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Document 52003DC0284

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union - Aktionsplan

/* KOM/2003/0284 endg. */

52003DC0284

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union - Aktionsplan /* KOM/2003/0284 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT - Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union - Aktionsplan

INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG 3

1. MODERNISIERUNG DES GESELLSCHAFTSRECHTS UND VERBESSERUNG DER CORPORATE GOVERNANCE: DER GEMEINSCHAFTLICHE BESITZSTAND UND DIE NOTWENDIGKEIT NEUER INITIATIVEN

1.1. Der gemeinschaftliche Besitzstand im Bereich Gesellschaftsrecht

1.2. Gründe für neue Initiativen auf EU-Ebene

2. zentrale politische ziele

2.1. Stärkung der Aktionärsrechte und Verbesserung des Schutzes Dritter

2.2. Förderung der Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen

3. Ein EU-Aktionsplan

3.1 Corporate Governance

3.1.1. Verbesserte Offenlegung der Corporate Governance

3.1.2. Stärkung der Aktionärsrechte

3.1.3. Modernisierung des Leitungs-/Verwaltungsorgans

3.1.4. Koordinierung der Bemühungen der Mitgliedstaaten um Verbesserung der Corporate Governance

3.2 Kapitalerhaltung und -änderung

3.3 Unternehmensgruppe und -pyramiden

3.4 Unternehmensumstrukturierung und -mobilität

3.5 Die Europäische Privatgesellschaft

3.6 Die Europäische Genossenschaft und andere EU Rechtsformen für Unternehmen

3.7 Verbesserte Offenlegung von nationalen Unternehmensrechtsformen

4. SCHLUSSFOLGERUNG

ANHANG 1 Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union - Aktionsplan

ANHANG 2 Bestehende und vorgeschlagene EU-Rechtsinstrumente im Bereich des Gesellschaftsrechts

EINLEITUNG

Ein dynamischer und flexibler Rahmen für Gesellschaftsrecht und Corporate Governance ist für eine moderne, dynamische und vernetzte Industriegesellschaft unverzichtbar. Unverzichtbar für Millionen von Anlegern. Unverzichtbar für die Vertiefung des Binnenmarkts und die Schaffung eines integrierten europäischen Kapitalmarkts. Unverzichtbar, damit alle Mitgliedstaaten - neue und alte -größtmöglichen Nutzen aus der Erweiterung ziehen können.

Ein gutes Gesellschaftsrecht und gute Corporate-Governance-Praktiken werden die Realwirtschaft verbessern:

- Ein wirksames Konzept wird die globale Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der EU-Unternehmen steigern. Gut geführte Unternehmen mit nachweislich starker Corporate Governance und sichtbaren Erfolgen im sozialen und ökologischen Bereich sind ihren Konkurrenten überlegen. Europa braucht mehr Unternehmen dieser Art, die Arbeitsplätze schaffen und ein auf Dauer höheres Wachstum ermöglichen.

- Ein wirksames Konzept wird die Aktionärsrechte stärken und den Schutz Dritter verbessern. Es wird insbesondere dazu beitragen, das Vertrauen der europäischen Anleger nach der Welle der jüngsten Corporate-Governance-Skandale wiederherzustellen. Das Auskommen von Millionen von Europäern, ihre Renten und ihre Anlagen hängen davon ab, ob die börsennotierten Gesellschaften, in die sie investieren, gute Leistungen erbringen und verantwortungsvoll geführt werden.

Ziel der Mitteilung

In dieser Mitteilung legt die Kommission dar, wie sie im Bereich Gesellschaftsrecht und Corporate Governance verfahren will.

Die Erreichung der oben genannten Ziele (Steigerung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, Stärkung der Aktionärsrechte und Verbesserung des Schutzes Dritter) setzt ein voll integriertes Konzept voraus.

In diesem Zusammenhang ist auf die folgenden verbundenen Initiativen hinzuweisen, die zwar Teil dieses integrierten Konzepts, nicht aber Bestandteil dieses Aktionsplans sind:

- Der Aktionsplan für Finanzdienstleistungen [1] aus dem Jahr 1999, in dem die allgemeinen Ziele, die die EU-Politik im Finanzdienstleistungsbereich leiten sollten, bestätigt und ein Rahmen für die Integration der Kapitalmärkte bis zum Jahr 2005 gesteckt wurde;

[1] Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan, Mitteilung der Kommission, KOM(1999) 232 vom 11.5.99.

- Die Rechnungslegungsstrategie [2] aus dem Jahr 2000, die darauf abzielt, durch Annahme gemeinsamer Rechnungslegungsstandards und die Schaffung eines angemessenen Systems für die Durchsetzung eine Finanzberichterstattung hoher Qualität zu erreichen, und die im Jahr 2002 in den Erlass der Verordnung betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards mündete;

[2] Rechnungslegungsstrategie der EU: Künftiges Vorgehen, Mitteilung der Kommission, KOM(2000) 359 vom 13.6.00.

- Die Mitteilung über die soziale Verantwortung der Unternehmen [3] aus dem Jahr 2002, in der es um die soziale und ökologische Dimension der Unternehmen in einer globalen Wirtschaft geht und die zur Schaffung eines EU Stakeholder-Forums geführt hat, das die Unternehmen dazu ermutigen soll, in ihrem Kerngeschäft auf freiwilliger Basis sozial- und umweltverträgliche Praktiken anzuwenden, die über ihre rechtlichen Verpflichtungen hinausgehen;

[3] Die soziale Verantwortung der Unternehmen: ein Unternehmensbeitrag zur nachhaltigen Entwicklung, Mitteilung der Kommission, KOM(2002) 347 vom 2.7.2002. Im Stakeholder-Forum zur sozialen Verantwortung der Unternehmen sind Unternehmensverbände, Gewerkschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft vertreten. Es wird der Kommission 2004 einen Bericht über seine Arbeiten vorlegen. Die Kommission wird die Ergebnisse bewerten, über die Zukunft des Forums entscheiden und etwaige andere Initiativen prüfen.

- Die Mitteilung zur Industriepolitik in einem erweiterten Europa [4] aus dem Jahr 2002, die die Notwendigkeit einer nachhaltigeren Produktion als Treiber für Wachstum und Produktivität für die EU Industrie anspricht.

[4] Industriepolitik in einem erweiterten Europa, Mitteilung der Kommission, KOM (2002) 714 vom 11.12.02.

- Die Mitteilung über die Prioritäten der Abschlussprüfung in der EU, die zusammen mit dieser Mitteilung veröffentlicht wird und die von der EU in diesem Bereich verfolgte Strategie darlegt, deren Ziel es ist, Qualitätsprüfungen zu gewährleisten und das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Abschlussprüfergewerbe zu sichern. Themen der Mitteilung sind u.a. die Anwendung der International Standards on Auditing (ISA), die öffentliche Kontrolle der Abschlussprüfer und der Aktualisierung der Achten Richtlinie mit dem Ziel der Hinwendung zu einem umfassenden, auf Grundsätzen beruhenden Ansatz.

Antwort der Kommission auf den Winter-Bericht

Am 4. November 2002 legte die von Kommissar Bolkestein im September 2001 eingesetzte und von Jaap Winter geführte hochrangige Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts ihren Schlussbericht ("Moderne gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen in Europa") vor, dessen zentrale Themen die Corporate Governance in der EU und die Modernisierung des europäischen Gesellschaftsrechts sind. Am 30. September 2002 forderte der Rat Wettbewerbsfähigkeit die Kommission auf, für eine eingehende Diskussion über diesen Bericht zu sorgen und in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten so bald wie möglich einen Aktionsplan Gesellschaftsrecht zu erarbeiten, der auch die Corporate Governance einschließt. Der Rat brachte bei dieser Gelegenheit seine Absicht zum Ausdruck, diesem Aktionsplan Priorität einzuräumen. Auch der Rat ECOFIN hat großes Interesse an dem Vorhaben bekundet.

Mit dieser Mitteilung kommt die Kommission der Aufforderung des Rates nach. Darin wird dargelegt, warum das europäische Gesellschaftsrecht und der rechtliche Rahmen für Leitung und Überwachung von Unternehmen in Europa modernisiert werden müssen. Es werden die wesentlichen politischen Ziele festgelegt, die künftig jede Maßnahme, die in diesen Bereichen auf EU-Ebene ergriffen wird, leiten sollten. Darüber hinaus enthält die Mitteilung einen Aktionsplan mit nach Prioritäten geordneten kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen. Darin wird angegeben, welches Regulierungsinstrument eingesetzt werden sollte [5] und bis wann.

[5] Wird ein Rechtsakt in Betracht gezogen, so bedeutet dies, dass die geplante Maßnahme entweder die Annahme eines neuen Legislativvorschlags oder die Änderung eines oder mehrerer bestehender Rechtsakte erfordert.

Politische Leitkriterien

Bei der Aufstellung dieses Aktionsplans hat die Kommission insbesondere der Tatsache Rechnung getragen, dass bei jeder Regulierungsmaßnahme auf europäischer Ebene eine Reihe von Kriterien beachtet werden muss:

- In vollem Umfang Rechnung getragen werden sollte den im EG-Vertrag verankerten Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sowie der Tatsache, dass dieselben Fragen in den Mitgliedstaaten zuweilen auf sehr unterschiedliche Weise geregelt werden. Gleichzeitig sollten aber klare Ziele verfolgt werden (Stärkung des Binnenmarkts und der Rechte von Aktionären und Dritten).

- Jede Regulierungsmaßnahme sollte flexibel angewandt werden können, aber auf festen Grundsätzen beruhen. Sie sollte sich auf das Wesentliche beschränken, transparent sein und angemessene Konsultationen durchlaufen.

- Sie sollte zur Gestaltung internationaler Regelungen auf diesem Gebiet beitragen. Die EU muss bei der Corporate Governance ihren eigenen, auf ihre kulturellen und unternehmerischen Traditionen zugeschnittenen Weg gehen. Für die Union bietet sich hier die Gelegenheit, mit Hilfe guter, vernünftiger Regeln für die Unternehmensleitung und -überwachung ihren Einfluss in der Welt zu stärken. Wie die jüngeren Entwicklungen in den Vereinigten Staaten zeigen, werden Standards für die Unternehmensleitung und -überwachung in zunehmendem Maße auf internationaler Ebene gesetzt. Das am 30. Juli 2002 erlassene Sarbanes-Oxley-Gesetz stellt eine prompte Reaktion auf eine ganze Serie von Skandalen dar. Leider wirft es wegen seiner weit reichenden Auswirkungen auf europäische Unternehmen und Abschlussprüfer eine Reihe von Problemen auf, so dass die Kommission derzeit intensive Gespräche mit den amerikanischen Regulierungsbehörden (insbesondere der Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde SEC) führt, um hier akzeptable Lösungen auszuhandeln. In vielen Bereichen teilt die EU die umfassenden Ziele und Grundsätze des Sarbanes-Oxley-Gesetzes und verfügt in vielen Bereichen bereits über solide gleichwertige Regelungen. In anderen Bereichen sind dagegen neue Initiativen erforderlich. Die Beanspruchung des Rechts, zumindest als gleichwertig mit anderen nationalen und internationalen Regeln anerkannt zu werden, ist schon für sich genommen ein legitimer und nützlicher Zweck.

1. MODERNISIERUNG DES GESELLSCHAFTSRECHTS UND VERBESSERUNG DER CORPORATE GOVERNANCE: DER GEMEINSCHAFTLICHE BESITZSTAND UND DIE NOTWENDIGKEIT NEUER INITIATIVEN

1.1. Der gemeinschaftliche Besitzstand im Bereich Gesellschaftsrecht

In der Vergangenheit gründeten die meisten Initiativen, die auf EU-Ebene im Bereich des Gesellschaftsrechts eingeleitet wurden, auf Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe g (vormals Artikel 54) des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Nach diesem Artikel, der Teil des Kapitals "Niederlassungsrecht" ist, müssen die europäischen Organe die Niederlassungsfreiheit verwirklichen, indem sie "soweit erforderlich die Schutzbestimmungen koordinieren, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 [vormals 58] Absatz 2 im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten".

Den Auslegungen zufolge liefert dieser Artikel zwei wichtige Gründe für die Verabschiedung von EU-Rechtsakten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts:

a) Erleichterung der Niederlassung für Unternehmen: die Harmonisierung einer Reihe von Mindestanforderungen bewirkt eine Angleichung der rechtlichen Rahmenbedingungen und erleichtert den Unternehmen so die Niederlassung in anderen Mitgliedstaaten;

b) Gewährleistung von Rechtssicherheit bei innergemeinschaftlichen Geschäften durch eine Reihe gemeinsamer Schutzvorkehrungen, die Vertrauen in grenzübergreifende Wirtschaftsbeziehungen schaffen.

Die EU-Organe haben im Laufe der Jahre eine Reihe gesellschaftsrechtlicher Initiativen eingeleitet, die zum großen Teil erhebliche Fortschritte [6] ermöglichten. Zwischen 1968 (Erlass der Ersten Richtlinie) und 1989 (Erlass der Zwölften Richtlinie) wurden neun Richtlinien und eine Verordnung erlassen. Auch wenn die Lage im Einzelnen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat variieren mag, haben sich diese europäischen Rechtsvorschriften doch erheblich auf das nationale Gesellschaftsrecht ausgewirkt. Auch blieben diese Auswirkungen nicht auf die von den Richtlinien ausdrücklich abgedeckten Gesellschaften beschränkt, sondern beschlossen viele Mitgliedstaaten, ihre Bestimmungen auf andere Rechtsformen auszuweiten.

[6] Siehe Anhang I, der eine Übersicht über die bestehenden europäischen Gesellschaftsrechtsvorschriften enthält.

In den vergangenen zehn Jahren war die Rechtsetzung der EU im Bereich des Gesellschaftsrechts infolge des 1992 geschlossenen Maastrichter Vertrags durch stärkere politische Rücksicht auf das nationale Recht (und eine größere Zahl von Verweisen auf nationale Vorschriften in den Legislativvorschlägen) geprägt. Diese flexiblere Form der Harmonisierung ermöglichte insbesondere die Verabschiedung des Statuts der europäischen Gesellschaft (Societas Europaea) im Oktober 2001.

1.2. Gründe für neue Initiativen auf EU-Ebene

Der Moment ist günstig, der Harmonisierung des Gesellschaftsrechts auf EU-Ebene mit ehrgeizigen Vorhaben frische Impulse zu verleihen. Neue Initiativen, mit denen entweder bestehende Rechtsakte aktualisiert oder der EU-Rahmen durch eine begrenzte Zahl neuer, maßgeschneiderter Instrumente ergänzt wird, sind aus folgenden Gründen erforderlich:

- Größtmögliche Ausschöpfung des Binnenmarkts: die zunehmende Tendenz europäischer Unternehmen, grenzübergreifend im Binnenmarkt tätig zu sein, erfordert gemeinsame gesellschaftsrechtliche Bestimmungen, die unter anderem die Niederlassung und die grenzübergreifende Umstrukturierung erleichtern.

- Integration der Kapitalmärkte: dynamische Wertpapiermärkte sind für die wirtschaftliche Zukunft Europas von zentraler Bedeutung. [7] Aus diesem Grund muss Emittenten wie Anlegern Gelegenheit gegeben werden, in weitaus größerem Umfang als bisher auf anderen EU-Kapitalmärkten tätig zu werden und dabei darauf bauen zu können, dass die Gesellschaften, in die sie investieren, gleichwertigen Regeln für die Unternehmensleitung und -überwachung unterliegen. Börsennotierte Gesellschaften wünschen sich einen kohärenteren, dynamischeren und flexibleren europäischen Rechtsrahmen.

[7] Siehe "Quantification of the Macro-Economic Impact of Integration of EU Financial Markets", Schlussbericht der London Economics (in Verbindung mit PricewaterhouseCoopers und Oxford Economic Forecasting) an die Generaldirektion Binnenmarkt der Europäischen Kommission vom 12. November 2002, http://europa.eu.int/comm/internal_market/ en/finances/mobil/overview.htm

- Größtmögliche Ausnutzung moderner technischer Hilfsmittel: die rasche Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien (Videokonferenzen, E-Mail und vor allem das Internet) wirkt sich auf die Speicherung und Verbreitung von Unternehmensinformationen [8] sowie auf die Gestaltung bestimmter Unternehmensabläufe aus (wie virtuelle Hauptversammlungen, Sitzungen des Leitungs- bzw. Verwaltungsorgans per Videokonferenz oder die grenzübergreifende Ausübung von Stimmrechten).

[8] Siehe dazu den Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Ersten Gesellschaftsrechtsrichtlinie über die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen vom Juni 2002, der den Einsatz moderner technischer Hilfsmittel ermöglichen soll. Demnach könnten Gesellschaften ihre Urkunden und Angaben künftig entweder in Papierform oder auf elektronischem Wege in das Register eintragen und Dritte auf demselben Weg Abschriften erhalten.

- Erweiterung: die bevorstehende Erweiterung der EU um zehn neue Mitglieder ist ein weiterer triftiger Grund für eine Überprüfung des Geltungsbereichs des EU-Gesellschaftsrechts. Die neuen Mitgliedstaaten werden weiter zur Vielfalt der nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen in der EU beitragen und so die Notwendigkeit eines auf Grundsätzen fußenden Konzepts deutlich machen, das für innergemeinschaftliche Geschäfte nach wie vor ein hohes Maß an Rechtssicherheit bietet. Zusätzlich dazu werden Initiativen zur Modernisierung des EU-Gesellschaftsrechts dringender sein denn je, um den raschen und vollständigen Übergang dieser Länder zu voll wettbewerbsfähigen modernen Marktwirtschaften zu erleichtern.

- Antwort auf Herausforderungen durch jüngste Ereignisse: Die jüngsten Finanzskandale haben erneut eine lebhafte Diskussion über die Leitung und Überwachung von Unternehmen ausgelöst, und die notwendige Wiederherstellung des Vertrauens ist ein Grund mehr für neue Initiativen auf EU-Ebene. Große und kleine Anleger verlangen mehr Transparenz und bessere Unternehmensinformationen und sind bestrebt, ihren Einfluss auf den Betrieb der Gesellschaften, deren Anteilseigner sie sind, zu erhöhen. Die Aktionäre sind Eigentümer der Gesellschaften, nicht die Unternehmensleitung. Dessen ungeachtet wurden deren Rechte viel zu oft durch schäbiges, gieriges und zuweilen betrügerisches Verhalten der Gesellschaften mit Füßen getreten. Ein neuer Sinn für Verhältnismäßigkeit und Fairness tut Not.

2. ZENTRALE POLITISCHE ZIELE

Nach Auffassung der Kommission sollten die künftig auf EU-Ebene im Bereich des Gesellschaftsrechts getroffenen Maßnahmen so weit wie möglich auf die Erreichung zweier politischer Ziele abstellen.

2.1. Stärkung der Aktionärsrechte und Verbesserung des Schutzes Dritter

Im Zentrum jedes gesellschaftsrechtlichen Konzepts muss die Gewährleistung eines wirksamen und angemessenen Schutzes von Aktionären und Dritten stehen. Solide Schutzbestimmungen, die bei Aktionären und Dritten ein hohes Maß an Vertrauen in Geschäftsbeziehungen schaffen, sind Grundvoraussetzung für den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Damit Gesellschaften so kostengünstig wie möglich Kapital aufnehmen können, bedarf es insbesondere einer wirksamen Regelung zum Schutz der Aktionäre und ihrer Rechte, die vor dem Hintergrund eines gestreuten Aktienbesitzes innerhalb der EU langfristig die Ersparnisse und Renten von Millionen von Menschen schützt und die Kapitalmarktbasis stärkt.

In Anbetracht der zunehmenden Mobilität von Gesellschaften innerhalb der EU wird ein wirksamer Schutz von Anteilseignern und Dritten künftig weiter an Bedeutung gewinnen.

Um den europäischen Gesellschaften die Möglichkeit zu geben, die Vorteile des Binnenmarktes und der zunehmenden Integration der europäischen Kapitalmärkte voll auszuschöpfen, sollte zur Gewährleistung eines angemessenen Schutzes von Aktionären und Dritten nach folgenden Grundsätzen verfahren werden:

- Nach Auffassung der Kommission sollten erstens einige neue, gezielte Initiativen eingeleitet werden, um die Rechte der Aktionäre zu stärken und die Verantwortung der Unternehmensleitung klarzustellen; zweitens sollten die Gläubigerschutzvorschriften modernisiert werden, wobei (z.B. in Bezug auf Kapitalerhaltung und -änderung) ein hoher Qualitätsstandard beibehalten werden sollte.

- Es sollte klar zwischen bestimmten Kategorien von Gesellschaften unterschieden werden. Für börsennotierte Gesellschaften [9] und Gesellschaften, die öffentlich Kapital aufgenommen haben, sind strengere Rahmenvorschriften wünschenswert. So sollten diese Unternehmen insbesondere in Bezug auf die Offenlegung einer Reihe angemessener, ausführlicher Vorschriften unterworfen werden. Bei allen anderen Unternehmen sollte jede Regulierungsinitiative in vollem Umfang ihrer Form und Größe Rechnung tragen und (nach dem Vorbild der auf nationaler Ebene eingeleiteten maßgeschneiderten Deregulierungsinitiativen) einen flexibleren Rahmen für KMU ermöglichen.

[9] Der Begriff "börsennotierte Gesellschaft" bezeichnet in dieser Mitteilung Gesellschaften, deren Wertpapiere im Sinne der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. L 41 vom 11.6.1993, S. 27, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2000/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 290 vom 17.11.2000, S. 27)) in einem oder mehreren Mitgliedstaaten zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind. Der vorliegende Aktionsplan enthält - wo erforderlich - ausdrücklich Information betreffend den Umfang der verschiedenen vorgeschlagenen Initiativen. Kurz gesagt betreffen die im Abschnitt über Corporate Governance vorgeschlagenen Initiativen prinzipiell börsennotierte Gesellschaften, obwohl einige von ihnen auch sinnvollerweise als auf nichtbörsennotierte Gesellschaften anwendbar angesehen werden. Die Initiativen, die in den anderen Abschnitten dargestellt werden, sind allgemein anwendbar auf alle Gesellschaften, ausgenommen der Abschnitt über Pyramiden, der naturgemäss nur börsennotierte Gesellschaften betrifft.

- Die moderne Technik kann Aktionären und Dritten die wirksame Ausübung ihrer Rechte erheblich erleichtern. Das Gesellschaftsrecht sollte die Unternehmen zumindest in die Lage versetzen und dazu ermuntern, in ihren Beziehungen zu Aktionären und Dritten so weit wie möglich auf die neuesten Informations-und Kommunikationstechniken zurückzugreifen. Besonderes Augenmerk muss nach Auffassung der Kommission darüber hinaus auf bestimmte Bereiche gerichtet werden, in denen die Unternehmen zum Schutz von Aktionären und Dritten unter Umständen zum Einsatz moderner Techniken verpflichtet werden müssen. Doch sollte den Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht die Möglichkeit gegeben werden, allen Aktionären und Dritten systematisch und ohne die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen die Nutzung moderner Techniken vorzuschreiben.

- Eine solide Wirtschaft setzt großes Vertrauen in die Beziehungen zwischen den einzelnen Akteuren voraus. Dabei wird der Schutz von Aktionären und Dritten durch eine begrenzte Zahl von Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung und zur Bekämpfung des Missbrauchs von Rechtsformen gewährleistet. Solche Maßnahmen sollten sorgfältig geplant werden, um zu verhindern, dass sie die Schaffung und Nutzung wirksamer gesellschaftsrechtlicher Strukturen und Systeme, die zur Förderung effizienter und wettbewerbsfähiger Unternehmen erforderlich sind, nicht unzulässigerweise behindern.

2.2. Förderung der Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen

Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sind für das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen von zentraler Bedeutung und hängen von vielen Faktoren, u.a. von soliden gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen ab. Dieses Ziel lässt sich nur durch einen ausgewogenen Mix aus EU- und nationalen Maßnahmen erreichen. Bestimmte gesellschaftsrechtliche Vorschriften dürften am besten auf nationaler Ebene erlassen werden und lassen sich auch dort am wirkungsvollsten aktualisieren. Auch kann ein gewisser Wettbewerb zwischen den nationalen Vorschriften der Effizienz des Binnenmarkts durchaus förderlich sein.

Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sollten unter ordnungsgemäßer Beachtung des Subsidiaritätsprinzips und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wie folgt gefördert werden:

- Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen der EU sollten auf jeden Fall eine Reihe spezieller grenzübergreifender Probleme (wie grenzübergreifende Fusionen oder die Verlegung des Sitzes in einen anderen Mitgliedsstaat, Hindernisse für die grenzübergreifende Wahrnehmung der Aktionärsrechte, u.ä.) in Angriff nehmen, bei denen sich das verfolgte Ziel möglicherweise nur durch eine Gemeinschaftsmaßnahme erreichen lässt.

- Neben diesen speziellen grenzübergreifenden Fragen sollte auch den anderen zur Förderung von Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erforderlichen Maßnahmen die nötige Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wie bereits erwähnt, kann ein gewisses Maß an Harmonisierung genau festgelegter nationaler Fragen die Rechtsunsicherheit mindern und so die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen merklich steigern.

- Die Gesellschaften sollten über größtmögliche Flexibilität verfügen: in Fällen, in denen Systeme als gleichwertig angesehen werden, sollte allen Beteiligten so viel Spielraum wie möglich eingeräumt werden.

3. EIN EU-AKTIONSPLAN

Um die oben genannten politischen Ziele zu erreichen, muss in den kommenden Jahren auf EU-Ebene eine Reihe von Maßnahmen getroffen werden. Zu diesem Zweck wird folgendes Vorgehen vorgeschlagen:

- Die Maßnahmen sollten auf der Grundlage klarer Prioritäten in drei Kategorien unterteilt werden (kurzfristige, mittelfristige und langfristige Maßnahmen).

- Bei der Vorbereitung von EU-Initiativen in den Bereichen Gesellschaftsrecht und Corporate Governance sollten stets Sachverständige gehört werden. Aus diesem Grund wird die Kommission wie derzeit bei der Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts regelmäßig bei Vertretern der Mitgliedstaaten sowie bei Vertretern von Unternehmen und Hochschulen Ratschläge einholen, um für den notwendigen Input von außen zu sorgen.

- Diese Mitteilung wird bis zum 31. August 2003 Gegenstand einer öffentlichen Konsultation sein. Offene öffentliche Konsultationen werden gegebenenfalls auch in Zukunft für alle anderen größeren Initiativen des Aktionsplans durchgeführt.

- Für den Bereich der Unternehmensleitung und -überwachung wird ein oder zweimal jährlich ein europäischen Forum für Corporate Governance einberufen, das dazu beitragen soll, die von den Mitgliedstaaten in diesem Bereich unternommenen Anstrengungen zu koordinieren (siehe dazu Punkt 3.1.4.).

Im vorliegenden Aktionsplan werden Art und Umfang der als notwendig erachteten Maßnahmen ermittelt, die Art des einzusetzenden Rechtsinstruments vorgeschlagen und klare kurz-, mittel- und langfristige Prioritäten gesetzt.

3.1. Corporate Governance

Der Begriff "Corporate Governance" kann sehr unterschiedlich definiert werden, in der Regel bezeichnet er aber das System der Leitung und der Überwachung von Gesellschaften [10]. In Anbetracht der jüngsten Unternehmensskandale ist die Corporate Governance heute weltweit ein wichtiges Thema. Das Versagen der Corporate Governance in einigen Unternehmen hat das Vertrauen in die Kapitalmärkte stark geschwächt.

[10] Cadbury-Bericht, Dezember 1992. Eine umfassendere Definition liefern beispielsweise die OECD-Grundsätze aus dem Jahr 1999: "Corporate governance involves a set of relationships between a company's management, its board, its shareholders and other stakeholders. Corporate governance also provides the structure through which the objectives of the company are set, and the means of attaining those objectives and monitoring performance are determined." [Die Corporate Governance umfasst die Beziehungen zwischen der Geschäftsführung, dem Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan, den Aktionären und anderen Interessengruppen. Die Corporate Governance liefert auch die Struktur, über die die Ziele des Unternehmens gesetzt und die Mittel und Wege zur Erreichung dieser Ziele und zur Überwachung des Ergebnisses bestimmt werden.] Die Corporate Governance konzentriert sich im Wesentlichen auf die Probleme, die aus der Trennung von Eigentum und Kontrolle resultieren und zielt insbesondere auf das Verhältnis zwischen Aktionären und Direktoren, d.h. zwischen Vollmachtgebern und Bevollmächtigten, ab.

Innerhalb der EU gibt es unterschiedliche Corporate-Governance-Systeme, die die Kultur der jeweiligen Mitgliedstaaten und ihre unterschiedliche Sichtweise darüber widerspiegeln, welche Rolle den Unternehmen zukommt und wie ihre Industrie finanziert werden sollte. Im Laufe der vergangenen Jahre ist das Thema Corporate Governance mehr und mehr diskutiert worden. Für die Europäische Union wurden in den letzten zehn Jahren etwa vierzig nationale und internationale Corporate-Governance-Kodizes angenommen, die die Interessen von Aktionären und/oder Interessengruppen schützen sollen.

Nationale Unterschiede bei Unternehmensleitung und -überwachung können Emittenten und Anleger verunsichern und Kosten verursachen, zwei Probleme, die im Interesse einer effizienten Integration der EU-Kapitalmärkte in Angriff genommen werden müssen. Wie im Aktionsplan Finanzdienstleistungen von 1999 angekündigt, gab die Kommission 2001 eine Prüfung der für die EU relevanten Corporate-Governance-Kodizes in Auftrag. Die umfassende vergleichende Studie, die das Unternehmen Weil, Gotshal & Manges LLP erstellte [11], wurde im März 2002 abgeschlossen und gelangte zu dem Schluss, dass die EU weder Zeit noch Mühe auf die Erstellung eines europäischen Corporate-Governance-Kodex verwenden sollte: vielmehr solle die Europäische Kommission ihre Bemühungen darauf konzentrieren, aufsichtsrechtliche und sonstige gesetzliche Schranken für die grenzübergreifende Wahrnehmung von Stimmrechten ("Partizipationsschranken") sowie Schranken, die den Aktionären die Bewertung der Leitung und Überwachung einer Gesellschaft erschweren ("Informationsschranken") abzubauen.

[11] "Comparative Study of the Corporate Governance Codes relevant to the European Union and its Member States": http://europa.eu.int/comm/internal_market/ en/company/company/news/corp-gov-codes-rpt_en.htm

Die Notwendigkeit eines europäischen Kodexes und einer zusätzlichen Offenlegung von Corporate-Governance-Praktiken wurde neben einer Reihe anderer, vom Rat im April 2002 in Oviedo unter dem Eindruck der Skandale in den USA behandelten Fragen (die Rolle von nicht geschäftsführenden Direktoren und Aufsichtsräten, die Entgelte der Unternehmensleitung und deren Verantwortung für den Jahresabschluss, Prüfungspraktiken) auch von der hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts geprüft. Diese bestätigt in ihrem Schlussbericht, dass ein EU-Corporate-Governance-Kodex nicht erforderlich ist.

Übereinstimmend damit stellt die Kommission Folgendes fest: 1.) Die größten Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten sind bei Gesellschaftsrecht und Wertpapiervorschriften zu verzeichnen, während die Corporate-Governance-Kodizes der Studie vom März 2002 zufolge ein bemerkenswert hohes Maß an Übereinstimmung aufweisen. 2.) Das Nebeneinander zahlreicher Kodizes in der EU wird von den Emittenten generell nicht als Schwierigkeit empfunden (viele Emittenten sind nach wie vor hauptsächlich auf ihrem heimischen Markt tätig; wenn sie ihre Tätigkeit auf andere Märkte ausdehnen, haben sie es dort mit recht ähnlichen Kodizes zu tun; in den seltenen Fällen, in denen die Bestimmungen dieser Kodizes voneinander abweichen, bietet der Grundsatz "comply or explain", wonach bei Nichteinhaltung die Abweichungen offen zu legen sind, eine befriedigende Lösung).

Darüber hinaus ist die Kommission der Auffassung, dass

a) ein europäischer Kodex keine Gewähr dafür böte, dass die Anleger umfassend über die wichtigsten europäischen Corporate-Governance-Regeln für Gesellschaften informiert werden, da diese nach wie vor auf z.T. sehr unterschiedlichen nationalen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften beruhen und Teil des nationalen Rechts sind;

b) ein solcher Kodex nicht wesentlich zur Verbesserung der Unternehmensleitung und -überwachung in der EU beitragen würde, da er entweder viele verschiedene Optionen zulassen oder sich auf abstrakte Grundsätze beschränken müsste. Der Versuch, einen umfassend harmonisierten europäischen Kodex zu erstellen, würde Jahre in Anspruch nehmen und ließe sich nicht innerhalb einer angemessenen Frist realisieren.

Dennoch sollte die EU bei der Corporate Governance eine aktive Rolle spielen, da bestimmte Regeln und Grundsätze auf EU-Ebene (in Form von Richtlinien oder Empfehlungen) vereinbart werden müssen, und die Corporate-Governance-Kodizes in der EU in gewissem Umfang koordiniert werden sollten, um eine weitere Annäherung und den Austausch empfehlenswerter Praktiken zu fördern.

Die Kommission vertritt im jetzigen Stadium deshalb die folgende Auffassung:

Es deutet wenig darauf hin, dass die Entwicklung eines europäischen Corporate-Governance-Kodex als zusätzliche Schicht neben den auf internationaler Ebene aufgestellten Grundsätzen und den auf nationaler Ebene angenommenen Kodizes erheblichen zusätzlichen Nutzen mit sich brächte. Die Kommission nimmt in diesem Zusammenhang zur Kenntnis, dass das Thema Corporate Governance bei der OECD zurzeit ganz oben auf der Tagesordnung steht. So hat diese Organisation kürzlich beschlossen, ihre Corporate-Governance-Grundsätze aus dem Jahr 1999 zu überarbeiten und bis zum Jahr 2004 eine aktualisierte Fassung vorzulegen. Die Kommission nimmt aktiv an diesen Arbeiten teil.

Ein auf Selbstregulierung des Marktes setzendes Konzept, das ausschließlich auf unverbindlichen Empfehlungen beruht, reicht natürlich nicht immer aus, um die Anwendung solider Corporate-Governance-Praktiken zu garantieren. Nur ein gewisses Maß an gezielten Vorschriften kann gewährleisten, dass die Märkte ihre disziplinierende Funktion angemessen erfuellen können. In Anbetracht der wachsenden Integration der europäischen Kapitalmärkte sollte in Bezug auf einige grundsätzliche Regeln auf EU-Ebene ein gemeinsames Vorgehen beschlossen und eine angemessene Koordinierung der Corporate-Governance-Kodizes gewährleistet werden.

In weitgehender Übereinstimmung mit den Vorschlägen der hochrangigen Expertengruppe möchte die Kommission dabei nach folgenden Grundsätzen verfahren [12]:

[12] Die Kommission hat bei Ausarbeitung ihres Konzepts insbesondere der Tatsache Rechnung getragen, dass a) so weit wie möglich von Rechtsakten abgesehen und stattdessen der Einsatz alternativer Instrumente in Betracht gezogen werden sollte, und b) Offenlegungsanforderungen der Vorzug gegeben werden sollte (da diese weniger ins Unternehmensgeschehen eingreifen und sie über den Markt rasch und zuverlässig zu den gewünschten Ergebnissen führen können).

3.1.1. Verbesserte Offenlegung der Corporate Governance

Jährliche Erklärung zur Corporate Governance

Börsennotierte Gesellschaften sollten verpflichtet werden, ihrem Jahresabschluss eine kohärente, aussagekräftige Erklärung beizufügen, in der sie die wichtigsten Elemente ihrer Corporate-Governance-Struktur und ihrer Corporate-Governance-Praktiken darlegen und zumindest die folgenden Angaben liefern:

a) Arbeitsweise der Aktionärsversammlung und deren Hauptbefugnisse sowie Rechte der Aktionäre und wie diese ausgeübt werden können;

b) Zusammensetzung und Funktionsweise des Leitungs- bzw. Verwaltungsorgans und seiner Ausschüsse [13];

[13] Um das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederherzustellen, sollten hier angemessene Informationen darüber geliefert werden, wie sich die Gesellschaft auf höchster Ebene organisiert hat, um ein auf Dauer effizientes internes Kontrollsystem zu schaffen.

c) Aktionäre mit bedeutenden Beteiligungen und deren Stimm- und Kontrollrechte sowie wesentliche Vereinbarungen;

d) andere direkte und indirekte Beziehungen zwischen den Inhabern bedeutender Beteiligungen und der Gesellschaft;

e) jedes erhebliche Geschäft mit anderen verbundenen Parteien;

f) Existenz eines Risikomanagementsystems und dessen Art;

g) Verweis auf einen zur Anwendung auf nationaler Ebene vorgesehenen Corporate-Governance-Kodex, den die Gesellschaft befolgt oder in Bezug auf den sie Abweichungen offen legt.

Die Vorlage eines Vorschlags für eine Richtlinie, die die Grundsätze für eine solche jährliche Erklärung zur Corporate Governance (die in den von börsennotierten Gesellschaften jährlich veröffentlichten Unterlagen an hervorgehobener Stelle erscheinen sollte) enthält, sieht die Kommission als kurzfristige Priorität an, damit rasch größerer Marktdruck ausgeübt werden kann. Bei der Definition dieser Grundsätze wird verbundenen, in bestehenden oder vorgeschlagenen Rechtsakten (wie bedeutende Beteiligungen [14] bzw. Übernahmeangebote) enthaltenen Anforderungen in angemessenem Umfang Rechnung getragen werden.

[14] Siehe Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen (Titel IV - Kapitel III "Informationspflicht bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft")

Informationen über die Rolle institutioneller Anleger

Institutionelle Anleger sollten dazu verpflichtet werden,

a) ihre Anlagestrategie und ihre Strategie für die Ausübung von Stimmrechten bei den Gesellschaften, in die sie investieren, offen zu legen;

b) den wirtschaftlichen Inhabern gegenüber auf Verlangen offen zu legen, wie diese Rechte in einem bestimmten Fall genutzt wurden.

Anforderungen dieser Art würden nicht nur bei den institutionellen Anlegern selbst die interne Leitung und Überwachung verbessern, sondern auch deren verstärkte Mitgestaltung der Angelegenheiten der Gesellschaften, in die sie investieren, gewährleisten. Institutionellen Anlegern die Ausübung ihrer Stimmrechte grundsätzlich vorzuschreiben, wird in Anbetracht der möglichen kontraproduktiven Auswirkungen nicht für wünschenswert gehalten (so könnten institutionelle Anleger aus Zeit- oder Ressourcenmangel einem vorgeschlagenen Beschluss nur zustimmen, um ihrer Verpflichtung nachzukommen).

Institutionellen Anlegern kommt in Bezug auf die Leitung und Überwachung der Gesellschaften, in die sie investieren, eine bedeutende Rolle zu. Um diese Rolle zu stärken, muss eine Reihe bestehender Rechtsvorschriften (über Versicherungsgesellschaften, Einrichtungen zur betrieblichen Altersversorgung, offene und andere Investmentfonds usw.) geändert werden. Auch würde die Einführung einer solchen Anforderung nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn die mit der grenzübergreifenden Ausübung von Stimmrechten zusammenhängenden Probleme zwischenzeitlich gelöst würden. Aus diesem Grund will die Kommission hier mittelfristig die notwendigen Schritte einleiten.

3.1.2. Stärkung der Aktionärsrechte

Zugang zu Informationen

Die Aktionäre börsennotierter Gesellschaften sollten die Möglichkeit erhalten, vor den Hauptversammlungen elektronisch auf die einschlägigen Informationen zuzugreifen. Dieses Thema ist auch Gegenstand des derzeitigen Vorschlags für eine Transparenzrichtlinie, die börsennotierten Unternehmen im Wesentlichen die Möglichkeit geben soll, zur Unterrichtung ihrer Aktionäre auf elektronische Hilfsmittel zurückzugreifen [15], und spezielle Bestimmungen enthält, die für den Fall, dass Wertpapiere in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Herkunft notiert sind, den rechtzeitigen Zugang zu den vorgeschriebenen Informationen garantieren [16]. Die Kommission hält dieses Vorgehen für einen wichtigen und angemessenen ersten Schritt, der mittelfristig die Verabschiedung weiterer Maßnahmen (die börsennotierte Gesellschaften generell dazu verpflichten würden, zur Unterrichtung ihrer Aktionäre auf elektronische Hilfsmittel zurückzugreifen) nicht ausschließt, wenn dies unter Berücksichtigung der Umsetzung der Transparenzrichtlinie (die selbst eine Abänderungsklausel enthält) wünschenswert erscheinen sollte.

[15] Der Herkunftsmitgliedstaat kann den Emittenten für die Übermittlung von Informationen an die Aktionäre den Einsatz elektronischer Hilfsmittel gestatten, wenn dies in einer Hauptversammlung beschlossen wird und bestimmte Bedingungen (wie die Einwilligung des betreffenden Aktionärs) erfuellt sind (siehe Artikel 13).

[16] Ein Aufnahmemitgliedstaat kann die Emittenten verpflichten, a) die vorgeschriebenen Informationen auf ihren Internet-Seiten zu veröffentlichen und b) jede interessierte Person unverzüglich und kostenlos über jede neue Offenlegung oder jede Änderung an vorgeschriebenen, bereits veröffentlichten Informationen in Kenntnis zu setzen (siehe Artikel 17).

Andere Aktionärsrechte

Auch die Wahrnehmung einer Reihe anderer Rechte, die den Aktionären in börsennotierten Gesellschaften zustehen, muss verbessert werden (Fragerecht, Recht auf Vorlage von Beschlüssen, Recht auf Briefwahl oder auf die Teilnahme an Hauptversammlungen auf elektronischem Wege). Diese Möglichkeiten sollten den Aktionären EU-weit zur Verfügung stehen, weswegen spezielle Probleme, die mit der grenzübergreifenden Stimmabgabe zusammenhängen, schnellstens gelöst werden sollten. Nach Auffassung der Kommission sollte der erforderliche Rahmen mit Hilfe einer Richtlinie geschaffen werden, da die wirksame Ausübung dieser Rechte die Lösung einer Reihe rechtlicher Probleme voraussetzt. In Anbetracht des großen Nutzens, der von einem solchen Rahmen erwartet wird, sieht die Kommission einen entsprechenden Vorschlag als kurzfristige Priorität an.

Aktionärsdemokratie

Um die Rechte der Aktionäre zu stärken, sollten a) die Aktionäre umfassend über ihre Rechte und die Möglichkeiten ihrer Wahrnehmung aufgeklärt und b) die Hilfsmittel entwickelt werden, die zur Gewährleistung einer wirksamen Ausübung dieser Rechte notwendig sind. Dies steht voll und ganz mit den Corporate-Governance-Prinzipien der OECD in Einklang. [17]

[17] Siehe dazu die entsprechenden Erklärungen über die Offenlegung (wonach Kapitalstrukturen und Vereinbarungen, die bestimmte Aktionäre in die Lage versetzen, ein ihrem Kapitalbesitz unangemessenes Maß an Kontrolle zu gewinnen, offen gelegt werden sollten) und über die Ausübung von Rechten (wonach Aktionäre Gelegenheit haben sollten, tatsächlich an Aktionärshauptversammlungen und deren Abstimmungen teilzunehmen).

Die Kommission ist der Auffassung, dass mittel- bis langfristig Vieles dafür spricht, in der EU auf eine echte Aktionärsdemokratie hinzuarbeiten.. Der bereits erwähnte Vergleich der für die EU relevanten Corporate-Governance-Kodizes hat gezeigt, dass in den meisten Kodizes für den Grundsatz "eine Aktie, eine Stimme" plädiert wird, wenngleich viele von ihnen in diesem Punkt ein gewisses Maß an Flexibilität bevorzugen würden. Die härteste Linie wird in Kodizes vertreten, die von Stellen herausgegeben werden, die mit Anlegern verbunden sind und die der Ausgabe von Aktien mit eingeschränktem oder ohne Stimmrecht eine klare Absage erteilen. Die Kommission stellt jedoch fest, dass jeder Initiative in dieser Richtung, die den von der hochrangigen Expertengruppe in ihrem ersten Bericht zum Thema Übernahmeangebote vertretenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen Kapital und Kontrolle weiter stärkt, eine präzise Untersuchung vorausgehen muss. Die Kommission wird kurz- bis mittelfristig eine Studie zu den Folgen unternehmen, die ein solcher Ansatz mit sich bringen würde.

3.1.3. Modernisierung des Leitungs-/Verwaltungsorgans

Zusammensetzung des Leitungs-/Verwaltungsorgans

In börsennotierten Gesellschaften sollten Entscheidungen in wichtigen Bereichen, in denen sich geschäftsführende Direktoren klar in einem Interessenkonflikt befinden (Entgelte der Direktoren und Beaufsichtigung der Jahresabschlussprüfung) ausschließlich von nicht geschäftsführenden Direktoren oder Aufsichtsräten getroffen werden, die mehrheitlich unabhängig sind. Was die Benennung der durch das nach nationalem Gesellschaftsrecht zuständige Gremium zu bestellenden Direktoren betrifft, sollte die Auswahl der für die Besetzung einer freien Stelle im Leitungs- bzw. Verwaltungsorgan in Frage kommenden Bewerber grundsätzlich einem Gremium übertragen werden, das hauptsächlich aus geschäftsführenden Direktoren besteht, da diese ihr umfassendes Wissen über die künftigen Herausforderungen des Unternehmens und die Fachkenntnisse und Erfahrungen der Mitarbeiter des Unternehmens einbringen können. Doch sollten auch nicht geschäftsführende Direktoren in diesem Gremium vertreten sein und spezielle Schutzvorkehrungen getroffen werden, damit etwaige Interessenkonflikte (etwa wenn ein Beschluss über die Wiederernennung eines Direktors getroffen werden muss) entschärft werden können.

Diese Anforderungen sollten von den Mitgliedstaaten zumindest auf der Grundlage des Prinzips "comply or explain" durchgesetzt werden. Für die Frage, ab wann keine Unabhängigkeit mehr gegeben ist, sollten auf EU-Ebene gewisse Mindeststandards festgelegt werden. Im Hinblick auf die Förderung einer konkreten und aktiven Rolle für nicht geschäftsführende Direktoren oder Aufsichtsräte wird der Frage, wie viele Mandate zugleich gehalten werden können, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Darüber hinaus sollte die Auswirkung von Mandatsverflechtungen auf die Unabhängigkeit von Direktoren adäquat in den zu bestimmenden Mindeststandards angesprochen werden.

Die Kommission betrachtet diese Maßnahmen als Grundvoraussetzung für die Wiederherstellung des Vertrauens in die Märkte und will daher in naher Zukunft eine Empfehlung zu diesem Thema herausgeben.

In dieser Empfehlung werden Mindeststandards für die Einsetzung, die Zusammensetzung und die Rolle der Ausschüsse für die Bestellung, die Entgelte und die Abschlussprüfung festgelegt. Dem Abschlussprüfungsausschuss (oder einem äquivalenten Gremium) wird in Anbetracht der jüngsten Bilanzskandale besonderes Gewicht beigemessen, um die Schlüsselrolle, die er im Bereich der Abschlussprüfung sowohl extern (Auswahl des von den Aktionären zu bestellenden externen Abschlussprüfers, Überwachung des Verhältnisses zu diesem externen Prüfer einschließlich etwaiger Honorare für prüfungsfremde Leistungen) als auch intern (Überprüfung der Bilanzierungsgrundsätze und Überwachung der Innenrevision und des unternehmenseigenen Risikomanagementsystems) spielen sollte, zu stärken [18].

[18] Bei der Entwicklung der auf Prüfungsausschüsse anwendbaren Mindestgrundsätze wird angemessen zu beachten sein: a) der notwendige Zugang zu relevanten Informationen (es könnte Raum sein für spezielle Überlegungen hinsichtlich der Notwendigkeit, Informationsgeber besser rechtlich zu schützen) und b) der Umfang der erwünschten Transparenz in diesen Aktivitäten.

Die hochrangige Expertengruppe empfahl ferner, zumindest börsennotierten Unternehmen in der EU generell die Wahl zwischen einem monistischen System (mit geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Direktoren) und einem dualistischen System (mit Vorständen und Aufsichtsräten) zu lassen. Die Kommission begrüßt den Vorschlag, börsennotierten Gesellschaften zusätzliche organisatorische Freiheiten zuzugestehen, räumt aber ein, dass die Auswirkungen eines solchen Vorschlags gründlich geprüft werden sollten. In diesem Zusammenhang werden viele Lehren aus der Anpassung der nationalen Rechtsvorschriften an die Verordnung und die Richtlinie über das Statut der Europäischen Gesellschaft gezogen werden können. Die Kommission schlägt deshalb vor, diese Empfehlung der hochrangigen Expertengruppe mittelfristig zu befolgen.

Entgelt für die Direktoren

Die Aktionäre sollten die Relation zwischen dem Unternehmensergebnis und der Höhe der Direktorenentgelte sowohl ex ante als auch ex post umfassend einschätzen und Entscheidungen über die an den Aktienkurs gebundenen Komponenten dieser Entgelte fällen können. Die Kommission ist übereinstimmend mit der hochrangigen Expertengruppe der Auffassung, dass für eine angemessene Regelung vier Grundvoraussetzungen erfuellt sein müssen (nämlich Offenlegung der Vergütungsstrategie im Jahresabschluss, detaillierte Offenlegung der Entgelte der einzelnen Direktoren im Jahresabschluss, Vorabgenehmigung von Aktienbezugs- und -bezugsrechtsplänen, an denen die Direktoren teilnehmen, durch die Aktionärsversammlung und angemessene Ausweisung der dem Unternehmen dadurch entstehenden Kosten im Jahresabschluss).

Zur Förderung einer raschen Anwendung einer solchen Regelung, ist auch hier einer Kommissionsempfehlung der Vorzug zu geben. Für die Kommission ist diese Maßnahme eine der Grundvoraussetzungen dafür, das Vertrauen wiederherzustellen. Sie wird deshalb in naher Zukunft eine solche Empfehlung herausgeben und ihre Anwendung aufmerksam überwachen sowie im Hinblick darauf überprüfen, ob auf mittlere Sicht zusätzliche Regulierungsmaßnahmen getroffen werden sollten.

Verantwortung der Direktoren

Um die Verantwortung der Direktoren zu stärken, sollte die kollektive Verantwortung aller Mitglieder des Leitungs- bzw. Verwaltungsorgans für den Jahresabschluss und alle anderen wesentlichen Erklärungen (einschließlich der unter Punkt 3.1.1. erwähnten Erklärung zur Corporate Governance) durch EU-Recht bestätigt werden. Die Kommission ist der Auffassung, dass eine solche Bestätigung in EU-Rahmenbestimmungen einen ersten rasch realisierbaren Schritt darstellt, und will in Kürze die dazu notwendigen Initiativen einleiten.

Die hochrangige Expertengruppe sprach darüber hinaus noch mehrere andere Empfehlungen aus, die die Verantwortung der Direktoren stärken sollen: a) Einführung eines Rechts auf Sonderprüfung, das Aktionäre, die einen gewissen Anteil am Aktienkapital halten, in die Lage versetzen würde, bei einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde eine Sonderprüfung zu beantragen; b) Ausarbeitung einer Regelung über die Konkursverschleppungshaftung, wonach Direktoren persönlich für den Konkurs eines Unternehmens zur Rechenschaft gezogen würden, wenn sie sich bei absehbarer Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens weder zu seiner Rettung und zur Zahlung der ausstehenden Verbindlichkeiten noch zur Konkursanmeldung entschließen; c) EU-weites Verbot der Tätigkeit als Direktor als Strafe für irreführende Unternehmensabschlüsse oder Erklärungen oder sonstige Formen von Fehlverhalten. Die Kommission befürwortet diese Vorschläge, wird aber - da ihre Umsetzung noch weitere Prüfungen erfordert - erst mittelfristig einen entsprechenden Richtlinienvorschlag vorlegen.

3.1.4. Koordinierung der Bemühungen der Mitgliedstaaten um Verbesserung der Corporate Governance

Die Kommission teilt die Ansicht der hochrangigen Expertengruppe, die EU solle die Bemühungen der Mitgliedstaaten, die Corporate Governance mit Hilfe ihres Gesellschaftsrechts, ihres Wertpapierrechts, ihrer Börsenzulassungsvorschriften, Kodizes oder auf anderem Wege zu verbessern, aktiv koordinieren. Jeder Mitgliedstaat sollte insbesondere Fortschritte bei der Festlegung eines zur Anwendung auf nationaler Ebene vorgesehenen Corporate-Governance-Kodex machen, den die seinem Recht unterliegenden börsennotierten Gesellschaften entweder einhalten oder in Bezug auf den sie erklären müssen, inwiefern und weshalb sie davon abweichen. Doch sollte sich die Koordinierung nicht nur auf die Erarbeitung dieser nationalen Kodizes erstrecken, sondern auch die Verfahren einschließen, die die Mitgliedstaaten anwenden, um die Einhaltung des Kodexes und die Offenlegung zu überwachen und durchzusetzen. Die Mitgliedstaaten sollten an dem von der EU vorgegebenen Koordinierungsprozess mitwirken, die Koordinierung selbst sollte aber freiwillig und unverbindlich sein und in großem Umfang Marktteilnehmer einbeziehen.

Die Verfasser der vergleichenden Studie zu den für die EU relevanten Kodizes gelangten vor einem Jahr zu dem Schluss, dass diese Kodizes ein bemerkenswert hohes Maß an Übereinstimmung aufweisen. Doch kann sich dies nach Auffassung der Kommission rasch ändern: so bereiten mehrere Mitgliedstaaten derzeit wichtige Initiativen auf diesem Gebiet vor und wird die EU demnächst zehn neue Mitgliedstaaten aufnehmen. Auch werden Standards in zunehmendem Maße auf internationaler Ebene gesetzt, so dass in den Mitgliedstaaten für eine kohärente Umsetzung gesorgt werden sollte.

Nach Auffassung der Kommission sollte die Koordinierung und Annäherung der nationalen Kodizes deshalb im Rahmen eines europäischen Corporate-Governance-Forums gefördert werden, in dem regelmäßig hochrangige Vertreter zusammenkommen. Diesem Forum, das ein- oder zweimal jährlich zusammentreten könnte, sollen Vertreter der Mitgliedstaaten, europäische Regulierungsinstanzen (einschließlich des AEWRB), Emittenten und Anleger, sonstige Marktteilnehmer und Universitätslehrkräfte angehören. Auch interessierte Mitglieder des Europäischen Parlaments sollen Gelegenheit zur Darlegung ihres Standpunkts erhalten. Den Vorsitz im Forum führt die Kommission.

3.2. Kapitalerhaltung und -änderung

Die vom Rat am 13. Dezember 1976 verabschiedete Zweite Richtlinie über die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals ist einer der Eckpfeiler des europäischen Gesellschaftsrechts. Sie schreibt Aktiengesellschaften einen Mindestnennbetrag vor und enthält eine Reihe detaillierter Bestimmungen zum Schutz der Aktionäre und Gläubiger, die unter anderem das Stadium der Kapitalbildung, Ausschüttungen an Aktionäre, den Erwerb eigener Aktien, Kapitalerhöhungen und Kapitalherabsetzungen betreffen.

1999 legte die SLIM-Gruppe einen Bericht vor, in dem sie zu dem Schluss gelangte, dass die in der Zweiten Richtlinie enthaltenen Bestimmungen zur Kapitalerhaltung in einigen Punkten vereinfacht werden könnten und zu diesem Zweck mehrere Vorschläge vorlegte [19]. Die Diskussionen, die sich an diesen Bericht anschlossen, haben gezeigt, dass die Umsetzung dieser Empfehlungen in vielen Fällen eine eingehendere Prüfung erforderte.

[19] Behandelt wurden im SLIM-Bericht folgende Themen: bedingter Wegfall der Pflicht, Sacheinlagen von einem Sachversändigen bewerten zu lassen, Einführung von Aktien ohne Nennwert, Vereinfachung der Bestimmungen über den Einzug von Aktien, Vereinfachung der Bestimmungen über den Erwerb eigener Aktien, Lockerung des Verbots der finanziellen Unterstützung, Vereinfachung der Bestimmungen über Bezugsrechte.

Die hochrangige Expertengruppe auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts sprach sich für eine weitgehende Umsetzung der Vorschläge der SLIM-Gruppe aus und gab in dieser Hinsicht einige Leitlinien vor. Darüber hinaus legte sie einige zusätzliche Vorschläge zur Modernisierung der Zweiten Richtlinie vor. Eine Vereinfachung der Zweiten Richtlinie auf der Grundlage dieser Vorschläge und Empfehlungen würde nach Auffassung der Kommission wesentlich zur Förderung von Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beitragen, ohne den Aktionärs- und Gläubigerschutz zu verringern. Die Vorlage eines nach diesen Grundsätzen verfassten Vorschlags zur Änderung der Zweiten Richtlinie wird deshalb als kurzfristige Priorität angesehen.

Die hochrangige Expertengruppe vertrat ferner die Auffassung, dass ein angemessener, wenn nicht gar wirksamerer Schutz der Aktionäre und Gläubiger auch durch ein alternatives System erzielt werden könnte, das nicht auf dem Konzept des Mindestnennbetrags beruht und zu einem späteren Zeitpunkt eingeführt werden könnte. Diese Alternative, die in dem Bericht der Gruppe kurz skizziert wird [20], könnte den Mitgliedstaaten wahlweise zur Verfügung gestellt werden, da sie die Möglichkeit haben sollten, frei darüber zu entscheiden, ob sie das alternative System anwenden oder die geänderten Bestimmungen der Zweiten Richtlinie beibehalten wollen.

[20] Bei diesem alternativen System müsste jeder Dividendenzahlung und sonstigen Ausschüttung insbesondere eine Solvenzprüfung vorausgehen.

Bevor über die Einführung eines alternativen Systems, das grundlegend vom derzeitigen Kapitalerhaltungskonzept der Zweiten Richtlinie abweichen würde, entschieden werden kann, muss nach Ansicht der Kommission geklärt werden, wie ein mögliches alternatives System genau aussehen könnte und ob es für Aktionäre und Dritte einen zuverlässigen Schutz bietet. Zu diesem Zweck wird die Kommission mittelfristig eine Studie über die Realisierbarkeit einer Alternative zum Kapitalerhaltungssystem in Auftrag geben. Darin wird insbesondere ermittelt werden müssen, welchen genauen Nutzen ein alternatives System gegenüber den kurzfristig geänderten Bestimmungen der Zweiten Richtlinie böte.

3.3. Unternehmensgruppe und -pyramiden

Die hochrangige Expertengruppe auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts hat darauf hingewiesen, dass Unternehmensgruppen, die heute in den meisten, wenn nicht in allen Mitgliedstaaten an der Tagesordnung sind, zwar als legitime Geschäftsform anzusehen sind, für Aktionäre und Gläubiger aber in mehrerlei Hinsicht mit Risiken verbunden sein können. Die Kommission schließt sich der Empfehlung der Gruppe an, wonach kein neuer Versuch zur Annahme der Neunten Gesellschaftsrechtsrichtlinie über die Beziehungen zwischen miteinander verbundenen Unternehmen [21] unternommen werden muss. Anstatt einen gesonderten Rechtsakt über Unternehmensgruppen zu erlassen, sollten bestimmte Probleme durch gesellschaftsrechtliche Bestimmungen in drei Bereichen gelöst werden.

[21] Im Dezember 1984 legte die Kommission zu Konsultationszwecken den Entwurf einer Neunten Richtlinie über das Verhalten von Gruppen, die eine Aktiengesellschaft als Tochterunternehmen haben, vor. Laut Begründung sollte die Richtlinie einen Rahmen schaffen, der die solide Führung von Unternehmensgruppen ermöglicht und gleichzeitig gewährleistet, dass die Transaktionen der Gruppe den Interessen der Aktionäre nicht zuwiderlaufen. Ein solches Rechtsinstrument, das den besonderen Gegebenheiten von Unternehmensgruppen Rechnung trägt, fehlte nach damaliger Auffassung in den Rechtssystemen der meisten Mitgliedstaaten. Abgesehen von ihrer für alle Aktiengesellschaften geltenden Bestimmung über die Mitteilung und Offenlegung von Kapitalanteilen, sollte die Richtlinie ansonsten nur in Fällen gelten, in denen eine Aktiengesellschaft Tochter eines anderen Unternehmens ist (bei dem es sich ebenfalls um eine Aktiengesellschaft oder um eine natürliche oder andere juristische Person handeln konnte).

Finanz- und andere Informationen

Umfassende Informationen und eine vollständige Offenlegung in Bezug auf Gruppenstruktur und gruppeninterne Beziehungen sind eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Funktionsweise von Gruppen den Interessen von Aktionären und Gläubigern auf den verschiedenen Ebenen nicht zuwiderläuft. Die derzeitigen Bestimmungen der Siebenten Richtlinie über den konsolidierten Abschluss tragen diesen Bedenken insofern nicht ausreichend Rechnung, als der konsolidierte Abschluss keinen Aufschluss über die Finanzlage der einzelnen Teile der Unternehmensgruppe und über den Grad der Abhängigkeit der Tochtergesellschaften von der Mutter gibt.

Der Notwendigkeit besserer Finanz- und sonstiger Informationen über Unternehmensgruppen hat sich zumindest teilweise in einer Reihe von EU-Maßnahmen niedergeschlagen, ob bereits verabschiedet (Erstellung des konsolidierten Abschlusses nach IAS), noch in Beratung (Informationen, die im Rahmen der vorgeschlagenen Dreizehnten Richtlinie vorzulegen sind) oder geplant (Informationen, die in der jährlichen Erklärung zur Corporate Governance vorzulegen sind). Da sich diese Maßnahmen jedoch auf börsennotierte Gesellschaften beschränken, hält die Kommission es für wünschenswert, zusätzliche Initiativen einzuleiten, die bei Gruppen mit einer Muttergesellschaft ohne Börsennotierung die Offenlegung von Finanz- und sonstigen Informationen soweit als nötig verbessern. Da bei der Erhöhung der Transparenz von Unternehmensgruppen - ob börsennotiert oder nicht - der größte Handlungsbedarf gesehen wird, betrachtet die Kommission diese zusätzlichen Initiativen als unmittelbare Priorität.

Abstimmung der Konzernpolitik

Die Mitgliedstaaten sollten verpflichtet werden, eine Rahmenbestimmung für Gruppen einzuführen, wonach die Leitung eines Konzernunternehmens eine abgestimmte Konzernpolitik festlegen und umsetzen darf, sofern die Interessen seiner Gläubiger wirkungsvoll geschützt werden und die Vor- und Nachteile im Lauf der Zeit gerecht auf die Aktionäre des Unternehmens verteilt werden. Die Kommission sieht die Einführung einer solchen Bestimmung als wichtigen Schritt hin zu höherer Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen an, betont aber auch, dass die notwendigen Schutzmaßnahmen sorgfältig geplant werden müssen. Ein Vorschlag für eine entsprechende Rahmenrichtlinie soll deshalb mittelfristig vorgelegt werden.

Unternehmenspyramiden

Unternehmenspyramiden, die von der hochrangigen Expertengruppe als Ketten von Holdinggesellschaften definiert werden, bei denen die eigentliche Kontrolle dank übermäßig vieler Minderheitsaktionäre auf einer insgesamt niedrigen Investition beruht, sind aufgrund ihrer fehlenden Transparenz mit einer Reihe von Problemen verbunden. Nach Ansicht der Kommission würde die Einführung der Pflicht zur jährlichen Veröffentlichung einer Erklärung zur Corporate Governance (wie unter Punkt 3.1.1. vorgeschlagen) zusammen mit dem Erlass der vorgeschlagenen Dreizehnten Richtlinie in dieser Hinsicht einen bedeutenden ersten Fortschritt darstellen.

Als besonders bedenklich bezeichnete die Gruppe Unternehmenspyramiden, in denen auch börsennotierte Unternehmen vertreten sind. Sie empfahl, die nationalen Behörden dazu zu verpflichten, Gesellschaften, die zu missbräuchlichen Pyramiden gehören, nicht zur Börsennotierung zuzulassen. Die Gruppe definierte diese als Holdinggesellschaften, deren Vermögen ausschließlich oder vorwiegend aus einer Beteiligung an anderen börsennotierten Gesellschaften besteht, aber machte eine Ausnahme für Fälle, in denen der wirtschaftliche Wert einer solchen Zulassung eindeutig nachgewiesen wird. Dabei erkannte sie an, dass die Bestimmung, was eine missbräuchliche Pyramide darstellt, weiterer Überlegung bedarf. Die Gruppe schlug ferner vor, die Ersteller von Aktienindizes sollten bei der Gewichtung jedes Unternehmens der freien Schwankung der Kurse angemessen Rechnung tragen.

Die Kommission betrachtet es als notwendig, weitere Untersuchungen hinsichtlich des den missbräuchlichen Pyramiden innewohnenden Risikos anzustellen. Hierbei wird die Kommission der Notwendigkeit Rechnung tragen, übermäßige Einschränkungen der Freiheit der Unternehmen, eine angemessene Organisationsform zu wählen, zu vermeiden. Die Kommission will daher hierzu den Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden konsultieren (AEWRB).

3.4. Unternehmensumstrukturierung und -mobilität

Angesichts der wachsenden Integration des Binnenmarkts tätigen die Unternehmen ihre Geschäfte innerhalb der Europäischen Union zunehmend grenzübergreifend. Um ihre Struktur mit diesen Tätigkeiten in Einklang bringen zu können, haben die europäischen Unternehmen wiederholt die Verabschiedung von Rechtsakten gefordert, die ihrem Bedarf an Zusammenschlüssen zwischen Unternehmen aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten und der Notwendigkeit der Verlegung ihres Sitzes von einem Mitgliedstaat in einen anderen Rechnung tragen.

Die Kommission will in Kürze einen neuen Vorschlag für eine Zehnte Richtlinie über grenzübergreifende Unternehmenszusammenschlüsse [22] und einen Vorschlag für eine Vierzehnte Richtlinie über die Verlegung des Gesellschaftssitzes von einem Mitgliedstaat in einen anderen [23] vorlegen. In beiden Vorschlägen wird sich das Problem der Struktur des Leitungs- bzw. Verwaltungsorgans und der Arbeitnehmermitbestimmung stellen. Die Kommission begrüßt in diesem Zusammenhang die Verabschiedung des Statuts der Europäischen Gesellschaft im Oktober 2001, das für die Lösung ähnlicher Probleme in der Zehnten und Vierzehnten Richtlinie vielversprechende Aussichten eröffnet. Abgesehen von diesen gesellschaftsrechtlichen Auswirkungen von Unternehmensrestrukturierung und Unternehmensmobilität, die von der vorliegenden Mitteilung abgedeckt werden, werden auch deren soziale Auswirkungen in anderen Kommissionsinitiativen berücksichtigt (diese sozialen Auswirkungen werden angesprochen in dem Mehrjährigen Arbeitsprogramm der Sozialpartner 2003-2005).

[22] Wenngleich die Rechtsvorschriften einiger Mitgliedstaaten Unternehmen aus diesen Staaten nicht daran hindern, ein Unternehmen aus einem anderen Mitgliedstaat zu übernehmen oder sich durch Fusion mit einem Unternehmen, das seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, an der Gründung einer neuen Gesellschaft zu beteiligen, bleibt diese Möglichkeit doch auf Unternehmen beschränkt, in deren Sitzmitgliedstaaten derartige Transaktionen ebenfalls zulässig sind. Eine Lösung für diese Probleme bietet das Statut der Europäischen Gesellschaft (wonach die Gründung einer Europäischen Gesellschaft unter anderem durch Zusammenschluss zweier oder mehrerer Aktiengesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten erfolgen kann). Da Unternehmen jedoch a) unter Umständen grenzübergreifend fusionieren möchten, ohne eine Europäische Gesellschaft zu gründen oder b) es sich bei den grenzübergreifend fusionierenden Unternehmen möglicherweise nicht um Aktiengesellschaften handelt, sollte trotzdem ein Vorschlag für eine Zehnte Richtlinie vorgelegt werden.

[23] Da für die grenzübergreifende Sitzverlegung keine Rechtsvorschriften bestehen, ist ein solcher Schritt derzeit unmöglich oder zumindest mit komplizierten rechtlichen Vereinbarungen verbunden. Dies ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten nicht die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen. Ist eine Verlegung aufgrund gleichzeitig geltender nationaler Rechtsvorschriften möglich, so kommt es wegen der unterschiedlichen Anknüpfungskriterien der Mitgliedstaaten häufig zu einer Kollision dieser Rechtsvorschriften. Um die Niederlassungsfreiheit im Sinne des EG-Vertrags zu verwirklichen, muss auf diesem Gebiet eine Legislativinitiative eingeleitet werden.

Die anderen Empfehlungen, die die hochrangige Expertengruppe in Bezug auf Umstrukturierungsmaßnahmen aussprach, lassen sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen: a) einige der derzeitigen Anforderungen der Dritten (Verschmelzung von Aktiengesellschaften) und der Sechsten Richtlinie (Spaltung von Aktiengesellschaften) sollten in bestimmten Fällen, in denen sie sich als überfluessig erweisen, gelockert werden; b) die Mitgliedstaaten sollten verpflichtet werden, zumindest für börsennotierte Gesellschaften ab einer gewissen Schwelle das Recht auf Squeeze-out (für Mehrheitsaktionäre) und Sell-out (für Minderheitsaktionäre) einzuführen. Mit der Einführung dieser Rechte würden vergleichbare Bestimmungen, die bereits im Vorschlag für eine Dreizehnte Richtlinie über Übernahmeangebote enthalten sind, ergänzt.

Die Kommission hält die Vereinfachung von Umstrukturierungsmaßnahmen, wie sie mit der vorgeschlagenen Lockerung einiger Anforderungen der Dritten und Sechsten Richtlinie angestrebt wird, für wünschenswert, sofern dabei für die notwendigen Schutzvorkehrungen gesorgt ist. Die Kommission stellt fest, dass die Gruppe diese Vereinfachung nicht als unmittelbare Priorität ansieht, und wird die notwendigen Maßnahmen deshalb mittelfristig einleiten.

Was die von der hochrangigen Expertengruppe in ihrem Kapitel über die Restrukturierung vorgeschlagene Einführung von Squeeze-out- und Sell-out-Rechten betrifft, stellt die Kommission fest, dass die gleichen Ziele auch mit einer der Empfehlungen der SLIM-Gruppe zur Vereinfachung der Zweiten Richtlinie verfolgt werden, die von der hochrangigen Expertengruppe befürwortet wurde. Die Kommission will die Möglichkeit der Einführung dieser Rechte daher bei der Modernisierung der Zweiten Richtlinie prüfen, die sie als kurzfristige Priorität ansieht.

3.5. Die Europäische Privatgesellschaft

In ihrem Bericht stellte die hochrangige Expertengruppe insbesondere mit Blick auf die KMU fest, dass die im Oktober 2001 aus der Taufe gehobene Societas Europaea (SE) unter Umständen nicht alle Erwartungen der Unternehmen erfuellt und verwies in diesem Zusammenhang auf die private Initiative zur Schaffung einer "Europäischen Privatgesellschaft" (EPG), die als neue Rechtsform in der EU in erster Linie KMU nützen würde, die in mehr als einem Mitgliedstaat tätig sind. Diese Idee stieß nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern auch beim Wirtschafts- und Sozialausschuss auf breites Interesse und breite Unterstützung. Die Einführung einer solchen Gesellschaftsform ist in den Augen Vieler leichter realisierbar als das Statut der Europäischen Gesellschaft.

Oberste Priorität sollte nach Auffassung der Gruppe allerdings der Verabschiedung der Zehnten Richtlinie über grenzübergreifende Unternehmenszusammenschlüsse zukommen, mit der einer der mit der EPG verfolgten Zwecke erfuellt werden dürfte. Aus diesem Grund und in Anbetracht einer Reihe noch offener Fragen (z. B. in Bezug auf Steuern und Mitbestimmung) empfahl die Gruppe, die Kommission solle - bevor sie sich zur Vorlage eines förmlichen Vorschlags entschließt - eine Durchführbarkeitsstudie in Auftrag geben, in der der praktische Nutzen der Einführung eines EPG-Statuts klar nachgewiesen und die damit zusammenhängenden Probleme ermittelt werden.

Die Gruppe schlug vor, diese Studie mittelfristig, d.h. nach Verabschiedung der Zehnten Richtlinie in Auftrag zu geben. Die Kommission ist jedoch der Auffassung, dass sich der praktische Nutzen der Einführung eines EPG-Statuts und die damit verbundenen Probleme größtenteils unabhängig davon ermitteln lassen, ob bei der Zehnten Richtlinie die erhofften Fortschritte erzielt werden. Die Kommission wird die Durchführbarkeitsstudie deshalb in naher Zukunft einleiten und die Vorlage eines Vorschlags für ein EPG-Statut (sollte die Durchführbarkeitsstudie dessen Notwendigkeit bestätigen) mittelfristig ins Auge fassen. Ziel dieser Studie ist es, die Vor- und Nachteile eines möglichen europäischen Statuts für kleine und mittlere Unternehmen, das die grenzübergreifende Tätigkeit erleichtern soll, zu bewerten. Aus diesem Grund sollte sie eine eingehende Analyse der rechtlichen, steuerlichen und sozialen Rahmenbedingungen für KMU in allen 25 Mitgliedstaaten der erweiterten Union enthalten.

3.6. Die Europäische Genossenschaft und andere EU Rechtsformen für Unternehmen

Im vergangenen Jahr nahm der Rat allgemeine Leitlinien zum Vorschlag für eine Verordnung über das Statut der Europäischen Genossenschaft (Societas Cooperativa Europaea - SCE) an. Das Europäische Parlament und der Rat prüfen derzeit Vorschläge für ein Statut des Europäischen Vereins und der Europäischen Gegenseitigkeitsgesellschaft. Die Kommission stellt fest, dass diese Statute in den meisten Antworten, die auf die von der hochrangigen Gruppe organisierte Konsultation eingegangen sind, als nützlich bezeichnet wurden.

Die Kommission will den derzeitigen Legislativprozess in diesem Bereich aktiv unterstützen und entspricht damit dem ausdrücklichen Wunsch des Europäischen Parlaments, der Entwicklung neuer europäischer Rechtsformen für Gesellschaften große Beachtung zu schenken. Die Verabschiedung der Verordnung über die Europäische Genossenschaft durch den Rat steht hoffentlich unmittelbar bevor, während die Diskussionen über den Vorschlag für einen Europäischen Verein im Rat mit unvermindertem Tempo weitergehen. Sobald zu diesem Vorschlag eine Einigung erzielt ist, wird dem Vorschlag für eine Europäische Gegenseitigkeitsgesellschaft die notwendige Aufmerksamkeit zuteil werden.

Was die mögliche Ausarbeitung eines Vorschlags für eine Verordnung über die Europäische Stiftung betrifft, will die Kommission - bevor sie sich zur Vorlage eines Vorschlags entschließt - eine Studie in Auftrag geben, in der die Realisierbarkeit eines solchen Statuts eingehend geprüft werden soll. Bei dieser Prüfung wird berücksichtigt werden müssen, welche Lehren aus der Verabschiedung und Anwendung der anderen europäischen Statute gezogen werden. Dieses Vorhaben sollte deshalb mittelfristig ins Auge gefasst werden.

3.7 Verbesserte Transparenz von nationalen Unternehmensrechtsformen

Für alle juristischen Personen mit begrenzter Haftung müssen erhöhte Offenlegungsanforderungen festgelegt werden, um der Notwendigkeit Rechnung zu tragen a) weiterhin einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten [24] und b) das Gesellschaftsrecht davor zu schützen, zu Betrug, Terrorismus oder anderen kriminellen Zwecken missbraucht zu werden [25]. Die Kommission ist entschlossen, dieser Notwendigkeit Rechnung zu tragen, doch bedürfen Geltungsbereich und Art dieser Empfehlung einer eingehenderen Prüfung. In Anbetracht der zahlreichen anderen Prioritäten werden die in diesem Zusammenhang notwendigen Maßnahmen mittelfristig eingeleitet.

[24] DIE ERSTE GESELLSCHAFTSRECHTLICHE RICHTLINIE, DIE GRUNDLEGENDE OFFENLEGUNGSERFORDERNISSE ENTHÄLT (GESELLSCHAFTEN MÜSSEN EINE REIHE VON DOKUMENTEN UND EINZELHEITEN BEI EINEM REGISTER HINTERLEGEN UND INTERESSIERTE PARTEIEN KÖNNEN HIERVON KOPIEN ERHALTEN), FINDET NUR ANWENDUNG AUF GESELLSCHAFTEN, DEREN HAFTUNG BESCHRÄNKT IST, UND NICHT AUF EINE REIHE ALTERNATIVER GESELLSCHAFTSRECHTSFORMEN. DIE SCHAFFUNG EINES RAHMENWERKES ZUR OFFENLEGUNG VON GRUNDDATEN ZU ANDEREN RECHTSSUBJEKTEN, DIE SICH WIRTSCHAFTLICH BETÄTIGEN, WIRD DAHER ALS NÜTZLICHES MITTEL ANGESEHEN, UM DEN HANDEL UND WETTBEWERB IM BINNENMARKT ZU STÄRKEN.

[25] SIEHE HIERZU DIE STUDIE "TRANSPARENCY AND MONEY LAUNDERING: A STUDY OF THE REGULATION AND ITS IMPLEMENTATION, IN THE EU MEMBER STATES, THAT OBSTRUCT ANTI-MONEY LAUNDERING INTERNATIONAL CO-OPERATION (BANKING/FINANCIAL AND CORPORATE/COMPANY REGULATIVE FIELDS)", DIE DER KOMMISSION IM OKTOBER 2001 VOM TRANSCRIME INSTITUTE (UNIVERSTIÄT TRENTO, ITALIEN) VORGELEGT WURDE. DIESE STUDIE, DIE DER SCHLUSSFOLGERUNG NR. 58 DES EUROPÄISCHEN RATES BEI SEINEM SONDERGIPFEL 1999 IN TAMPERE UND DEM GEMEINSAMEN RAT ECOFIN/JAI IM OKTOBER 2000 FOLGEND IN AUFTRAG GEGEBEN WURDE, ENTHÄLT EINE REIHE VON EMPFEHLUNGEN ZUR ERHÖHUNG DER TRANSPARENZ VON GESELLSCHAFTEN MIT BESCHRÄNKTER HAFTUNG UND ANDERER GESELLSCHAFTEN (WIE TREUHANDGESELLSCHAFTEN).

4. SCHLUSSFOLGERUNG

In dieser Mitteilung wird dargelegt, warum die Rahmenbedingungen für Gesellschaftsrecht und Corporate Governance in Europa modernisiert werden müssen. Sie setzt die wichtigsten politischen Ziele, die jede künftige Maßnahme, die auf EU-Ebene in diesen Bereichen getroffen wird, leiten sollten, und enthält einen nach Prioritäten gestaffelten Aktionsplan mit den auf kurze, mittlere und lange Sicht notwendigen Maßnahmen. Sie bestimmt ferner, welche Art von Rechtsinstrument eingesetzt werden sollte und gibt einen zeitlichen Rahmen für deren Realisierung vor.

Die Kommission kommt mit dieser Mitteilung der Aufforderung des Europäischen Rates von Brüssel nach, der in seinen Schlussfolgerungen vom 20. und 21. März 2003 die Annahme eines Aktionsplans für Gesellschaftsrecht und Corporate Governance gefordert hatte. Sie richtet die Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat und leitet sie ebenfalls an den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen weiter.

Interessierte Kreise werden aufgefordert, bis zum 31. August 2003 zu dieser Mitteilung Stellung zu nehmen und ihre Beiträge zu richten an: GD MARKT G3, Europäische Kommission, B-1049 Brüssel (E-mail: Markt-COMPLAW@cec.eu.int).

Die Kommission wird eine Zusammenfassung aller eingegangenen Antworten veröffentlichen und diese Beiträge bei der Umsetzung dieses Aktionsplans angemessen in Erwägung ziehen.

ANHANG 1

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

ANHANG 2 Bestehende und vorgeschlagene EU-Rechtsinstrumente im Bereich des Gesellschaftsrechts

Bestehende Rechtsinstrumente

VERORDNUNGEN

Titel // Fundstelle

Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) // [1985] ABl. L 199/1

Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) ergänzt durch Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer // [2001] ABl. L 294/1 [2001] ABl. L 294/22

Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards // [2002] ABl. L 243/1

RICHTLINIEN

Titel // Fundstelle

Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten // [1968] ABl. L 65/8

Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten // [1977] ABl. L 26/1

Dritte Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften // [1978] ABl. L 295/36

Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen // [1978] ABl. L 222/11

Sechste Richtlinie 82/891/EWG des Rates vom 17. Dezember 1982 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften // [1982] ABl. L 378/47

Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluss // [1983] ABl. L 193/1

Achte Richtlinie 84/253/EWG des Rates vom 10. April 1984 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen // [1984] ABl. L 126/20

Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen // [1989] OJ L 395/36

Zwölfte Richtlinie 89/667/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter // [1989] ABl. L 395/40

EMPFEHLUNGEN

Titel // Fundstelle

Empfehlung (2001/256/EG) der Kommission vom 15. November 2000 Mindestanforderungen an Qualitätssicherungssysteme für die Abschlussprüfung in der EU // [2001] ABl. L 91/91

Empfehlung (2001/453/EG) der Kommission vom 30. Mai 2001 zur Berücksichtigung von Umweltaspekten in Jahresabschluss und Lagebericht von Unternehmen: Ausweis, Bewertung und Offenlegung // [2001] ABl. L 156/33

Empfehlung (2002/590/EC) der Kommission vom 16. Mai 2002 - Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU - Grundprinzipien " // [2002] ABl. L 191/22

Vorgeschlagene Rechtsinstrumente

VERORDNUNGEN

Titel // Fundstelle

Geänderter Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über das Statut des Europäischen Vereins // [1993] ABl. C 236/1

Geänderter Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über das Statut der Europäischen Genossenschaft // [1993] ABl. C 236/17

Geänderter Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über das Statut der Europäischen Gegenseitigkeitsgesellschaft // [1993] ABl. C 236/40

RICHTLINIEN

Titel // Fundstelle

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen: KOM(2002) 279 endg. // [2002] ABl. C 227/377

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Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Übernahmeangebote: KOM(2002) 534 endg. // [2003] ABl. C 45 E/1

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