Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52001IE0922

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Auswirkungen der Unterschiede bei den Verkehrssteuern und -abgaben zwischen den EU-Mitgliedstaaten auf die Wettbewerbsfähigkeit des Kraftverkehrs"

    ABl. C 260 vom 17.9.2001, p. 24–29 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    52001IE0922

    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Auswirkungen der Unterschiede bei den Verkehrssteuern und -abgaben zwischen den EU-Mitgliedstaaten auf die Wettbewerbsfähigkeit des Kraftverkehrs"

    Amtsblatt Nr. C 260 vom 17/09/2001 S. 0024 - 0029


    Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Auswirkungen der Unterschiede bei den Verkehrssteuern und -abgaben zwischen den EU-Mitgliedstaaten auf die Wettbewerbsfähigkeit des Kraftverkehrs"

    (2001/C 260/03)

    Der Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss auf seiner Plenartagung am 19. Oktober 2000, gemäß Artikel 23 Absatz 3 seiner Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu dem vorgenannten Thema abzugeben.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 6. Juni 2001 an. Berichterstatter war Herr Tosh.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 383. Plenartagung am 11. und 12. Juli 2001 (Sitzung vom 11. Juli) einstimmig folgende Stellungnahme.

    1. Einleitung

    1.1. Der Ausschuss ist besorgt über die derzeit bestehenden Unterschiede bei den einzelstaatlichen Regelungen für die Besteuerung und Zulassung von Fahrzeugen sowie über Infrastrukturnutzungsgebühren und -abgaben. Es ist festzustellen, dass diese Unterschiede bei der Direktbesteuerung des Verkehrsbetriebs im Verbund mit derzeit 15 verschiedenen Arbeitsmarktregelungen und 15 Gesamtbesteuerungsrechnungen die Transportkosten (insbesondere im Güterstraßentransport) äußerst unterschiedlich gestalten. Die Unterschiede sind dermaßen groß, dass es unvermeidlich zu regionalen Verzerrungen kommt, die die Wirksamkeit von EU-Maßnahmen beeinträchtigen und die Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes behindern könnten. Für einen Abbau der Wettbewerbsverzerrungen ist nach Ansicht des Ausschusses eine grundlegendere Harmonisierung erforderlich.

    1.2. Verkehr ist ein Produktionsfaktor, der die nationalen Grenzen überschreitet. Deswegen können sich die Verkehrsbetreiber auch auf den offenen EU-Markt begeben. Einige EU-Regelungen über zulässige Gewichte von Fahrzeugen und über Lenkzeiten haben mit zur Herbeiführung einer größeren Bedingungsgleichheit beigetragen(1).

    1.3. Die Verkehrsträger und ihre Infrastruktur sind hinsichtlich ihrer sektorübergreifenden Reichweite und Auswirkung auf die Produktivität der Gemeinschaft mit dem Finanz-, Energie- und Telekommunikationsbereich vergleichbar. Die Transportkosten der Industrie belaufen sich normalerweise auf 3-9 % der Produktionskosten gegenüber 1-6 % an Energie- und Telekommunikationskosten. Die Transportkosten von Privatpersonen betragen durchschnittlich 6 % ihres Nettoeinkommens, was die Bedeutung dieses Kostenfaktors für Mobilität in Bezug auf Arbeit und Freizeit deutlich macht.

    1.4. Die jüngsten heftigen Reaktionen von Interessengruppen des Verkehrsbereichs in ganz Europa auf die Kraftstoffkrise haben den Grad der Existenzängste aufgezeigt. Der WSA möchte die wesentlichen Aspekte der Diskussion beleuchten und der Frage nachgehen, ob ein Vorgehen auf EU-Ebene angemessen oder erforderlich ist. Die Preissprünge auf der Kraftstoffangebotsseite, die sowohl auf die schwankenden Ölpreise und deren Fixing auf Dollarbasis zurückzuführen sind, sowie die Verengung der Gesamtlieferzeitschemen im Zusammenhang mit Just-in-time-Lieferung und E-Wirtschaft haben diese Tendenzen verschärft. Durch den offenen Markt ist der Schutzfaktor der "guten alten" strategischen Reserve in der Transportkette und in den Transportsystemen verloren gegangen.

    1.5. Die Mitgliedstaaten haben jeweils ihre eigenen Steuersysteme. In diesem Zusammenhang kann der WSA lediglich auf die Wettbewerbsaspekte der unterschiedlichen Besteuerungssysteme hinweisen. Soweit jedoch innergemeinschaftliche Verzerrungen im Spiel sind, sollte der Ausschuss seine Besorgnis zum Ausdruck bringen. Ein eindeutiges Beispiel dafür ist die von den Finanzministern häufig vertretene Meinung, dass hohe Mineralölsteuern ein Mechanismus sind, um ein maßvolles Verkehrsverhalten herbeizuführen und ökologisch motivierte Emissionsziele zu erreichen. Ergänzend hierzu müsste es jedoch eine transparente Zuweisung von finanziellen Zuwendungen geben beispielsweise für Verkehrsinfrastruktur, Initiativen zur besseren verkehrsmäßigen Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes oder Umweltreformen.

    1.6. Die unlautere oder missbräuchliche Nutzung von Unterschieden, beispielsweise in Form der Mitführung von mehr als der zulässigen Hoechstmenge an Dieselkraftstoff und der Umstieg auf "Billigflaggen" durch Verkehrsbetreiber sind andere unliebsame Erscheinungen.

    1.7. In der vorliegenden Stellungnahme geht es schwerpunktmäßig um den Güterkraftverkehrssektor. In der Europäischen Union ist die Straße inzwischen zum beherrschenden Verkehrsträger geworden. Das Güterkraftverkehrsaufkommen hat sich in Westeuropa seit 1970 fast verdreifacht. Von 1990 bis 1995 wuchs das Güterstraßentransportvolumen in Westeuropa um 24 %, während das Wirtschaftswachstum lediglich 4 % betrug. Diese Tendenzen werden anhalten, und Frankreich, Deutschland und Italien erwarten jeweils einen 30-50 %-igen Zuwachs in der Zeit von 1995-2010.

    1.8. In dieser Stellungnahme werden nur die Kostenunterschiede zwischen den Ländern betrachtet, die auf Unterschiede bei den verkehrsbezogenen Steuern und Abgaben zurückzuführen sind, die nach wie vor ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit zwischen einzelstaatlichen Kraftverkehrsunternehmern, die jeweils auf den Märkten ihrer EU-Konkurrenz aktiv sind, darstellt(2). Die Stellungnahme lässt hingegen die Einfluesse marktbedingter Unterschiede bei den Verkehrskosten außer Betracht. Sozial- und arbeitsrechtliche Aspekte sowie indirekte Steuern etwa bezüglich der Löhne und Sozialabgaben könnten eine Nichtkonkurrenzfähigkeit noch verschärfen, gehen aber über den Betrachtungsrahmen der vorliegenden Stellungnahme hinaus(3). Die Stellungnahme geht aber auch nicht auf die sozialen Zusatzkosten ein (Umweltverschmutzung, Lärmbelastung, Überlastung und Beschädigung der Infrastruktur), die durch die intensivere Verkehrsdienstleistungserbringung verursacht werden(4). Die Beschäftigung mit den nichtnachhaltigen Tendenzen im Verkehrsbereich ist ein wesentlicher Aspekt der Strategie der Europäischen Union für eine nachhaltige Entwicklung(5).

    2. Verkehrsspezifische Steuern und Abgaben

    2.1. Die verkehrsspezifischen Steuern und Abgaben gliedern sich in folgende Kategorien:

    - Kfz-Besteuerung: jährlich fällige Kfz-Steuer(6). Kfz-Steuern werden in allen EU-Mitgliedstaaten erhoben und werden in manchen Fällen nach Art des Personen- oder Lastkraftwagens finanziert;

    - Mineralölbesteuerung: Verbrauchsteuer auf Mineralölerzeugnisse mitunter nach Kraftstoffart differenziert;

    - direkte Gebührenerhebung für die Nutzung von Infrastruktur: Am Benutzungspunkt zu entrichten, überwiegend bei Autobahnen und auch bei Einzelpassagen wie Brücken und Tunneln.

    2.2. Die Studie der Arbeitsgruppe Straßenverkehr des Stellvertreterausschusses der Europäischen Verkehrsministerkonferenz vom April 1999(7), die als aktuellste und umfassendste Analyse zur Verfügung stand, verglich die Verhältnisse in Österreich, Deutschland, Spanien, Frankreich, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich, der Schweiz und Ungarn und untersuchte die Vielschichtigkeit der Besteuerungssysteme. Um ein paar Beispiele zu nennen:

    - Alle acht Länder erheben Mineralöl- oder Energieverbrauchsteuer wie z. B. eine Dieselabgabe.

    - Einige Länder erheben pauschale Benutzungsgebühren, wie etwa Mautgebühren.

    - Einige stützen sich auf örtliche Besteuerungen wie etwa einzelstaatliche Zulassungsgebühren und

    - einige Länder operieren mit variablen Benutzerabgaben.

    Der Ausschuss bedauert, dass es keine Vergleichszahlen für alle Mitgliedstaaten sowie die sonstigen europäischen Länder gibt, und möchte die Kommission auffordern, in einer künftigen Studie umfassendere Daten vorzulegen.

    2.3. Wegen der Variationsbreite der Besteuerungssysteme ist es unmöglich, konkrete Steuervergleiche anzustellen. Aus dem gleichen Grund lassen sich auch keine Schlüsse über Einnahmenüberschüsse oder -defizite im Vergleich zu den Infrastrukturausgaben ziehen.

    2.4. Zum 15. September 1998 betrugen die Mineralölsteuern im Vereinigten Königreich 250 % der Besteuerung in Spanien, während das Vereinigte Königreich gemeinsam mit Frankreich den niedrigsten Basispreis für Mineralölerzeugnisse aufwies. Der britische Steuersatz in Prozent des Preises vor Steuern gerechnet betrug 300 % des in Österreich geltenden Satzes und 240 % des rangnächsten Landes Frankreich. Diese abstrakte Bezugnahme ist natürlich willkürlich, während der Zusammenhang anderer einzelstaatlicher Steuerkosten und Kraftstoffkosten ebenso wichtig ist wie die Anerkennung der Realität im Handelsgeschehen, dass das Kaufgeschäft nationale Grenzen überschreitet.

    2.5. Die Studie gibt Aufschluss über das territoriale Gefüge und stellt die unterschiedlichen Charakteristiken der Steuergrundlage in den verschiedenen Staaten heraus. Das System des Vereinigten Königreichs basiert im Wesentlichen auf der Fahrzeugbesteuerung und ist somit herkunftslandbezogen, während Spanien und Frankreich diesbezüglich mehr "territorial" ausgerichtet sind und sich auf Direktbesteuerung stützen.

    2.6. Die Gesamtbesteuerung auf Tonnenkilometer bezogen zeigt, dass das Vereinigte Königreich bei den gesamten Steuereinnahmen das Feld der untersuchten Mitgliedstaaten anführt, mit einem Aufkommen, das die Erträge des letzten Staates in dieser Untersuchungsreihe - sprich Österreich - um 230 % übersteigt. Frankreich und das Vereinigte Königreich stehen (mit 200 %) bei der Anwendung gemischter Steuersätze gegenüber den anderen untersuchten Ländern deutlich an der Spitze.

    2.7. Andererseits sind die Kosten anderer Produktionsfaktoren, vor allem der Faktor Arbeit, unter den EU-Mitgliedstaaten im Vereinigten Königreich am niedrigsten, und Frankreich und die Niederlande stehen mit jeweils 150 % an der Spitze.

    2.8. Schließlich vergleicht die Studie die verschiedenen gemischten effektiven Grenzsteuersätze, die sich aus geltenden Steuersätzen für die einzelnen Produktionsfaktoren - Arbeit, Kapital und Gesamtgrenzkosten - zusammensetzen. Dieser gewichtete gemischte effektive Grenzsteuersatz für straßenbezogene Verkehrsdienste sieht das Vereinigte Königreich und Frankreich mit 45 % an der Spitze des Feldes, während die Niederlande bei 32 % und die Schweiz bei 28 % liegen.

    2.9. Die in der Studie vorgenommene Betrachtung des Verhältnisses bzw. des Saldos zwischen Straßen- und Schienenverkehrsinfrastrukturinvestitionen und -einnahmen zeigt, dass einige Länder wie etwa Österreich und die Niederlande hohe Überschüsse bis zu 160 % der Infrastrukturaufwendungen in die allgemeinen Steuereinnahmen übertragen, um andere Wirtschaftsbereiche zu subventionieren, während Frankreich und Deutschland diesbezüglich einen Nullsaldo aufweisen oder Infrastrukturaufwendungen nur geringfügig subventionieren. Erwähnenswert sind außerdem der starke Verzerrungseffekt bedingt durch die generelle Unterlassung der Einrechnung der Grenzkosten wie etwa Stauungskosten und Unfallfolgekosten, eine Praxis, der ein gewisser versteckter Subventionierungseffekt zugeschrieben werden kann, die letztlich diese Vergleiche verfälscht.

    2.10. Der für Bruttoumbuchungen korrigierte gemischte effektive Grenzsteuersatz hat zwar Hinweischarakter, lässt aber keine Schlussfolgerungen zu. Die Kosten werden zwar in Abzug gebracht, aber nicht alle Grenzkosten. Die Bandbreite der Steuersätze ist äußerst unterschiedlich, wobei das Vereinigte Königreich, Deutschland und Frankreich mit einem Steuerniveau von 40 % an der Spitze stehen und Österreich mit 17 % am Ende der Skala rangiert.

    2.11. Die ersten Schlussfolgerungen dieser CEMT-Studie kommen zu dem Ergebnis, dass der gemischte effektive Grenzsteuersatz gewissermaßen wie ein Spiegel fungiert und Unterschiede aufzeigt und

    (a) den Kostenanteil der Produktionsfaktoren für die einzelnen Verkehrsträger und

    (b) die für die verschiedenen Produktionsfaktoren (in den einzelnen Ländern) geltenden verschiedenen Steuersätze

    miteinander kombiniert.

    2.12. Die Studie kommt eindeutig zu dem Schluss, dass

    - für den Verkehrsträger Straße die Parameter (a) und (b) in einem umgekehrten Verhältnis stehen - d. h. der höchste Steuersatz gilt für den Einsatzfaktor mit dem geringsten Kostenanteil. Beim Verkehrsträger Schiene ist dies nicht der Fall, da dort bedingt durch die Elektrifizierung nur eine geringe Energiebesteuerung anfällt und die Besteuerung des Faktors Arbeit im Vordergrund steht;

    - die Kraftstoff- oder Energiesteuersätze geben nicht genügend her für die Feststellung von Unterschieden bei den Straßen- und Schienentransportkosten zwischen den einzelnen Ländern;

    - die Kostendaten, aus denen Unterschiede bei den Transfers zwischen Straße und Schiene zu ersehen sind, müssen sämtliche sozialen Grenzkosten einschließlich der externen Kosten widerspiegeln, um überhaupt für einen Vergleich zu taugen. Durch die Verwendung des gemischten effektiven Grenzsteuersatzes als Parameter für positive und negative Steuerübertragung werden diese Berechnungen unscharf.

    2.13. Die vorstehende Zusammenfassung wird der Studie nicht voll gerecht, verdeutlicht indes die Komplexität der Steuersysteme und Ausgabenstrukturen im Bereich der Verkehrsbesteuerung und zeigt zumal die Unterschiedlichkeit bei der Verwendung der Steuereinnahmen, der Infrastrukturausgaben und der Verkehrspolitik.

    2.14. Der durchschnittliche Anteil der verschiedenen Steuern und Abgaben am Gesamtertrag an Kraftverkehrssteuern und -abgaben sah für die EU-Mitgliedstaaten und die Schweiz folgendermaßen aus(8): Kfz-Steuer: 25 %; Mineralölsteuer: 70 % und Straßenbenutzungsgebühren 5 %. Die Größenordnung und der Anteil dieser Abgaben sind jedoch von Land zu Land sehr unterschiedlich(9). Wegen dieser Unterschiede zwischen den Ländern bezüglich der Anlastungsstruktur sind auch die Verkehrskosten in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten(10) sehr unterschiedlich - und zwar sowohl hinsichtlich der Gesamtkosten als auch bezüglich der einzelnen Kostenkomponenten.

    2.15. Wegen dieser Verzerrungen des Kostenbildes tendieren Güterkraftverkehrsunternehmer dazu, sich dort niederzulassen, wo die Kosten am niedrigsten sind, und dort zu tanken, wo Kraftstoff am billigsten ist. Diese Verzerrungen des Verkehrsmarktes verdeutlichen die Notwendigkeit einer Vereinheitlichung der Straßenverkehrssteuern und -gebühren, um eine größere Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Mitgliedstaaten bei der Erbringung von Verkehrsdienstleistungen herbeizuführen.

    3. Ein anschauliches Beispiel

    3.1.

    >PLATZ FÜR EINE TABELLE>

    3.2. In beiden Ländern werden quasi keine Straßenbenutzungsgebühren erhoben. Es liegt auf der Hand, dass die unterschiedlichen Steuerbelastungen die Verkehrsbetreiber zu der Überlegung veranlassen, in welchem Staat sie ihre Fahrzeuge zulassen, wenngleich es nicht nur darum geht, sich im kostengünstigsten Land eintragen zu lassen. Um dies zu erreichen müsste der Verkehrsunternehmer in der Lage sein, den Beweis einer Basisqualifizierung zu erbringen und deren Auslegung auf EU-Ebene genügen. Der Vergleich wird weiter erschwert durch die tägliche Wechselkursschwankungen, wobei sich die Wechselkursrelation zwischen dem £Sterling und dem Euro deutlich verändert hat.

    3.3. Es können eine Reihe spezifischer regionaler Verzerrungen ausgemacht werden, die auf regionale Faktoren zurückzuführen sind. Die vorstehende Fallstudie ist in ähnlicher Weise auch auf die Balkanländer, den Mittelmeerraum, Skandinavien oder auch den Grenzraum zwischen Belgien und Luxemburg übertragbar.

    4. Die Erweiterung

    4.1. Die Bewerberstaaten stellen offensichtlich eine starke Bedrohung für das EU-Güterstraßentransportgewerbe dar. Während die in der EU ansässigen Verkehrsunternehmer in der Kraftverkehrslogistik stärker sein werden, werden Betreiber aus den früheren MOEL das allgemeine Transportgeschäft beherrschen. Insbesondere der Ost-West-Verkehr wird zu 80 % von den mittel- und osteuropäischen Ländern dominiert, wo die Lkw-Betriebskosten (dem PHARE-Programm zufolge) im Schnitt ein Drittel unter dem EU-Niveau liegen. Die Durchschnittslöhne in den MOE-Staaten betragen nur ein Fünftel der in der EU gezahlten Löhne. Die Kraftstoffkosten liegen z. T. über EU-Durchschnittsniveau, wie etwa in Ungarn, oder machen auch nur 25 % des EU-Durchschnitts aus, wie etwa in Albanien. Weiterhin reicht die Spanne der jährlichen Lkw-Steuern von 300-430 % des EU-Durchschnitts in der Tschechischen Republik bis zu lediglich 8 % des EU-Durchschnitts in Bulgarien.

    4.2. Allerdings ist die Lkw-Produktivität in den Beitrittsstaaten 12 % niedriger als der EU-Wert. Im EU-Durchschnitt kostet der Kilotonne 0,80 Euro, d. h. die Kosten liegen 10-15 % über dem der MOEL-Kraftverkehrsunternehmer, aber die Quoten dürften sich einander angleichen, wenn der EU-Besitzstand in diesen Ländern einmal übernommen worden ist(11).

    5. Bemerkungen

    5.1. Die verkehrspolitische Diskussion im Allgemeinen muss ganz oben auf die sozioökonomische Tagesordnung gesetzt werden, um zu gewährleisten, dass ihre besondere Bedeutung für die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts erkannt wird und eine politische Debatte stattfindet. Dies gilt insbesondere für die Management-Praktiken und -Prinzipien zur Festlegung von Infrastruktur- und Verkehrsträgerinvestitionen und Vorschriften, die nachhaltiges Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch und Erweiterung unter einen Hut bringen.

    5.2. Die Mitgliedstaaten müssen einsehen, dass sie eine entsprechende Verantwortung haben, die Dinge im Auge zu behalten und erforderlichenfalls entsprechende Weichenstellungen im Bereich der Regulierung, Zertifizierung, Harmonisierung von Verkehrsbetriebsnormen, Sicherheitsaspekte und selbst grundlegende Fragen betreffend die Weiterentwicklung der Verkehrslogistik vorzunehmen.

    5.3. Die Europäische Union muss die funktionsstörenden Besteuerungsparameter innerhalb und zwischen den Mitgliedstaaten für alle Verkehrsinfrastrukturen und Verkehrsträger angehen und darauf hinarbeiten, die bestehenden enormen Unterschiede abzubauen und auf diese Weise die Schaffung von Bedingungsgleichheit für alle Verkehrsarten zu erleichtern.

    5.4. Ein Übergang zur Direktanlastung könnte eine transparentere und repräsentativere Regelung herbeiführen, als sie durch Besteuerung und Abgaben allein erreicht werden kann und dazu beitragen, dass die Anlastung in effizientester Weise an diejenigen erfolgt, die tatsächlich zu zahlen haben und den entsprechenden Nutzen haben(12).

    5.5. Aus EU-Mitteln finanzierte Forschung und Bewertungsmaßnahmen sollten entsprechende Erkenntnisse bringen und sich auch auf die Bestimmungen niederschlagen, mit denen bezweckt wird, eine koordinierte Anwendung der Grenzkostenmethode ins Visier zu nehmen. Die Höhe der Grenzkosten ist von Region zu Region unterschiedlich.

    5.6. Es gibt zahlreiche geeignete lokale Lösungen für die Beseitigung von Ungleichheiten und Marktverzerrungen. Interregionale Gremien sind häufig der geeignete Vektor für eine solche Problemlösung. In einigen Fällen und unter bestimmten Umständen würde eine erfolgreiche Koordination der diversen auf lokaler Ebene getroffenen (von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat) unterschiedlichen Entscheidungen zu einer regionalen und sektoriellen Harmonisierung führen und böte eine Alternative zur Standardisierung auf EU-Ebene.

    5.7. Die durch die preisabhängige Kraftstoffsteuer bewirkten starken Preisfluktuationen belasten übergebührlich die Wirtschaft und die Mobilität und sollten durch eine Pauschale ersetzt werden.

    6. Empfehlungen

    6.1. Nach Ansicht des Ausschusses sollten gemeinschaftsweit Besteuerungs- und Abgabenstrukturen eingeführt werden, die wettbewerbsförderlich sind.

    6.2. Der Ausschuss fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten eindringlich auf, Vergleichsdaten bereitzustellen, die bislang noch nicht verfügbar sind.

    6.3. Steuern, die herkunftsstaatsbezogen sind (wie beispielsweise Kfz-Steuer), sind wettbewerbsfähigkeitsstörend, weil Senkungen oder Anhebungen dieser Steuer durch irgendein Land nur den Verkehrsunternehmen des betreffenden Landes zu Gute kommen bzw. zum Nachteil gereichen. Folglich ändert sich dann auch die Wettbewerbsposition des betreffenden Landes gegenüber den anderen Staaten. Hingegen sind Abgaben mit einer hohen Territorialitätskomponente (wie beispielsweise Autobahngebühren) wettbewerbsfähigkeitsfördernd, weil Anhebungen oder Senkungen dieser Abgaben in einem Land alle Verkehrsunternehmen - unabhängig von ihrem Niederlassungsstaat - gleichermaßen treffen bzw. ihnen zum Nutzen gereichen, soweit sie die entsprechenden Verkehrswege in dem betreffenden Land benutzen. Die Wettbewerbsposition des betreffenden Landes in Bezug auf die anderen Staaten bleibt denn auch weitgehend unverändert.

    6.4. Im Interesse der Förderung von Bedingungsgleichheit sollte ein Abgehen von Steuern (mit stark herkunftsstaatlicher Komponente) hin zu Abgaben (mit hoher Territorialitätskomponente) stattfinden.

    6.5. Eines der grundlegenden Anliegen des Ausschusses geht dahin, wie der Verkehr seinen Beitrag zur Erfuellung der Verpflichtungen des Klimaschutzprotokolls von Kyoto leisten kann. Die Reaktion der amerikanischen Regierung, sich aus dem Kyoto-Protokoll zu verabschieden, hält der Ausschuss für alles andere als verantwortungsbewusst. Die Harmonisierung der verkehrsbezogenen Steuer- und Abgabensysteme sollte nicht nur für Bedingungsgleichheit sorgen, sondern auch zu einer weiteren Senkung der umweltbelastenden Wirkung von Verkehrsdiensten beitragen, was die Einhaltung der Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls erleichtern würde.

    6.5.1. In diesem Zusammenhang empfiehlt der Ausschuss die Entwicklung eines steuerlichen Umfelds, das Investitionen in Forschung oder technologische Innovationen zur Senkung von CO2-Emissionen und zum Abbau von Verkehrsverdichtungsproblemen erleichtert.

    6.5.2. Was die europäische Ebene angeht, regt der Ausschuss an, im Sechsten FTE-Rahmenprogramm verkehrsbezogene Technologien als einen der vorrangigen Themenbereiche auszuweisen. Er betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Galileo-Programms für ein sicheres, wettbewerbsfähiges und umweltfreundliches europaweit einheitliches Verkehrslogistiksystem.

    6.5.3. Eine Angleichung der verschiedenen Steuer- und Abgabensysteme sollte Umweltaspekte berücksichtigen und auch dem Aspekt der Verknappung der Ressourcen an fossilen Brennstoffen sowie der bereits bestehenden diesbezüglichen Importabhängigkeit der EU, die nach der Erweiterung noch zunehmen wird, Rechnung tragen. Die Festlegung eindeutiger Normen für alle Sektoren in Bezug auf Kraftstoffverbrauch, Lade- und Lieferkapazität und Ressourcenschonung wird die Gemüter im Güterkraftverkehrssektor beruhigen, der sich im Zusammenhang mit Umweltverbesserungsmaßnahmen als Sündenbock hingestellt empfindet.

    6.5.4. Der WSA befürchtet, dass die vorgeschlagenen - vor allem CO2-bezogenen - Besteuerungen in den Mitgliedstaaten es auswärtigen Verkehrsdienstleistern aus Ländern, deren Normen und Verhaltensweisen in Bezug auf bewährte Praktiken nicht den in den einzelstaatlichen Steuersystemen sich widerspiegelnden Normen und Verhaltensweisen genügen, auf dem Verkehrsmarkt Transportkostenvorteile haben.

    6.6. Die Verkehrsnachfrage reagiert verhältnismäßig wenig auf die Steuer- und Abgabenniveaus. Selbst enorme Kraftstoffpreiserhöhungen wirken sich relativ wenig auf die Transportvolumina aus. Eine Abgabenstruktur, die Anreize für umweltfreundliche Fahrweisen schafft, könnte den Kraftstoffverbrauch senken, ohne eine entsprechende Reduzierung der Kilometerleistung mit sich zu bringen.

    6.7. Der Ausschuss möchte folgende Anregungen geben:

    6.7.1. Die jährliche Kfz-Steuer sollte eine Differenzierung zwischen Fahrzeugarten nach Maßgabe ihrer Umweltbelastung und Infrastrukturbeanspruchung beinhalten.

    6.7.2. Die Straßenbenutzungsgebühren sollten straßenbelagschonendere Fahrzeuge günstiger behandeln, da die Aufwendungen für die Instandhaltung von Straßeninfrastruktur in vielen Fällen der größte Posten im Straßenbaubudget ist und schwere Fahrzeuge verhältnismäßig mehr Straßenschäden verursachen. Die Ersetzung der einzelstaatlichen Fahrzeugflotten durch straßenfreundliche Fahrzeuge mit Luftfederung oder gleichwertigen Federungssystemen könnte die Lebensdauer von Straßenbelägen um 15 bis 60 Prozent verlängern(13). Preisanreize könnten Kraftfahrzeugunternehmen dazu ermutigen, auf straßenfreundliche Aufhängungssysteme ihrer Fahrzeuge umzusteigen.

    6.8. Obwohl die meisten Länder ihre Mineralölsteuern nach Umweltbelastungsgrad der Kraftstoffe differenzieren, schränkt der grenzüberschreitende Kraftstofftourismus den Handlungsspielraum für kleinere Länder ein. Da bislang nur begrenzte Aussichten auf eine Harmonisierung der Abgabenhöhe vorhanden sind, sollten die steuerlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Kraftstoffarten ausgebaut werden, wobei es gleichwohl jedem Land überlassen bleiben sollte, seinen eigenen Referenzsteuersatz festzulegen.

    6.9. Moderne Technologien können zu einer einfachen und effizienten Gebührenerhebung beitragen. Deswegen sollte die Kommission unbedingt die Forschung über neue technologische Möglichkeiten und die Anwendung neuer Methoden finanziell stärker unterstützen.

    Brüssel, den 11. Juli 2001.

    Der Präsident

    des Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Göke Frerichs

    (1) Vgl. hierzu die WSA-Stellungnahme zu den Vorschlägen für Richtlinien des Rates in bestimmten ausgenommenen Sektoren und Tätigkeitsbereichen, ABl. C 138 vom 18.5.1999 und die Stellungnahme des WSA zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 96/53/EG des Rates zur Festlegung der höchstzulässigen Abmessungen für bestimmte Straßenfahrzeuge im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr der Gemeinschaft sowie zur Festlegung der höchstzulässigen Gewichte im grenzüberschreitenden Verkehr, ABl. C 123 vom 25.4.2001.

    (2) Harmonisierung im Straßenverkehr: Effiziente Verkehrssteuern und -abgaben, Schlussfolgerungen und Empfehlungen CEMT/CM(2000) 14 endg.

    (3) Vgl. hierzu die WSA-Stellungnahme zu den Vorschlägen für Richtlinien des Rates in bestimmten ausgenommenen Sektoren und Tätigkeitsbereichen, ABl. C 138 vom 18.5.1999 und die Stellungnahme des WSA zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 96/53/EG des Rates zur Festlegung der höchstzulässigen Abmessungen für bestimmte Straßenfahrzeuge im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr der Gemeinschaft sowie zur Festlegung der höchstzulässigen Gewichte im grenzüberschreitenden Verkehr, ABl. C 123 vom 25.4.2001.

    (4) Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Weißbuch der Kommission 'Faire Preise für die Infrastrukturbenutzung: Ein abgestuftes Konzept für einen Gemeinschaftsrahmen für Verkehrsinfrastrukturgebühren in der EU'" (KOM(98) 466 endg.); ABl. C 116 vom 28.4.1999 und Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Grünbuch - Faire und effiziente Preise im Verkehr - Politische Konzepte zur Internalisierung der externen Kosten des Verkehrs in der Europäischen Union" (KOM(95) 691 endg.); ABl. C 56 vom 24.2.1997.

    (5) Mitteilung der Kommission: Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung (Vorschlag der Kommission für den Europäischen Rat in Göteborg), WSA-Stellungnahme in Vorbereitung.

    (6) Die beim Verkauf von Kfz anfallende Steuern bleiben hier außer Betracht.

    (7) CEMT/CS/TR(98)/REV.

    (8) Nähere Einzelheiten über diese Angaben in der EU sind der Publikation Variabilisation and Diffenrentiation Strategies in Road Taxation, IFRAS, Zürich, 2. Juni 200 zu entnehmen.

    (9) Beispielsweise kann das Vereinigte Königreich als mineralölsteuerorientiertes Land betrachtet werden, während Frankreich, Italien und Spanien eher als infrastrukturgebührennutzungsorientierte Länder angesehen werden.

    (10) Erstens sind die verkehrsspezifischen Steuern und Abgaben nicht die einzige Quelle steuerbedingter Unterschiede bei den Verkehrskosten. Die zwischen den Ländern bestehenden Unterschiede bei den verschiedenen Arbeitskräftefaktoren (Einkommensteuer, Sozialversicherungsbeiträge) sowie des Kapitaleinsatzes (zulässige Abschreibungen im Verhältnis zu den Steuern), die bei der Erbringung von Verkehrsdienstleistungen anfallen, tragen ebenfalls zu den Kostenunterschieden bei.

    (11) Quelle: EUROSTAT.

    (12) Mitteilung der Kommission: Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung (Vorschlag der Kommission für den Europäischen Rat in Göteborg), WSA-Stellungnahme in Vorbereitung.

    (13) OECD Observer, 26.1.2001.

    Top