. Es ist allgemein anerkannt, dass die Netzbetreiber den Datenverkehr in einem gewissen Umfang steuern müssen, damit ihre Netze effizient genutzt werden können, und dass bestimmte IP-Dienste, wie z. B. Echtzeit-Internet-Protokoll-Fernsehen (IPTV) und Videokonferenzen, eine besondere Steuerung des Datenverkehrs erfordern können, um eine vorbestimmte hohe Dienstqualität sicherzustellen. Die Tatsache, dass einige Betreiber jedoch aus Gründen, die nichts mit der Steuerung des Datenverkehrs zu tun haben, legale Dienste (insbesondere Internet-Telefonie (VoIP)) möglicherweise sperren oder benachteiligen, da diese mit ihren eigenen Diensten in einem Wettbewerb stehen, ist als Beschränkung der Offenheit des Internets anzusehen. Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Debatte über die Netzneutralität ist die Frage der Transparenz. Die Bereitstellung angemessener Informationen über mögliche Beschränkungen oder eine Steuerung des Datenverkehrs soll die Verbraucher in die Lage versetzen, bewusste Entscheidungen zu treffen. Diese Fragen der Datenverkehrssteuerung, des Sperrens und der Benachteiligung, der Dienstqualität und Transparenz müssen daher geprüft werden.

BESTIMMUNGEN DES EU-RECHTSRAHMENS ÜBER DIE NETZNEUTRALITÄT

Wettbewerbsgrundsätze

Der EU-Rechtsrahmen soll einen wirksamen Wettbewerb fördern, da sich ein hochwertiges Angebot an Gütern und Dienstleistungen zu erschwinglichen Preisen für die Verbraucher auf diese Weise am wirksamsten sicherstellen lässt. Im Interesse eines funktionierenden Wettbewerbs müssen die Verbraucher in die Lage versetzt werden, anhand klarer und aussagekräftiger Informationen zwischen verschiedenen konkurrierenden Angeboten zu wählen. Die Verbraucher müssen zudem wirklich zu einem anderen Anbieter wechseln können, wenn dieser bessere Dienste und/oder niedrigere Preise anbietet oder wenn sie mit den erbrachten Dienstleistungen nicht zufrieden sind, z. B. da ihr derzeitiger Anbieter bestimmte Dienste oder Anwendungen einschränkt. In einer wettbewerbsorientierten Umgebung veranlasst dies die Betreiber, ihre Preise anzupassen und von Beschränkungen beliebter Anwendungen, wie z. B. VoIP-Diensten, Abstand zu nehmen.

Die Bedeutung der Probleme, die in der Debatte über die Netzneutralität behandelt werden, hängt daher auch vom Ausmaß des Wettbewerbs im jeweiligen Markt ab.

In Europa wird der Wettbewerb durch den Rechtsrahmen gefördert, da Netzbetreiber mit erheblicher Marktmacht verpflichtet werden, auf Vorleistungsebene Netzzugänge bereitzustellen, und Funkfrequenzen in einer wettbewerbsfördernden Weise zugewiesen werden. Der Zugang zu Mobilfunknetzen auf Vorleistungsebene wurde auf der Grundlage von Hinweisen [weitgehend?] dereguliert, dass diese Zugänge den Betreibern von virtuellen Mobilfunknetzen zu wirtschaftlichen Bedingungen angeboten werden und diese ihr Angebot auf Endkundenebene damit ergänzen. Das parallel zum Ex-ante-Rechtsrahmen durchgesetzte Wettbewerbsrecht erleichtert Markteintritte, da es dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch regulierte Betreiber entgegenwirkt. Die Endkundenpreise für festnetzgebundene und drahtlose Internetzugänge sind daher in der EU nicht reguliert, und die Verbraucher können entsprechend ihren Bedürfnissen (z. B. in Bezug auf Volumen oder Bandbreite) aus einem breiten Angebot an Diensten zu unterschiedlichen Preisen wählen.

Gleichzeitig können mögliche Marktversagen, oligopolistische Praktiken, Engpässe bei der Erbringung hochwertiger Dienste für die Verbraucher und eine asymmetrische Informationsversorgung die Angemessenheit des Wettbewerbs, der die Offenheit des Internets garantiert, jedoch beeinträchtigen.

Der geänderte Telekommunikationsrahmen

Der 2009 geänderte Telekommunikationsrahmen soll zur Erhaltung des offenen und neutralen Charakters des Internets beitragen. Nach den geänderten Bestimmungen sind die nationalen Regulierungsbehörden im Bereich der Telekommunikation verpflichtet, die Endnutzer in die Lage zu versetzen, „Informationen abzurufen und zu verbreiten oder beliebige Anwendungen und Dienste zu benutzen“ (Artikel 8 Absatz 4 Buchstabe g der Rahmenrichtlinie).

Dies wird durch neue Transparenzanforderungen an die Informationen für die Verbraucher unterstützt (Artikel 21 der Universaldienstrichtlinie). Insbesondere müssen die Verbraucher über folgende Punkte informiert werden, wenn sie einen Dienst bestellen oder später Änderungen vornehmen:

- Bedingungen gemäß dem EU-Recht, die den Zugang zu Diensten und Anwendungen oder deren Nutzung beschränken; und

- vom Unternehmen zur Messung und Kontrolle des Datenverkehrs eingerichtete Verfahren, um eine Kapazitätsauslastung oder Überlastung einer Netzverbindung zu vermeiden, und über die möglichen Auswirkungen dieser Verfahren auf die Dienstqualität;

Diese Transparenzvorschriften sind erforderlich für eine angemessene Information der Verbraucher über die zu erwartende Dienstqualität.

Die Verbraucher sollen ihren Anbieter innerhalb eines Arbeitstages wechseln und ihre Nummern dabei behalten können. Zudem müssen die Anbieter den Verbrauchern die Möglichkeit geben, Verträge über nicht mehr als 12 Monate zu schließen. Die neuen Vorschriften stellen darüber hinaus sicher, dass die Bedingungen und Verfahren für die Beendigung eines Vertrages nicht als Negativanreiz hinsichtlich eines Anbieterwechsels wirken (Artikel 30 Absatz 6 der Universaldienstrichtlinie).

Ferner können die nationalen Regulierungsbehörden – nach Konsultation der Kommission – eingreifen, indem sie Mindestanforderungen für die Qualität von Netzübertragungsdiensten festlegen (Artikel 22 Absatz 3 der Universaldienstrichtlinie) und so eine verlässliche Dienstqualität sichern.

Die Mitgliedstaaten müssen alle diese Bestimmungen des geänderten EU-Rechtsrahmens bis zum 25. Mai 2011 umsetzen.

Darüber hinaus enthält das EU-Recht[6] Vorschriften für den Schutz personenbezogener Daten, die auch dann gelten, wenn Entscheidungen mit erheblichen Auswirkungen für die Personen anhand der automatischen Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten getroffen werden. Jegliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Sperren oder Steuern des Datenverkehrs auf dieser Grundlage müssen daher den Datenschutzvorschriften entsprechen.

Schließlich müssen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von EU-Recht auch die Charta der Grundrechte der EU achten. Dies gilt auch für die Umsetzung des überarbeiteten Telekommunikationsrahmens, der Auswirkungen auf die Ausübung einiger dieser Rechte haben könnte.

BISHERIGE FESTSTELLUNGEN

Sperren

Das Sperren oder Drosseln des rechtmäßigen Datenverkehrs war eines der Schwerpunktthemen bei der öffentlichen Konsultation und der Tagung zur Netzneutralität. Sperren kann in Form eines erschwerten Zugangs oder durch die tatsächliche Beschränkung bestimmter Dienste oder Websites im Internet erfolgen. Ein klassisches Beispiel wäre die Sperrung von VoIP-Diensten durch Anbieter mobiler Internetzugänge. Drosseln (eine Technik zur Steuerung des Datenverkehrs und zur Verringerung von Datenstaus) kann dazu dienen, bestimmte Arten des Datenverkehrs zu benachteiligen (z. B. zu verlangsamen), und so die Qualität von Inhalten, wie z. B. Video-Streaming-Dienste eines Wettbewerbers, beeinträchtigen.

Auf europäischer Ebene hat das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) Anfang 2010 eine Umfrage unter seinen Mitgliedern durchgeführt, um den Stand der Dinge in den verschiedenen Mitgliedstaaten in Erfahrung zu bringen. Außerdem hatten die französische Regulierungsbehörde ARCEP[7] und die Regulierungsbehörde des Vereinigten Königreichs OFCOM[8] bereits vor der öffentlichen Konsultation der Kommission auf nationaler Ebene eigene Konsultationen vorgenommen.

Im Rahmen der öffentlichen Konsultation gab GEREK an, dass bestimmte Betreiber Daten teilweise ungleich behandelten. So berichtete GEREK über Probleme, die sowohl Nutzer als auch Anbieter von Inhalten gemeldet hatten:

- Einschränkungen der Geschwindigkeit („Drosseln“) von Peer-to-Peer-File-Sharing oder Video-Streaming durch bestimmte Anbieter in Frankreich, Griechenland, Ungarn, Litauen, Polen und dem Vereinigten Königreich;

- Sperren oder Erhebung zusätzlicher Gebühren für die Erbringung von VoIP-Diensten in Mobilfunknetzen durch bestimmte Mobilfunkbetreiber in Österreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Portugal und Rumänien.

GEREK unterschied jedoch nicht zwischen einer vollständigen Sperrung und Fällen, in denen die Betreiber den Dienst anbieten, aber zusätzliche Gebühren verlangen, und machte auch keine Angaben zur Höhe dieser Gebühren. Diese zentralen Punkte bedürfen somit einer weiteren Klärung. Es ist daher wichtig, in einer umfassenderen Studie einen klaren Überblick über die Situation in der EU zu erhalten. Auch Verbraucherorganisationen und Organisationen der Zivilgesellschaft wiesen auf mehrere mutmaßliche Fälle des Sperrens oder Drosselns hin. GEREK stellte fest, dass die Betreiber diese Probleme häufig freiwillig behoben, oft nach einer Intervention der nationalen Regulierungsbehörde oder aufgrund einer nachteiligen Medienberichterstattung und des damit verbundenen Drucks.

Es wurden Befürchtungen geäußert, dass Sperren, die derzeit vor allem VoIP betreffen, künftig auch auf andere Dienste, wie Internet-Fernsehübertragungen ausgeweitet werden könnten. Die Teilnehmer der Konsultation betonten zudem, dass Gebührenstrukturen große Betreiber begünstigen könnten, da diese es sich leisten könnten, für eine Priorisierung zu zahlen, während damit Einschränkungen für neue Marktteilnehmer verbunden wären und die Anreize für Innovationen verringert würden. Ferner wurde auf das Risiko hingewiesen, dass Verbraucher Schwierigkeiten haben könnten, über ein einzelnes Internet-Abonnement auf die Dienste ihrer Wahl zuzugreifen, wenn verschiedene Betreiber einzelne Dienste sperren oder benachteiligen.

Der Kommission liegen derzeit keine Belege dafür vor, dass diese Bedenken gerechtfertigt sind; sie sollten jedoch in einer umfassenderen Studie berücksichtigt werden.

Datenverkehrssteuerung

Angesichts der steigenden Anforderungen an Breitbandnetze sowie der verschiedenen Dienste und Anwendungen, die einen kontinuierlichen Datenaustausch erfordern, ist eine Steuerung des Datenverkehrs erforderlich, um eine Unterbrechung der Dienste für die Endnutzer aufgrund überlasteter Netze zu vermeiden.

Die Datensteuerung kann auf verschiedene Weise erfolgen:

- Eine Differenzierung der Datenpakete ermöglicht eine unterschiedliche Behandlung verschiedener Arten des Datenverkehrs, z. B. bei Diensten, die eine Echtzeit-Kommunikation erfordern, wie Audio- oder Video-Live-Streaming und VoIP. Diese Differenzierung gewährleistet eine bestimmte Mindestqualität der Dienste für die Endnutzer.

- IP- Routing ermöglicht es den Internetdienstanbietern, Pakete über verschiedene Kommunikationswege zu leiten, um überlastete Netze zu vermeiden oder bessere Dienste zu erbringen. Ein Internetdienstanbieter kann Pakete z. B. zu einem Server leiten, der eine Kopie der angeforderten Informationen enthält und der sich entweder in seinem Netz oder in dessen Nähe befindet.

- Filtern ermöglicht es den Internetdienstanbietern, zwischen „sicherem“ und „schädlichem“ Datenverkehr zu unterscheiden und letzteren zu sperren, bevor die Daten ihr Ziel erreichen.

Für die Verbraucher hat es keine Auswirkungen, wenn sie eine E-Mail erst ein paar Sekunden nach dem Versand erhalten, während eine ähnliche Verzögerung in der Sprachkommunikation eine erhebliche Verschlechterung darstellen würde und sie unter Umständen vollständig unbrauchbar machen könnte.

Einen Schwerpunkt der Debatte über die Netzneutralität bilden die Steuerung des Datenverkehrs und die Frage, was eine angemessene Steuerung des Datenverkehrs darstellt. Eine Steuerung des Datenverkehrs ist als notwendig anzusehen, wenn sie dazu dient, einen reibungslosen Datenverkehr zu gewährleisten, insbesondere zu Zeiten, in denen die Netze stark ausgelastet sind.

Eine Reihe von Teilnehmern der öffentlichen Konsultation waren sich darin einig, dass eine Steuerung des Datenverkehrs auf dem Gebiet der elektronischen Kommunikation nicht neu ist. Beispielsweise geben Betreiber dem Sprachdatenverkehr insbesondere im Falle der Mobilfunknetze Vorrang. Einige Teilnehmer brachten vor, dass sich solche Steuerungsmethoden bei einem ordnungsgemäßen Einsatz vorteilhaft auf die Dienste für die Verbraucher auswirken. Auch diejenigen Teilnehmer der öffentlichen Konsultation, die auf das Sperren von Peer-to-Peer- oder VoIP-Diensten hinwiesen, stimmten zu, dass eine Steuerung des Datenverkehrs erforderlich und wichtig für einen effizienten Betrieb des Internets ist. Sie waren sich darin einig, dass die Datenverkehrssteuerung zur Behebung von Überlastungs- und Sicherheitsproblemen völlig gerechtfertigt ist und den Grundsätzen der Netzneutralität nicht widerspricht.

Mehrere Teilnehmer äußerten Bedenken hinsichtlich eines möglichen Missbrauchs der Datenverkehrssteuerung, mit der z. B. bestimmten Diensten gegenüber anderen Vorrang gewährt würde, was sie nicht als gerechtfertigt betrachten, wenn es sich dabei um Dienste ähnlicher Art handelt.

Es bestand breite Übereinstimmung darin, dass es Betreibern und Internetdienstanbietern gestattet sein sollte, im Einklang mit allen geltenden Rechtsvorschriften ihre eigenen Geschäftsmodelle und -vereinbarungen festzulegen. Einige Konsultationsteilnehmer forderten eine Zusammenarbeit der nationalen Regulierungsbehörden und der Betreiber, um eine sinnvolle und wirksame Transparenz hinsichtlich der Datenverkehrssteuerung gegenüber den Verbrauchern sicherzustellen.

Einige vertraten die Ansicht, dass die Datenverkehrssteuerung gemäß dem Grundsatz der Technologieneutralität, der dem Rechtsrahmen der EU für die elektronische Kommunikation zugrunde liegt, sowohl in Festnetzen als auch in Mobilfunknetzen angewandt werden sollte.

Die Kommission wird diese Frage gemeinsam mit GEREK weiter im Auge behalten, um eine angemessene und transparente Steuerung des Datenverkehrs entsprechend den Zielen des EU-Telekommunikationsrahmens zu ermöglichen.

Verbraucher und Dienstqualität

Transparenz ist ein wesentlicher Aspekt der Debatte über die Netzneutralität. Die Bereitstellung angemessener Informationen über mögliche Beschränkungen oder eine Steuerung des Datenverkehrs ermöglicht es den Verbrauchern, bewusste Entscheidungen zu treffen.

Nach Angaben von GEREK erhielten die meisten nationalen Regulierungsbehörden Beschwerden von Verbrauchern über eine Diskrepanz zwischen den beworbenen und den tatsächlichen Geschwindigkeiten von Internet-Anschlüssen. Es bestand Übereinstimmung darin, dass Transparenz hinsichtlich der Dienstqualität unverzichtbar ist. Angesichts der Komplexität und des technischen Charakters der vielen verschiedenen Internetangebote sollten nach Ansicht vieler Konsultationsteilnehmer möglichst einfache, aber gleichzeitig aussagekräftige und ausreichend detaillierte Informationen bereitgestellt werden.

Einige Akteure wiesen darauf hin, dass der Rechtsrahmen bereits Schutzmaßnahmen für die Erhaltung des offenen und neutralen Charakters des Internets vorsieht und sich die nationalen Regulierungsbehörden auf Artikel 22 Absatz 3 der Universaldienstrichtlinie berufen und angemessene Mindestanforderungen für die Dienstqualität festlegen sollten, wenn sie auf eine Verschlechterung der Dienste, Behinderungen oder Verlangsamungen des Datenverkehrs in den Netzen aufmerksam gemacht werden.

Im Laufe der Tagung vom November 2010 betonten Mitglieder des Europäischen Parlaments die Notwendigkeit, weiter an den Indikatoren für die Dienstqualität zu arbeiten, und kündigten an, sich hinsichtlich der empfehlenswerten Verfahren an GEREK zu orientieren.

Internationale Entwicklungen

Eine Reihe von Fragen – etwa ob Internetanbieter bestimmte Inhalte gegenüber anderen vorrangig behandeln können oder ob Mobilfunk- und Festnetze unterschiedlichen Regeln unterliegen sollten – sind auch in einigen Ländern außerhalb der EU Gegenstand intensiver und kontroverser Diskussionen.

In den Vereinigten Staaten bekräftigt die Federal Communications Commission (FCC) regelmäßig ihren Willen zur Erhaltung der Offenheit des Internets. Dazu verabschiedete sie 2005 vier zentrale Prinzipien, die es den Internet-Nutzern ermöglichen, Inhalte, Anwendungen, Dienste und Geräte ihrer Wahl zu nutzen, und den Wettbewerb zwischen den Anbietern von Netzen, Diensten und Inhalten fördern sollen. Diese Ideen stimmen weitgehend mit dem im überarbeiteten EU-Telekommunikationsrahmen festgelegten Prinzip des „offenen Internets“ überein.

Im Dezember 2010 verabschiedete die FCC neue Transparenzvorschriften sowie eine Klarstellung hinsichtlich der auf Breitbandfestnetzen und -mobilfunknetzen zulässigen Sperren. Grundsätzlich dürfen die Anbieter von Breitbandfestnetzzugängen danach rechtmäßige Inhalte und Dienste sowie nicht schädliche Geräte und Anwendungen nicht sperren, auch wenn diese mit ihren eigenen Sprach- oder Videotelefondiensten in einem Wettbewerb stehen. Hinsichtlich mobiler Breitbandverbindungen wird ein stufenweiser Ansatz verfolgt; zunächst wird es den Anbietern nur ausdrücklich untersagt, rechtmäßige Websites und VoIP- oder Videotelefonieanwendungen zu sperren, die mit ihren eigenen Sprach- oder Videotelefoniediensten in einem Wettbewerb stehen.

In anderen Ländern wurden unverbindliche Leitlinien für die Netzneutralität erlassen. In Norwegen verabschiedete die Post- und Telekommunikationsbehörde (NPT) in Zusammenarbeit mit einer Reihe von Branchenakteuren im Februar 2009 eine freiwillige Vereinbarung, nach der die Nutzer das Recht auf einen Internetanschluss haben, der i) eine vorab festgelegte Kapazität und Qualität aufweist, ii) es ihnen ermöglicht, Inhalte, Dienste und Anwendungen ihrer Wahl zu nutzen, und iii) nicht hinsichtlich der Art der Anwendung, des Dienstes oder der Inhalte diskriminiert.

In Kanada gab die „Radio-television and Telecommunications Commission“ (CRTC) im Oktober 2009 einen neuen Rahmen für die Netzneutralität heraus, der erhöhte Transparenzanforderungen an die Internetanbieter enthält und es ihnen nur als letztes Mittel gestattet, Methoden der Datenverkehrssteuerung anzuwenden.

Chile scheint das erste Land zu sein, das den Grundsatz der Netzneutralität direkt in seine Gesetzgebung aufgenommen hat. Im August 2010 verabschiedete das Parlament ein neues Gesetz über die Netzneutralität, das im Wesentlichen die Rechte der Internetanbieter auf Steuerung der Inhalte beschränkt, während es den Schutz für die Anbieter von Inhalten und für die Internetnutzer stärkt.

Die Kommission verfolgt diese internationalen Entwicklungen aufmerksam und wird sie auch weiterhin bei ihren eigenen Überlegungen zum Schutz der Netzneutralität berücksichtigen.

SCHLUSSFOLGERUNG

Die in der Erklärung der Kommission hervorgehobene Bedeutung der Erhaltung eines offenen Internets stieß bei der öffentlichen Konsultation und der von der Kommission und dem Parlament gemeinsam organisierten Tagung auf breite Unterstützung. Die Kommission setzt sich weiterhin für dieses Ziel sowie für die Erhaltung eines robusten, allgemein zugänglichen „Best-efforts“-Internets ein.

Nach Ansicht der Kommission dürften die in dem überarbeiteten EU-Rahmen für die elektronische Kommunikation enthaltenen Vorschriften über die Transparenz, den Anbieterwechsel und die Dienstqualität dazu beitragen, wettbewerbsorientierte Ergebnisse zu erzielen.

Da die Mitgliedstaaten derzeit noch im Begriff sind, den überarbeiteten EU-Rahmen für die elektronische Kommunikation in nationales Recht umzusetzen, ist es wichtig, ausreichend Zeit für die Umsetzung dieser Bestimmungen zu gewähren und zu beobachten, wie sie sich in der Praxis bewähren.

Wie bereits erwähnt, waren die aus der öffentlichen Konsultation hervorgehenden Daten in vielen Bereichen, die für die Überprüfung des Stands der Dinge in der Europäischen Union von entscheidender Bedeutung sind, unvollständig oder ungenau. Die Kommission prüft daher derzeit gemeinsam mit GEREK eine Reihe von Punkten, die im Laufe des Konsultationsverfahrens zur Sprache kamen, darunter Hindernisse für den Anbieterwechsel (z. B. die Frage, nach welchem Zeitraum Kunden Post-Paid-Verträge durchschnittlich beenden können und welche Strafen gegebenenfalls dafür berechnet werden), die Praxis des Sperrens und Drosselns und kaufmännische Praktiken mit ähnlichen Wirkungen, die Transparenz und Qualität der Dienste sowie Wettbewerbsfragen in Bezug auf die Netzneutralität (z. B. diskriminierende Praktiken eines marktbeherrschenden Anbieters).

In diesem Zusammenhang behält sich die Kommission vor, nach Artikel 101 und 102 AEUV jegliche Praktiken zur Steuerung des Datenverkehrs zu prüfen, die den Wettbewerb möglicherweise einschränken oder verzerren.

Das weitere Vorgehen

Die Kommission wird bis Ende des Jahres die Ergebnisse der Untersuchung des GEREK veröffentlichen und dabei auch mögliche Fälle des Sperrens oder Drosseln bestimmter Arten des Datenverkehrs berücksichtigen.

Auf der Grundlage dieser Ergebnisse und der Umsetzung der Bestimmungen des Telekommunikationsrahmens wird die Kommission zunächst über die Verabschiedung zusätzlicher Leitlinien zur Netzneutralität entscheiden.

Sollten wesentliche und fortdauernde Probleme festgestellt werden und das System insgesamt – einschließlich der verschiedenen Betreiber – nicht gewährleisten können, dass die Verbraucher über ein einzelnes Internet-Abonnement leicht auf Inhalte, Dienste und Anwendungen ihrer Wahl zugreifen können, wird die Kommission die Notwendigkeit strengerer Maßnahmen prüfen, um für Wettbewerb zu sorgen und den Verbrauchern die ihnen zustehenden Wahlmöglichkeiten zu sichern. Transparenz und die Möglichkeit eines einfachen Anbieterwechsels sind zwar wesentliche Elemente für die Wahl oder den Wechsel eines Internetanbieters, aber möglicherweise nicht ausreichend, um das Problem allgemeiner Beschränkungen rechtmäßiger Dienste oder Anwendungen zu beheben. Solche zusätzlichen Maßnahmen könnten in Form von Leitlinien oder allgemeinen Rechtsmaßnahmen erfolgen, die den Wettbewerb und die Auswahl für die Verbraucher fördern, wie z. B. durch eine weitere Erleichterung des Anbieterwechsels, oder, falls sich dies als unzureichend erweist, etwa durch besondere Verpflichtungen hinsichtlich einer ungerechtfertigten Differenzierung des Internet-Datenverkehrs, die für alle Internetdienstanbieter unabhängig von ihrer Markmacht gelten. Dabei könnte auch das Sperren von rechtmäßigen Diensten untersagt werden.

Die Netzneutralität betrifft eine Reihe von Rechten und Grundsätzen, die in der EU-Grundrechtecharta festgelegt sind, insbesondere die Achtung des Privat- und Familienlebens, den Schutz personenbezogener Daten und die Meinungs- und Informationsfreiheit. Jegliche Legislativvorschläge in diesem Bereich werden daher in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Grundrechte und ihre Übereinstimmung mit der EU-Grundrechtecharta eingehend geprüft[9].

Jede weitere Regulierung sollte eine abschreckende Wirkung hinsichtlich Investitionen oder innovativer Geschäftsmodelle vermeiden, eine effizientere Nutzung der Netze ermöglichen, neue Geschäftsmöglichkeiten auf verschiedenen Ebenen der Wertschöpfungskette des Internets eröffnen und den Verbrauchern eine Auswahl aus verschiedenen Internetzugangsprodukten sichern, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind.

Gleichzeitig wird die Kommission ihren Dialog mit den Mitgliedstaaten und den beteiligten Akteuren fortsetzen, um die rasche Weiterentwicklung der Breitbandnetze zu gewährleisten und so den Druck auf die Datenübertragung zu verringern.

[1] ABl. L 337 vom 18. Dezember 2009.

[2] KOM(2010) 245.

[3]http://ec.europa.eu/information_society/policy/ecomm/library/public_consult/net_neutrality/index_en.htm.

[4]http://ec.europa.eu/information_society/policy/ecomm/library/public_consult/net_neutrality/index_en.htm.

[5] Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 (Rahmenrichtlinie).

[6] Z. B. die Datenschutzrichtlinie (95/46/EG) und die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (2002/58/EG).

[7] http://www.arcep.fr/uploads/tx_gspublication/net-neutralite-orientations-sept2010-eng.pdf.

[8] http://stakeholders.ofcom.org.uk/consultations/net-neutrality/?showResponses=true.

[9] Im Einklang mit der „Strategie zur wirksamen Umsetzung der Charta der Grundrechte“, KOM(2010) 573 endg. vom 19.10.2010.

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