EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52001IE0038

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses über die "Auswirkungen des elektronischen Handels auf den Binnenmarkt (BBS)"

ABl. C 123 vom 25.4.2001, p. 1–10 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52001IE0038

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses über die "Auswirkungen des elektronischen Handels auf den Binnenmarkt (BBS)"

Amtsblatt Nr. C 123 vom 25/04/2001 S. 0001 - 0010


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses über die "Auswirkungen des elektronischen Handels auf den Binnenmarkt (BBS)"

(2001/C 123/01)

Der Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 2. März 2000 gemäss Artikel 23 Absatz 3 der Geschäftsordnung, eine Stellungnahme zum vorgenannten Thema zu erarbeiten.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 10. Januar 2001 an. Berichterstatter war Herr Glatz.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 378. Plenartagung (Sitzung vom 24. Januar 2001) mit 79 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

1. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

- Der elektronische Handel spielt im Vergleich zu den Gesamtumsätzen des Handels zur Zeit noch eine untergeordnete Rolle. Insbesondere trifft das auf den Handel zwischen Unternehmen und Verbrauchern zu. Größer ist die Bedeutung des elektronischen Handels zwischen Unternehmen.

- Die Wachstumsraten des elektronischen Handels sind jedoch zur Zeit enorm.

- Die Verbraucher sind in der Nutzung der Möglichkeiten des elektronischen Handels zurückhaltend. Der Grund dafür liegt in fehlenden Zugangsmöglichkeiten oder -fähigkeiten und im mangelnden Vertrauen, insbesondere was den Schutz der Privatsphäre und die Sicherheit des Zahlungsverkehrs betrifft.

- Ein weiteres Hindernis sind die vielfach fehlenden und teilweise widersprechenden Rahmenbedingungen und die in einigen Bereichen fragmentierte Rechtssituation für Anbieter - insbesondere aufgrund des Zusammenwachsens von Telekommunikation und Medien und der entsprechenden Infrastruktur (Konvergenz). Es kann daher von der Existenz eines konsistenten Rahmens keine Rede sein.

- Die neuen Entwicklungen bedürfen auch einer größeren Aufmerksamkeit durch die Wettbewerbspolitik.

1.1. Aus diesen genannten Gründen ist es erforderlich, mit einem Bündel von Maßnahmen die Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Binnenmarkt des elektronischen Geschäftsverkehrs zu schaffen. Dabei ist zu beachten, dass die Rahmenbedingungen auch und vor allem auf globaler Ebene zu treffen sind.

1.2. Wenn dies nicht geschieht, dann verzichtet Europa auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungschancen und der Abstand zu den USA in diesem Bereich kann sich nicht verringern.

1.3. Der Ausschuss fordert und empfiehlt daher zusammenfassend:

- Unterstützung eines konstruktiven Dialogs zwischen den Verbrauchern und Herstellern bzw. dem Handel. Die Verbraucherschutzverbände sollen eine umfassende Mitsprache haben, um ein Klima des Vertrauens herzustellen.

- Förderung flankierender und stimulierender Strategien zu Gunsten der neuen technischen Mittel mit dem Ziel, möglichst vielen Menschen Zugang zu verschaffen. Dabei sind vor allem die Schwierigkeiten der weniger begüterten Bevölkerungsschichten, aber auch beispielsweise älterer Bevölkerungsgruppen, zu berücksichtigen.

- Festlegung europäischer und weltweiter rechtlicher Rahmenbedingungen zum Zwecke eines erschwinglichen und transparenten Zugangs zum elektronischen Geschäftsverkehr, der den Verbrauchern Sicherheiten und Garantien bietet. Die von der Kommission in Angriff genommenen Maßnahmen zur Reorganisation des Telekommunikationssektors [Richtlinienpaket vom 12. Juli 2000(1)] stellen hier eine wichtige Initiative dar.

- Schaffung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Bereiche, die in der Richtlinie zum elektronischen Geschäftsverkehr ausgespart sind. Dazu zählen ein Rahmen für alternative Streitbeilegungsverfahren, Fragen des unfairen Marketings, Ausweitung des Geltungsbereichs der Fernabsatzrichtlinie, Schaffung einer Fernabsatzrichtlinie Finanzdienstleistungen, Kriterien für Initiativen der Selbstregulierung.

- Der Ausschuss ist der Ansicht, dass den KMU eine wichtige Rolle im elektronischen Geschäftsverkehr zukommen wird und sie in die Lage versetzt werden müssen, die Möglichkeiten auch zu nutzen.

- Anbieter sollen den Verbrauchern die Möglichkeit anbieten, bereits im Vorfeld eventueller gerichtlicher Auseinandersetzungen zu Lösungen zu kommen. Darüber hinaus ist es für die Verbraucher wichtig, ihr Recht am Ort ihres Wohnsitzes durchsetzen zu können.

- Um außergerichtliche Streitschlichtungsverfahren und Gütezeichen zu forcieren und um den Binnenmarkt nicht zu behindern, sind vergleichbare Standards und Prinzipien zu entwickeln und anzuwenden.

- Die Wettbewerbspolitik steht durch den elektronischen Geschäftsverkehr vor neuen Aufgaben. Mit Wachsamkeit sind die neuen Entwicklungen zu beobachten, insbesondere Unternehmenszusammenschlüsse, Portale, Netzinfrastruktur.

- Entwicklung sicherer Zahlungssysteme und die Reduzierung der Kosten für grenzüberschreitende Überweisungen.

- Reduktion der bestehenden Steuerhindernisse und Verzerrungen. Der bestehende Wettbewerbsnachteil europäischer Unternehmen gegenüber Unternehmen aus Drittstaaten ist zu beseitigen.

- Die Gemeinschaft muss dem Datenschutz höchste Priorität zuweisen. Die Kommission soll die Mitgliedstaaten ermutigen, die Umsetzung des Datenschutzes zu forcieren. Eine Anpassung des Datenschutzrechtes ist an die neuen technischen und ökonomischen Gegebenheiten notwendig, um den Datenschutz für alle Formen der modernen Kommunikation zu gewährleisten.

2. Bedeutung des elektronischen Geschäftsverkehrs

Das Internet als die technische Basis für den elektronischen Geschäftsverkehr ist gekennzeichnet durch eine extrem stürmische Entwicklung. Die Bedeutung des Internet ist allerdings regional sehr unterschiedlich. So dominieren sowohl was die Anzahl der Server betrifft als auch die Anzahl der Nutzer die OECD-Staaten und hier wiederum insbesondere die Vereinigten Staaten.

2.1. Die EU-Kommission(2) nimmt an, dass der elektronische Handel in Europa von 17 Milliarden USD Ende 1999 auf etwa 360 Milliarden USD im Jahr 2003 anwachsen wird.

2.2. Die größte Bedeutung hat der elektronische Handel zwischen Unternehmungen (Business to Business; B2B). Nach übereinstimmenden Schätzungen macht dieser Anteil 70 bis 90 % des gesamten elektronischen Geschäftsverkehrs aus.

2.3. Elektronischer Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbraucher (Business to Consumer; B2C) macht aber insgesamt noch einen geringen Anteil an den Handelsumsätzen aus. Für Europa ist festzustellen, dass zur Zeit der Anteil des elektronischen Geschäftsverkehrs am gesamten Endverbraucherhandel unter 1 % liegt und damit geringer ist als etwa der Vertrieb über den traditionellen Versandhandel. Für die Jahre 2001/2002 wird der Anteil des elektronischen Geschäftsverkehrs an den Gesamthandelsumsätzen der OECD-7 auf 5 %, für 2002/2005 auf 15 % geschätzt.

2.4. Es zeigt sich allerdings, dass die Bedeutung des elektronischen Handels schon jetzt in einigen Branchen beispielsweise bei Finanzdienstleistungen oder Software eine weitaus größere Bedeutung hat als für den Durchschnitt der Branchen. Dies zeigt, dass der elektronische Geschäftsverkehr vor allem bei immateriellen Produkten eine große Rolle spielen können wird.

2.5. Unter E-Commerce wird vor allem die Vertriebsform von digitalen aber auch nicht digitalen Güter- und Dienstleistungen vor allem über das Internet verstanden. Es stehen aber neue Vertriebsformen vor der Markteinführung, etwa interaktives TV ("T-Commerce") und "Mobile Commerce" (M-Commerce). Letzterer wird insbesondere durch die Einführung der UMTS-Technologie eine starke Bedeutung zukommen.

2.6. Europa hinkt sowohl was die Nutzung des Internet betrifft, als auch was die Bedeutung des elektronischen Geschäftsverkehrs betrifft hinter den USA her. Die Gründe sind verschiedene: eine einheitliche Sprache, eine einheitliche Währung, niedrigere Telefontarife, mehr Wagniskapital. Allerdings ist Europa führend in der mobilen Kommunikation und dürfte diesen Vorsprung durch UMTS auch ausbauen. Auch wird die Einführung des Euro ebenfalls dazu führen, dass der elektronische Geschäftsverkehr in Europa zu einer größeren Bedeutung gelangt - auch für die europäischen Staaten, die nicht am Euro teilnehmen.

3. Bedeutung des elektronischen Geschäftsverkehrs für den Binnenmarkt und dessen Akteure (Unternehmer, Verbraucher, Arbeitnehmer)

3.1. Binnenmarkt

3.1.1. Der elektronische Handel wird den Binnenmarkt in vielfacher Weise beeinflussen. Der Kauf von Waren und Dienstleistungen über nationale Grenzen hinweg wird sich intensivieren. Es tun sich auch neue Märkte auf. Konsumenten können in einem breiteren Angebot wählen. Der elektronische Geschäftsverkehr wird den Binnenmarkt an Bedeutung gewinnen lassen. Der elektronische Handel kann auch für ländliche Regionen Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Die Struktur der Märkte verändert sich.

Im Besonderen ist zu erwarten, dass der elektronische Geschäftsverkehr für Finanzdienstleistungen eine wesentlich größere Bedeutung erlangen wird. Banken werden sich aber zunehmend auch der Konkurrenz von Nicht-Banken, die Finanzdienstleistungen anbieten, stellen müssen.

3.1.2. Die gegenseitige Anerkennung, die als eines der wichtigsten Instrumente zur Gewährleistung des freien Warenverkehrs im Binnenmarkt gilt, gewinnt durch den elektronischen Geschäftsverkehr an noch größerer Bedeutung.

3.1.3. Der Vertrieb von materiellen Produkten wird allerdings nur dann eine größere Bedeutung erlangen, wenn die Fragen der Logistik zufriedenstellend gelöst werden. Die Zunahme des elektronischen Handels bei körperlichen Produkten wird allerdings auch eine Zunahme der Verkehrsströme zur Folge haben. Ob durch die Verlagerung des physischen Versandes von bestimmten Produkten (z. B. Tonträgern) auf den Online-Versand diese Auswirkungen auf die Verkehrsströme aufgehoben werden, ist zur Zeit schwer zu sagen. Die Kommission wird aufgefordert, hier Untersuchungen anzustellen. Der Ausschuss weist auf dieses Problem hin und auf die Notwendigkeit, die entsprechenden verkehrspolitischen Lösungen zu finden.

3.1.4. Ein gewisser Teil des Zwischenhandels wird an Bedeutung verlieren. Hersteller und Anbieter von Dienstleistungen werden direkt an den Verbraucher verkaufen. Auf der anderen Seite werden jedoch gerade aufgrund der Unübersichtlichkeit des Angebots im Netz Intermediäre notwendig. Es werden sich neue Formen und Bereiche entwickeln, insbesondere im Bereich der Logistik, der Finanzierung und den Informationsdienstleistern. Darüber hinaus ist es auch erforderlich, dass sich die Vertriebsformen stärker an den Bedürfnissen und dem - teilweise stark veränderten - Lebensstil der Verbraucher orientieren.

3.2. Unternehmen

Für Unternehmen bedeutet die Nutzung des Internet die Erschließung neuer Geschäftsfelder, die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen und neuer Vertriebsformen.

3.2.1. Darüber hinaus erleichtert das Internet auch das Marketing und insbesondere ein zielgenaues Marketing. Die Werbungs- und Transaktionskosten können verringert werden.

3.2.2. Durch das Internet können grundsätzlich Kostensenkungen erwartet werden, die letztlich bei funktionierenden Märkten zu niedrigeren Preisen und damit zu Wohlfahrtseffekten führen können. Als Ursachen für diese Kostensenkungen werden genannt:

- Wegfall des Zwischenhandels im herkömmlichen Sinn (Disintermediation);

- Geringere Kommunikationskosten (Kosten für Telefonie, Computer etc.);

- Geringere physische Infrastruktur (Geschäftslokale etc.);

- Verlagerung von Kosten auf die Kunden (Kunden informieren sich selber);

- Geringe Kosten der Distribution von digitalen Gütern.

3.2.3. Auf der anderen Seite sind jedoch auch zusätzliche und neue Kosten nicht zu unterschätzen - insbesondere was den PR-Aufwand betrifft.

3.2.4. Für den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen haben die neuen elektronischen Möglichkeiten vermutlich größere Auswirkungen als auf den Handel mit Endverbrauchern. Dies zeigt auch der Umfang der Umsätze. Der Großteil des elektronischen Geschäftsverkehrs findet zwischen Unternehmen statt, und seine Nutzung bei der Vergabe von Unteraufträgen und beim Einkauf von Bauteilen und Werkstoffen setzt sich immer mehr durch.

3.2.5. Für KMU ist es von existentieller Notwendigkeit, sich dieser Geschäftsform zu bedienen. Sie sind jedoch zur Zeit noch vielfach nicht in der Lage, alle die Möglichkeiten auszuschöpfen. Gerade für KMU ist es notwendig, hier nützliche Beratungsdienste angeboten zu bekommen, um die Chancen zu nutzen und um bei derartigen Geschäftsabschlüssen bestehen oder die von Hauptauftragnehmern und anderen größeren Unternehmen geforderten Umstellungen auf neue Geschäftsmethoden vornehmen zu können.

3.2.6. Für KMU kann es sich aufgrund der spezifischen Gegebenheiten und Strukturen des Internet erweisen, dass die zusätzlichen PR-Kosten größer sind als die Kostenersparnisse durch die technisch gegebenen Möglichkeiten. Die Adaptionsbarrieren sind dabei für das Konsumentengeschäft größer als für B2B. Und damit auch das Risiko.

3.2.7. Klein- und Mittelbetriebe können aber durch das Internet einen besseren Zugang zu den Märkten durch prinzipiell geringere Kommunikationskosten haben. Durch die technischen Möglichkeiten können die Anbieter auch leichter zu Informationen über Kunden und deren Kaufverhalten kommen. Damit kann der Kunde zielgenauer und ohne die üblichen Streuverluste von der Werbung angesprochen werden.

3.2.8. Das Internet wird daher vielfach als eine Chance auch und vor allem für KMU angesehen. Der elektronische Handel, wird auch dazu führen, dass sich die Unternehmungen verstärkt um die spezifischen Qualifikationen der Arbeitnehmer in diesem Bereich bemühen müssen. Um im elektronischen Geschäftsverkehr erfolgreich zu sein, bedeutet dies für die KMU eine Herausforderung und erfordert insbesondere Änderungen in der Logistik und in der Entwicklung der Humanressourcen. Kooperationen, Plattformen können das Risiko vermindern.

3.3. Auswirkungen auf Konsumenten

Im Rahmen der Globalisierung der Wirtschaft bietet der elektronische Handel dem Verbraucher die außergewöhnliche Möglichkeit, auf sämtlichen Märkten direkt auszuwählen - bis dato undenkbar - und von den günstigsten Preisen zu profitieren oder Produkte zu erwerben, die anderenfalls nicht auf den nationalen Märkten vorhanden wären.

3.3.1. Verbrauchermärkte sind im Allgemeinen und insbesondere im Internet durch asymmetrische Information gekennzeichnet. Für den Verbraucher ist es meist sehr kostspielig Informationen über alle Anbieter einzuholen. Daher spielt auf diesen Märkten das Vertrauen eine große Rolle. Daher ist zu erwarten, dass Intermediäre als Berater oder als Sucher in Zukunft eine größere Rolle spielen werden.

3.3.2. Geringere Kosten können sich jedoch nur dann in günstigeren Preisen für die Endverbraucher niederschlagen, wenn der Wettbewerb funktioniert. Empirische Untersuchungen belegen jedoch, das Internet nicht grundsätzlich wettbewerbsintensiver ist als andere Bereiche. Die Gründe dafür liegen in der Tatsache, dass die Marktkonzentration hoch ist (Bekanntheitsgrad). Die Transparenz des Marktes ist daher theoretisch groß, praktisch jedoch gering. Dies zeigt daher die Notwendigkeit, hier einen - insbesondere wettbewerbspolitischen und rechtlichen - Rahmen zu schaffen, damit der Konsument mögliche Vorteile tatsächlich nutzen kann.

3.3.3. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Betriebe, die Regierungen und die Europäische Gemeinschaft über neue Anreizformen nachdenken müssten, welche die Vereinfachung der Systeme und automatisierte Übersetzungen von Sprachen unterstützen, die Verbreitung in weniger begüterten Bevölkerungsschichten fördern und das Internet in ein Instrument verwandeln, das nicht nur dem Konsum, sondern verstärkt auch der Bildung und Information dient und für alle von Nutzen ist.

3.3.4. Das Internet wird nicht nur als ein Instrument für den elektronischen Geschäftsverkehr, sondern verstärkt auch für Ausbildung und Information genutzt. Es bietet die Chance von Beschäftigungsmöglichkeiten und trägt dazu bei, den Wunsch zur Verbesserung des Wissens zu befriedigen. Der Ausschuss streicht hervor, dass die Bildungspolitik auf diese geänderten Nachfragen reagieren muss, sowohl in der Schule als auch in der Erwachsenenbildung, aber auch in anderen Bereichen wie Massenmedien. Investitionen sind sowohl in Soft- als auch in Hardware und in der Erstellung von Netzwerken notwendig. Notwendig ist auch die Ausbildung von Lehrern. Die Ausbildung in diesem Bereich wird eine wesentliche Bedingung für Europas Wettbewerbsfähigkeit in der Zukunft sein.

3.4. Arbeitnehmer

3.4.1. Die Bürger der EU werden auch verstärkt in ihrer Rolle als Arbeitnehmer von den Auswirkungen des elektronischen Handels betroffen sein. Die zu erwartenden strukturellen Verschiebungen durch den prognostizierten Aufschwung des elektronischen Handels führen zu neuen Qualifikationsanforderungen am Arbeitsmarkt. Die zu erwartenden strukturellen Verschiebungen müssen durch entsprechende Weiterbildungs- und Qualifikationsinitiativen und andere Maßnahmen begleitet werden. Dabei wird es sich hier keineswegs nur um hochqualifizierte Arbeitskräfte handeln. Die Aus- und Weiterbildung hat daher auch auf diese Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnen Bedacht zu nehmen.

3.4.2. Der Ausschuss weist darauf hin, dass die Bildungspolitik sowohl auf der Ebene der schulischen Allgemeinbildung wie auch der Weiterbildung im Erwachsenenalter auf die veränderten Anforderungen reagieren muss. Nicht zuletzt die Gestaltung der Bildungspolitik in der Gegenwart wird die Wettbewerbsfähigkeit Europas in der Zukunft bestimmen.

3.4.3. Neue Formen von Beschäftigungsverhältnissen werden durch das Entstehen teilweise virtueller Unternehmensstrukturen begünstigt. Telearbeit wird nicht zuletzt auch durch das Wachstum von elektronischem Handel an Bedeutung gewinnen. Diese Entwicklungen sollen von den Sozialpartnern auf ihre Folgen sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber überprüft werden. Besonderer Bedacht ist auf die Einhaltung von arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen und auf die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu nehmen. Der gewerkschaftliche Zugang zu den Unternehmen und die Vertretung durch Betriebsräte muss gesichert sein.

3.4.4. Für Arbeitnehmer sollten sich durch den elektronischen Geschäftsverkehr neue Chancen ergeben. Partizipative Mitgestaltung wird dann vermehrt möglich, wenn von einer hierarchischen Struktur zu einem Netzwerk kleiner, relativ autonom arbeitender projektbezogener Einheiten übergegangen wird. Die Chancen für Arbeitnehmer gilt es herauszuarbeiten und zu fördern.

3.4.5. Der Ausschuss hat in seiner Stellungnahme zum Weißbuch "Handel" zu Aus- und Weiterbildungsfragen Stellung genommen. Die Ergebnisse treffen zum Teil auch auf die Fragen des elektronischen Geschäftsverkehrs zu.

3.4.6. Der Aufschwung des elektronischen Handels bedeutet auch eine verstärkte Mobilität von Arbeitskräften. Tätigkeiten, die bisher im administrativen Zentrum des Unternehmens angesiedelt waren, werden an Standorte ausgelagert, an denen die Arbeitskräfte billiger und die sozialen Standards niedriger sind. Um den verstärkten Druck auf die Arbeitnehmer Europas zu entschärfen, bedarf es zumindest auf europäischer Ebene neuer sozialen Regelungen, die zwischen den Sozialpartnern zu vereinbaren sind bzw. darüber hinaus für alle Bereiche die Einhaltung von Arbeitnehmerstandards im Sinne der ILO-Konvention garantieren.

3.4.7. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass es wichtig ist, bei der Erstellung eines Rahmens für den elektronischen Geschäftsverkehr eine Ausgewogenheit zwischen Anbieter-Verbraucher-Arbeitnehmerinteressen herzustellen. Die Einbindung aller drei Gruppen ist unumgänglich für alle Aspekte des elektronischen Handels. Zur Bewältigung des Strukturwandels sind außerdem gemeinsame Initiativen der Sozialpartner in höchstem Masse förderlich. Der Ausschuss ist auch der Ansicht, dass die Kommission eine Untersuchung über die Auswirkungen (physische, psychische, ökonomische) des elektronischen Geschäftsverkehrs auf die Arbeitnehmer durchführen sollte.

4. Hindernisse und Lösungen für die Verwirklichung des Binnenmarktes im elektronischen Geschäftsverkehr

4.1. Klarer rechtlicher und ordnungspolitischer Rahmen notwendig

Der elektronische Handel kann sein Potential nur dann ausschöpfen, wenn es dafür einen verlässlichen, transparenten und kalkulierbaren strukturellen Rahmen für Unternehmen und Verbraucher gibt. Mit der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (2000/31/EG) wurde insbesondere für die Anbieter ein rechtlicher Rahmen geschaffen, der es ihnen ermöglicht mit Kunden in anderen Mitgliedstaaten Geschäfte zu machen ohne jeweils die Gesetze der anderen Mitgliedstaaten anwenden zu müssen. Die Richtlinie sieht allerdings für verschiedene Bereiche Ausnahmen vor. Dies kann dazu führen, dass der elektronische Geschäftsverkehr im Bereich des Einzelhandels nicht etwa den Binnenmarkt fördert, sondern durch eine Fragmentierung der EU in 15 verschiedene einzelstaatliche Märkte gekennzeichnet bleibt, wodurch der elektronische Geschäftsverkehr in Europa an der Entfaltung seines Potentials gehindert wird. Bei allem Verständnis für die Situation der Anbieter und der Notwendigkeit, die Fragmentierung aufzuheben, ist nach Ansicht des Ausschusses hier mit großer Verantwortung vorzugehen, solange es an einer Harmonisierung auf hohem Niveau mangelt.

4.1.1. Für die Anbieter ist es in vielen Fällen notwendig Sicherheit über die Identität der Vertragspartner zu haben. Darüber hinaus ist es für den elektronischen Geschäftsverkehr essentiell, dass die Unverändertheit der übertragenen Daten sichergestellt ist. Die elektronische Signatur ermöglicht dies. Die Rahmenbedingungen dazu wurden in einer Richtlinie über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (1999/93/EG) geschaffen. In der Praxis spielt jedoch die elektronische Signatur bislang keine Rolle.

4.1.2. Diese Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr beseitigt für die Anbieter viele Hindernisse für den elektronischen Handel. Die Schaffung eines konsistenten Rahmens ist auch noch nicht gegeben durch die Inkonsistenzen, die sich durch die Konvergenz von Telekommunikationstechnologien untereinander und zu den Medien ergeben. Ein neuer Ordnungsrahmen für Kommunikationsinfrastruktur und dazugehörige Dienste sollte vor allem darauf ausgerichtet sein, einen offenen und konkurrenzfähigen Markt für Kommunikationsdienste zu fördern und auf Dauer zu sichern.

4.1.2.1. Das Grünbuch zur Konvergenz der Kommission (KOM(97) 623) steht am Beginn dieser Diskussion. Im Kommunikationsbericht 1999 der Kommission (KOM(1999) 539) schlägt die Kommission beispielsweise horizontale Regelungen für die Kommunikationsinfrastruktur vor. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss hat in seiner Stellungnahme diese Initiativen befürwortet und ist der Ansicht, dass diese Überlegungen beschleunigt weiterentwickelt werden müssen um für Unternehmer und Konsumenten einen sicheren und verlässlichen Rahmen zu bieten. Das von der Kommission vorgelegte Telekommunikationsreformpaket vom Juli 2000 stellt einen solchen Ansatz dar. Angesichts der Konvergenz von Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie soll für alle Übertragungsnetze und -dienste ein einheitlicher Rechtsrahmen gelten. Der Ausschuss begrüßt, dass mit dem neuen Rechtsrahmen Prognostizierbarkeit und eine bessere Übereinstimmung mit den allgemeinen EU-Rechtsvorschriften im Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbereich angestrebt wird.

4.1.3. Im Bereich der Telekommunikation wurde in der Vergangenheit erfolgreich ein wettbewerbspolitischer Rahmen geschaffen. Nun ist es notwendig diesen Weg in anderen Bereichen einzuschlagen.

4.1.4. Die digitale Ökonomie ist gekennzeichnet durch hohe Investitionen am Beginn einer Entwicklung (hohe Fixkosten). Diese Investitionen gehen häufig in geistiges Eigentum. Die Distributionskosten sind hingegen sehr günstig. Daher ist es aus der Position der Produzenten verständlich, dass dem Schutz des geistigen Eigentums, dem Urheberrecht große Aufmerksamkeit gewidmet wird. In diesem Zusammenhang weist der Wirtschafts- und Sozialausschuss jedoch darauf hin, dass berechtigte Anliegen und Wünsche der Konsumenten nicht missachtet werden dürfen. Etwa die Möglichkeit für den privaten Gebrauch Aufzeichnungen durchzuführen (z. B. zeitversetztes Aufnehmen von Fernsehsendungen). Der Rat hat den gemeinsamen Standpunkt zum Urheberecht beschlossen.

4.2. Vertrauen in den elektronischen Geschäftsverkehr

Konsumenten sind bei der Nutzung des Internet zum Kauf von Produkten oder Dienstleistungen vielfach deshalb zögerlich, weil es an Transparenz mangelt hinsichtlich der Produktmerkmale, eventuell zusätzlicher Kosten und der Anwendung rechtlicher Bestimmungen und des Gerichtsstandes. Bei den Verbrauchern besteht Unsicherheit darüber, ob die Produkte, die sie kaufen wollen mängelfrei sind, zeitgerecht kommen und die Rückabwicklung bei Problemen (insbesondere bei Mängeln und Nichtgefallen) rasch, effizient und fair durchgeführt wird. Hinzu kommt, dass die technischen Systeme oft nicht benutzerfreundlich gestaltet sind.

4.2.1. Verbraucher fürchten auch Betrug, Mangel an Sicherheit insbesondere beim Zahlungsverkehr und mangelnden Schutz der persönlichen Daten.

4.2.2. Wer Online-shopping betreiben will, stößt auf Einkaufssituationen, die ihn aus dem stationären Einzelhandel und aus dem Versandhandel nicht bekannt sind. Beim Einkaufen im stationären Handel und beim Bestellen per Katalog weiß der Verbraucher in der Regel, mit wem er es zu tun hat. Im Internet findet man Homepages, die keinerlei Angaben zum Unternehmen etc. enthalten. Bei Reklamationen an bestellten Waren oder Dienstleistungen ist es daher oft schwierig, den Lieferanten ausfindig zu machen, ihm die Produkte zurückzuschicken oder dem Gericht eine Adresse mitzuteilen, unter der gegebenenfalls die Klageschrift zugestellt werden könnte.

4.2.3. Vielfach ist das mangelnde Vertrauen von Verbrauchern auch in dem mangelnden Verständnis über die Zusammenhänge begründet. Die Gemeinschaft, die Mitgliedstaaten, die Unternehmen und die Verbraucherverbände sind gefordert, den Verbrauchern die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Damit sollen die Verbraucher in die Lage versetzt werden, eigenverantwortlich zu entscheiden.

4.2.4. Wenn sich der elektronische Handel entwickeln soll, müssen die Vorgänge und Transaktionen einfach und sicher und die Verbraucher in der Lage sein, Schwierigkeiten und Streitigkeiten schnell, kostengünstig und wirksam zu beheben.

4.2.5. Es wurde von der EU erkannt, dass es notwendig ist einen sicheren Rahmen zu schaffen um den Kunden die vielfältigen Möglichkeiten des elektronischen Geschäftsverkehrs zu eröffnen. Zu erwähnen wären hier Regelungen über: Mindestinformationen über Anbieter, Preise, Versandkosten, Steuern, Rücktrittsrechte, Kennzeichnung von Werbung.

4.2.6. Neben einer Vielzahl von vertrauensbildenden Maßnahmen durch die Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen finden sich vor allem in der Richtlinie 97/7/EG über Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, die bereits umgesetzt wird, und in der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr die wichtigsten Regeln.

4.2.7. Das Netz der Schutzvorschriften ist allerdings lückenhaft. So sind beispielsweise wichtige Dienstleistungsbereiche noch immer von wesentlichen Bestimmungen der Fernabsatzrichtlinie ausgenommen (z. B. Freizeitdienstleistungen wie Reisen). Insbesondere muss darauf hingewiesen werden, dass für den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen keine adäquaten rechtlichen Rahmenbedingungen existieren.

4.2.8. Der Ausschuss hat in seiner Stellungnahme (CES 458/1999) zum Vorschlag für eine Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (KOM(1998) 468 endg.) darauf hingewiesen, dass die Besonderheiten und die immaterielle Beschaffenheit wie auch ihre anerkannte Kapazität und ihre Tragweite für die Verbraucher es rechtfertigen, nicht nur besondere Bestimmungen zu erlassen, die über das reine Transportieren der allgemeinen Bestimmungen für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz hinaus gehen, sondern auch ein hohes Verbraucherschutzniveau in den zu harmonisierenden Bereichen sicherzustellen.

4.2.9. Die universelle Anwendung des Herkunftslandprinzips, wie sie die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vorsieht, könnte die Verbraucher mit Praktiken der Werbung oder mit bestimmten Produkten (z. B. Medikamenten) konfrontieren, denen sie bisher nicht ausgesetzt waren. Dies könnte möglicherweise zu Verunsicherungen führen. Für solche Bereiche sind daher perspektivisch hohe harmonisierte Standards anzustreben.

4.2.10. Der Ausschuss fordert daher:

- Die wichtigsten Bestimmungen der Fernabsatzrichtlinie sind auf andere Dienstleistungen auszuweiten und möglichst bald entsprechende Regeln für die genannten Dienstleistungen zu erarbeiten.

- Der Entscheidungsprozess über den Vorschlag einer Fernabsatzrichtlinie Finanzdienstleistungen ist zu beschleunigen. Der Grund liegt vor allem in der Auseinandersetzung im Ministerrat um die Frage der vollständigen Harmonisierung und möglicher Ausnahmen dazu. Wie der Ausschuss in seiner Stellungnahme vom April 1999 bemerkt, ist der Termin für die endgültige Umsetzung auf den 30. Juni 2001 festzulegen.

- In der Fernabsatzrichtlinie Finanzdienstleistungen sollten Mindestanforderungen an Informationen, eine adäquate Cooling-off-Zeit, Beschränkung bestimmter Vertriebsformen und ein einfaches und effektives System der Rückabwicklung geregelt werden.

- Rahmenregelungen sind auch für Bereiche notwendig, welche die Richtlinie zum elektronischen Geschäftsverkehr ausgespart hat. Dazu zählen ein Rahmen für alternative Streitbeilegungsverfahren, Fragen des unfairen Marketings, Kriterien für Initiativen der Selbstregulierung; solche Regelungen könnten die Basis für die Errichtung von "Eurocodes" werden beispielsweise im Bereich des Marketing. Damit könnten die Verbraucher mehr Vertrauen in Initiativen der Selbstregulierung haben.

- Bei Transaktionen mit Verbrauchern sollte die Risiken des Verlustes oder der fehlerhaften Übertragung der bei den Transaktionen anfallenden Daten der Anbieter tragen.

4.3. Verhaltenskodizes und Gütezeichen

4.3.1. Verhaltenskodizes, an denen sich Unternehmen orientieren, sollen dazu beitragen, das Vertrauen der Verbraucher in den elektronischen Handel zu stärken. Um den Binnenmarkt nicht zu behindern, sind vor allem auf Gemeinschaftsebene vergleichbare Standards und Prinzipien zu entwickeln und unter Mitwirkung der Verbraucherverbände und Vertretern von Industrie und Handel zu erarbeiten. Einrichtungen zur Überwachung der Einhaltung der Verhaltenskodizes sind zu fördern.

4.3.2. Um den Verbrauchern auch eine besser Orientierung über die Qualität und Zuverlässigkeit der Anbieter zu geben, kommt als geeignetes Instrument auch die Vergabe von Gütesiegeln an Unternehmen in Betracht. Das Gütesiegel soll dem Verbraucher die Sicherheit geben, im Internet zu kundenfreundlichen Bedingungen einkaufen zu können.

4.3.3. Dabei muss sichergestellt werden, dass sich die Kriterien an einem hohen Niveau orientieren und sich die Anbieter tatsächlich an die Kriterien halten.

4.3.4. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Prüfkriterien und die Zertifizierung unter Mitwirkung der Verbraucherorganisationen und von Vertretern von Industrie und Handel auf internationaler Ebene entwickelt werden sollen, damit die Gütesiegel in einem möglichst weiten Rahmen akzeptiert und verbreitet werden. Nationale Gütesiegel sollten als ein Anstoß für diese Entwicklung gesehen werden. Eine Vielzahl von unterschiedlichsten Zertifizierungen würde eher für Verwirrung als für Klarheit sorgen und das Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen.

4.4. Außergerichtliche Streitbeilegung und Rechtsdurchsetzung

4.4.1. Wenn es bei grenzüberschreitenden Verbrauchergeschäften zu Konflikten zwischen Verbrauchern und Anbietern kommt, ist es für beide Seiten zweckmäßiger, im Vorfeld eventueller gerichtlicher Auseinandersetzungen zu Lösungen zu kommen. Hier kommt beispielsweise einem strukturierten Beschwerdemanagement durch die Anbieter eine wichtige Rolle zu.

4.4.2. Auf zweiter Ebene kommt bei grenzüberschreitenden Verbrauchergeschäften einer fairen und einfachen Streitbeilegung eine wichtige Rolle zu. Dass sich Verbraucher auf grenzüberschreitende Geschäfte einlassen, hängt auch davon ab, ob sie die tatsächlichen Möglichkeiten haben, im Streitfall unter vertretbaren Bedingungen zu ihrem Recht zu kommen. Die Initiativen zur außergerichtlichen Streitbeilegung stellen hier einen wichtigen Beitrag dar.

4.4.3. Der Ausschuss unterstreicht daher die Notwendigkeit, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten rasch grenzübergreifende Mechanismen für die Beilegung von Verbraucherstreitsachen entwickeln. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass solche Verfahren freiwillig gewählt werden, also daher nicht zwingend vor einem Vertragsabschluss zu vereinbaren sind und auch nicht die Möglichkeit eines späteren Gerichtsverfahrens ausgeschlossen wird.

4.4.4. Die Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung sollten in den Mitgliedstaaten ein ähnliches Qualitätsniveau haben. Das dient dem Funktionieren des Binnenmarktes, und auch nur dann werden sie von den Verbrauchern in Anspruch genommen werden. Daher ist es notwendig, auf europäischer Ebene vergleichbare Standards und Prinzipien zu entwickeln. Der Ausschuss regt auch an, für die Akkreditierung oder die Lizenzierung und die Kontrolle Strukturen sicher zu stellen, um vor Missbrauch zu schützen.

4.4.5. Der Ausschuss weist darauf hin, dass in diesem Zusammenhang noch eine Fülle von Fragen zu beantworten sind (anwendbares Recht bei außergerichtlichen Verfahren, angewendete Sprache etc.).

4.4.6. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass das Funktionieren solcher Streitbeilegungsverfahren auch davon abhängt, ob der Konsument zu guter Letzt immer auch die Möglichkeit hat seine Ansprüche vor Gericht anhängig zu machen und durchzusetzen.

4.4.7. Der Zugang zum Recht und sichere Rahmenbedingungen sind wichtige Voraussetzungen für die Akzeptanz des elektronischen Geschäftsverkehrs durch die Verbraucher. Der Rat hat im Dezember 2000 in der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen geklärt, dass Verbraucher bei grenzüberschreitenden elektronischen Geschäften am Ort ihres Wohnsitzes klagen können bzw. zu verklagen sind. Weitere Verbesserungen der grenzüberschreitenden Rechtsdurchsetzung sind jedoch notwendig (Zustellverfahren, Exekution etc.).

4.4.8. Der Ausschuss erkennt die Notwendigkeit an, Verbraucherschutz auf hohem Niveau zu gewährleisten, weist jedoch darauf hin, wie wichtig es ist, eine Fragmentierung des Marktes für elektronischen Geschäftsverkehr in der EU durch eine Flut von nationalen Regelungen, die Beschränkungen für Wettbewerb und Innovation bedeuten, zu vermeiden.

4.5. Wettbewerb

Die Marktstrukturen für den elektronischen Handel entwickeln sich sehr dynamisch. Durch "lock in" Effekte und Netzeffekte können oligopolistische oder monopolistische Strukturen rasch entstehen. Hier spielt der Faktor Zeit eine größere Rolle wie in anderen Branchen. Dies stellt die Wettbewerbspolitik vor neue Aufgaben. Mit Wachsamkeit sind daher die neuen Entwicklungen zu beobachten.

4.5.1. Auf europäischer Ebene sind die Wettbewerbsbedingungen dafür zu schaffen, dass die kleinen, im Allgemeinen für die Bedürfnisse der Nutzer aufgeschlossenen Internetbetreiber auch überleben können und damit eine ausgewogene Entwicklung des Sektors vorgenommen wird.

4.5.2. Voraussetzung ist, dass auf all jenen Ebenen eine ausreichende Anzahl von Marktteilnehmern vorhanden ist und diese im freien Wettbewerb zueinander stehen. Diese Ebenen umfassen nicht nur die Anbieter von Internetdienstleistungen sondern insbesondere auch Anbieter von Internetinfrastrukturen.

4.5.3. Die europäische Wettbewerbspolitik muss sich hierbei neuen Herausforderungen stellen:

- Produkte und Dienstleistungen werden mit Hilfe des Internet oft über duale Vertriebssysteme angeboten, den virtuellen Markt sowie den traditionellen Markt. Die Abgrenzung des relevanten Marktes ist zunehmend erschwert und bedarf nachvollziehbarer Beurteilungskriterien und einer engen Kooperation mit Wettbewerbsbehörden auf allen Kontinenten.

- Über B2B Platforms werden Informationen über Preise, Rohmaterialien, Mengenangaben, etc. ausgetauscht. Die Wettbewerbsbehörden stehen vor der schwierigen Aufgabe, zu klären inwieweit dadurch wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen sowie ein unerlaubtes Abstimmungsverhalten begründet werden.

- Die Marktteilnehmer im Internetgeschäft tendieren aufgrund des Netzwerkeffektes und des massiven Investitionsbedarfs stärker zu Konzentrationen und zur Bildung von dominanten Marktpositionen als traditionelle Märkte. Dies gilt nicht nur für Anbieter von Dienstleistungen sondern insbesondere für Anbieter von Internetinfrastrukturen bzw. sogenannte "contentprovider".

- So wird z. B. die Netzwerkinfrastruktur des Internet bereits jetzt global nur mehr von nur wenigen Unternehmen beherrscht, die Fusionsüberlegungen anstellen. Darüber hinaus sind diese Netzwerkinfrastrukturen auf die Netze in den USA zentriert, und ein großer Teil des Transeuropäischen Internetverkehrs wird über US-Netzwerke geroutet. Europäische Konsumenten sowie Unternehmen sind dabei hinsichtlich Sicherheit und Zuverlässigkeit auf transatlantische Verbindungen angewiesen.

- Wettbewerbsbehörden müssen gewährleisten, dass jene Gruppe von Marktteilnehmern, welche die Industriestandards für den elektronischen Handel festsetzen, diese nicht zu ihrem eigenen Vorteil missbrauchen oder dadurch eine dominante Marktstellung erlangen.

- Fundamentale Bedeutung haben hierbei die Organisation und das Management des Internet. Die Europäische Union muss sich im Interesse von europäischen Konsumenten und Unternehmen mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit europäische Wettbewerbsbehörden einen Einfluss auf eine wettbewerbsneutrale Organisation des Internet ausüben können.

4.6. Sichere und billige Zahlungssysteme

4.6.1. Ein funktionierender, billiger und sicherer Zahlungsverkehr ist eine essentielle Grundlage für das Funktionieren eines Binnenmarktes im elektronischen Geschäftsverkehr. In einigen Staaten fehlt von Seiten der Konsumenten vielfach das Vertrauen in Zahlungen mit der Kreditkarte. Allerdings hat die europäische Gesetzgebung dazu beigetragen, dass dieses Vertrauen gestärkt werden kann. Durch die Fernabsatzrichtlinie ist nun gewährleistet, dass bei betrügerischen Handlungen (betrügerische Benutzung von fremden Kreditkarten oder Kreditkartennummern) durch Unberechtigte, das Risiko die Kreditkartenunternehmen zu tragen haben.

4.6.2. Darüber hinaus werden sogenannte prepayed cards den Verbrauchern die Möglichkeit einer anonymen Zahlungsweise geben. Es werden damit auch neue Verbrauchergruppen (Jugendliche) erschlossen, denen der elektronische Geschäftsverkehr wegen eines fehlenden Zugangs zu Zahlungsmitteln (Kreditkarten) verschlossen blieb.

4.6.3. Forderungen und Empfehlungen des Ausschusses

- Für die Bezahlung von kleineren Beträgen sind erst die geeigneten Zahlungsmittel zu entwickeln.

- Die Kosten bei grenzüberschreitenden Banküberweisungen sind zu hoch. Darauf hat die Kommission in einer Erhebung (März 2000) hingewiesen. Grenzüberschreitende Kleinbetragszahlungen müssen ehebaldigst schneller werden und die Gebühren für die Endkunden deutlich gesenkt werden.

- Regelungen, die die "Smart Cards" betreffen (z. B. welche Daten dürfen gespeichert werden) sind notwendig.

- Sichere Standards im Bereich des Zahlungsverkehrs mit Kreditkarten werden zwar angeboten (SET), werden jedoch z. Z. von den Unternehmungen (zum Teil wegen der hohen Kosten) kaum genutzt.

- Die Kommission wird aufgefordert, einheitliche Regeln zu schaffen, was die Beweislast bei betrügerischen Handlungen mit Kreditkarten und Kreditkartennummern und was die Kriterien der Rückerstattung von Beträgen betrifft. Darüber hinaus sind Regeln notwendig über die Rückabwicklung von Zahlungen durch die Kartenfirmen für die Fälle, in denen der Vertrag vom Anbieter nicht ordentlich erfuellt worden ist (Nichtlieferung oder Falschlieferung).

4.7. Anpassung des Steuersystems

4.7.1. Durch den grenzüberschreitenden elektronischen Handel werden bestehende Steuerhindernisse und Verzerrungen immer sichtbarer. Dabei nimmt der Wettbewerb zwischen den Steuersystemen zu. Dies trifft vor allem auf die Mehrwertsteuer zu.

4.7.2. Die Kommission hat nun in einem Vorschlag für Verordnungen (KOM(2000) 349 endg.) eine Neuregelung der Besteuerung des indirekten elektronischen Handels vorgestellt.

4.7.2.1. Für den Fall, dass Privatpersonen Waren zwar über elektronische Netze kaufen, dann aber in herkömmlicher Weise beliefert werden, wird keine Notwendigkeit einer Regelung gesehen. Für diese Fälle besteht kein umsatzsteuerliches Sonderproblem, dass ohne E-Commerce nicht auch bestuende.

4.7.2.2. Für den Fall der Online-Lieferung digitaler Produkte, vor allem an Endverbraucher, wird eine Neuregelung vorgesehen. Elektronische Lieferungen werden als Erbringung von Dienstleistungen behandelt. Wenn diese von Unternehmen mit Sitz in einem Drittland für einen Kunden in der Gemeinschaft erbracht werden, erfolgt die Besteuerung in der EU.

4.7.3. Der Ausschuss ist der Meinung, dass die Festlegung eines internationalen kompatiblen staatlichen Rahmens für den elektronischen Geschäftsverkehr dringend notwendig ist. Der bestehende Wettbewerbsnachteil europäischer Unternehmen gegenüber Unternehmen aus Drittstaaten ist zu beseitigen. Diese Notwendigkeit ergibt sich sowohl aus der Gefahr der Steuererosion des Budgets als auch zur Vermeidung eines schädlichen Steuerwettbewerbs, der die Position der Europäischen Union innerhalb des Welthandelssystems schwächen könnte. Der Ausschuss begrüßt daher die vorgelegten Vorschläge der Kommission zur mehrwertsteuerlichen Behandlung des elektronischen Handels. Der Ausschuss ist auch der Ansicht, dass durch steuerliche Regelungen des elektronischen Geschäftsverkehrs der stationäre Handel nicht benachteiligt werden darf.

4.8. Zugang und Zugangskosten

4.8.1. Wie rasch sich die Nutzung der elektronischen Instrumente für die Kommunikation und den Geschäftsverkehr ausbreitet, ist auch eine Frage der Kosten. In manchen Ländern stehen die im Vergleich zu anderen Ausgaben einer Durchschnittsfamilie noch zu hohen Preise für den Zugang, Erwerb, Anschluss und Betrieb der einschlägigen Geräte einer rascheren Ausbreitung entgegen. Der Gefahr einer Spaltung der Gesellschaft (digital divide) muss begegnet werden.

4.8.2. Ob sich diese Gefahren verhindern lassen, hängt von der Überwindung verschiedener Hindernisse ab. Hindernisse, die vor allem diejenigen treffen, die potentiell einen großen Nutzen von der neuen Technik und dem elektronischen Geschäftsverkehr haben sollten: ältere Menschen, Kranke und Behinderte.

4.8.3. Sowohl bei den EDV-Geräten als auch bei der Entwicklung der entsprechenden Programme bleibt im Hinblick auf die europäische Forschung noch viel zu tun. So ließen sich beispielsweise manche bisher noch unüberwindbare Hürden wie der Gebrauch der englischen Sprache, der vor allem in den romanischen Ländern abschreckend wirkt, aus dem Wege räumen. Hier könnten schnelle und zuverlässige automatische Übersetzungssysteme das Problem schwer verständlicher Vertragsklauseln lösen, die vielen Käufern zum Fallstrick zu werden drohen.

4.8.4. Von besonderer Bedeutung ist der Zugang zu Infrastruktur und Diensten. Zusammenschaltung von Netzen ist in diesem Zusammenhang wichtig für die Entwicklung des Wettbewerbs und Interoperabilität der Dienste.

4.8.5. Regelungen hinsichtlich des Zugangs und der Zusammenschaltung stellen wesentliche Rahmenbedingungen sowohl für Neueintritte als auch für bereits am Markt befindliche Marktteilnehmer hinsichtlich ihrer Investitionsentscheidungen dar. Daher ist in diesem Bereich ein hohes Maß an Rechtssicherheit von eminenter Wichtigkeit. Aufgrund der spezifischen Situation auf dem Kommunikationsmarkt ist es erforderlich, auch Marktteilnehmer, die über keine "beträchtliche" Marktmacht verfügen, in einem gewissen Ausmaß einer Regelung zu unterwerfen, um einen fairen Wettbewerb auf allen Ebenen des Marktes zu gewährleisten. Dies betrifft insbesondere die Pflicht zur Aushandlung von Zusammenschaltung und Zugang.

4.8.6. Empfehlungen des Ausschusses:

- Wenn der Markt den Zugang zu Infrastruktur und Diensten nicht garantiert, müssen von der Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden.

- Der Ausschuss ist der Ansicht, dass der erschwingliche Zugang zu Kommunikation und elektronischen Geschäftsverkehr mit einem Bündel von Maßnahmen sicherzustellen ist. Dazu zählen gezielte Förderungsmassnahmen, Angebote der Telefongesellschaften (z. B. Mietgeräte) und mehr Wettbewerb, was den Zugang zu den Ortsnetzen betrifft.

- Von der EU-Kommission wurde ein Vorschlag für eine Verordnung vorgestellt, die vorschreibt, den Zugang zum Kunden zu entbündeln. Dadurch sollte mehr Wettbewerb in diesem Bereich geschaffen werden. Es sollte jedoch auch bedacht werden, dass keine Störungen und Kapazitätsengpässe durch diese Regelung entstehen.

- Die Tatsache, dass die Preise für Mietleitungen noch immer relativ hoch sind, machen Maßnahmen dringend notwendig - vor allem auf nationaler Ebene. Wenn dies zu keinem Erfolg führt, sind auf europäischer Ebene die Wettbewerbsregeln striktest anzuwenden.

- Angesichts der technologischen Entwicklung und der Konvergenz der Dienste ist das Universaldienstkonzept immer dahingehend zu überprüfen, ob es jeweils den aktuellen Anforderungen entspricht. Es sind daher von der Kommission Kriterien im Hinblick auf die Ausdehnung des Universaldienstes in der gemeinschaftlichen Gesetzgebung sowie Mechanismen für regelmäßige Überprüfungen angesichts des dynamischen und fortschreitenden Charakters des Universaldienstkonzepts vorzuschlagen. Der Ausschuss ist des weiteren der Ansicht, dass bei einer eventuellen Erweiterung der Definition und des Spektrums des Universaldienstes auch die schnellen Internetdienste zu erfassen sind.

4.9. Privatsphäre und Schutz personenbezogener Daten

Einer der Gründe, warum die Verbraucher den elektronischen Geschäftsverkehr vielfach nur zögernd annehmen, ist die Furcht, dass durch Aktivitäten im Internet die Privatsphäre gefährdet und beeinträchtigt ist. Durch den elektronischen Geschäftsverkehr wird eine Unzahl von Daten gesammelt und verarbeitet. Datenspuren werden verfolgbar. Die Richtlinie (1995/46/EG) über den Schutz von Personendaten bietet ein Rahmenwerk, um sowohl einen adäquaten Datenschutz als auch den freien Datenverkehr innerhalb der EU zu gewährleisten.

4.9.1. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass der Datenschutz nicht immer funktioniert. Unfaire Datensammlung und die Erstellung von Verbraucherprofilen kommen immer wieder vor. Das Recht auf Schutz der Privatsphäre darf jedoch nicht verletzt werden, und deshalb müssen die Angaben über persönliche Daten auf diejenigen begrenzt werden, die für Transaktionen und die betroffenen Unternehmen absolut erforderlich sind.

4.9.2. Auch im Hinblick auf die Verwendung von "Cookies", die als Zugangsvoraussetzung zu zahlreichen Websites verschickt werden (und zur Sammlung von Informationen über die Gewohnheiten des Benutzers dienen), kann die Privatsphäre erheblich beeinträchtigt werden.

4.9.3. Aus diesem Grund fordert der Ausschuss

- Die Gemeinschaft muss dem Datenschutz höchste Priorität zuweisen.

- Die Kommission soll die Mitgliedstaaten ermutigen die Umsetzung des Datenschutzes zu forcieren.

- Die Kommission soll Initiativen fördern, die dieses Thema öffentlich bewusst machen.

- Die Verbraucher müssen unterstützt werden, um den Datenfluss kontrollieren zu können.

- Eine Anpassung der Datenschutzrichtlinie Telekom an die neuen technischen und ökonomischen Gegebenheiten ist notwendig, um den Datenschutz auch für alle Formen der modernen Kommunikation zu gewährleisten (vom Datenschutz beim Telefonieren zum Datenschutz bei der Übertragung von Kommunikation im Allgemeinen; Lokationsdaten, den Zugriff auf Vermittlungsdaten zu Werbezwecken restriktiv halten; Regelungen für electronic profiling).

Brüssel, den 24. Januar 2001.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

(1) KOM(2000) 384, KOM(2000) 385, KOM(2000) 386, KOM(2000) 392, KOM(2000) 393, KOM(2000) 394, KOM(2000) 407.

(2) Mitteilung der Kommission: Strategien für Beschäftigung in der Informationsgesellschaft [KOM(2000) 48 endg.].

Top