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Document 52000DC0079

    Mitteilung der Kommission - Ein Europa schaffen, das alle einbezieht

    /* KOM/2000/0079 endg. */

    52000DC0079

    Mitteilung der Kommission - Ein Europa schaffen, das alle einbezieht /* KOM/2000/0079 endg. */


    MITTEILUNG DER KOMMISSION EIN EUROPA SCHAFFEN, DAS ALLE EINBEZIEHT

    INHALTSVERZEICHNIS

    1. Zusammenfassung

    1.1. Einleitung

    1.2. Mandat

    1.3. Ziele

    2. Die Herausforderung der sozialen Ausgrenzung

    2.1. Niedriges Einkommen und Gefährdung

    2.2. Ein multidimensionales Phänomen

    2.3. Ein strukturelles Phänomen

    2.3.1. Eine Arbeitswelt im Wandel

    2.3.2. Die Wissensgesellschaft

    2.3.3. Sozialer und demographischer Wandel

    2.3.4. Konzentration des Phänomens auf einzelne Gebiete

    2.4. Fazit: ein umfassender strategischer Ansatz

    3. Entwicklung von Strategien in den Mitgliedstaaten

    4. Beitrag der Gemeinschaftsinstrumente und -strategien zur sozialen Eingliederung

    5. Unterstützung von Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Förderung von Inklusion und Partizipation

    5.1. Gemeinsame Ziele für die soziale Eingliederung

    5.1.1. Ziele

    5.1.2. Gemeinsame Grundsätze und Verfahren

    5.1.3. Bereiche, in denen die Anstrengungen intensiviert werden könnten

    5.1.4. Benchmarking und Bewertung

    5.2. Im Rahmen der neuen Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags zu verwendendes Instrumentarium

    5.2.1. Mehrjahresprogramm zur operationellen Unterstützung der Zusammenarbeit

    5.2.2. Rahmenbestimmungen zur Förderung der Eingliederung von Menschen, die aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt sind

    ANHANG - STATISTISCHER VERMERK

    1. Messung von sozialer Ausgrenzung und Armut: Statistiken und Indikatoren

    2. Ausmaß der Einkommensarmut

    3. Dauer: Kurzfristige/längerfristige Einkommensarmut

    4. Verbindung zwischen niedrigem Einkommen, Arbeit und Lohn

    5. Soziale Ausgrenzung und Armut: Bedarf an multidimensionalen Längsschnittdaten und Indikatoren

    1. Zusammenfassung

    1.1. Einleitung

    Diese von der Kommission vorgeschlagene Initiative verdeutlicht den Ehrgeiz und das Engagement der Union zugunsten stärker integrationsorientierter Volkswirtschaften und Gesellschaften, womit sie die großen Erwartungen des Parlaments, der NRO, der Sozialpartner und der lokalen Gebietskörperschaften erfuellt, die von den Mitgliedstaaten auf der informellen Ratstagung der Sozialminister am 11. - 12. Februar 2000 in Lissabon bekräftigt wurden. Dabei will die Initiative die wichtigen neuen Bestimmungen im Vertrag nutzen, die in Amsterdam vereinbart wurden, um die Zusammenarbeit mit und zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern, spezielle Maßnahmen zur Unterstützung von deren Aktionen festzulegen und die bestehenden Gemeinschaftsstrategien zu ergänzen, die (unmittelbar oder mittelbar) zum sozialen Zusammenhalt beitragen. Sie will Partnerschaften zwischen allen relevanten Interessengruppen begünstigen, indem sie deren Fähigkeit zur Fortentwicklung in Richtung auf ein Europa stärkt, das alle einbezieht.

    1.2. Mandat

    Beim Eintritt in das neue Jahrhundert erneuert und bekräftigt die Europäische Union die Verpflichtung zur Förderung der Solidarität und der Annäherung an die Bürger. Aufbauend auf den schon erzielten Ergebnissen und Erwartungen im Hinblick auf die wirtschaftliche Integration Europas verwies bereits der Amsterdamer Gipfel nachdrücklich auf die Weiterentwicklung der Beschäftigungs- und der Sozialpolitik der EU. Danach leitete der Luxemburger Gipfel die europäische Beschäftigungsstrategie und einen vielversprechenden Prozeß einander wechselseitig verstärkender beschäftigungs- und wirtschaftspolitischer Maßnahmen ein. Und nun wird der bevorstehende Lissaboner Gipfel, um den Übergang zu einem Europa der Innovation und des Wissens zu beschleunigen, den Umfang der politischen Zusammenarbeit erweitern und eine weitere Verbindung zwischen Beschäftigung, Wirtschaftsreform und sozialem Zusammenhalt fördern.

    1.3. Ziele

    Angesichts dieser Entwicklungen schlägt die Kommission im Anschluß an die umfassenden Beratungen, die in den letzten 12 Monaten mit den Mitgliedstaaten und Organisationen der Zivilgesellschaft stattgefunden haben, nun die Einleitung einer neuen Initiative vor, die Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung unterstützen soll. Die Initiative ist auf die Erkenntnis der Mitgliedstaaten zurückzuführen, daß die soziale Ausgrenzung eine der wichtigsten Herausforderungen unserer Volkswirtschaften und Gesellschaften darstellt. Dabei besteht die Herausforderung nicht nur darin, den Ausgegrenzten (oder von Ausgrenzung Bedrohten) bessere Unterstützungsleistungen zu gewähren, sondern auch darin, aktiv gegen die strukturellen Hindernisse vorzugehen, die der sozialen Eingliederung entgegenstehen, um so das Auftreten von sozialer Ausgrenzung einzudämmen. Diese Initiative geht ferner gegen potentielle neue Formen der Ausgrenzung vor, die mit der Bewegung hin zu einer wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft entstehen können. Eingliederungsstrategien sind nun in diesem neuen Kontext zu konzipieren. Mit Vorlage dieser Mitteilung will die Kommission ihren Beitrag zur Anpassung unserer Volkswirtschaften und Gesellschaften an die Beschleunigung der technologischen und wissensbasierten Innovation vervollständigen. Ihre Mitteilung "eEurope - Eine Informationsgesellschaft für alle" verwies auf das Wachstumspotential eines "eEuropa" und schlug Initiativen zur Beschleunigung des Übergangs Europas zur Informationsgesellschaft vor [1]; ihre Mitteilung "Strategien für Beschäftigung in der Informationsgesellschaft" sah neue Wege zur verstärkten Arbeitsplatzschaffung vor [2], diese Mitteilung legt Nachdruck auf die nötige Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf den sozialen Zusammenhalt.

    [1] KOM (1999) 687.

    [2] KOM (2000) 48.

    Mit Anregung der vorliegenden Initiative zur sozialen Eingliederung setzt die Kommission ihre Anstrengungen zur Herbeiführung eines Europa für alle fort und vervollständigt insbesondere das Paket von Vorschlägen zur Bekämpfung von Diskriminierungen, das sie kürzlich angenommen hat [3].

    [3] KOM (1999) 564-565-566-567, 25.11.1999.

    2. Die Herausforderung der sozialen Ausgrenzung

    Europa ist ein wohlhabender Kontinent, und die Stärke seiner Wirtschaft erzeugt beträchtlichen Wohlstand und schafft Arbeitsplätze. Beides ist wesentlich, wenn ein hoher Lebensstandard und eine hohe Lebensqualität aufrechterhalten werden sollen. Darüber hinaus haben die Mitgliedstaaten umfassende Mechanismen entwickelt, die eine gewisse Umverteilung des aus der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft abgeleiteten Wohlstands, insbesondere über die Sozialschutzsysteme, sicherstellen sollen. Allerdings gibt es noch immer viele Europäer, die in Armut leben und infolge struktureller Hemmnisse sozialer Ausgrenzung ausgesetzt sind.

    Die Änderungen, die unsere Volkswirtschaften und Gesellschaften immer schneller umgestalten, dürften die Gefährdung noch verschärfen und die Risiken der sozialen Ausgrenzung noch verstärken, wovon insbesondere diejenigen betroffen sind, die sich nicht die Kompetenzen angeeignet haben, die für eine erfolgreiche Ausübung der innovations- und wissensbasierten Tätigkeiten erforderlich sind, wie auch diejenigen, die sich aus verschiedenen Gründen nicht am Erwerbsleben beteiligen.

    2.1. Niedriges Einkommen und Gefährdung

    Nach den neuesten Daten von EUROSTAT leben etwa 18 % der Bevölkerung in der EU mit weniger als 60 % des nationalen Medianeinkommens, der Grenze für niedriges Einkommen, die zur Messung der relativen Armut herangezogen wird [4]. Dieser EU-Durchschnitt spiegelt nationale Armutsquoten von 11 % bis 24 % wider, wobei in den letzten zehn Jahren kaum Veränderungen festgestellt wurden. Die Quote konnte durch Sozialtransfers auf 18 % gehalten werden, ohne diese Leistungen würde sie 26 % betragen. Dies verdeutlicht sowohl die Erfolge als auch die Grenzen der Maßnahmen zur Umverteilung von Einkommen [5]. Die Daten von EUROSTAT bestätigen ferner, daß diejenigen, die unter der Armutsgrenze leben, in bezug auf die volle Teilhabe an der Gesellschaft Benachteiligungen erleben und sich großen Schwierigkeiten gegenübersehen [6]. Das Ausmaß von Armut und sozialer Ausgrenzung steht im Widerspruch zu dem europäischen Anspruch, eine Spitzenstellung bei sozialer Gerechtigkeit und Solidarität einzunehmen.

    [4] EUROSTAT, Statistik kurzgefaßt 1/2000, Soziale Ausgrenzung in den EU-Mitgliedstaaten. Die Zahlen beziehen sich auf die zweite Welle des Haushaltspanels der Europäischen Gemeinschaft und auf die Einkommenssituation von 1994 in 13 Mitgliedstaaten (EU ohne Schweden und Finnland). Auf die 15 Mitgliedstaaten angewandt, würde die Quote von 18 % mehr als 65 Millionen Menschen entsprechen.

    [5] EUROSTAT, Statistik kurzgefaßt, 13/1999 (bei diesen Zahlen gelten Rentenzahlungen nicht als Sozialtransfers).

    [6] EUROSTAT, Statistik kurzgefaßt, 1/2000; siehe auch die demnächst vorzulegende Mitteilung der Kommission "Soziale Trends: Perspektiven und Herausforderungen".

    Der erste Bericht der Kommission über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt zeigt, daß der Zusammenhalt in den meisten Mitgliedstaaten im letzten Jahrzehnt nachgelassen hat. Daten der OECD und Statistiken in den Mitgliedstaaten lassen ebenfalls einen Trend zu steigenden Disparitäten und nachlassendem Zusammenhalt erkennen. Die Daten aus den Mitgliedstaaten verdeutlichen, daß mehr als 10 Millionen Menschen von Sozialhilfeleistungen abhängig sind und ihren Lebensunterhalt nicht auf andere Weise bestreiten können. Dabei ist es besonders beunruhigend, daß sich diese Tendenz in den meisten Mitgliedstaaten verstärkt.

    In OECD-Untersuchungen und einzelstaatlichen Studien (auch in Deutschland, im UK, in Frankreich und in den Niederlanden) gibt es Hinweise darauf, daß die Gefährdung weiter verbreitet ist, als aus den zu einem bestimmten Zeitpunkt erfaßten Armutszahlen abzuleiten ist. Neben den von anhaltender Armut betroffenen Menschen (etwa 3 bis 6 % nach den wenigen verfügbaren Daten) gibt es viele Europäer, die aufgrund geringer Einkünfte und ungesicherter Arbeitsverhältnisse arm sind. Die Tatsache, daß man zu einem bestimmten Zeitpunkt über einen Arbeitsplatz verfügt, schützt nicht unbedingt vor dem Risiko der sozialen Ausgrenzung. Selbst in Mitgliedstaaten mit relativ gleichmäßiger Einkommensverteilung leben 20 bis 40 % der Bevölkerung am Rande der Armut und beziehen - vor allem infolge wiederholter Arbeitslosigkeit - während eines Zeitraums von 3 bis 6 Jahren zeitweilig ein niedriges Einkommen [7].

    [7] Siehe statistischer Vermerk.

    2.2. Ein multidimensionales Phänomen

    Das Ausmass der sozialen Ausgrenzung fordert die Gesellschaft dazu auf, ihre Verantwortung dafür wahrzunehmen, daß allen Chancengleichheit gewährleistet wird. Dazu gehört auch der gleichberechtigte Zugang zum Arbeitsmarkt, zur Bildung, zur Gesundheitsversorgung, zum Justizwesen, zu Rechten sowie zu Entscheidungsprozessen und Partizipation.

    Beschäftigung trägt entscheidend zur Integration und zur sozialen Eingliederung bei; Arbeitslosigkeit ist ein wesentlicher Ausgrenzungsfaktor, insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit und die zunehmende Konzentration von Arbeitslosigkeit in Haushalten ohne Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Neben 16 Millionen Arbeitslosen, von denen die Hälfte Langzeitarbeitslose sind, gibt es noch die sogenannten "entmutigten" Arbeitskräfte, d. h. Menschen, die sich nicht um eine Stelle bemühen, weil sie glauben, daß sie keine Aussicht auf einen Arbeitsplatz haben. Ebenso gibt es diejenigen, die immer wieder Zeiten der Arbeitslosigkeit oder Nichterwerbstätigkeit im Wechsel mit Zeiten erleben, in denen sie ein niedriges Einkommen, häufig in Verbindung mit einem ungesicherten Arbeitsverhältnis, beziehen. Die Annahme einer schlecht bezahlten Stelle kann es arbeitslosen Menschen ermöglichen, Erfahrung zu gewinnen und ihre Beschäftigungsaussichten zu verbessern. Solche Arbeitsplätze können aber nicht immer bewirken, daß die Betroffenen dem Teufelskreis der Ausgrenzung durch den Wechsel zu einer höherwertigen Beschäftigung entkommen.

    Soziale Ausgrenzung reicht jedoch über die Problematik der Arbeitslosigkeit und des Zugangs zum Arbeitsmarkt hinaus. Sie wird sichtbar in einer oder mehreren Arten von Benachteiligungen und von Hemmnissen, die der vollen Beteiligung in Bereichen wie z. B. Bildung, Gesundheitsversorgung, Umwelt, Wohnungswesen, Kultur, Zugang zu Rechten oder Familienzulagen sowie Berufsbildung und Beschäftigungsmöglichkeiten entgegenstehen. Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit können die soziale Ausgrenzung - insbesondere von Zuwanderern - noch verstärken. Besondere Fragen ergeben sich auch in bezug auf Sozialschutzstrategien - vor allem in bezug auf das soziale Sicherheitsnetz und damit verbundene Maßnahmen. Beachtung verlangen ebenso Bildungs- und Berufs bildungs maßnahmen, insbesondere im Hinblick darauf, daß das lebenslange Lernen hochwichtig wird, wenn die Menschen in die Lage versetzt werden sollen, als vollwertige Mitglieder der Wissens- und Informationsgesellschaft zu fungieren [8]. Somit gehört auch der Zugang zu öffentlichen und privaten Dienstleistungen sowie deren Qualität zu den wichtigen Themen, desgleichen Betreuungsleistungen. Die Bekämpfung des Schulversagens und die Gewährleistung des Zugangs zur Technologie der Wissensgesellschaft und zu den Fähigkeiten und der Kompetenz, die erforderlich sind, um sie zu nutzen, sind ebenfalls von grundlegender Bedeutung, wenn sichergestellt werden soll, daß das Informationszeitalter nicht in Wirklichkeit zu einer neuen Spaltung der Gesellschaft führt, sondern vielmehr Eingliederung und Zusammenhalt fördert.

    [8] Dies wurde bereits im Weißbuch "Lehren und Lernen - auf dem Weg zur kognitiven Gesellschaft", insbesondere im Rahmen des allgemeinen Ziels Nr. 3 "Die Ausgrenzung muß bekämpft werden", anerkannt.

    Die Faktoren, die zu der Ausgrenzungserfahrung beitragen, variieren je nach Einzelperson, für Frauen und Männer und für einzelne Mitgliedstaaten.

    2.3. Ein strukturelles Phänomen

    Die strukturelle Entwicklung, die sich derzeit in unseren Gesellschaften vollzieht, wird, wenn sie bewältigt wird, zu Wirtschaftswachstum führen und damit Möglichkeiten für eine stärker von Zusammenhalt geprägte Gesellschaft bieten. Jedoch beinhaltet sie auch die Gefahr einer Verschärfung der sozialen Ausgrenzung.

    2.3.1. Eine Arbeitswelt im Wandel

    Der wirtschaftliche Fortschritt bringt nicht automatisch Vorteile für alle mit sich. Die Marktkräfte bewirken eine ungleichmäßige Verteilung von Nutzen und Kosten, so daß es Gewinner und Verlierer gibt. Aufgrund der Globalisierung der Volkswirtschaften, des raschen technologischen Wandels, der Umstrukturierung der Industrie und der Dynamik des Abbaus und der Schaffung von Arbeitsplätzen ergeben sich bei der Beschäftigung und beim Arbeitsmarkt einschneidende Veränderungen sowie eine Verlagerung des Gleichgewichts zwischen Flexibilität und Sicherheit, woraus neue Chancen für diejenigen entstehen, die am besten zu vermitteln und am anpassungsfähigsten sind. Dadurch wird aber auch die Tendenz verstärkt, diejenigen zu marginalisieren, die nicht in der Lage sind, sich an mobile und flexible Arbeitsmuster anzupassen, oder die nicht bereit sind, sich die für die neuen Aufgaben in der Wissensökonomie erforderlichen Kompetenzen anzueignen.

    2.3.2. Die Wissensgesellschaft

    Obwohl bisher alle Gesellschaften Fortschritte gemacht haben, indem sie Wissen weiterentwickelten und anwandten, erleben wir jetzt einen deutlichen Wandel bei der Rolle, die Wissen in der Wirtschaft spielt. Wissen macht nun einen größeren Teil des Werts vieler Produkte und Dienstleistungen aus, als dies je zuvor der Fall war. Das heutige Wissen ist mehr und mehr kodifiziert und wird über die Informationstechnologien weitergegeben, welche entscheidend zu Wachstum und Arbeitsplatzschaffung beitragen [9]. Der zunehmende Einsatz dieser Technologien wird die Hindernisse der Entfernung abbauen helfen und neue Chancen für benachteiligte Gruppen und Gebiete eröffnen. Er kann aber auch zu neuen Formen der sozialen Ausgrenzung beitragen, die mit einem Mangel an Medienkompetenz und mit Ungleichheiten beim Zugang zu den Möglichkeiten des Erwerbs und des Auffrischens von Kenntnissen in Verbindung stehen. Die wissensbasierte Ökonomie stellt die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen und der Arbeitskräfte vor immer größere Herausforderungen und zieht neue Grenzen zwischen denjenigen, die über die nötigen Fähigkeiten, Qualifikationen und Kompetenzen verfügen, und denjenigen, die diese nicht aufweisen.

    [9] Mitteilung "eEurope - Eine Informationsgesellschaft für alle" und "Strategien für Beschäftigung in der Informationsgesellschaft".

    2.3.3. Sozialer und demographischer Wandel

    Durch die Alterung der Bevölkerung, die zu einem Anstieg der Abhängigkeitsquote führt, erhöht sich entsprechend der auf der Sozialpolitik lastende finanzielle Druck. Zusätzlich sehen sich angesichts der demographischen Entwicklung hin zur Alterung und zur Auflösung der traditionellen Familienstrukturen und -muster mehr Menschen stärker individualisierten Lebensformen und damit möglicherweise längeren Zeiträumen der Isolation gegenüber, die sie noch stärker der Gefahr der Ausgrenzung aussetzen. Es gibt immer größere Unterschiede zwischen Haushalten mit doppeltem und einem Einkommen und Familien von Alleinerziehenden, insbesondere von alleinerziehenden Frauen. Obdachlosigkeit gehört zu den schwerwiegenderen Ausdrucksformen von Armut und sozialer Ausgrenzung.

    2.3.4. Konzentration des Phänomens auf einzelne Gebiete

    Die Gefahr einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft wird noch verstärkt durch die zunehmende geographische Polarisierung der Entwicklung. Dies zeigt sich besonders in Gebieten, in denen mangelnder Wohlstand und das Fehlen von Infrastrukturen strukturelle Hemmnisse für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung bilden. Ferner werden negative Tendenzen in ländlichen Krisengebieten, in alten Industriebezirken wie auch in vielen städtischen Gebieten deutlich, die von Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung, Diskriminierung, Segregation, Gewalt und Ghettoisierung ganzer Nachbarschaften betroffen sind, die immer stärker verarmen und den Kontakt zu der Gesellschaft um sie herum verloren haben.

    2.4. Fazit: ein umfassender strategischer Ansatz

    Das volle Ausmaß der Herausforderung kann nur ermittelt werden, wenn ihr multidimensionaler und struktureller Charakter erkannt und berücksichtigt wird. Daher sollte ein umfassendes und einheitliches strategisches Konzept für die soziale Eingliederung weit über die Umverteilung von Wohlstand durch passive Leistungen für diejenigen, die vom wirtschaftlichen und sozialen Wandel keinen Nutzen haben, hinausreichen - die Herausforderung besteht nicht so sehr darin, die Umverteilung zu verstärken, sondern in unseren Volkswirtschaften und Gesellschaften so vorzugehen, daß das Potential für eine volle Beteiligung und einen zufriedenstellenden Lebensstandard für alle maximiert wird. Dabei sollte vor allem eine aktive Partizipation gefördert werden, um so die Vergeudung von Humanressourcen zu verringern und zu einer gerechten Verteilung der Chancen zu gelangen. Ebenso wäre sicherzustellen, daß das Ziel der sozialen Eingliederung in wirtschafts- und sozialpolitische Strategien einbezogen wird.

    Angesichts der derzeitigen Dynamik beim wirtschaftlichen und technologischen Wandel kommt einer solchen proaktiven Perspektive zugunsten der sozialen Integration grundlegende Bedeutung zu. Sie verlangt eine weitgehende Mobilisierung der öffentlichen wie auch der privaten Akteure auf allen Ebenen. Mehr denn je bietet die Förderung und Unterstützung eines zukunftsgerichteten Anpassungsprozesses, der alle Bürger auf den Wechsel vorbereitet, die besten Aussichten für Solidarität und sozialen Zusammenhalt.

    3. Entwicklung von Strategien in den Mitgliedstaaten

    Für die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sind in erster Linie die Mitgliedstaaten und die Behörden auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene zuständig. Auch die Sozialpartner und die Nichtregierungsorganisationen spielen diesbezüglich eine wichtige Rolle.

    Während des letzten Jahrzehnts hat die soziale Ausgrenzung auf der politischen Agenda der meisten Mitgliedstaaten an Bedeutung gewonnen, vor allem - jedoch nicht ausschließlich - in Verbindung mit der Beschäftigung und dem Sozialschutz. Der Schwerpunkt lag dabei zunehmend auf der erforderlichen Sicherstellung der sozialen Eingliederung.

    Die Wichtigkeit der sozialen Ausgrenzung im politischen Entscheidungsprozeß wird dadurch deutlich, daß die meisten öffentlichen Ausgaben in den Mitgliedstaaten auf Bereiche entfallen, die Auswirkungen der Ausgrenzung bekämpfen oder zumindest abschwächen sollen. In einer großen Zahl von Politikfeldern, beispielsweise Wohnungswesen, allgemeine und berufliche Bildung, Gesundheitsversorgung, Information und Kommunikation, Mobilität, Sicherheit und Justizwesen, Freizeit und Kultur usw., werden spezifische Maßnahmen durchgeführt. Dabei verstärkt sich mit zunehmender Erfahrung die Erkenntnis, daß die Gewährleistung einer vollständigen Integration von Menschen in einer immer mehr vom Wettbewerb bestimmten Wissens- und Informationsgesellschaft anspruchsvolle, zielgerichtete, innovative, integrierte Konzepte wie auch neue Formen der Partnerschaft und der Partizipation von Interessengruppen, insbesondere der Ausgegrenzten selbst, voraussetzt.

    Somit ist die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung für die Mitgliedstaaten nicht nur immer mehr in den Vordergrund getreten, sondern hat sich auch zu einem Ziel entwickelt, das sie zunehmend über strategische Maßnahmen und Aktionen zu erreichen versuchen. Irland und Portugal beispielsweise haben nationale Programme aufgestellt.

    - Irland hat im Anschluß an die UN-Konferenz zur sozialen Entwicklung, die 1995 in Kopenhagen stattfand, das Programm "Sharing in progress: the national anti-poverty strategy" (Die Ergebnisse des Fortschritts teilen: die nationale Strategie zur Bekämpfung der Armut) eingeleitet, durch das der Anteil der irischen Bevölkerung, der anhaltender Armut ausgesetzt ist, von 9-15 % auf unter 5-10 % verringert werden soll. Die auf einem multidimensionalen Verständnis von Armut und sozialer Ausgrenzung basierende irische Strategie wird durch ein umfassendes Partnerschaftskonzept und spezielle institutionelle Strukturen auf politischer wie auch auf administrativer Ebene unterstützt, wobei bei einschlägigen Maßnahmen zielgerichtete Mechanismen, beispielsweise eine "Armuts vermeidungs- und Gleichstellungsprüfung", eingesetzt werden.

    - In Portugal wurde das "Programma Nacional de luta contra a pobreza" (Nationales Armutsbekämpfungsprogramm) durch INTEGRAR ergänzt, worauf 1997 die Einführung einer Mindesteinkommensregelung folgte, die Leistungsempfängern finanzielle Unterstützungsleistungen wie auch aktive Maßnahmen zur Förderung ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung anbietet. Untermauert werden die beiden Programme durch den "Pacto de Cooperação para a solidariedade social" (Kooperationspakt für soziale Solidarität), durch den eine weitreichende Zusammenarbeit aller Interessengruppen gefördert werden soll.

    In den Niederlanden und in Belgien, in neuerer Zeit auch im UK, werden Armut und sozialer Ausgrenzung inzwischen in allen Politikbereichen Priorität zuerkannt, auch werden spezifische Koordinierungsmechanismen entwickelt. Der Fortschritt wird systematisch überwacht und eine öffentliche Grundsatzdiskussion aktiv gefördert, wobei umfangreiche Berichte über die Armutssituation und die Fortschritte bei der Armutsbekämpfung veröffentlicht werden. Dies geht mit der Entwicklung einer steigenden Zahl von Indikatoren für soziale Ausgrenzung und Armut und der Festsetzung spezifischer Zielvorgaben in den wichtigsten Politikfeldern (Beschäftigung, Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnungs wesen, Dienstleistungen usw.), für besonders gefährdete Gruppen (Langzeitarbeitslose, Haushalte von Alleinerziehenden, Armut von Kindern, Schulabbrecher, Haushalte von Niedriglohnbeziehern, Menschen mit Behinderungen usw.) wie auch für benachteiligte Gebiete und Nachbarschaften einher.

    Andere Mitgliedstaaten, wie beispielsweise Frankreich, wollen die Wirkung der Strategien für die soziale Integration durch Rahmenvorschriften verbessern, die die Ausgrenzung anhand der Frage des Zugangs zu den Grundrechten in den Bereichen Beschäftigung, Wohnungswesen, Gesundheitsversorgung, Justizwesen, allgemeine und berufliche Bildung, Kultur sowie Schutz von Familie und Kindern definieren. Durch die Rechtsvorschriften hat die soziale Eingliederung inzwischen bei den staatlichen Maßnahmen Vorrang; alle öffentlichen Einrichtungen und sonstigen Interessengruppen sind verpflichtet, sich an der Umsetzung der gesetzlich festgelegten Grundsätze zu beteiligen. Damit die Maßnahmen für die Zielgruppen besser greifen, sieht das Gesetz auch eine Vertretung der ausgegrenzten Menschen sowie Gremien vor, die ihre Interessen in verschiedenen Foren vertreten, in denen über sie entschieden wird.

    In den Mitgliedstaaten, die der Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und Armut Vorrang eingeräumt haben, besteht eine allgemeine Tendenz dahin, die Ausgegrenzten möglichst in die Konzeption stärker integrationsorientierter Strategien einzubeziehen. Die Notwendigkeit eines integrierten Ansatzes hat zu dem Gedanken der "Eingliederungspfade" geführt; dieser Begriff hat sich zu einem entscheidenden Grundsatz der Aktionen zur Bekämpfung von Ausgrenzung entwickelt, die in allen Mitgliedstaaten mit Unterstützung der Strukturfonds durchgeführt werden.

    Um soziale Ausgrenzung zu bekämpfen und das Entstehen einer zweigeteilten Gesellschaft zu verhindern, haben einige Mitgliedstaaten, beispielsweise Dänemark und Schweden, bei ihren Beschäftigungs- und Sozialschutzstrategien das Hauptaugenmerk auf die Aktivierung gerichtet, um so die Beschäftigungsfähigkeit und die soziale Integration zu verbessern, eine Ausgrenzung aus dem Arbeitsmarkt zu verhindern, die Abhängigkeit von Sozialleistungen zu reduzieren und Armutsfallen zu beseitigen. Die Anstrengungen haben zu der wachsenden Erkenntnis geführt, daß Beschäftigung das Ausgrenzungsproblem zwar mildern, aber nicht lösen kann. Die Förderung einer dauerhaften Eingliederung beispielsweise von gering qualifizierten Menschen, die häufig wechseln zwischen Einfacharbeitsplätzen und Zeiten der Arbeitslosigkeit, ist für alle Mitgliedstaaten zu einem wichtigen Anliegen geworden.

    Alle diese Bemühungen sollen letzten Endes dazu führen, daß die entsprechenden Strategien besser zur sozialen Eingliederung beitragen; dies soll durch die Förderung eines integrierten Konzepts und der Zusammenarbeit geschehen, wobei der Dynamik der Ausgrenzung Rechnung zu tragen ist.

    Das breite Spektrum von Aktionen, das ebenso viele Erfahrungen und vorbildliche Verfahren beinhaltet, bietet die Möglichkeit der Entwicklung von Gemeinschaftsmaßnahmen zur Förderung einer gewinnbringenden Zusammenarbeit und eines entsprechenden Austauschs zwischen politischen Entscheidungsträgern und anderen betroffenen Akteuren.

    4. Beitrag der Gemeinschaftsinstrumente und -strategien zur sozialen Eingliederung

    Bereits eine ganze Reihe von Gemeinschaftsstrategien ist für die soziale Integration - entweder unmittelbar oder häufiger noch mittelbar - relevant. Ihre Wirkung sollte intensiviert, aber auch besser sichtbar gemacht werden.

    Die Union hat sich darauf verpflichtet sicherzustellen, daß die wirtschaftliche Entwicklung und der soziale Fortschritt Hand in Hand gehen; daher ist die vollständige Umsetzung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik und der beschäftigungspolitischen Leitlinien der EU wesentlich, um eine sich wechselseitig verstärkende Förderung von Wachstum, Beschäftigung und sozialem Zusammenhalt zu gewährleisten.

    Entscheidend für die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung ist die Schaffung von Arbeitsplätzen. Die europäische Beschäftigungsstrategie leistet hierzu einen wichtigen Beitrag, indem sie Arbeitsmarktfragen im allgemeinen und im besonderen behandelt und sich auf Langzeitarbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit wie auch auf die noch nicht erreichte Chancengleichheit von Frauen und von Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt konzentriert und indem sie ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Flexibilität und Sicherheit fördert. In den Beschäftigungsleitlinien von 1999 wurde stärker herausgearbeitet, daß die Leitlinien tatsächlich den Erfordernissen aller entsprechen müssen. Dabei wurde noch mehr Nachdruck auf aktive Maßnahmen zur Wiedereingliederung von Menschen in den Arbeitsmarkt gelegt. Hierunter fallen Reformen der Steuer- und Leistungssysteme sowie die Förderung des lebenslangen Lernens, wodurch es Arbeitnehmern, vor allem älteren Beschäftigten und Menschen, die aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt sind (z. B. behinderten Menschen, ethnischen Minderheiten), ermöglicht werden soll, ihre Qualifikation zu verbessern, vor allem in den einem raschen Wandel unterworfenen Bereichen wie der Informations- und Kommunikationstechnologie, und damit erwerbstätig zu bleiben und sich aktiv am Arbeitsleben zu beteiligen. Das Engagement für die Chancengleichheit von Frauen wurde verstärkt, die Qualität der Arbeitsplätze noch mehr herausgestellt: Arbeitsplätze zu schaffen reicht allein nicht aus; es müssen auch hochwertige Arbeitsplätze sein.

    Eine direkte Unterstützung der Gemeinschaft für die am meisten benachteiligten Regionen und Menschen in der EU wird in erster Linie über die Strukturfonds gewährt. Im Anschluß an die laufenden Reformen werden die Fonds im Zeitraum 2000-2006 die soziale Eingliederung stärker fördern. Durch den Schwerpunkt auf Integration, thematische und geographische Konzentration und Partnerschaft wird die Effizienz der strukturellen Maßnahmen der Ziele 1 und 2 in bezug auf den Abbau regionaler Disparitäten und die Begünstigung der Entwicklung benachteiligter Gebiete erhöht. Ziel 3 soll die Anpassung und Modernisierung der Systeme und Strategien im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie der Beschäftigung unterstützen. Es erstreckt sich insbesondere auf die Wiedereingliederung von Menschen, die aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt sind, und auf die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. Auch die derzeitigen Gemeinschaftsinitiativen setzen sich für die Förderung der sozialen Eingliederung ein, insbesondere der Teilbereich INTEGRA der Initiative BESCHÄFTIGUNG, darüber hinaus haben URBAN und LEADER die Integration in städtischen bzw. ländlichen Gebieten zum Ziel. Die im Rahmen des Europäischen Sozialfonds durchgeführte neue Gemeinschaftsinitiative EQUAL unterstützt neue Methoden zur Bekämpfung von Ausgrenzung, Diskriminierung und Ungleichheiten im Zusammenhang mit der Beschäftigung.

    Die Förderung der sozialen Eingliederung ist eines der Ziele, auf die in der konzertierten Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes verwiesen wird, welche die Kommission dem Rat [10] kürzlich vorgeschlagen hat. Die Empfehlung 92/441/EWG vom 24. Juni 1992 über gemeinsame Kriterien für ausreichende Zuwendungen und Leistungen im Rahmen der Systeme der sozialen Sicherung trug zur Erleichterung des Erfahrungsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten bei und ist eine gute Grundlage, auf der sich weitere Entwicklungen aufbauen lassen.

    [10] KOM (1999)347 endg. vom 14.07.99.

    Die Wissensgesellschaft verfügt über das Potential, Eingliederung und Zusammenhalt in Europa wesentlich zu stärken, sofern geeignete Strategien entwickelt werden, mit denen den Erfordernissen der benachteiligten Gruppen und geographischen Gebiete entsprochen werden kann. Die Vorschläge der Kommission "eEurope - Eine Informationsgesellschaft für alle" und "Strategien für Beschäftigung in der Informationsgesellschaft" werden ebenfalls Maßnahmen Auftrieb verleihen, die stärker auf die Herausforderungen von Integration und Zusammenhalt eingehen. Daher müssen sowohl die Regierungen als auch die Unternehmen in Sensibilisierungsmaßnahmen und öffentliche Zugangsmöglichkeiten investieren. Ganz generell muß die Bevölkerung Europas, vor allem die Jugend, weitgehend Zugang zu den neuen Grundkompetenzen haben - ihnen muß die Fähigkeit vermittelt werden, zu lernen und Probleme zu lösen; sie müssen Wissenschaft und technologische Kompetenzen zu würdigen lernen; sie werden in der Lage sein müssen, sich der Informationstechnologien zu bedienen, Fremdsprachen zu sprechen, Eigeninitiative und Unternehmergeist zu entwickeln; und aktive, freie und verantwortungsbewußte Bürger zu sein.

    Auch andere Gemeinschaftsmaßnahmen tragen zur Förderung der sozialen Eingliederung bei: die Rahmenprogramme für Forschung, der Aktionsrahmen der Kommission für eine nachhaltige Stadtentwicklung, die Programme für die allgemeine Bildung (SOKRATES), für die berufliche Bildung (LEONARDO DA VINCI) und für die Jugend (JUGEND), das Programm der "Schulen der zweiten Chance", die Vorschläge der Kommission zur Bekämpfung von Diskriminierungen, die Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter und die neue Strategie der Gemeinschaft zur Behindertenthematik. Für das Justizwesen hat die Kommission kürzlich erste Ideen dazu vorgelegt, wie am besten bei grenzüberschreitenden Streitsachen in allen Ländern der Union ein angemessenes Niveau von Prozeßkostenhilfe erzielt werden kann [11]. Einige Tätigkeiten, die für Integrationsfragen relevant sind, werden auch im Rahmen der Unternehmenspolitik, insbesondere zur Unterstützung kleiner und kleinster Unternehmen, durchgeführt; diese Initiativen sind teilweise auf bestimmte Gruppen ausgerichtet, beispielsweise auf junge Menschen und Frauen, oder fördern Unternehmer, die Minderheiten angehören oder behindert sind. Eine unmittelbare Unterstützung bietet das Programm der Gemeinschaft zur Verteilung landwirtschaftlicher Erzeugnisse an die am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen in Gestalt einer jährlichen Nahrungsmittelbeihilfe für etwa 7 Millionen Europäer; diese Verteilung wird hauptsächlich von NRO vorgenommen.

    [11] KOM (2000) 51.

    Die Europäische Kommission arbeitet eng mit NRO zusammen, die im Bereich der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung aktiv sind, und unterstützt die Tätigkeiten der europäischen Netze von NRO. Ebenso fördert sie die Aktivitäten des europäischen Unternehmensnetzes für den sozialen Zusammenhalt.

    Darüber hinaus beteiligt sich die Gemeinschaft zusammen mit den Mitgliedstaaten auch an der internationalen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung und der Linderung der Armut. Hierbei kooperiert sie mit dem Europarat, den Vereinten Nationen und ihren Sonderorganisationen (vor allem der Internationalen Arbeitsorganisation) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

    5. Unterstützung von Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Förderung von Inklusion und Partizipation

    Die während des letzten Jahres auf Gemeinschaftsebene geführten Diskussionen haben erkennen lassen, daß die Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament und die Organisationen der Zivilgesellschaft zunehmend an einer Initiative zur Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für einschlägige Maßnahmen der Mitgliedstaaten interessiert sind, die auf höchster Unionsebene gebilligt werden sollte.

    Wie auf der informellen Tagung der Sozialminister [12] bestätigt wurde, gibt es sehr gute Argumente dafür, daß unsere Wirtschafts- und Sozialpolitik stärker integrationsorientiert werden muß und daß zu diesem Zweck die soziale Eingliederung in die EU-Zusammenarbeit im Bereich Beschäftigung und Sozialschutz eingebunden werden muß. Auch wird nachdrücklich für eine politische Verpflichtung der EU und für die Förderung von transnationaler Zusammenarbeit und geeigneten Benchmarking-Mechanismen plädiert, wobei auf dem Wissen, der Erfahrung und den Bemühungen in den Mitgliedstaaten aufgebaut werden soll. Mit diesem Vorgehen sollen offene und flexible Formen der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten ermutigt und nicht ein schwerfälliger Abstimmungsprozeß eingeführt, sondern eine klare und deutliche Botschaft zugunsten eines Europas, das alle einbezieht, vermittelt werden. Die neuen Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags ebnen den Weg für eine solche Verpflichtung und eine Zusammenarbeit auf EU-Ebene, wobei das Subsidiaritätsprinzip voll gewahrt wird.

    [12] Lissabon, 10.-12. Februar 2000.

    Der Lissabonner Gipfel könnte den Ausgangspunkt für die diesbezüglich erforderlichen Impulse bilden und die Entwicklung gemeinsamer Ziele und eines gemeinsamen Ansatzes auf EU-Ebene (wie im obenstehenden Abschnitt 1 erläutert) initiieren. Um ihre Anstrengungen zur Einbeziehung der sozialen Eingliederung in alle Gemeinschaftspolitiken zu ergänzen, beabsichtigt die Kommission, konkrete Vorschläge zur Umsetzung der neuen Bestimmungen des Vertrags vorzulegen und damit die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und anderen Akteuren zu fördern (wie im obenstehenden Abschnitt 2 dargelegt).

    5.1. Gemeinsame Ziele für die soziale Eingliederung

    Gemäß den Bestimmungen des Vertrags besteht die Rolle der Gemeinschaft darin, die in den Mitgliedstaaten eingeleiteten Initiativen zu ergänzen und zu unterstützen sowie sich dabei auf Aktionen zu konzentrieren, die einen wirklichen zusätzlichen Nutzen erbringen.

    Aufgrund der in den Mitgliedstaaten festzustellenden Annäherungstendenzen und der Erkenntnisse, die sich aus der praktischen Erfahrung und den Maßnahmen staatlicher Stellen und Organisationen der Zivilgesellschaft ableiten lassen, ist die Entwicklung gemeinsamer Ziele und eines gemeinsamen Ansatzes auf EU-Ebene zur Förderung der sozialen Eingliederung vorstellbar.

    Ausgangspunkt könnte hierbei die Bestätigung einer politischen Verpflichtung von Union und Mitgliedstaaten sowie eine praktische Zusammenarbeit zur Verbreitung von vorbildlichen Verfahren, gemeinsamen Indikatoren und von Benchmarking sein.

    Die politische Verpflichtung sollte darin bestehen, der Förderung der sozialen Integration in der Union und in den Mitgliedstaaten Vorrang einzuräumen und dementsprechend alle relevanten Maßnahmen im Rahmen einer umfassenden und integrierten Strategie zu bewerten und wirksam zu machen.

    5.1.1. Ziele

    Eine entsprechende Verpflichtung würde die Festlegung von Zielen, möglicherweise auch von Zielvorgaben, auf EU-Ebene beinhalten, beispielsweise:

    - Intensivierung des proaktiven Ansatzes für die soziale Integration, der im Rahmen von Maßnahmen der EU und der Mitgliedstaaten entwickelt werden kann, insbesondere Einbeziehung der sozialen Eingliederung in alle EU-Maßnahmen, beispielsweise in die Zusammenarbeit bei Beschäftigungs- und Sozialschutzfragen, die nun verstärkt wird;

    - Vereinbarung der Entwicklung von gemeinsamen Indikatoren für soziale Ausgrenzung und soziale Eingliederung, um so Trends und Maßnahmen zu analysieren und zu überwachen, z. B. in bezug auf Obdachlosigkeit, anhaltende/vorübergehende Armut, Mehrfach benachteiligung und entsprechende Diskriminierungsprobleme, einschließlich geschlechts spezifischer Fragen;

    - Sicherstellung des Zugangs aller zur Wissensgesellschaft, durch die Beschäftigung mit Fragen wie IT-Kompetenz und -Demokratie, E-Verwaltung, insbesondere öffentliche Dienstleistungen, für jeden zur Verfügung stehende öffentliche Zugangsstellen, Integration innerhalb lokaler Gemeinschaften, allgemeine und berufliche Bildung, sprachliche Vielfalt und kulturelle Integration sowie Einbeziehung von Randgebieten;

    - Förderung des Wachstums und Nutzung des für das nächste Jahrzehnt erwarteten Wirtschaftswachstums, um in eine aktive Teilhabe aller zu investieren, mit dem Ziel, langfristig die Notwendigkeit von bzw. die Belastung durch Sozialtransfers zu verringern: anders ausgedrückt, Umschichtung der öffentlichen Ausgaben zugunsten aktiver Investitionen und zukunftsfähiger Anpassungen und zuungunsten passiver Transferleistungen.

    5.1.2. Gemeinsame Grundsätze und Verfahren

    In diesem Zusammenhang müssen sich die Mitgliedstaaten darauf verständigen, auf nationaler Ebene umfassende und konsequente Strategien festzulegen oder zu verstärken und ggf. nationale Programme, Rahmenvorschriften und/oder Koordinierungsmechanismen für gezielte staatliche Aktionen zu entwickeln. Diese Strategien könnten auf Grundsätzen aufbauen, die sich bereits als wirksam erwiesen haben, z. B. globaler Ansatz für die Integration, Aktivierung von Maßnahmen, Partnerschaftskonzept, Partizipation aller Interessengruppen usw. (wie im obenstehenden Abschnitt 3 beschrieben).

    5.1.3. Bereiche, in denen die Anstrengungen intensiviert werden könnten

    Die Verpflichtung könnte ferner beinhalten, daß sich die Mitgliedstaaten darauf verständigen, ihre nationalen Strategien in Bereichen zu intensivieren, die sie als besonders relevant für den nationalen Kontext ermittelt haben, z. B. Mindesteinkommensregelungen, allgemeine und berufliche Bildung, Infrastrukturen zur Verbesserung des sozialen Zusammenhalts, Zugang zu Dienstleistungen und Basis-Versorgungsleistungen, einschließlich Kinderbetreuung, Gesundheitsversorgung und IT-Zugangsstellen.

    5.1.4. Benchmarking und Bewertung

    Die Kommission sollte zusammen mit den Mitgliedstaaten Benchmarking- und Meldemechanismen zur Überwachung der erzielten Fortschritte entwickeln. Sie sollte jährlich entsprechend den gemeinsam mit den Mitgliedstaaten festgelegten Indikatoren Trends und Maßnahmen bewerten und vorbildliche Verfahren bestimmen, um danach dem Rat zu berichten. Die Ergebnisse können in schon vorhandene Strategien einbezogen werden, um die Eingliederung so in alle Bereiche einzubinden.

    5.2. Im Rahmen der neuen Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags zu verwendendes Instrumentarium

    5.2.1. Mehrjahresprogramm zur operationellen Unterstützung der Zusammenarbeit

    Nach Artikel 137 Absatz 2 letzter Unterabsatz des Vertrags kann der Rat gemäß dem Verfahren des Artikels 251 "Maßnahmen annehmen, die dazu bestimmt sind, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten durch Initiativen zu fördern, die die Verbesserung des Wissensstandes, die Entwicklung des Austausches von Informationen und bewährten Verfahren, die Förderung innovativer Ansätze und die Bewertung von Erfahrungen zum Ziel haben".

    Das im Rahmen dieses Artikels vorzuschlagende vorgesehene Mehrjahresprogramm sollte in der Praxis die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördern, um ihre Strategien stärker auf die Eingliederung auszurichten. Es sollte für diesen Politikbereich vorrangig sein.

    Um die Verwirklichung der obengenannten Verpflichtungen zu unterstützen, sollte das Programm die Förderung vorbildlicher Verfahren und politischer Maßnahmen zum Ziel haben.

    Aufgrund des bereichsübergreifenden, integrierten Charakters der sozialen Eingliederung müssen Gemeinschaftsmaßnahmen und Zusammenarbeit zur Entwicklung und Intensivierung der Verbindungen zwischen den relevanten Strategien und Akteuren - auf lokaler, nationaler und Gemeinschaftsebene - beitragen, um so deren Einfluß auf die soziale Eingliederung, sowohl insgesamt als auch in bezug auf bestimmte Aspekte zu verstärken (Situation der am meisten gefährdeten Menschen, geschlechtsspezifische Dimension der Ausgrenzung, Ausgrenzung aus dem Arbeitsmarkt usw.).

    Der zusätzliche Nutzen für die Gemeinschaft wird dadurch erzielt, daß die Bemühungen der Mitgliedstaaten unterstützt werden, und nicht, indem unmittelbar zusätzliche Mittel bereitgestellt werden. Das Programm wird sich auf vorhandenes Personal stützen und über ein begrenztes Budget verfügen (ungefähr vergleichbar mit dem Budget, das derzeit für einschlägige vorbereitende Maßnahmen zur Verfügung steht [13]). Es soll keine Projekte vor Ort mitfinanzieren, die mit der sozialen Ausgrenzung auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene befaßt sind: alle seine Aktivitäten müssen strategiebezogen sein und sich auf transnationale Austauschmaßnahmen konzentrieren; sie werden drei Hauptbereichen zugeordnet:

    [13] Im Jahr 2000: 11 Mio. EUR unter Haushaltslinie B3-4105 "Vorbereitende Maßnahmen zur Bekämpfung und Verhinderung von Ausgrenzung" plus 3,8 Mio. EUR im Rahmen von Haushaltslinie B3-4101 "Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden".

    - Förderung des Verständnisses der sozialen Ausgrenzung wie auch der strategischen Mechanismen zur sozialen Integration, einschließlich Indikatoren und Verfahren zur Erfassung von Erfolg/Mißerfolg sowie der Kosten der sozialen Ausgrenzung;

    - Ermittlung und Austausch bewährter Verfahren, um so politische Entscheidungsprozesse und Innovation zu erleichtern;

    - Förderung von politischem Dialog und politischer Diskussion.

    Innerhalb dieser Hauptbereiche ist besonders darauf zu achten, daß die neuen Formen der Ausgrenzung im Zusammenhang mit der entstehenden Wissensgesellschaft berücksichtigt werden.

    Ein solches Programm sollte auch die geschlechtsspezifische Dimension der Ausgrenzung stärker berücksichtigen.

    5.2.2. Rahmenbestimmungen zur Förderung der Eingliederung von Menschen, die aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt sind

    Die Zusammenarbeit bei der Eingliederung von Menschen, die aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt sind, ist auch im Rahmen einer anderen der in Amsterdam geänderten Vertragsbestimmungen vorgesehen. Absatz 1, vierter Spiegelstrich und Absatz 2, erster Unterabsatz des neuen Artikels 137 beinhalten die Förderung der Eingliederung von aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personen dadurch, daß auf Gemeinschaftsebene Mindestvorschriften erlassen werden.

    Eine Bekämpfung der Ausgrenzung aus dem Arbeitsmarkt setzt in erster Linie eine Synergie der Beschäftigungsstrategie, der ESF-Instrumente und der EU-Strategie zur Förderung der Modernisierung der Sozialschutzsysteme voraus.

    Die entsprechenden Anstrengungen können auf dem positiven Ergebnis der Empfehlung 92/441/EWG vom 24. Juni 1992 bezüglich einer Garantie von Zuwendungen, die ein Leben in menschlicher Würde ermöglichen, aufbauen. Dabei könnte geprüft werden, wie man die sich abzeichnenden Grundsätze einer für Bezieher von Mindesteinkommen sowohl durchführbaren als auch attraktiven Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Gemeinschaftsebene in einen Rahmen von Mindestvorschriften für die Integration einpassen könnte. Die Grundsätze eines solchen Instrumentariums wären von bewährten Verfahren in den Mitgliedstaaten abzuleiten. Entscheidend könnte hierbei sein: die Notwendigkeit eines umfassenden und integrierten Konzeptes für die soziale Ausgrenzung; die Notwendigkeit von partnerschaftlichen Ansätzen wie auch der entsprechenden Koordinierungsmaßnahmen und -strukturen; und Wege zur Integration, die Einkommenszuschüsse, aktive Arbeitsmarkt politiken und sonstige verwandte Unterstützungsmaßnahmen kombinieren, einschließlich allgemeine und berufliche Bildung sowie Bereitstellung von Dienstleistungen und Unterstützung, die erforderlich sind, um den Zugang zur Wissensgesellschaft zu verbessern.

    ANHANG - STATISTISCHER VERMERK

    1. Messung von sozialer Ausgrenzung und Armut: Statistiken und Indikatoren

    Im Anschluß an die Empfehlungen einer EU-Task-Force "Statistik der sozialen Ausgrenzung und der Armut" im Jahr 1998 hat EUROSTAT in Zusammenarbeit mit den nationalen statistischen Ämtern in den Mitgliedstaaten seine Anstrengungen zur Verbesserung der statistischen Daten über soziale Ausgrenzung und Einkommensarmut auf EU-Ebene intensiviert. Seither wurden mehrere Ausgaben von "Statistik kurzgefaßt" veröffentlicht [14]. Demnächst sollen mehrere weitere Ausgaben und Berichte herauskommen, die sich u. a. auf die Dynamik und die Multidimensionalität von Armut und sozialer Ausgrenzung konzentrieren. Wenn nicht anders angegeben, sind die unten aufgeführten Tabellen und Daten diesen Veröffentlichungen entnommen.

    [14] Statistik kurzgefaßt 1998/6 "Niedrige Einkommen und niedrige Löhne auf Haushaltsebene (EU-12)"; 1998/11 "Untersuchung der Einkommensverteilung in 13 EU-Mitgliedstaaten"; 1999/13 "Sozialleistungen und ihre Umverteilungseffekte"; 2000/1 "Soziale Ausgrenzung in den EU-Mitgliedstaaten"

    2. Ausmaß der Einkommensarmut

    TGRAPH

    Das unten stehende Schaubild verdeutlicht den prozentualen Anteil der Bevölkerung, der unter der Schwelle für niedriges Einkommen liegt [15], in jedem Land sowie den entsprechenden monetären Wert in KKS (Kaufkraftstandards) für die Einkommensgrenze und die Gini-Koeffizienten. Die Gini-Koeffizienten dienen als allgemeiner Hinweis auf die Disparitäten in der Einkommensverteilung der einzelnen Mitgliedstaaten.

    [15] Die Schwelle für niedriges Einkommen liegt bei 60 % des medianen äquivalisierten Einkommens pro Person in jedem Mitgliedstaat. Das mediane Einkommen ist insofern ein robuster Wert, als er von den Extremwerten der Einkommensverteilung nicht berührt und durch Stichprobenfluktuation kaum beeinflußt wird. Der Medianwert beschreibt den mittleren Bereich einer Verteilung. Weil soziale Ausgrenzung einen Abstand vom Standardeinkommensniveau bedeutet, kann er als geeigneter Wert betrachtet werden. Der Schnitt bei 60 % wurde als Hauptbezugspunkt unter weiteren für derartige Analysen von EUROSTAT benutzten Punkten gewählt.

    Die Zahlen zeigen, daß in der EU 18 % der Bevölkerung oder etwa 65 Millionen Menschen [16],in Haushalten mit niedrigem Einkommen leben. Luxemburg verfügt über die höchste Schwelle für niedriges Einkommen, 14 % seiner Bevölkerung leben unterhalb dieser Grenze. Die Einkommensgrenze für niedrige Einkommen in Portugal beträgt nur ein Drittel des Schwellenwerts in Luxemburg, ein Viertel der portugiesischen Bevölkerung lebt unterhalb dieser Grenze. Neben diesen Extrempositionen lassen sich die übrigen Mitgliedstaaten in zwei Gruppen unterteilen. Eine Gruppe (B, DK, D, F, NL, A, UK) hat Schwellen für niedriges Einkommen bei etwa 7 000 KKS und Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Einkommen, die etwa dem EU-Durchschnitt entsprechen (16-18 %), mit Ausnahme von DK und NL, wo die Disparitäten bei den Einkommensverteilungen am geringsten sind und die Bevölkerung mit niedrigem Einkommen nur etwa 10 % ausmacht. Eine zweite Gruppe (EL, E, IRL, I) hat Schwellen für niedriges Einkommen bei etwa 5 000 KKS, wobei etwa 20 % der Bevölkerung unter diesem Grenzwert leben.

    [16] Die Zahl von 65 Millionen ist extrapoliert und ein ungefährer Hinweis auf die Bevölkerung mit niedrigem Einkommen für EU-15, basierend auf dem entsprechenden Wert von 18 % in EU-13 (370 Millionen x 0,18 = 66,6 Millionen).

    3. Dauer: Kurzfristige/längerfristige Einkommensarmut

    Die relativ beständigen Zahlen von Armen, die im allgemeinen in Trendstudien festgestellt werden, verbergen bemerkenswerte Bewegungen hin zur Armut und weg von der Armut.

    Eine Untersuchung der OECD [17] über die Armutsdynamik in vier OECD-Ländern, einschließlich Deutschland und UK, kam zu dem Schluß, daß zwischen 20 und knapp 40 % der Bevölkerung während eines Zeitraums von sechs Jahren von Armut betroffen sind, ein wesentlich größerer Anteil, als die statischen Armutsquoten hätten vermuten lassen. Innerhalb dieser Gruppe sind die meisten jedoch nur von kurzen Armutsabschnitten betroffen. Mit anhaltender Armut nimmt die Chance, diese Gruppe zu verlassen, erheblich ab, so daß eine kleine Bevölkerungsgruppe lange Zeit arm bleibt, wobei anscheinend wenig Aussicht besteht, die Gruppe wieder zu verlassen. Die Studie stellte außerdem fest, daß der Anteil der Menschen, die sechs oder mehr Jahre lang arm waren, im Schnitt 2 bis 6 % der Bevölkerung ausmacht.

    [17] Poverty dynamics in four OECD countries, OECD, Paris (1998), Ref ECO/CPE/WP1(98)13.

    Auch wenn es wenig zuverlässige Zahlen gibt, zeigt ein Datenvergleich für einige europäische Länder (basierend auf 50 % des medianen standardisierten Einkommens), daß im Zeitraum 1990-1995 ein Anteil von 82 bis 83 % der deutschen und der niederländischen Bevölkerung nie Armut erlebte, während dies im UK nur für 69 % der Bevölkerung zutraf. Während die meisten Armen in Deutschland und den Niederlanden sich nur kurze Zeit in einer Armutssituation befanden, scheint die Armut im UK länger anzuhalten; hier ist der Anteil derjenigen, die von anhaltender Armut betroffen sind, 2,5 mal so hoch. Auch die Wahrscheinlichkeit, nach einem langen Armutszeitraum arm zu bleiben, ist höher (31 % im Vergleich zu 25-26 % in Deutschland und den Niederlanden) [18].

    [18] Nachweisvergleich zur Dynamik der Armut in Belgien siehe Fouarge & Dirven (1995; Vergleich mit den Niederlanden und Deutschland) und Dirven & Fouarge (1998; Vergleich mit den Niederlanden). Eine eingehendere Untersuchung der Lage in den Niederlanden ist Muffels & Fouarge zu entnehmen (1997); cf. MUFFELS R. & D. FOUARGE (1998). Welfare dynamics in three typical welfare states. Paper for the TSER panel working group, June 1998.

    Neuere Untersuchungen in Frankreich und Deutschland [19], die die langfristige Abhängigkeit von Sozialhilfe als Ersatzgröße für die Dauer der Armut heranzogen, bestätigten das Vorhandensein von anhaltender Armut. Während ein Viertel bis ein Drittel der Sozialhilfeempfänger normalerweise nach 12 Monaten wieder auf Sozialhilfeleistungen verzichten konnten, hingen nach 5 Jahren in Frankreich noch ungefähr ein Fünftel der Bezieher von den Leistungen ab, in Deutschland 6 %.

    [19] Quellen: Frankreich: CNAF (Caisse Nationale des Allocations Familiales), Paris, 1999; Deutschland: "Long-term recipiency of social assistance in Germany: the eighties versus the nineties", in H-J Andres, Empirical Poverty Research in a Comparative Perspective, Ashgate, 1998.

    Die Schwierigkeiten, denen sich längerfristig Arme gegenübersehen, die aus ihrer Situation als Bezieher eines niedrigen Einkommens herausgelangen möchten, wurden auch durch eine neue Untersuchung in den Niederlanden bestätigt [20], die sich auf Daten der nationalen "Poverty Monitor"-Berichte zur Überwachung der Armut aus den Jahren 1993 bis 1997 stützt. Die Studie fand heraus, daß während eines Zeitraums von neun Jahren etwa 22 % der Haushalte Zeiten mit niedrigem Einkommen erleben, davon 10 % periodisch und 30 % die meiste Zeit oder ständig. Außerdem liegt während eines Zeitraums von vier aufeinanderfolgenden Jahren das Durchschnittseinkommen von 80 % der Haushalte mit niedrigem Einkommen in jedem beliebigen Jahr unter der Armutsschwelle, was zeigt, daß Zeiträume außerhalb der Einkommensarmut die Zeiträume mit niedrigen Einkommen nicht kompensieren können. Anders ausgedrückt, diejenigen, die der Armut entkommen, erzielen im allgemeinen keinen großen Gewinn.

    [20] Duration of poverty (Dauer der Armut), Evert Pommer in "Oud en nieuw 1999-2000", Sociaal en Cultureel Planbureau, Den Haag (2000).

    4. Verbindung zwischen niedrigem Einkommen, Arbeit und Lohn

    Die untenstehende Tabelle bestätigt, daß das Armutsrisiko am höchsten bei den "Arbeitslosen" (fast zwei Drittel) und den "sonstigen Nichterwerbspersonen" (mehr als die Hälfte) ist.

    Jedoch leben 12 % der Erwerbstätigen in Armut (Armut bei Arbeit). Daß ein Teil der Angehörigen des Haushalts über Arbeit verfügt, reicht nicht immer aus, um der Einkommensarmut zu entgehen. Das Risiko eines niedrigen Einkommens ist zwar für Personen in Haushalten ohne Einkommen aus Erwerbstätigkeit am höchsten, erwerbstätige Haushalte stellen jedoch noch immer einen großen Anteil der Personen mit niedrigem Einkommen. EUROSTAT hat ermittelt, daß in der EU als Ganzes 53 % der Personen mit niedrigem Einkommen in Haushalten mit teilweisen Beschäftigungsmöglichkeiten leben.

    Ein wichtiger Grund hierfür ist, daß Arbeitnehmer in Haushalten mit niedrigem Einkommen häufig Arbeitsplätze mit geringer Bezahlung haben. Nach den Angaben von EUROSTAT üben etwa zwei Drittel der Vollzeitbeschäftigten, die in der EU in Haushalten mit niedrigem Einkommen leben, solche gering bezahlten Tätigkeiten aus, während weniger als ein Sechstel der Vollzeitbeschäftigten in Haushalten mit höherem Einkommen niedrige Löhne beziehen.

    Die untenstehenden Zahlen verdeutlichen auch, daß mehr als die Hälfte der Personen mit niedrigem Einkommen entweder erwerbstätig (28 %) oder im Ruhestand (24 %) ist.

    >PLATZ FÜR EINE TABELLE>

    (Quelle: EUROSTAT, ECHP 1994, EU 13)

    5. Soziale Ausgrenzung und Armut: Bedarf an multidimensionalen Längsschnittdaten und Indikatoren

    Soziale Ausgrenzung ist ein multidimensionales Phänomen, und dies muß bei der Entwicklung von Indikatoren berücksichtigt werden. Die soziale Ausgrenzung ist mehr als nur ein niedriges Einkommen. Sie steht mit dem Beschäftigungsstatus und mit einer Reihe von Indikatoren in Verbindung, die sich beziehen auf die zur Verfügung stehenden Mittel (z. B. Bildungsniveau, Besitz einer Unterkunft oder eines Wagens), auf Wahrnehmungen (z. B. Schwierigkeiten, mit dem Geld auszukommen, keine Möglichkeit, sich eine Woche Jahresurlaub zu leisten) und Zufriedenheit (z. B. Zufriedenheit mit Arbeitsplatz, Bildung, Gesundheit, Wohnung und Lebensumfeld), die alle entscheidend für Lebensstandard und Lebensqualität eines Menschen sind. Soziale Ausgrenzung und Armut stellt auch ein dynamisches Phänomen dar. Die Bedürfnisse und die Situation der Menschen ändern sich im Zeitverlauf, und zwar auch infolge entsprechender Strategien. Stärker eingliederungsorientierten Strategien sollte eine dauerhafte Wiedereingliederung der Menschen gelingen. Dies setzt ein dynamisches Verständnis ihrer Situation voraus. Es sind mehr Daten und Untersuchungen erforderlich, die sowohl ein multidimensionales als auch ein dynamisches (Längsschnitt-) Verständnis von sozialer Ausgrenzung und Armut vermitteln. Dies ist ein Gebiet, auf dem die Zusammenarbeit auf Gemeinschaftsebene sehr hilfreich sein kann und auch weiterentwickelt wird. Damit wird auch die Bedeutung vergleichbarer statistischer Daten auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene (z. B. Haushaltspanel der Europäischen Gemeinschaft) hervorgehoben, die es ermöglichen, beide Aspekte zu untersuchen.

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