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Document 32006D0598

    2006/598/EG: Entscheidung der Kommission vom 16. März 2005 über das Staatliche Beihilfevorhaben der italienischen Region Latium mit dem Ziel der Verringerung der Treibhausgasemissionen (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2005) 587) (Text von Bedeutung für den EWR)

    ABl. L 244 vom 7.9.2006, p. 8–16 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

    Legal status of the document In force

    ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2006/598/oj

    7.9.2006   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    L 244/8


    ENTSCHEIDUNG DER KOMMISSION

    vom 16. März 2005

    über das Staatliche Beihilfevorhaben der italienischen Region Latium mit dem Ziel der Verringerung der Treibhausgasemissionen

    (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2005) 587)

    (Nur die italienische Fassung ist verbindlich)

    (Text von Bedeutung für den EWR)

    (2006/598/EG)

    DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

    gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 88 Absatz 2 erster Gedankenstrich,

    gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

    nach Aufforderung der Beteiligten zur Äußerung gemäß den genannten Artikeln (1) und unter Berücksichtigung dieser Stellungnahmen,

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    I   DAS VERFAHREN

    (1)

    Die Kommission hat mit der Entscheidung vom 13. Mai 2003, die Italien mit dem Schreiben gleichen Datums mitgeteilt wurde, entschieden, wegen der betreffenden Beihilfe ein förmliches Prüfverfahren gemäß Artikel 88 Absatz 2 einzuleiten, und hat Italien sowie alle Beteiligten zur Äußerung aufgefordert (2).

    (2)

    Italien hat am 23. Juli 2003 geantwortet.

    (3)

    Der Empfänger der Beihilfe ACEA SpA (im Folgenden als „ACEA“ bezeichnet) antwortete am 8. September 2003. Am 15. September 2003 erhielt Italien zusammen mit zahlreichen anderen Fragen eine Aufforderung zur Äußerung. Die Fragen betrafen

    eine Kopie der ursprünglichen Aktionärsvereinbarung zwischen ACEA und Electrabel zur Gründung von AEP;

    die Bedingungen für die Übertragung der Tätigkeiten von ACEA auf AEP, insbesondere unter Berücksichtigung der zu prüfenden Maßnahme;

    die Tätigkeiten von ACEA, für die gegebenenfalls eine Rückzahlung verlangt würde.

    (4)

    Italien antwortete am 18. März 2004 und erneut am 29. April 2004.

    II   BESCHREIBUNG DER BEIHILFE

    (5)

    Die Beihilfe betraf ursprünglich zwei Projekte für die Energieeinsparung: ein Fernwärmeprojekt und ein Windkraftwerk, die beide von der Region Latium finanziert wurden. Beide Projekte wurden als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt, wobei im Hinblick auf das erste Projekt auf der Grundlage der Rechtsprechung „Deggendorf“ (3) jedoch entschieden wurde, das Verfahren gemäß Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 einzuleiten. Das Projekt betrifft ein Fernwärmenetz im Bezirk Torrino Mezzocamino in der Nähe von Rom. Das Netz wird durch Energie beliefert, die in einer teilweise umgerüsteten und konvertierten Kraft-Wärme-Kopplungsanlage erzeugt wird und soll eine neue Satellitensiedlung mit Heizwärme versorgen. Zwei andere Viertel in der Nähe von Rom — Torrino Sud und Mostacciano — sind bereits über ein Fernwärmenetz an die Kraft-Wärme-Kopplungsanlage angeschlossen. Durch das neue Projekt wird das bestehende Rohrleitungsnetz auf einer Länge von 14 km ausgebaut.

    (6)

    Die Investitionskosten für das Projekt belaufen sich auf 9 500 000 EUR. Diese Kosten beschränken sich auf die Investitionen in das Wärmeverteilungsnetz, unter Ausschluss der umgerüsteten Turbine. Die Beihilfe ist auf 3 800 000 EUR begrenzt.

    (7)

    Rechtsgrundlage der Maßnahme: Deliberazione della Giunta Regionale del Lazio n. 4556 vom 6. August 1999 zur Auswahl von Projekten, die aus der „Kohlenstoffsteuer“ finanziert werden. Die Maßnahme wird somit durch die Einkünfte aus der „Kohlenstoffsteuer“ finanziert, die durch Artikel 8 des am 23. Dezember 1998 genehmigten Finanzierungsgesetzes (Gesetz Nr. 448/98) eingeführt wurde. Mit dem Dekret Nr. 337 des Umweltministers vom 20. Juli 2000 wurden die Kriterien und Modalitäten für die Verwendung der dank dieser Steuer eingenommenen Mittel durch die Region gebilligt.

    III   EMPFÄNGER DER BEIHILFE

    (8)

    Empfänger der Beihilfe war ACEA, d. h. das ehemalige öffentliche Versorgungsunternehmen von Rom. Nach verschiedenen Umstrukturierungen unter Einbeziehung zahlreicher anderer Unternehmen — darunter Electrabel — ist der Empfänger jetzt ein anderes Unternehmen, nämlich AceaElectrabel Production (AEP). AEP wird zu 50 % durch Electrabel Italia und zu 50 % durch AceaElectrabel kontrolliert. Electrabel Italia unterliegt einer 100 %-igen Kontrolle durch Electrabel (Belgien). AceaElectrabel wird zu 40,59 % durch Electrabel Italien und zu 59,41 % durch ACEA kontrolliert.

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    IV   GRÜNDE FÜR DIE EINLEITUNG DES VERFAHRENS NACH ARTIKEL 88 ABSATZ 2

    (9)

    Die Kommission hat festgestellt, dass das betreffende Projekt den Bestimmungen des Gemeinschaftsrahmens für den Umweltschutz entspricht (4). Die Kommission hat allerdings bestimmte Zweifel geäußert und beschlossen, das Untersuchungsverfahren einzuleiten; dabei wurde festgestellt, dass die Grundsätze und Kriterien anzuwenden seien, die der Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache „Deggendorf“ festlegte.

    (10)

    Offensichtlich handelt es sich bei der Beihilfeempfängerin ACEA um eines der so genannten „aziende municipalizzate“ (städtische Versorgungsunternehmen) des Energiesektors, die in den Genuss der Beihilferegelungen gekommen sind, die Gegenstand der Entscheidung 2003/193/EG der Kommission vom 5. Juni 2002 (5) über staatliche Beihilfen in Form von durch Italien gewährte Steuerbefreiungen und Vorzugsdarlehen für Unternehmen der Daseinsvorsorge mit öffentlicher Mehrheitsbeteiligung sind. Obwohl die Entscheidung lediglich die Beihilferegelungen als solche betrifft und sich nicht mit der Situation einzelner Beihilfeempfänger befasst, war doch eine der Regelungen für alle Unternehmen bestimmt, die bestimmte Voraussetzungen erfüllten, und entsprach ACEA seinerzeit diesen Bedingungen.

    (11)

    In der Entscheidung 2003/193/EG hat die Kommission die nicht notifizierten Regelungen für rechtswidrig und unvereinbar erklärt und in Artikel 3 dem italienischen Staat aufgetragen, etwaige rechtswidrige Beihilfen, die auf Grundlage dieser Regelungen ausgezahlt wurden, zurückzufordern. ACEA hat diese Entscheidung beim Gericht erster Instanz angefochten (6) und dort angegeben, dass sie in den Genuss der betreffenden Regelung gekommen ist. In den finanziellen Unterlagen von ACEA wird ausdrücklich auf die Gefahr einer Rückforderung hingewiesen, z. B. im Halbjahresbericht vom September 2004 (7).

    (12)

    Nach zwei Mahnschreiben der Kommission an die italienischen Behörden, in denen diese an ihre Verpflichtung zur Rückforderung der Beihilfen erinnert wurden, haben die italienischen Behörden der Kommission mitgeteilt, dass sie mehr als zwei Jahre nach Erlass der Entscheidung 2003/193/EG immer noch daran arbeiten, durch die bevorstehende Verabschiedung und Umsetzung geeigneter Verwaltungsmaßnahmen die Verpflichtung zur Rückforderung zu erfüllen. Sie haben ferner nicht geklärt, ob die an ACEA gezahlten Gelder bereits zurückgefordert wurden. Aus den mitgeteilten Informationen ist jedoch zu folgern, dass ACEA im Rahmen der Regelungen, die gemäß der Entscheidung 2003/193/EG als unvereinbar zu betrachten sind, Beihilfen erhalten und nicht noch zurückgezahlt hat.

    (13)

    Die Kommission musste deshalb den Schluss ziehen, dass der genaue Betrag der von ACEA erhaltenen, zurückzuzahlenden Beihilfen nicht bestimmt werden kann.

    (14)

    Desgleichen kann die Kommission den kumulativen Effekt der „alten“ und „neuen“ Beihilfe und eventuelle wettbewerbsverzerrende Wirkungen auf den Gemeinsamen Markt nicht bewerten.

    V   BEMERKUNGEN ITALIENS UND DER BETEILIGTEN

    1.1   Bemerkungen Italiens

    (15)

    Die Argumente der italienischen Behörden werden unter den Punkten 16 bis 27 wiedergegeben.

    (16)

    Italien hat die Frage der Identität des Empfängers aufgeworfen, die sich seit der Entscheidung der Kommissionen zur Einleitung des Verfahrens geändert hat. Italien weist darauf hin, dass sich der Beihilfeempfänger sogar vor diesem Datum geändert hat. Italien erkennt jedoch an, dass die Kommission vor ihrer Entscheidung zur Einleitung des Verfahrens darüber nicht informiert war. Die Änderung des Empfängers hätte zur Folge, dass die Deggendorf-Rechtsprechung nicht anwendbar wäre und dieses Verfahren gegenstandslos würde.

    (17)

    Italien bestreitet, dass die Maßnahme als Beihilfe zu betrachten ist, da es sich um ein lokales Projekt handelt, das keine Auswirkungen auf den Handel hat; angesichts der Tatsache, dass Heizwärme nicht handelsfähig ist und nicht als Alternative zu anderen Energiequellen betrachtet werden kann, entstünde damit auch keine Verfälschung des Wettbewerbs.

    (18)

    Italien wendet sich mit den unter den Punkten 19 bis 23 aufgeführten Argumenten gegen die Anwendung der Deggendorf-Rechtsprechung.

    (19)

    Italien ist der Ansicht, dass die Deggendorf-Rechtsprechung nicht auf die betreffende Beihilfe anzuwenden sei, da diese ganz anderen Ursprungs sei. Die zu prüfende Beihilfe hat regionalen Charakter (die genehmigende Behörde ist die Region Latium), während es sich bei der Beihilfe an die städtischen Betriebe um eine einzelstaatliche Beihilfe handelte.

    (20)

    Italien vertritt den Standpunkt, dass es keine absolute Identität des Empfängers gebe. Die Deggendorf-Rechtsprechung sei lediglich auf individuelle Fälle, nicht aber auf Beihilferegelungen anzuwenden.

    (21)

    Italien zufolge kann die Deggendorf-Rechtsprechung nur dann Anwendung finden, wenn es sich um endgültige Entscheidungen handelt, was bei der Entscheidung der Kommission nicht der Fall ist, da gegen sie Rechtsmittel eingelegt wurden. Die Kommission könne keinen solchen Druck auf die Politik der Mitgliedstaaten ausüben, ehe nicht alle im Vertrag vorgesehenen Schutzvorkehrungen erschöpft seien.

    (22)

    Die Kommission macht Italien zufolge übertriebenen Gebrauch von der Deggendorf-Rechtsprechung, was unter anderem dazu führen könne, dass die Mitgliedstaaten keine Anmeldungen mehr notifizieren.

    (23)

    Schließlich wird auf zwei weitere Aspekte des betreffenden Projekts verwiesen, die im Hinblick auf die Anwendung der Deggendorf-Rechtsprechung zu beachten seien: a) die Energiesparziele des Projekts stehen in Einklang mit der Politik der Kommission und der Gemeinschaft; b) ACEA würde im Vergleich zu den anderen städtischen Versorgungsunternehmen bestraft und die Kommission würde anhand illegaler Mittel individuellen Druck ausüben.

    (24)

    Italien bringt zur Beantwortung der Fragen der Kommission die unter den Punkten 25 bis 27 aufgeführten Bemerkungen vor.

    (25)

    Die ursprüngliche Aktionärsvereinbarung zeigt, dass AEP einer doppelten Kontrolle von ACEA und Electrabel unterliegt.

    (26)

    In der Joint Venture-Vereinbarung wurde weder das zu prüfende Projekt noch die Rückforderungsentscheidung berücksichtigt.

    (27)

    ACEA übt verschiedene Tätigkeiten aus und kann nicht bestimmen, welche durch die Beihilferückforderung belastet würden.

    1.2   Bemerkungen Dritter

    (28)

    Die Beihilfeempfängerin ACEA hat zahlreiche Bemerkungen vorgebracht, die sich größtenteils mit denen Italiens decken. Neu sind drei Bemerkungen im Zusammenhang mit der Anwendung der Deggendorf-Rechtsprechung.

    (29)

    Dem ersten Argument von ACEA zufolge gibt es im zu prüfenden Fall — im Gegensatz zum Fall Deggendorf — im Hinblick auf die Rückforderung keine Schwere- und Dringlichkeitselemente und ist seit der Verabschiedung der Entscheidung über die unrechtmäßige Beihilfe nicht viel Zeit verflossen.

    (30)

    Das zweite Argument von ACEA hebt auf die Tatsache ab, dass ACEA — erneut im Gegensatz zum Fall Deggendorf — im Zusammenhang mit der Rückforderung keinerlei Verantwortung oder Fehlverhalten zugewiesen werden kann; ACEA erklärt sich vielmehr zur Rückerstattung bereit und weist darauf hin, dass sie an der Verspätung schuldlos sei.

    (31)

    Mit ihrem dritten zusätzlichen Argument bedauert ACEA, dass die Kommission die Deggendorf-Rechtsprechung nicht kohärent anwende. ACEA erinnert an die Entscheidung 1998/466/EG der Kommission (8) („Société française de production“), in der im Zusammenhang mit der gleichen Empfängerin eine frühere negative Entscheidung zitiert wird, ohne dass die Deggendorf-Rechtsprechung angewendet würde.

    VI   BEWERTUNG

    (32)

    Bei der Bewertung dieses Falls ist zunächst zu prüfen, ob es sich bei der betreffenden Maßnahme um eine Beihilfe handelt und ob diese mit dem Vertrag vereinbar ist.

    (33)

    Dann ist die Identität des Empfängers zu klären und festzustellen, ob die Deggendorf-Rechtsprechung anwendbar ist.

    1.1   Würdigung der Beihilfe

    (34)

    Zahlreiche Bemerkungen von Italien und ACEA beziehen sich auf die Tatsache, dass die Kommission das Projekt als Beihilfe einstuft.

    (35)

    Das Projekt wird durch Mittel aus dem Haushalt der regionalen Regierung — genauer gesagt, aus den Einkünften der durch das Finanzierungsgesetz 1999 eingeführten „Kohlenstoffsteuer“ — finanziert. Damit ist die erste Bedingung für eine Beihilfe gegeben.

    (36)

    Die Maßnahme ist selektiv, da sie einem einzigen Unternehmen, ursprünglich ACEA und jetzt AEP, einen Vorteil verschafft. Damit ist die zweite Bedingung für eine Beihilfe gegeben.

    (37)

    Was die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten betrifft, so wurde unter Punkt 3.1 der genannten Entscheidung zur Einleitung des Verfahrens darauf hingewiesen, dass Wärme nicht Gegenstand von Handel ist, aber andere primäre oder sekundäre Energieerzeugnisse ersetzen kann, die Gegenstand von Handel sind.

    (38)

    Dies steht in Einklang mit anderen Entscheidungen der Kommission wie z. B. im Fall Italien, Piemont — Beihilfen zur Senkung des Schadstoffausstoßes (N614/02) (9), wo erklärt wurde, dass ein Fernwärmeprojekt es Familien ermöglichen würde, Wärme durch andere primäre oder sekundäre Energiequellen — z. B. Erdöl oder Elektrizität — zu ersetzen, die Gegenstand des Handels zwischen den Mitgliedstaaten sind.

    (39)

    Ziel der Fernwärme ist es, die Individualheizung der Haushalte eines ganzen Viertels ersetzen. Somit ersetzt die über den Wärmeerzeuger des Fernwärmenetzes gelieferte Wärme die Wärme kleiner Heizkessel, die durch andere Energiequellen — wie Erdöl, Gas oder Elektrizität — betrieben werden. Erdöl, Gas und Elektrizität sind Gegenstand des Handels zwischen den Mitgliedstaaten. Aufgrund dieser Substitutionswirkung hat das zu prüfende Projekt Auswirkungen auf den Handel. ACEA und Electrabel sind auf zahlreichen Sektoren aktiv, insbesondere in der Energie- und Elektrizitätserzeugung, die beide Gegenstand des innergemeinschaftlichen Handels sind. Damit ist die dritte Bedingung für eine Beihilfe gegeben.

    (40)

    Die Maßnahme bewirkt zudem eine Verzerrung des Wettbewerbs, da ein Unternehmen begünstigt wird, das sich eine stärkere Wettbewerbsposition auf dem Energiemarkt verschaffen kann, was zu einer Änderung der Marktbedingungen führt. Die Auswirkungen auf den Handel und die Verzerrung des Wettbewerbs werden somit durch die Schlussfolgerungen der Kommission in anderen Fällen bestätigt und sind mit diesen vereinbar (10).

    (41)

    Somit sind alle vier Bedingung für eine Beihilfe gegeben. Die Kommission folgert daraus, dass es sich bei dem zu prüfenden Projekt um eine Beihilfe handelt.

    1.2   Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinschaftsrecht

    (42)

    Hinsichtlich der Vereinbarkeit der Beihilfe mit der Regelung für Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c stellt die Kommission fest, dass das Projekt der Erreichung von Umweltzielen dient. Nun ist zu prüfen, ob die Maßnahme den Bestimmungen des Gemeinschaftsrahmens für den Umweltschutz entspricht. Die Kommission verweist diesbezüglich insbesondere auf die Randziffern 30 und 37.

    (43)

    Unter Randziffer 30 dieses Gemeinschaftsrahmens heißt es: „Investitionen zugunsten von Energieeinsparungen laut Definition in der Randziffer 6 werden Investitionen zugunsten des Umweltschutzes gleichgesetzt. Diese Investitionen spielen eine wesentliche Rolle, um die gemeinschaftlichen Umweltziele in ökonomischer Weise zu verwirklichen. Für diese Investitionen können Beihilfen zum Ausgangssatz von 40 % der beihilfefähigen Kosten gewährt werden.“

    (44)

    Im Rahmen des geprüften Projekts sind nur die Investitionen in das Fernwärmenetz, d. h. das Wärmeverteilungsnetz und Zubehör, beihilfefähig. Die regionalen Behörden von Latium haben der Kommission technische und wirtschaftliche Unterlagen geliefert, die bestätigen, dass das geplante Fernwärmenetz im Vergleich zur derzeitigen Situation — bzw. zur Situation vor Tätigung der Investition — in der Tat beträchtliche Fortschritte hinsichtlich der Energieeinsparung ermöglichen würde. Folglich ist die Randziffer 30 des Gemeinschaftsrahmens anwendbar.

    (45)

    Unter Randziffer 37 des Gemeinschaftsrahmens heißt es: „Beihilfefähig sind ausschließlich die zur Verwirklichung der Umweltschutzziele erforderlichen Investitionsmehrkosten.“

    (46)

    Eine Referenzinvestition kann nicht herangezogen werden, da die Alternative in einer Individualheizung der Haushalte bestünde. Außerdem ergeben sich aus dem Ausbau des Netzes keine Kosteneinsparungen. Folglich betrachtet die Kommission die gesamte Investition als beihilfefähig. Die gewährte Beihilfe entspricht einer Bruttobeihilfeintensität von höchstens 40 %.

    (47)

    Unter Berücksichtigung der beihilfefähigen Investitionskosten und der Beihilfeintensität steht das Fernwärmeprojekt als solches in Einklang mit den Randnummern 30 und 37 des Gemeinschaftsrahmens.

    (48)

    Auf Grund dieser Analyse könnte die Kommission das Projekt als mit den Bestimmungen für staatliche Beihilfen vereinbar einstufen. Bei dieser Entscheidung musste die Kommission zwischen Umweltaspekten und Aspekten der Wettbewerbspolitik abwägen. Wie unter Randziffer 4 des Gemeinschaftsrahmens ausgeführt, bedeutet eine langfristige Berücksichtigung der Erfordernisse des Umweltschutzes jedoch nicht, dass jede Beihilfe genehmigt werden muss.

    (49)

    Italiens Standpunkt zufolge hätte die Kommission das Projekt genehmigen müssen, da Umweltziele erreicht werden sollen; dabei wird jedoch darüber hinweggesehen, dass aus Sicht der Wettbewerbsbestimmungen die Modalitäten zur Erreichung dieser Ziele wichtiger sind. Der konsolidierten Rechtsprechung zufolge teilt die Kommission bei der Festlegung der Modalitäten für die Prüfung der Anmeldungen staatlicher Beihilfen den Mitgliedstaaten mit, wie Umweltziele unter minimalen Auswirkungen auf den Wettbewerb zu verfolgen sind. Das Umweltziel der Beihilfe rechtfertigt jedenfalls keine Abweichung von den allgemeinen Regeln und Grundsätzen für staatliche Beihilfen, und zwar unabhängig von den verfolgten Zielen.

    1.3   Identität des Beihilfeempfängers

    (50)

    Im vorliegenden Fall ist auch die Identität des Beihilfeempfängers zu bestimmen.

    (51)

    Zahlreiche Bemerkungen Italiens (11) betreffen die Änderung des Beihilfeempfängers, die Bedingungen für die Übertragung des Unternehmenszweigs, der das Projekt durchführen soll, sowie die ursprüngliche Aktionärsvereinbarung zwischen ACEA und Electrabel.

    (52)

    Die Kommission wurde nicht darüber informiert, dass der Beihilfeempfänger vor der Entscheidung der Kommission zur Einleitung des Verfahrens zu AEP geworden war. Die italienischen Behörden haben dies erst im Rahmen dieses Verfahrens mitgeteilt.

    (53)

    Wie im Abschnitt zur Beschreibung des Empfängers bereits ausgeführt, unterscheidet sich AEP von ACEA. Es handelt sich um ein eigenes Unternehmen, das durch ACEA und Electrabel kontrolliert wird. Allerdings unterscheidet die Kommission bei der Prüfung staatlicher Beihilfen Unternehmen nicht nur nach rein formellen Elementen. Das Gericht hat dies unlängst erneut bestätigt und stützte sich dabei auf die umfassende Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts selbst: (12)

    (54)

    „Nach ständiger Rechtsprechung sind rechtlich eigenständige natürliche oder juristische Personen, sofern sie eine wirtschaftliche Einheit bilden, im Hinblick auf die Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln als ein einziges Unternehmen zu behandeln (in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1984 in der Rechtssache 170/83, Hydrotherm, Slg. 1984, 2999, Randnr. 11, vgl. analog Urteil des Gerichts vom 29. Juni 2000 in der Rechtssache T-234/95, DSG/Kommission, Slg. 2000, II-2603, Randnr. 124). Im Bereich der staatlichen Beihilfen stellt sich die Frage, ob eine wirtschaftliche Einheit vorliegt, insbesondere dort, wo es um die Bestimmung des Empfängers einer Beihilfe geht (in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 14. November 1984 in der Rechtssache 323/82, Intermills/Kommission, Slg. 1984, 3809, Randnrn. 11 und 12). Hierzu ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Kommission bei der Feststellung, ob zu einem Konzern gehörende Gesellschaften für die Anwendung der Regeln über die staatlichen Beihilfen als eine wirtschaftliche Einheit oder als rechtlich und finanziell unabhängig anzusehen sind, über ein weites Ermessen verfügt (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 25. Juni 1998 in den Rechtssachen T-371/94 und T-394/94, British Airways u.a./Kommission, Slg. 1998, II-2405, Randnrn. 313 und 314, und — entsprechend — Urteil DSG/Kommission, Randnr. 124).“

    (55)

    Die Kommission muss nun ermitteln, ob ACEA und ein Unternehmen der ACEA-Gruppe als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten sind. Die Analyse der Situation von AEP bestätigt dies.

    (56)

    ACEA gibt zu, AEP gemeinsam mit Electrabel zu kontrollieren. Dies wird in einer Antwort ausdrücklich bestätigt (13). Eine weitere Bestätigung findet sich im Finanzbericht von ACEA, in dem AEP unter den Konsolidierungsunternehmen aufgeführt ist. Die Tatsache, dass ACEA die Kontrolle über AEP nicht alleine, sondern gemeinsam mit Electrabel ausübt, ist diesbezüglich von untergeordneter Bedeutung.

    (57)

    AEP wird in den Konten von ACEA genannt: auf Seite 35 des Berichts über das erste Halbjahr 2004 wird ausgeführt, dass auf der Grundlage der durch Artikel 37 der Gesetzesverordnung 127/91 übertragenen Befugnisse unter den Konsolidierungsbereich auch Unternehmen fallen, für die das Mutterunternehmen die Kontrolle gemeinsam mit anderen Geschäftspartnern gemäß der einschlägigen Übereinkommen ausübt. Auf dieser Liste erscheint auch AEP.

    (58)

    Die ursprüngliche Aktionärsvereinbarung zwischen ACEA und Electrabel über die Übertragung des Unternehmenszweigs von ACEA auf AEP enthält keinerlei Verweis auf das Projekt. Jedenfalls hat AEP das Projekt übernommen, ist aufgrund einer Umstrukturierung innerhalb der ACEA-Gruppe gewollter Empfänger der Beihilfe geworden und wickelt verschiedene frühere Tätigkeiten von ACEA ab. In Artikel 4 der Vereinbarung über die Übertragung des Unternehmenszweigs auf AEP (zu dem Zeitpunkt als Gen.Co bezeichnet) wurde festgelegt, dass die Vereinbarung keine eventuellen Streitfälle im Zusammenhang mit dem Unternehmenszweig selbst erfasst und dass das Unternehmen auf keine Streitigkeiten reagiert, die nach dem 1. Dezember 2002 (Datum der Vereinbarung) eintreten könnten, ohne im Voraus die Ursachen überprüft zu haben.

    (59)

    In einer Vereinbarung zwischen zwei Parteien kann keine Befreiung von der Verpflichtung zur Rückzahlung rechtswidriger und unvereinbarer Beihilfen beschlossen werden. Würde dies zugelassen, so könnte dies zu einer systematischen Umgehung der Verpflichtung zur Rückzahlung rechtswidriger und unvereinbarer Beihilfen durch die Unternehmen führen. Zudem war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Übertragungsvereinbarung die Entscheidung bereits erlassen und ACEA Beklagte. Die Verpflichtungen ACEA’s waren damit wohl bekannt, so dass eine Absicht zur Umgehung der Verpflichtung zur Rückzahlung rechtswidriger und unvereinbarer Beihilfen nicht ausgeschlossen werden kann.

    (60)

    ACEA und AEP bilden dem zufolge eine wirtschaftliche Einheit, und die Gruppe selbst, einschließlich ACEA, ist — unabhängig von internen Umstrukturierungen — als Beihilfeempfängerin zu betrachten. Eine andere Vorgehensweise würde ein Umgehen der Regeln für staatliche Beihilfen erlauben.

    1.4   Die Deggendorf-Rechtsprechung

    (61)

    Italien ist über zwei Jahre nach der Entscheidung 2003/193/EG noch weit davon entfernt, die als rechtswidrig und unvereinbar erklärte Beihilfe zurückgefordert zu haben, und hat noch nicht einmal die Beträge quantifiziert, die die Versorgungsunternehmen zurückzahlen müssen. Seit der Einleitung des Verfahrens im Jahr 2003 hat sich somit Nichts geändert. Zudem hat die Kommission beschlossen, den Gerichtshof anzurufen, weil Italien der Entscheidung 2003/193/EG nicht nachgekommen ist (14). Im Jahr 2004 wurde das Gemeinschaftsrecht um eine Bestimmung erweitert (Genehmigung durch das Parlament steht noch aus), die die wichtigsten Leitlinien für die Rückforderung enthält, darunter auch die Forderung an die lokalen Behörden, mögliche Empfänger zu nennen, und die Forderung an die Beihilfeempfänger, selbst den Betrag der empfangenen Beihilfe mitzuteilen.

    (62)

    Die Kommission stellt folglich fest, dass die bei Einleitung des Verfahrens gegebene Situation sich nicht verändert hat. Die Kommission kann im jetzigen Stadium noch nicht feststellen, welchen exakten Betrag ACEA vor der zu prüfenden Beihilfe erhalten hat. Weder die italienische Regierung noch ACEA haben Unterlagen geliefert, die zeigen, dass im Fall von ACEA die Vorteile aufgrund der für unvereinbar erklärten Maßnahme nicht als Beihilfe, als bestehende Beihilfe oder aufgrund spezifischer Merkmale des Empfängers als vereinbar zu betrachten sind. Aufgrund der Höhe der Beträge und der Art der von ACEA zum Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe auf verschiedenen Märkten ausgeübten Tätigkeiten — darunter die Produktion und Verteilung von Energie und Elektrizität — muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass die ACEA verliehenen Vorteile sich auf den innergemeinschaftlichen Handel auswirken und den Wettbewerb verzerren. Zudem handelt es sich um beträchtliche Vorteile, deren Betrag der Höhe der ermäßigten Einkommenssteuer für juristische Personen für drei Jahre entspricht. Die ACEA-Gruppe, einschließlich AEP, kann somit nach wie vor rechtswidrige und unvereinbare Beihilfen erhalten, die zurückzuerstatten sind; deshalb ist weiterhin eine Wettbewerbsverzerrung gegeben.

    (63)

    Angesichts dieser Sachlage ist festzustellen, dass — selbst wenn der genaue Betrag der ersten Beihilfe nicht bestimmt wird — die notifizierte Beihilfe aufgrund der kumulativen Wirkung der beiden Beihilfen für ACEA und der Auswirkungen auf den Binnenmarkt nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist.

    1.5   Anwendung der Deggendorf-Rechtsprechung im vorliegenden Fall

    (64)

    Italien und ACEA haben zahlreiche Argumente im Hinblick auf die Anwendung der Deggendorf-Rechtsprechung vorgebracht.

    (65)

    Hier sei daran erinnert, dass die Kommission gemäß der Deggendorf-Rechtsprechung des Gerichtshofes (15) bei der der Prüfung der Vereinbarkeit einer Beihilfe alle relevanten Elemente berücksichtigen muss, insbesondere die kumulative Wirkung einer neuen Beihilfe und einer Beihilfe, die unvereinbar erklärt wurde und noch nicht zurückgezahlt wurde. Aufgrund dieser Rechtsprechung kann die Genehmigung einer vereinbaren Beihilfe ausgesetzt werden, bis die frühere, rechtswidrige und unvereinbare Beihilfe zurückgezahlt wird.

    (66)

    Ferner wird erneut bestätigt, was unter den Punkten 51 bis 60 im Hinblick auf die Identität des Beihilfeempfängers ausgeführt wurde. Nach Prüfung der vorgebrachten Argumente hält die Kommission fest, dass AEP zur ACEA-Gruppe gehört und der Beihilfeempfänger im vorliegenden Fall im Wesentlichen derselbe ist.

    (67)

    Die Tatsache, dass es sich im vorliegenden Fall um eine regionale Beihilfe handelt und die Beihilfe für die Versorgungsunternehmen eine staatliche Beihilfe war, spielt keine Rolle (16). Die Kommission betrachtet alle Beihilfen als staatliche Beihilfen; dies wird durch die Tatsache bestätigt, dass die nationalen Behörden die einzigen direkten Ansprechpartner der gemeinschaftlichen Organe sind. Genauso wenig ist nachgewiesen, dass Italien die Maßnahme notifiziert hat und im Sinne von Artikel 87 und 88 EG-Vertrag Empfänger der Entscheidung ist. Zudem handelt es sich bei den verwendeten Mitteln um staatliche Mittel, die von der Regierung oder von den regionalen Behörden verteilt werden. Dieses Argument muss deshalb zurückgewiesen werden.

    (68)

    Die Deggendorf-Rechtsprechung findet in allen Fällen Anwendung, in denen der Empfänger einer Beihilfe diese nicht in der von der Kommission festgesetzten Höhe zurückerstattet hat, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Einzelbeihilfe oder um eine Beihilferegelung handelt (17). Die Kommission stellt fest, dass ACEA zu den Empfängern der Beihilfe für die Versorgungsunternehmen gehörte, da zumindest ein Teil dieser Beihilfe allen Unternehmen dieser Kategorie — d. h. auch ACEA — gewährt wurde.

    (69)

    ACEA äußerte sich im Laufe dieses Verfahrens als Beteiligte und brachte Argumente für die Vereinbarkeit der besagten Regelungen vor. In der Entscheidung der Kommission wurden die nicht notifizierten Regelungen für rechtswidrig und unvereinbar erklärt und dem italienischen Staat aufgetragen, etwaige rechtswidrige Beihilfen, die auf Grundlage dieser Regelungen ausgezahlt wurden, zurückzufordern (18). ACEA hat diese Entscheidung beim Gericht erster Instanz angefochten (19) und dort angegeben, dass sie in den Genuss der betreffenden Regelung gekommen ist. Wie oben ausgeführt, haben weder die italienische Regierung noch ACEA Gründe geliefert, denen zufolge die Rückforderung im vorliegenden Fall verhindert oder begrenzt werden müsste.

    (70)

    Im Finanzbericht von ACEA wird auf die Entscheidung der Kommission und auf die finanziellen Risiken verwiesen, die sich daraus für die Gruppe ergeben könnten. Ferner wird sogar der mögliche Beihilfebetrag quantifiziert, den Italien von ACEA zumindest für die Jahre 1998 und 1999 zurückfordern müsse (für das Jahr 1997 erklärte ACEA Verluste, d.h. konnte keine Vorteile aufgrund einer geringeren Besteuerung erzielen). ACEA überträgt die möglichen Beihilfen auf 1998 (28 Mio. EUR) und 1999 (290 Mio. EUR aufgrund außerordentlicher Maßnahmen der Unternehmensneugliederung).

    (71)

    Entgegen der Behauptung, die Deggendorf-Rechtsprechung sei nur bei endgültigen Entscheidungen der Kommission anwendbar (d.h. wenn diese beispielsweise durch ein Urteil des Gerichtshofes bestätigt werden) (20), weist die Kommission darauf hin, dass ihre Entscheidungen unmittelbar gültig sind und in Kraft treten — wie Italien übrigens anerkannt hat (21). Dies steht auch in Einklang mit Artikel 242 EG-Vertrag, dem zufolge Klagen keine aufschiebende Wirkung haben. Ferner sei daran erinnert, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um vorläufige Maßnahmen handelt.

    (72)

    Italien vertritt den Standpunkt, dass die Anwendung der Deggendorf-Rechtsprechung als außergewöhnliche Vorgehensweise einzustufen sei, die nur als letztes Mittel anzuwenden ist. Die Kommission kann sich dieser Sichtweise nicht anschließen, sondern ist der Ansicht, dass eine wirksame Kontrolle der staatlichen Beihilfen eine konstante und unmittelbare Anwendung der Deggendorf-Rechtsprechung erforderlich macht, um die Wirksamkeit des Systems gewährleisten zu können; nach Ansicht der Kommission müssen alle vom Empfänger erhaltenen staatlichen Beihilfen berücksichtigt werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu verringern und eine wirksame Anwendung ihrer Entscheidungen sicherzustellen.

    (73)

    Entgegen der Behauptung Italiens, der zufolge die Anwendung der Deggendorf-Rechtsprechung zu einer Verringerung der Anzahl der Anmeldungen durch die Mitgliedstaaten führen würde (22), stellt die Kommission fest, dass die Anmeldung von Beihilfen nicht fakultativ, sondern gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag zwingend vorgeschrieben ist. Nicht angemeldete Beihilfen sind bzw. werden rechtswidrig, obwohl sie vereinbar sein können.

    (74)

    Die Kommission übt nach Ansicht Italiens besonderen Druck aus (23). Die Kommission merkt hierzu an, dass im vorliegenden Fall lediglich die bestehende Rechtsprechung angewandt wird. ACEA wird nur insoweit bestraft, als sie Empfängerin einer anderen Beihilfe ist.

    (75)

    Das heißt, ACEA wird nicht in außergewöhnlichem Maße bestraft. Die Kommission hat zahlreiche Projekte der Region Piemont genehmigt (Beihilfeentscheidung N 614/02, siehe Punkt 38). Zwei dieser Projekte waren von AEM, dem Versorgungsunternehmen Turins, und ASM, dem Versorgungsunternehmen des Settimo Torinese, durchzuführen. Im Fall von AEM wurde darüber befunden, ob die Deggendorf-Rechtsprechung Anwendung finden müsse. Die Entscheidung fiel aufgrund der De-minimis-Regel negativ aus, da sich die betreffende Beihilfe lediglich auf 17 240 EUR belief. Die lokalen Behörden haben die Verpflichtungen übernommen zu prüfen, ob sich über einen Zeitraum von drei Jahren keine weiteren De-minimis-Beihilfen kumulierten und insgesamt 100 000 EUR überstiegen. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte es sich um Beihilfen gehandelt, die nicht unter die Deggendorf-Rechtsprechung fallen.

    (76)

    Im Fall von ASM wurde in der Beihilfeentscheidung N 614/02 (s. Punkt 38 und 75) ausgeführt, dass

    „die italienischen Behörden aufgrund des Urteils in der Rechtssache Deggendorf (24) verpflichtet sind, zu prüfen, ob das Unternehmen Azienda sviluppo multiservizi SpA und die anderen Beihilfeempfänger tatsächlich in den Genuss der Beihilfen gekommen sind, und, falls ja, die betreffenden staatlichen Beihilfen erst zu genehmigen, wenn die zuvor festgestellten unvereinbaren und rechtswidrigen Beihilfen gemäß der genannten Entscheidung zurückerstattet wurden“.

    (77)

    Die Tatsache, dass ACEA verschiedene Tätigkeiten ausübt und nicht in der Lage ist festzustellen, auf welche die Rückerstattungsforderungen sich beziehen (25), spielt im vorliegenden Fall keine Rolle. Er wäre für ein Unternehmen zu einfach, die Rückforderungsentscheidung zu umgehen, indem es einfach nicht angibt, auf welchen Teil seiner Tätigkeiten bzw. auf welchen Unternehmenszweig die Rückforderung anzulasten ist.

    (78)

    Allerdings kann durchaus argumentiert werden, dass insofern als die rechtswidrige und unvereinbare Beihilfe zum Teil eine steuerliche Maßnahme betraf, nicht alle Unternehmenszweige von ACEA in der Vergangenheit gleichermaßen profitiert haben. Da es sich bei der steuerlichen Beihilfe um eine Betriebsbeihilfe handelt, ist sie als solche nicht auf eine einzige Unternehmenstätigkeit zurückzuführen. Die rechtswidrige und unvereinbare Beihilfe betraf die gesamte Wirtschaftstätigkeit von ACEA, einschließlich des später an AEP übertragenen Unternehmenszweigs. Das heißt, die nicht zurückgeforderte Beihilfe kann zum Teil auch an AEP gegangen sein.

    1.6   Bemerkungen Dritter

    (79)

    Im Gegensatz zur Behauptung von ACEA (26) ist seit dem Erlass der Rückforderungsentscheidung ein langer Zeitraum verstrichen, ohne dass die italienischen Behörden sich wirklich darum gekümmert hätten, die Beihilfe zurückzufordern. Ende Januar 2005 hatte Italien noch nicht die Verfahren für die Rückforderung genehmigt. Gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 (27) muss die Rückforderung unverzüglich erfolgen. Wie oben dargelegt, wurde bisher nicht nur keinerlei Rückforderungsverfahren eingeleitet, sondern nicht einmal eine eindeutige Vorgehensweise festgelegt.

    (80)

    Der gute Wille von ACEA (28) verändert de facto nicht die Lage, d. h. die Beihilfe wurde nicht zurückgefordert. Tatsache bleibt die Rückforderung einer für rechtswidrig erklärten Beihilfe; die Einstellung der Beteiligten fällt diesbezüglich nicht ins Gewicht. Hinzu kommt, dass über eine Erklärung guten Willens hinaus ACEA die Möglichkeit hatte, die Rückforderung aktiv zu beschleunigen, indem beispielsweise die einschlägigen Beträge mitgeteilt und insbesondere eine Reserve auf einem blockierten Bankkonto gebildet würde.

    (81)

    Hinsichtlich der unterstellten Inkohärenz der Kommission im Zusammenhang mit der Anwendung der Deggendorf-Rechtsprechung, die durch die Entscheidung 1998/466/EG (29) belegt werden soll, ist anzumerken, dass die Entscheidung (30) sich auf die Verpflichtung Frankreichs stützte, eine frühere Beihilfe zurückzufordern, zu der eine negative Entscheidung gefällt wurde, auf die die Deggendorf-Rechtsprechung nicht anwendbar war. In der Entscheidung 1998/466/EG wurde ferner darauf hingewiesen, dass Beihilfen in Zukunft nur unter außergewöhnlichen Umständen ausgenommen werden könnten. Die Kommission hat im Jahr 2002 eine Entscheidung zu einer neuen Maßnahme der französischen Behörden zugunsten von SFP getroffen, indem sie festgestellt hat, dass die betreffende Maßnahme keine Beihilfe darstellte. Folglich gab es keinen Grund zur Anwendung der Deggendorf-Rechtsprechung.

    VII   SCHLUSSFOLGERUNGEN

    (82)

    Angesichts dieser Sachlage folgert die Kommission, dass die Beihilfe in Höhe von 3,8 Mio. EUR, die dem Unternehmen AEP für ein Fernwärmeprojekt in der Nähe von Rom erteilt wurde, als solche mit dem Vertrag vereinbar ist.

    (83)

    Die Zahlung der Beihilfe an AEP wird allerdings ausgesetzt, bis Italien einen Nachweis dafür erbringt, das ACEA die Beihilfe, die durch die Entscheidung 2003/193/EG in Einklang mit der Deggendorf-Rechtsprechung für rechtswidrig und unvereinbar erklärt wurde, zurückgezahlt hat —

    HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

    Artikel 1

    (1)   Die Beihilfe, die Italien dem Unternehmen AEP auf der Grundlage der Deliberazione della Giunta Regionale del Lazio n. 4556 vom 6. August 1999 für ein Fernwärmeprojekt zu erteilen beabsichtigt, ist mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

    (2)   Die Beihilfe gemäß Absatz kann erst gewährt werden, wenn Italien einen Nachweis dafür erbracht hat, das ACEA die Beihilfe, die mit der Entscheidung 2003/193/EG für rechtswidrig und unvereinbar erklärt wurde, zuzüglich Zinsen zurückgezahlt hat.

    Artikel 2

    Italien unterrichtet die Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Mitteilung dieser Entscheidung über die Maßnahmen, die getroffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen.

    Artikel 3

    Diese Entscheidung ist an Italien gerichtet.

    Brüssel, den 16. März 2005

    Für die Kommission

    Neelie KROES

    Mitglied der Kommission


    (1)  ABl. C 188 vom 8.8.2003, S. 8.

    (2)  Siehe Fußnote 1.

    (3)  Urteil des Gerichtshofs vom 15. Mai 1997, Rechtssache C-355/95 P (Textilwerke Deggendorf GmbH/Kommission der Europäischen Gemeinschaften und Bundesrepublik Deutschland), Sg. 1997, S. I-2549.

    (4)  Punkt 3.4 der Entscheidung zur Einleitung des Verfahrens K(2003) 1468 endg. vom 13.5.2003 über die Beihilfe N 90/2002.

    (5)  ABl. L 77 vom 24.03.2003, S. 21.

    (6)  Rechtssache T-297/02 (ABl. C 289 vom 23.11.2002, S. 37).

    (7)  Abrufbar auf den Internetseiten von ACEA:www.aceaspa.it

    (8)  ABl. L 205 vom 22.7.1998, S. 68.

    (9)  ABl. C 6 vom 10.1.2004, S. 21.

    (10)  Beihilfe N 707/2002 Niederlande — MEP — Verbreitung erneuerbarer Energien, Genehmigung durch die Kommission am 19. März 2003. Dort wurde darauf hingewiesen, dass die Beihilferegelung lediglich die Erzeuger elektrischer Energie aus erneuerbaren Energieträgern und aus der Kraft-Wärme-Kopplung begünstigt, die diese elektrische Energie ins Netz einspeisen. Die finanzielle Unterstützung solcher Gruppen von Erzeugern elektrischer Energie hätte deren Position auf dem Energiemarkt verstärkt und somit möglicherweise Änderungen der Marktbedingungen bewirkt. Bei einer solchen Verstärkung der Marktposition der betreffenden Unternehmer gegenüber ihren Wettbewerbern innerhalb der Gemeinschaft muss von einer Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ausgegangen werden.

    (11)  Siehe Punkte 16 sowie 25 bis 27.

    (12)  Urteil des Gerichts erster Instanz vom 14. Oktober 2004, Rechtssache T-137/02 (Pollmeier Malchow GmbH & Co. KG gegen Kommission).

    (13)  Aufzeichnung Italiens vom 29.4.2004.

    (14)  Entscheidung K(2005) 41 von 20.1.2005, (noch nicht angewandt), siehe Pressemitteilung IP/05/76 vom 20.1.2005.

    (15)  Siehe Fußnote 3.

    (16)  Siehe Punkt 19.

    (17)  Siehe Punkt 20.

    (18)  Italien musste laut Artikel 3 der Kommissionsentscheidung alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die rechtswidrig zur Verfügung gestellte Beihilfe von den Empfängern zurückzufordern.

    (19)  Vgl. Fußnote 6.

    (20)  Siehe Punkt 21.

    (21)  Schreiben Italiens vom 23.7.2003, S. 6.

    (22)  Siehe Punkt 22.

    (23)  Siehe Punkt 23.

    (24)  Siehe Fußnote 3.

    (25)  Siehe Punkt 27.

    (26)  Siehe Punkt 29.

    (27)  ABl. L 83 vom 27.3.1999, S. 1.

    (28)  Siehe Punkt 30.

    (29)  Siehe Punkt 31.

    (30)  Dies verdeutlicht insbesondere der dritte Absatz der Einleitung.


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