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Document 32007D0493

2007/493/EG: Entscheidung der Kommission vom 7. Februar 2007 über die von Italien beabsichtigte Beihilferegelung nach Artikel 60 des Gesetzes Nr. 17/2004 der Region Sizilien C 34/2005 (ex N 113/2005) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2007) 284) (Text von Bedeutung für den EWR)

ABl. L 183 vom 13.7.2007, p. 41–45 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2007/493/oj

13.7.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 183/41


ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

vom 7. Februar 2007

über die von Italien beabsichtigte Beihilferegelung nach Artikel 60 des Gesetzes Nr. 17/2004 der Region Sizilien C 34/2005 (ex N 113/2005)

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2007) 284)

(Nur der italienische Text ist verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2007/493/EG)

DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 1,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Stellungnahme gemäß den vorgenannten Bestimmungen (1) und unter Berücksichtigung dieser Stellungnahmen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I.   VERFAHREN

(1)

Mit Schreiben vom 9. März 2005 meldeten die italienischen Behörden bei der Kommission gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag eine Beihilferegelung an, die sich auf Artikel 60 des Regionalgesetzes Nr. 17/2004 mit Planungs- und Finanzbestimmungen für das Jahr 2005 („legge regionale n. 17/2004 — Disposizioni programmatiche e finanziarie per l’anno 2005“) stützt.

(2)

Mit Schreiben vom 29. März 2005 und 10. Juni 2005 ersuchte die Kommission um ergänzende Informationen zu der angemeldeten Maßnahme.

(3)

Die italienischen Behörden antworteten mit Schreiben vom 18. Mai 2005 (nach einem Erinnerungsschreiben der Kommission vom 27. April 2005) sowie mit Schreiben vom 12. Juli 2005 und 14. Juli 2005.

(4)

Mit Schreiben vom 21. September 2005 setzte die Kommission Italien von ihrer Entscheidung in Kenntnis, wegen dieser Maßnahme das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten.

(5)

Die Entscheidung der Kommission über die Einleitung des Verfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Union  (2) veröffentlicht. Darin wurden die Beteiligten von der Kommission zur Stellungnahme aufgefordert.

(6)

Bei der Kommission gingen jedoch keine Stellungnahmen von Beteiligten ein.

(7)

Mit Schreiben vom 10. November 2005, das bei der Kommission am 15. November 2005 registriert wurde, ersuchten die italienischen Behörden die Kommission, das Verfahren bis zum Erlass des Urteils des Gerichtshofes in der folgenden Rechtssache auszusetzen: C-475/2003 betreffend die Vereinbarkeit der regionalen Steuer auf Produktionstätigkeiten („imposta regionale sulle attività produttive“, im Folgenden IRAP) mit Artikel 33 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (3). Dieses Ersuchen wurde nach einer Anfrage vom 11. Juli 2006 mit Schreiben vom 2. August 2006 bestätigt. Am 3. Oktober 2006 erklärte der Gerichtshof die IRAP als mit Artikel 33 Absatz 1 der Richtlinie 77/388/EWG vereinbar (4).

(8)

Mit Schreiben vom 8. Mai 2006, das bei der Kommission am 11. Mai 2006 registriert wurde, setzten die italienischen Behörden die Kommission von einer Änderung des Artikels 60 des Regionalgesetzes Nr. 17/2004 in Kenntnis und gaben an, dass die in Rede stehende Maßnahme nicht nur bis zur Genehmigung durch die Kommission, sondern auch „im Falle einer Negativentscheidung der Kommission“ der Verordnung (EG) Nr. 69/2001 der Kommission vom 12. Januar 2001 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf „De-minimis“-Beihilfen (5) unterliegt.

II.   BESCHREIBUNG DER MASSNAHME

II.1.   Ziel der Maßnahme

(9)

Nach Angaben der italienischen Behörden zielt die Maßnahme darauf ab, die Gründung neuer Unternehmen zu fördern und das Gefälle zwischen den außerhalb Siziliens tätigen Unternehmen und den Unternehmen mit Sitz in Sizilien zu verringern, wo im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist bzw. eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht.

(10)

Durch die Maßnahme sollen ferner die Sicherheitsstandards und die Kriminalitätsbekämpfung und damit letztlich das Investitionsklima verbessert werden.

II.2.   Rechtsgrundlage der Maßnahme

(11)

Gemäß Artikel 60 Absatz 1 des Regionalgesetzes Nr. 17/2004 soll der IRAP-Satz für Genossenschaften (genauer gesagt für so genannte „società cooperative a mutualità prevalente“) im Sinne des italienischen Zivilgesetzbuches (6) im Jahr 2005 um 1 % gesenkt werden, im Jahr 2006 um 0,75 % und im Jahr 2007 um 0,5 %.

(12)

Mit Artikel 60 Absatz 2 des Regionalgesetzes Nr. 17/2004 wird diese Regelung auf private Sicherheitsdienste im Sinne des Königlichen Dekrets Nr. 773 vom 18. Juni 1931 ausgeweitet, in dem die Bedingungen festgelegt sind, unter denen Einrichtungen und Privatleute vom Präfekten dazu ermächtigt werden können, Wach- und Sicherheitsdienste für bewegliche und nicht bewegliche Sachen zu erbringen sowie private Untersuchungen durchzuführen (7).

(13)

Die Senkung des IRAP-Satzes wurde von den sizilianischen Regionalbehörden aufgrund der Änderungsbefugnisse beschlossen, über die alle italienischen Regionen gemäß dem einschlägigen gesamtstaatlichen Dekret (8) verfügen.

II.3.   Mittelausstattung der Maßnahme

(14)

Nach Schätzung der italienischen Behörden werden sich die Auswirkungen von Artikel 60 auf den Haushalt für den gesamten Zeitraum von 2005 bis 2007 auf etwa 2 Mio. EUR belaufen.

II.4.   Kumulierung

(15)

Die Beihilfen im Rahmen der in Rede stehenden Regelung dürfen nicht mit Beihilfen aus anderen lokalen, regionalen, nationalen oder EG-Regelungen zur Deckung derselben förderbaren Kosten kumuliert werden.

II.5.   Dauer der Maßnahme

(16)

Das Regionalgesetz Nr. 17/2004 ist am 29. Dezember 2004 in Kraft getreten, allerdings unterliegt die Maßnahme gemäß Artikel 60 bis zur Genehmigung durch die Europäische Kommission der vorgenannten De-minimis-Verordnung. Mit Schreiben vom 16. Mai 2006 teilten die italienischen Behörden mit, dass dies auch im Falle einer Negativentscheidung der Kommission der Fall ist.

(17)

Die Regelung gilt für die drei Steuerjahre von 2005 bis 2007.

III.   GRÜNDE FÜR DIE EINLEITUNG DES VERFAHRENS

(18)

Mit Schreiben vom 21. September 2005 vertrat die Kommission die Auffassung, dass es sich bei der angemeldeten Maßnahme um eine Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag handelt, da sie zu Lasten staatlicher Mittel geht, sich an bestimmte Produktionszweige und/oder bestimmte Kategorien von Unternehmen richtet und damit selektiv ist, diesen Unternehmen im Vergleich zu anderen Unternehmen, die die gleichen Dienstleistungen erbringen, einen Vorteil verschafft sowie geeignet ist, den Wettbewerb zu verfälschen und den Handel auf Gemeinschaftsebene zu beeinträchtigen.

(19)

Das Verfahren wurde unter anderem deswegen eingeleitet, weil die Kommission nicht ausschließen konnte, dass die Auswirkungen der Maßnahme auf den innergemeinschaftlichen Handel dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufen, wobei auch der Tatsache Rechnung getragen wurde, dass die Empfänger im Rahmen der Regelung nicht verpflichtet sind, entsprechende Verzerrungen auszugleichen.

(20)

Die Kommission bezweifelte zudem, dass die angemeldete Maßnahme mit den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (9) (im Folgenden „Leitlinien“) im Einklang steht. Denn gemäß der Anmeldung würden sizilianische Genossenschaften und Sicherheitsdienste im Rahmen der Maßnahme Betriebsbeihilfen erhalten.

(21)

Gemäß Randziffer 4.15 der Leitlinien können Betriebsbeihilfen jedoch nur gewährt werden, wenn sie aufgrund ihres Beitrags zur Regionalentwicklung und ihrer Art nach gerechtfertigt sind und ihre Höhe den auszugleichenden Nachteilen angemessen ist. Diesbezüglich bezweifelte die Kommission, dass die italienischen Behörden in der Lage waren, die Existenz und den Umfang solcher Nachteile nachzuweisen und damit die Gewährung der Betriebsbeihilfen zu rechtfertigen.

(22)

Die Kommission äußerte Zweifel daran, dass sich die Betriebsbeihilfen nach Artikel 60 Absatz 1 des Regionalgesetzes Nr. 17/2004 mit der Begründung rechtfertigen lassen, dass sie zur Gründung neuer Unternehmen und zur Verringerung des Gefälles zwischen in Sizilien angesiedelten Unternehmen und in anderen Regionen Italiens tätigen Unternehmen beitragen. Diesbezüglich stellte die Kommission fest, dass der Zusammenhang zwischen der Senkung der IRAP für alle Genossenschaften und der Gründung neuer Unternehmen in Sizilien nicht klar ist; die italienischen Behörden übermittelten diesbezüglich keinerlei Erläuterungen.

(23)

In der Anmeldung machten die italienischen Behörden geltend, die in Sizilien angesiedelten Unternehmen seien strukturell benachteiligt, da es sich bei Sizilien um eine Insel in äußerster Randlage handele, die weit von den „Wirtschaftszentren des Kontinents“ entfernt sei. Dazu merkte die Kommission an, dass zu den Gebieten in äußerster Randlage nur diejenigen Gebiete zählen, die in der erschöpfenden Liste in der Erklärung Nr. 26 zu den Gebieten in äußerster Randlage der Gemeinschaft im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union (10) aufgeführt sind. Zudem scheinen die Beihilfen nicht geeignet, den Problemen zu begegnen, die sich aus der Insellage von Sizilien ergeben, denn sie stehen in keinerlei Zusammenhang mit den sich aus der Insellage ergebenden Mehrkosten zum Beispiel im Bereich der Beförderung.

(24)

Ferner machten die italienischen Behörden geltend, in Sizilien gebe es überwiegend Kleinstunternehmen, so dass Finanzierungskosten und Arbeitsintensität höher seien. Da die IRAP-Bemessungsgrundlage in entscheidendem Maße von den Arbeits- und den Finanzierungskosten bestimmt werde, würden die sizilianischen Unternehmen benachteiligt. Dazu merkte die Kommission Folgendes an: Sollten die wirtschaftlichen Probleme Siziliens tatsächlich auf die zahlreichen Kleinstunternehmen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen zurückzuführen sein, bietet eine Senkung der IRAP für alle Genossenschaft gleich welcher Größe keine Lösung, da sie nicht nur gezielt Kleinstunternehmen zugute kommt. Genauso wenig dürften die Beihilfen nur Kleinstunternehmen in Form von Genossenschaften gewährt werden.

(25)

Ferner unterstrich die Kommission, dass sich die von den italienischen Behörden geltend gemachten Unterschiede bei den tatsächlichen Steuersätzen bei allen Steuern beobachten lassen und sich aus deren Natur ergeben. Dies ist jedoch kein ausreichender Grund, um bestimmten Kategorien von Unternehmen staatliche Beihilfen zu gewähren; im vorliegenden Fall haben die italienischen Behörden keine konkreten Beweise dafür vorgelegt, dass die Genossenschaften durch hohe tatsächliche IRAP-Sätze über Gebühr benachteiligt sind.

(26)

Darüber hinaus hat die Kommission Zweifel an der Aussagekraft der Daten, die die italienischen Behörden herangezogen haben, um nachzuweisen, dass ein „normales“ sizilianisches Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 10 Mio. EUR und weniger als 10 Beschäftigten, das im industriellen Sektor (mit Ausnahme des chemisches und petrochemisches Sektors), in der Informationstechnologie bzw. im Tourismus-/Beherbergungssektor tätig ist, mehr IRAP entrichtet als ein „normales“ Unternehmen in der Lombardei mit vergleichbaren Merkmalen. Da die in Artikel 60 Absatz 1 des Regionalgesetzes Nr. 17/2004 vorgesehenen Beihilfen für Genossenschaften beliebiger Größe in beliebigen Wirtschaftssektoren bestimmt sind, erscheint die Verwendung von Daten, die sich ausschließlich auf Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 10 Mio. EUR und weniger als 10 Beschäftigten im industriellen Sektor (mit Ausnahme des chemischen und petrochemischen Sektors) beziehen, nicht geeignet, um die Angemessenheit der in Rede stehenden Maßnahme nachzuweisen.

(27)

Zweifel bestanden auch hinsichtlich der Informationen, die die italienischen Behörden übermittelt hatten, um die Vereinbarkeit der in Artikel 60 Absatz 2 des Regionalgesetzes Nr. 17/2004 vorgesehenen Betriebsbeihilfen mit dem Gemeinsamen Markt nachzuweisen.

(28)

In der Anmeldung machten die italienischen Behörden geltend, dass Artikel 60 Absatz 2 des Regionalgesetzes Nr. 17/2004 zur Verbesserung der Sicherheitsstandards und der Verbrechensbekämpfung und damit des Investitionsklimas beitragen würde. Die italienischen Behörden hoben hervor, dass die durchschnittliche sizilianische Sicherheitsfirma mehr IRAP entrichtet als ein entsprechendes durchschnittliches Unternehmen in anderen Regionen Italiens, weil entweder das Verhältnis zwischen Arbeitskosten und Nettoproduktionswert bei den sizilianischen Sicherheitsfirmen im Schnitt höher sei als bei Unternehmen in anderen Regionen Italiens oder weil der Arbeitsmarkt in Sizilien rigide und durch eine geringe Beschäftigtenfluktuation gekennzeichnet sei.

(29)

Dazu merkt die Kommission an, dass die italienischen Behörden den Zusammenhang zwischen Artikel 60 Absatz 2 des Regionalgesetzes Nr. 17/2004 und der Verbesserung des Investitionsklimas in Sizilien durch die Anhebung der Sicherheitsstandards sowie die Gründe für die höheren Kosten der sizilianischen Sicherheitsfirmen im Vergleich zu Firmen in anderen Regionen Italiens nicht ausreichend erläutert haben. Der sizilianische Arbeitsmarkt scheint im Vergleich zum Arbeitsmarkt in anderen Regionen keine Merkmale aufzuweisen, die höhere Löhne in diesem Sektor rechtfertigen könnten.

(30)

Zudem bezweifelt die Kommission, dass die Argumente der italienischen Behörden zu berücksichtigen sind, denen zufolge der Präfekt die Dienstleistungspreise im betreffenden Sektor regulieren könne (Stichwort „tariffe di legalità“) und die Professionalität der Beschäftigten im Sektor vergütet werden müsse. Die Kommission stellt fest, dass mit diesen Argumenten nicht erläutert wird, wie sich die entsprechenden Unterschiede bei diesen Dienstleistungspreisen auf die Arbeitskosten in Sizilien auswirken.

(31)

Die Kommission erklärte daher, dass sie eine eingehendere Prüfung der Frage für notwendig hielt, bei der auch etwaige Stellungnahmen von Beteiligten zu berücksichtigen seien. Erst nach Prüfung der Stellungnahmen der Beteiligten könne die Kommission entscheiden, ob die von den italienischen Behörden geplante Maßnahme die Handelsbedingungen in einer Weise beeinträchtigt, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.

IV.   STELLUNGNAHMEN ITALIENS

(32)

Es gingen keine Stellungnahmen von den italienischen Behörden oder von Beteiligten ein, mit denen die bei der Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens zum Ausdruck gebrachten Zweifel ausgeräumt worden wären.

V.   WÜRDIGUNG DER MASSNAHME

V.1.   Rechtmäßigkeit

(33)

Die italienischen Behörden haben die Beihilferegelung mit einer Suspensivklausel angemeldet und sie bis zur Genehmigung durch die Kommission auf der Grundlage der De-minimis-Verordnung in Kraft gesetzt, so dass sie die verfahrensrechtlichen Bestimmungen nach Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag eingehalten haben.

V.2.   Beihilfecharakter der Maßnahme

(34)

Nach Auffassung der Kommission handelt es sich bei dieser Maßnahme um eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag.

V.2.1.   Verwendung staatlicher Mittel

(35)

Die Maßnahme beinhaltet insofern die Verwendung staatlicher Mittel, als die Region Sizilien auf Steuereinnahmen in Höhe der Steuersenkung zugunsten des Empfängers verzichtet.

V.2.2.   Wirtschaftlicher Vorteil

(36)

Durch die Maßnahme wird dem Empfänger ein wirtschaftlicher Vorteil in Form einer Senkung der tatsächlichen Steuerlast und dadurch ein finanzieller Vorteil verschafft, der in der Verringerung der zu entrichtenden Steuern besteht und der den Unternehmen in den Steuerjahren, in denen die Steuersenkung gewährt wird, unmittelbar zugutekommt.

V.2.3.   Selektivität durch Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige

(37)

Gemäß dem gesamtstaatlichen IRAP-Dekret dürfen die Regionen den IRAP-Regelsteuersatz von 4,25 % um bis zu einem Prozentpunkt herauf- bzw. herabsetzen; dieses Gesetz trägt somit für ein symmetrisch angewandtes Steuersystem Sorge, in dem alle Regionen rechtlich und faktisch befugt sind, die Steuer zu erhöhen oder zu senken, und beinhaltet an sich keine staatlichen Beihilfen.

(38)

Die Kommission hat in der Vergangenheit festgestellt (11), dass diese begrenzten Befugnisse zur Anpassung des Steuersatzes von Natur aus symmetrisch sind, sofern die einzelnen Regionen im Rahmen ihres Ermessensspielraums ihre Befugnisse nicht dazu nutzen können, unterschiedliche Steuersätze je Sektor und Steuerpflichtigem anzuwenden, und dass es sich dabei nicht um staatliche Beihilfen handelt. Diese Schlussfolgerung wird durch das Urteil in der Rechtssache C-88/2003 („Azzorre“) nicht berührt (12).

(39)

Im angemeldeten Fall hat die Region Sizilien sich nicht darauf beschränkt, von ihrem Ermessenspielraum im Rahmen des gesamtstaatlichen Dekrets Gebrauch zu machen, sondern hat ihre Befugnisse dazu genutzt, nach Sektoren und Steuerpflichtigen gestaffelte Steuersätze anzuwenden, die niedriger sind als der geltende regionale Regelsteuersatz. Diesbezüglich ist Folgendes festzustellen:

a)

Artikel 60 Absatz 1 des Regionalgesetzes Nr. 17/2004 verschafft lediglich sizilianischen Genossenschaften einen Vorteil, während sizilianische Unternehmen, die in beliebigen Wirtschaftszweigen tätig und nicht als Genossenschaft organisiert sind, aus dem Kreis der möglichen Empfänger ausgeschlossen sind.

b)

Mit Artikel 60 Absatz 2 des Regionalgesetzes Nr. 17/2004 wird insofern ein Vorteil verschafft, als die Erbringung von Sicherheitsdiensten als wirtschaftliche Tätigkeit begünstigt wird. Ferner erbringen die Sicherheitsdienste folgende Dienstleistungen: i) vorübergehende Aufbewahrung von Wertsachen, Beförderung und Begleitung von Personen und Gütern; ii) Eigentumsschutz; iii) Verwaltung spezieller Archive; iv) Herstellung von Sicherheitsgeräten und -anlagen. Nach Ansicht der Kommission können diese Dienstleistungen zum Teil von Unternehmen erbracht werden, bei denen es sich nicht um private Sicherheitsdienste im Sinne der einschlägigen Rechtsvorschriften (Königliches Dekret Nr. 773/1931) handelt.

V.2.4.   Verfälschung des Wettbewerbs

(40)

Nach gängiger Rechtsprechung (13) verfälscht eine Maßnahme schon dann den Wettbewerb, wenn der Empfänger auf dem Wettbewerb unterliegenden Märkten mit anderen Unternehmen in Wettbewerb steht.

(41)

Die Kommission stellt fest, dass die unter Artikel 60 Absätze 1 und 2 des Regionalgesetzes Nr. 17/2004 vorgesehenen Maßnahmen offensichtlich den Wettbewerb verfälschen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen, da sie die Empfänger von einer Verpflichtung befreien, der sie ansonsten nachkommen müssten.

(42)

Nach den Angaben der italienischen Behörden handelt es sich bei den Empfängern um Genossenschaften (Artikel 60 Absatz 1 des Regionalgesetzes Nr. 17/2004) jeder Größe, die in beliebigen Wirtschaftszweigen tätig sind. Da die Genossenschaften auf einem dem Wettbewerb unterliegenden Markt mit anderen Unternehmen im Wettbewerb stehen, ist Artikel 60 Absatz 1 des Regionalgesetzes Nr. 17/2004 gemäß der ständigen Rechtsprechung geeignet, den Wettbewerb zu verfälschen und den Handel zu beeinträchtigen. Sinngemäß stellt die Kommission auch fest, dass die in Artikel 60 Absatz 2 des Regionalgesetzes Nr. 17/2004 vorgesehene Maßnahme den Wettbewerb verfälscht und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt.

(43)

Aufgrund der vorstehenden Feststellungen kommt die Kommission zu dem Schluss, dass es sich bei der geplanten Regelung um eine staatliche Beihilfe handelt.

V.3.   Vereinbarkeit

(44)

Da es sich bei der Maßnahme um eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag handelt, ist zu prüfen, ob sie gemäß den Ausnahmen bzw. Freistellungen nach Artikel 87 Absätze 2 und 3 EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist. Die Ausnahmen nach Artikel 87 Absatz 2 EG-Vertrag (sie betreffen Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher, Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind, sowie Beihilfen für bestimmte Gebiete der Bundesrepublik Deutschland) sind auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Genauso wenig kann die Maßnahme als wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse oder als Beihilfe zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Italiens gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe b EG-Vertrag angesehen werden. Die Maßnahme kann auch nicht gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag freigestellt werden, dem zufolge Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete zulässig sind, sofern sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Schließlich dient sie auch nicht der Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes im Einklang mit Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe d EG-Vertrag.

(45)

Gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag sind Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten zulässig, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht. Bei Sizilien handelt es sich um eine Region, die grundsätzlich für diese Freistellung in Frage kommt.

(46)

In der Entscheidung über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens legte die Kommission die unter Randnummern 18—31 dieser Entscheidung zusammengefassten Gründe dar, aus denen sie dennoch Zweifel daran hatte, dass die Maßnahme gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag freigestellt werden kann. Da weder die italienischen Behörden noch sonstige Beteiligte Stellungnahmen abgegeben haben, kann die Kommission nur feststellen, dass sich diese Zweifel bestätigt haben.

VI.   SCHLUSSFOLGERUNG

(47)

Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass die von Italien angemeldete Maßnahme, die unter den Randnummern 11—17 beschrieben ist, nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist und dass keine der im EG-Vertrag vorgesehenen Ausnahmen und Freistellungen auf sie anwendbar ist, so dass sie zu untersagen ist. Nach Angaben der italienischen Behörden wurden die Beihilfen nicht gewährt, so dass sich eine Rückforderung erübrigt —

HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Bei der Beihilferegelung, die Italien gemäß Artikel 60 des Regionalgesetzes Nr. 17/2004 einführen will, handelt es sich um eine staatliche Beihilfe.

Die unter Absatz 1 genannte Beihilfe ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und darf nicht gewährt werden.

Artikel 2

Italien teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die ergriffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen.

Artikel 3

Diese Entscheidung ist an die Italienische Republik gerichtet.

Brüssel, den 7. Februar 2007

Für die Kommission

Neelie KROES

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. C 82 vom 5.4.2006, S. 71.

(2)  Siehe Fußnote 1.

(3)  ABl. L 145 vom 13.6.1977, S. 1.

(4)  Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 3. Oktober 2006, Banca popolare di Cremona Soc.coop.arl gegen Agenzia Entrate Ufficio Cremona, Rechtssache C-475, Slg. 2006, I-9373.

(5)  ABl. L 10 vom 13.1.2001, S. 30.

(6)  Buch V Titel VI des Zivilgesetzbuches. Geändert durch Artikel 8 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 6/2003 vom 17. Januar 2003.

(7)  Titel IV des Königlichen Dekrets Nr. 773 vom 18. Juni 1931 einschließlich nachfolgender Änderungen und Ergänzungen. Der Präfekt kann die Genehmigung in Anbetracht der Anzahl und der Größe der bereits bestehenden Unternehmen ablehnen.

(8)  Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 446 betreffend die IRAP vom 15. Dezember 1997.

(9)  ABl. C 74 vom 10.3.1998, S. 9.

(10)  Fußnote 27 der Leitlinien (siehe Fußnote 9).

(11)  Entscheidung K(2005)4675 der Kommission vom 7.12.2005 — Staatliche Beihilfe N 198/05 — „Steuervergünstigungen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in Fördergebieten, Senkung der IRAP — Gesetz Nr. 80/2005, Artikel 11b“. Vorhaben, gegen die von der Kommission keine Einwände erhoben werden. ABl. C 42 vom 18.2.2006, S. 3.

(12)  Urteil des Gerichtshofes vom 6. September 2006, Portugiesische Republik gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Rechtssache C-88/03, Slg. 2006, I-7115.

(13)  Rechtssache T-214/95, Het Vlaamse Gewest gegen Kommission, Slg. 1998, II-717.


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