EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52010DC0343

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Auf dem Weg zu einer umfassenden europäischen Auslandsinvestitionspolitik

/* KOM/2010/0343 endg. */

52010DC0343

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Auf dem Weg zu einer umfassenden europäischen Auslandsinvestitionspolitik /* KOM/2010/0343 endg. */


[pic] | EUROPÄISCHE KOMMISSION |

Brüssel, den 7.7.2010

KOM(2010)343 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Auf dem Weg zu einer umfassenden europäischen Auslandsinvestitionspolitik

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Auf dem Weg zu einer umfassenden europäischen Auslandsinvestitionspolitik

Für die gemeinsame Handelspolitik stellt der Bereich der Investitionen eine neue Herausforderung dar. Der Vertrag von Lissabon sieht vor, dass die Union zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen bei den ausländischen Direktinvestitionen beiträgt. Zu diesem Zweck überträgt der Vertrag der Union die ausschließliche Zuständigkeit für diesen Bereich[1]. In der vorliegenden Mitteilung wird geprüft, wie die Union eine Auslandsinvestitionspolitik entwickeln kann, die die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärkt und auf diese Weise dazu beiträgt, dass das in der Strategie Europa 2020[2] beschriebene Ziel eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums erreicht wird. Dabei werden die wichtigsten Leitlinien für eine künftige Investitionspolitik der EU sowie die grundlegenden Parameter für die nächsten Schritte in diesem Bereich erörtert.

Parallel zu dieser Mitteilung hat die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung angenommen, mit der eine Übergangsregelung für Investitionsabkommen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern festgelegt würde[3]. Mit dieser Regelung soll sowohl für EU-Investoren als auch für ausländische Investoren, die zu den Bedingungen dieser Abkommen tätig sind, Rechtssicherheit geschaffen werden. Die vorgeschlagene Verordnung sowie die vorliegende Mitteilung sind nur erste Schritte auf dem Weg zur stufenweisen, zielgerichteten Entwicklung einer europäischen Auslandsinvestitionspolitik, bei der auch den Reaktionen auf die vorliegende Mitteilung Rechnung getragen wird.

DEFINITION, AUSWIRKUNGEN UND JÜNGSTE ENTWICKLUNGEN

Gemeinhin wird die Auffassung vertreten, dass ausländische Direktinvestitionen (ADI) alle ausländischen Investitionen umfassen, die dauerhafte und direkte Beziehungen zu dem Unternehmen schaffen, dem Kapital zum Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit zugeführt wird[4]. Werden Investitionen in Form einer Beteiligung getätigt, so setzt diese Zielsetzung voraus, dass die Aktien ihrem Inhaber die Möglichkeit geben, sich tatsächlich an der Führung dieses Unternehmens oder an dessen Kontrolle zu beteiligen[5]. Im Gegensatz dazu stehen ausländische Investitionen, bei denen keine Einflussnahme auf die Führung oder die Kontrolle eines Unternehmens beabsichtigt ist. Diese Investitionen, die meist eher kurzfristiger und manchmal spekulativer Art sind, werden allgemein als „Portfolioinvestitionen“ bezeichnet[6].

Im Zuge der Globalisierung war ein drastischer Anstieg des Kapitalverkehrs und insbesondere auch der ADI zu verzeichnen. Die ADI-Ströme, die sowohl Ursache als auch Folge der Globalisierung sind, erreichten 2007, dem Jahr bevor sich die weltweiten Wirtschafts- und Finanzmarktturbulenzen auf die Investitionen auswirkten, ein Rekordhoch von nahezu 1,5 Billionen EUR[7].

ADI sind eine wichtige Quelle für Produktivitätsgewinne; außerdem spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Gründung und Organisation von Unternehmen sowie der Schaffung und Gestaltung von Arbeitsplätzen im In- und Ausland. Mithilfe der ADI bauen die Unternehmen die globalen Lieferketten auf, die Teil der modernen internationalen Wirtschaft sind. Innovationen in den Bereichen Transport und Informationstechnologie haben ihrerseits zur Handelserleichterung geführt und die Globalisierung von Wirtschaftsunternehmen über Konzerngrenzen hinaus gefördert. Investitionen und Handel sind heutzutage voneinander abhängig und ergänzen sich gegenseitig. Rund die Hälfte des Welthandels wird heute zwischen Tochterunternehmen von multinationalen Unternehmen abgewickelt, die mit Zwischenprodukten von Waren und Dienstleistungen handeln.

Das Verhältnis zwischen ADI einerseits und Wirtschaftswachstum und Wohlstand andererseits ist zwar vielschichtig, insgesamt gesehen haben aber aktive und passive Investitionen (inward and outward investment) positive Auswirkungen auf das Wachstum und die Beschäftigung innerhalb und außerhalb der EU, auch in den Entwicklungsländern. In der EU leisten aktive Auslandsinvestitionen einen wichtigen positiven Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen, insbesondere in Form von Produktivitätssteigerungen. Entgegen einer bisweilen vertretenen anderslautenden Auffassung sind nach dem aktuellen Stand der Forschung über ADI und Beschäftigung bislang keine messbaren negativen Auswirkungen aktiver Auslandsinvestitionen auf die Gesamtbeschäftigung festzustellen[8]. Doch selbst wenn die Gesamtbilanz positiv ist, können selbstverständlich auf sektorspezifischer, geografischer und/oder individueller Ebene Negativfolgen auftreten. Umgekehrt ist weithin bekannt, welche Nettovorteile die passiven ADI in der EU haben, insbesondere hinsichtlich der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Optimierung der Ressourcenaufteilung, dem Transfer von Technologie und Fertigkeiten, der Steigerung des Wettbewerbs und der Belebung des Handels. Dies erklärt, weshalb unsere Mitgliedstaaten wie andere Staaten weltweit sich sehr darum bemühen, ausländische Investitionen anzuziehen.

Zur Zeit ist die EU weltweit Spitzenreiter, sowohl was Investitionen der EU im Ausland als auch ausländische Investitionen in der EU anbelangt. Als „Marktführer“ profitiert die EU von ihrer Öffnung gegenüber der übrigen Welt, auch im Bereich der Investitionen.

Auch wenn die ADI-Bestände und –ströme derzeit noch stark auf Industrieländer konzentriert sind, spielen aufstrebende Marktwirtschaften sowohl als Investoren als auch als Empfängerländer von Investitionen, auch aufgrund von staatlich geförderten Investitionen wie Staatsfonds, eine zunehmend aktive Rolle; sie besitzen nicht nur mehr Vermögenswerte als früher, sondern verfolgen auch stärker diversifizierte Investitionspolitiken[9]. Dieser Trend ist während der aktuellen weltwirtschaftlichen Turbulenzen insofern deutlicher geworden, als Investitionen in Schwellenländern und Investitionen aus Schwellenländern entweder stark gestiegen oder aber weniger drastisch gefallen sind als die Investitionsströme zwischen Industrieländern. Insgesamt hat dies zu einem Anstieg des relativen Anteils von Schwellenländern an den weltweiten ADI-Strömen geführt, und zwar sowohl bei den Zuflüssen als auch bei den Abflüssen. Daher kann es sich die EU nicht leisten, beim weltweiten Wettstreit um die Anziehung von Investitionen aus allen Teilen der Welt und um die Förderung von Investitionen aus und in allen Teilen der Welt einen der hinteren Plätze einzunehmen.

INVESTITIONEN ALS NEUE HERAUSFORDERUNG FÜR DIE GEMEINSAME HANDELSPOLITIK

Investitionsentscheidungen werden in erster Linie aus marktwirtschaftlichen Überlegungen heraus getroffen (z. B. erwartete Gewinne aus Investitionen). Diese Entscheidungen sind jedoch stark vom wirtschaftlichen, politischen und juristischen Umfeld einer bestimmten Marktwirtschaft abhängig. Investoren können nur in einem stabilen, gesunden und planungssicheren Umfeld erfolgreich tätig sein. Eine gemeinsame Auslandsinvestitionspolitik ist nicht die einzige Determinante für ADI-Zuflüsse und -abflüsse. Doch erfüllt sie den wichtigen Zweck, dass den Investoren ein offenes, sachgerecht und fair geregeltes Unternehmensumfeld für ihre Geschäftstätigkeiten garantiert wird, sowohl innerhalb der Grenzen eines Gastlandes als auch über dessen Grenzen hinweg. In diesem Zusammenhang sollte die Offenheit für Investitionen auch weiterhin ein Eckpunkt bei der Festlegung unserer Politik sein. Die EU wird auch in Zukunft ein offenes Investitionsumfeld bieten, in dem ausländische Investoren und ihr Beitrag zur europäischen Wirtschaft und Gesellschaft willkommen sind. Parallel dazu sollte die Union dafür Sorge tragen, dass die EU-Investoren im Ausland die gleichen Bedingungen vorfinden; auf diese Weise werden über die stufenweise Beseitigung von Investitionsbeschränkungen einheitliche und optimale Investitionsbedingungen garantiert. Daher ist ein aktiveres Engagement der EU angezeigt, damit ihre Investitionsbeziehungen mit Drittländern keine Einbahnstraße darstellen. Einige wichtige Bausteine und Hintergrundstudien stehen bereits zur Verfügung, auch aufgrund eingehender Analysen internationaler Organisationen wie OECD und UNCTAD . Sie bilden den Grundstein für eine gemeinsame Auslandsinvestitionspolitik.

a) Die Bausteine der Investitionspolitik

Die Investitionspolitik der Mitgliedstaaten in den letzten 50 Jahren findet ihren deutlichsten Ausdruck in der Anzahl der sogenannten bilateralen Investitionsabkommen (Bilateral Investment Treaties, BIT), die sie mit Drittländern geschlossen haben. Deutschland war weltweit der erste Staat, der ein BIT abgeschlossen hat (1959), und viele Staaten, darunter alle Mitgliedstaaten außer einem, sind diesem Beispiel gefolgt[10]. Mit insgesamt fast 1200 Abkommen, die alle Investitionsformen betreffen, entfällt auf die Mitgliedstaaten heute nahezu die Hälfte aller Investitionsabkommen, die derzeit weltweit in Kraft sind[11]. Der Anhang dieser Mitteilung enthält einen Überblick über die BIT, die die Mitgliedstaaten eingegangen sind.

Mit den BIT haben die Mitgliedstaaten in Drittländern besondere Garantien für die Behandlung ihrer Investoren und Investitionen angestrebt und erreicht. Dazu zählen Verpflichtungen, eine unfaire oder diskriminierende Behandlung zu vermeiden, oder die Garantie einer unverzüglichen, angemessenen und effektiven Entschädigung im Falle einer Enteignung. Diese Investitionsschutzgarantien sind eine wichtige Voraussetzung für den Aufbau von Vertrauen in die Rechtssicherheit, die wiederum eine notwendige Voraussetzung für tragfähige Investitionsentscheidungen ist. Somit gelten solche Investitionsschutzabkommen als ein effektives Mittel, um Investitionen zu fördern und anzuziehen, insbesondere in Ländern, in denen die inländischen Institutionen und die inländische Wirtschaftspolitik keine Gewähr für den Schutz von Investitionen bieten.

Allerdings haben nicht alle Mitgliedstaaten solche Abkommen geschlossen, und nicht alle Abkommen gewähren dieselben hohen Standards. Dies führt dazu, dass EU-Unternehmen, die im Ausland investieren, unter ungleichen Bedingungen tätig sind, je nachdem, ob sie im Rahmen eines bestimmten mitgliedstaatlichen BIT als „Inländer“ gelten oder nicht.

Ein weiteres Merkmal der mitgliedstaatlichen Abkommen ist, dass die Behandlung von Investoren erst „nach dem Markteintritt“ oder „nach der Zulassung“ einsetzt. Dies bedeutet, dass die BIT der Mitgliedstaaten keine spezifischen bindenden Verpflichtungen hinsichtlich der Markteintrittsbedingungen enthalten, weder seitens der Drittländer in Bezug auf aktive Auslandsinvestitionen von Unternehmen aus unseren Mitgliedstaaten noch vice versa. Die Europäische Union hat begonnen, diese Lücken sowohl durch multilaterale als auch bilaterale Abkommen auf EU-Ebene zu schließen, die den Zugang zum Investitionsmarkt und die Investitionsliberalisierung regeln. Mit diesen Abkommen wurden die Marktzugangsbedingungen für alle EU-Investoren verbessert, insbesondere durch die Garantie, dass Investoren beim Eintritt in einen Drittlandsmarkt nicht diskriminiert werden[12].

b) Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Auslandsinvestitionspolitik

Eine umfassende gemeinsame Auslandsinvestitionspolitik muss den Belangen der Investoren von der Planungs- bis zur Gewinnphase oder von der Phase vor der Zulassung bis zur Phase nach der Zulassung stärker Rechnung tragen. Daher werden wir mit unserer Handelspolitik versuchen, Investitionsliberalisierung und Investitionsschutz zu integrieren. Forschungen bestätigen, dass sich materiellrechtliche Investitionsbestimmungen in umfassenden Handelsabkommen nachhaltiger auf die Handels- und ADI-Ströme auswirken und dass eine Kombination von materiellrechtlichen Investitionsregeln und Bestimmungen zur Liberalisierung anderer Wirtschaftsbereiche stärker den Handel und die Investitionen beeinflusst[13].

Eine Auslandsinvestitionspolitik, die darauf ausgerichtet ist, die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu stärken, profitiert am meisten von der Zusammenarbeit und von Verhandlungen auf Unionsebene[14]. Damit diese Politik effektiv gestaltet werden kann, sollten Drittländer ihre Garantien hinsichtlich der Investitionsbedingungen in Form von völkerrechtlich verbindlichen Verpflichtungen geben. Investitionsverhandlungen mit Drittländern, bei denen sich die Union auf die über 1100 in Kraft befindlichen BIT stützen kann, dürften die EU in die Lage versetzen, den Wettbewerbsraum, der allen EU-Investoren zur Verfügung steht, auszuweiten, genauer festzulegen und zu schützen. Langfristig sollten wir dafür Sorge tragen, dass sich Investoren aus der EU und aus Drittländern nicht mehr auf von dem einen oder anderen Mitgliedstaat geschlossene BIT verlassen müssen, wenn es um den wirksamen Schutz ihrer Investitionen geht.

Häufig wird die Investitionspolitik durch Investitionsfördermaßnahmen auf Regierungsebene und auf nachgeordneter staatlicher Ebene der Mitgliedstaaten ergänzt. So konkurrieren Behörden miteinander wenn es darum geht, aktive und passive Auslandsinvestitionen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, zu fördern, wie es auch in den Bereichen Handels- oder Exportförderung der Fall ist. Dabei greifen sie in der Regel auf ein breitgefächertes Instrumentarium zurück, das von Investitionsanreizen bis hin zu Förder- und Unterstützungsprogrammen reicht. Auch wenn die Union dafür zuständig ist, das Europäische Modell und den Binnenmarkt für ausländische Investoren attraktiv zu machen[15], scheint es weder praktikabel noch wünschenswert, die Investitionsfördermaßnahmen der Mitgliedstaaten zu ersetzen, solange sie sich in die gemeinsame Handelspolitik einfügen und mit dem EU-Recht vereinbar sind.

EINE AGENDA FÜR INVESTITIONSVERHANDLUNGEN DER EU

Wie in allen Bereichen der europäischen Politik sollte die Union ihr Handeln darauf ausrichten, als Union bessere Ergebnisse zu erzielen als die Mitgliedstaaten für sich allein. Folglich sollte sich die Union bei ihren künftigen Aktionen in diesem Bereich an den bestmöglichen Standards orientieren und sich von ihnen leiten lassen, damit allen EU-Investoren gleiche Wettbewerbsbedingungen auf qualitativ hohem Niveau geboten werden.

Allerdings wäre ein Einheitsmodell für Investitionsabkommen mit Drittländern weder realisierbar noch wünschenswert. Die Union wird jeweils den konkreten Verhandlungskontext berücksichtigen müssen. So sollte sie sich bei der Festlegung von Standards in konkreten Investitionsverhandlungen auch an den Interessen unserer Wirtschaftsbeteiligten sowie am Entwicklungsstand unserer Partnerländer orientieren. Dabei gilt es, auch die Art der zwischen den Mitgliedstaaten und einem bestimmten Drittland bereits bestehenden Abkommen zu berücksichtigen. Struktur und Inhalt der BIT, die die Mitgliedstaaten in jüngster Zeit geschlossen haben, sind zwar weitgehend ähnlich, aber es gibt doch einige Unterschiede. Auch diese Unterschiede könnten maßgebend für die Ziele sein, die in einem konkreten Verhandlungskontext zu verfolgen sind.

Die Kommission stellt im Folgenden in groben Zügen die Grundsätze und Parameter für künftige Investitionsabkommen vor. Sie werden in den länderspezifischen Verhandlungsempfehlungen weiterentwickelt und weiter ausgestaltet, die die Kommission im Anschluss an diese Mitteilung vorlegen wird.

a) Kriterien für die Auswahl von Partnerländern

Derzeit konzentrieren sich ADI in hohem Maße auf entwickelte Volkswirtschaften. Dies spiegelt nicht nur die wirtschaftliche Bedeutung dieser Länder gemessen am BIP wider, sondern unterstreicht auch die prinzipiell günstigen Bedingungen, die für ausländische Investoren auf einigen dieser Märkte vorherrschen. Die derzeitigen Handels- und Investitionsströme sind schon an sich wichtige Determinanten für die Festlegung der Prioritäten bei Investitionsverhandlungen der EU. Die Union sollte sich zum einen in die Richtung bewegen, die ihre Investoren einschlagen möchten; zum anderen sollte sie ihnen mit der Liberalisierung der Investitionsströme den Weg im Ausland ebnen. Märkte mit deutlichem Wirtschaftswachstum oder beträchtlichen Wachstumsaussichten bieten bei dem immer härter werdenden Wettbewerb besondere Möglichkeiten. Die EU-Investoren müssen Zugang zu diesen Märkten haben; außerdem müssen sie sich ungeachtet der Veränderungen, denen diese Volkswirtschaften unterliegen, darauf verlassen können, dass ihnen eine faire und berechenbare Behandlung widerfährt. Die Interessen der EU bei Investitionsverhandlungen werden unter anderem auch vom politischen, institutionellen und wirtschaftlichen Klima in unseren Partnerländer geprägt. Die „Robustheit“ des Investorenschutzes aufgrund von Schlichtungsmöglichkeiten entweder im Gastland oder auf internationaler Ebene wäre eine wichtige Determinante bei der Festlegung der Länder, mit denen die EU vorrangig Investitionsverhandlungen führen sollte. Von entscheidender Bedeutung für die Einschätzung des Wertes von Investitionsschutzverhandlungen ist insbesondere die Frage, ob unsere Partner in der Lage sind, die Grundsätze der Rechtstaatlichkeit zu wahren und anwenden, damit Investoren ein sicheres und stabiles Umfeld vorfinden.

Auf kurze Sicht bietet sich die Möglichkeit, die Investitionen in die gemeinsame Handelspolitik zu integrieren, bei derzeit laufenden Handelsverhandlungen, in denen sich die Union bisher nur auf den Marktzugang für Investoren konzentriert hat[16]. Die jüngste Generation wettbewerbsorientierter Freihandelsabkommen (FHA) ist exakt auf das Ziel ausgerichtet, das wirtschaftliche Potenzial der bedeutendsten Wachstumsmärkte der Welt für den Handel und die Investitionen der EU zu erschließen. Die Union hat ein Interesse daran, die Verhandlungen auf den gesamten Investitionsbereich auszudehnen. In einigen Fällen könnten wir auch auf ein Ersuchen seitens unserer Verhandlungspartner reagieren. In den Verhandlungen der EU mit Kanada über ein umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen hat unser Partner sein Interesse an der Einbeziehung des Investitionsschutzes geäußert. Andere laufende Verhandlungen, bei denen die Einbeziehung des Investitionsschutzes in Betracht gezogen werden sollte, sind die Verhandlungen der EU mit Indien über ein breit angelegtes Handels- und Investitionsabkommen, die Verhandlungen der EU mit Singapur über ein Freihandelsabkommen sowie die Handelsverhandlungen mit Mercosur .

Auf kurze bis mittlere Sicht sollte die Union auch prüfen, unter welchen Voraussetzungen es wünschenswert sein kann, eigenständige Investitionsabkommen anzustreben. China , das über einen hohen Anteil an Neuansiedlungsinvestitionen verfügt, darunter auch Investitionen aus der EU, könnte ein Anwärter für ein eigenständiges Investitionsabkommen sein, das den Schutz von Vermögen aller Art, wozu auch die Rechte des geistigen Eigentums zählen, gewährleisten sollte. Die Kommission wird analysieren, ob ein derartiges Investitionsabkommen mit China wünschenswert und realisierbar ist; anschließend wird sie dem Europäischen Parlament und dem Rat darüber Bericht erstatten. Auch Russland bietet besondere Möglichkeiten und Herausforderungen für europäische Investoren. Verhandlungen mit Russland über Investitionen unter Einbeziehung des Investitionsschutzes sollten weiterhin erwogen und erörtert werden, beispielsweise im Kontext eines umfassenden Übereinkommens; das könnte z. B. das Folgeübereinkommen zum Partnerschafts- und Kooperationsabkommens sein.

Sollte es sich als unmöglich oder unratsam erweisen, in naher Zukunft ein umfassendes, übergreifendes Investitionsabkommen mit einem oder mehreren Ländern zu schließen, können auf bestimmte Sektoren beschränkte Abkommen eine Alternative darstellen, die auf ihre Zweckmäßigkeit, ihre Realisierbarkeit und ihre möglichen Auswirkungen überprüft würden. Solche sektorbezogenen Verhandlungen sollten sich auf die in dieser Mitteilung dargelegten Grundsätze stützen und im Einklang mit künftigen Entwicklungen der gemeinsamen Investitionspolitik stehen. Desgleichen könnte die Realisierbarkeit einer multilateralen Initiative auf lange Sicht weiter untersucht werden.

b) Ausländische Direktinvestitionen und die weiteren Perspektiven

Investoren haben ein zentrales Interesse daran, im Ausland Vermögenswerte zu schaffen und diese zu kontrollieren; gleichzeitig bedingen derartige Direktinvestitionen immer zusätzliche Transfers, beispielsweise die Rückführung von Gewinnen. Es ist wichtig, dass eine gemeinsame Auslandsinvestitionspolitik nicht nur die Tätigung einer Direktinvestition an sich ermöglicht – Erwerb eines ausländischen Unternehmens oder Gründung eines solchen –; sie muss auch alle Geschäftsvorgänge im Zusammenhang mit dieser Investition ermöglichen und schützen und sie in der Praxis ausführbar machen: Zahlungen, Schutz immaterieller Vermögenswerte wie Rechte des geistigen Eigentums usw.

In dieser Hinsicht sollte die Formulierung einer Investitionspolitik im Einklang mit dem Kapitel des AEU-Vertrags stehen, das sich mit dem Kapital- und Zahlungsverkehr befasst (Artikel 63-66 AEUV); danach sind grundsätzlich alle Beschränkungen des Kapital- und Zahlungsverkehrs, auch im Zusammenhang mit Direkt- und Portfolioinvestitionen, zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten. Das betreffende Kapitel sieht zwar die Möglichkeit des Abschlusses internationaler Abkommen über Investitionen, einschließlich Portfolioinvestitionen, nicht ausdrücklich vor. Da aber internationale Investitionsabkommen den Geltungsbereich der im AEUV-Kapitel über den Kapital- und Zahlungsverkehr vorgegebenen gemeinsamen Regeln berühren, ergäbe sich daraus implizit die ausschließliche Zuständigkeit der Union für den Abschluss von Abkommen in diesem Bereich[17].

c) Festlegung von Investitionsschutzvorschriften

Eine Schlüsselfrage betrifft die materiellrechtlichen Vorschriften, deren Einbeziehung in Handels- und Investitionsabkommen die Union anstreben würde. Derzeit stützt sich die Union bei Investitionsverhandlungen hauptsächlich auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, der den Eckpfeiler des globalen Handelssystems darstellt. Die Nichtdiskriminierung wird gewöhnlich über die beiden Grundvorschriften der „Meistbegünstigung“ und der „Inländerbehandlung“ erreicht. Beide Vorschriften sind relativ, weil die Behandlung von einem auf die Herkunft abstellenden Vergleich abhängig ist; es wird also keine absolute Behandlungsvorschrift gesetzt. Somit bestimmt sich ihr Inhalt nach der Behandlung, die ein Land seinen ausländischen Investoren und Investitionen und seinen eigenen Investoren und Investitionen zuteil werden lässt.

Die Nichtdiskriminierung sollte weiterhin Kernbestandteil der EU-Investitionsverhandlungen sein; indessen enthalten BIT noch andere Vorschriften, beispielsweise das Gebot der „gerechten und billigen Behandlung“ nach der Zulassung und das Gebot der Gewährleistung von „vollem Schutz und voller Sicherheit“. Diese Vorschriften implizieren keinen Vergleich hinsichtlich der Art der Behandlung vergleichbarer Investitionen. Darüber hinaus enthalten einige mitgliedstaatliche BIT Bestimmungen zum Schutz der Vertragsrechte, die das Gastland dem Investor eingeräumt hat („Schirmklausel“). Sie sind traditionell in mitgliedstaatlichen BIT zu finden und gehören zu den wichtigen Aspekten, die in die Verhandlungen über Investitionsabkommen auf EU-Ebene einfließen sollten.

Ein wichtiger Eckpfeiler guter mitgliedstaatlicher Praxis sind Klauseln, die die Ausübung des Enteignungsrechts durch das Gastland an bestimmte Bedingungen knüpfen. Nach Artikel 345 AEUV berühren die Verträge zwar nicht das Recht eines Mitgliedstaats, darüber zu befinden, ob ein bestimmter Vermögenswert in öffentlichem oder privatem Eigentum stehen sollte; aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich aber, dass dies nicht dahingehend auszulegen ist, dass Enteignungsmaßnahmen von den Grundprinzipien des AEU-Vertrags und namentlich den Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr ausgenommen sind[18]. Folglich sollten Enteignungsmaßnahmen in der EU diskriminierungsfrei sein[19] und ein verhältnismäßiges Mittel zur Erreichung ihres rechtmäßigen Ziels darstellen (z. B. durch Gewährung einer angemessenen Entschädigung)[20]. Daher sollte die Union diesbezügliche präzise Klauseln in ihre künftigen Investitions- und Handelsabkommen aufnehmen. Es muss sichergestellt werden, dass für die verschiedenen Interessen, die auf dem Spiel stehen, wie der Schutz von Investoren gegen unzulässige Enteignung oder das Recht jeder Vertragspartei, im öffentlichen Interesse Regelunge zu treffen, ein ausgewogenes Gleichgewicht gefunden wird. Gleichermaßen sollten EU-Klauseln aufgenommen werden, die den ungehinderten Transfer von Kapital und Zahlungen durch Investoren sicherstellen.

Schließlich sei daran erinnert, dass die Handels- und Investitionspolitik der Union mit der Art und Weise kompatibel sein muss, mit der die EU und ihre Mitgliedstaaten die Wirtschaftstätigkeit innerhalb der Union und über unsere Grenzen hinweg regulieren. Investitionsabkommen sollten im Einklang mit den übrigen Politikfeldern der Union und ihrer Mitgliedstaaten stehen, dazu zählen auch Politikfelder wie Umweltschutz, menschenwürdige Arbeit, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Verbraucherschutz, kulturelle Vielfalt, Entwicklung und Wettbewerb. Die Investitionspolitik wird die Union und ihre Mitgliedstaaten auch künftig in die Lage versetzen, die nötigen Maßnahmen zur Verfolgung öffentlicher Ziele zu ergreifen und durchzusetzen.

Eine gemeinsame Investitionspolitik sollte auch von den Grundsätzen und Zielen geleitet werden, die ganz allgemein das Handeln der Union auf internationaler Ebene bestimmen; dies schließt die Förderung der Rechtstaatlichkeit, der Menschenrechte und einer nachhaltigen Einwicklung ein (Artikel 205 AEUV und Artikel 21 EUV). In dieser Hinsicht sind die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, die derzeit aktualisiert werden, ein wichtiges Instrument, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Rechten und Pflichten der Investoren zu erzielen.

d) Durchsetzung investitionsbezogener Verpflichtungen

Die wirksame Durchsetzbarkeit von Investitionsvorschriften zu gewährleisten ist ein Kernziel der Union. Die Union hat in den letzten Jahren stärker darauf geachtet, dass die im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik ausgehandelten Abkommen wirksam durchgesetzt werden können und auch tatsächlich so umgesetzt werden, nötigenfalls durch verbindliche Streitbeilegung. In allen Freihandelsabkommen jüngeren Datums hat die Union wirksame und zügige Verfahren zur Streitbeilegung zwischen Staaten vorgesehen. Dieses Streitbeilegungssystem wird künftig auch für die Investitionsbestimmungen in den Handels- und Investitionsabkommen der EU gelten.

Um eine wirksame Durchsetzung zu gewährleisten, sehen die Investitionsabkommen auch die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investor und Staat vor; damit kann ein Investor bei Ansprüchen gegenüber einer Regierung direkt ein bindendes internationales Schiedsverfahren anstrengen[21]. Die Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten ist ein zentrales Merkmal, das die Union aus den mitgliedstaatlichen BIT übernommen hat; es ist wichtig, da der Investor mit seiner Investition eine langfristige Beziehung zum Gastland eingeht und er sich bei Schwierigkeiten mit der Investition nicht ohne Weiteres anderen Märkten zuwenden kann. Ein geregeltes Verhältnis zwischen Investor und Staat ist inzwischen ein anerkanntes Merkmal von Investitionsabkommen; ein Verzicht darauf würde Investoren einfach abschrecken und ein Gastland gegenüber anderen Ländern unattraktiver machen.

Aus den genannten Gründen sollte die Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten in künftige EU-Abkommen einfließen, in denen auch der Investitionsschutz geregelt wird. Daraus ergeben sich gewisse Herausforderungen, zum einen weil die Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten im internationalen Wirtschaftsrecht einzigartig ist und zum anderen weil die Union als Akteur auf diesem Gebiet bisher keine signifikante Rolle gespielt hat. Die vorhandenen Strukturen sind nicht so recht auf den neuen Akteur Europäische Union eingestellt. Nur ein Beispiel: Das Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten (International Convention for the settlement of investment disputes, ICSID) kann zwar von Staaten unterzeichnet und ratifiziert werden, die Mitglieder der Weltbank oder Partei des Statuts des Internationalen Gerichtshofs sind. Die Europäischen Union erfüllt aber keines dieser Kriterien.

Wenn die Union an ein System zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten herangeht, sollte sie auf den praktischen Erfahrungen der Mitgliedstaaten aufbauen, damit am Ende ein System nach neuestem Stand herauskommt. Einige der größten Herausforderungen sind:

- die Transparenz bei der Beilegung von Investor-Saat-Streitigkeiten. In Übereinstimmung mit dem Vorgehen der EU in der WTO sollte die EU dafür Sorge tragen, dass Investor-Staat-Streitigkeiten transparent beigelegt werden (dies schließt Schlichtungsanträge, Schriftsätze, öffentliche Anhörungen, Amicus-Schriftsätze und die Veröffentlichung der Schiedssprüche ein);

- die Vielfalt der Streitigkeiten und Auslegungen . Kohärenz und Berechenbarkeit sind Kernfragen, und es wäre zu erwägen, ob quasi-permanente Schlichter eingeführt werden sollten (so wie es die EU bei Freihandelsabkommen praktiziert) und/oder Rechtsbehelfsmöglichkeiten, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass viele Ansprüche aus einem bestimmten Abkommen geltend gemacht werden;

- die Regeln für die Durchführung der Schlichtung . Zusammen mit Interessenträgern wird die Kommission sondieren, ob die Europäische Union den Beitritt zum ICSID-Übereinkommen anstreben sollte (wobei darauf hinzuweisen ist, dass dazu eine Änderung dieses Übereinkommens erforderlich wäre)[22].

e) Internationale Zuständigkeit

Wenn die Kommission das Ziel verfolgt, auf EU-Ebene eine Auslandsinvestitionspolitik zu entwickeln, dann muss sie sich auch mit der Frage der Kompetenzverteilung zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten bei EU-Investitionsabkommen befassen. Die Europäische Union, vertreten durch die Kommission, wird für alle Maßnahmen von EU-Institutionen die Konsequenzen tragen. Aufgrund der ausschließlichen Außenkompetenz der EU geht die Kommission davon aus, dass die Europäische Union auch die alleinige Beklagte sein wird, falls ein Mitgliedstaat Maßnahmen ergreift, die sich auf die Investitionen von Angehörigen oder Unternehmen aus Drittländern auswirken, die unter das betreffende Abkommen fallen. Die Kommission wird sich bei der Entwicklung ihrer neuen Auslandsinvestitionspolitik mit dieser Frage befassen, insbesondere mit der Frage des finanziellen Ausgleichs; dabei wird sie die bereits verfügbaren Instrumente heranziehen und gegebenenfalls auch neue Vorschriften erlassen.

FAZIT

Mit dem Vertrag von Lissabon erhielt die EU die ausschließliche Zuständigkeit für ausländische Direktinvestitionen, die damit auch zum integralen Bestandteil der gemeinsamen Handelspolitik wurden. Dadurch kann die EU auch ihr Bekenntnis zum offenen Investitionsumfeld bekräftigen, das den Grundstein für ihren Wohlstand gelegt hat, und an der Förderung von Direktinvestitionen und Portfolioinvestitionen festhalten, auch als Instrument zur Förderung der Wirtschaftsentwicklung.

Bisher haben die EU und die Mitgliedstaaten getrennt auf das gemeinsame Ziel hingearbeitet, Rechtssicherheit für Investoren herzustellen und ihnen ein stabiles, berechenbares, faires und sachgerecht reguliertes Geschäftsumfeld zu bieten. Während die Mitgliedstaaten sich auf die Förderung und den Schutz von Investitionen aller Art konzentrierten, erarbeitete die Kommission ein auf den Marktzugang für Direktinvestitionen ausgerichtetes Liberalisierungsprogramm. Unter diesen Voraussetzungen führte die klare komplementäre Aufgabenteilung im Investitionsbereich jedoch dazu, dass es heute eine recht große Vielfalt an Investitionsabkommen gibt.

Um die Wettbewerbsfähigkeit im Außenbereich, die einheitliche Behandlung aller EU-Investoren und ein größtmögliches Verhandlungsgewicht zu gewährleisten, sollte sich eine gemeinsame Auslandsinvestitionspolitik mit Investitionen aller Art befassen und insbesondere den Bereich des Investitionsschutzes einbeziehen. Die EU sollte sich daher an bewährten Verfahren orientieren, damit EU-Abkommen keinen Investor schlechter stellen als es im Rahmen eines mitgliedstaatlichen BIT der Fall wäre.

Auch wenn Investitionsschutz und -liberalisierung zu Kerninstrumenten einer gemeinsamen Auslandsinvestitionspolitik werden, bleibt den Mitgliedstaaten genügend Spielraum für die Verfolgung einer eigenen Investitionsförderpolitik, die die gemeinsame Auslandsinvestitionspolitik passend ergänzt. Generell wird eine gemeinsame Politik mehr – und nicht etwa weniger – Zusammenarbeit und Koordinierung seitens der Union und der Mitgliedstaaten erfordern.

Im Rahmen von Investitionsverhandlungen, die grundsätzlich als Teil umfassenderer Handelsverhandlungen zu führen wären, sollte die EU auf verbindliche Zusagen ihrer Partner hinarbeiten, damit der ungehinderte Fluss von Investitionen aller Art gewährleistet und geschützt ist. Auch eigenständige Investitionsverhandlungen würden als Möglichkeit erhalten bleiben. Auf kurze Sicht wird sich die Kommission um eine Anpassung der Verhandlungsrichtlinien bemühen, damit sich der Verhandlungsspielraum in den derzeit mit einer Reihe von Ländern laufenden Handelsverhandlungen vergrößert, bei denen ein starkes Interesse besteht und bei denen entsprechende Wünsche geäußert wurden. Zwar orientieren sich die Grundsätze und Parameter für derartige Verhandlungen an der bewährten Praxis der Mitgliedstaaten; diese Mitteilung skizziert aber bereits in groben Zügen, welchen Rahmen die Union bei Auslandsinvestitionsverhandlungen abstecken und welche Standards sie diesbezüglich setzen sollte.

Wie dargelegt wurde, sind die vorgeschlagene Verordnung zur Einführung einer Übergangsregelung für Investitionsabkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern und diese Mitteilung nur erste Schritte auf dem Weg zur stufenweisen gezielten Entwicklung einer europäischen Auslandsinvestitionspolitik; dabei wird auch den Reaktionen auf diese Mitteilung Rechnung getragen werden.

Anhang: Übersicht über die Zahl der mitgliedstaatlichen bilateralen Investitionsabkommen

[pic]

Anmerkung: Informationsstand der Kommissionsdienststellen: 15. Juni 2010.

[1] Artikel 206 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sieht vor, dass die Union durch die Schaffung einer Zollunion nach den Artikeln 28 bis 32 im gemeinsamen Interesse zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr und bei den ausländischen Direktinvestitionen sowie zum Abbau der Zollschranken und anderer Schranken beiträgt. In Artikel 207 sind ausländische Direktinvestitionen als einer der Bereiche aufgeführt, die unter die gemeinsame Handelspolitik der Union fallen. Nach Artikel 3 Absatz 1 AEUV ist die gemeinsame Handelspolitik einer der Bereiche, in denen die Union die ausschließliche Zuständigkeit hat.

[2] Mitteilung der Kommission „Europa 2020: Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ – KOM(2010) 2020 vom 3.3.2010.

[3] Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung einer Übergangsregelung für bilaterale Investitionsabkommen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern.

[4] Der Begriff „Direktinvestitionen“ wurde im Kapitel „Der Kapital- und Zahlungsverkehr“ des EG-Vertrags erwähnt und findet sich nun in den Artikeln 63 bis 66 AEUV. In diesem Zusammenhang wurde er vom Gerichtshof im Sinne der Nomenklatur im Anhang der Richtlinie 88/361/EWG vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (ABl. L 178 vom 8.7.1988, S. 5-18) ausgelegt, die sich ihrerseits weitgehend auf allgemein anerkannte Definitionen des IWF und der OECD stützt. Siehe beispielsweise das Urteil vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation , Rechtssache C-446/04, Slg. I-11753, Randnr. 181. Siehe außerdem die Urteile vom 24. Mai 2007, Holböck, Rechtssache C-157/05, Slg. I-4051, Randnr. 34; vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland , Rechtssache C-112/05, Slg. I-8995, Randnr. 18; vom 18. Dezember 2007, Skatterverket v A , Rechtssache C-101/05, Randnr. 46; vom 20. Mai 2008, Orange European Smallcap Fund , Rechtssache C-194/06, Randnr. 100; vom 14. Februar 2008, Kommission/Spanien , Rechtssache C-274/06, Randnr. 18 und vom 26. März 2009, Kommission/Italien , Rechtssache C-326/07, Randnr. 35.

[5] Siehe beispielsweise die Urteile vom 12. Dezember 2006, Test Claimants in the FII Group Litigation , Rechtssache C-446/04, Slg. I-11753, Randnr. 182; vom 24. Mai 2007, Holböck , Rechtssache C-157/05, Slg. I-4051, Randnr. 35; vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland , Rechtssache C-112/05, Slg. I-8995, Randnr. 18; vom 20. Mai 2008, Orange European Smallcap Fund , Rechtssache C-194/06, Randnr. 101 und vom 26. März 2009, Kommission/Italien , Rechtssache C-326/07, Randnr. 35.

[6] Der Gerichtshof der Europäischen Union beschrieb den Begriff „Portfolioinvestitionen“ als den “Erwerb von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt allein in der Absicht einer Geldanlage, ohne auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss nehmen zu wollen“. Siehe Urteil vom 26. September 2008, Kommission/Niederlande , in den verbundenen Rechtssachen C-282/4 und C-283/04, Slg. I-9141, Randnr. 19.

[7] Weltinvestitionsbericht der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD), 2009.

[8] Impact of EU outward FDI (Auswirkungen aktiver ADI der EU), Copenhagen Economics, 2010.

[9] Die Kommission hat 2008 ihr Vorgehen gegenüber Staatsfonds festgelegt. Siehe KOM(2008) 115 vom 27.2.2008.

[10] Bilaterales Investitionsabkommen zwischen Deutschland und der Islamischen Republik Pakistan, 1959. Irland ist der einzige EU-Mitgliedstaat, der kein bilaterales Investitionsabkommen mit einem Drittland abgeschlossen hat.

[11] Weltinvestitionsbericht der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD), 2009, S. 32. In dem UNCTAD-Bericht ist eine Gesamtzahl von 2676 BIT genannt, wobei diese Zahl auch Intra-EU-BIT, also BIT zwischen EU-Mitgliedstaaten, umfasst. Die letztgenannte Kategorie von Abkommen fällt nicht unter die vorliegende Mitteilung.

[12] Auf multilateraler Ebene schafft das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) einen Verpflichtungsrahmen für die Erbringung einer Dienstleistung mittels einer kommerziellen Präsenz (definiert als „Modus 3“ in Artikel I des GATS). Auf bilateraler Ebene hat die Union Verhandlungen mit Korea über ein Freihandelsabkommen abgeschlossen, in dem Bestimmungen über den Marktzugang für Investoren und Niederlassungen enthalten sind.

[13] Analysis of the economic impact of investment provision in regional trade agreements (Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen von Investitionsbestimmungen in regionalen Handelsabkommen), OECD (2006), OECD Trade Policy Working Paper (Arbeitspapier der OECD zur Handelspolitik) Nr. 36 vom 11.7.2006.

[14] Es ist darauf hinzuweisen, dass die Union nach Artikel 207 Absatz 2 AEUV die ausschließliche Zuständigkeit für die autonome Gesetzgebung im Bereich der ADI wie in anderen Bereichen (z. B. Regelung der Ein- und Ausfuhren) der gemeinsamen Handelspolitik hat.

[15] Mitteilung der Kommission „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts“ – KOM(2007) 725.

[16] Ein weiteres rechtliches Argument für die Einbindung von investitionsbezogenen Verpflichtungen in Handelsabkommen ergibt sich aus der Tatsache, dass Handelsabkommen, sofern sie mit den einschlägigen WTO-Regeln zur Wirtschaftsintegration konform sind, von der WTO-Verpflichtung zur Einräumung der Meistbegünstigung befreit sind, nach der die WTO-Mitglieder die Meistbegünstigung sofort bedingungslos auf die übrigen Mitglieder ausweiten müssen. Mit anderen Worten kann die Meistbegünstigung, z. B. in Bezug auf den Zugang zum Investitionsmarkt, nur beibehalten werden, wenn sie im Rahmen eines Handelsabkommens eingeräumt wird. Dies ist von größter Bedeutung für ADI im Dienstleistungssektor, da sich das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) mit der Erbringung von Dienstleistungen mittels kommerzieller Präsenz im Ausland befasst; dabei handelt es sich im Wesentlichen um ADI.

[17] Artikel 3 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union bestimmt: „Die Union hat ferner die ausschließliche Zuständigkeit für den Abschluss internationaler Übereinkünfte, wenn der Abschluss einer solchen Übereinkunft in einem Gesetzgebungsakt der Union vorgesehen ist, wenn er notwendig ist, damit sie ihre interne Zuständigkeit ausüben kann, oder soweit er gemeinsame Regeln beeinträchtigen oder deren Tragweite verändern könnte.“

[18] Siehe z. B. das Urteil vom 23. Februar 2003, Ospelt, Rechtssache C-452/01, Slg. 2003, I-9743, Randnr. 24, das Urteil vom 1. Juni 1999, Konle , Rechtssache C-302/97, Slg. 1999, I-3099, Randnr. 38 und das Urteil vom 6. November 1984, Fearon , Rechtssache C-182/83, Slg. 1984, 3677, Randnr. 7.

[19] EuGH, 6. November 1984, Fearon , Rechtssache C-182/83, Slg. 1984, 3677.

[20] EFTA-Gerichtshof, 26. Juni 2007, EFTA-Überwachungsbehörde/Norwegen , Rechtssache E-2/06, Randnr. 79, Artikel 17 Absatz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

[21] Der Vertrag über die Energiecharta, dessen Vertragspartei die EU ist, ermöglicht ebenfalls eine Streitbeilegung zwischen Investor und Staat.

[22] Die Europäischen Gemeinschaften verhandelten erfolgreich über die Änderung einiger internationaler Übereinkommen sowie über den anschließenden Beitritt zu den diesbezüglichen Übereinkommen/Organisationen. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist die Weltzollorganisation.

Top