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Document 52009DC0279

Mitteilung der Kommission - Eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr : Wege zu einem integrierten, technologieorientierten und nutzerfreundlichen System

/* KOM/2009/0279 endg. */

52009DC0279




[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 17.6.2009

KOM(2009) 279 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION

Eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr: Wege zu einem integrierten, technologieorientierten und nutzerfreundlichen System

MITTEILUNG DER KOMMISSION

Eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr: Wege zu einem integrierten, technologieorientierten und nutzerfreundlichen System

1. Einleitung

1. Im Jahr 2001 legte die Kommission ein Weißbuch[1] vor, in dem Weichenstellungen für die europäische Verkehrspolitik bis 2010 vorgeschlagen wurden. Dieses Programm wurde anlässlich der Halbzeitbilanz 2006 aktualisiert[2]. Mit dem nahenden Ende dieser Zehnjahresspanne ist es nun an der Zeit, den Blick weiter voraus zu richten und den Weg für künftige Entwicklungen der Politik zu ebnen.

2. Der Verkehr ist ein komplexes System, in dem zahlreiche Faktoren eine Rolle spielen, darunter die Siedlungs- und Verbrauchsmuster der Bevölkerung, die Organisation der Produktion und die Verfügbarkeit von Infrastruktur. Angesichts dieser Komplexität muss jeder Eingriff in den Verkehrssektor nicht zuletzt deshalb auf einer langfristigen Vision für nachhaltige Mobilität von Menschen und Gütern basieren, weil die Umsetzung strukturpolitischer Entscheidungen viel Zeit in Anspruch nimmt und diese daher eine sehr frühzeitige Planung erfordern.

3. Die Verkehrspolitik für die nächsten 10 Jahre muss sich demgemäß auf Überlegungen zur Zukunft des Verkehrssystems stützen, die sich auch auf die folgenden Jahrzehnte erstrecken. Die Kommission hat entsprechende Überlegungen eingeleitet; diese schließen eine Evaluierungsstudie zur europäischen Verkehrspolitik, eine Diskussion in drei „Fokusgruppen“, eine Studie mit dem Titel „Transvisions“ zur Ermittlung möglicher Verkehrszenarien mit geringer Kohlenstoffintensität sowie die Konsultation der betroffenen Akteure, insbesondere im Rahmen einer am 9./10. März 2009 abgehaltenen Konferenz hochrangiger Vertreter des Verkehrssektors, ein[3].

4. In dieser Mitteilung werden die Ergebnisse dieser breit angelegten Überlegungen zusammengefasst. Abschnitt 2 geht auf jüngere Entwicklungen der europäischen Verkehrspolitik sowie offene Fragen ein. Abschnitt 3 enthält einen Ausblick auf die Zukunft mit Prognosen zu Trends bei den verkehrstreibenden Faktoren und den Herausforderungen, die sich für die Gesellschaft daraus ergeben dürften. In Abschnitt 4 wird eine Reihe politischer Zwischenziele vorgeschlagen, die verfolgt werden könnten, um den im Verkehrssektor erwachsenden Herausforderungen zu begegnen. In Abschnitt 5 werden einige verfügbare Instrumente und Handlungsoptionen zum Erreichen der ermittelten Ziele beschrieben.

5. Die in dieser Mitteilung vorgestellten Ideen sollen eine weitere Debatte anstoßen, in deren Rahmen die politischen Optionen ermittelt werden sollen, ohne der Formulierung konkreter Vorschläge im nächsten Weißbuch 2010 vorzugreifen.

2. Die europäische Verkehrspolitik im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts

6. Vor dem Blick in die Zukunft ist eine Bestandsaufnahme der Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit sinnvoll. Zwar ist es noch zu früh, die Auswirkungen einer Reihe seit 2000 getroffener politischer Maßnahmen umfassend zu bewerten, doch können den Markttrends und den verfügbaren Daten bereits einige Hinweise entnommen werden. Diese können vor dem Hintergrund der politischen Ziele bewertet werden, die in der Halbzeitbilanz zum Weißbuch und in der Strategie für nachhaltige Entwicklung von 2006[4] gesetzt wurden. Der folgende Abschnitt zeigt, dass die europäische Verkehrspolitik die in den oben genannten Strategiepapieren genannten Ziele größtenteils erreicht hat, indem sie einen erheblichen Beitrag zur Entwicklung der europäischen Wirtschaft und ihrer Wettbewerbsfähigkeit leistete, Marköffnung und Integration erleichterte, hohe Qualitätsstandards für Sicherheit, Gefahrenabwehr und Passagierrechte setzte und die Arbeitsbedingungen verbesserte.

7. Der Verkehr ist eine wesentliche Komponente der europäischen Wirtschaft. Auf den Verkehrssektor insgesamt entfallen ca. 7 % des europäischen BIP und mehr als 5 % der Arbeitsplätze in der EU[5]. Die europäische Verkehrspolitik hat zur Schaffung eines Mobilitätssystems beigetragen, das in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit und Effizienz dem Vergleich mit den ökonomisch führenden Regionen der Welt standhält. Sie hat dem sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt gedient, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie gefördert[6] und damit einen erheblichen Beitrag zur Verwirklichung der Lissabon-Agenda für Wachstum und Beschäftigung[7] geleistet. Die Fortschritte in Bezug auf die mit der Strategie für nachhaltige Entwicklung verfolgten Ziele waren hingegen eher begrenzt: Wie im Fortschrittsbericht von 2007[8] ausgeführt, befindet sich das europäische Verkehrssystem in mehrfacher Hinsicht noch nicht auf dem Pfad der Nachhaltigkeit.

8. Die Marktöffnung hat generell zu größerer Effizienz und geringeren Preisen geführt. Dies wird im Luftverkehr deutlich, wo dieser Prozess am weitesten vorangeschritten ist[9]. Die EU befindet sich auf dem Weg zur Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen in einem zunehmend integrierten Verkehrsmarkt, wenngleich noch eine Reihe ungelöster Probleme besteht, zum Beispiel Unterschiede in der Besteuerung und Subventionierung. Hier ist festzustellen, dass die Marktöffnung und Integration bei verschiedenen Verkehrsträgern nicht nur großen, sondern auch kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zugute gekommen ist,

9. Im Rahmen der Politik der transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-V) wurde die Koordinierung der Planung von Infrastrukturprojekten durch die Mitgliedstaaten erheblich verbessert. Bei der Realisierung der TEN-V wurden große Fortschritte erzielt, und die dazu notwendigen Investitionen (400 Mrd. €) sind bereits zu einem Drittel erfolgt[10]. Der Ausbau der TEN zur Einbeziehung der neuen Mitgliedstaaten auf der Grundlage der bereits vor der Erweiterung getätigten Investitionen[11] bildete eine Blaupause für die Struktur- und Kohäsionsfonds mit Blick auf den schrittweisen Abbau der dort bestehenden Infrastrukturdefizite. Es bleibt zwar noch viel zu tun, aber die TEN haben bereits einen großen Beitrag dazu geleistet, Märkte und Menschen in der EU zu verbinden.

10. Bei der Verringerung der Luftverschmutzung und der Unfälle im Straßenverkehr wurden Fortschritte erzielt. Die Luftqualität in den europäischen Städten hat sich durch die Anwendung der immer strengeren Euro-Emissionsnormen erheblich verbessert, doch besteht weiterhin Handlungsbedarf, vor allem zur Verringerung der Emission von Stickoxiden und der für die menschliche Gesundheit besonders gefährlichen Feinstaubpartikel (PM10) sowie zur Gewährleistung einer angemessenen Kontrolle der tatsächlichen Emissionen. Daneben hat der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur zu einem Verlust an Lebensräumen für Tier- und Pflanzenarten sowie zur Zersiedelung der Landschaft geführt. Das im Weißbuch von 2001 angeführte Ziel, die Zahl der Verkehrstoten bis 2010 zu halbieren, wird wahrscheinlich nicht erreicht werden, obwohl in vielen Mitgliedstaaten Maßnahmen eingeleitet wurden, die zu deutlichen Fortschritten führten. 2008 waren in der EU 39 000 Verkehrstote zu beklagen. Der Straßenverkehr fordert also weiterhin einen viel zu hohen Blutzoll.

11. Im Seeverkehrssektor wurden die Meeresverschmutzung und Unfälle auf See deutlich reduziert, und die EU hat einen der weltweit fortschrittlichsten Rechtsrahmen für die Sicherheit und die Verhinderung der Meeresverschmutzung geschaffen (zuletzt mit dem dritten Maßnahmenpaket für die Sicherheit im Seeverkehr). Im Luftverkehr hat die EU ein umfassendes Bündel gemeinsamer, einheitlicher und verbindlicher Rechtsvorschriften verabschiedet, die alle wichtigen sicherheitsrelevanten Bereiche (Flugzeuge, Wartung, Flughäfen, Flugverkehrsmanagementsysteme usw.) abdecken. Es wurden Sicherheitsagenturen für den Luftverkehr (EASA), den Seeverkehr (EMSA) und den Schienenverkehr (ERA) errichtet.

12. Das Weißbuch von 2001 ging nicht auf die Gefahrenabwehr im Verkehr ein. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurde jedoch eine entsprechende Politik entwickelt. Derzeit bestehen für die meisten Verkehrsarten und für kritische Infrastrukturen EU-Rechtsvorschriften zur Gefahrenabwehr. Daneben unterhält die EU zur Verbesserung der Gefahrenabwehr eine Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft: vor kurzem wurden Marineoperationen zur Bekämpfung der Piraterie eingeleitet.

13. Durch die Stärkung der Rechte von Passagieren wurden qualitativ hochwertige Verkehrsdienste für die Verbraucher gefördert. Es wurden Rechtsvorschriften zu den Fluggastrechten angenommen, die nun in Kraft sind. Für den Schienenverkehr wurde im Dezember 2007 eine Verordnung[12] verabschiedet, die umfassende Fahrgastrechte vorsieht. Im Dezember 2008 wurden zwei Vorschläge zur Stärkung der Rechte von Fahrgästen im Omnibusverkehr und von Passagieren im See- und Binnenschiffsverkehr verabschiedet[13]. Andererseits wurde der öffentliche Verkehr (Bus- und Schienenverkehr) als einer der Sektoren ermittelt, auf dem die Verbraucherzufriedenheit am geringsten ist[14].

14. Die soziale Dimension der Verkehrspolitik wurde auch im Hinblick auf die Beschäftigten des Verkehrssektors gestärkt. In Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern wurden Rechtsvorschriften zur Arbeitszeit, zu den Qualifikationen und zur gegenseitigen Anerkennung von Befähigungsnachweisen eingeführt, um die Arbeitsbedingungen im Straßen-, Schienen- und Seeverkehr zu verbessern.

15. Die Umwelt ist weiterhin der wichtigste Politikbereich, auf dem weitere Verbesserungen notwendig sind. In keinem anderen Wirtschaftssektor der EU war der Anstieg der Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Niveau von 1990 so hoch wie im Verkehrssektor[15]. Treibhausgasemissionen können als Ergebnis von drei Faktoren gesehen werden: die Intensität der die Emissionen verursachenden Wirtschaftstätigkeit, die Energieintensität dieser Wirtschaftstätigkeit und die Treibhausgasintensität der verwendeten Energiequelle. Bei der Anwendung dieser Analyse auf frühere Entwicklungen im Verkehr wird deutlich, dass das Verkehrsvolumen stark zugenommen hat, während bei der Verringerung der Energie- und Treibhausgasintensität des Sektors unzureichende Fortschritte erzielt worden sind.

16. Die Abkoppelung des Verkehrsaufkommens vom BIP-Wachstum, die eines der Ziele des Weißbuchs von 2001 und der Strategie für nachhaltige Entwicklung war, ist im Personenverkehr erfolgt, wo die Nachfrage zwischen 1995 und 2007 um durchschnittlich 1,7 % jährlich zugenommen hat, während das BIP im Durchschnitt um 2,5 % jährlich anstieg. Die Nachfrage nach Güterverkehrsleistungen stieg hingegen in der EU um durchschnittlich 2,7 % pro Jahr. Das starke Wachstum des Welthandels und die Vertiefung der Integration der erweiterten EU haben im vergangenen Jahrzehnt eine Abkoppelung des Güterverkehrsvolumens vom BIP verhindert. Der Anstieg des Güterverkehrsvolumens geht auch auf bestimmte Wirtschaftsmuster zurück – zum Beispiel die Konzentration der Produktion an weniger Standorten zum Erzielen von Größenvorteilen, die Just-in-Time-Anlieferung, das weit verbreitete Glas-, Papier- und Metallrecycling – die Kosteneinsparungen und eventuell Emissionsverringerungen in anderen Sektoren um den Preis höherer Emissionen im Verkehr ermöglicht haben.

17. Die Energieeffizienz des Verkehrs nimmt zu, aber die Effizienzgewinne wurden nicht vollständig in eine Verringerung des Gesamtverbrauchs an Kraftstoff umgemünzt und reichten nicht aus, um die höheren Verkehrsvolumina aufzuwiegen. Angesichts schleppender Fortschritte wurden im April 2009 Rechtsvorschriften zur Festsetzung von Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen verabschiedet[16]. Auch bei der Verlagerung von Verkehrsaufkommen auf effizientere Verkehrsträger, insbesondere durch die Entwicklung des Kurzstreckenseeverkehrs, waren nur begrenzte Fortschritte zu verzeichnen, wenngleich ein gewisser Neuausgleich erfolgt ist und der Rückgang des Schienenverkehrsanteils offenbar gestoppt werden konnte[17]. Einer Reihe von Erhebungen zufolge stieg in vielen Städten der Anteil des Fahrrads am Verkehrsträgermix in den letzten Jahren erheblich an[18].

18. Die Treibhausgasintensität des Verkehrs wurde durch die Nutzung umweltfreundlicherer Energiequellen nicht erheblich verringert; der Energiebedarf des Verkehrs wird noch immer zu 97 % durch fossile Brennstoffe gedeckt, was sich auch negativ auf die Energieversorgungssicherheit auswirkt. In jüngerer Zeit wurden im Rahmen des Klimaschutz- und Energiepakets[19] Maßnahmen zur Verbesserung der Kraftstoffqualität[20] verabschiedet und für das Jahr 2020 das verbindliche Ziel eines Anteils erneuerbarer Energiequellen an der Energieversorgung des Verkehrs von 10 % festgelegt.

3. Trends und Herausforderungen

19. In diesem Abschnitt werden Entwicklungstendenzen bei den wichtigsten verkehrstreibenden Faktoren bis Mitte des Jahrhunderts sowie die Herausforderungen, die sich daraus ergeben dürften, behandelt. Es ist schwer vorauszusagen, welcher Aspekt den größten Einfluss auf die Gestaltung der Zukunft des Verkehrs haben wird.

3.1. Alterung

20. 2060 wird der Medianwert des Alters der europäischen Bevölkerung voraussichtlich mehr als sieben Jahre höher liegen als heute, und der Anteil der Personen über 65 Jahre an der Gesamtbevölkerung wird 30 % (gegenüber heute 17 %) ausmachen[21].

21. Obwohl Menschen ab einem bestimmten Alter in der Regel weniger reisen als zuvor, neigen die Senioren von heute stärker zum Reisen als die Generation ihrer Eltern. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen, und er wird durch bessere Gesundheit, umfangreichere Reiseangebote und bessere Fremdsprachenkenntnisse gefördert. In einer alternden Gesellschaft wird größerer Wert auf Reisedienstleistungen gelegt werden, die ein hohes Maß an Sicherheit und Zuverlässigkeit vermitteln und angemessene Lösungen für Kunden mit eingeschränkter Mobilität bieten.

22. Eine Gesellschaft mit einem höheren Anteil älterer Menschen wird mehr öffentliche Mittel auf Ruhegehälter, Gesundheitsfürsorge und Pflege verwenden müssen. Daher wird die Alterung mittels ihrer Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen die Bereitstellung und Instandhaltung von Verkehrsinfrastrukturen einschränken und die für den öffentlichen Verkehr verfügbaren Mittel begrenzen. Daneben könnten sich ein Arbeitskräftemangel und Qualifikationsdefizite ergeben, was den bereits jetzt in einigen Segmenten des Verkehrssektors zu verzeichnenden Mangel an Fachkräften verschärfen würde. Dies kann insgesamt zu höheren Verkehrskosten für die Gesellschaft führen.

3.2. Zuwanderung und interne Mobilität

23. Die Bevölkerung der EU könnte in den nächsten fünf Jahrzehnten durch Nettozuwanderung um 56 Millionen Einwohner ansteigen[22]. Die Zuwanderung könnte eine wichtige Rolle bei der Abfederung der Auswirkungen spielen, die die Bevölkerungsalterung auf den Arbeitsmarkt hat. Die in der Regel jungen und vorwiegend im städtischen Raum lebenden Zuwanderer werden die Beziehungen Europas zu den Nachbarregionen durch die Schaffung kultureller und wirtschaftlicher Verbindungen mit ihren Herkunftsländern weiter intensivieren. Diese Verbindungen werden einen stärkeren Waren- und Personenverkehr nach sich ziehen.

24. Die Mobilität der Arbeitnehmer in der Union wird den Prognosen zufolge mit der schrittweisen Abschaffung administrativer und rechtlicher Hindernisse und der zunehmenden Vertiefung des Binnenmarktes weiter zunehmen.

3.3. Ökologische Herausforderungen

25. Die Milderung der negativen Umweltauswirkungen des Verkehrs wird immer dringender. Die EU hat vor kurzem ein Klimaschutz- und Energiepaket verabschiedet, in dem das Ziel einer Verringerung der Treibhausgasemissionen in der EU um 20 % gegenüber dem Niveau von 1990 gesetzt wird. Dem Verkehr kommt bei der Verwirklichung dieses Ziels eine Schlüsselrolle zu, für dessen Erreichung einige derzeitige Trends umgekehrt werden müssen.

26. Der TERM-Bericht[23] der Europäischen Umweltagentur für 2008 verdeutlicht anhand von Indikatoren für die Entwicklungen im Verkehrs- und Umweltbereich in Europa, dass viele EU-Bürger weiterhin einer gefährlich hohen Belastung durch Luftverschmutzung und Lärm ausgesetzt sind. Insbesondere die Konzentration von PM10, für die der Verkehr die zweitwichtigste Quelle ist, übersteigt in vielen Luftqualitätsgebieten den Grenzwert von 2005. Auch die Luftverschmutzung durch NOx- und SOx-Emissionen von Schiffen muss angegangen werden.

27. Die Auswirkungen des Klimawandels werden auch den Verkehrssektor betreffen und Anpassungsmaßnahmen erfordern. Der Anstieg des Meeresspiegels infolge der globalen Erwärmung wird die Verletzlichkeit von Küsteninfrastrukturen und Häfen steigern[24]. Extreme Unwetter würden die Sicherheit sämtlicher Verkehrsträger beeinträchtigen. Dürren und Fluten werden den Binnenschiffsverkehr erschweren[25].

3.4. Verknappung fossiler Brennstoffe

28. Die Preise für Erdöl und andere fossile Brennstoffe dürften in den kommenden Jahrzehnten angesichts zunehmender Nachfrage und der Erschöpfung der kostengünstig auszubeutenden Lagerstätten ansteigen. Der Ersatz herkömmlicher Quellen durch eine stärker umweltbelastende Energieversorgung wird die negativen Umweltauswirkungen verschärfen. Gleichzeitig werden die Notwendigkeit des Übergangs zu einer Wirtschaft mit geringer Kohlenstoffintensität und die zunehmenden Bemühungen um Energieversorgungssicherheit eine intensivere Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen bewirken, die durch technologischen Fortschritt und Massenproduktion deutlich billiger wird.

29. Durch Verschiebungen bei den relativen Preisen werden Investitionen in alternative Energiequellen trotz der starken Preisschwankungen attraktiver. Die Notwendigkeit zur Einrichtung entsprechender Infrastrukturen und die lange Fahrzeugnutzungsdauer werden den Übergangsprozess verzögern.

30. Als unmittelbare Folge einer derartigen Veränderung wird der Transportbedarf bei fossilen Brennstoffen zurückgehen, die derzeit rund die Hälfte des Volumens im internationalen Seeverkehr ausmachen[26].

3.5. Verstädterung

31. Der Trend zur Verstädterung war in den letzten Jahrzehnten deutlich und wird den Prognosen zufolge andauern; der Anteil der in Städten wohnenden EU-Bevölkerung soll von 72 % im Jahr 2007 auf 84 % im Jahr 2050 ansteigen[27].

32. In der räumlichen Nähe von Menschen und Wirtschaftstätigkeiten liegt eine Reihe von Vorteilen, die die Verstädterung vorantreiben. So übertraf in den letzten 50 Jahren das Wachstum der städtischen Gebiete überall in Europa den Anstieg der Wohnbevölkerung. Diese Ausdehnung der Städte ist die größte Herausforderung für den Nahverkehr, da sie mit einer stärkeren Nachfrage nach Individualverkehr einhergeht und dadurch Staus und Umweltprobleme verursacht. Auf den Nahverkehr entfallen 40 % der CO2-Emissionen und 70 % der Emissionen sonstiger Schadstoffe im Straßenverkehr[28].

33. Die vor allem in Ballungsräumen und ihren Zugangswegen auftretenden Staus verursachen durch Zeitverluste und höheren Kraftstoffverbrauch enorme Kosten. Da die meisten Güter- und Personentransporte ihren Ursprung oder ihr Ende in städtischen Gebieten haben, sind Verkehrsüberlastungen in Städten auch mit negativen Auswirkungen im Überlandverkehr verbunden. Für dichter besiedelte Städte sind kollektive Verkehrsträger zwar besser geeignet, die Verfügbarkeit von Land und die gesellschaftliche Akzeptanz des Baus neuer Infrastrukturen für öffentliche oder alternative Verkehrsträger stellen jedoch weiterhin eine große Herausforderung dar.

3.6. Globale Trends von Belang für die europäische Verkehrspolitik

34. Neben der weiteren Vertiefung des Binnenmarktes wird wahrscheinlich auch die Integration der EU mit Nachbarregionen (Osteuropa, Nordafrika) und in die Weltwirtschaft anhalten. Begünstigt durch Liberalisierungsabkommen und revolutionäre Entwicklungen in Verkehr und Kommunikationstechnologien (von Containern bis zur Satellitenfunknavigation), die räumliche und zeitliche Barrieren schwinden ließen, war der Trend zur Globalisierung in den letzten Jahrzehnten sehr stark.

35. Obwohl wirtschaftliche Krisen und geopolitische Instabilität diesen Prozess zeitweilig hemmen können, bedeutet das starke Wirtschaftswachstum vieler Entwicklungsländer eine Fortsetzung der Globalisierung. Der Verkehr wird außerhalb Europas sehr viel stärker zunehmen als in Europa, und der EU-Außenhandel und –verkehr dürften in den kommenden Jahren weiterhin rasch wachsen.

36. Im Jahr 2050 werden auf der Erde voraussichtlich mehr als 9 Milliarden Menschen leben[29]. Dieser Bevölkerungsanstieg um circa ein Drittel gegenüber dem Niveau von 2009 (6,8 Milliarden Menschen) wird enorme Auswirkungen auf die weltweit verfügbaren Ressourcen haben und das Ziel der Errichtung eines nachhaltigen – d. h. weniger ressourcenintensiven – Verkehrssystems umso wichtiger machen.

37. Mehr Menschen und größerer wirtschaftlicher Wohlstand bedeuten höhere Mobilität und höheres Verkehrsaufkommen. Einigen Studien zufolge wird die Zahl der weltweit betriebenen Pkw von heute 700 Millionen bis 2050 auf mehr als 3 Milliarden ansteigen[30], was zu ernsthaften Problemen in Bezug auf die Nachhaltigkeit führen wird, sofern keine Umstellung auf emissionsarme und emissionsfreie Fahrzeuge erfolgt und kein neues Mobilitätskonzept entwickelt wird.

4. Politische Ziele für einen nachhaltigen Verkehr

38. Die europäische Verkehrspolitik ist darauf ausgerichtet, ein nachhaltiges Verkehrssystem zu schaffen, das den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bedürfnissen der Bürger gerecht wird und einer Gesellschaft ohne Ausgrenzung in einem vollständig integrierten und wettbewerbsfähigen Europa förderlich ist. Vor dem Hintergrund der oben erläuterten anhaltenden Trends und künftigen Herausforderungen wird es darauf ankommen, eine steigende Nachfrage nach „Zugänglichkeit“ in einem von zunehmenden Bemühungen um Nachhaltigkeit charakterisierten Umfeld zu befriedigen. Die unmittelbarste Priorität scheint dabei die bessere Integration der verschiedenen Verkehrsträger zu sein, um so die Gesamteffizienz des Verkehrssystems zu verbessern und die Entwicklung und Einführung innovativer Technologien zu beschleunigen. Dies muss im Rahmen eines Konzepts geschehen, bei dem die Verkehrsnutzer und die Beschäftigten des Sektors mit ihren Bedürfnissen und Rechten im Mittelpunkt der Politikgestaltung stehen. In den nachfolgenden Abschnitten werden die obigen Prioritäten in operative Ziele umgesetzt, und es werden sieben allgemeine politische Zielsetzungen vorgeschlagen.

4.1. Ein qualitativ hochwertiger und sicherer Verkehr

39. Der Verkehr ist der Schlüssel, der Zugang zu vielen Freiheiten bietet: die Freiheit, in verschiedenen Teilen der Welt zu arbeiten und zu leben; die Freiheit, verschiedene Produkte und Dienstleistungen zu nutzen; die Freiheit, Handel zu treiben und persönliche Kontakte aufzubauen.

40. Das Verlangen nach diesen Freiheiten wird in der multikulturellen, heterogenen Gesellschaft der Zukunft mit tieferen Verbindungen zu anderen Regionen der Welt vermutlich ansteigen. In einer alternden Gesellschaft, die vermutlich nach mehr Sicherheit und Komfort im Verkehr verlangen wird, muss der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen gewährleistet werden, zu einem Zeitpunkt, da der Verkehrsanstieg und die Spannungen im städtischen Umfeld dem eher entgegenwirken.

41. Deshalb muss die Verbesserung der Gesamtqualität des Verkehrs, darunter die persönliche Sicherheit, Unfallvermeidung und Verringerung von Gesundheitsgefahren, der Schutz der Passagierrechte und die Zugänglichkeit entfernter Regionen, weiter vorrangiges Ziel der Verkehrspolitik sein. Die Straßenverkehrssicherheit gibt weiterhin Anlass zur Besorgnis, und nach dem Auslaufen des Aktionsprogramms für die Straßenverkehrssicherheit im Jahr 2010 müssen geeignete Überlegungen zu einer Strategie mit Folgemaßnahmen angestellt werden, um zu gewährleisten, dass die Zahl der Verkehrstoten auf den Straßen Europas verringert wird. Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Verkehrssektor müssen insbesondere im Hinblick auf Gefährdungen der Gesundheit und Sicherheit verbessert werden.

42. Bei der Verbesserung der Sicherheit und Gefahrenabwehr sollte dem Schutz der Privatsphäre und dem Datenschutz, die im Hinblick auf die zu Überwachungs-, Registrierungs- und Kontrollzwecken eingesetzten Instrumente ein wichtiges Thema sein können, entsprechende Beachtung zukommen.

43. Personen mit eingeschränkter Mobilität sollten bequeme Verkehrslösungen zur Verfügung stehen. Infrastruktur muss nach dem Grundsatz der allgemeinen Zugänglichkeit gebaut, gewartet und modernisiert werden. Mehr Sicherheit in der städtischen Umwelt kann dazu führen, dass die Bevölkerung in stärkerem Maße den öffentlichen Verkehr oder das Fahrrad nutzt oder zu Fuß geht, was nicht nur mit einer Verkehrsentlastung und geringeren Emissionen verbunden wäre, sondern sich auch positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden auswirken würde.

4.2. Ein gut in Stand gehaltenes und vollständig integriertes Netz

44. Der Verkehr ist ein vernetzter Wirtschaftszweig mit mehreren Komponenten: Infrastruktur, Knotenpunkte, Fahrzeuge und Ausrüstungen, infrastrukturbezogene und bordeigene IKT-Anwendungen, Netzdienste sowie operationelle und administrative Verfahren. Die Fähigkeit, Personen und Güter effektiv und effizient zu transportieren, hängt vorwiegend davon ab, dass das Zusammenspiel dieser Komponenten optimal funktioniert.

45. Eine bessere Nutzung der Netzkapazität und der relativen Stärken der einzelnen Verkehrsträger würde einen erheblichen Beitrag zur Stau- und Unfallvermeidung sowie zur Verringerung der Schadstoff- und Lärmemissionen leisten. Dazu müssen allerdings die Netze optimiert und als eine Einheit betrieben werden, während derzeit die Netze der einzelnen Verkehrsträger noch weitgehend getrennt funktionieren und die grenzübergreifende Integration selbst innerhalb derselben Verkehrsträger mangelhaft ist.

46. Im Hinblick auf den Personenverkehr wird insbesondere die Integration des Luftverkehrs mit dem Hochgeschwindigkeitsschienenverkehr eine Entwicklung von zentraler Bedeutung sein. Im Güterverkehr muss ein intelligentes und integriertes Logistiksystem verwirklicht werden, wobei die Entwicklung von Häfen und intermodalen Terminals ein Schlüsselelement ist. Schließlich wird aufgrund des oben beschriebenen Trends zur Verstädterung im Nahverkehr eine Verlagerung auf umweltfreundlichere Verkehrsträger besonders wichtig werden.

47. Die Infrastruktur sollte stets gut gewartet sein, und Verbesserungsmaßnahmen sollten koordiniert werden. Dies verringert die Unfallhäufigkeit, senkt die Betriebskosten und vermeidet Staus, Lärm- und Schadstoffemissionen. Neue Infrastruktur sollte mit Blick auf die Maximierung des sozioökonomischen Nutzens unter Berücksichtigung von Externalitäten und Auswirkungen auf das Gesamtnetz geplant und ihre Priorität nach diesen Gesichtspunkten bestimmt werden.

4.3. Ein ökologisch nachhaltigerer Verkehr

48. Die Verfolgung der Ziele der EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung und die Verringerung der Umweltauswirkungen des Verkehrs erfordern Fortschritte beim Erreichen einer Reihe umweltpolitischer Ziele. Ein sparsamerer Umgang mit endlichen Ressourcen ist von zentraler Bedeutung für alle Aspekte des Verkehrssystems und seiner Nutzung. Die unerwünschten Umweltauswirkungen des Verkehrs werden weitere Maßnahmen insbesondere in Bezug auf die Lärmbelastung sowie die Luftschadstoff- und Treibhausgasemissionen erforderlich machen. Das Gemeinschaftsrecht enthält Vorschriften für viele dieser Bereiche, die jedoch in Zukunft überprüft und aktualisiert werden müssen.

49. Im Hinblick auf einige Aspekte sind angesichts der langen Vorlaufzeiten von Veränderungen langfristige Strategien notwendig, um den verschiedenen Marktakteuren Planungssicherheit zu geben. Bei der Konzeption des künftigen Verkehrssystems sollte allen Aspekten der Nachhaltigkeit Rechnung getragen werden. Dies betrifft den Verkehrsbetrieb (Schadstoffemissionen, Lärm) ebenso wie die Bereitstellung von Infrastruktur (Landschaftsverbrauch, biologische Vielfalt).

4.4. Wahrung der Führungsstellung der EU bei Verkehrsdiensten und -technologien

50. Die technische Innovation wird eine wichtige Triebkraft bei der Bewältigung der im Verkehrssektor anstehenden Herausforderungen sein. Moderne Technologien werden den Passagieren neue und bequemere Dienste bringen, die Sicherheit verbessern und die Umweltauswirkungen verringern. „Weiche“ Infrastrukturen wie mit Satellitenunterstützung (Galileo) arbeitende intelligente Systeme für den Straßenverkehr (IVS[31]) und Verkehrsmanagementsysteme für den Schienenverkehr (ERTMS[32]) und den Luftverkehr (SESAR[33] im Rahmen des einheitlichen europäischen Luftraums) können die Nutzung der Netze optimieren und die Sicherheit verbessern; durch innovative Fahrzeugtechnologie können die Emissionen gesenkt, die Abhängigkeit vom Erdöl verringert und der Komfort gesteigert werden.

51. Die Entwicklung technologischer Lösungen für nachhaltigen Verkehr ist auch für die Förderung von Wachstum und Beschäftigung bedeutsam. Die Bevölkerungsalterung könnte die Wettbewerbsposition Europas in der Weltwirtschaft und seine Fähigkeit zur Wahrung eines hohen Lebensstandards gefährden. Um dieser Herausforderung begegnen zu können, wird insbesondere die Produktivität der EU-Wirtschaft gesteigert werden müssen, namentlich durch Gewährleistung eines effizienten Verkehrssystems und durch höhere FuE-Investitionen.

52. Europa ist in vielen Teilbereichen des Verkehrs weltweit führend, darunter Infrastruktur, Fahrzeugindustrie, Verkehrsdienste und Logistik. Angesichts der erwarteten Verschärfung des weltweiten Wettbewerbs sind die Wahrung und der Ausbau dieser Führungsstellung ein zentraler Faktor für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der EU insgesamt und bieten der europäischen Verkehrsindustrie die Gelegenheit, neue und expandierende Märkte zu bedienen.

4.5. Schutz und Entwicklung des Humankapitals

53. Das Verkehrssystem wird infolge der weiteren Marktöffnung und Innovation einen erheblichen Wandel erfahren. Die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft und die Überlebensfähigkeit der Verkehrsunternehmen werden von der Fähigkeit zur Anpassung an die Innovation und neue Markterfordernisse abhängen. Wettbewerb und Innovation haben sich positiv auf den Arbeitsmarkt im Verkehrssektor ausgewirkt. In einigen Segmenten werden jedoch aufgrund der Anpassung an ein grundlegend neues ökonomisches und energiewirtschaftliches Umfeld Arbeitsplätze verschwinden. Es muss sichergestellt werden, dass Europa sich auf diesen Wandel gründlich vorbereitet und ihn aktiv gestaltet, so dass die neuen Bedingungen neue Arbeitsplätze mit sich bringen und die Beschäftigten sich an dem Prozess beteiligen und darauf reagieren können. Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen, zum Beispiel durch Information und Konsultation der Beschäftigten, sozialen Dialog, frühzeitige Ermittlung von Defiziten an qualifizierten Arbeitskräften[34] sowie Fortbildung, und indem sichergestellt wird, dass jegliche Umstrukturierung sozialverträglich erfolgt. Soziale Sicherung und öffentliche Dienste könnten ein Auffangnetz zur Erleichterung der nötigen Anpassungen bilden. Aspekte der Gleichberechtigung sollten ebenfalls berücksichtigt werden, um Frauen den Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten im Verkehrssektor zu eröffnen.

54. Ferner ist sicherzustellen, dass die Arbeitsbedingungen gewahrt und erforderlichenfalls verbessert werden. Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Arbeitnehmerrechte und sozialen Bedingungen sollten nicht zu einer Nivellierung nach unten führen und mit der zunehmenden grenzüberschreitenden Mobilität der Transportarbeiter zu einem Wettbewerbsfaktor werden.

4.6. Verkehrssteuerung durch intelligente Preisbildung

55. Wie in jedem anderen Wirtschaftssektor ist auch im Verkehr wirtschaftliche Effizienz nur dann möglich, wenn die Preise alle von den Nutzern tatsächlich verursachten – internen und externen – Kosten widerspiegeln. Preise, die die relative Knappheit von Gütern oder Dienstleistungen widerspiegeln, vermitteln den Wirtschaftsakteuren wesentliche Informationen. Bessere Preissignale wären für das Verkehrssystem besonders vorteilhaft. Eine Preisdifferenzierung zwischen der Straßennutzung zu Stoßzeiten gegenüber der Nutzung außerhalb der Hauptverkehrszeiten ist selten. Auch gibt es keine wirtschaftlichen Anreize für die Nutzung von Fahrzeugen mit geringeren Lärmemissionen und von Verkehrsträgern mit höherer Sicherheit und besserer Umweltverträglichkeit.

56. Die Verkehrsunternehmen und Bürger sind nicht immer in der Lage, aus mehreren Transportalternativen die volkswirtschaftlich und ökologisch beste Option auszuwählen, bei einer korrekten Anlastung der externen Kosten sämtlicher Verkehrsträger und Verkehrsmittel würden sie jedoch mit der Entscheidung für die billigere Lösung automatisch die richtige Wahl treffen.

57. Das nächste Jahrzehnt wird für das Verkehrssystem wahrscheinlich ein Jahrzehnt des Übergangs werden. Neue Praktiken und Technologien werden eingeführt und langfristige Investitionen, zum Beispiel in Infrastruktur, werden getätigt werden. Mit den Konsequenzen der dabei getroffenen Entscheidungen wird Europa lange leben müssen. Es ist deshalb von größter Bedeutung, dass diese Entscheidungen sich an korrekten Preissignalen orientieren.

4.7. Planung mit Blick auf den Verkehr: Verbesserung der Zugänglichkeit

58. Die Einführung eines Systems zur gerechten Kostenanlastung wird dazu beitragen, dass Verkehrskosten bei Standortentscheidungen besser berücksichtigt werden. Doch selbst dann besteht die Gefahr, dass den Verkehrskosten von den Planern nicht angemessen Rechnung getragen und die Verfügbarkeit billiger Transportlösungen als selbstverständlich vorausgesetzt wird.

59. Viele öffentliche Dienste wurden im Bestreben nach Effizienzsteigerung zunehmend zentralisiert. Die Entfernungen zwischen dem Wohnort der Bürger und dem Standort der Dienstleister (Schulen, Krankenhäuser, Einkaufszentren usw.) nahmen zu. Auch Unternehmen sind diesem Trend gefolgt und haben die Anzahl der Produktionsstätten, Lager und Vertriebszentren verringert. Die Tendenz zur Konzentration von Tätigkeiten hatte wegen einer Verschlechterung der Zugangsbedingungen „Zwangsmobilität“ in großem Umfang zur Folge.

60. Behörden sollten bei Flächennutzungsplänen oder Standortentscheidungen berücksichtigen, welche Folgen für den Mobilitätsbedarf von Kunden und Beschäftigten sich aus ihren Entscheidungen zusätzlich zum unmittelbar notwendigen Güterverkehr ergeben. Eine gründliche Planung dürfte auch die nahtlose Integration der verschiedenen Verkehrsträger erleichtern.

61. Der Transportbedarf kann auch durch zunehmende „virtuelle“ Zugänglichkeit mit Hilfe der Informationstechnologie (Telearbeit, Online-Behörden- und Gesundheitsdienste usw.) verringert werden. Belege für die Effizienz dieser Verfahren liegen zwar nur in begrenztem Umfang vor, sie scheinen jedoch ein erhebliches und bislang unerschlossenes Potenzial als Ersatz für physische Mobilität zu bergen. Andererseits könnte bessere Erreichbarkeit ein Anreiz sein, den Wohnort in weiterer Entfernung von der Arbeitsstätte zu wählen oder Unternehmenstätigkeiten räumlich zu streuen. Das könnte im Ergebnis zu weniger, aber längeren arbeitsbedingten Fahrten führen. Auf jeden Fall hat Telearbeit den großen Vorteil, dass sie Flexibilität in Bezug auf den Zeitpunkt von Ortswechseln verschafft und somit erheblich zur Stauvermeidung beiträgt[35].

5. Politik im Interesse nachhaltigen Verkehrs auf verschiedenen Gebieten

62. Während im obigen Abschnitt die allgemeinen Ziele der künftigen Verkehrspolitik vorgestellt werden, enthält dieser Abschnitt eine Reihe von Empfehlungen dazu, wie die verfügbaren politischen Instrumente eingesetzt werden könnten, um diese Ziele zu erreichen und Nachhaltigkeit zu verwirklichen.

5.1. Infrastruktur: Instandhaltung, Entwicklung und Integration der modalen Verkehrsnetze

63. Das optimale Funktionieren des Verkehrssystems setzt die vollständige Integration und Interoperabilität der einzelnen Teile des Gesamtnetzes sowie den Verbund der jeweiligen modalen Netze voraus. Von entscheidender Bedeutung für die Verwirklichung dieses Ziels sind die Knotenpunkte, die die Logistikzentren des Netzes darstellen und für den Güter- wie den Personenverkehr Anschluss- und Wahlmöglichkeiten bieten. Intermodale Anlagen und Umschlagplattformen sollten dort gefördert und entwickelt werden, wo ein Potenzial für die Konsolidierung und Optimierung der Personen- und Verkehrsströme besteht. Dies wird typischerweise in Gebieten mit hohem Passagier- und Güterverkehrsaufkommens (also in Städten) und an den Schnittstellen von Korridoren mit hohem Verkehrsvolumen der Fall sein.

64. Ein Ausbau der Infrastruktur mit den richtigen Schwerpunkten wird dazu beitragen, Staus und Zeitverluste zu vermeiden. Diesbezüglich müssen die Infrastruktur sorgfältig geplant und die Prioritäten mit Blick auf eine Optimierung der Verkehrsketten und des Gesamtnetzes gesetzt werden. Neben der Beseitigung von Engpässen wird der Ermittlung von grünen Korridoren bei der Verringerung von Staus und Umweltverschmutzung wesentliche Bedeutung zukommen. Zu den wichtigsten Infrastrukturprojekten auf diesem Gebiet gehören die europäischen globalen Satellitennavigationssysteme (Galileo und EGNOS), welche die konventionellen Netze ergänzen und deren Nutzung optimieren werden.

65. Unter Nutzung der bei der Anwendung der Richtlinien über die strategische Umweltprüfung und die Umweltverträglichkeitsprüfung[36] gewonnenen Erfahrungen sollten bei der Bewertung von Infrastrukturprojekten verkehrsträger- unter möglichst auch länderübergreifend gemeinsame Methoden und ähnliche Annahmen zu Grunde gelegt werden[37]. Es werden gemeinsame Daten und Indikatoren benötigt, wobei Verkehrs- und Stauinformationen den Anfang machen müssen. Dies wird es erleichtern, Projekte auf der Grundlage vergleichbarer Kosten-Nutzen-Verhältnisse und unter Berücksichtigung sämtlicher wichtiger Gesichtspunkte – sozioökonomische Auswirkungen, Kohäsionsbeitrag und Auswirkungen auf das Gesamtnetz – auszuwählen.

66. Neue Infrastruktur ist teuer; daher kann bereits durch die optimale Nutzung bestehender Anlagen mit geringerem Ressourcenaufwand viel erreicht werden. Dies erfordert eine ordnungsgemäße Verwaltung, Instandhaltung, Erweiterung und Instandsetzung des großen Infrastrukturnetzes, das Europa bislang einen Wettbewerbsvorteil verschafft hat. Die Modernisierung bestehender Infrastruktur – unter anderem durch intelligente Verkehrssysteme – ist in vielen Fällen der preisgünstigste Weg, die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems zu steigern.

67. Bislang wurde Infrastruktur überwiegend zur gemeinsamen Nutzung durch den Personen- und Güterverkehr konzipiert, doch haben die zunehmenden Verkehrsströme und die damit einhergehenden Staus insbesondere in Städten und deren Umfeld zu Reibungen zwischen Personen- und Güterverkehr geführt. Sofern die Verkehrsvolumina dies rechtfertigen, sollte die Möglichkeit der Bereitstellung spezifischer Personen- und Güterverkehrsinfrastrukturen – entweder in Form von Güterverkehrskorridoren oder durch die Festlegung „intelligenter“ Vorfahrtsregeln – in Betracht gezogen werden. Generell kann eine effizientere Infrastrukturnutzung dann erzielt werden, wenn die Nutzerprofile (im Hinblick auf Ladung, Geschwindigkeit usw.) ähnlich sind.

68. Wegen der langen Küsten und zahlreichen Häfen Europas ist die Seeschifffahrt eine wertvolle Alternative zum Landverkehr. Die vollständige Verwirklichung des europäischen Seeverkehrsraums ohne Grenzen[38] und der Strategie für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018[39] können dazu führen, dass die „Meeresautobahnen“ Realität werden und das Potenzial des innereuropäischen Kurzstreckenseeverkehrs ausgeschöpft wird. Logistikbetriebe, die Synergien zwischen See- und Schienenverkehr und/oder Binnenschifffahrt nutzen, weisen ebenfalls ein großes Entwicklungspotenzial auf.

69. Bei der Beaufsichtigung komplexer Transportketten mit mehreren Beteiligten und bei der Unterrichtung der Verkehrsnutzer über verfügbare und alternative Optionen sowie mögliche Störungen sind Informationssysteme von zentraler Bedeutung. Dokumente, Fahr- und Flugscheine sollten unter Gewährleistung des Schutzes personenbezogener Daten elektronisch und multimodal ausgestellt werden. Über die gesamte Transportkette hinweg sollten Haftungsfragen, die Streitbeilegung und die Behandlung von Beschwerden geklärt und vereinfacht werden. Es sollten IKT-Lösungen zur Unterstützung einer besseren Verwaltung und Integration von Verkehrsströmen entwickelt werden.

5.2. Finanzierung: Mobilisierung der Ressourcen für einen nachhaltigen Verkehr

70. Der Übergang zu einer Wirtschaft mit geringer Kohlenstoffintensität wird eine grundlegende Überholung des Verkehrssystems notwendig machen. Dies erfordert eine gut koordinierte Finanzierung, auch wenn der damit verbundene erhebliche Mittelbedarf schwer zu decken sein wird: Der Belastung der öffentlichen Haushalte durch die derzeitige Wirtschaftskrise dürfte eine anschließende Phase der Haushaltskonsolidierung folgen. Die Bevölkerungsalterung wird zunehmend Mittel der öffentlichen Hand für Renten und das Gesundheitswesen binden.

71. Der Verkehr generiert erhebliche Einnahmen für die öffentlichen Haushalte. Allein die Energiebesteuerung – überwiegend in Form von Verbrauchsteuern auf die im Straßenverkehr verwendeten Kraftstoffe für private Pkw – stellt 1,9 % des BIP dar; weitere 0,6 % des BIP werden in Form von Kraftfahrzeugsteuern eingenommen[40]. Neben den Steuern werden Maut und Infrastruktur-Nutzungsgebühren erhoben. Die Verkehrsnutzer entrichten daher bereits einen erheblichen Betrag, aber der von ihnen gezahlte Preis hat häufig nur wenig mit den tatsächlichen Kosten zu tun, die sie durch ihre Wahl der Gesellschaft auferlegen.

72. Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur werden vorwiegend mit öffentlichen Mitteln finanziert, die oftmals auch mehr als 50 % der Betriebskosten öffentlicher Verkehrsdienste decken. Der Einsatz von Mitteln der öffentlichen Hand neben den nach dem Verursacherprinzip erhobenen Einnahmen ist auf der Grundlage eines allgemeineren sozioökonomischen Nutzens (z. B. regionale Entwicklung, öffentliche Güter) gerechtfertigt. Dieser Nutzen sollte durch Projektbewertungsmethoden erfasst werden, die zunehmend auf EU-Ebene zu harmonisieren sind. Die Gesamtsumme der Infrastrukturkosten im Straßenverkehr, also Festkosten zuzüglich Instandhaltung, werden auf circa 1,5 % des BIP geschätzt[41].

73. Den verfügbaren Schätzungen zufolge, die sich auf den Straßenverkehr beziehen, erreichen die üblicherweise anfallenden externen Kosten 2,6 % des BIP[42]. Diese Kosten werden in der Regel von allen Bürgern getragen, mithin nicht in einer Art und Weise, die unmittelbar mit den Externalitäten verknüpft ist – die Anreizwirkung und die Vorteile von Preissignalen entfallen daher. Das im EG-Vertrag verankerte Verursacherprinzip[43] wird nicht in allen Fällen eingehalten.

74. Die Kommission hat im letzten Jahr eine schrittweise Strategie für die Internalisierung externer Kosten bei allen Verkehrsträgern[44] vorgeschlagen, worin u. a. erwogen wird, den Luftverkehr ab 2012 in den Handel mit Emissionsrechten einzubeziehen[45] und Internalisierungsgebühren für schwere Nutzfahrzeuge einzuführen. Diese Strategie sollte, wo dies zweckmäßig ist, durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten und internationaler Organisationen ergänzt werden, um zu gewährleisten, dass die den Nutzern angelasteten Kosten bei allen Verkehrsträgern und –mitteln die jeweiligen Externalitäten einschließen. Die Entwicklung der dafür notwendigen Technologien, z. B. On-Board-Units und GPS-Anwendungen für die Mauterhebung, werden die Durchführung dieser Strategie in der Zukunft erleichtern. Internalisierungsgebühren werden zur Ergänzung der Einnahmen aus der Energiebesteuerung wahrscheinlich in jedem Fall notwendig werden, da die Verbrauchsteuererträge aus Erdölerzeugnissen mit der zunehmenden Verbreitung von Fahrzeugen, die alternative Energiequellen nutzen, zurückgehen dürften.

75. Es ist vorhersehbar, dass der Verkehrssektor sich finanziell auch in Bezug auf die Infrastruktur zunehmend selbst tragen muss. Gebühren für die Nutzung überlasteter Infrastrukturabschnitte, welche die Kosten der Infrastrukturknappheit widerspiegeln, können einen guten Hinweis auf zusätzlichen Kapazitätsbedarf geben und Finanzmittel für den Ausbau der Infrastruktur oder für alternative Verkehrslösungen mobilisieren.

5.3. Technologie: Beschleunigung des Übergangs zu einer Gesellschaft mit geringer Kohlenstoffintensität und Führungsstellung bei der globalen Innovation

76. Wissenschaft und Industrie bemühen sich bereits intensiv um Lösungen für Fragen der Verkehrssicherheit, Ölabhängigkeit, Fahrzeugemissionen und Netzüberlastung. Angesichts der aufgezeigten Trends bei der Entwicklung der Weltbevölkerung und des weltweiten Fahrzeugbestands sind eine technologische Umstellung auf emissionsarme und emissionsfreie Fahrzeuge sowie die Entwicklung alternativer Lösungen für einen nachhaltigen Verkehr dringend notwendig. Europa muss einer nachhaltigen Mobilität den Weg ebnen und nach Möglichkeit Lösungen bieten, die weltweit funktionieren und in andere Regionen exportiert werden können.

77. Mit Blick auf vielversprechende Technologien müssen die nötigen Rahmenbedingungen für deren kommerzielle Verwertung von der Politik geschaffen werden, ohne dass eine bestimmte Technologie in unbilliger Weise bevorzugt wird. Dies erfordert insbesondere die Festlegung offener Standards, die Gewährleistung von Interoperabilität, die Anhebung der FuE-Ausgaben für Technologien, die noch nicht marktreif sind, die Errichtung eines klaren Rechts- und Regelungsrahmens (z. B. für Haftungsfragen und den Schutz der Privatsphäre) sowie die Förderung von bewährter Verfahren.

78. Das wichtigste Politikinstrument wird wahrscheinlich die Normung sein. Der Übergang zu einem neuen und integrierten Verkehrssystem wird nur dann rasch und erfolgreich verlaufen, wenn offene Standards und Normen für neue Infrastrukturen und Fahrzeuge sowie andere notwendige Anlagen und Ausrüstungen eingeführt werden. Die Normung sollte auf interoperable, sichere und nutzerfreundliche Ausrüstungen abzielen. Dies ist nicht nur für den Binnenmarkt von Bedeutung, sondern auch für die Förderung europäischer Normen auf internationaler Ebene. Die Entwicklung intelligenter Verkehrssysteme oder alternativer Antriebstechniken für Fahrzeuge könnte ein ähnlicher Erfolg werden wie die Mobiltelefontechnologie. Allerdings müssen die politischen Entscheidungsträger gewährleisten, dass mit der Festlegung von Normen keine Markteintrittsbarrieren und Hindernisse für die Entwicklung alternativer Technologien aufgestellt werden.

79. Ein weiteres politisches Instrument ist die Förderung von Investitionen in FuE im Interesse nachhaltiger Mobilität, zum Beispiel durch die europäische Initiative für umweltfreundliche Kraftfahrzeuge („Green Cars“)[46] und gemeinsame Technologieinitiativen)[47]. Neue Verkehrssysteme und Fahrzeugtechnologien werden zunächst als Demonstrationsprojekte verwirklicht werden müssen, um ihre Durchführbarkeit und wirtschaftliche Lebensfähigkeit zu prüfen. Staatliche Unterstützung wäre auch in den verschiedenen Entwicklungsphasen der Infrastruktur für die neuen Fahrzeuge (zum Beispiel intelligente Netze für die Versorgung mit Strom oder Wasserstoff) notwendig. Es muss noch sehr viel getan werden, um die Integration der bereits bestehenden Anwendungen in das europäische Verkehrssystem zu beschleunigen. Schließlich werden auch die Regeln zu staatlichen Beihilfen ein wichtiges politisches Instrument zur Förderung der Entwicklung neuer Technologien und alternativer Verkehrsarten sein.

5.4. Rechtsrahmen: weitere Förderung der Marktöffnung und des Wettbewerbs

80. Die EU hat einen Marktöffnungsprozess eingeleitet, der sich dort, wo er bereits weiter fortgeschritten ist, als Erfolg erwiesen hat. Als Ergebnis dieses Prozesses ist eine zunehmende Anzahl von Unternehmen grenz- und verkehrsträgerübergreifend tätig, was der wirtschaftlichen Gesamtleistung und der Beschäftigung in der EU zugute kommt. Teilweise offene Märkte sind jedoch mit dem Risiko behaftet, dass die in abgeschirmten Bereichen tätigen Betreiber ihren Geschäftsbetrieb auf liberalisierten Marktsegmenten subventionieren.

81. Die Vollendung des Binnenmarktes mit einer wirksamen Durchsetzung der Wettbewerbsregeln ist von entscheidender Bedeutung. Sie sollte auch eine Vereinfachung der Verwaltung mit dem Ziel der Verringerung unnötigen Aufwands für die Verkehrsunternehmen umfassen. Auf der Grundlage der Errungenschaften im Luft- und Straßenverkehr sind auch für den Schienenverkehr neue Regeln zur Marktöffnung in Verbindung mit einer wirksamen Durchsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften von besonderer Bedeutung.

82. Gleichzeitig müssen die regulatorischen Rahmenbedingungen sich in Richtung harmonisierter Umweltschutzauflagen, einer wirksamen Aufsicht sowie eines einheitlichen Schutzniveaus im Bereich der Arbeitsbedingungen und der Nutzerrechte entwickeln. Der Rechtsrahmen muss nicht nur gewährleisten, dass der Wettbewerb zu allseits gleichen Bedingungen stattfindet, sondern auch, dass er nicht zulasten der Sicherheitsstandards, der Arbeitsbedingungen und Rechte der Nutzer – insbesondere der Personen mit eingeschränkter Mobilität und besonderen Bedürfnissen – geht. Gleichzeitig müssen die Umweltschutzvorschriften nach oben konvergieren und dürfen nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert werden.

83. Die im kombinierten Verkehr tätigen großen Logistikunternehmen haben das nötige Know-how und die Ressourcen, um in fortschrittliche Technologien zu investieren und sich an Projekten öffentlich-privater Partnerschaften zu beteiligen, doch müssen die staatlichen Stellen gewährleisten, dass Dritten der Infrastrukturzugang nicht verwehrt wird. Die mögliche Schaffung transnationaler Infrastrukturmanager wäre eine willkommene Entwicklung, die derzeit noch bestehende Reibungsverluste reduzieren könnte.

5.5. Verbraucherverhalten: aufklären, informieren und einbeziehen

84. Aufklärungs-, Informations- und Sensibilisierungskampagnen werden eine wichtige Rolle dabei spielen, das künftige Verbraucherverhalten zu steuern und Entscheidungen für nachhaltige Mobilität zu fördern. Die Verkehrspolitik hat sehr unmittelbare Auswirkungen auf das Leben der Menschen und ist tendenziell ein ziemlich kontroverses Thema. Daher sollten die Bürger über die Beweggründe politischer Entscheidungen und die bestehenden Alternativen besser informiert werden. Ein besseres Verständnis der anstehenden Herausforderungen ist Voraussetzung für die Akzeptanz der Lösungen in der Gesellschaft.

85. Eine stärkere Einbeziehung der Öffentlichkeit in die Verkehrsplanung kann durch die Nutzung partizipatorischer Instrumente wie öffentliche Anhörungen, Erhebungen und die Beteiligung der Betroffenen an Entscheidungsprozessen gewährleistet werden.

86. Die Beschäftigten und die Sozialpartner des Verkehrssektors sollten über die Entwicklung, Anwendung und Überwachung der Verkehrspolitik und der zugehörigen Maßnahmen auf Unternehmens- wie Sektorebene informiert und dazu konsultiert werden.

5.6. Verwaltung: wirksame und koordinierte Maßnahmen

87. Das Verkehrssystem beruht auf einer komplexen Interaktion zwischen politischen, ökonomischen, sozialen und technischen Faktoren. Der Sektor kann nur dann erfolgreich funktionieren, wenn die politischen Entscheidungsträger in der Lage sind, eine fundierte Planung, die Verfügbarkeit angemessener Finanzmittel und einen geeigneten Regelungsrahmen für die Marktakteure zu gewährleisten.

88. Dies ist eine anspruchsvolle Aufgabe, da sie eine Koordinierung der Politik zwischen unterschiedlichen Institutionen und Ebenen voraussetzt. Die europäische Verkehrspolitik ist dafür ein besonders gutes Beispiel: Ihr Erfolg hängt in großem Umfang davon ab, wie sie durch Maßnahmen umgesetzt und ergänzt wird, über die andere Verwaltungsebenen entscheiden. Es gibt mindestens zwei Gebiete, auf denen eine wirksame Koordinierung der über die Aktionen auf EU-Ebene hinausgehenden Maßnahmen lohnend ist:

- Normung und Interoperabilität . In den nächsten paar Jahren werden viele neue Technologien und Regulierungsmethoden entwickelt werden, um den im Verkehr anstehenden Herausforderungen zu begegnen. Um die Interoperabilität der Ausrüstungen zu gewährleisten und die Vermehrung unterschiedlicher Systeme auf nationaler Ebene zu verhindern, bedarf es einer Koordinierung, also beispielsweise Regeln und Standards für die Mauterhebung, intelligente Verkehrssysteme oder den Zugang zu überlasteten Infrastrukturen.

- Das Problem der Ballungsräume . Die Rolle der EU bei der Regulierung des Nahverkehrs ist aus Gründen der Subsidiarität begrenzt. Andererseits liegen Ursprung und Ziel der meisten Verkehrsbewegungen in Städten, und Fragen des Verbundes und der Normung machen nicht an Stadtgrenzen halt. Die Zusammenarbeit auf EU-Ebene kann es städtischen Behörden erleichtern, ihre Verkehrssysteme nachhaltiger zu gestalten. Es gibt eine Reihe von Tätigkeiten und Bereichen, in denen die EU Beispiele geben und Demonstrationsprojekte sowie den Austausch bewährter Verfahren weiterhin fördern kann, insbesondere das 7. Rahmenprogramm und die Programme im Bereich der Kohäsionspolitik. Außerdem kann die EU einen Rahmen bereitstellen, innerhalb dessen die lokalen Behörden leichter Maßnahmen treffen können.

5.7. Die Außendimension: Europa muss mit einer Stimme sprechen

89. Der Verkehrssektor hat zunehmend internationalen Charakter. Daher muss die europäische Verkehrspolitik international ausgerichtet sein, um die weitere Integration mit den Nachbarstaaten zu unterstützen und die ökonomischen und ökologischen Interessen Europas im globalen Umfeld zu fördern.

90. Eine engere wirtschaftliche Integration und Migrationsströme aus den Nachbarstaaten und dem afrikanischen Kontinent werden zu den wichtigsten Herausforderungen gehören, die Europa künftig zu bewältigen hat. Die internationale Zusammenarbeit im Verkehrsbereich mit dem Ziel der Errichtung des notwendigen Verbunds der wichtigsten Verkehrsachsen dieser Regionen sollte weiter gefördert werden, um so einen Beitrag zur Gewährleistung einer nachhaltigen Entwicklung in den Nachbarstaaten und auf dem afrikanischen Kontinent zu leisten.

91. Die Entwicklung des südosteuropäischen regionalen Kernverkehrsnetzes als Vorläufer des TEN-V ist für die Stabilität und den wirtschaftlichen Wohlstand Südosteuropas von zentraler Bedeutung und wird die Verbindungen zu den Kandidatenländern und potenziellen Beitrittskandidaten dieser Region stärken. Ferner enthalten die Aktionspläne im Rahmen der europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) sowie bilaterale Partnerschafts- und Kooperationsabkommen umfangreiche Abschnitte zur Zusammenarbeit in der Verkehrspolitik, wobei die ENP-Staaten die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften im Verkehrsbereich in unterschiedlichem Maß übernehmen. Die Verkehrsbeziehungen der EU zu östlichen ENP-Staaten wie Belarus umfassen daneben ehrgeizige Pläne für den Ausbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes.

92. Auf weltweiter Ebene setzt die EU bereits jetzt in vielen Bereichen Maßstäbe. Die EURO-Emissionsnormen für Straßenfahrzeuge und das europäische Eisenbahnverkehrsmanagementsystem (ERTMS), um nur zwei Beispiele zu nennen, werden zunehmend auch außerhalb Europas übernommen. Diese Entwicklungen müssen in internationalen Foren unterstützt werden. Im See- und Luftverkehr, die ihrem Wesen nach globale Industrien sind, ist die internationale Rolle der EU besonders bedeutsam. Um auf diesen Märkten in den nächsten 40 Jahren eine wichtige Position zu wahren, muss Europa in den Foren, in denen Vertreter von Regierungen, der Industrie und der Regulierungsbehörden auf globaler Ebene zusammenkommen, mit einer Stimme sprechen.

6. Wie geht es weiter?

93. Die Kommission ruft alle interessierten Kreise auf, sich an der durch diese Mitteilung eingeleiteten Konsultation zu beteiligen[48]. Bemerkungen zur Zukunft des Verkehrs und möglichen politischen Optionen sollten bis zum 30. September 2009 über die folgende Mailbox eingereicht werden: tren-future-of-transport@ec.europa.eu[49].

94. Die Ergebnisse der oben genannten Konsultation werden im Herbst 2009 auf einer Konferenz der beteiligten Akteure vorgestellt. Auf der Grundlage der von den betroffenen Kreisen, dem Europäischen Parlament und dem Rat übermittelten Stellungnahmen wird die Kommission 2010 ein Weißbuch vorliegen, worin die im Zeitraum 2010-2020 zu treffenden Maßnahmen ausgeführt sind.

[1] KOM(2001) 370.

[2] KOM(2006) 314.

[3] Alle zugehörigen Dokumente können unter folgender Webadresse abgerufen werden:http://ec.europa.eu/transport/strategies/2009_future_of_transport_en.htm.

[4] CS (2006) 10917.

[5] Davon entfallen 4,4 % auf Verkehrsdienste und der Rest auf den Fahrzeugbau; insgesamt sind in den Verkehrsdiensten 8,9 Millionen Personen und im Fahrzeugbau 3 Millionen Personen beschäftigt.

[6] COMPETE, „Analysis of the contribution of transport policies to the competitiveness of the EU economy and comparison with the United States“, Oktober 2006, ISI-Fraunhofer in Zusammenarbeit mit INFRAS, TIS, und EE für die Generaldirektion TREN der Europäischen Kommission.

[7] KOM(2007) 803.

[8] KOM(2007) 642.

[9] Die Zahl der innergemeinschaftlichen Strecken stieg zwischen 1992 und 2008 um 120 % an. Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der innergemeinschaftlichen Strecken, die von mehr als zwei Luftfahrtunternehmen bedient werden, um 320 % zu. Mehr als ein Drittel der gesamten innergemeinschaftlichen Linienflugkapazität entfallen heute auf Billigfluggesellschaften.

[10] KOM(2007) 135. Zu den abgeschlossenen Projekten gehören die Öresund-Verbindung, der Flughafen Malpensa und die Betuwe-Schienengüterverkehrsstrecke. Weitere Projekte, zum Beispiel PBKAL (Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnverbindung Paris-Brüssel-Köln-Amsterdam-London), werden bald abgeschlossen sein. Daneben wurden große Projektabschnitte bereits in Betrieb genommen, zum Beispiel die Hochgeschwindigkeitszugverbindung Madrid-Barcelona und die erste Phase des TGV-Est in Frankreich.

[11] Insbesondere durch das strukturpolitische Instrument zur Vorbereitung auf den Beitritt.

[12] Verordnung (EG) Nr. 1371/2007, ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 14.

[13] KOM(2008) 817, KOM(2008) 816.

[14] http://ec.europa.eu/consumers/strategy/docs/2nd_edition_scoreboard_en.pdf .

[15] Quelle der Daten, soweit nicht anders angegeben: GD TREN (2009), EU energy and transport in figures. Statistisches Handbuch 2009.

[16] Verordnung (EG) Nr. 443/2009, ABl. L 140 vom 5.6.2009, S. 1.

[17] Der Anteil des Schienengüterverkehrs am Gesamtverkehrsvolumen lag 2007 mit 10,7 % auf dem gleichen Niveau wie 2001.

[18] http://spicycles.velo.info. Spicycles ist ein vom EU-Programm IEE–STEER gefördertes Projekt.

[19] Richtlinie 2009/28/EG, ABl. L 140 vom 5.6.2009, S. 16.

[20] Richtlinie 2009/30/EG, ABl. L 140 vom 5.6.2009, S. 88.

[21] Eurostat (2008), Population and social conditions, Statistics in Focus 72/2008; sowie Demografiebericht 2008 der Europäischen Kommission: Meeting Social Needs in an Ageing Society, SEK(2008) 2911.

[22] Siehe Fußnote 21.

[23] EUA, Transport at a crossroads, TERM 2008, Nr. 3/2009.

[24] SEK(2009) 387, Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen zum Weißbuch „Anpassung an den Klimawandel: Ein europäischer Aktionsrahmen“.

[25] 4. Bewertungsbericht der internationalen Sachverständigengruppe für Klimaänderungen (IPCC), 2007.

[26] Der Anteil fossiler Brennstoffe an den weltweit im Seeverkehr beförderten Gütern beträgt circa 51 %, wovon 32 % auf Rohöl, 8 % auf Ölerzeugnisse und 11 % auf Kohle entfallen (auf Grundlage von Angaben für 2005 in Mrd. Tonnenmeilen, Quelle: UNCTAD).

[27] Vereinte Nationen, Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten/Bevölkerung (2008), World Urbanization Prospects: The 2007 Revision.

[28] KOM(2007) 551.

[29] Vereinte Nationen, Abteilung für Bevölkerung (2009), World Population Prospects: The 2008 Revision.

[30] S. z.B. M. Chamon, P. Mauro und Y. Okawa (2008): The implications of mass car ownership in the emerging market giants. Economic Policy, Vol. 23, Ausg. 54, S. 243-296.

[31] KOM(2008) 886 und KOM(2008) 886/2.

[32] KOM(2005) 903.

[33] Entscheidung 2009/820/EG des Rates.

[34] S. Mitteilung der Kommission „Neue Kompetenzen für neue Beschäftigungen: Arbeitsmarkt- und Qualifikationserfordernisse antizipieren und miteinander in Einklang bringen“, KOM(2008) 868.

[35] TRANSvisions: Report on Transport Scenarios with a 20 and 40 Year Horizon. http://ec.europa.eu/transport/strategies/doc/2009_future_of_transport/20030331_transvisions_task_1_final_report.pdf.

[36] Richtlinien 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme und 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinien 97/11/EG und 2003/35/EG geänderten Fassung.

[37] In diesem Zusammenhang wird die Kommission, wie in der Mitteilung („Blaubuch“) über integrierte Meerespolitik für die Europäische Union (KOM(2007) 575) vorgesehen, Umweltleitlinien für den Hafenausbau annehmen.

[38] KOM(2009) 10 und KOM(2009) 11.

[39] KOM (2009) 8: „Strategische Ziele und Empfehlungen für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018“

[40] Eurostat (2008): Taxation trends in the European Union, Ausg. 2008.

Europäische Kommission: Verbrauchsteuertabellen, Steuererträge – Energieerzeugnisse und elektrischer Strom, Juli 2008.

[41] S. UNITE-Projekt für das RP5, C. Nash u.a., ITS University of Leeds.

[42] Siehe Fußnote 41. Die Berechnung schließt die Kosten von Staus, Unfällen, Luftverschmutzung, Lärm und globaler Erwärmung ein.

[43] Artikel 174 Absatz 2 EG-Vertrag.

[44] KOM(2008) 435.

[45] Zum Luftverkehr legte die Kommission 2006 einen Vorschlag vor; die daraus resultierende Richtlinie wurde im November 2008 angenommen.

[46] KOM(2008) 800.

[47] Beispielsweise wird im Rahmen der neuen gemeinsamen Technologieinitiative „CLEAN SKY“ die Entwicklung bahnbrechender Technologien erwartet, die eine erhebliche Verringerung der Umweltauswirkungen des Luftverkehrs bewirken. Die Initiative bringt von der EU geförderte Projekte und wichtige Akteure der Luftfahrtindustrie zusammen.

[48] Anleitungen zur Beteiligung an der Konsultation finden sich auf der Internetseite der GD TREN: http://ec.europa.eu/transport/strategies/2009_future_of_transport_en.htm .

[49] Die eingegangenen Beiträge werden im Internet veröffentlicht. Daher sollte die Datenschutzerklärung zu dieser Konsultation zur Kenntnis genommen werden, die Informationen zur Verarbeitung personenbezogener Daten und zur Behandlung der Beiträge enthält. Berufsständische Organisationen werden ersucht, sich in das Register der Interessenvertreter einzutragen (http://ec.europa.eu/transparency/regrin). Dieses Register wurde im Rahmen der europäischen Transparenzinitiative eingerichtet, um die Kommission und die Öffentlichkeit über die Ziele, die Finanzierung und die Strukturen von Interessenvertretern zu informieren.

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