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Document 52001DC0745

    Grünbuch über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates

    /* KOM/2001/0745 endg. */

    52001DC0745

    Grünbuch über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates /* KOM/2001/0745 endg. */


    GRÜNBUCH über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates

    (von der Kommission vorgelegt)

    INHALTSVERZEICHNIS

    GRÜNBUCH über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates

    GRÜNBUCH über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates

    ZUSAMMENFASSUNG

    I. EINLEITUNG

    II. FRAGEN DER ZUSTÄNDIGKEIT

    A. Gemeinschaftsweite Bedeutung

    1. Hintergrund

    2. Zusammenfassung der Fragestellungen

    3. Würdigung der Änderungsmöglichkeiten betreffend Artikel 1 Absatz 3

    a) Änderungen der fünf Kriterien des Artikels 1 Absatz 3 versprechen keine wesentliche Verbesserung

    b) Keine wesentliche Verbesserung durch eine Änderung des Artikels 22 (keine Änderung ohne Rechtsangleichung)

    c) Automatische Zuständigkeit der Gemeinschaft für Fälle, die der Mehrfachanmeldung unterliegen

    d) Abschließende Feststellung zu den Änderungsmöglichkeiten betreffend Artikel 1 Absatz 3

    4. Fallzuweisung in der Gemeinschaft nach ihrer Erweiterung - eine langfristige Perspektive

    B. Verweisung an die Mitgliedstaaten (Artikel 9)

    1. Hintergrund

    2. Kernprobleme

    3. Mögliche Änderungen

    a) Vereinfachung der Verweisungskriterien:

    b) Verweisung von Amts wegen:

    c) Fristen:

    C. Gemeinsame Verweisungen an die Kommission - Artikel 22 Absatz 3

    1. Verfahrensrechtliche Schwachstellen des Artikels 22 Absatz 3

    2. Systeminhärente Schwächen des Artikels 22 Absatz 3

    3. Schlussfolgerung bezüglich Artikel 22 Absatz 3

    D. Der Begriff des "Zusammenschlusses": Problempunkte

    1. Minderheitsbeteiligungen

    2. Strategische Allianzen

    3. Artikel 2 Absatz 4

    4. Teilfunktions-Gemeinschaftsunternehmen im Produktionsbereich

    5. Verbundene Erwerbsvorgänge

    6. Bereitstellung von Wagniskapital - Artikel 3 Absatz 5

    7. Konvergenz zwischen dem Begriff der "Kontrolle" und dem Begriff der "Unternehmensgruppe"

    8. Gesamtschau

    III. MATERIELLRECHTLICHE FRAGEN

    A. Die materiellrechtliche Prüfung

    B. Fusionsspezifische Effizienzvorteile

    C. Vereinfachtes Verfahren

    IV. VERFAHRENSRECHTLICHE FRAGEN

    A. Das die Anmeldepflicht begründende Ereignis

    B. Aufschub des Vollzugs

    C. Berechnung der Fristen

    D. Effiziente Verwaltung

    E. Vollständigkeit der Anmeldung

    F. Verpflichtungszusagen im Rahmen der Fusionskontrolle

    1. Änderung des geltenden Verfahrens

    G. Artikel 8 Absatz 4

    H. Durchführungsvorschriften

    I. Anmeldegebühren

    J. Verfahrensrechte und Kontrollmechanismen

    V. AUFFORDERUNG ZUR STELLUNGNAHME

    ANHANG

    GRÜNBUCH

    über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates

    ZUSAMMENFASSUNG

    Die Fusionskontrollverordnung soll revidiert werden, damit sie auch weiterhin unter den sich wandelnden wirtschaftlichen und politischen Bedingungen sowohl auf europäischer als auch auf weltweiter Ebene ein effizientes Fusionskontrollinstrument bleibt. Nach zehnjähriger erfolgreicher Anwendung der Verordnung wird mit den Revisionsvorschlägen beabsichtigt, den Herausforderungen zu begegnen, die sich aus weltweiten Fusionen, der Währungsunion, der Marktintegration, der Erweiterung und der Notwendigkeit zur Zusammenarbeit mit den anderen zuständigen Behörden ergeben. Nach Auffassung der Kommission sollte sich die Revision auf die Grundsätze stützen, die der Fusionskontrollverordnung zugrunde liegen, insbesondere auf die Notwendigkeit, eine effektive, effiziente, faire und transparente Fusionskontrolle auf der in Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip in jedem Einzelfall zweckmäßigsten Ebene zu gewährleisten.

    Fragen der Zuständigkeit

    Gemeinschaftsweite Bedeutung

    Die Kommission hat die Funktionsweise der Fusionskontrollverordnung überprüft und festgestellt, dass sowohl die Schwellenwerte in Artikel 1 Absatz 2 als auch die Zwei-Drittel-Regel zufriedenstellend funktionieren. Während die Artikel 1 Absatz 3 zugrunde liegende Regel (wonach sich die Kommission um Fälle kümmern sollte, die drei oder mehr Mitgliedstaaten betreffen) ihre Gültigkeit behält, konnte allerdings mit den Zuständigkeitskriterien dieser Vorschrift - wie ursprünglich beabsichtigt - das Problem der Mehrfachanmeldungen dennoch nicht gelöst werden. Fälle, die für die Gemeinschaft von Bedeutung sind, müssen also immer noch in mehreren EU-Ländern angemeldet und untersucht werden. Besondere Sorge bereitet in diesem Zusammenhang die tendenzielle Zunahme der Mehrfachanmeldungen in drei oder mehr Mitgliedstaaten sowie die Tatsache, dass sich diese Tendenz nach der Erweiterung der Gemeinschaft voraussichtlich noch verstärken wird. Der Vorschlag der Kommission betrifft daher vor allem die Änderung des Artikels 1 Absatz 3 und dessen Anwendbarkeit, bevor die Gemeinschaft erweitert wird.

    Nachdem die Kommission die Wahl mehrerer anderer Schwellenwerte in ihrer Verbindung mit anderen Erfordernissen des Artikels 1 Absatz 3 untersucht hat, läd sie zur Stellungnahme über die Möglichkeit, eine automatische Gemeinschaftskompetenz für Fälle einzuführen, die Gegenstand von Mehrfachanmeldungen in drei oder mehr Mitgliedstaaten sind, ein.

    Die Artikel 9 und 22 über Verweisungen sind weiterhin wichtig, da sie bei der Kompetenzzuweisung im Bereich der EU-Fusionskontrolle eine gewisse Flexibilität gewährleisten. Die Kommissionsuntersuchung hat ergeben, dass eine Vereinfachung des Tests, auf den sich ein Verweisungsantrag nach Artikel 9 stützen muss, generell begrüßt wird, wobei z.B. auf den Nachweis verzichtet werden soll, dass die Gefahr der Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung besteht und/oder dass der betreffende Markt keinen "wesentlichen" Teil des Gemeinsamen Marktes ausmacht. Auf diese Weise könnten Fälle, deren Wirkungen nicht über die nationalen Grenzen hinausgehen, schneller verwiesen und die Verfahren somit beschleunigt werden. Desgleichen wird vorgeschlagen, dass die Kommission aus eigener Initiative Fälle an die Mitgliedstaaten verweisen kann, wenn die Verweisungskriterien erfuellt werden. Die Vorschriften des Artikels 22 über die Verweisung von Fällen an die Kommission durch die Mitgliedstaaten sollten analog geändert werden.

    Der Begriff des Zusammenschlusses

    Aufgrund der bisher gemachten Erfahrungen und der Entwicklungen der Geschäftspraktiken werden für den Begriff des Zusammenschlusses in Artikel 3 der Fusionskontrollverordnung mehrere mögliche Anpassungen vorgeschlagen. Trotz der etwaigen strukturellen Auswirkungen von Minderheitsbeteiligungen und strategischen Bündnissen ist eine Abgrenzung, die ausreichende Rechtssicherheit verschafft, schwierig. Hinsichtlich der kooperativen Vollfunktions-GU in Artikel 2 Absatz 4 wird gegenwärtig die Auffassung vertreten, dass noch mehr Erfahrungen gesammelt werden müssen, bevor an eine Änderung zu denken ist, und dass vorläufig kein überzeugendes Argument dafür spricht, die Fusionskontrollverordnung auf produktive Teilfunktions-GU auszudehnen. Hingegen wird vorgeschlagen, die gegenwärtigen Vorschriften über verbundene Transaktionen zu ändern, um eine konsequentere und effizientere Anwendung der Fusionskontrollvorschriften auf drei besondere Transaktionsarten zu gewährleisten. Außerdem werden Fragen in Bezug auf die Anwendbarkeit der Fusionskontrollverordnung auf bestimmte Arten von Risikokapitaltransaktionen aufgeworfen. In demselben Abschnitt wird abschließend untersucht, ob der Gruppenbegriff in Artikel 5 Absatz 4 auf den Kontrollbegriff in Artikel 3 Absatz 3 abgestellt werden sollte.

    Materiellrechtliche Fragen

    Die materiellrechtliche Prüfung

    Das Grünbuch eröffnet die Debatte über die Vorteile des "Marktbeherrschungstests" in Übereinstimmung mit der Fusionskontrollverordnung und die Vorteile des von den zuständigen Behörden in manchen anderen Ländern verwendeten Tests, anhand dessen eine "wesentliche Verminderung des Wettbewerbs" nachgewiesen wird. Wert und Wirksamkeit des Marktbeherrschungstests werden anerkannt; im Übrigen wird dieser Test unabhängig von jedweder tatsächlichen Rechtsangleichung bereits in großem Maßstab weltweit angewandt. Doch könnte eine Revision des Verordnungstexts in diesem Punkte wünschenswert sein, speziell um zu gewährleisten, dass Wettbewerbsbehörden, die großes Gewicht haben, denselben Test anwenden, oder um eine ausdrücklichere gesetzliche Grundlage für Effizienzerwägungen zu schaffen.

    Vereinfachtes Verfahren

    Es werden Vorschläge unterbreitet, die der erfolgreichen und reibungslosen Anwendung der Bekanntmachung der Kommission aus dem Jahre 2000 über ein vereinfachtes Verfahren Rechnung tragen würden. Insbesondere wird vorgeschlagen, diese Praxis möglicherweise in einer "Gruppenfreistellungsverordnung" zu konsolidieren, was den Vorteil hätte, bei wettbewerblich unbedenklichen Vorhaben die gesetzlichen Verpflichtungen noch weiter abzubauen und die für die Bearbeitung verfügbaren Ressourcen auf die Fälle zu konzentrieren, die einer gründlicheren Überprüfung bedürfen.

    Verfahrensfragen

    Verpflichtungszusagen

    Der wichtigste Vorschlag im Bereich der Verfahren betrifft die Neufestlegung der Fristen für die Vorlage und Erörterung der Verpflichtungszusagen in der ersten und in der zweiten Untersuchungsphase, damit alle Beteiligten mehr Zeit für fundierte Beiträge erhalten. Es wird insbesondere auf Antrag der Parteien die Möglichkeit einer Fristunterbrechung vorgeschlagen, um zu vermeiden, dass sich das Verfahren automatisch verlängert.

    Rechtliches Gehör

    Außerdem werden die verschiedenen für das rechtliche Gehör bei Fusionskontrollverfahren relevanten Aspekte beschrieben, zu denen auch die neuen Vorschriften über den Umgang mit Verpflichtungszusagen gehören würden. In diesem Zusammenhang wird die Wirksamkeit der gerichtlichen Revision besprochen und wird zu sämtlichen Fragen um Kommentare gebeten.

    Andere Verfahrensfragen

    Im Übrigen werden noch andere verfahrensrelevante Fragen untersucht. Insbesondere werden die gegenwärtigen Praktiken in bezug auf das die Anmeldung auslösende Ereignis und die Anmeldefristen sowie die "Stillhaltepflicht" (Artikel 7) erörtert. Was die Anmeldung betrifft, so wird außerdem um Kommentare zur elektronischen Anmeldung, zur direkten Vorlage von Kopien der Anmeldungen bei den Mitgliedstaaten durch die Parteien, zur Frage der Anmeldegebühren und zu den Modalitäten für die Erklärung betreffend der Unvollständigkeit einer Anmeldung gebeten. Die Debatte erstreckt sich auch auf bestimmte Aspekte der Anwendung des Artikels 8 Absatz 4 und die nochmalige Prüfung der Durchsetzungsverfahren angesichts des "Modernisierungsvorschlags" zur Durchführung der Verordnung Nr. 17. Abschließend werden Überlegungen über die Berechnung der Fristen nach Arbeitstagen angestellt.

    Aufforderung zur Abgabe von Stellungnahmen

    Alle interessierten Kreise werden hiermit aufgefordert, der Kommission bis spätestens 31. März 2002 ihre Bemerkungen zu allen im Grünbuch angesprochenen Fragen sowie zu anderen über die Verbesserung der Fusionskontrolle in Europa wichtigen Fragen zu übermitteln.

    I. EINLEITUNG

    1. Die Verordnung Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen ("die Fusionskontrollverordnung") wurde am 21. Dezember 1989 angenommen und trat am 21. September 1990 in Kraft. Sie enthält Vorschriften für große Zusammenschlüsse, deren Auswirkungen auf den Markt vermutlich über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaates hinausgehen.

    2. Die Fusionskontrollverordnung ist in den ersten zehn Jahren ihrer Anwendung überaus begrüßt worden, weil sie für eine effiziente Fusionskontrolle auf europäischer Ebene sorgt. Kurze, streng verbindliche Fristen waren und bleiben ein Schlüsselelement der Verordnung. Die Kommission hält die Verordnung auch in Zukunft angesichts der fortschreitenden Marktintegration in Europa für ein zweckmäßiges Regelwerk, das die besondere Eigenschaft der Anpassungsfähigkeit an die neuen wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Entwicklungen sowohl auf europäischer als auch auf weltweiter Ebene besitzt.

    3. Die Fusionskontrollverordnung ging von der Annahme aus, dass die Errichtung des Binnenmarkts zu größeren grenzüberschreitenden Umstrukturierung der Unternehmen führen würde und gleiche Bedingungen notwendig waren, um zu gewährleisten, dass derartige Vorgänge dem Wettbewerb nicht auf Dauer schaden würden. Die gleichen Bedingungen bestanden darin, dass für alle Zusammenschlüsse mit signifikanten grenzüberschreitenden Wirkungen dieselben Anmeldeerfordernisse sowie Verfahrens- und Rechtsvorschriften gelten würden.

    4. Deswegen erhielt die Kommission für "Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung" die alleinige Zuständigkeit. Sie sollte für diese Zusammenschlüsse die einzige Anlaufstelle sein. Hiermit wurde ein doppelter Zweck verfolgt. Erstens steht hinter diesem Grundsatz die auf Subsidiaritätserwägungen beruhende Erkenntnis, dass die Fusionskontrolle auf Gemeinschaftsebene insofern gerechtfertigt ist, als ein einzelner Mitgliedstaat nicht in der Lage ist, für derartige Transaktionen aufgrund ihres grenzüberschreitenden Umfangs und der hieraus resultierenden Wirkungen eine umfassende Lösung zu finden. Zweitens vereinfachen sich hierdurch die Verwaltungsverfahren, so dass die Kosten der Fusionskontrolle sowohl für die Wettbewerbsbehörden als auch für die Unternehmen auf ein Mindestmaß reduziert werden.

    5. Seit Annahme der Fusionskontrollverordnung ist die Zahl der Mitgliedstaaten in der Europäischen Union von zwölf auf fünfzehn gestiegen. Die Marktintegration schreitet voran. Seit Inkrafttreten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Jahre 1994 erstreckt sich die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Kommission für Zusammenschlüsse von Unternehmen, die die Umsatzschwellen erreichen, auf das gesamte EWR-Gebiet. Die Schaffung der Währungsunion im Jahre 1999 war erneut ein Anlass zu grenzüberschreitenden Umstrukturierung der europäischen Unternehmen.

    6. Inzwischen besteht die Aussicht, dass die Europäische Union ab 2004 wesentlich mehr Mitgliedstaaten zählen wird, während die Währungsunion mit der für 2002 geplanten Einführung des Euro ihrer Vollendung entgegensieht. Gleichzeitig beschleunigt sich die Entwicklung weltweiter oder gar globaler Unternehmen und Märkte.

    7. Parallel hierzu wird die Vorfusionskontrolle weltweit in einer ständig steigenden Zahl von Ländern praktiziert, woraus sich steigende Kosten für Mehrfachanmeldungen ergeben.

    8. Seit 1990 sind bei der Kommission (bis Juli 2001) rund 1800 Zusammenschlussvorhaben angemeldet worden. Dies ist aber nur ein Bruchteil sämtlicher Transaktionen, die während desselben Zeitraums bei den nationalen Wettbewerbsbehörden in der EU angemeldet wurden [1]. Seit 1990 sind in vielen Mitgliedstaaten und auch in Bewerberländern Fusionskontrollvorschriften eingeführt (oder bereits bestehende geändert) worden. Somit haben viele einzelstaatliche Fusionskontrollsysteme die Grundsätze der Fusionskontrollverordnung weitgehend integriert. Trotz dieser "zwanglosen Harmonisierung" bestehen aber noch mehr oder weniger große Unterschiede insbesondere verfahrensrechtlicher Natur.

    [1] Im Jahre 2000 sind insgesamt 3021 Anmeldungen den nationalen EU-Wettbewerbsbehörden eingegangen, im Vergleich dazu sind der Kommission dieses Jahr 345 Anmeldungen zugegangen.

    9. Deswegen empfiehlt es sich, das gesamte europäische Fusionskontrollsystem zu revidieren, damit die Kommission und die einzelstaatlichen Behörden allein und zusammen ihre Ressourcen für den Schutz des Wettbewerbs in der Gemeinschaft optimal einsetzen können und damit gleichzeitig den Unternehmen nicht unnötige Kosten aufgebürdet werden und die Rechtssicherheit erhöht wird. Letzteres gilt insbesondere für mittlere Unternehmen, die wegen ihrer begrenzten Größe die gegenwärtigen Umsatzschwellen der Fusionskontrollverordnung nicht erreichen, dennoch aber der Verpflichtung unterliegen, ihre Vorhaben in mehreren Ländern anzumelden.

    10. Die in den ersten zehn Anwendungsjahren der Verordnung gesammelte Erfahrung lässt außerdem erkennen, dass sowohl hinsichtlich der Tragweite als auch hinsichtlich der Funktionsweise der Verordnung gewisse Verbesserungen möglich wären. Unter dem Aspekt der Tragweite wurde einer der Grundbegriffe, insbesondere der des "Zusammenschlusses", aus unterschiedlicher Sicht nochmals untersucht. Ebenso wurden die Verfahrensvorschriften der Verordnung erneut überprüft. In diesem Bereich scheinen sich mehrere Lösungen anzubieten, um sowohl die Wirksamkeit dieser Vorschriften als auch die Rechtssicherheit der hiervon Betroffenen zu erhöhen.

    11. Die Fusionskontrolle beruht seit Annahme der Verordnung im Jahre 1989 auf dem Grundsatz, dass Zusammenschlüsse unter dem Gesichtspunkt der Marktbeherrschung gewürdigt werden: Zusammenschlüsse, die eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken, sollten demnach für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar (und folglich für unzulässig) erklärt werden. Generell hat sich dieses Beurteilungskriterium zur Vermeidung potenzieller Wettbewerbsprobleme als effizient erwiesen. Tatsächlich sind viele andere Wettbewerbsbehörden diesem Beispiel gefolgt und haben dasselbe Beurteilungskriterium rechtlich verankert. Der andere Fusionskontrolltest, der von mehreren bedeutenden Wettbewerbsbehörden angewandt und gegenwärtig in einigen Mitgliedstaaten in Erwägung gezogen wird, stützt sich auf das Kriterium der beträchtlichen Verminderung des Wettbewerbs. Manchen Beobachtern zufolge ist die generelle Nichtharmonisierung der Beurteilungskriterien für Zusammenschlüsse ein Problem. Angesichts des Erfahrungsschatzes, der inzwischen auf dem Gebiet der Anwendung des Beherrschungskriteriums vorliegt, ergreift die Kommission daher hier die Gelegenheit, eine größere Debatte über die Vorteile der beiden Tests zu eröffnen, zumal der Wunsch besteht, zu einer größeren globalen Konvergenz der Fusionskontrollvorschriften zu gelangen.

    12. In diesem Kontext sollten auch die Verordnungsvorschriften überprüft werden, die mit dem rechtlichen Gehör in Verbindung stehen. Dieser Aspekt erstreckt sich auf mehrere Fragen, die die Untersuchung, die Annahme von Entscheidungen und das Recht auf gerichtliche Überprüfung betreffen. Im Übrigen wird Transparenz in jeder Stufe des Verfahrens als überaus wichtig angesehen.

    13. Diese Revision der Fusionskontrolle ergänzt die vorangegangene Revision der Verordnung 17 (über die Verbesserung der Antitrust-Regeln der Artikel 81 und 82 des EG Vertrages) [2]. Jedoch besteht ein fundamentaler Unterschied zwischen den beiden Systemen, nämlich die Tatsache, dass die Kommission exklusive Kompetenz über Zusammenschlüsse mit gemeinschaftsweiter Dimension besitzt, während die Kompetenz im Bereich der Antitrust-Regeln zwischen der Kommission und der Mitgliedstaaten geteilt ist; und in der Tat schlägt die Kommission vor, diese parallele Kompetenz zu verstärken. Ungeachtet dieses Unterschiedes wird die Revision der Verordnung 17 besonders berücksichtigt, was es ermöglicht, dass beide Revisionen Teil einer umfassenden Modernisierung des europäischen rechtlichen Rahmens im Bereich Wettbewerb werden.

    [2] Siehe Kommissionsvorschlag vom 27.9.2000 für eine Verordnung des Rates zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag niedergelegten Wettbewerbsregeln und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 1017/68, (EWG) Nr. 2988/74, (EWG) Nr. 4056/86 und (EWG) Nr. 3975/87, KOM(2000) 582 endg.

    14. Sowohl um dem Erfahrungsschatz Rechnung zu tragen als auch um die europäische Fusionskontrolle auf die Herausforderungen der kommenden Jahre vorzubereiten, ist es daher notwendig, einen Reformprozess einzuleiten. Nach Auffassung der Kommission sollte sich die Reform auf die Grundsätze stützen, die der Fusionskontrollverordnung zugrunde liegen, insbesondere auf die Notwendigkeit, eine effektive, effiziente, faire und transparente Fusionskontrolle auf der in jedem Einzelfall zweckmäßigsten Ebene zu gewährleisten.

    II. FRAGEN DER ZUSTÄNDIGKEIT

    ZUSAMMENSCHLÜSSE VON GEMEINSCHAFTSWEITER BEDEUTUNG

    15. Die Kommission ist aufgrund der Fusionskontrollverordnung für Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung allein zuständig. Die Verordnung geht davon aus, dass derartige Zusammenschlüsse Marktauswirkungen haben, die die Grenzen eines Mitgliedstaats überschreiten (Erwägungsgrund 9).

    16. Hinter der Arbeitsteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten im Bereich der Fusionskontrolle stehen daher dieselben Grundsätze wie hinter dem Begriff der Subsidiarität. Demnach sollen Maßnahmen zur Erreichung der Ziele und unter Berücksichtigung der den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft zur Verfügung stehenden Mittel auf der Ebene ergriffen werden, wo dies am zweckmäßigsten ist [3].

    [3] Gemäß Artikel 5 EG-Vertrag werden Maßnahmen auf der Ebene ergriffen, auf der die Ziele am besten verwirklicht werden können. Wie im Bericht der Kommission an den Europäischen Rat über die Anpassung der geltenden Rechtsvorschriften an das Subsidiaritätsprinzip steht (KOM(93) 545 endg. vom 24.11.1993), sollen Maßnahmen im Hinblick auf die Verwirklichung der Ziele und unter Berücksichtigung der den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft zur Verfügung stehenden Mittel auf der jeweilig zweckmäßigsten Kompetenzebene ergriffen werden.

    17. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Kommission im Allgemeinen besser mit Zusammenschlüssen umgehen kann, an denen Unternehmen beteiligt sind, die auf größeren als nationalen Märkten tätig sind. Die Befugnisse der Kommission im Bereich der Untersuchung, Abhilfe und Durchsetzung sind in Fällen, die weltweite oder europäische Märkte betreffen mit Sicherheit angemessener als die beschränkteren Mittel, über die die Mitgliedstaaten verfügen. Dasselbe gilt auch häufig in Fällen, die Wettbewerbsprobleme in verschiedenen Mitgliedstaaten verursachen. Diese Fälle können erhebliche wettbewerbliche Auswirkungen in anderen Teilen der Gemeinschaft haben, wenn z.B. Wettbewerber aus anderen Mitgliedstaaten am Eintritt in die betroffenen Länder gehindert werden.

    18. Für die Errichtung des Binnenmarkts in der EU ist besonders bezeichnend, dass sich viele Märkte in einem Übergangsstadium befinden. Der Fall Pirelli-BICC [4] ist das Ergebnis einer Entwicklung, wo europäische Deregulierung und Harmonisierung tatsächlich zu einer Öffnung der Monopolmärkte geführt haben. In diesem Falle wurde bestätigt, dass der Markt so groß wie der EWR ist, da die Abnehmer in zunehmendem Maße Stromkabel auf europäischer Ebene u.a. im Rahmen von Vergabeverfahren beziehen, die aufgrund der Richtlinien der Gemeinschaft über öffentliche Aufträge durchgeführt werden. Der Pirelli-Fall unterschied sich von früheren Fällen, die denselben Industriezweig betrafen: 1992 galten dieselben Märkte immer noch als nationale Märkte. Die Kommission kann mit Fällen, die das Resultat einer Übergangssituation sind, normalerweise besonders gut umgehen, da sie in der Lage ist, sämtliche Auswirkungen auf nationaler und europäischer Ebene in vollem Umfang zu überprüfen.

    [4] Sache Nr. COMP/M.1882 -Pirelli-BICC. Entscheidung der Kommission vom 19.7.2000 gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89.

    19. Obwohl die Mitgliedstaaten derartige Fälle, insoweit es um das eigene Gebiet geht, auch bearbeiten können, ist die Kommission auf jeden Fall eher in der Lage, sich mit sämtlichen gemeinschaftsweiten Belangen eines Falls zu befassen. Die Zuständigkeit der Gemeinschaft für diese Fälle entspricht folglich dem Subsidiaritätsgrundsatz, da sie am effizientesten ist, um die Entstehung neuer Hemmnisse auf dem Wege zur europäischen Integration zu verhindern. Im Übrigen verbieten Effizienzgründe die gleichzeitige Behandlung derselben Fälle in mehreren Mitgliedstaaten.

    20. Hingegen können Mitgliedstaaten im Allgemeinen besser solche Fälle behandeln, die wegen der Tätigkeiten der beteiligten Unternehmen lediglich Wirkungen im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats entfalten, wenn also beispielsweise keine bedeutenden Abschottungs- oder Spillover-Effekte zu erwarten sind. Um diese Fälle wirksam zu regeln, sind die größeren Befugnisse der Kommission nicht erforderlich, und die nationalen Behörden können normalerweise besser die benötigten Marktinformationen zusammenstellen.

    A. Gemeinschaftsweite Bedeutung

    1. Hintergrund

    21. In ihrem Bericht vom 28. Juni 2000 an den Rat über die Anwendung der in der Fusionskontrollverordnung vorgesehenen Schwellenwerte ("der Bericht 2000") [5] legte die Kommission ihre ersten Ergebnisse zur Funktionsweise der Schwellenwerte des Artikels 1 der Fusionskontrollverordnung unter Berücksichtigung der "Mehrfachanmeldungen" dar, d.h. der in mindestens zwei Mitgliedstaaten angemeldeten Zusammenschlussvorhaben. Die Kommission hat nach Annahme dieses Berichts weitere Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse eingehend im Anhang 1 beschrieben und erörtert werden und Hintergrundinformationen für die Schlussfolgerungen in diesem Abschnitt sind.

    [5] KOM(2000) 399 endg. vom 28.6.2000.

    2. Zusammenfassung der Fragestellungen

    22. Die Kommission hat im Laufe ihrer Revisionstätigkeit die weitere Zweckmäßigkeit der Umsatzschwellen des Artikels 1 nicht nur hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, sondern auch hinsichtlich ihrer Aussagekraft in Bezug auf die Akzeptanz eines Vorhabens und ihrer Transparenz erneut überprüft. In diesem Zusammenhang sollte darauf hingewiesen werden, dass die Nichterfuellung der Zuständigkeitskriterien des Artikels 1 normalerweise bedeutet, dass ein Vorhaben in einem oder in mehreren Mitgliedstaaten angemeldet werden muss.

    23. Wie im Anhang 1 ausgeführt wird, besteht in Bezug auf die Funktionsweise der gegenwärtigen Umsatzschwellen keine dringende Notwendigkeit zur Änderung des Artikels 1 Absatz 2. Die Ergebnisse, zu denen die Anwendung dieses Artikels führt, sind generell weiterhin mit dem Subsidiaritätsgrundsatz vereinbar, und eine Revision der Schwellenwerte würde das Problem der Mehrfachanmeldungen nicht lösen. Ebenso wenig hat die Überprüfung eine dringende Notwendigkeit zur Änderung der Zwei-Drittel-Regel erkennen lassen. Die Ergebnisse dieser Regel, die zu einer schwerpunktmäßigen Verteilung der Kompetenz führt, stehen im Allgemeinen mit dem Subsidiaritätsgrundsatz im Einklang. In den Fällen, wo die Zwei-Drittel-Regel Mehrfachanmeldungen nach sich zieht, betreffen im Übrigen die Anmeldungen sehr selten mehr als zwei einzelstaatliche Wettbewerbsbehörden.

    24. Andererseits aber drängt sich der Schluss auf, dass Artikel 1 Absatz 3 sein Ziel nicht erreicht hat. Er sollte nämlich zum Zeitpunkt seiner Annahme im Jahre 1997 der Kommission die Zuständigkeit für die Fälle übertragen, die drei oder mehr Mitgliedstaaten betreffen. Während die Gültigkeit dieser Zielsetzung weitgehend dadurch bestätigt wird, dass es sich dabei im Allgemeinen um Fälle von gemeinschaftsweiter Bedeutung handelt, hat die Vorschrift die an sie geknüpften Erwartungen aber nicht erfuellt. Nur wenige von diesen Fällen fielen in den Anwendungsbereich der Fusionskontrollverordnung. Im Jahre 2000 wurden nur 20 Fälle aufgrund von Artikel 1 Absatz 3 angemeldet, während die Zahl der Mehrfachanmeldungen in drei oder mehr Mitgliedstaaten 75 betrug. Das Versagen des Artikels 1 Absatz 3 beweist auch die Tatsache, dass im Jahre 2000 nur rund 5 % sämtlicher Anmeldungen aufgrund dieses Artikels erfolgt sind, bedeutend weniger noch als im Jahre 1999 [6].

    [6] Im Jahr 2000 wurden nur 20 von 345 Anmeldungen aufgrund von Artikel 1 Absatz 3 vorgenommen. 1999 waren es 34 von 292 Anmeldungen bzw. 12 %.

    25. Dabei ging es bei vielen Mehrfachanmeldungen um grenzüberschreitende Interessen. Dies beweist allein die Tatsache, dass drei oder mehr nationale Anmeldungen erforderlich waren. In einer Vielzahl dieser Fälle haben einige oder alle Mitgliedstaaten, die zuständig waren, den räumlich relevanten Markt im Übrigen weiter als den nationalen Markt abgegrenzt. Bemerkenswert ist auch, dass die meisten Fällen den Zuständigkeitstest in Bezug auf die Gemeinschaftsebene erfuellten und ihr Schwerpunkt längst nicht nur in einem Mitgliedstaat lag (Zwei-Drittel-Regel). Dass viele dieser Zusammenschlüsse grenzüberschreitende Interessen über die Länder hinaus, in denen die Vorhaben angemeldet wurden, betrafen, wird auch dadurch belegt, dass viele Fälle Geschäftstätigkeiten in mehreren Mitgliedstaaten betrafen, wo der Zusammenschluss nicht angemeldet worden war.

    26. Für die an diesen Fällen beteiligten Unternehmen hat die Überprüfung im Übrigen auch ergeben, dass Mehrfachanmeldungen in drei oder mehr Mitgliedstaaten mit zusätzlichen Schwierigkeiten in Bezug auf Verfahrensdauer, Kosten und Rechtssicherheit verbunden sind (siehe Anhang 1 mit detaillierten Ergebnissen).

    27. Diese Feststellung bestätigen zwei weitere Faktoren. Erstens ist zu beobachten, dass Mehrfachanmeldungen in drei oder mehr Mitgliedstaaten tendenziell sowohl in absoluten Zahlen als auch im Vergleich zu der Zahl der aufgrund der Fusionskontrollverordnung angemeldeten Fälle ständig zunehmen. Sogar in den fünfzehn EU-Ländern verstärkt sich dieses Problem also. Mit der bevorstehenden Erweiterung der Gemeinschaft ab 2004 dürften sich die negativen Wirkungen von Mehrfachanmeldungen in einer Vielzahl von Mitgliedstaaten noch zusätzlich verstärken.

    28. Die Kommission ist über die jüngste Initiative der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten, die u.a. in Fusionsfällen, die in mehr als einem Land angemeldet werden, enger zusammenarbeiten möchten, unterrichtet und unterstützt voll und ganz diese Initiative. Eine derartige Zusammenarbeit würde sicherlich dazu beitragen, den Wettbewerbsschutz zu erhöhen, und sie würde gleichzeitig die Effizienz der Verfahren steigern. Doch ist zu bezweifeln, dass eine solche Zusammenarbeit, auch wenn sie wesentlich gefördert wird, als ein gleichwertiger Ersatz für die zentrale Kontrolle von Zusammenschlüssen mit grenzüberschreitenden Wirkungen angesehen werden könnte.

    3. Würdigung der Änderungsmöglichkeiten betreffend Artikel 1 Absatz 3

    29. Die vorerwähnten Schwachpunkte des Artikels 1 Absatz 3 sollten gelöst werden, um eine wirksame Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln auf Fälle von grenzüberschreitender Bedeutung zu gewährleisten und gleichzeitig den Verwaltungsaufwand für die beteiligten Unternehmen in angemessener Weise zu reduzieren. Diese Lösung, die vor dem Beitritt der neuen Mitgliedstaaten gefunden werden sollte, sollte im Übrigen dazu beitragen, dass die Grundprinzipien der Fusionskontrollverordnung, nämlich die Förderung eines wirksamen Wettbewerbsschutzes in Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsgrundsatz, verstärkt werden.

    30. Zur Lösung der Schwachpunkte des Artikels 1 Absatz 3 wäre es vernünftig zu überprüfen, ob die Wirksamkeit dieser Vorschrift verbessert werden könnte, indem eines oder mehrere der fünf Kriterien, die darin vorgesehen sind, geändert werden. Eine sorgfältige Untersuchung der verfügbaren Informationen führt jedoch zu dem Ergebnis, dass Änderungen an den gegenwärtigen Kriterien des Artikels 1 Absatz 3 kaum zu den gewünschten Ergebnissen führen würden, insbesondere weil die Unternehmen wegen der Komplexität dieser Vorschrift aus sehr unterschiedlichen Gründen die gegenwärtigen Kriterien des Artikels 1 Absatz 3 nicht erfuellen. Dies wird nachstehend im Einzelnen erklärt.

    31. Außerdem wurde der Kommission nahegelegt, dass die gewünschte Wirkung durch Änderungen des Artikels 22 erzielt werden könnte, eine Anpassung des Artikels 1 Absatz 3 also gar nicht erforderlich wäre. Auch dieser Vorschlag ist sorgfältig untersucht worden, aber auch hier hat sich gezeigt, wie nachstehend im Einzelnen beschrieben wird, dass die auf diese Weise angestrebte Lösung nicht praktikabel ist.

    32. Deswegen vertritt die Kommission gegenwärtig die Auffassung, dass die beste Möglichkeit, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, Änderungen wären, die den Wirkungen Rechnung tragen. Diese Änderungen müssten darauf abzielen, dass Fälle mit normalerweise bedeutenden grenzüberschreitenden Wirkungen in den Zuständigkeitsbereich der Kommission fallen. Die Kommission sucht nach Stellungnahmen über die Möglichkeit den Artikel 1 Absatz 3 durch eine Vorschrift zu ersetzen, wonach die Anmeldung in drei Mitgliedstaaten ein zuverlässiger Hinweis für den offensichtlich grenzüberschreitenden Charakter eines Zusammenschlusses ist [7]. Dieser Vorschlag wurde in Anlehnung an die von der Kommission in ihrem Grünbuch von 1996 entwickelten Ideen erarbeitet.

    [7] Nach den verfügbaren Informationen wird eine "einfache" Reduzierung der Schwellenwerte des weltweiten Umsatzes oder des Gemeinschaftsumsatzes in Artikel 1 Absatz 2 nicht begrüßt. Je nach den gewählten Schwellenwerten würde zwar auf diese Weise der Zuständigkeitsbereich der Kommission ausgedehnt; doch scheint es unwahrscheinlich, auf diese Weise gezielt diejenigen Zusammenschlüsse zu erfassen, die sich grenzüberschreitend auswirken.

    33. Am Ende dieses Abschnitts wird eine auf längere Sicht angeregte Debatte über die Arbeitsteilung in der Gemeinschaft nach ihrer Erweiterung eröffnet. Da die in diesem Zusammenhang genannten Maßnahmen eine Mindestharmonisierung der einzelstaatlichen Fusionskontrollvorschriften voraussetzen würde, soll diese Diskussion aber getrennt geführt werden.

    a) Änderungen der fünf Kriterien des Artikels 1 Absatz 3 versprechen keine wesentliche Verbesserung

    i) Änderung des Artikels 1 Absatz 3 durch Anpassung der Umsatzschwellen

    34. Für die Diskussion ist es wichtig zu wissen, dass die Schwellenwerte in Artikel 1 Absatz 3 festgesetzt wurden, ohne dass die wahrscheinliche Wirksamkeit der Änderungen hinsichtlich der Erfassung der Fälle, die für die Gemeinschaft von Belang sind, eingehend untersucht worden ist. Im Übrigen hätten hierfür wahrscheinlich keine nützlichen Daten vorgelegen. Der Umsatz ist und bleibt ein Anhaltspunkt für die wahrscheinliche Auswirkung eines Zusammenschlusses, wobei die Wirkungen u.a. nach Wirtschaftssektor unterschiedlich sind. Dass der Umsatz der beste Anhaltspunkt für die Ermittlung der gemeinschaftsweiten Bedeutung eines Zusammenschlusses ist, wird allerdings weitgehend anerkannt.

    35. Daher dürfte es auch nicht überraschend sein, dass es - wie die Kommission aus ihren Untersuchungen schlussfolgert - keine eindeutige Antwort auf die Frage gibt, mit welchen Schwellenwerten in Artikel 1 Absatz 3 sämtliche Fälle von gemeinschaftsweiter Bedeutung erfasst würden. Im Übrigen kann Artikel 1 Absatz 3 als ein Bündel von Vorschriften bezeichnet werden, die in unendlich vielen Kombinationen geändert werden könnten. Beispielsweise ist es relativ einfach, die Wirkung einer Herabsetzung des Kriteriums in Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe a) um 2,5 auf 2 Mrd. EUR zu veranschlagen. Eine solche Änderung könnte natürlich theoretisch an beliebig viele Änderungen des Artikels 1 Absatz 3 Buchstaben b), c) und/oder d) geknüpft werden. Doch dürfte es unmöglich (und wahrscheinlich nicht sehr nützlich) sein, sich über den idealen Schwellenwert und die ideale Kombination dieser Kriterien allzu sehr den Kopf zu zerbrechen.

    36. Die nachstehenden Ausführungen konzentrieren sich daher darauf, die ausgrenzende Wirkung der einzelnen Kriterien des Artikels 1 Absatz 3 in bezug auf Mehrfachanmeldungen in drei oder mehr Mitgliedstaaten festzustellen [8].

    [8] Siehe Einzelheiten im Anhang 1 Abschnitt B (Ergebnisse der Kommissionsuntersuchungen).

    37. Den verfügbaren Daten zufolge haben 71 % sämtlicher in drei oder mehr Mitgliedstaaten angemeldeten Fälle den in Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe a) vorgesehenen Schwellenwert von 2,5 Mrd. EUR nicht erreicht. Würde dieses Kriterium durch ein Umsatzerfordernis von 2 Mrd. EUR ersetzt, so würde sich die ausgrenzende Wirkung auf 58 % reduzieren. Wie schwierig es ist, einen idealen Wert zu finden, beweist auch das nachstehende Beispiel. Die Umsatzschwelle in Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe a) müsste auf 500 Mio. EUR oder sogar weniger herabgesetzt werden, um sämtliche Fälle zu erfassen, die in drei oder mehr Mitgliedstaaten angemeldet wurden. Aber sogar dann würden mehrere Fälle nicht den Buchstaben b), c) und/oder d) entsprechen.

    38. In rund 40 % der in drei oder mehr Mitgliedstaaten angemeldeten Fälle wurde kein Gesamtumsatz von 100 Mio. EUR in mindestens drei Mitgliedstaaten erzielt (Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe b)). Die ausgrenzende Wirkung würde auf 31 % reduziert, würde dieses Kriterium durch ein Umsatzerfordernis von 50 Mio. EUR ersetzt.

    39. Von den in drei oder mehr Mitgliedstaaten angemeldeten Fällen erzielten 68 % nicht die Umsatzschwelle von 25 Mio. EUR in Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe c). Würde dieses Kriterium durch ein Umsatzerfordernis von 15 Mio. EUR ersetzt, so würde die ausgrenzende Wirkung auf 38 % zurückgehen.

    40. In rund 35 % sämtlicher in drei oder mehr Mitgliedstaaten angemeldeten Fälle wurde die Umsatzschwelle von 100 Mio. EUR in Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe d) nicht erreicht. Die ausgrenzende Wirkung dieses Kriteriums würde auf 25 % reduziert, würde ein Umsatzerfordernis von 50 Mio. EUR gewählt.

    41. Wichtig ist der Hinweis, dass die vorerwähnten Zahlen nicht addiert werden dürfen. Wenn laut Schätzung durch eine Reduzierung der Umsatzschwelle in Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe a) 15 % sämtlicher Mehrfachanmeldungen in den Anwendungsbereich der Fusionskontrollverordnung fielen, so darf dieses Ergebnis nicht mit dem Ergebnis einer Änderung des Artikels 1 Absatz 3 Buchstabe b), durch die schätzungsweise 10 % der Mehrfachanmeldungen von der Fusionskontrollverordnung erfasst würden, addiert werden. Beide Maßnahmen sind Möglichkeiten, um einige oder sogar alle aufgrund der ersten Maßnahme ermittelten Fälle in den Anwendungsbereich der Fusionskontrollverordnung zu überführen.

    42. Soweit aus den verfügbaren Informationen abgeleitet werden kann, scheint es unwahrscheinlich, dass irgendwelche Änderungen der fünf Kriterien des Artikels 1 Absatz 3 darauf abgestellt werden könnten, Mehrfachanmeldungen in drei oder mehr Mitgliedstaaten in den Zuständigkeitsbereich der Kommission zu überführen. Die verfügbaren Informationen lassen bestenfalls erkennen, dass die größte Verbesserung von einer Reduzierung der Umsatzschwelle in Artikel 1 Absatz 3 Buchstaben a) und c) zu erwarten wäre. Denn die Reduzierung der dortigen Umsatzschwellen auf bestimmte Werte würde sich offensichtlich auf in drei oder mehr Mitgliedstaaten angemeldete Fälle in stärkerem Maße auswirken. Doch trotz der Änderung der gegenwärtigen Umsatzschwellen würde eine unschätzbare Zahl von Zusammenschlüssen von besonders großem Interesse für die Gemeinschaft (wegen der Zahl der betroffenen Mitgliedstaaten) immer noch nicht die Umsatzerfordernisse erfuellen [9].

    [9] Diese Änderungen würden gleichzeitig höchstwahrscheinlich und ohne dies zu wollen zur Folge haben, dass mehrere Fälle, die nicht in drei oder mehr Mitgliedstaaten angemeldet werden müssen, in den Zuständigkeitsbereich der Kommission fallen.

    ii) Änderung des Artikels 1 Absatz 3: statt des Drei-Länder- ein Zwei-Länder-Erfordernis

    43. Statt einer schlichten Herabsetzung der verschiedenen Umsatzschwellen des Artikels 1 Absatz 3 wurde an die Möglichkeit gedacht, das gegenwärtige Drei-Länder-Erfordernis durch ein Zwei-Länder-Erfordernis zu ersetzen. Dem jetzigen Erfordernis zufolge müssen die beteiligten Unternehmen einen Gesamtumsatz von mindestens 100 Mio. EUR in drei oder mehr Mitgliedstaaten erzielen und müssen mindestens zwei beteiligte Unternehmen einzeln einen Umsatz von 25 Mio. EUR in drei dieser Mitgliedstaaten erzielen. Der zweite Teil des Erfordernisses ist offensichtlich einer der häufigsten Gründe, warum Mehrfachanmeldungen die Kriterien des Artikels 1 Absatz 3 nicht erfuellen, was häufig zur Folge hat, dass Anmeldungen in drei oder mehr Mitgliedstaaten erforderlich sind.

    44. Dennoch wird daran erinnert, dass Artikel 1 Absatz 3 nicht auf Zusammenschlüsse anwendbar sein sollte, die nur in zwei Mitgliedstaaten angemeldet zu werden bräuchten. Auch wenn das Drei-Länder-Erfordernis effektiv eine größere Wirkung hat als ursprünglich beabsichtigt war, kann aber trotzdem nicht damit gerechnet werden, dass die Umwandlung des Artikels 1 Absatz 3 in ein Zwei-Länder-Erfordernis mehr als nur eine relativ begrenzte Wirkung hätte, die Zahl der Fälle also, die der Mehrfachanmeldung in drei oder mehr Mitgliedstaaten unterliegen, wesentlich reduziert würde [10].

    [10] Über die Wahrscheinlichkeit, dass durch ein Zwei-Länder-Erfordernis in Artikel 1 Absatz 3 Buchstaben b) und c) Fälle, die gegenwärtig nur in einem Mitgliedstaat angemeldet werden müssen, in den Zuständigkeitsbereich der Kommission fallen würden, geben die verfügbaren Informationen keine Auskunft.

    iii) Abkopplung der Kriterien in Artikel 1 Absatz 3 Buchstaben b) und c)

    45. Statt die verschiedenen Schwellenwerte in Artikel 1 Absatz 3 einfach herabzusetzen, wäre auch denkbar, das Kriterium in Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe b), das gewährleisten soll, dass ein signifikanter Teil der gesamten Geschäftstätigkeit mindestens drei Mitgliedstaaten betrifft, von dem Kriterium des Artikels 1 Absatz 3 Buchstabe c) abzukoppeln, der gewährleisten soll, dass mindestens zwei der beteiligten Unternehmen in erheblichem Umfange in diesen Mitgliedstaaten präsent sind.

    46. Theoretisch könnte behauptet werden, dass das Umsatzerfordernis des Artikels 1 Absatz 3 Buchstabe c) in Höhe von 25 Mio. EUR relativ bescheiden ist und es überraschend wäre, dass Zusammenschlüsse, die für die Gemeinschaft von Belang sind, diesem Erfordernis nicht genügen würden. Bemerkenswert nach den vorliegenden Informationen ist in diesem Zusammenhang, dass dieses Erfordernis in rund 54 % aller Fälle erfuellt würde, würde es von dem Kriterium in Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe b) abgekoppelt. Während also durch die gegenwärtige Kopplung der beiden Kriterien verhindert werden soll, dass der gemäß Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe b) zu berücksichtigende Umsatz nur von einem der beteiligten Unternehmen erzielt wird, hat diese Kopplung offensichtlich unter bestimmten Umständen stark ausgrenzende Wirkungen.

    47. Man kann sich kaum vorstellen, dass die vorerwähnten nicht erfassten 54 % der Fälle, in denen in drei Mitgliedstaaten jeweils 25 Mio. EUR erzielt werden, generell nur geringe grenzüberschreitende Auswirkungen haben würden. Die Tatsache, dass Fälle dieser Größenordnung häufig in drei oder mehr Mitgliedstaaten angemeldet werden müssen, widerlegt diesen Eindruck.

    48. Im Übrigen schreiben die gegenwärtig anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften häufig die Anmeldung von Fällen vor, bei denen es um weniger als die in Artikel 1 Absatz 3 geforderten 25 Mio. EUR geht, was vermuten lässt, dass auch unter diesem Wert mit erheblichen Auswirkungen gerechnet werden kann.

    49. Der Verzicht auf das Kriterium des Artikels 1 Absatz 3 Buchstabe b) hätte zur Folge, dass mehr Fälle mit signifikanten Auswirkungen in mindestens drei Mitgliedstaaten erfasst werden könnten. In allen Fällen, in denen die beteiligten Unternehmen, normalerweise der Erwerber, sämtliche Kriterien des Artikels 1 Absatz 3 erfuellen, während das andere beteiligte Unternehmen, normalerweise das Zielunternehmen, die Kriterien in Artikel 1 Absatz 3 Buchstaben c) und d) erfuellt, könnte dann die Gemeinschaft zuständig sein. Nach den verfügbaren Daten lässt sich jedoch nicht feststellen, inwieweit sich eine solche Änderung auf die Erfassung von Fällen auswirken würde, die gegenwärtig nicht dem Erfordernis der Mehrfachanmeldung unterliegen.

    50. Andererseits könnte die gegenwärtige Kopplung von Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe b) und Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe c) aufgehoben werden und könnten die beiden Kriterien alternativ angewandt werden. Um aber zu verhindern, dass der gesamte in Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe b) geforderte Umsatz von nur einem der beteiligten Unternehmen erzielt wird, wären zusätzliche Kriterien notwendig. Unklar ist, ob dies im Rahmen der Logik des Artikels 1 möglich wäre, ohne auf einen Schwellenwert Bezug zu nehmen. Unter dem Aspekt der Rechtssicherheit wäre es beispielsweise bedenklich, einfach zu verlangen, dass mindestens zwei der beteiligten Unternehmen in den drei Mitgliedstaaten tätig sind, in denen der Umsatz von 100 Mio. EUR erzielt wird.

    iv) Abschließende Feststellung zur möglichen Änderung der fünf Kriterien des Artikels 1 Absatz 3

    51. Änderungen an den gegenwärtigen Kriterien an Artikel 1 Absatz 3 sind daher wahrscheinlich nicht geeignet, zu dem gewünschten Ergebnis zu führen. Keine Änderung würde wahrscheinlich eine Garantie gegen weitere Mehrfachanmeldungen in drei oder mehr Mitgliedstaaten sein, und im Falle einer Änderung würde die Kommission wahrscheinlich für eine Reihe von Fällen zuständig werden, die gegenwärtig nicht dem Erfordernis der Mehrfachanmeldung unterliegen.

    b) Keine wesentliche Verbesserung durch eine Änderung des Artikels 22 (keine Änderung ohne Rechtsangleichung)

    52. Es wurde nahegelegt, dass das Problem der Mehrfachanmeldungen durch Änderungen gelöst werden könnte, die Verweisungen aufgrund von Artikel 22 der Fusionsverordnung vereinfachen würden. Da auf die Schwierigkeiten bei der Anwendung des Artikels 22 in dem nachstehenden diesbezüglichen Abschnitt näher eingegangen wird, wird an dieser Stelle nur auf einige Punkte hingewiesen. Für die Debatte über die Änderung des Artikels 1 Absatz 3 reicht der Hinweis, dass die Möglichkeiten, aus Artikel 22 eine nützliche Vorschrift zu machen, offensichtlich gering sind.

    53. Zu den Hauptgründen, warum Artikel 22 keinen Anlass zu gemeinsamen Verweisungen gegeben hat, gehören offensichtlich die noch bestehenden Unterschiede zwischen den nationalen Fusionskontrollverfahren, insbesondere in Bezug auf das die Anmeldung auslösende Ereignis und die Vorschriften über die Anmeldefristen. Um diese Fragen zu regeln, müssen wahrscheinlich die nationalen Vorschriften in gewissem Umfange angeglichen werden. Dies kann nicht Gegenstand der gegenwärtigen Revision sein und wäre im Übrigen relativ zeitraubend.

    c) Automatische Zuständigkeit der Gemeinschaft für Fälle, die der Mehrfachanmeldung unterliegen

    54. Zur Lösung des Problems der Mehrfachanmeldungen schlug die Kommission in ihrem Grünbuch vom Januar 1996 vor, ihre Zuständigkeit auf diejenigen unterhalb der Umsatzschwellen liegenden Zusammenschlüsse auszudehnen, die in den Zuständigkeitsbereich von mehr als einem nationalen System fallen.

    55. Es wurde vorgeschlagen, die Zuständigkeit der Kommission auf Zusammenschlüsse auszudehnen, die der Pflicht zur Mehrfachanmeldung unterliegen und sich umsatzmäßig zwischen den Schwellenwerten des Artikels 1 Absatz 2 und darunter liegenden Schwellenwerten ansiedeln, welche beispielsweise 2 Mrd. EUR (weltweit) und 100 Mio. EUR (gemeinschaftsweit) betragen würden. Dies setzte dies voraus, dass Artikel 1 der Fusionskontrollverordnung dahingehend geändert würde, dass Zusammenschlüsse, die die Umsatzschwellen in Artikel 1 Absatz 2 nicht erreichen, dennoch gemeinschaftsweite Bedeutung haben, wenn sie in den Zuständigkeitsbereich von drei Mitgliedstaaten fallen.

    56. Der Kommissionsvorschlag fand allerdings in den anschließenden Diskussionen nicht genügend Anhänger. Die Kritik kreiste vor allem um die Frage, wie die Rechtsunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten z.B. bei der Definition des Zusammenschlusses und bei der obligatorischen / freiwilligen Anmeldung berücksichtigt werden können. Diese Unterschiede würden nicht nur die Rechtssicherheit gefährden, sondern auch die Würdigung der Kommission, ob in einem bestimmten Fall die nationalen Vorschriften gelten, überaus erschweren.

    57. Seit diesen Diskussionen über den Kommissionsvorschlag von 1996 haben sich allerdings die einzelstaatlichen Fusionskontrollvorschriften in starkem Maße angeglichen. Die Schwierigkeiten, auf die damals hinsichtlich der Anwendung des von der Kommission vorgeschlagenen Systems geltend gemacht wurden, haben sich folglich vermindert. Deswegen scheint es angezeigt, erneut die Debatte über diesen Vorschlag aufzunehmen. Die Kommission greift auf die im Grünbuch von 1996 enthaltene Grundorientierung zurück: Die Änderung würde demnach die Fälle betreffen, die in drei oder mehr Ländern angemeldet werden müssen. Wegen der inzwischen genaueren Kenntnis der Funktionsweise des Artikels 1 Absatz 3 besteht allerdings offensichtlich kein Grund, die Anwendbarkeit eines solchen Systems auf Fälle zu beschränken, die bestimmte Umsatzschwellen erreichen.

    i) Verfahren

    58. Steht die Zuständigkeit der Kommission für einen Fall aufgrund der Pflicht zur Mehrfachanmeldung fest, dann würden für diesen Fall dieselben Kommissionsbefugnisse und dasselbe Verfahren gelten wie für die Fälle, die in den Anwendungsbereich des Artikels 1 Absatz 2 fallen. Zusätzlich zu den normalen Kriterien, die zur Feststellung der Kommissionszuständigkeit herangezogen wurden, müsste allerdings noch festgestellt werden, ob der Zusammenschluss in mindestens drei Mitgliedstaaten die Schwellenwerte für die Anmeldung erreicht hat.

    59. Unter Berücksichtigung der Diskussionen im Anschluss an das Grünbuch von 1996 kann davon ausgegangen werden, dass bei einem derartigen System der zuständige Mitgliedstaat grundsätzlich der Kommission bestätigen müsste, dass die beteiligten Unternehmen die einzelstaatlichen Schwellenwerte richtig ausgelegt haben [11].

    [11] Sonst müsste die Kommission die einzelstaatlichen Fusionskontrollgesetze auslegen. Da die nationalen Vorschriften noch nicht völlig harmonisiert sind, nicht einmal in technischer Hinsicht wie bei der Umsatzberechnung, könnte möglicherweise eine unterschiedliche Auslegung der nationalen Vorschriften durch die Kommission und die Mitgliedstaaten problematisch sein.

    60. Die beteiligten Unternehmen müssten im Falle der obligatorischen Anmeldung ihrer in drei oder mehr Mitgliedstaaten anmeldepflichtigen Vorhaben spätestens zum Zeitpunkt der offiziellen Anmeldung bei der Kommission nachweisen, dass ihr Vorhaben die Schwellenwerte für die Anmeldung in drei Mitgliedstaaten erfuellt. Es besteht jedoch kein Grund, dass die beteiligten Unternehmen der Kommission und den zuständigen Mitgliedstaaten diese Information nicht schon früher vorlegen. Auf jeden Fall müsste ein System entwickelt werden, in dessen Rahmen die betreffenden Mitgliedstaaten der Kommission innerhalb einer bestimmten Frist bestätigen würden, dass die Analyse der beteiligten Unternehmen zutrifft. Um Rechtsunsicherheit zu vermeiden, müsste dies in relativ kurzer Zeit geschehen (z.B. innerhalb von einer oder zwei Wochen). Beispielsweise wäre denkbar, dass die Zuständigkeit der Kommission feststeht, sobald der betreffende Mitgliedstaat innerhalb einer bestimmten Frist keinen Einwand gegen die Analyse der beteiligten Unternehmen erhoben hat.

    61. Im Laufe der Anhörung im Anschluss an die Veröffentlichung des Grünbuchs im Jahre 1996 wurde vorgebracht, dass es schwierig sein kann, schnell festzustellen, ob ein Zusammenschluss die nationalen Schwellenwerte für die Anmeldung erfuellt, insbesondere in denjenigen Mitgliedstaaten, wo andere Kriterien als der Umsatz gelten (z.B. Marktanteilsschwellen). Die möglicherweise schwierige Anwendung bestimmter nationaler Schwellenwerte würde aber scheinbar nicht noch weiter durch den Vorschlag erschwert, da auf jeden Fall eine Untersuchung durchgeführt werden muss, wenn die Fusionskontrollverordnung nicht anwendbar ist. Im Übrigen ist die Zahl der Mitgliedstaaten, die andere als Umsatzkriterien anwenden, seit 1996 zurückgegangen, so dass die Problematik nicht mehr dieselbe ist. Falls die Rechtssicherheit ernsthaft in Frage gestellt würde, könnte beispielsweise die in Artikel 4 Absatz 1 vorgeschriebene einwöchige Frist in derartigen Fällen für nicht anwendbar erklärt werden.

    d) Abschließende Feststellung zu den Änderungsmöglichkeiten betreffend Artikel 1 Absatz 3

    62. Hinter dem vorerwähnten Vorschlag steht ein den Wirkungen eines Zusammenschlusses Rechnung tragendes System, bei dem das entscheidende Kriterium des Artikels 1 Absatz 3 nicht mehr unmittelbar auf die Erreichung bestimmter Umsatzschwellen beruhen würde. Stattdessen würde die Tatsache, dass ein Zusammenschluss in drei oder mehr Mitgliedstaaten angemeldet werden muss, ausreichen, um eine Gemeinschaftsinteresse zu vermuten. Ein solches System würde voraussetzen, dass eine schnelle und transparente Methode entwickelt wird, damit die Mitgliedstaaten die Anwendbarkeit ihrer Vorschriften in einem bestimmten Fall bestätigen.

    63. Alle interessierten Kreise werden aufgefordert, sich zu diesem Vorschlag zu äußern ebenso wie zu der Art und Weise, wie er am besten umgesetzt werden könnte, aber auch auf andere etwaige Möglichkeiten einzugehen. Desgleichen wird um Kommentare zu der Frage gebeten, welches Verfahren sich besonders eignen würde, um die Anwendbarkeit der Fusionskontrollvorschriften in drei oder mehr Mitgliedstaaten festzustellen. Ebenso sind Kommentare zu anderen technischen oder Verfahrensfragen erwünscht. Willkommen sind gleichfalls Bemerkungen zu der Frage, inwieweit eine Änderung des Artikels 1 Absatz 3 wünschenswert ist oder welche Nachteile sie hätte.

    4. Fallzuweisung in der Gemeinschaft nach ihrer Erweiterung - eine langfristige Perspektive

    64. Die für die Untersuchung gesammelten Daten deuten auch auf die Möglichkeit einer weiter gespannten Lösung hin, die längerfristig in Erwägung gezogen werden könnte. Für ein System, wie es nachstehend beschrieben wird, müssten mit Sicherheit die Gemeinschafts- und die einzelstaatlichen Vorschriften geändert werden. Dies würde den Rahmen der jetzigen Revision sprengen. Mit den nachstehenden Ausführungen wird beabsichtigt, eine größere Debatte über Form und Ausgestaltung der Fusionskontrolle in Europa in den Jahren nach der Erweiterung der Gemeinschaft zu eröffnen.

    65. Im Mittelpunkt dieser Debatte sollte die Frage stehen, wie ein System aussehen sollte, das dem Subsidiaritätsgrundsatz am besten Rechnung trägt und gleichzeitig den Wettbewerbsbehörden erlaubt, ihre begrenzten Ressourcen optimal einzusetzen, sowie dem legitimen Wunsch der Unternehmen entspricht, noch größere Gewissheit über die voraussichtliche Akzeptanz ihrer Vorhaben zu erlangen und noch weitere unnötige Kosten zu senken.

    66. Die Zuständigkeitskriterien der Fusionskontrollverordnung könnten, auch wenn sie generell unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität zu vertretbaren Ergebnissen geführt haben, grundsätzlich so geändert werden, dass sie für einen unmittelbareren und fallbezogeneren Test zur Feststellung des grenzüberschreitenden Charakters eines Zusammenschlusses verwendet werden können.

    67. Möglich wäre ein System, bei dem die Umsatzschwellen aus der Fusionskontrollverordnung verschwinden und die Anmeldung bei der Kommission dadurch ausgelöst wird, dass der Fall in der EU mehrfach angemeldet werden muss. Die Feststellung, welche Fälle vermutlich für die Gemeinschaft von Belang sind, würde also unmittelbar dadurch bestimmt, dass sich der Fall in mehreren Mitgliedstaaten auswirken wird. Damit ein solches System aber funktionieren kann, müssten u.a. die für die einzelstaatliche Fusionskontrolle bestehenden Schwellenwerte noch stärker harmonisiert werden. Die Umfragen der Kommission haben ergeben, dass sich wegen der fehlenden Harmonisierung der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Anmeldeerfordernisse diejenigen Mitgliedstaaten, in denen ein bestimmter Zusammenschluss signifikante Auswirkungen haben wird, nicht mit Sicherheit identifizieren lassen. Würden die für die Anmeldung relevanten Schwellenwerte in den einzelstaatlichen Fusionskontrollvorschriften systematischer festgelegt, so wären die grenzüberschreitenden Auswirkungen einzelner Zusammenschlüsse anhand dieser Schwellenwerte unmittelbar messbar.

    68. Für eine kohärente Fusionskontrolle in Europa wäre es im Übrigen nützlich, wenn die De-facto-Angleichung der Fusionskontrollvorschriften in der Gemeinschaft noch weiter voranschreiten würde. Dies gilt insbesondere für einige Schlüsselelemente wie den Begriff des Zusammenschlusses und wichtige Teile der Verfahrensvorschriften. Außerdem könnte die Frage untersucht werden, inwieweit eine weitere Harmonisierung des Wettbewerbstests für einen effizienten und transparenten Wettbewerbsschutz und die Aufrechterhaltung gleicher Bedingungen von Vorteil wäre. Bei derart harmonisierten Rahmenbedingungen würde im Übrigen auch ein nahtloseres Netz von Wettbewerbsbehörden und somit eine Situation entstehen, in der sich die Kommission und eine oder mehr Wettbewerbsbehörden die Aufgabe teilen könnten, sämtliche lokalen bis globalen Auswirkungen eines Zusammenschlusses zu würdigen.

    B. Verweisung an die Mitgliedstaaten (Artikel 9)

    1. Hintergrund

    69. Ab einer bestimmten Umsatzschwelle fällt die Prüfung eines Zusammenschlusses allein in die Zuständigkeit der Kommission. Die in Artikel 9 der Fusionskontrollverordnung vorgesehene Möglichkeit der Verweisung an die Mitgliedstaaten erlaubt jedoch eine gewisse Differenzierung dieses Systems, damit sich die Behörde des Falles annehmen kann, die hierfür die besten Voraussetzungen bietet. Zum Zwecke der Verweisung werden die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb in einem bestimmten Markt eines Mitgliedstaates geprüft. Fällt diese Prüfung positiv aus, können die betreffenden Zusammenschlüsse auch bei Erreichen der in Artikel 1 genannten Schwellenwerte auf nationaler Ebene bearbeitet werden. Diese Regelung steht im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip.

    70. Gemäß Artikel 9 Absatz 10 können die Vorschriften dieses Artikels zeitgleich mit den in Artikel 1 genannten Schwellenwerten überprüft werden. Im Anschluss an den Bericht der Kommission vom Juni 2000 befürworteten die Mitgliedstaaten eine solche Überprüfung und regten an, dass die Kommission gleichzeitig untersucht, inwieweit Verweisungen Mehrkosten verursachen.

    71. Die Kommission hat für diese Revision Anmeldungen aus den letzten fünf Jahren (November 1996 bis Januar 2001) untersucht, bei denen ein Verweisantrag gestellt wurde. Die Ergebnisse sind in Anhang II beschrieben.

    2. Kernprobleme

    72. Die jüngste Untersuchung liefert wenig Belege für verweisungsbedingte Mehrkosten, nennt aber einige Punkte in der derzeit geltenden Regelung, die möglicherweise verbesserungswürdig sind. Konkret betrifft dies die Fristen, die Verweisungskriterien und die durch Teilverweisungen verursachten Probleme. Eine gewisse Sorge bereitet auch die Art und Weise, in der die nationalen Wettbewerbsbehörden die an sie verwiesenen Fälle - vor allem in verfahrensrechtlicher Hinsicht - abwickeln. In den Kommentaren wurde der Ruf nach einem effizienten Verfahren laut, das für ausreichende Transparenz zwischen den beteiligten Unternehmen, der Kommission und den Mitgliedstaaten sorgt, weniger Doppelarbeit verursacht und zeitsparender ist und zu möglichst raschen und kohärenten Entscheidungen führt.

    73. Eine immer wiederkehrende Bemerkung zu den Fristen betrifft die Drei-Wochen-Frist, die den nationalen Wettbewerbsbehörden zur Verfügung steht, um einen Verweisantrag zu stellen. In vielen Kommentaren wurde die Ansicht vertreten, die hierfür relevanten Fragen könnten auch in kürzerer Zeit geklärt werden. Dies gelte speziell dann, wenn es dabei um Märkte gehe, die von der nationalen Wettbewerbsbehörde unzweifelhaft besser eingeschätzt werden könnten. Teilweise wurde darauf hingewiesen, dass durch diese zusätzliche Frist der nach innerstaatlichem Recht vorgesehene Zeitplan für Übernahmen durcheinander gebracht werden könne. Probleme könne es auch geben, wenn der Antrag erst kurz vor Ablauf der Frist eingehe und die Parteien sich mittlerweile schon auf Verhandlungen mit der Kommission über Abhilfemaßnahmen eingestellt hätten. Eine besonders große Rolle spielt der Zeitfaktor dann, wenn der Fall an verschiedene nationale Wettbewerbsbehörden zurückverwiesen wurde und diese unterschiedliche Fristen für eine endgültige Entscheidung haben.

    74. Was die Prüfung im Hinblick auf die Verweisbarkeit der Zusammenschlüsse betrifft (Artikel 9 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung), befürwortet ein Großteil der Befragten "vorhersehbare", "einfache" oder gar "automatische" Kriterien. Vorgeschlagen wurden Formulierungen wie "eindeutig unterscheidbare sachlich und räumlich relevante Märkte" oder "Märkte, die keine oder nur sehr geringe innergemeinschaftliche Handelsströme aufweisen". Zur Debatte stand auch eine rein ergebnisorientierte Prüfung anhand der konkreten Auswirkungen des Zusammenschlusses (Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung) oder eine Kombination aus den verschiedenen vorgenannten Möglichkeiten. Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b), der eingeführt wurde, um Verweisanträge durch ein weniger kompliziertes Prüfverfahren zu erleichtern, wurde nur einmal mit Erfolg als Rechtsgrundlage für einen Verweisantrag herangezogen [12].

    [12] Sache Govia/Conex (2001), die an die zuständigen Behörden des Vereinigten Königreichs verwiesen wurde.

    75. Von Unternehmen, die Erfahrungen mit Teilverweisungen gemacht haben, war wiederholt zu hören, dass durch die Übertragung der Zuständigkeiten der Grundsatz der einmaligen Anmeldung ein Stück weit unterlaufen werde und dass sich in punkto Zeitplanung, Kosten und Rechtssicherheit negative Folgen einstellen könnten. Dies treffe erst recht zu, wenn die Würdigung verschiedener Aspekte eines Zusammenschlusses nicht nur einem, sondern gleich mehreren Mitgliedstaaten übertragen werde. Die meisten Unternehmen waren der Meinung, dass die Verweisung an nationale Stellen vor allem nach Bewilligung des Antrags mit finanziellen und personellen Mehrkosten verbunden sei, auch wenn keine genauen Zahlen genannt wurden. Trotz alledem können die Unternehmen jedoch - dies hat die Umfrage bestätigt - im Allgemeinen vorhersehen, wann ein Zusammenschluss Gegenstand einer Verweisung werden könnte, und diesen Umstand von vorn herein in ihre Kostenkalkulation miteinbeziehen.

    76. Große Probleme bereiten auch die Rechtsvorschriften und vor allem die Verfahrensregeln, nach denen die an die Mitgliedstaaten verwiesenen Fälle abgewickelt werden. Obwohl alle Fälle bisher offenbar nur nach rein wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten bewertet wurden, besteht nach wie vor Unsicherheit in Bezug auf die Länge der einzelstaatlichen Verfahren und die Wahrung des Geschäftsgeheimnisses im laufenden Verfahren. Viele sprachen sich für eine Angleichung zumindest der wichtigsten Verfahrensregeln aus.

    77. In einer ganzen Reihe von Kommentaren wurde die Gefahr einer politischen Einflussnahme auf die rechtliche Würdigung der Zusammenschlüsse nicht ausgeschlossen, wenn diese auf nationaler Ebene vorgenommen wird. Mit eine Rolle spielen dabei die Ausgereiftheit der wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen, die Gesellschaftsform der beteiligten Unternehmen und nicht zuletzt die politische oder soziale Bedeutung, die der betreffende Wirtschaftszweig für den fraglichen Mitgliedstaat hat.

    78. Die Fusionskontrollverordnung verlangt von den Mitgliedstaaten, an die der Fall verwiesen wurde, zweierlei: Zunächst ist die nationale Wettbewerbsbehörde gemäß Artikel 9 Absatz 6 verpflichtet, das Ergebnis ihrer Untersuchungen spätestens nach vier Monaten zu veröffentlichen. Hierzu wurde angemerkt, dass der jetzige Wortlaut der Vorschrift der nationalen Wettbewerbsbehörde die Möglichkeit lasse, sich länger mit dem Fall zu beschäftigen, als dies die Kommission tun würde, wenn sie für den Fall zuständig gewesen wäre, und dass diese Situation in der Praxis auch schon eingetreten sei. Artikel 9 Absatz 8 verpflichtet die Mitgliedstaaten ferner, nur die Maßnahmen zu ergreifen, die zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung wirksamen Wettbewerbs auf dem betreffenden Markt unbedingt erforderlich sind. Es liegt im Ermessen der nationalen Wettbewerbsbehörden zu entscheiden, wie sie dieser Verpflichtung nachkommen wollen, doch müssen sie sich dabei an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit halten. Da die Art und Weise, wie die Mitgliedstaaten diesen Ermessenspielraum nutzen, der Kontrolle durch nationale Gerichte unterliegt, brauche diese Vorschrift, so die Meinung einiger Wirtschaftsvertreter, nicht dahingehend ergänzt werden, dass eine Art Oberaufsicht der Kommission eingeführt wird. An zwei Beispielen aus jüngerer Zeit wird deutlich, dass die nationalen Gerichte bei Fällen, die in die nationale Zuständigkeit übergegangen sind, eine gewichtige Rolle spielen [13].

    [13] Sache COMP/M.2216 ENEL/FT/Wind/Infostrada: am 19. Januar 2001 an die italienischen Behörden verwiesen, deren Entscheidung vor dem zuständigen nationalen Gericht angefochten wurde. Sache COMP/M.2044, Interbrew/Bass: am 22. Oktober 2000 an die Behörden des Vereinigten Königreichs verwiesen, deren Entscheidung von dem zuständigen nationalen Gericht aus Verfahrensgründen aufgehoben wurde.

    3. Mögliche Änderungen

    79. Um das Verfahren effizienter zu gestalten, scheint eine Vereinfachung der Kriterien, die bei Vorlage eines Verweisantrags erfuellt sein müssen, angezeigt. Dadurch könnte die jetzige Frist für die Vorlage und Bewilligung eines Antrags eventuell abgekürzt werden. Die Frage ist jedoch, ob auch die Verfahrensfristen auf nationaler Ebene abgekürzt werden können. Eine Verkürzung der Drei-Wochen-Frist scheint kaum oder gar nicht machbar, solange die nationalen Behörden nachweisen müssen, dass die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung droht (Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a). Daher müsste eine Vereinfachung der Antragsvoraussetzungen den Aufwand im Zusammenhang mit der Untersuchung der voraussichtlichen Auswirkungen des Zusammenschlusses vor der Antragstellung eigentlich verringern. Auch der verwaltungsinterne Konsultationsprozess in den Mitgliedstaaten müsste sich so eigentlich abkürzen lassen, da ein Verweisantrag dann nicht mehr die vorläufige Aussage enthalten würde, dass der Zusammenschluss wahrscheinlich wettbewerbsschädigende Folgen hat.

    80. Um die Verweisung von Fällen zu erleichtern, die keine nennenswerten grenzübergreifenden Auswirkungen haben und daher am besten bei einer nationalen Behörde aufgehoben wären, sollte die Kommission auch die Möglichkeit der Verweisung von Amts wegen nach vorheriger Absprache mit der zuständigen einzelstaatlichen Behörde erhalten. Dem Mitgliedstaat würden dadurch die für die Antragstellung nötigen Verfahrensschritte erspart. Abgesehen vom Aspekt der Vereinfachung würden damit in Fällen mit reinem Inlandsbezug überall in der Gemeinschaft einheitlichere Bedingungen geschaffen. Die Möglichkeit der Kommission, diese Fälle an die Mitgliedstaaten zu verweisen, lässt sich im Umkehrschluss aus Artikel 22 der Fusionskontrollverordnung herleiten, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, Fälle gegebenenfalls an die Kommission zu verweisen.

    81. Um die Transparenz noch weiter zu erhöhen, wäre es denkbar, dass die Kommission bei einer Änderung des Systems besondere Leitlinien für das Vorgehen bei Verweisungen herausgibt. Ähnlich wie bei der kürzlich angenommenen Mitteilung über zulässige Abhilfen könnte darin begleitet von praktischen Beispielen erläutert werden, welche Grundsätze es bei Verweisungen zu beachten gilt und wie sich Fälle mit örtlich oder regional begrenzter Tragweite bestimmen lassen.

    a) Vereinfachung der Verweisungskriterien:

    Es wird vorgeschlagen, nur Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b) beizubehalten, aber dessen Anwendung zu erleichtern. Das bedeutet, dass mit der Antragstellung nicht mehr der Nachweis erbracht werden muss, dass die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung droht. Es sollte ausreichen, wenn glaubhaft dargelegt werden kann, dass der Wettbewerb auf einem gesonderten Markt innerhalb des Mitgliedstaates beeinträchtigt wird. Die Größe und Bedeutung des betreffenden Marktes sollte nicht daran gemessen werden, ob er einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes ausmacht. Stattdessen sollte ein einfacheres geografisches Kriterium gefunden werden. Für Verweisungszwecke braucht die räumliche Ausdehnung des betreffenden Marktes/der betreffenden Märkte im Grunde nicht genauer bestimmt werden, solange die Auswirkungen nicht über die Grenzen des jeweiligen Mitgliedstaates hinaus spürbar werden. Es sollte daher genügen, wenn in dem Verweisantrag festgestellt wird, dass die vermuteten Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht so weit reichen, dass es zu einer Marktabschottung, einem Übergreifen auf räumlich größere benachbarte Märkte oder ähnlichen über die Landesgrenzen hinausreichenden Begleiterscheinungen kommt.

    b) Verweisung von Amts wegen:

    Zum Schutz des Wettbewerbs auf den Märkten innerhalb eines Mitgliedstaates sollte die Kommission in Anwendung des Subsidiaritätsprinzips die Möglichkeit erhalten, eine Sache ganz oder teilweise an die nationalen Wettbewerbsbehörden zu verweisen, wenn die vorstehenden Kriterien erfuellt sind.

    c) Fristen:

    Da die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung nicht mehr nachgewiesen werden müsste, könnte auch die Drei-Wochen-Frist für die Antragstellung bzw. für eine Verweisung von Amts wegen auf zwei Wochen verkürzt werden. Wem an größerer Rechtssicherheit gelegen ist, kann schon vor der eigentlichen Anmeldung des Zusammenschlusses Kontakt mit der nationalen Wettbewerbsbehörde und der Kommission aufnehmen, um mehr Zeit für die Verhandlungen zu haben. Damit die Vorteile der flexibleren Handhabung dieses der Geheimhaltung unterliegenden Verfahrensstadiums nicht verloren gehen, sollte dies in der Verordnung jedoch nicht explizit geregelt werden.

    82. Die Forderung, dass die anmeldenden Unternehmen dadurch, dass ihr Fall an die zuständige nationale Behörde verwiesen wird, nicht schlechter gestellt werden dürfen, ist generell gesehen berechtigt. Dies gilt vor allem für materiell-rechtliche Fragen, aber auch für Verfahrensfragen, die die Situation der anmeldenden Parteien konkret beeinflussen können. Dagegen kann jedoch eingewandt werden, dass die verwiesenen Fälle nicht anders behandelt werden dürfen als alle anderen von der zuständigen Behörde geprüften Fusionsfälle auch. Nichtsdestotrotz spricht einiges für den Versuch, die Fristen für den Erlass der abschließenden Entscheidung zu harmonisieren. Zu diesem Zweck könnte die jetzige Regelung in Artikel 9 Absatz 6 dahingehend präzisiert werden, dass eine abschließende Entscheidung, die sich mit der Entscheidung nach Artikel 8 der Fusionskontrollverordnung vergleichen lässt, innerhalb der gleichen Frist angenommen werden muss, die für die Kommissionsentscheidung gegolten hätte. Es wäre auch möglich, noch einen Schritt weiter zu gehen und in der Fusionskontrollverordnung vorzuschreiben, dass die Prüfung eines Falles, der an die nationalen Wettbewerbsbehörden verwiesen wurde, nach den Vorschriften der Fusionskontrollverordnung erfolgen muss. In beiden Fällen wäre hierzu wahrscheinlich eine Änderung der einzelstaatlichen Fusionskontrollverfahren nötig.

    83. Die Kommission möchte diese Frage zur Diskussion stellen und fordert daher interessierte Kreise zur Stellungnahme auf. Die Frage ist, wie das derzeitige System der Arbeitsteilung zwischen der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden effizienter gestaltet und gleichzeitig der Wettbewerb auch dann, wenn keine grenzübergreifenden Auswirkungen zu erwarten sind, besser geschützt werden kann. Argumente pro und contra eine Änderung des Artikels 9 sind ebenso willkommen.

    C. Gemeinsame Verweisungen an die Kommission - Artikel 22 Absatz 3

    84. Vor seiner Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97 konnte Artikel 22 Absatz 3 herangezogen werden, wenn ein Mitgliedstaat die Prüfung der Folgen eines Zusammenschlusses, der nicht die in Artikel 1 genannten Schwellenwerte erreicht, der Kommission übertragen wollte. Artikel 22 Absatz 3 war an sich ursprünglich für die Mitgliedstaaten gedacht, die mangels geeigneter Strukturen selbst noch nicht zur Prüfung von Fusionen in der Lage waren. Dabei stand allerdings immer die Frage im Raum, ob dieser ursprüngliche Zweck von Artikel 22 Absatz 3 mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist. Dem ist entgegenzuhalten, dass ohne diesen Artikel die Fusionen keinerlei Kontrolle unterzogen worden wären.

    85. Wie bereits erwähnt, wurde die Fusionskontrolle in allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Luxemburgs inzwischen gesetzlich geregelt. In der Praxis heißt dies, dass auf Artikel 22 Absatz 3 in seiner ursprünglichen Bedeutung nur noch äußerst selten zurückgegriffen wird [14].

    [14] Die letzte Verweisung unter Bezugnahme auf Artikel 22 Absatz 3 erfolgte 1997 durch die niederländischen Behörden in der Sache IV/M.890 - Blokker/Toys "R" Us. Insgesamt wurden nur vier Fälle nach dieser Vorschrift an die Kommission verwiesen: zwei aus den Niederlanden und je einer aus Finnland und Belgien.

    86. Durch die 1998 in Kraft getretenen Änderungen sollte Artikel 22 Absatz 3 eine neue Bestimmung gegeben werden. Der Artikel sieht jetzt vor, dass mehrere Mitgliedstaaten gemeinsam eine Sache an die Kommission verweisen können, wenn sie der Ansicht sind, dass der Fall bei der Kommission besser aufgehoben ist. Dahinter stand der Gedanke, den EU-Wettbewerbsregeln bei Zusammenschlüssen mit grenzüberschreitenden Auswirkungen mehr Geltung zu verschaffen, den Grundsatz der einmaligen Anmeldung konsequenter umzusetzen und damit dem Problem der Mehrfachanmeldungen zu Leibe zu rücken. In gewisser Weise ist hierin eine Ergänzung zu der gleichzeitig erfolgten Einführung der Umsatzschwellen in Artikel 1 Absatz 3 zu sehen, die denselben Zweck verfolgen. Leider hat der geänderte Artikel 22 Absatz 3 eine noch geringere Wirkung gehabt als Artikel 1 Absatz 3. Bis heute hat die Kommission de facto keinen einzigen gemeinsamen Verweisantrag erhalten.

    87. Die Kommission hat Unternehmen, die von Mehrfachanmeldungen betroffen waren, gefragt, ob ihres Wissens die zuständigen nationalen Wettbewerbsbehörden einen gemeinsamen Antrag auf Verweisung an die Kommission in Erwägung gezogen hätten. Nur in 6 % der Fälle, in denen der Zusammenschluss in mindestens drei Mitgliedstaaten angemeldet wurde, wurde den Anmeldern mitgeteilt, dass die zuständigen Wettbewerbsbehörden einen gemeinsamen Verweisantrag in Erwägung zögen. Bei Zusammenschlüssen, die nur zwei Mitgliedstaaten betrafen, wußte kein Unternehmen etwas von derartigen Überlegungen.

    88. Denselben Unternehmen wurde auch die Frage gestellt, ob sie wüßten, ob es im Verlauf des Anmeldeverfahrens in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten Kontakte zwischen den beteiligten Behörden gegeben habe (z. B. weil sie gefragt worden seien, ob sie mit dem Austausch vertraulicher Informationen zwischen den Behörden einverstanden seien). In 8 % der Fälle, an denen mindestens drei Mitgliedstaaten beteiligt waren, kam es nach Angaben der Anmelder offenbar zu einer gewissen Abstimmung zwischen den Wettbewerbsbehörden, bei Anmeldungen, die nur zwei Mitgliedstaaten betrafen, nur bei 2 %.

    1. Verfahrensrechtliche Schwachstellen des Artikels 22 Absatz 3

    89. Die obigen Informationen beruhen zwar nur auf dem subjektiven Eindruck der Unternehmen, die Mehrfachanmeldungen vorgenommen und auf den Fragebogen der Kommission geantwortet haben, doch steht weitgehend außer Frage, dass die erste Vorbedingung für eine gemeinsame Verweisung, nämlich rechtzeitige Kontakte zwischen den Beteiligten, in den meisten Fällen nicht erfuellt ist. Damit Artikel 22 Absatz 3 seine Funktion als Lösungsmöglichkeit für das Problem der Mehrfachanmeldung besser erfuellen kann, müsste daher wahrscheinlich ein Verfahren für den Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten entwickelt werden, in das die anmeldenden Unternehmen, alle betroffenen Mitgliedstaaten und die Kommission eingebunden sind.

    90. In einigen wenigen Fällen bestanden zwischen der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden informelle Kontakte, bei denen auch die Möglichkeit einer gemeinsamen Verweisung zur Sprache kam. Bei diesen Kontakten kristallisierten sich drei zusätzliche Probleme verfahrenstechnischer Art im Zusammenhang mit Artikel 22 Absatz 4 Unterabsatz 2 heraus, die die Versuche von Mitgliedstaaten, eine Sache gemeinsam an die Kommission zu verweisen, zunichte machen können.

    91. Das erste Problem rührt daher, dass die Verweisung innerhalb eines Monats erfolgen muss, nachdem der Zusammenschluss dem bzw. den Mitgliedstaaten zur Kenntnis gebracht bzw. vollzogen wurde. Mit der Antragstellung beginnt die Frist für die Eröffnung des Verfahrens zu laufen. Der Begriff "einen Zusammenschluss zur Kenntnis bringen" wurde nicht weiter definiert. Obwohl eine Klarstellung der Vorschrift wahrscheinlich gut tun würde, liegt es auf der Hand, in Ländern mit Meldepflicht als Stichtag den Tag zu nehmen, in dem der Zusammenschluss dort angemeldet wurde. Diese Auslegung bietet sich insofern an, als es wenig sinnvoll wäre, sich auf eine andere, weniger formelle Ankündigung zu stützen, wenn im innerstaatlichen Recht genau geregelt ist, wie ein Zusammenschluss einem Mitgliedstaat zur Kenntnis gebracht werden muss [15]. Mehr Stoff für Diskussionen liefert hingegen die Frage, wie die Formulierung auszulegen ist, wenn im innerstaatlichen Recht keine Meldepflicht vorgesehen ist [16]. Außerdem ist es vorstellbar, dass ein Zusammenschluss in verschiedenen Mitgliedstaaten an unterschiedlichen Tagen vollzogen wird.

    [15] Diese Auslegung wurde jedoch aus praktischen Gründen kritisiert, um zu vermeiden, dass die Parteien die oft mühsame Arbeit der Ausarbeitung mehrerer Anmeldungen für verschiedene Mitgliedstaaten auf sich nehmen müssen, wenn der Fall letztlich doch an die Kommission verwiesen wird.

    [16] Nach dem Inkrafttreten der neuen französischen Fusionskontrollvorschriften besteht dieses Problem derzeit nur noch im Vereinigten Königreich und in Luxemburg (bei Fusionen, die nicht unter die Fusionskontrolle fallen, weil sie die einzelstaatlichen Schwellenwerte nicht erreichen, kann das Problem hingegen wieder akut werden).

    92. Ein zweites Problem, das mit dem zuvor beschriebenen teilweise zusammenhängt, ist die unterschiedliche Ausgestaltung der Fusionskontrollsysteme der Mitgliedstaaten in Bezug auf den Zeitpunkt, zu dem eine Anmeldung vorgenommen werden muss bzw. kann. Hier gibt es von Land zu Land erhebliche Unterschiede. In der Praxis heißt dies, dass es für jeden einzelnen Mitgliedstaat schwer zu sagen ist, wann die in Artikel 22 Absatz 4 genannte einmonatige Frist abläuft. Diese Schwierigkeit wird umso größer, je mehr Mitgliedstaaten an der gemeinsamen Verweisung beteiligt sind. Ein anderes Problem ist, dass es objektiv nicht vorhersehbar ist, wie viele Mitgliedstaaten gemeinsam die Verweisung beantragen. Im Endeffekt kann die in Artikel 22 Absatz 4 vorgesehene Frist daher, je nachdem welche Mitgliedstaaten an der Verweisung beteiligt sind, erheblich variieren, da diese wiederum davon abhängt, wann der Zusammenschluss den einzelnen Mitgliedstaaten zur Kenntnis gebracht wurde.

    93. Der dritte und vielleicht problematischste Punkt, der wiederum auf die fehlende Harmonisierung der einzelstaatlichen Verfahrensvorschriften zurückzuführen ist, ist das Fehlen einer Bestimmung, die die auf nationaler Ebene geltenden Fristen bis zur gemeinsamen Verweisung an die Kommission aussetzt. Es könnte nämlich beispielsweise der Fall eintreten, dass Land X nach innerstaatlichem Recht verpflichtet ist, über die gemeldete Fusion zu entscheiden, noch bevor in Land Z die Frist für die Befassung der Kommission mit der Sache abgelaufen ist. Noch komplizierter kann es werden, wenn mehr als zwei Länder eine Verweisung an die Kommission ins Auge fassen, wobei erschwerend hinzukommt, dass es gemäß Artikel 22 Absatz 3 im Ermessen der Kommission liegt, dem Antrag stattzugeben oder ihn abzulehnen.

    94. Damit Artikel 22 Absatz 3 seine Korrektivfunktion hinsichtlich des Problems der Mehrfachanmeldungen erfuellt, müsste wahrscheinlich mehr als nur die Fusionskontrollverordnung geändert werden, denn es ist fraglich, ob darin die obligatorische Konsultation zwischen Mitgliedstaaten zu angemeldeten Fusionsvorhaben festgeschrieben werden könnte, die keine gemeinschaftsweite Bedeutung (im Sinne von Artikel 1) haben. Das Gleiche gilt für die oben beschriebenen Probleme, die sich daraus ergeben, dass in den Mitgliedstaaten die Frage, wann ein Zusammenschluss meldepflichtig ist, unterschiedlich geregelt ist.

    95. Es ist daher anzunehmen, dass Artikel 22 Absatz 3 nur dann wirklich greifen kann, wenn zuvor eine hinreichende Harmonisierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften erfolgt. Aber selbst dann wird das System immer noch unter bestimmten systeminhärenten Unzulänglichkeiten leiden, auf die im Folgenden eingegangen werden soll.

    2. Systeminhärente Schwächen des Artikels 22 Absatz 3

    96. Was die Effizienz von Artikel 22 anbelangt, so liegt es in der Natur dieser Vorschrift, dass sich die Verfahrensdauer insgesamt verlängert und die Rechtssicherheit für alle Beteiligten abnimmt. Da eine Verweisungsvorschrift ihrem Wesen nach stets mit einer Prüfung durch zwei oder mehr Wettbewerbsbehörden verbunden ist, dürfte sich wohl kaum eine Regelung finden lassen, die gemessen an der einmaligen Anmeldung keine längeren Wartezeiten mit sich bringt. Da es darüber hinaus zumindest bei dem gegenwärtigen System im Ermessen jeder einzelnen beteiligten Wettbewerbsbehörde liegt zu entscheiden, ob sie eine Verweisung beantragt bzw. ihr zustimmt, haftet dem Verfahren zwangsläufig noch mehr Unsicherheit an. Für weitere Unsicherheit können die fusionswilligen Unternehmen selbst sorgen, da sie die bestehenden Unterschiede zwischen den innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur ihren Gunsten ausnutzen können. In einem System, das als Korrektiv in Ausnahmefällen wirken soll, mögen diese Unzulänglichkeiten hinnehmbar sein, nicht aber in einem System, dessen Ziel es ist, generell Abhilfe in Bezug auf das Problem der Mehrfachanmeldung zu schaffen.

    97. Eine zweite systeminhärente Schwäche von Artikel 22 Absatz 3 liegt darin, dass bei einer gemeinsamen Verweisung die Kommission allein berechtigt ist, die Maßnahmen zu ergreifen, die zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung wirksamen Wettbewerbs in dem bzw. den antragstellenden Mitgliedstaaten erforderlich sind . Dies entbehrt nicht einer gewissen Logik bei einem System, das auf der Vorstellung basiert, dass die Kommission in diesen Fällen an die Stelle der Behörde des bzw. der antragstellenden Mitgliedstaaten tritt. Nichtsdestotrotz kann dies zu Ergebnissen führen, die mit dem Grundsatz der einmaligen Anmeldung unvereinbar sind (da Mitgliedstaaten, die keinen Antrag gestellt haben, parallel hierzu Verfahren einleiten können) oder - schlimmer noch - es kann dazu führen, dass von der Kommission festgestellte wettbewerbsrechtliche Bedenken ins Leere laufen (wenn in Mitgliedstaaten, die keinen Antrag gestellt haben, keine Untersuchungen eingeleitet wurden).

    3. Schlussfolgerung bezüglich Artikel 22 Absatz 3

    98. Wie zuvor erläutert, könnten einige der gegenwärtigen Schwächen von Artikel 22 Absatz 3 durch eine präzisere Formulierung (z. B. des Begriffs "zur Kenntnis bringen") beseitigt werden. Da Artikel 22 zudem stets als die Umkehrung von Artikel 9 verstanden wurde, könnten auch hier Änderungen in der Art erfolgen, wie sie zuvor für Artikel 9 angeregt wurden (z. B. Erleichterung der Prüfung seiner Anwendbarkeit).

    99. Dennoch scheint es angesichts der oben beschriebenen Unzulänglichkeiten fraglich, ob Artikel 22 so weit geändert werden kann, dass er sich als wirksames und generelles Mittel zur Lösung des Problems der Mehrfachanmeldung erweist. Alle Beteiligten sind dennoch aufgerufen, sich hierzu zu äußern und gegebenenfalls Vorschläge zu unterbreiten, wie diese Vorschrift in ein kohärentes System der Kompetenzzuweisung eingebettet werden kann.

    D. Der Begriff des "Zusammenschlusses": Problempunkte

    100. Der Begriff des Zusammenschlusses umfaßt neben der Fusion auch den Fall, dass ein oder mehrere Unternehmen die rechtliche oder tatsächliche Kontrolle über ein anderes oder mehrere andere Unternehmen erwerben. Hierunter fällt auch die Gründung von Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen.

    101. Hieraus folgt, dass ein Vorgang, die nicht mit dem Erwerb einer solchen Kontrolle einhergeht, nicht unter die Fusionskontrollverordnung fällt. Nicht von der Verordnung erfasst wird daher z. B. der Erwerb von alleinigen oder gemeinsamen Minderheitsbeteiligungen, mit denen keine Kontrolle über das Unternehmen ausgeübt werden kann. Dies gilt auch dann, wenn die Minderheitsbeteiligung von einem Wettbewerber erworben wird. Solange das Kontrollkriterium nicht erfuellt ist, gilt dies auch für strategische Allianzen, einem Unternehmenskonzept, das seit der Einführung der Fusionskontrollverordnung immer häufiger anzutreffen ist. Vorgänge dieser Art werden von der Kommission derzeit in der Regel nach Artikel 81 und 82 EG-Vertrag geprüft. Die Kommission ist sich darüber im Klaren, dass diese Vorgänge zu "strukturellen" Veränderungen auf den betreffenden Märkten führen können. Um eine Vorabanmeldung zwingend vorzuschreiben, müssen sie jedoch erst einmal hinreichend genau definiert werden, was, wie die Kommission weiß, ein Problem darstellt.

    102. Wie schon gesagt, ist die Fusionskontrollverordnung auch auf Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen anwendbar. 1998 wurde ihr Anwendungsbereich durch Änderung von Artikel 3 Absatz 2 und die Einfügung eines neuen Absatzes (4) in Artikel 2 auch auf die Prüfung der kooperativen Aspekte eines Gemeinschaftsunternehmens ausgeweitet. Auf die Erfahrungen, die in den ersten Jahren ihres Bestehens mit dieser neuen Vorschrift gemacht wurden, wird weiter unten eingegangen. Seit dem Weißbuch über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag aus dem Jahr 1999 steht die Frage im Raum, ob sogenannte Teilfunktions-Gemeinschaftsunternehmen im Produktionssektor ebenfalls von der Fusionskontrollverordnung erfasst werden sollen. In ihrem Bericht vom 27.9.2000 hatte die Kommission die Erörterung dieses Themas auf die anstehende Revision der Fusionskontrollverordnung vertagt.

    103. Schwierige Auslegungsfragen tauchten hin und wieder auch im Zusammenhang mit Zusammenschlüssen auf, die aus mehreren Erwerbsvorgängen hervorgegangen sind. Einfach ausgedrückt lautet die Frage: Wann sind zwei oder mehr rechtlich voneinander unabhängige Erwerbsvorgänge als eine Maßnahme anzusehen, die gemäß der Fusionskontrollverordnung meldepflichtig ist- Die Antwort auf diese Frage ist nicht ohne Belang für die Kompetenzverteilung zwischen der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden. Damit Zusammenschlüsse auf der Ebene bearbeitet werden, die am ehesten die Gewähr für eine effektive und wirksame Kontrolle bietet, muss nach Ansicht der Kommission dafür gesorgt werden, dass wirtschaftlich miteinander verquickte Transaktionen von ein und derselben Behörde geprüft werden. Gleichzeitig sollte ausgeschlossen werden, dass voneinander unabhängige Erwerbsvorgänge künstlich miteinander in Zusammenhang gebracht werden.

    104. Mit der Definition des Begriffs "Zusammenschluss" verknüpft ist auch die Frage, inwieweit bestimmte, vor allem den Finanzsektor betreffende Geschäfte (z. B. Bereitstellung von Wagniskapital), die in der Praxis auf keinem Markt zu einer Konzentration des Angebots oder der Nachfrage führen, ebenfalls unter die Fusionskontrollverordnung fallen. Artikel 3 Absatz 5 der Fusionskontrollverordnung enthält eine Ausnahmeregelung für bestimmte Arten solcher Geschäfte. Angesichts der Entwicklungen bei den Finanzdienstleistungen und der Unternehmensfinanzierung seit 1990 erscheint es jedoch sinnvoll zu prüfen, ob dieser Artikel weiterhin seinen Zweck erfuellt oder überarbeitet werden muss.

    105. Schließlich stellt sich die Frage, ob der Begriff des Zusammenschlusses und das in Artikel 5 der Fusionskontrollverordnung verwendete Konzept der Untrnehmensgruppe nicht besser aufeinander abgestimmt werden sollten. Da die bisherige Unterscheidung zwischen diesen beiden Konzepten hin und wieder bereits zu Unstimmigkeiten geführt hat, sollte geprüft werden, ob die Anwendung der Verordnung durch die Verwendung ein und derselben Begrifflichkeit in beiden Artikeln nicht erleichtert würde.

    1. Minderheitsbeteiligungen

    106. In einer begrenzten Zahl von Fällen hat die Kommission in der ersten Phase des Verfahrens die Veräußerung von Minderheitsbeteiligungen oder den Verzicht auf personelle Verflechtungen auf der Leitungsebene der beteiligten Unternehmen in ihre Entscheidung miteinbezogen und dadurch ein möglicherweise aufwendiges Prüfverfahren vermieden [17].

    [17] Siehe beispielsweise Sache IV/M.1080 - Thyssen/Krupp, Entscheidung vom 2. Juni 1998, Sache COMP/M.1712 - Generali/INA, Entscheidung vom 12. Januar 2000 und COMP/M.1980 - Volvo/Renault, Entscheidung vom 1. September 2000.

    107. Minderheitsbeteiligungen werden von der Fusionskontrollverordnung nicht erfasst, es sei denn, sie führen aus anderen Gründen zu einer Situation, in der eine rechtliche oder faktische Kontrolle ausgeübt wird. Nichtsdestotrotz kann es sein, dass durch eine Minderheitsbeteiligung (eventuell gekoppelt mit personellen Verflechtungen) die Bereitschaft der miteinander verbundenen Unternehmen zu konkurrieren sinkt und das Marktgeschehen dadurch beeinflusst wird. Die Fusionskontrollverordnung greift in diesen Fällen nicht, doch können nach ständiger Rechtsprechung die Artikel 81 und 82 EG-Vertrag als Rechtsgrundlage für die Prüfung von Minderheitsbeteiligungen und der damit verbundenen möglichen wettbewerbsrechtlichen Probleme herangezogen werden.

    108. Die Kommission wurde darauf hingewiesen, dass Minderheitsbeteiligungen und personelle Verflechtungen der Begründung von Oligopolen Vorschub leisten können und dass in einigen anderen Rechtsräumen der Erwerb von Minderheitsbeteiligungen auch dann unter die Fusionskontrolle fällt, wenn er nicht mit einem Kontrollerwerb einhergeht [18]. Von verschiedenen Seiten wurde vorgeschlagen, die EU-Vorschriften ebenfalls weiter zu fassen.

    [18] Die deutschen, österreichischen und irischen Vorschriften über die Prüfung von Zusammenschlüssen gelten beispielsweise bei Erwerb einer 25 %igen Beteiligung unabhängig davon, ob sich die Kontrollverhältnisse im Sinne der Fusionskontrollverordnung ändern. In diesen Rechtssystemen kann bei späterem Erwerb der alleinigen Kontrolle eine zweite Anmeldung erforderlich werden. Ähnlich ist es in den USA, wo die Fusionskontrolle nicht nur beim Kontrollerwerb, sondern auch bei Transaktionen einsetzt, durch die eine Partei in die Lage versetzt wird, eine andere Partei "konkret ("materially") zu beeinflussen. Die US-Vorschriften (Abschnitt 7 des Clayton-Gesetzes) sind auch auf Fälle anwendbar, die den Tatbestand eines Zusammenschlusses nach der Fusionskontrollverordnung nicht erfuellen würden. Das Problem der personellen Verflechtungen ist in Abschnitt 8 des Clayton Act geregelt. In der US-Gesetzgebung ist bei Transaktionen ohne Kontrollerwerb (im Sinne der Fusionskontrollverordnung) u. a. ein "size-of-the-transaction-test" vorgesehen, wenn Wertpapiere im Wert von mehr als 50 Mio. USD erworben werden.

    109. Derzeit liegen der Kommission noch keine umfassenden Angaben über die zunehmende Bedeutung von Minderheitsbeteiligungen und personellen Verflechtungen vor. Nach den bisherigen Erfahrungen zu urteilen dürfte es nur bei einigen wenigen solcher Transaktionen zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken kommen, die sich nicht mit Hilfe von Artikel 81 und 82 EG-Vertrag zufriedenstellend lösen ließen. Sollte dem so sein, wäre es unverhältnismäßig, jeden Erwerb einer Minderheitsbeteiligung der in der Fusionskontrollverordnung vorgeschriebenen Ex-ante-Kontrolle unterziehen zu wollen. Außerdem scheint es fraglich, ob sich eine Definition finden lässt, die diejenigen Fälle von Minderheitsbeteiligungen und personellen Verflechtungen herausfiltert, bei denen ein solches Vorgehen gerechtfertigt wäre.

    110. Nichtsdestotrotz bittet die Kommission um Meinungsäußerungen zur bisherigen Behandlung von Minderheitsbeteiligungen und personellen Verflechtungen nach den EU-Wettbewerbsregeln und zum möglichen künftigen Vorgehen.

    2. Strategische Allianzen

    111. Strategische Allianzen sind Kooperationsvereinbarungen unterschiedlichen Zuschnitts, in deren Rahmen mehrere zumeist vertragliche, aber auch strukturelle Verbindungen zwischen den Unternehmen geschaffen werden. Die Vereinbarungen reichen von der Spezialisierung auf bestimmte Produktmärkte, gemeinsamen FuE-Vorhaben, Technologietransferabkommen, gegenseitigen Liefervereinbarungen, der Verpflichtung über eine künftige Zusammenarbeit auf anderen Gebieten bis hin zum Erwerb von Beteiligungen und der Gründung von Gemeinschaftsunternehmen [19]. Strategische Allianzen werden häufig zwischen Wettbewerbern geschlossen, um mit anderen ähnlichen Allianzen konkurrieren zu können. Eine Tendenz zur Bildung strategischer Allianzen bestand vor allem auf den erst kürzlich liberalisierten Märkten, um angesichts der Globalisierung dieser Märkte konkurrenzfähig zu bleiben. Das Wettbewerbsrecht ist vor allem darauf bedacht, dafür zu sorgen, dass diese Allianzen von einander unabhängig bleiben und effektiv miteinander konkurrieren.

    [19] Siehe 24. Bericht über die Wettbewerbspolitik (Rdnr. 156).

    112. Die im Rahmen einer strategischen Allianz geschlossenen Vereinbarungen (vor allem Exklusivlizenzen, Alleinbezugs- oder Vertriebsvereinbarungen, Wettbewerbsverbotsklauseln) können den Wettbewerb einschränken und daher unter Artikel 81 EG-Vertrag fallen. Bisher wurde nur eine strategische Allianz, nämlich die zwischen Alitalia und KLM [20], nach der Fusionskontrollverordnung geprüft. In diesem speziellen Fall kam die Kommission aus mehreren Gründen [21] zu dem Schluss, dass die Allianz die Definition eines Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmens im Sinne der Kommissionsmitteilung erfuellt.

    [20] JV.19 - KLM/Alitalia.

    [21] Namentlich, weil die Muttergesellschaften auf den von der Allianz bedienten Märkten nicht mehr tätig sein, das Tagesgeschäft gemeinsam betreiben und alle wichtigen strategischen und geschäftlichen Entscheidungen gemeinsam treffen würden, weil das Sachvermögen beider Parteien ausschließlich in den Dienst der Allianz gestellt würde und weil die Allianz auf längere Zeit angelegt sei.

    113. In Erwägungsgrund 23 der Fusionskontrollverordnung heißt es, der Begriff des Zusammenschlusses sei so zu definieren, dass er nur Handlungen erfasst, die zu einer dauerhaften Veränderung der Struktur der beteiligten Unternehmen führen. Der Zweck einer strategischen Allianz besteht jedoch in der Regel nicht darin, eine strukturelle Veränderung im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Fusionskontrollverordnung herbeizuführen. Deshalb muss es auch nicht zwangsläufig zur Bildung einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit kommen, wie sie in der Mitteilung der Kommission über den Begriff des Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmens definiert wurde. Deshalb erscheint es nach wie vor angezeigt, Vorgänge dieser Art anhand von Artikel 81 EG-Vertrag zu prüfen.

    3. Artikel 2 Absatz 4

    114. Eine der wichtigsten Änderungen, die 1998 an der Fusionskontrollverordnung vorgenommen wurden, bestand darin, dass sie von nun an auch für bestimmte Gemeinschaftsunternehmen galt, die von ihr bis dahin nicht erfasst worden waren (die sogenannten kooperativen Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen "KVFGU").

    115. Zwischen März 1998 und Dezember 2000 wurden insgesamt 47 KVFGU angemeldet. Nur in einem Fall erfolgte die Anmeldung, weil eines der in Artikel 1 Absatz 3 genannten Umsatzkriterien erfuellt war; in den übrigen 46 Fällen waren die in Artikel 1 Absatz 2 genannten Kriterien maßgebend.

    116. Die Ausweitung der Fusionskontrollverordnung auf sämtliche KVFGU wird allgemein für sinnvoll gehalten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich diese Fälle gut für das detailliertere Prüfverfahren nach der Fusionskontrollverordnung eignen. Mit dieser Maßnahme konnten die Kosten und Fristen für die Genehmigung derartiger Vorhaben verringert werden, nicht zuletzt auch deshalb, weil Artikel 2 Absatz 4 die Möglichkeit bietet, sämtliche wettbewerbsrechtlichen Aspekte solcher Gemeinschaftsunternehmen in einem einzigen Verfahren zu prüfen.

    117. Die Wahrscheinlichkeit, dass KVFGU wettbewerbsrechtliche Bedenken hervorrufen, lässt sich anhand der nachfolgenden Zahlen verdeutlichen. Bei sieben der oben genannten Fälle von KVFGU wurden entweder in der ersten oder zweiten Phase des Verfahrens Bedenken im Hinblick auf eine mögliche Marktbeherrschung angemeldet. Bei allen anderen Fällen, die im selben Zeitraum nach der Fusionskontrollverordnung geltend gemacht wurden (insgesamt 798), lag diese Zahl bei 75. Der Vergleich der Zahlen zeigt, dass bei rd. 15 % der KVFGU-Fälle wettbewerbsrechtliche Bedenken auftraten gegenüber nur 9 % bei allen anderen Fällen.

    118. Im selben Zeitraum wurde bei zwei KVFGU-Fällen [22] eine Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens von voneinander unabhängig bleibenden Unternehmen vermutet (d. h. wettbewerbsrechtliche Bedenken im Sinne von Artikel 81 EG-Vertrag). In beiden Fällen wurden die anstehenden Fragen nicht weiter vertieft, weil die Parteien ihr ursprüngliches Vorhaben in einer Weise änderten, die eine umfassende Untersuchung überfluessig machte. Bisher wurde noch bei keinem KVFGU eine Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt.

    [22] Sache M.1327 - NC/Canal +/CDPQ/Bank America und die Sache JV.15 - BT/AT&T.

    119. Zwar waren wettbewerbsrechtliche Bedenken nach Maßgabe von Artikel 2 Absatz 4 relativ selten, doch ist dabei zu berücksichtigen, dass diese Vorschrift erst seit relativ kurzer Zeit in Kraft ist. Bevor eine genauere Bewertung vorgenommen werden kann, müssen daher erst noch mehr praktische Erfahrungen gesammelt werden.

    4. Teilfunktions-Gemeinschaftsunternehmen im Produktionsbereich

    120. Wie bereits erwähnt, sah der Vorschlag der Kommission zur Modernisierung der Artikel 81 und 82 vor, dass die Frage einer möglichen Ausdehnung des Begriffs des Zusammenschlusses im Rahmen der jetzigen Revision erfolgen solle. Der Grund hierfür war der, dass die Kommission in ihrem Weißbuch die Auffassung vertreten hatte, dass bei Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen im Produktionssektor das System der Vorabgenehmigung gelten solle, weil ihre Gründung in der Regel mit erheblichen Investitionen und einer weitreichenden funktionellen Integration einhergehe. Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen sollten ebenso wie Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen unter dem Aspekt der Marktbeherrschung als auch nach Artikel 2 Absatz 4 der Fusionskontrollverordnung geprüft werden.

    121. In dem anschließenden Anhörungsverfahren wurde jedoch Kritik an diesem Vorschlag geübt. Ein Kritikpunkt war, dass es schwierig werden würde, den Begriff des Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmens im Produktionssektor rechtlich eindeutig zu definieren, vor allem wenn Dienstleistungen erbracht würden. Das System der obligatorischen Ex-ante-Anmeldung sei deshalb zur Kontrolle von Gemeinschaftsunternehmen dieser Art ungeeignet.

    122. Vor allem aber lieferte das Anhörungsverfahren keine Anhaltspunkte dafür, dass Gemeinschaftsunternehmen im Produktionssektor für eine Vorabkontrolle per se besser geeignet sind als andere Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen, die ebenfalls große Investitionen erfordern können (z.B. FuE-Gemeinschaftsunternehmen oder Vertriebssysteme). Da Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen im Produktionsbereich per definitionem auf keinem Markt tätig sind, wäre das einzige echte Kriterium, anhand dessen sich diese Fälle nach der Fusionskontrollverordnung prüfen ließen, die Frage, ob eine Koordinierung zwischen den Muttergesellschaften stattfindet. Da dies bedeuten würde, dass die Rechtsgrundlage für die Prüfung dieselbe bliebe (nämlich Artikel 81 EG-Vertrag), gibt es keinen Grund, warum die betroffenen Unternehmen einer Regelung im Hinblick auf die Anwendung von Artikel 81 den Vorzug geben sollten, die eine Vorabprüfung mit sich bringt: Es dürfte wohl eher selten sein, dass Gesellschaften, die ein Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen im Produktionsbereich gründen wollen, ihr Vorhaben erst nach Artikel 81 EG-Vertrag anmelden und vor seiner Umsetzung die Entscheidung der Kommission abwarten.

    123. Ein weiterer Einwand war, dass Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen im Produktionssektor weiterhin unter die im Hinblick auf Artikel 81 EG-Vertrag erlassenen Gruppenfreistellungsverordnungen fallen. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Gruppenfreistellungen für Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen sowie für Spezialisierungsvereinbarungen. Mit der Verordnung(EG) Nr. 2658/2000 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen [23] werden u.a. auch Vereinbarungen über eine gemeinsame Produktion en bloc ausgenommen, in denen sich zwei oder mehrere Vertragsparteien dazu verpflichten, verschiedene Produkte gemeinsam herzustellen. Die Marktanteilsschwelle für die Freistellung liegt bei 20 %. Die Verordnung (EG) Nr. 2659/2000 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung [24] gilt auch für gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsarbeiten an Produkten oder Verfahren und die gemeinsame Verwertung der dabei erzielten Ergebnisse. Sind die Vertragsparteien Konkurrenten, so gilt die Freistellung nur bis zu einer Marktanteilsschwelle von 25 %.

    [23] ABl. L 304, vom 15.12. 2000, S. 3.

    [24] ABl. L 304, vom 15.12.2000, S. 7.

    124. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand gibt es somit offenbar keinen zwingenden Grund, um den Anwendungsbereich der Fusionskontrollverordnung auf Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen im Produktionsbereich auszudehnen. Die Kommission ist aber auch offen für Gegenmeinungen, die eine solche Ausweitung für sinnvoll halten. Die Betreffenden werden gebeten zu erläutern, wie ihrer Ansicht nach ein solches, hinreichende Rechtssicherheit bietendes System aussehen könnte.

    5. Verbundene Erwerbsvorgänge

    125. In der Vergangenheit hatte die Kommission mehrfach zu entscheiden, ob bestimmte Vorgänge, die gewisse Gemeinsamkeiten aufwiesen, als ein einziger Zusammenschluss angesehen werden sollten.

    126. Diese Frage ist wichtig für die Klärung der Zuständigkeiten. Eine Vorhaben, das für sich genommen keine gemeinschaftsweite Bedeutung hat, weil die Umsatzschwellen der Fusionskontrollverordnung nicht erreicht werden, kann dennoch in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, wenn der Zusammenschluss das Ergebnis von zwei oder mehreren Erwerbsvorgängen ist.

    127. Artikel 3 gilt für den Erwerb der "unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle über die Gesamtheit oder über Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen". Abgesehen von dieser weitgefassten allgemeinen Definition wird nur noch in Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz 2 direkt auf den Fall eingegangen, in dem zwei oder mehr Erwerbsvorgänge einen einzigen Zusammenschluss bilden. Mit dieser Vorschrift sollte in erster Linie verhindert werden, dass die Fusionskontrollverordnung durch die Bildung eines Zusammenschlusses in mehreren Einzelschritten umgangen wird. Die Fusionskontrollverordnung enthält somit die Rechtsvermutung, dass alle Maßnahmen, die die Voraussetzungen des Artikels 5 Absatz 2 Unterabsatz 2 erfuellen, als ein Zusammenschluss anzusehen sind.

    128. Gemäß dem Grundsatz der einmaligen Anmeldung ist nicht einzusehen, warum nicht auch in anderen Fällen mehrere Erwerbsvorgänge, die nach der derzeit geltenden Regelung a priori nicht als ein Zusammenschluss zu werten sind, im Zusammenhang geprüft werden sollten, wenn sie wirtschaftlich in einer Weise miteinander verknüpft sind und Übereinstimmungen erkennen lassen, die gleichbedeutend mit einem einzigen Zusammenschluss sind.

    129. Das Bestehen eines wirtschaftlichen Gesamtzusammenhangs ist anhand der von den beteiligten Unternehmen verfolgten Zielen zu überprüfen. Um festzustellen, dass es sich im Grunde um einen einzigen Zusammenschluss handelt, muss sowohl ein zeitlicher Zusammenhang als auch ein sachlicher Zusammenhang sowohl in Bezug auf die Beteiligten als auch den Umfang der Transaktion bestehen.

    130. Die Anwendung des Grundsatzes der einmaligen Anmeldung auf die nachstehend beschriebenen Arten von miteinander verbundenen Erwerbsvorgängen wäre im Interesse des übergeordneten Ziels der Aufrechterhaltung wirksamen Wettbewerbs die bessere Lösung, da auf diese Weise die Auswirkungen derartiger Zusammenschlüsse in einem einzigen Verfahren zusammenhängend geprüft werden könnten. Eine striktere Anwendung des Grundsatzes der einmaligen Anmeldung dient hier wie auch in den anderen Fällen dazu, die Rechtssicherheit für die an dem Zusammenschluss beteiligten oder von ihm betroffenen Unternehmen zu erhöhen. Um Erwerbsvorgänge, die aus der Sicht der beteiligten Unternehmen und/oder des Marktes durch einen wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang gekennzeichnet sind, nicht gesondert rechtlich würdigen zu müssen, sollten die Umstände, unter denen mehrere Erwerbsvorgänge als im Sinne der Fusionskontrollverordnung zusammenhängend betrachtet werden, näher erläutert werden. Hierbei wären die folgenden drei Szenarien denkbar [25]:

    [25] Ein viertes Szenarium würde gemeinsame Übernahmeangebote betreffen. Diese Fälle werden bereits als Zusammenschluss im Sinne der Fusionskontrollverordnung gewertet, es sei denn, die Übernahmeparteien haben zuvor die unverzügliche Aufteilung sämtlicher erworbener Vermögenswerte nach einem vorher festgelegten Plan vereinbart. Rdnr. 24 der Bekanntmachung über den Begriff der beteiligten Unternehmen besagt nämlich, dass jeder auf diese Weise erfolgte Erwerb von Vermögenswerten als getrenntes Vorhaben anzusehen ist. Da dieses Prinzip bereits gesetzlich verankert ist, brauchen die bestehenden Vorschriften nicht geändert zu werden. Allerdings könnte es sinnvoll sein, bei der nächsten Überarbeitung der Bekanntmachung über den Begriff der beteiligten Unternehmen die Grenzen der in Rdnr. 24 geschaffenen Ausnahmeregelung in dem Sinne zu verdeutlichen, dass das gemeinsame Übernahmeangebot bei bestehenden Zweifeln hinsichtlich der künftigen Aufteilung der gemeinsam erworbenen Vermögenswerte als ein Zusammenschluss unter Berücksichtigung etwaiger Maßnahmen zur Aufteilung der erworbenen Vermögenswerte betrachtet werden wird.

    131. Erwerb der gemeinsamen Kontrolle über einen und der alleinigen Kontrolle über einen anderen Teil eines Unternehmens. Diese Konstellation ergibt sich in der Regel beim unmittelbaren Erwerb der Muttergesellschaft einer Unternehmensgruppe, da das zu übernehmende Unternehmen häufig eine oder mehrere gemeinsam kontrollierte Tochtergesellschaften hat, die durch die Übernahme dann der (teilweisen) Kontrolle durch den neuen Eigentümer der Muttergesellschaft unterliegen. In einem solchen Fall wäre es zweifellos unnatürlich, die übernommene Gruppe nicht als wirtschaftliche Einheit zu betrachten. Bietet sich wie im nachstehenden Fall die gleiche wirtschaftliche Konstellation, ist nicht einzusehen, warum nicht auch hier nach demselben Prinzip verfahren werden sollte. Das nachstehende einfache Beispiel mag dies verdeutlichen: Ein Unternehmen A will die folgenden Vermögenswerte (die der einfacheren Argumentation wegen demselben sachlich relevanten Markt zuzuordnen sind und von A als wirtschaftliche Einheit verwaltet wurden) an das Unternehmen B veräußern:

    * 100 % der Anteile an seiner Tochtergesellschaft A1

    * 50 % der Anteile an A2 (einem gemeinsam kontrollierten Unternehmen) und

    * 25 % seiner Anteile an A3 (Minderheitsbeteiligung ohne Kontrollmöglichkeit).

    132. Nach der jetzigen Regelung würde der Erwerb von A1 und A2 als getrennte Zusammenschlüsse gewertet werden, wohingegen der Erwerb der Beteiligung an dem Unternehmen A3 überhaupt keinen Zusammenschluss darstellen würde. Die beiden erstgenannten Übernahmen würden je nach der Höhe des dabei jeweils erzielten Umsatzes entweder nach der Fusionskontrollverordnung oder den Vorschriften des oder der beteiligten Mitgliedstaaten geprüft. Das Ergebnis wäre völlig anders, wenn A vor der Veräußerung die Gesellschaften A1 bis A3 (z.B. aus steuerlichen Gründen) zu einer Holding zusammenfassen würde, die anschließend an B übertragen würde. In diesem Fall gäbe es nur einen Zusammenschluss, bei dem B die alleinige Kontrolle über die Holdinggesellschaft erwerben würde. Außerdem würde für die Klärung der Zuständigkeit der gesamte Umsatz der Holding herangezogen, und demzufolge wäre dann auch der gesamte Vermögenstransfer Gegenstand einer Prüfung entweder durch die Gemeinschaft oder auf nationaler Ebene. Damit sämtliche wirtschaftlichen Aktivitäten, die durch den Zusammenschluss zusammengefasst werden, auch voll berücksichtigt werden, sollte Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Fusionskontrollverordnung daher so redigiert werden, dass auch dieses Szenarium abgedeckt wird [26].

    [26] Dies würde bedeuten, dass auch die erläuternden Bekanntmachungen der Kommission entsprechend geändert werden müssten (siehe Bekanntmachung über den Begriff des Zusammenschlusses, Rdnr. 16).

    133. Der Tausch von Vermögenswerten (Swapgeschäfte) zwischen zwei Unternehmen führt in der Regel dazu, dass zwei voneinander unabhängige Unternehmen auf dem Markt verbleiben (wenngleich mit veränderten Eigentumsverhältnissen). Häufig wird das Tauschgeschäft in einem einzigen Vertrag besiegelt, wobei es nahezu selbstverständlich ist. dass eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen dem Abschluss beider Geschäfte besteht. Bisher hielt die Fusionskontrollverordnung diesen Zusammenhang für nicht ausreichend, um Tauschgeschäfte als einen einzigen Zusammenschluss zu betrachten. Ein Umdenken in dieser Frage ist jedoch angezeigt, um eine kohärente Bewertung des gesamten Vorhabens zu ermöglichen. Außerdem kann es sich auf der einen oder auf beiden Seiten um partielle Tauschgeschäfte handeln, d.h. der frühere Eigentümer hält weiterhin Anteile an dem getauschten Unternehmen. Auch hier gibt es sicherlich prüfungsrelevante Wechselwirkungen. Dies und die Tatsache, dass Tauschgeschäfte von den Parteien in der Regel als wirtschaftliche Einheit begriffen werden, sprechen dafür, sie wie einen durch einen einzigen Erwerbsvorgang entstandenen Zusammenschluss zu behandeln. Eine Änderung von Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Fusionskontrollverordnung, mit der auch dieses Szenarium erfasst wird, erscheint daher angemessen [27].

    [27] Auch hier müssten die erläuternden Bekanntmachungen der Kommission entsprechend geändert werden (Bekanntmachung über den Begriff der beteiligten Unternehmen, Rdnr. 49-50).

    134. "Schleichende Übernahmen" über die Börse sind ein weiteres Beispiel für Zusammenschlüsse, die durch mehrere Erwerbsvorgänge vollzogen werden. Die Transaktionen können auf mehr oder weniger komplizierte Art und Weise vonstatten gehen; sie reichen vom relativ offenen und direkten Erwerb von Aktien von verschiedenen Aktionären bis hin zur Einschaltung von Finanzmittlern, die sich unterschiedlicher Finanzinstrumente bedienen. Diese Art des Erwerbs ist häufig bei sogenannten "feindlichen Übernahmen", d.h. wenn das zu übernehmende Unternehmen und/oder einige der Anteilseigner der Übernahme alles andere als positiv gegenüberstehen. In solchen Fällen wäre es in der Regel nicht nur unpraktisch, sondern auch widernatürlich, davon auszugehen, dass der Zusammenschluss mit dem Erwerb der Aktie oder des Aktienpaketes erfolgt, mit dem der Erwerber die (de facto-)Kontrolle über das anvisierte Unternehmen erhält. Für alle Beteiligten ist in der Regel klar, dass die in mehreren rechtlich voneinander unabhängigen Schritten erworbenen Rechte aus wirtschaftlicher Sicht eine Einheit bilden, deren Zweck darin besteht, die Kontrolle über das anvisierte Unternehmen zu erwerben. Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Fusionskontrollverordnung sollte daher so geändert werden, dass auch dieses Szenarium erfasst wird [28].

    [28] Siehe auch Rdnr. 180 ff. über das Verhältnis von Artikel 4 und Artikel 7 der Fusionskontrollverordnung in diesen speziellen Fällen.

    135. Die Kommission ist der Ansicht, dass sich durch eine Anpassung von Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz 2 erreichen lässt, dass die beschriebenen Szenarien von der Fusionskontrollverordnung erfasst werden. Damit der Anwendungsbereich dieses Artikels nicht zu weit gefasst wird, sollte er auf Erwerbsvorgänge innerhalb desselben Wirtschaftszweiges beschränkt werden. Der geänderte Artikel 5 Absatz 2 würde somit wie folgt lauten (Änderungen fettgedruckt):

    2. Wird der Zusammenschluss durch den Erwerb von Teilen eines oder mehrerer Unternehmen bewirkt, so ist unabhängig davon, ob diese Teile eigene Rechtspersönlichkeit besitzen, abweichend von Absatz 1 auf Seiten des Veräußerers nur der Umsatz zu berücksichtigen, der auf die veräußerten Teile entfällt.

    Dagegen sind zwei oder mehr Erwerbsvorgänge, die innerhalb von zwei Jahren zwischen denselben Personen oder Unternehmen getätigt werden, ungeachtet der Art ihrer Prüfung als ein einziger Zusammenschluss anzusehen, der zum Zeitpunkt des letzten Geschäfts stattfindet, es sei denn, sie betreffen verschiedene Wirtschaftszweige.

    Der im vorstehenden Unterabsatz genannte Grundsatz gilt mutatis mutandis auch für den Tausch von Vermögenswerten (Swap-Geschäfte) und den mehrfachen Erwerb von Wertpapieren im Sinne von Artikel 7 Absatz 5 Unterabsatz 2.

    136. Es wird um Stellungnahme zu der vorgeschlagenen Änderung von Artikel 5 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung gebeten. Interessant wäre auch zu erfahren, ob es nach Meinung Dritter noch andere Arten von Zusammenschlüssen gibt, die durch mehrere Erwerbsvorgänge zustande kommen und deren rechtliche Würdigung nach der Fusionskontrollverordnung einer weiteren Klärung bedürfte.

    6. Bereitstellung von Wagniskapital - Artikel 3 Absatz 5

    137. Artikel 3 Absatz 5 beschreibt bestimmte eng umrissene Fälle, in denen davon ausgegangen wird, dass kein Zusammenschluss bewirkt wird. Eine dieser Ausnahmeregelungen betrifft die normale Tätigkeit von Finanzinstituten. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass diese Vorschrift aufgrund der darin enthaltenen Beschränkungen (in Bezug auf die Ausübung der Stimmrechte und den maximalen Zeitraum bis zur Veräußerung der Wertpapiere) nur selten anwendbar ist. Auf der anderen Seite sollen durch derartige Beschränkungen jedoch Versuche zur Umgehung der Fusionskontrollverordnung von vornherein unterbunden werden, um sicherzustellen, dass die Verordnung weiterhin greift und gleiche Bedingungen herrschen.

    138. Die Revision der Verordnung ist für die Kommission Anlass, zur Kenntnis zur nehmen, dass es neue Finanzierungsformen auf den Kapitalmärkten gibt, die eventuell bei der Überprüfung des Anwendungsbereichs der Verordnung mitberücksichtigt werden sollten. Eine dieser neuen Formen ist das Wagniskapital (Venture Capital "VC"), das seit der Annahme der Fusionskontrollverordnung in Europa stark an Bedeutung zugenommen hat. Eine mögliche Unterscheidung nach dem Verwendungszweck von Venture Capital ist die Einteilung in VC für Übernahmen und VC für wachstumsträchtige/technologieorientierte Unternehmen.

    139. Im ersten Fall dient das Wagniskapital der Investition in die Übernahme etablierter börsennotierter oder privater Unternehmen. Dieser Vorgang ist in vielerlei Hinsicht mit der traditionellen Übernahme von Gewerbebetrieben vergleichbar und dürfte daher im Hinblick auf die anstehende Revision keine besonderen Probleme aufwerfen.

    140. Die Beteiligung an wachstumsträchtigen/technologieorientierten Unternehmen weißt hingegen einige Besonderheiten auf, die eine genauere Betrachtung verdienen. Die Beteiligung dient in der Regel dazu, einem neuen Unternehmen das nötige Startkapital zu verschaffen, um es dann mittelfristig an der Börse zu platzieren. Der Unternehmer behält dabei im Regelfall die volle Kontrolle über die Geschäftsabläufe; oft verfügen die betreffenden Unternehmen noch nicht einmal über ein Leitungsgremium (Board). Es wurde argumentiert, dass diese Art von Wagniskapital mit den herkömmlichen Darlehenspraktiken der Banken gleichzusetzen sei. Unter die Fusionskontrollverordnung fällt diese Beteiligungsform jedoch deswegen, weil die VC-Geber Anteile an dem neuen Unternehmen halten und in der Regel zumindest bei der Aufstellung des Finanzierungs- und Unternehmensplans über ein Vetorecht verfügen, während bei den herkömmlichen Finanzierungsmethoden die Banken normalerweise keine Beteiligungen halten, sondern sich das Recht vorbehalten, den Kredit nicht zu verlängern.

    141. Die Beteiligung an wachstumsträchtigen/technologieorientierten Unternehmen kann deshalb unter die Fusionskontrollverordnung fallen, weil zu diesem Zweck häufig Konsortien gebildet werden, d. h. die Investitionskosten werden unter zwei oder mehreren VC-Gebern aufgeteilt. Diese besondere Struktur führt dazu, dass solche Beteiligungen selbst bei Unternehmensgründungen, die noch keine Umsatzerlöse vorweisen können, nach den Vorschriften über Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen dennoch meldepflichtig sind. Es gibt mehrere Gründe, warum sowohl die Wagniskapitalgeber als auch der Unternehmer die Bildung eines Konsortiums vorziehen, darunter vor allem der Wunsch beider Seiten, das Risiko zu streuen und einen größeren Erfahrungsschatz zur Verfügung zu haben.

    142. Häufig sind es gerade die kleinen und mittleren Betriebe, die in den Genuss von Wagniskapital kommen. Wagniskapital fördert daher die unternehmerische Tätigkeit und kommt langfristig auch dem Wettbewerb und der Wirtschaft insgesamt zugute. Nach der derzeitigen Regelung dürfte die Bereitstellung von Wagniskapital in der Regel die Kriterien für eine Behandlung nach dem vereinfachten Verfahren erfuellen (siehe unten). Selbst wenn man zu dem Schluss käme, dass bei dieser Art der Bereitstellung von Wagniskapital wettbewerbsrechtliche Bedenken eher unwahrscheinlich sind, da sie neu gegründete Unternehmen mit Startkapital versorgen, wäre ihre Freistellung dennoch aus mehreren Gründen problematisch. Ein Problem besteht z. B. darin, dass es keine allgemein gültige Definition für die Tätigkeit eines Wagniskapitalgebers gibt. Geringeren Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken gibt es sicherlich dann, wenn der VC-Geber ein reines Finanzinstitut ist (z. B. eine Bank); anders liegen die Dinge hingegen, wenn es sich um eine Tochtergesellschaft eines gewerblichen Unternehmens handelt [29]. Ob wettbewerbsrechtliche Bedenken bestehen, hängt ferner auch davon ab, inwieweit das Beteiligungskonsortium aktiv am Unternehmensgeschehen teilnimmt. Hält sich der VC-Geber zurück und beschränkt sich auf eine mehr oder weniger mit dem traditionellen Bankgeschäft vergleichbare Finanzierung, sind mit einiger Sicherheit keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken zu erwarten. Diese Sicherheit besteht jedoch dann nicht mehr, wenn die Venture Capital-Geber, die oft Branchenkenner sind und in mehrere Unternehmen der gleichen Branche investieren, eine aktivere Rolle übernehmen, wozu beispielsweise auch die Übertragung von Vermögenswerten und/oder der Austausch von Informationen zwischen verschiedenen kapitalnehmenden Unternehmen gehören kann.

    [29] Die Europäische Vereinigung für Risikokapital EVCA zählt u. a. Bankfilialen und Fondsverwaltungsgesellschaften zu ihren Mitgliedern, aber auch sogenannte "corporate ventures", d. h. Risikokapitalgesellschaften, die Teil eines Industriekonzerns sind und deren Aufgabe häufig darin besteht, Kapital für Investitionen in neue Technologien zur Unterstützung der Tätigkeit der Muttergesellschaft bereitzustellen.

    143. Ein Problem ganz anderer Art, das sich bei jeder wie auch immer gearteten Ausnahmeregelung stellt, wenn sie denn greifen soll, ist die Abstimmung mit den Fusionskontrollvorschriften in den einzelnen Mitgliedstaaten. Eine Ausnahmeregelung, die zur Folge hätte, dass sich die Konsortial-Venture-Capital-Gesellschaften, die sich an wachstumsträchtigen/technologieorientierten Unternehmen beteiligen, in verschiedenen Mitgliedstaaten einem Anmeldeverfahren unterziehen müssten, wäre nicht nur mit dem Prinzip der einmaligen Anmeldung unvereinbar, sondern würde auch den Verwaltungsaufwand erhöhen, anstatt ihn zu verringern.

    144. Ungeachtet der oben beschriebenen Schwierigkeiten bei der genauen Definition der Art von Venture Capital-Beteiligungen, die keinerlei Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken gibt, lehnt die Kommission eine Ausweitung des Anwendungsbereichs von Artikel 3 Absatz 5 nicht grundsätzlich ab. Interessierte Dritte werden daher gebeten, sich hierzu zu äußern und insbesondere Vorschläge zu unterbreiten, wie eine solche Regelung aussehen könnte, ohne dass die Verordnung dadurch an Wirkung verliert. Insbesondere wird auch um Stellungnahme zu der Frage gebeten, ob die nachstehenden Vorschläge über eine Ausweitung des vereinfachten Verfahrens den Handlungsbedarf in Sachen Wagniskapitalbeteiligungen reduzieren.

    7. Konvergenz zwischen dem Begriff der "Kontrolle" und dem Begriff der "Unternehmensgruppe"

    145. In Artikel 3 Absatz 3 wird der Begriff der "Kontrolle" definiert, um die Umstände zu bestimmen, unter denen ein Zusammenschluss als gegeben betrachtet wird. Die Prüfungskriterien sind eher qualitativer denn quantitativer Natur, wobei sowohl die rechtlichen als auch die tatsächlichen Gegebenheiten als Ausgangspunkt dienen können.

    146. In Artikel 5 Absatz 4 ist festgelegt, welche Unternehmen neben dem beteiligten Unternehmen noch in die Umsatzberechnung nach Artikel 1 miteinbezogen werden. Der Zweck dieser Bestimmung besteht darin, die gesamten wirtschaftlichen Vermögenswerte zu erfassen, die bei einem Zusammenschluss vereint werden.

    147. In der Vergangenheit gab es einige wenige Fälle, in denen sich die Frage nach der Vereinbarkeit von Artikel 3 Absatz 3 mit Artikel 5 Absatz 4 stellte. Auslöser für die Kontroverse waren vor allem die folgenden Tatbestände:

    - In Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe b) erster bis dritter Gedankenstrich heißt es, dass ein Unternehmen dann Teil einer Unternehmensgruppe ist, wenn Letztere mehr als die Hälfte seines Kapitals oder Betriebsvermögens besitzt, über mehr als die Hälfte seiner Stimmrechte verfügt oder mehr als die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrats oder der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe bestellen kann.

    - Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe b) vierter Gedankenstrich besagt seinerseits, dass ein Unternehmen dann zu einer Gruppe gehört, wenn die Gruppe das Recht hat, die Geschäfte des Unternehmens zu führen.

    148. Die in den ersten drei Gedankenstrichen des Artikels 5 Absatz 4 aufgeführten Kriterien können als quantitative Kriterien bezeichnet werden. Das Kriterium im vierten Gedankenstrich ist hingegen eher ergebnisbezogen und gleicht daher der qualitativen Prüfung im Sinne von Artikel 3 Absatz 3. Selbst wenn das Endergebnis der qualitativen und der ergebnisbezogenen Prüfung in den meisten Fällen übereinstimmen dürfte, besteht dennoch kein Zweifel daran, dass es Unterschiede zwischen den beiden Vorschriften gibt, die bisweilen eine gewisse Unsicherheit hervorrufen können.

    149. Nach der ständigen Rechtsprechung kann ein Kontrollerwerb im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 beispielsweise auch dann vorliegen, wenn ein Unternehmen über deutlich weniger als die Hälfte der Stimmrechte in einem anderen Unternehmen verfügt (sofern davon auszugehen ist, dass es dennoch bei der Hauptversammlung über eine Mehrheit verfügt). Umgekehrt ist auch beim Erwerb von beispielsweise 51 % des Aktienkapitals oder der Vermögenswerte eines Unternehmens nicht sicher, dass hiermit auch die Kontrolle über das Unternehmen im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 erworben wird (z. B. wenn ein anderer Anteilseigner über mehr als die Hälfte der Stimmrechte in dem Unternehmen verfügt).

    150. Außerdem deutet die Formulierung in Artikel 5 Absatz 4 einschließlich des vierten Gedankenstrichs eher auf einen Zustand alleiniger Kontrolle denn auf eine gemeinsame Kontrolle durch mehrere Muttergesellschaften hin.

    151. Die Kommission möchte daher wissen, ob die derzeitigen Unterschiede zwischen Artikel 3 Absatz 3 und Artikel 5 Absatz 4 in der Praxis ein Problem darstellen und wenn ja, ob es zweckmäßig ist, die Artikel 3 Absatz 3 zugrunde liegenden Leitgedanken ebenfalls auf den Begriff der Unternehmensgruppe anzuwenden. Ebenfalls von Interesse sind für die Kommission Kommentare zu den etwaigen Schwierigkeiten, die eine Harmonisierung der beiden Vorschriften nach sich ziehen könnte.

    152. Eine weitere Frage betrifft die Praxis der Kommission, bei der Berechnung des Gesamtumsatzes des Konzerns analog zu Artikel 5 Absatz 5 den Umsatz von Gemeinschaftsunternehmen anteilig mitzueinrechnen [30]. Wenngleich die analoge Anwendung von Artikel 5 Absatz 5 in dieser Weise bisher noch zu keinen Unstimmigkeiten geführt hat, scheint es dennoch sinnvoll, das Vorgehen in der Vorschrift selbst näher auszuführen.

    [30] Siehe Rdnr. 40 der Bekanntmachung der Kommission über die Berechnung des Umsatzes.

    8. Gesamtschau

    153. In diesem Kapitel wurden eine Reihe möglicher Änderungen in Bezug auf den in Artikel 3 der Fusionskontrollverordnung definierten Begriff des Zusammenschlusses einer näheren Betrachtung unterzogen. Zunächst wurde untersucht, wie der Begriff des Zusammenschlusses im Verhältnis zu Minderheitsbeteiligungen und strategischen Allianzen auszulegen ist. Zwar können derartige Vorgänge die Marktstruktur beeinflussen, doch gilt dies nicht durchweg. Mit der nötigen Rechtssicherheit zu bestimmen, wo hier die Trennungslinie liegt, scheint nicht möglich. Artikel 81 dürfte sich daher für die Prüfung von dieser Transaktionen nach wie vor am besten eignen.

    154. Ein weiterer Abschnitt war den Problemen im Zusammenhang mit Artikel 2 Absatz 4 und den Teilfunktions-Gemeinschaftsunternehmen gewidmet. Was Erstere anbelangt, kam die Kommission zu dem Schluss, dass die Vorschrift, auch wenn sie seit ihrer Einführung in die Fusionskontrollverordnung im Jahr 1998 keine bemerkenswerten wettbewerbsrechtlich relevanten Fälle hervorgebracht hat, dennoch mit dem Grundsatz der einmaligen Anmeldung im Einklang steht und daher beibehalten werden sollte. In Bezug auf die Teilfunktions-Gemeinschaftsunternehmen wurde der Schluss gezogen, dass es a priori kein stichhaltiges Argument gibt, weshalb Erwerbsvorgänge dieser Art von der Fusionskontrollverordnung erfasst werden sollten.

    155. Anschließend wurde auf die sogenannten verbundenen Erwerbsvorgänge eingegangen, die zu einem Zusammenschluss führen. Hierbei hält die Kommission eine Änderung der gegenwärtigen Bestimmungen für angezeigt, um eine kohärente und wirksame Anwendung der Fusionskontrollvorschriften auf drei besondere Formen von auf diese Weise vollzogenen Zusammenschlüssen zu gewährleisten.

    156. Des Weiteren wurde die Frage gestellt, ob es sinnvoll ist, die Anwendbarkeit der Fusionskontrollverordnung auf bestimmte Arten von Risikokapitalbeteiligungen zu beschränken. Die Durchführbarkeit einer solchen Änderung hängt nach Auffassung der Kommission jedoch davon ab, ob sich eine solche Einschränkung vornehmen lässt, ohne dass die Wirksamkeit der Fusionskontrollverordnung dadurch negativ beeinflusst wird.

    157. Im letzten Abschnitt wurde der Frage nachgegangen, ob der Begriff der Unternehmensgruppe in Artikel 5 Absatz 4 mit dem Begriff der Kontrolle, wie er in Artikel 3 Absatz 3 definiert ist, abgestimmt werden sollte.

    158. Abgesehen von der Stellungnahme zu den oben aufgeführten Fragen sind auch jederzeit Meinungsäußerungen zu sonstigen Problemen im Zusammenhang mit dem Begriff des Zusammenschlusses willkommen, die nach Ansicht Dritter im Rahmen der Revision geklärt werden sollten.

    III. MATERIELLRECHTLICHE FRAGEN

    A. Die materiellrechtliche Prüfung

    159. Die materiellrechtliche Prüfung angemeldeter Zusammenschlussvorhaben wird nach Maßgabe von Artikel 2 der Fusionskontrollverordnung vorgenommen. Im Rahmen der jetzigen Revision wurde vorgeschlagen, dass die Kommission bei dieser Gelegenheit auch die Zweckmäßigkeit des Marktbeherrschungstests zur Diskussion stellen sollte. Hierfür wurden sowohl verfahrens- als auch materiellrechtliche Argumente angeführt.

    160. Aus verfahrensrechtlicher Sicht wird eine kritische Überprüfung des Marktbeherrschungstests in erster Linie damit begründet, dass unter anderem in den USA, Kanada und in Australien das Kriterium einer wesentlichen Wettbewerbsverminderung ("substantial lessening of competition"), d. h. der sogenannte SLC-Test, angewandt wird und die Revision der Fusionskontrollverordnung zum Anlass genommen werden könnte, die Beurteilungskriterien der Fusionskontrollverordnung den wettbewerbsrechtlichen Konzepten anderer bedeutender Rechtssysteme anzunähern. Die Annäherung an einen weltweiten Standard für die Prüfung von Unternehmenszusammenschlüssen hat einiges für sich. Für die Unternehmen wäre es beispielsweise leichter, die wettbewerbsrechtlichen Folgen geplanter Zusammenschlüsse abzuschätzen, ohne dass sie, wie dies bislang der Fall ist, ihre Fusionsvorhaben je nach anwendbarem Recht unterschiedlich begründen müssen. Gleichzeitig würde den Wettbewerbsbehörden eine bessere Grundlage für eine effiziente Zusammenarbeit bei Mehrfachanmeldungen an die Hand gegeben. Eine Prüfung nach einheitlichen Kriterien würde überdies das Augenmerk stärker auf die Anwendung der Beurteilungskriterien als auf die Prüfung selbst richten und einen besseren Leistungsvergleich der Wettbewerbsbehörden und Gerichte ermöglichen und die Entwicklung einer wettbewerbsorientierten Forschung und Modellkonzeption erleichtern.

    161. Eine Änderung der Beurteilungskriterien in der Fusionskontrollverordnung könnte allerdings auch gewisse Nachteile mit sich bringen. Zwar sollte dies nicht überbewertet werden, doch könnte es den beteiligten Unternehmen zumindest in der Anfangszeit nach einer solchen Reform schwerer fallen, den Ausgang eines Fusionskontrollverfahrens in Europa vorauszusehen. Dies liegt daran, dass die bestehende Entscheidungspraxis (sowohl der Kommission als auch der Gerichte) auf dem Marktbeherrschungstest basiert. Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Mitgliedstaaten (wie auch die Bewerberländer) ihr Fusionskontrollrecht an dem Marktbeherrschungstest ausgerichtet haben [31]. Eine Änderung der Beurteilungskriterien in der Fusionskontrollverordnung könnte daher zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass das Wettbewerbsrecht international einheitlicher, aber innerhalb der Gemeinschaft disparater würde, wenn die einzelstaatlichen Vorschriften nicht entsprechend geändert würden.

    [31] Das Vereinigte Königreich und Irland denken allerdings über die Einführung eines SLC-Tests nach. Auch andere Mitgliedstaaten sind daran interessiert, die etwaigen Vorteile einer Umstellung auf den SLC-Test zu prüfen.

    162. Aus materiellrechtlicher Sicht ist festzustellen, dass zwischen dem Marktbeherrschungstest und dem SLC-Test zahlreiche Gemeinsamkeiten bestehen. In beiden Fällen wird beispielsweise der Umfang des relevanten Markts, dessen Beeinträchtigung durch den geplanten Zusammenschluss und der Marktdruck geprüft, dem das fusionierte Unternehmen ausgesetzt wäre. Trotz der Unterschiede in der rechtlichen Prüfung sei darauf hingewiesen, dass bei den weitaus meisten Fällen, die von der Kommission und anderen Wettbewerbsbehörden, die den SLC-Test anwenden, geprüft worden sind, ein hoher Grad an Übereinstimmung bei der wettbewerbsrechtlichen Analyse festzustellen war.

    163. Seit Erlass der Fusionskontrollverordnung im Jahr 1989 hat sich der Begriff der Marktbeherrschung gewandelt und sowohl den wirtschaftstheoretischen Entwicklungen als auch den immer sensibleren ökonometrischen Instrumenten zur Messung der Marktmacht angepasst. Dies hat zur Folge, dass sich die Fusionskontrolle heute weniger auf die eher grobe, ungenaue Marktanteilsprüfung verlassen darf als vor zehn Jahren. Daran, dass der Marktbeherrschungstest diese Entwicklung durchlaufen hat, ist nichts besonderes. Artikel 2 hat sich bisher für eine Wirkungsanalyse auf der Basis feinerer mikroökonomischer Instrumente und Modelle, die die ökonometrische und industrieökonomische Forschung entwickelt hat, als hinreichend flexibel erwiesen.

    164. Das vielleicht bekannteste Beispiel für diese Entwicklung ist die Auslegung der Fusionskontrollverordnung im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Prüfung durch die Gemeinschaftsgerichte in Fällen kollektiver Marktbeherrschung (Entscheidungen des Gerichts erster Instanz und des Gerichtshofs in den Fällen Kali und Salz und Gencor).

    165. Dennoch argumentieren manche, der SLC-Test entspreche eher der im Rahmen der Fusionskontrolle vorgenommenen wirtschaftsorientierten Analyse und sei (rechtlich) anpassungsfähiger als der Marktbeherrschungstest. Deshalb sei er für eine effiziente Fusionskontrolle geeigneter, insbesondere in einem Wirtschaftsumfeld, das sich durch eine zunehmende Unternehmenskonzentration auszeichne. Demgegenüber wird allerdings eingewandt, der weniger berechenbare SLC-Test bewirke eine größere Rechtsunsicherheit.

    166. Eine der konkreteren hypothetischen Fragen, die gelegentlich im Zusammenhang mit der Reichweite des Marktbeherrschungstests in der Fusionskontrollverordnung gestellt werden, zielt auf die Feststellung ab, inwieweit dieser Test eine effiziente Kontrolle in ganz bestimmten Situationen erlaubt, in denen es einem Unternehmen möglich sein kann, einseitig die Preise anzuheben und so Marktmacht auszuüben. Als Beispiel wird in diesem Zusammenhang immer wieder der Zusammenschluss des zweit- und des drittgrößten Unternehmens in einem Markt angeführt, in dem ihre Produkte am ehesten austauschbar sind. In diesem Fall kann das fusionierte Unternehmen kleiner bleiben als der Marktführer. Mit dem SLC-Test, so wird argumentiert, könnten solche Fälle besser beurteilt werden, insbesondere wenn aufgrund der Merkmale des Marktes nicht auf eine kollektive Marktbeherrschung geschlossen werden kann. Diese Konstellation ist in einer theoretischen Diskussion zwar interessant, doch stand die Kommission in der Praxis bisher noch nicht vor dieser Situation.

    167. Zusammenfassend ist festzustellen, dass bei der Anwendung des Marktbeherrschungstests keine größeren Lücken aufgetreten sind. Auch fiel das Ergebnis in der Regel nicht anders aus als bei der Anwendung des SLC-Tests in anderen Rechtskreisen. Dennoch hält es die Kommission jetzt angesichts der zunehmend internationalen Dimension von Fusionsfällen für an der Zeit, die Vorzüge der beiden Fusionskontrolltests gründlich zu beleuchten.

    168. Um diese wichtigen Fragen umfassend diskutieren zu können, werden alle interessierten Kreise gebeten, ausführlich zu den Vor- oder Nachteilen Stellung zu nehmen, die für sie mit dem derzeitigen Wortlaut von Artikel 2 der Fusionskontrollverordnung verbunden sind, und die Leistungsfähigkeit des Marktbeherrschungstests im Vergleich zum SLC-Test zu beurteilen.

    169. Da diese Diskussion an Grundsätze rührt, die für das Wettbewerbsrecht nicht nur auf Gemeinschaftsebene, sondern auch in den Mitgliedstaaten von grundlegender Bedeutung sind, wird es vielleicht nicht möglich sein, innerhalb des Zeitrahmens für die Revision der Fusionskontrollverordnung zu definitiven Ergebnissen zu gelangen.

    B. Fusionsspezifische Effizienzvorteile

    170. Mit dem Marktbeherrschungstest, so wird ferner eingewandt, könnten eventuelle Effizienzvorteile einer Fusion nicht angemessen beurteilt werden. Dieses Problem kam bisher jedoch nur in wenigen Fusionskontrollentscheidungen zur Sprache, so dass unter Umständen noch nicht vollständig ausgelotet wurde, inwieweit solche Erwägungen zu berücksichtigen sind. Demgegenüber ist in einigen Rechtsordnungen ausdrücklich vorgesehen, dass bei der Fusionskontrolle fusionsspezifischen Effizienzvorteilen Rechnung getragen werden muss (vgl. z. B. die US-amerikanischen Fusionskontrollrichtlinien). Diese Einrede der Effizienz ("efficiency defence") lässt den Vollzug eines Zusammenschlusses zu, wenn die aus den Effizienzgewinnen resultierenden Vorteile für die Wirtschaft größer sind als der aus der Wettbewerbsbeschränkung resultierende Schaden. Unabhängig davon, wie in diesen Rechtsordnungen bei der materiellrechtlichen Prüfung verfahren wird, ist festzustellen, dass solche Einreden in der Regel nur in außergewöhnlichen Fällen geltend gemacht werden dürfen, und zwar dann, wenn anzunehmen ist, dass die Effizienzvorteile trotz der marktbeherrschenden Stellung des betreffenden Unternehmens oder trotz der wesentlichen Verminderung des Wettbewerbs an die Verbraucher weitergegeben werden.

    171. In jedem Fall liegt die Beweislast bei der Partei, die diese Effizienzgewinne einplant, d. h. in der Regel bei den Anmeldern, die naturgemäß am besten in der Lage sind, die Größenordnung und den Umfang solcher Vorteile sowie die Notwendigkeit einer Fusion zur Erzielung dieser Vorteile darzulegen.

    172. In der Fachwelt wird zurzeit allgemein darüber diskutiert, wie und in welchem Umfang Effizienzvorteile in einer wettbewerbsrechtlichen Prüfung zu berücksichtigen sind [32]. Die Kommission begrüßt diese Diskussion und bittet unabhängig von der Beurteilung der beiden Fusionskontrolltests um Stellungnahme zu der Frage, welcher Stellenwert Effizienzerwägungen in der Fusionskontrolle zukommt und in welchem Umfang sie berücksichtigt werden sollten.

    [32] Siehe u. a. OCDE/GD(96)65 "Efficiency claims in mergers and other horizontal agreements".

    C. Vereinfachtes Verfahren

    173. Nach dem Bericht 2000 befürwortet die europäische Wirtschaft zwar eine Änderung der Fusionskontrollverordnung mit dem Ziel, die Zuständigkeit der Kommission auf alle Fälle mit grenzüberschreitenden Bezügen zu erweitern, doch fordert sie gleichzeitig ein weniger restriktives Vorgehen bei Vorgängen, die sich aller Voraussicht nach nicht negativ auf den Wettbewerb auswirken werden. In diesen Fällen sollen für die Anmeldung weniger Informationen genügen, und die Stillhaltepflicht in Artikel 7 Absatz 1 soll entfallen.

    174. Im September 2000 legte die Kommission eine Bekanntmachung über ein vereinfachtes Verfahren für bestimmte Zusammenschlüsse gemäß der Fusionskontrollverordnung vor [33]. Erste Erfahrungen mit der Anwendung dieses Verfahrens sind sehr positiv, und die Effizienz der europäischen Fusionskontrolle konnte durch die Bekanntmachung deutlich gesteigert werden.

    [33] Veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 29. Juli 2000 (ABl. C 217 vom 29.7.2000, S.32).

    175. Zwischen September 2000 und dem 30. April 2001 gingen bei der Kommission rund 216 Anmeldungen auf der Grundlage der Fusionskontrollverordnung ein. Etwa 39 % dieser Anmeldungen konnten im vereinfachten Verfahren bearbeitet werden. Die Bearbeitungsdauer betrug von der Anmeldung bis zur Genehmigung im Durchschnitt 25 Kalendertage. Auf die Verfahrensdauer hat sich dieses neue Verfahren nicht wesentlich ausgewirkt. Wenn die derzeitige Regelung in Artikel 9 Absatz 2 (wonach die Mitgliedstaaten ab Eingang der Kopie der Anmeldung drei Wochen Zeit haben, um einen Verweisungsantrag zu stellen) nicht geändert wird, wird sich an der Dauer des Verfahrens auch kaum etwas ändern. Eine Änderung von Artikel 9 Absatz 2 könnte entweder in Verbindung mit einer Kürzung der jetzigen Dreiwochenfrist für einen Verweisungsantrag nach Artikel 9 erwogen werden (siehe den Abschnitt über die Verweisung), oder es könnte eine Bestimmung eingefügt werden, wonach Artikel 9 Absatz 2 in Fällen, in denen sich die Anmelder auf die Bekanntmachung über das vereinfachte Verfahren beziehen, nicht anwendbar oder nur mit einer kürzeren Frist anwendbar wäre.

    176. Die bisherigen Erfahrungen bestätigen zwar den Erfolg des neuen vereinfachten Verfahrens, doch sind zur Straffung der Verfahren durchaus noch weitere Maßnahmen denkbar. Beispielsweise könnte für solche Fälle ein weniger aufwendiges Formblatt CO verwendet werden. Eine entsprechende Änderung ist im Rahmen einer allgemeinen Überarbeitung der Kommissionsverordnung 447/98 geplant.

    177. Es wurde vorgeschlagen, das vereinfachte Verfahren entweder in die Verordnung selbst aufzunehmen oder in Form einer "Gruppenfreistellung" zu kodifizieren, die sich an den Prinzipien der Bekanntmachung orientieren könnte. Dies hätte den Vorteil, dass harmlose Fusionsfälle gar nicht erst bearbeitet zu werden bräuchten und in Fällen, von denen keine Präzedenzwirkung zu erwarten ist, keine förmliche Entscheidung erlassen werden müsste. Dennoch mag es im Interesse der Rechtssicherheit ratsam sein, eine gewisse Informationspflicht gegenüber der Kommission und den Mitgliedstaaten beizubehalten.

    178. Vorgeschlagen wurde ferner die Einführung einer De-minimis-Schwelle, wie sie bereits in einigen Mitgliedstaaten besteht, mit dem Ergebnis, dass die Kommission etwaige Marktbeherrschungsprobleme in kleinen Märkten nicht prüfen würde.

    179. Alle interessierten Kreise werden gebeten, sich in Bezug auf die vorstehenden Ausführungen oder auf damit verbundene Aspekte zu der Frage zu äußern, wie eine geänderte Fusionskontrollverordnung am besten zur Verfahrensvereinfachung beitragen könnte. Besonders hilfreich wären Beiträge zu Transparenz und Rechtssicherheit, aber auch zu allen anderen oben angesprochenen Fragen.

    IV. VERFAHRENSRECHTLICHE FRAGEN

    A. Das die Anmeldepflicht begründende Ereignis

    180. Dem Bericht 2000 ist zu entnehmen, dass die Wirtschaft in bestimmten Fällen eine Klärung der in Artikel 4 Absatz 1 verwendeten Begriffe, die die Pflicht zur Anmeldung einer Fusion begründen, für erforderlich hält. Diese Begriffe wurden in der Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 1998 über den Begriff des Zusammenschlusses näher erläutert. Im Folgenden wird erörtert, ob aufgrund der seither gemachten Erfahrungen mit der Anwendung der Fusionskontrollverordnung eine weitere Klärung erforderlich ist.

    181. Zu diskutieren wäre auch ein Vorschlag aus der Wirtschaft, eine Anmeldung schon vor Eintritt des in Artikel 4 Absatz 1 bezeichneten Ereignisses, d. h. vor Abschluss einer rechtsverbindlichen Vereinbarung, zuzulassen.

    182. Anders als andere Fusionskontrollsysteme, die eine vorherige Anmeldung vorschreiben, nennt Artikel 4 Absatz 1 der Fusionskontrollverordnung ausdrücklich den Zeitpunkt, zu dem die Anmeldung spätestens zu erfolgen hat. Wird der Anmeldepflicht nicht nachgekommen, kann gegen die betreffenden Unternehmen nach Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a) eine Geldbuße verhängt werden. Da es normalerweise im Interesse der Beteiligten ist, einen Zusammenschluss so früh wie möglich anzumelden, um so schnell wie möglich eine Entscheidung zu erlangen, brauchte die Kommission in der Praxis nicht auf die Einhaltung der einwöchigen Frist zu bestehen [34]. Zudem ist es übliche Praxis, dass die Kommission hierauf verzichtet, weil sie davon ausgeht, dass die beteiligten Unternehmen keine Schritte zur Durchführung ihrer Fusionsvereinbarung unternehmen werden. Auf diese Weise wird den Unternehmen die nötige Zeit eingeräumt, um eine vollständige Anmeldung einzureichen. Es wurden verschiedene Vorschläge gemacht, wann eine Anmeldung spätestens erfolgen sollte. Diese reichen von der vollständigen Abschaffung der Anmeldefrist bis hin zu einer Kodifizierung der derzeitigen Verwaltungspraxis oder einer Änderung dahingehend, dass die einwöchige Frist nur für eine formlose Unterrichtung über den geplanten Zusammenschluss gelten soll, während für die Anmeldung selbst eine längere Frist eingeräumt werden könnte.

    [34] In den Fällen, in denen Geldbußen wegen verspäteter Anmeldung verhängt worden sind, ging es gleichzeitig auch um den Vollzug des Zusammenschlusses entgegen Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b) und Artikel 7 Absatz 1, siehe Samsung und AP Möller.

    183. Einige Wirtschaftsvertreter haben vorgeschlagen, Artikel 4 Absatz 1 entweder aufzuheben oder dahin abzuändern, dass der frühestmögliche Zeitpunkt für eine Anmeldung angegeben wird. Die Kommission hat in der Praxis immer wieder Anmeldungen akzeptiert, über die sich erst die Führungsspitzen der beteiligten Unternehmen verständigt hatten, auch wenn diese Anmeldungen in einigen Fällen nicht verbindlich waren, weil erst bestimmte Bedingungen erfuellt werden mussten (z. B. Zustimmung der Hauptversammlung). Erschwert wird die Auslegung von Artikel 4 Absatz 1 durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, die der Unternehmensführung unterschiedlich weitreichende Befugnisse zur Verpflichtung des Unternehmens im Außenverhältnis zugestehen. Diese Unterschiede sind in erster Linie auf das einzelstaatliche Gesellschaftsrecht zurückzuführen, können aber auch durch vertragsrechtliche Gepflogenheiten beeinflusst sein.

    184. Als Hauptargument zugunsten einer Lockerung des Erfordernisses eines für die beteiligten Unternehmen verbindlichen Vertragsabschlusses wird vorgebracht, dass es so leichter sei, die Anmeldung bei der Kommission mit Anmeldungen bei anderen Wettbewerbsbehörden beispielsweise in den USA zu koordinieren. Eine solche Koordinierung ist jedoch auch im Rahmen der jetzigen Regelung möglich, indem die Anmeldung beispielsweise allen beteiligten Wettbewerbsbehörden zum Zeitpunkt des verbindlichen Vertragsschlusses übermittelt wird. Allerdings ist es bis zu einem gewissen Grad verständlich, dass es aus geschäftlichen Gründen ratsam sein kann, jedes Fusionskontrollverfahren so früh wie möglich einzuleiten.

    185. Die derzeitige Vorgehensweise, die verlangt, dass das Fusionsvorhaben nach dem Abschluss einer hinreichend verbindlichen Vereinbarung (oder nach einem öffentlichen Angebot) angemeldet wird, basiert auf einer Reihe von Annahmen, die durchaus berechtigt sind. Da mit der Anmeldung die Fristen für die Prüfung des Zusammenschlusses beginnen, muss die Anmeldung jedenfalls zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die Ermittlungen der Kommission nicht wegen Wahrung der Vertraulichkeit eingeschränkt werden [35]. Außerdem könnte es unangebracht sein, Ermittlungen im Vorstadium eines Zusammenschlusses einzuleiten, wenn hierdurch Dritte gegenüber den Anmeldern bevorteilt oder benachteiligt werden könnten. Die Möglichkeit einer vorzeitigen Anmeldung könnte auch den effizienten Ressourceneinsatz der Kommission in Frage stellen (sowie den Einsatz der Ressourcen der anderen Verfahrensbeteiligten). Würden Anmeldungen in einem frühen Stadium des Fusionsvorhabens zugelassen, wären die Beteiligten unter Umständen nicht in der Lage, der Kommission die Angaben mitzuteilen, die für die Vorprüfung innerhalb der Einmonatsfrist gemäß Artikel 10 Absatz 1 notwendig sind.

    [35] Nach Artikel 4 Absatz 3 wird die Tatsache der Anmeldung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.

    186. Ungeachtet dieser Vorbehalte sollte nach Auffassung der Kommission die Möglichkeit einer flexibleren Regelung geprüft werden, die die Koordinierung der Fusionskontrolle in den verschiedenen Rechtskreisen erleichtern würde. Die Kommission bittet um Stellungnahme zu den etwaigen Vor- oder Nachteilen einer solchen flexibleren Regelung und insbesondere um Vorschläge, wie sich dies ohne die oben dargelegten negativen Folgen erreichen ließe.

    B. Aufschub des Vollzugs

    187. Nach Artikel 7 Absatz 1 darf ein Zusammenschluss weder vor der Anmeldung noch so lange vollzogen werden, bis er für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt worden ist (sogenannte Stillhaltefrist). Unter bestimmten Voraussetzungen gilt für öffentliche Angebote eine Legalausnahme (siehe Artikel 7 Absatz 3). In anderen Fällen kann die Kommission gemäß Artikel 7 Absatz 4 eine Einzelfreistellung gewähren. Ein Verstoß gegen die Stillhaltefrist wird nach Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b) mit einer Geldbuße geahndet. Rechtsgeschäfte, die unter Missachtung der Stillhaltepflicht vollzogen werden, sind gemäß Artikel 7 Absatz 5 nichtig, sofern der Zusammenschluss nicht anschließend für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird.

    188. Das Verhältnis zwischen der Legalausnahme in Artikel 7 Absatz 3 für öffentliche Angebote einerseits und der Behandlung von anderen Rechtsgeschäften mit Wertpapieren bedarf, wie manche Stimmen meinen, einer Klärung. Anders als öffentliche Angebote unterliegen Rechtsgeschäfte mit Wertpapieren keinen verbindlichen Vorschriften, die den Bieter beispielsweise verpflichten können, das Rechtsgeschäft zu einem bestimmten Zeitpunkt zu vollziehen. Unternehmen, die solche Rechtsgeschäfte tätigen, haben jedoch darauf hingewiesen, dass Artikel 7 Absatz 1 aus praktischen Gründen dem Vollzug eines Zusammenschlusses nicht entgegenstehen sollte, solange die Voraussetzungen in Artikel 7 Absatz 3 erfuellt sind. Unternehmen, an die sich das Übernahmeangebot richtet, vertreten gewöhnlich die entgegengesetzte Auffassung, dass nämlich die Stillhaltefrist in Artikel 7 Absatz 1 voll eingehalten werden sollte.

    189. Wie bereits bei der Erörterung des Zusammenschlussbegriffs erwähnt, wird es als zweckmäßig angesehen, den Anwendungsbereich von Artikel 5 Absatz 2 zu erweitern, um bestimmte Rechtsgeschäfte mit Wertpapieren zu erfassen. Es wird um Stellungnahme zu der Frage gebeten, ob es zusätzlich zu dieser Änderung sinnvoll erscheint, den Umfang der derzeitigen Stillhaltefrist generell oder in Bezug auf diese Rechtsgeschäfte zu präzisieren. Diejenigen, die sich in ihrer Stellungnahme für den Verzicht auf die einwöchige Frist in Artikel 4 Absatz 1 aussprechen, werden gebeten, sich mit den Auswirkungen einer solchen Änderung sowie dem angemessenen Anwendungsbereich der Stillhaltefrist auseinander zu setzen.

    C. Berechnung der Fristen

    190. Einer der wichtigsten Aspekte der Fusionskontrollverordnung besteht darin, dass für die Prüfung angemeldeter Fusionsvorhaben ein ganzes System kurzer, definitiver Verfahrensfristen vorgegeben wird. Die Fusionskontrollverordnung enthält deshalb zahlreiche Artikel, die vorschreiben, zu welchem Zeitpunkt oder innerhalb welcher Frist ein bestimmtes Ereignis einzutreten hat. Diese Fristen werden durch die Angabe von Monaten, Wochen oder Tagen bestimmt. Wie diese Fristen im Einzelnen berechnet werden, geht aus der Durchführungsverordnung der Kommission hervor, in der auch das Prinzip des Ausgleichs von Feiertagen festgeschrieben ist.

    191. Da der Einhaltung all dieser Fristen im Fusionskontrollverfahren große Bedeutung zukommt, erscheint es auch im Interesse einer transparenteren Berechnung zweckmäßig, eine einfachere Berechnungsweise in Betracht zu ziehen. Eine solche Vereinfachung ließe sich beispielsweise mit der durchgängigen Verwendung von Arbeitstagen in allen einschlägigen Verordnungsbestimmungen erreichen.

    192. Einige Wettbewerbsbehörden sind bereits dazu übergegangen, Fristen auf der Grundlage von Arbeitstagen zu berechnen. Eine normale Vorprüfung würde danach etwa 23 bis 25 Arbeitstage dauern [36]. Die Frist für die zweite Untersuchungsphase könnte dann bei rund 90 Arbeitstagen liegen mit Zwischenfristen beispielsweise für die Einreichung von Abhilfevorschlägen.

    [36] Da eine mögliche Ausweitung des vereinfachten Verfahrens im Gespräch ist (siehe oben), wäre eine Frist von 25 Arbeitstagen für alle übrigen Fälle angemessen, da diese naturgemäß eine umfassende wettbewerbsrechtliche Analyse erfordern. Als Beispiel sei auf den Revisionsvorschlag für die britische Fusionskontrolle verwiesen, der eine Frist von 30 Arbeitstagen vorsieht.

    193. Es wird um Stellungnahme zu der Frage gebeten, ob die Fristen in der Fusionskontrollverordnung auf der Grundlage von Arbeitstagen berechnet werden sollten.

    D. Effiziente Verwaltung

    194. Nach Artikel 19 der Fusionskontrollverordnung ist die Kommission verpflichtet, den Mitgliedstaaten innerhalb dreier Arbeitstage eine Kopie der Anmeldung zu übermitteln. Das Datum des Eingangs bei den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ist wichtig, da sich danach die Frist bestimmt, innerhalb deren ein Antrag auf Verweisung gemäß Artikel 9 gestellt werden muss.

    195. Fraglich ist, ob diese Vorschriften ein rationales Zeit- und Ressourcenmanagement garantieren, zumal sich die Möglichkeiten zur Übermittlung von Informationen und Dokumenten seit ihrer Einführung erheblich verbessert haben.

    196. Es wäre daher zu überlegen, ob diese Bestimmungen nicht dahingehend geändert werden sollten, dass die Unternehmen ihre Anmeldungen direkt den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten übermitteln. Gleichzeitig wird um Stellungnahme zu der Frage gebeten, wie diese Anmeldungen sicher und zuverlässig übermittelt werden können und ob eine Anmeldung von Zusammenschlussvorhaben auf elektronischem Wege in Betracht gezogen werden könnte.

    E. Vollständigkeit der Anmeldung

    197. Aus den Konsultationen zum Bericht 2000 geht hervor, dass eine Klärung bestimmter Aspekte des Fusionskontrollverfahrens mehr Rechtssicherheit für die Anmelder bringen könnte. Recht weit verbreitet ist die Auffassung, dass es eine für die Kommission verbindliche Frist geben sollte, um eine Anmeldung für unvollständig zu erklären (mit einer solchen Erklärung beginnt gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 447/98 der Kommission die Einmonatsfrist erneut). Es wurden verschiedene Fristen von einer bis zu drei Wochen ab dem Zeitpunkt der Anmeldung vorgeschlagen.

    198. Nach einem konstruktiven Austausch zwischen europäischen Rechtsvertretern und der Kommission wurden 1999 Verhaltensleitlinien erarbeitet. Sie können über die Homepage der Kommission abgerufen werden [37]. Bei den Gesprächen trat klar zutage, dass sowohl die Kommission als auch die Wirtschafts- und Rechtskreise ein Interesse daran haben, Unvollständigkeitserklärungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Allerdings wurde gleichzeitig eingeräumt, dass es den Anmeldern nicht immer möglich sein wird, den Leitlinien zu folgen, so dass eine Unvollständigkeitserklärung mitunter nicht zu vermeiden sein wird.

    [37] Siehe http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/others/best_practice_gl.html.

    199. Seit Veröffentlichung der Verhaltensleitlinien im Jahr 1999 hat die Zahl der Unvollständigkeitserklärungen abgenommen. In den Jahren 1997-1999 ist der Anteil der für unvollständig erklärten Anmeldungen mit etwa 10 bis 11 % konstant geblieben. Im Jahr 2000 sank er auf 6 %, und für das Jahr 2001 wird ein weiterer Rückgang erwartet. Diese positive Entwicklung ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass sich die Unternehmen in den letzten Jahren, wie in den Verhaltensleitlinien empfohlen, häufiger an die Task Force Fusionskontrolle wenden, noch bevor sie eine förmliche Anmeldung einreichen.

    200. Der Vorschlag, eine strengere Regelung einzuführen, sollte sorgfältig geprüft werden. Eine strengere Regelung könnte einen weniger effizienten Einsatz der Kommissionsressourcen und damit einen letztlich geringeren Wettbewerbsschutz bewirken. Auch stellt sich die Frage, ob eine verbindliche Frist für die Unvollständigkeitserklärung für die Anmelder unbedingt von Vorteil wäre. Treten nach der Anmeldung neue Umstände ein, wird die Kommission selbstverständlich alles daran setzen, diese innerhalb der verbleibenden Frist durch eine weitere Untersuchung zu klären. Natürlich kann es dazu kommen, dass die Kommission, wenn sie nicht die Möglichkeit hat, die Anmeldung für unvollständig zu erklären, gezwungen sein kann, eine eingehende Untersuchung einzuleiten. Dies kann unabhängig davon geschehen, dass die beteiligten Unternehmen alles getan haben, um den Sachverhalt in ihrer Anmeldung offen und vollständig darzulegen. Da die Einleitung des Verfahrens automatisch eine Reihe verfahrensrechtlicher Schritte nach sich zieht (Anhörung, Beratender Ausschuss, Übersetzungen, Annahme der Entscheidung durch das Kollegium usw.), ist es erfahrungsgemäß sehr schwierig, das Verfahren innerhalb von deutlich weniger als den vorgesehenen vier Monaten abzuschließen.

    201. Sollte das Verfahren daher durch die Einführung einer Frist für die Unvollständigkeitserklärung unflexibler werden, bestuende für die Anmelder ein höheres Risiko, dass sich das Verfahren verlängert. Um eine Verfahrensverlängerung zu vermeiden, hätten sie unter diesen Umständen nur noch die Möglichkeit, ihre Anmeldung zurückzuziehen und eine neue Anmeldung einzureichen. Damit ist aber in der Regel für die Anmelder nicht nur ein zusätzlicher Kosten- und Zeitaufwand verbunden, sondern sie setzen sich auch einer größeren Rechtsunsicherheit aus, da die Rücknahme der Anmeldung ohne gleichzeitige Aufgabe der geplanten Fusion eine Missachtung von Artikel 4 Absatz 1 darstellt und damit die Anwendung von Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a) nach sich ziehen kann.

    202. Die Kommission steht in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen auf dem Standpunkt, dass die derzeitige Möglichkeit, eine Anmeldung für unvollständig zu erklären, in den seltenen Fällen, in denen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, angemessen und verhältnismäßig ist. Dennoch wird um Stellungnahme zu dieser Problematik gebeten.

    F. Verpflichtungszusagen im Rahmen der Fusionskontrolle

    203. In Beiträgen sowohl der Wirtschaft als auch der Mitgliedstaaten wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, die verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bezug auf die Zusagenpraxis zu revidieren. Aus der Sicht der Wirtschaft sollte eine solche Revision vor allem mehr Rechtssicherheit bringen und ein der inhaltlichen Auseinandersetzung förderliches Umfeld schaffen. Die Notwendigkeit einer Revision wird zwar in der zweiten Untersuchungsphase wegen der Endgültigkeit der Entscheidung stärker empfunden, doch gelten die Argumente auch für den Abschluss der ersten Untersuchungsphase, in der Zusagen angeboten werden können. Die Interessen der Wirtschaft überschneiden sich hier zum Teil mit denen der Mitgliedstaaten, die allgemein eine Novellierung wünschen, die ihre Teilnahme am Verfahren im Sinne von Artikel 19 der Fusionskontrollverordnung in vollem Umfang gewährleistet [38].

    [38] Siehe auch die Mitteilung der Kommission vom 21.12.2000 über im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 447/98 der Kommission zulässige Abhilfemaßnahmen.

    204. Der Zeitrahmen für die Aushandlung von Abhilfemaßnahmen im Rahmen der Fusionskontrollverordnung ist sehr unübersichtlich. Außerdem gelten für die erste und für die zweite Untersuchungsphase unterschiedliche Fristen. In der ersten Phase können die Anmelder innerhalb von drei Wochen nach der Anmeldung (Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 447/98) Verpflichtungszusagen anbieten. In der zweiten Phase können solche Zusagen innerhalb von drei Monaten nach Einleitung des Verfahrens (Artikel 18 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 447/98) vorgeschlagen werden. Diese Fristen sind notwendig, damit der Kommission genug Zeit bleibt, um die Mitgliedstaaten und Dritte zu konsultieren und ihre eigene Würdigung des Falles abzuschließen.

    205. Artikel 18 Absatz 2 sieht unter "außergewöhnlichen" Umständen eine Verlängerung der Dreimonatsfrist vor. Um die Einhaltung der Fristen und gleiche Voraussetzungen für alle Beteiligten zu gewährleisten, muss diese Bestimmung eng ausgelegt werden. Sie käme dann zum Tragen, wenn die Anmelder aufgrund äußerer Umstände, die außerhalb ihres Einflussbereichs liegen, nicht in der Lage wären, ihre Vorschläge für Abhilfemaßnahmen fristgerecht einzureichen [39]. Die Bestimmung ist nicht als Lösung für sonstige Engpässe gedacht, auf die weiter unten eingegangen wird.

    [39] Siehe z. B. die Entscheidung der Kommission vom 13.10.1999 in der Sache COMP/M.1439 - Telia/Telenor, ABl. L 40 vom 9.2.2001.

    206. Mit den in Artikel 18 festgesetzten Fristen soll sichergestellt werden, dass allen Verfahrensbeteiligten, d. h. der Kommission, den Unternehmen (Anmeldern und Dritten) und den Mitgliedstaaten ausreichend Zeit zur Verfügung steht, um fundierte Beiträge zu liefern. Dieses besondere Beziehungsgeflecht stellt hohe organisatorische und verfahrensrechtliche Anforderungen an die Fusionskontrolle der EU. Ausgangspunkt dieser Bestimmungen war der Wunsch nach einer ausgewogenen Lösung mit akzeptablen Verfahrensgarantien für alle Beteiligten bei gleichzeitiger Beschränkung der gesamten Verfahrensdauer auf das notwendige Minimum.

    207. Aus der Sicht der Anmelder mag es als problematisch erscheinen, dass die Dreimonatsfrist in der zweiten Untersuchungsphase häufig zwei bis drei Wochen, aber in jedem Fall recht kurz nach der Anhörung abläuft. Dies hat zur Folge, dass sich die beteiligten Unternehmen schon auf die Verhandlungen über die Verpflichtungszusagen vorbereiten müssen, während sie sich inhaltlich noch mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte der Kommission gemäß Artikel 18 auseinander setzen und auf die Anhörung einstellen müssen. Von Wirtschaftsseite wurde darauf hingewiesen, dass das Verfahren eine klarere zeitliche Trennung zwischen der Auseinandersetzung mit den Beschwerdepunkten der Kommission und der Vorbereitung auf die Diskussion der Abhilfemaßnahmen zulassen müsste.

    208. Diese an sich durchaus berechtigte Position der anmeldenden Unternehmen führt häufig dazu, dass die Zusagen am letzten Tag vor Ablauf der Dreimonatsfrist vorgelegt werden, was der Kommission wiederum kaum Zeit für die notwendigen Konsultationen mit den Mitgliedstaaten und Dritten vor Ausarbeitung des Entscheidungsentwurfs für den Beratenden Ausschuss lässt. Deswegen ist die Kommission in der Regel nicht in der Lage, die vorgeschlagenen Zusagen im Entscheidungsentwurf, der den Mitgliedstaaten übermittelt wird, sorgfältig zu prüfen, es sei denn, die Zusagen sind klar und unmissverständlich formuliert und/oder wurden lange vor Fristablauf eingereicht [40].

    [40] Nach Artikel 19 Absatz 5 haben die Mitgliedstaaten normalerweise Anspruch darauf, dass ihnen der Vorentwurf der Entscheidung zwei Wochen vor der Sitzung des Beratenden Ausschusses übermittelt wird.

    209. Die derzeitigen Verfahrensvorschriften sollten daher geändert werden, damit allen Beteiligten mehr Zeit für eine sorgfältige Prüfung möglicher Abhilfen zur Verfügung steht. Um keine zu komplexen und potenziell zeitaufwändigen Verfahren einzuführen, sollte die neue Regelung nur auf Antrag der Parteien anwendbar sein und sich direkt aus dem geltenden Recht ergeben. Gleichzeitig muss die Regelung so ausgestaltet sein, dass sie die Vorlage von Zusagen zu einem Zeitpunkt nahe legt, der die den Mitgliedstaaten oder der Kommission verbleibende Zeit nicht übermäßig einschränkt.

    210. Wie die Erfahrung zeigt, reicht die Dreiwochenfrist für die Vorlage von Zusagen in der ersten Untersuchungsphase mitunter nicht aus, um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken genau auszuloten. Auch der Zeitdruck nach Fristablauf kann die Würdigung der Vorschläge beeinträchtigen. Diese Faktoren können sich zum Nachteil der Anmelder auswirken, wenn sie mit der Ausarbeitung eines angemessenen Vorschlags innerhalb der verfügbaren Zeit Schwierigkeiten haben. Auch für die Kommission und die Mitgliedstaaten können sich aus der gegenwärtigen Regelung u. a. dadurch Nachteile ergeben, dass sie kaum genügend Zeit haben, um sich eine Meinung zu den vorgeschlagenen Zusagen zu bilden. Es erscheint daher angebracht, auch in der ersten Untersuchungsphase eine Fristverlängerung auf Antrag der Parteien vorzusehen.

    211. Werden die nachstehenden Änderungsvorschläge angenommen, müsste auch die Mitteilung über Abhilfemaßnahmen entsprechend angepasst werden.

    1. Änderung des geltenden Verfahrens

    212. Eine einfache Fristverlängerung dürfte unverhältnismäßig sein, da dadurch jene Anmelder benachteiligt würden, die ihre Vorschläge nach den derzeitigen Bestimmungen früh einreichen. Ohne Änderung der Verfahrensabfolge würden mit einer Fristverlängerung die bestehenden Probleme lediglich aufgeschoben. Es muss ein Weg gefunden werden, um die Anmelder dazu zu bewegen, ihre Zusagen rechtzeitig vorzulegen, und um gleichzeitig die häufig benötigte Frist zwischen der Anhörung und der Vorlage der Zusagen zu verlängern, ohne dass die beteiligten Unternehmen die Möglichkeit haben, die Frist zu beschneiden, die die Mitgliedstaaten und die Kommission für eine ordnungsgemäße Prüfung brauchen.

    213. Mit einer Bestimmung, wonach für eine begrenzte Zeit "die Uhr angehalten" würde (im Folgenden kurz als "Fristaussetzung" bezeichnet), könnten diese Anforderungen erfuellt werden. Damit ließe sich auch in angemessener Weise das Problem lösen, dass die der Kommission und den Mitgliedstaaten zur Verfügung stehende Prüfungszeit durch die Vorlage von Zusagen kurz vor Ablauf der Frist (oder durch die Änderung dieser Zusagen nach Fristablauf) verkürzt wird.

    214. Um das Verfahren nicht unzumutbar in die Länge zu ziehen oder Missbräuchen auszusetzen, sollte eine solche Regelung verfahrensrechtlich abgesichert werden, indem beispielsweise für die zweite Untersuchungsphase der Grundsatz festgeschrieben wird, dass ein Antrag auf Fristaussetzung innerhalb der ursprünglichen Dreimonatsfrist zu stellen ist. Außerdem sollte aus Effizienzgründen vorgesehen werden, dass eine Fristverlängerung nur auf Antrag der Parteien und nur für eine kurze, begrenzte Zeit - beispielsweise 20-30 Arbeitstage - möglich ist und diese zusätzliche Frist gerecht auf alle Beteiligten aufgeteilt wird. Um die Leistungsfähigkeit des Systems insgesamt zu erhalten, erscheint ein längerer Zeitraum nicht wünschenswert. Es wurde auch erwogen, zusätzlich eine kürzere Frist einzuführen, die den Beteiligten und der Kommission zu gleichen Teilen zugute kommen sollte (z. B. jeweils fünf Arbeitstage). Hierdurch würde das System zwar flexibler (z. B. wenn abzusehen ist, dass nur eine kurze zusätzliche Frist erforderlich ist), doch würde es die Organisation erheblich erschweren (z. B. eine weniger vorausschauende Planung für den Beratenden Ausschuss).

    215. Eine Bestimmung, die eine Aussetzung der Frist erlaubt, hätte in der zweiten Verfahrensphase gewisse Vorteile:

    * Die Verfahrensgarantien der Parteien würden insofern gestärkt, als nach der Anhörung mehr Zeit für eine Aussprache wäre, bei der die Anmelder und die Kommission Wettbewerbsprobleme und Lösungsmöglichkeiten erörtern könnten.

    * Wenn der erste Vorschlag zu einem hinreichend frühen Zeitpunkt erfolgt, könnte ein Zeitverlust wieder gutgemacht werden, der durch einen verbesserungsbedürftigen ersten Vorschlag der Anmelder eingetreten ist (z. B. wenn die Anmelder die - letztlich falsche - Zuversicht gehegt haben, die Einwände der Kommission entkräften zu können).

    * Das Verfahren würde transparenter, da der Beratende Ausschuss auf der Grundlage eines Entwurfs für eine Entscheidung nach Artikel 8 Absatz 2 beraten und den endgültigen Vorschlag der Parteien prüfen könnte (ein Entwurf für eine Entscheidung nach Artikel 8 Absatz 3 ist heute für ihn oft das einzig verfügbare Dokument). Auch in dieser Hinsicht würden demnach die Verfahrensrechte der Anmelder gestärkt.

    216. Die "Kosten" eines solchen Verfahrens wären begrenzt, da es auf die Strategie der Anmelder ankäme, ob sie die zusätzliche Frist in Anspruch nehmen. Auf den Markt dürften sich die zusätzlichen 20 bis 30 Arbeitstage nicht nennenswert auswirken. Der Kommission und den Mitgliedstaaten würde hauptsächlich etwas mehr Flexibilität abverlangt, da Sitzungspläne unter Umständen umgestellt werden müssten, was die Organisation der Sitzungen des Beratenden Ausschusses erschweren würde (Reservierung von Sitzungssälen, Anforderung von Übersetzungen und Dolmetscher usw.). Insgesamt ist jedoch zu erwarten, dass diese kleinen Unannehmlichkeiten durch die Vorteile aufgewogen werden.

    217. Die Anmelder hätten in der Praxis die Wahl zwischen mehreren Optionen. Sie könnten zum einen lange vor Ablauf der Dreimonatsfrist ihre Zusagen vorlegen, so dass die Ergebnisse der Marktuntersuchung bereits vor Ende des dritten Monats vorliegen könnten. Ist die Marktuntersuchung zugunsten der Anmelder ausgefallen, braucht keine Fristaussetzung beantragt zu werden, und es stuende ausreichend Zeit zur Verfügung, um einen vollständigen Entscheidungsentwurf für den Beratenden Ausschuss auszuarbeiten. Sollte die Untersuchung hingegen negativ ausgefallen sein, könnten die Anmelder eine Fristaussetzung beantragen, um in der Zwischenzeit zusätzliche Verhandlungen und Analysen zu ermöglichen. Ihnen stuenden dann 10-15 Arbeitstage zusätzlich zur Verfügung, um eine angemessene Lösung zu finden. Anschließend stuende der Kommission dieselbe Zahl von Arbeitstagen zu, um die Tragfähigkeit des endgültigen Vorschlags zu prüfen und für den Beratenden Ausschuss einen vollständigen Entscheidungsentwurf auszuarbeiten.

    218. Die beteiligten Unternehmen können aber auch beschließen, ihre Verpflichtungszusagen erst kurz vor Ablauf der Dreimonatsfrist einzureichen. In diesem Fall könnte es sich als unmöglich erweisen, noch vor Ablauf dieser Frist eine ordentliche Marktuntersuchung durchzuführen. Die Parteien müssen sich deshalb unter Umständen für einen Antrag auf Fristaussetzung entscheiden, ohne das vollständige Analyseergebnis zu kennen. Entscheiden sie sich für eine Fristaussetzung, folgt das weitere Verfahren nach dem oben beschriebenen Muster. Entscheiden sich die Parteien dagegen, hängt der Fortgang des Verfahrens von der Tragfähigkeit ihres Vorschlags ab. Stellt sich heraus, dass die spät eingereichten Verpflichtungszusagen als zufriedenstellende Abhilfemaßnahmen anzusehen sind, könnte die Kommission unter Zeitdruck geraten, um rechtzeitig vor der Sitzung des Beratenden Ausschusses einen kompletten Entwurf für eine befürwortende Entscheidung auszuarbeiten. Schwerwiegende negative Folgen sind deshalb jedoch kaum zu befürchten, da erfolgreiche Abhilfemaßnahmen, die am letzten Tag vor Fristablauf vorgelegt werden, in der Regel klar und eindeutig formuliert sind. Gleiches gilt für ebenso spät eingereichte abgelehnte Verpflichtungszusagen, da die Kommission ihren Entscheidungsentwurf weitgehend auf ihre Mitteilung der Beschwerdepunkte stützen kann mit einigen Anmerkungen zu den vorgeschlagenen Abhilfen und deren Schwachstellen.

    219. In der ersten Untersuchungsphase könnte weitgehend in gleicher Weise vorgegangen werden. Es wäre dann Sache der beteiligten Unternehmen zu entscheiden, ob es für sie sinnvoll ist, innerhalb der Dreiwochenfrist eine Fristaussetzung für einen kurzen, begrenzten Zeitraum zu beantragen, um einen neuen oder erheblich geänderten Vorschlag zu erörtern. Anders als in der zweiten Untersuchungsphase sprechen jedoch gute Gründe dafür, es der Kommission zu überlassen, ob sie dem Antrag stattgibt. Organisatorisch wäre es ineffizient, die für die erste Untersuchungsphase derzeit geltende Sechswochenfrist zu verlängern, wenn die Kommission keine Möglichkeit sieht, das Zusammenschlussvorhaben zu genehmigen, auch wenn ein neuer oder erheblich geänderter Vorschlag unterbreitet wird. In diesen Fällen sollte die Kommission nach Ablauf der Sechswochenfrist eine Entscheidung nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c) erlassen dürfen.

    220. Die Kommission bittet die interessierten Kreise, über ihre Erfahrungen zu berichten und sich zu dem Vorschlag der Kommission sowie allgemein zur Effizienz des Verfahrens in Bezug auf in der ersten und in der zweiten Untersuchungsphase angebotene Verpflichtungszusagen zu äußern.

    221. Abgesehen von den oben erörterten Fragen im Zusammenhang mit der zeitlichen Planung des Verfahrens in Fällen, in denen Verpflichtungszusagen angeboten werden, wurde von dritter Seite eine Änderung dahingehend vorgeschlagen, dass die Kommission bei der Festlegung von Abhilfemaßnahmen, die sie für notwendig hält, um keine Einwände gegen einen angemeldeten Zusammenschluss erheben zu müssen, eine aktivere Rolle spielen sollte. Es wird um Stellungnahme zu der Frage gebeten, ob eine solche Änderung wünschenswert ist und welche Rechtswirkungen mit einem entsprechenden "Vorschlag" der Kommission verbunden sein sollten bzw. welche Rechtsfolgen eintreten sollen, wenn ein Vorschlag ausbleibt (beispielsweise bei Verboten, für die sich keine geeigneten Abhilfen finden lassen).

    G. Artikel 8 Absatz 4

    222. Für den Fall, dass ein Zusammenschluss bereits vollzogen wurde, gesteht Artikel 8 Absatz 4 der Kommission das Recht zu, die Trennung der fusionierten Vermögenswerte, die Beendigung der gemeinsamen Kontrolle oder jede andere Maßnahme anzuordnen, die zur Wiederherstellung wirksamen Wettbewerbs geeignet ist. Diese Entscheidungen, die der Verfahrensgarantie des Artikels 18 unterliegen, können in Verbindung mit Artikel 8 Absatz 3 ergehen oder als eigenständige Entscheidung.

    223. Hauptanwendungsfall des Artikels 8 Absatz 4 ist der Vollzug eines Zusammenschlusses unter Missachtung von Artikel 7 Absatz 1. Andere Fälle können öffentliche Angebote betreffen, die nicht unter Artikel 7 Absatz 1 fallen, oder Fälle, die nach Maßgabe von Artikel 22 in die Zuständigkeit der Kommission gelangt sind. Eine Anwendung dieser Bestimmung könnte sich schließlich auch dann als zweckmäßig erweisen, wenn die beteiligten Unternehmen grob gegen Bedingungen und Auflagen verstoßen haben, aufgrund deren die Kommission den Zusammenschluss gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b) oder Artikel 8 Absatz 2 genehmigt hatte. Die Nichteinhaltung einer Bedingung würde automatisch die Rechtswidrigkeit des Zusammenschlusses bewirken, während die Nichteinhaltung einer Auflage den Widerruf einer Genehmigungsentscheidung zuließe (siehe Artikel 8 Absatz 5). Aus Gründen der Rechtssicherheit dürfte es allerdings mitunter geboten sein, diese Umstände aktenkundig zu machen und gleichzeitig die zur Wiederherstellung wirksamen Wettbewerbs geeigneten Maßnahmen zu bestimmen.

    224. Dadurch, dass nach Artikel 8 Absatz 1 alle gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c) eingeleiteten Verfahren mit einer Entscheidung gemäß Artikel 8 Absätze 2 bis 5 abzuschließen sind, würde, so wird zu bedenken gegeben, Artikel 8 Absatz 1 die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen auf Fälle beschränken, in denen der Zusammenschluss angemeldet und die zweite Untersuchungsphase eingeleitet worden ist. Die Kommission ist nicht dieser Auffassung, da eine solche Auslegung der Zweckbestimmung und dem Wortlaut von Artikel 8 und insbesondere seines Absatzes 4 zuwiderliefe, der sich auf einen "Zusammenschluss" als solchen bezieht, ohne die Befugnisse der Kommission auf einen "angemeldeten" Zusammenschluss zu beschränken (was beispielsweise in Artikel 6, Artikel 8 Absatz 2 und Artikel 9 Absatz 1 der Fall ist) und die Möglichkeit einer "gesonderten Entscheidung" vorsieht, die irrelevant wäre, wenn die Kommission nur bei nach Artikel 8 Absatz 3 verbotenen Zusammenschlüssen tätig werden könnte. Die Kommission bittet dennoch um Stellungnahme zu der Frage, ob der Wortlaut von Artikel 8 Absatz 4 klarer gefasst werden sollte.

    H. Durchführungsvorschriften

    225. Bei den Konsultationen zum Bericht 2000 wurde von einigen Mitgliedstaaten angeregt, die Durchführungsvorschriften zur Fusionskontrollverordnung effizienter zu gestalten. Diese Durchführungsvorschriften betreffen hauptsächlich die Untersuchungsbefugnisse (Artikel 11-13) und die Sanktionen (Artikel 14-15). Als die Fusionskontrollverordnung erlassen wurde, wurden die Durchführungsvorschriften den einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 17 nachgebildet. Der Modernisierungsvorschlag der Kommission zu den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag enthält eine Reihe von Änderungen, die den Schutz des Wettbewerbs gewährleisten sollen. Soweit diese Änderungen Fragen betreffen, die für die Fusionskontrolle von gleich großer Bedeutung sind, sollte die Fusionskontrollverordnung zweckmäßigerweise im gleichen Sinn geändert werden. Die nachstehend entsprechend ihrer Reihenfolge im Modernisierungsvorschlag aufgeführten Regelungsaspekte könnten geändert bzw. in die Fusionskontrollverordnung aufgenommen werden:

    * Untersuchung einzelner Wirtschaftszweige: Die Kommission sollte im Rahmen der Fusionskontrollverordnung Marktuntersuchungen nicht nur aufgrund einer bestimmten Anmeldung vornehmen können, sondern auch Analysen allgemeinerer Art durchführen können, z. B. nach Vollzug eines Zusammenschlusses. Auf diese Weise lassen sich wertvolle Einblicke in die Wirkungsweise von Entscheidungen gewinnen, die zur Feinabstimmung künftiger wettbewerbspolitischer Maßnahmen herangezogen werden können.

    * Es muss klargestellt werden, dass die Unternehmen für die Richtigkeit der Angaben verantwortlich sind, die von ihren ordnungsgemäß bevollmächtigten Vertretern (Rechtsanwälten) vorgelegt werden.

    * Befugnis zur protokollarischen Aufzeichnung von Erklärungen: Mit seinen kurzen Fristen würde sich das Fusionskontrollverfahren besonders gut für die Aufzeichnung mündlicher Aussagen und deren Verwertung als Beweismittel eignen. Auf diese Weise könnte die Tatsachenfeststellung in der Fusionskontrolle wesentlich effizienter gestaltet werden.

    * Ermittlungsbefugnisse: Ermittlungen vor Ort fanden im Rahmen der Fusionskontrollverordnung bisher nur in Ausnahmefällen statt, doch spricht nichts dagegen, die Anwendungsmöglichkeiten der entsprechenden Bestimmungen nach dem Vorbild der Durchführungsvorschriften zu den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag zu verbessern.

    * Untersuchung durch einzelstaatliche Wettbewerbsbehörden: Nach der geplanten Änderung der Durchführungsvorschriften zu den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag soll ein Mitgliedstaat für die Wettbewerbsbehörde eines anderen Mitgliedstaats Ermittlungen in seinem Hoheitsgebiet durchführen dürfen. In der Fusionskontrollverordnung ist keine entsprechende Vorschrift vorgesehen, da die Fusionskontrolle anders als das Kartellrecht auf dem Grundsatz der ausschließlichen Zuständigkeit beruht.

    * Geldbußen: Auch im Rahmen der Fusionskontrollverordnung wäre es angebracht, Geldbußen wegen Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften auf Prozentbasis zu berechnen (bis zu 1 % des Jahresumsatzes). Zudem sollte in die Liste von Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe a) der Fusionskontrollverordnung die Missachtung einer durch Entscheidung nach Artikel 6 Absatz 2 auferlegten Auflage aufgenommen werden.

    * Zwangsgelder: Zwangsgelder sollten im Rahmen der Fusionskontrollverordnung ebenfalls auf Prozentbasis berechnet werden (bis zu 5 % des durchschnittlichen Tagesumsatzes). Wie bei den Geldbußen sollte auch hier der Verstoß gegen eine durch Entscheidung gemäß Artikel 6 Absatz 2 angeordnete Auflage in die Liste des Artikels 15 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung aufgenommen werden.

    * Die kurzen, definitiven Fristen der Fusionskontrollverordnung würden zumindest in bestimmten Fällen eine Entscheidung der Kommission zur Anordnung einer Auskunftserteilung rechtfertigen, ohne zuvor an die beteiligten Unternehmen ein nicht geldbußenbewehrtes Auskunftsverlangen gerichtet zu haben. Besteht beispielsweise Grund zu der Annahme, dass das Auskunftsverlangen nicht rechtzeitig umfassend beantwortet wird, könnte die Kommission Artikel 11 Absatz 5 der Fusionskontrollverordnung direkt anwenden.

    226. Die Kommission bittet die interessierten Kreise, über ihre Erfahrungen zu berichten und zu den vorstehenden Änderungsvorschlägen Stellung zu nehmen.

    I. Anmeldegebühren

    227. Im Bericht 2000 wurde angekündigt, dass die Einführung von Gebühren für die Anmeldung von Zusammenschlussvorhaben weiter geprüft würde. Anmeldegebühren werden zurzeit in mehreren Mitgliedstaaten (Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, Österreich und im Vereinigten Königreich) erhoben sowie in einigen Bewerberländern und in anderen außereuropäischen Ländern wie den USA. [41] Die Vorstellung, die mit der Fusionskontrolle verbundenen Kosten den beteiligten Unternehmen aufzuerlegen, ist zugegebenermaßen nicht unattraktiv.

    [41] Eine Übersicht über die Größenordnung der in anderen Ländern erhobenen Anmeldegebühren findet sich in Anhang I Abschnitt B.

    228. Aus Analysen anderer Rechtssysteme lassen sich zwei Hauptoptionen für die Einführung von Anmeldegebühren ableiten. Entweder wird für jede Anmeldung ein Festbetrag erhoben, oder die Gebühr wird nach dem Prüfungsaufwand festgesetzt. Bei beiden Optionen besteht die Möglichkeit, dass die Gebühren von einem oder von mehreren der beteiligten Unternehmen zu entrichten sind. Unabhängig davon, welcher Option der Vorzug gegeben wird, sollten die Gebühren grundsätzlich nicht in das Budget der Wettbewerbsbehörde einfließen, um sich nicht dem Vorwurf der Unparteilichkeit auszusetzen.

    229. Die Kommission bittet daher um Stellungnahme über die Angemessenheit, eine Ermächtigungsklausel in die Fusionskontrollverordnung aufzunehmen, aufgrund deren die Kommission im Wege einer Kommissionsverordnung Anmeldegebühren einführen könnte, wenn sie dies für rechtmäßig hält.

    230. Ferner sei darauf hingewiesen, dass die Kommission aktiv an der auf internationaler Ebene geführter Diskussion teilnimmt, die sich mit den Auswirkungen auseinandersetzt, die sich durch die von zahlreichen Wettbewerbsbehörden weltweit eingeführten Anmeldegebühren ergeben. Von der Wirtschaft wird diese Entwicklung nicht ohne eine gewisse Besorgnis verfolgt. Die Kommission wertet es als positiv, dass eine internationale Debatte über Anmeldegebühren für Fusionsvorhaben geführt wird, und würde in einer möglichen internationalen Harmonisierung durchaus Vorteile sehen.

    231. Es wird um Stellungnahme zu der möglichen Einführung von Anmeldegebühren gebeten sowie um Berichte über Erfahrungen mit Anmeldegebühren in anderen Ländern.

    J. Verfahrensrechte und Kontrollmechanismen

    232. Der Fusionskontrollverordnung wird besonders zugute gehalten, dass sie schon von ihrer Konzeption her darauf ausgerichtet ist, innerhalb sehr knapper Zeitvorgaben Ergebnisse zu liefern und gleichzeitig ein Hoechstmaß an Effizienz und Transparenz zu gewährleisten.

    Art und Merkmale des Verfahrens

    233. Die weltweit existierenden Fusionskontrollsysteme kombinieren auf verschiedene, aber gleichermaßen erfolgreiche Art und Weise administrative und/oder justizielle Verfahrenselemente. Einige Fusionskontrollsysteme enthalten auch ein politisches Element, z. B. in Form einer Prüfung, die nicht nur wettbewerbsrechtlich motiviert ist, oder direkter durch Intervention der Regierung oder Fachminister. An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Verfahren auf der Grundlage der Fusionskontrollverordnung und ihrer Durchführungsverordnung seiner Art nach um ein Verwaltungsverfahren und nicht um ein Gerichtsverfahren handelt [42]. Die offenkundige duale Funktion der Kommission als Ermittlungsbehörde und Spruchkörper ist der Struktur eines Verwaltungsverfahrens inhärent und steht Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention nachweislich nicht entgegen. Wichtiger noch, die Kommission unterliegt selbst einer "wirksamen" richterlichen Kontrolle durch ein unabhängiges, unparteiisches Gericht [43].

    [42] Nach ständiger Rechtsprechung ist die Kommission kein Gericht im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 EMRK; siehe verb. Rs. 100-3/80, Musique diffusion Française/Kommission, Slg. 1983, 1825.

    [43] Verb. Rs. 100-3/80 op.cit., Rs. T-348/94, Enso Espanola/Kommission, Slg. 1998, II-1875.

    234. Das formale Verwaltungsverfahren enthält ein ganzes Bündel an Verfahrensrechten zugunsten der Parteien, die durch eine umfassende Rechtsprechung zum Wettbewerbsrecht bestätigt und präzisiert wurden. Transparenz ist für das gesamte Verfahren von höchster Bedeutung und wird durch verschiedene Vorgaben sichergestellt: z. B. Erlass einer mit Gründen versehenen Entscheidung vor Einleitung der zweiten Untersuchungsphase, Mitteilung der Beschwerdepunkte an die beteiligten Unternehmen, Akteneinsicht, Anspruch sowohl auf schriftliche Erwiderung auf die Beschwerdepunkte als auch auf eine Anhörung, umfassende Begründung abschließender Entscheidungen.

    235. Allgemein ist die Transparenz der Wettbewerbspolitik der Kommission durch die Veröffentlichung von Auslegungsleitlinien zu wichtigen verfahrens- und materiellrechtlichen Fragen gewährleistet. Außerdem werden Anmeldungen, Entscheidungen zur Verfahrenseinleitung sowie abschließende Entscheidungen im Wortlaut bekannt gemacht.

    236. Andere Dienststellen innerhalb der Kommission sowie die Mitgliedstaaten sorgen für eine interne und externe Kontrolle. Entscheidungen der zweiten Phase, einschließlich Verbotsentscheidungen, müssen vom Kollegium erlassen werden. Diese Arbeitsmethoden geben Aufschluss über Wesen und Struktur der Kommission in ihrer Funktion als Hüterin der Verträge und Wettbewerbsbehörde. Es ist daher verständlich, dass Verfahrensablauf und Verfahrensfristen genügend Raum lassen müssen für die durch die Arbeitsmethoden der Kommission bedingten organisatorischen Zwänge, d. h. Konsultationen mit anderen Dienststellen und mit 15 Mitgliedstaaten, Übersetzungs- und Dolmetschleistungen, Organisation von Zusammenkünften und Anhörungen, Vorbereitung der Entscheidung für die Annahme im Kollegium (Abstimmung, Unterzeichnung usw.).

    237. In den nachstehenden Absätzen wird kurz auf die wesentlichen Verfahrensrechte und Kontrollaspekte der europäischen Fusionskontrolle eingegangen.

    Verfahrensrechte

    238. Zunächst sei darauf hingewiesen, dass die Kommission aufgrund der langjährigen Praxis, schon vor einer Anmeldung Kontakte mit den beteiligten Unternehmen zu pflegen, und mit Hilfe des recht detaillierten Formblatts CO sofort nach der Anmeldung das förmliche Prüfverfahren aufnehmen kann, was erheblich zur Effizienz des Verfahrens beiträgt. Die Kommission kann sowohl in der ersten als auch in der zweiten Untersuchungsphase von ihren Ermittlungsbefugnissen Gebrauch machen und sich zu diesem Zweck direkt an die Anmelder oder andere Marktteilnehmer wenden. Die Fusionskontrollverordnung macht Auskunftsverlangen und Ermittlungen von bestimmten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen abhängig (Artikel 11-13). Erteilte Auskünfte dürfen nur für das betreffende Verfahren verwendet werden (Art. 17 Absatz 1).

    239. Eine mit Gründen versehene Entscheidung zur Verfahrenseinleitung nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c), die den beteiligten Unternehmen mitgeteilt wird, ermöglicht den Unternehmen in der Praxis, Tragweite und Umfang des bevorstehenden Verfahrens genau abzuschätzen.

    240. Die zweite Verfahrensphase ist unter Umständen mehr auf Konfrontation angelegt als die erste, weshalb die Verfahrensgarantien in der zweiten Phase besonders fest verankert sind.

    241. Im Einzelnen werden den beteiligten Unternehmen folgende Rechte zuerkannt:

    * Am Ende der Ermittlungen (etwa zwei Monate vor Erlass der abschließenden Entscheidung) muss die Kommission den beteiligten Unternehmen eine förmliche Mitteilung der Beschwerdepunkte zustellen, in der alle Einwände klar und detailliert dargelegt sind, so dass die beteiligten Unternehmen genau wissen, auf welche Punkte sie in ihrer Verteidigungsschrift eingehen müssen. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte dient den beteiligten Unternehmen ebenfalls als Grundlage für die Ausarbeitung von Abhilfevorschlägen.

    * Nach Mitteilung der Beschwerdepunkte können die beteiligten Unternehmen bei der Kommission Antrag auf Akteneinsicht stellen, um die Ermittlungsergebnisse zu überprüfen und selbst Einblick in die Quellen zu nehmen, auf denen die Kommission ihre Einwände stützt (vorbehaltlich des berechtigten Interesses an der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen und wirtschaftlich sensiblen Informationen).

    * In ihrer schriftlichen Erwiderung auf die Beschwerdepunkte der Kommission haben die beteiligten Unternehmen das Recht, eine förmliche Anhörung zu beantragen, bei der sie ihre Gegenargumente vorbringen können. An der Anhörung nehmen auch die zuständigen Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten teil. Deren Einstellung zu dem Fall, die vor allem für den anschließenden Verfahrensabschnitt (in dem der Beratende Ausschuss für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen tätig wird) von Bedeutung ist, wird von den beteiligten Unternehmen sehr Ernst genommen, was sich unter anderem daran zeigt, dass sie mit den zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden regelmäßigen Kontakt in der betreffenden Sache halten. Beteiligte Unternehmen, denen die Kommission eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld auferlegen will, haben Anspruch auf dieselben Verteidigungsrechte.

    242. Dritte, die ein hinreichendes Interesse geltend machen können (wie Mitglieder der Unternehmensleitung oder Arbeitnehmervertreter (Artikel 18 Absatz 4), Kunden, Lieferanten und Konkurrenten), können ebenfalls eine Anhörung beantragen und sich überdies schriftlich äußern.

    243. Eine wichtige Personengruppe, die in Fusionskontrollverfahren nur selten zu Wort kommt, sind die Verbraucher (bzw. die Verbraucherverbände). Obwohl der Verbraucherschutz streng genommen bei der Revision der Fusionskontrollverordnung nicht berücksichtigt zu werden bräuchte, würde die Kommission Vorschläge begrüßen, wie sie dazu beitragen kann, den Verbraucherverbänden in Fusionsfällen, die unter die Verordnung fallen und die ihre Interessen berühren, stärker Gehör zu verschaffen und sie zu einer aktiveren Mitwirkung zu animieren.

    244. Die Kommission ist bereit, im größtmöglichem Umfang innerhalb des strikten Zeitraumes der Prüfung, Ansichten der Arbeitnehmer, einschließlich während der zweiten Phase, anzuhören. In diesem Sinne würde die Kommission Vorschläge willkommen heißen, über wie die Arbeitnehmer und ihre Vertreter ihre Ansichten über die möglichen Markteinwirkungen durch den Fusionsvorschlag besser zum Ausdruck bringen könnten.

    245. Anhörungen werden von einem sog. Anhörungsbeauftragten vorbereitet und durchgeführt, der dafür zu sorgen hat, dass das Recht auf Anhörung während des gesamten Verfahrens gewahrt bleibt. Sein Mandat wurde unlängst durch einen neuen Beschluss der Kommission gestärkt [44]. Der Anhörungsbeauftragte erstattet dem zuständigen Kommissionsmitglied über die Anhörung Bericht. Dabei geht er allgemein auf die Verfahrensgrundsätze ein wie die Offenlegung von Unterlagen, die Gewährung von Akteneinsicht, die Fristen für die Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, den ordnungsgemäßen Ablauf der Anhörung und äußert sich gegebenenfalls zum weiteren Verlauf des Verfahrens (z. B. kann er den Verzicht auf bestimmte Beschwerdepunkte anregen). In seinem Abschlussbericht (der den Mitgliedstaaten übermittelt, dem Entscheidungsentwurf für die Kommission beigefügt und zusammen mit der abschließenden Entscheidung im Amtsblatt veröffentlicht wird) geht er ferner auf die Frage ein, ob der Entscheidungsentwurf ausschließlich Beschwerdepunkte behandelt, zu denen sich die Parteien haben äußern können, und nimmt gegebenenfalls zur Objektivität einer Untersuchung über die wettbewerblichen Auswirkungen von Verpflichtungszusagen Stellung. Der neuen Regelung zufolge untersteht der Anhörungsbeauftragte dem für Wettbewerb zuständigen Kommissionsmitglied. Er wird in einem transparenten Verfahren ernannt. Es können auch Bewerber berücksichtigt werden, die nicht Beamte der Kommission sind.

    [44] Beschluss der Kommission vom 23. Mai 2001 über das Mandat von Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren, ABl. L 162 vom 19.6.2001, S. 21.

    Kontrollmechanismen innerhalb des Verfahrens

    246. Die Mitgliedstaaten sind für die externe Kontrolle des Verfahrens von großer Bedeutung. Ihre Mitwirkungsmöglichkeiten sind in der zweiten Phase des Verfahrens stärker reglementiert. Im ersten Verfahrensabschnitt haben sie Anspruch auf Übermittlung einer Kopie der Anmeldung sowie der wichtigsten Unterlagen (einschließlich der Verpflichtungszusagen), zu denen sie Stellung nehmen können, während sie in der zweiten Phase durch den Beratenden Ausschuss für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, in denen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden vertreten sind, am Verfahren mitwirken. Vor der Sitzung des Beratenden Ausschusses erhalten die Mitgliedstaaten unter anderem den Entscheidungsvorentwurf sowie etwaige Verpflichtungszusagen der beteiligten Unternehmen. Bieten die Unternehmen anschließend neue Zusagen an, muss der Ausschuss unter Umständen noch einmal gehört werden. Es ist ohne Weiteres nachweisbar, welche Bedeutung die Kommission der Stellungnahme des Ausschusses beimißt, da die Stellungnahme veröffentlicht wird.

    247. Andere Dienststellen der Kommission sowohl innerhalb als auch außerhalb der GD Wettbewerb sind am Verfahren beteiligt. Ihre Beiträge fließen im Laufe des gesamten Verfahrens von der Tatsachenfeststellungs- und Ermittlungsphase bis hin zur Ausarbeitung und Begründung der Entscheidung ein. Von besonderer Bedeutung ist der Juristische Dienst, da er die materiell- und verfahrensrechtlichen Aspekte des Falles überprüft. Er muss seine Zustimmung erteilen, bevor ein Rechtsakt vorgeschlagen und erlassen werden kann. Wird eine Fusionsentscheidung angefochten, vertritt der Juristische Dienst die Kommission vor den Gemeinschaftsgerichten. Bei der Analyse von Fusionsfällen wird auch auf das wirtschaftliche Fachwissen der GD Wirtschaft und Finanzen und der GD Unternehmen oder anderen fachlich kompetenten Generaldirektionen sowie auf die Beiträge der Wirtschaftsexperten der GD Wettbewerb selbst zurückgegriffen. Sie werden von den zuständigen Sachbearbeitern der GD Wettbewerb sowohl in der ersten als auch in der zweiten Verfahrensphase um Stellungnahme zu der vorläufigen Beurteilung des Falles in den verschiedenen Verfahrensabschnitten gebeten.

    Änderungen des geltenden Verfahrensrechts

    248. Verbesserungen am derzeitigen Fusionskontrollverfahren müssen möglich sein, doch ist dabei selbstverständlich den durch den EG-Vertrag und durch die oben erläuterten Arbeitsmethoden der Kommission gesetzten Grenzen Rechnung zu tragen. Ziel jeder Änderung muss es sein, die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Beteiligten zum geeigneten Zeitpunkt und im geeigneten Verfahrensabschnitt fundiertere Beiträge liefern können. Von diesem wichtigen Grundsatz abgesehen, muss bei jedem Vorschlag berücksichtigt werden, dass Konzessionen auf der einen Seite Restriktionen auf der anderen Seite bedeuten können. Jede Änderung des Verfahrens für die Verpflichtungszusagen (siehe oben) ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Der Kommissionsvorschlag für die zweite Verfahrensphase erlaubt Zugeständnisse in Gestalt eines sehr engen Zeitrahmens, um mehr Transparenz und eine stärkere Einbeziehung aller an der Diskussion der Verpflichtungszusagen beteiligten Akteure zu erreichen.

    249. Die Kommission ist offen für weitere tragfähige Vorschläge in diesem Sinne.

    250. Die richterliche Kontrolle von Fusionsentscheidungen wird in ihrer jetzigen Gestalt von einigen Kommentatoren als unbefriedigend und ineffizient angesehen. Wegen der Dauer der Verfahren vor den EG-Gerichten würde, so wird behauptet, vielfach von Rechtsmitteln gegen eine Fusionsentscheidung abgesehen, so dass der Druck der richterlichen Kontrolle auf das Verwaltungshandeln entfiele. Am 6. Dezember 2000 änderte das Gericht erster Instanz seine Verfahrensordnung, um die Verfahren in verschiedenen Rechtsbereichen, zu denen auch die Fusionskontrolle gehören könnte, zu beschleunigen [45]. Diese Änderungen sind jedoch erst am 1. Februar 2001 in Kraft getreten, so dass es noch zu früh ist, die Auswirkungen dieser Änderungen zu beurteilen. Die Kommission hat selbstverständlich keinerlei Einfluss auf eine Reform der Gerichtsverfahren, und dieses Grünbuch ist ganz sicher nicht der Ort, wo eine solche Reform zu diskutieren wäre, doch sei an dieser Stelle gesagt, dass die Kommission jede weitere Reform der Gemeinschaftsgerichte zur Beschleunigung der Rechtsmittelverfahren begrüßen würde. Dies hätte zudem den Vorteil, dass die Rechtsprechung zu bestimmten wettbewerbsrechtlichen Problemen stärker fundiert würde.

    [45] ABl. L 322 vom 19. Dezember 2000.

    251. Die Zahl der vor den Gemeinschaftsgerichten verhandelten Fusionsfälle, darunter auch eine Reihe von Rechtsmittelverfahren gegen Verbotsentscheidungen, ist jedenfalls nicht unerheblich. Von 15 Verbotsentscheidungen wurden 7 von den Anmeldern angefochten, d. h. in 47 % der Fälle wird bzw. wurde die Entscheidung der Kommission vom Gericht erster Instanz sorgfältig nachgeprüft [46].

    [46] Stand 1. Oktober 2001: RTL/Veronica/Endemol, Gencor/Lonrho, Kesko/Tuko, Bertelsmann/Kirch/Premiere, Airtours/First Choice, Worldcom MCI/Sprint und General Electric/Honeywell.

    252. Manche Kommentatoren haben auf Regelungen in anderen Fusionskontrollsystemen hingewiesen, die ihrer Ansicht nach besser geeignet sind, eine systematische richterliche Kontrolle zu gewährleisten. In den USA müssen die Wettbewerbsbehörden beispielsweise das Verfahren vor einem Bundesgericht einleiten, wenn sie den Vollzug eines Zusammenschlusses aufhalten wollen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass viele Fusionsfälle, die in den USA im Wege einer Einigung über Abhilfemaßnahmen beendet werden, einer richterlichen Kontrolle entzogen sind. Auch Verbotsentscheidungen unterliegen in den USA nicht unbedingt einer gerichtlichen Nachprüfung, da die beteiligten Unternehmen, wenn die Wettbewerbsbehörden Klage erheben, ihr Fusionsvorhaben immer noch aufgeben können [47].

    [47] Zwischen 1996 und 2001 hat die FTC in 12 Fällen Antrag auf einstweilige Verfügung zur Aussetzung des Vollzugs eines Zusammenschlusses gestellt In sieben Fällen wurden gegen die Verfügung Rechtsmittel eingelegt, in einem Fall wurde vor der Verhandlung eine Einigung erzielt. In vier Fällen gaben die Unternehmen ihr Vorhaben auf, nachdem eine einstweilige Verfügung beantragt worden war (in weiteren vier Fällen gaben die Unternehmen auf, nachdem die FTC entschieden hatte, eine einstweilige Verfügung zu beantragen bzw. nachdem sie von Mitarbeitern der FTC erfahren hatten, dass sie der FTC diesen Schritt empfehlen würden). Insgesamt war demnach die Zahl der aufgegebenen Fusionsvorhaben (8) in diesem Zeitraum höher als die Zahl der Fälle, die vor Gericht kamen (7). Zwischen 1996 und 2000 erhob das Justizministerium in 80 Fällen Klage vor einem Bezirksgericht, während in 126 Fällen nach Androhung einer einstweiligen Verfügung Fusionsvorhaben aufgegeben oder modifiziert wurden.

    253. Abschließend und unabhängig davon, dass die Reform der Gerichtsverfahren außerhalb der Revision der Fusionskontrollverordnung liegt, bleibt festzustellen, dass das jetzige System der richterlichen Kontrolle nach Ansicht der Kommission den Unternehmen, gegen deren Fusionspläne im Rahmen der Fusionskontrollverordnung vorgegangen wird, durchaus einen angemessenen Rechtsschutz bietet. Innerhalb dieser Grenzen ist die Kommission jedoch bereit, sich offen mit der Frage auseinander zu setzen, in welcher Weise sie tragfähige Vorschläge zur Verbesserung der richterlichen Kontrolle ihrer fusionsrechtlichen Entscheidungen unterstützen kann. Auch bittet die Kommission um fundierte Beiträge zu den verfahrensrechtlichen Aspekten der Fusionskontrollverordnung insgesamt im Vergleich zu den Fusionskontrollverfahren in anderen Rechtsordnungen.

    V. AUFFORDERUNG ZUR STELLUNGNAHME

    254. Alle interessierten Kreise werden gebeten, zu den in diesem Grünbuch angesprochenen Fragen Stellung zu nehmen. Darüber hinaus sind Beiträge zu allen anderen Aspekten willkommen, die für die Verbesserung der europäischen Fusionskontrolle von Interesse sind.

    255. Die Stellungnahmen sollten bis spätestens 31. März 2002 bei der Kommission eingehen. Sie können wie folgt übermittelt werden:

    Per Post:

    Europäische Kommission Generaldirektion Wettbewerb - Grünbuch über die Revision der Fusionskontrollverordnung -

    B-1049 Brüssel Belgien

    Per E-Mail:

    mtfmergerreview@cec.eu.int

    256. Das Grünbuch kann auf folgender Website eingesehen werden:

    http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/review/

    ANHANG

    ANHÄNGE ZUM GRÜNBUCH

    Anhang I : Umsatzschwellenrelevante Fragen

    Anhang II : Artikel 9 - Artikel 22

    Die Anhänge sind lediglich in der englischen Originalversion des Grünbuches unter folgender Adresse verfügbar:

    http://europa.eu.int/comm/competition/mergers/review/

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