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Document 32000D0732

    2000/732/EG: Entscheidung der Kommission vom 23. Februar 2000 über die Beihilfe Deutschlands zugunsten der Korn Fahrzeuge und Technik GmbH (Thüringen) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2000) 520) (Text von Bedeutung für den EWR) (Nur der deutsche Text ist verbindlich)

    ABl. L 295 vom 23.11.2000, p. 21–29 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    Legal status of the document Date of entry into force unknown (pending notification) or not yet in force.

    ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2000/732/oj

    32000D0732

    2000/732/EG: Entscheidung der Kommission vom 23. Februar 2000 über die Beihilfe Deutschlands zugunsten der Korn Fahrzeuge und Technik GmbH (Thüringen) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2000) 520) (Text von Bedeutung für den EWR) (Nur der deutsche Text ist verbindlich)

    Amtsblatt Nr. L 295 vom 23/11/2000 S. 0021 - 0029


    Entscheidung der Kommission

    vom 23. Februar 2000

    über die Beihilfe Deutschlands zugunsten der Korn Fahrzeuge und Technik GmbH (Thüringen)

    (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2000) 520)

    (Nur der deutsche Text ist verbindlich)

    (Text von Bedeutung für den EWR)

    (2000/732/EG)

    DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

    gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 1,

    gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a),

    nach Aufforderung der Beteiligten zur Äußerung nach den vorstehenden Artikeln(1),

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    I. DAS VERFAHREN

    (1) Mit Schreiben vom 9. Oktober 1996 hat Deutschland bei der Kommission gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag Umstrukturierungsmaßnahmen zugunsten der Korn Fahrzeuge und Technik GmbH, Gera, (nachstehend "Korn") angemeldet. Diese Maßnahmen wurden unter der Beihilfenummer N 746/96 registriert. Zusätzliche Angaben wurden mit Fax vom 6. November 1996, Eingangsvermerk vom 7. November 1996, übermittelt. Am 11. November 1996 ersuchte die Kommission um weitere Auskünfte. Deutschland zog die Anmeldung am 18. April 1997 zurück, da die Kommission inzwischen das Programm genehmigt hatte, auf dessen Grundlage die Beihilfen gewährt wurden(2).

    (2) Mit Schreiben vom 17. März 1998, Eingangsvermerk vom 18. März 1998, teilte Deutschland der Kommission neue Maßnahmen zugunsten von Korn mit. Da diese bereits durchgeführt worden waren, wurde der Fall als nicht notifizierte Beihilfe NN 29/98 registriert. Mit Schreiben vom 7. April 1998 und 8. Juni 1998 bat die Kommission um zusätzliche Auskünfte, die sie am 12. März 1998 und 4. September 1998 erhielt.

    (3) Mit Schreiben vom 22. Juni 1999 teilte die Kommission Deutschland ihren Beschluss mit, wegen der vorerwähnten Maßnahmen das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten. Deutschland beantragte bei der Kommission am 16. Juli 1999 die Streichung bestimmter Textstellen, bevor das Schreiben im Amtsblatt veröffentlicht wurde. Der Beschluss der Kommission über die Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens wurde am 14. August 1999 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Darin wurden die Beteiligten zur Stellungnahme aufgefordert. Doch hat sich niemand zu den Maßnahmen geäußert.

    (4) Die Kommission erhielt am 28. Juli 1999 und 26. August 1999 noch einige unvollständige Auskünfte von Deutschland. Der Fall wurde anlässlich einer Sitzung mit den deutschen Behörden in Brüssel am 22. September 1999 erörtert. Am 16. Dezember 1999 teilte Deutschland der Kommission mit, dass am 8. November 1999 das Insolvenzverfahren gegen das Unternehmen eröffnet wurde. Mit Schreiben vom 24. Januar 2000, registriert am 27. Januar 2000, teilte Deutschland der Kommission den aktuellen Stand des Insolvenzverfahrens mit.

    II. BESCHREIBUNG

    A. Der Beihilfeempfänger

    (5) 1997 beschäftigte Korn 85 Mitarbeiter, erzielte einen Umsatz von 16,53 Mio. DEM und wies eine Bilanzsumme von 17,41 Mio. DEM aus. Es gilt im Sinne des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen(3) als KMU. Korn hat seinen Sitz in Gera, Thüringen, einem deutschen Fördergebiet.

    (6) Korn, ehemals Landtechnik & Baumaschinen GmbH, Gera, wurde am 1. Juni 1991 im Wege eines Management-Buy-Out an Herrn Reinhard Korn privatisiert. Dieser übernahm das Unternehmen für 0,19 Mio. DEM. Im Rahmen der Privatisierung zahlte die Treuhandanstalt (THA) frühere Schulden in Höhe von 2,89 Mio. DEM. Die übrigen Schulden in Höhe von 0,15 Mio. DEM wurden vom Landkreis Gera im Jahre 1992 beglichen. Diese Maßnahmen fielen in den Anwendungsbereich des THA-Beihilferegimes(4).

    (7) Korn ist in folgenden Hauptgeschäftsfeldern tätig: 1. Landtechnik (Reparatur, Wartung, Service und Vertrieb von Traktoren und landwirtschaftlichen Maschinen sowie deren Ausrüstung und Ersatzteile; Entwicklung von Holzzerkleinerungsmaschinen, 2. An- und Verkauf von Nutzfahrzeugen und Lastkraftwagen, einschließlich Service, Verkauf von Ersatzteilen und Zubehör, sowie 3. Umwelttechnik (Metallbau; Herstellung von Entsorgungsanlagen).

    B. Die Umstrukturierung

    (8) Das Unternehmen wurde zweimal umstrukturiert, zum ersten Mal zwischen Mitte 1991 und Mitte 1997. Für diesen Zeitraum hat Deutschland keinen Umstrukturierungsplan und auch keine Erklärungen zu den betrieblichen Maßnahmen, die seinerzeit ergriffen wurden, vorgelegt.

    (9) Der zweite Umstrukturierungsplan wurde 1997 in Angriff genommen und erstreckt sich über einen Zeitraum von sechs Jahren. Er wurde von einem externen Beratungsunternehmen ausgearbeitet. Die Kommission hat das Gutachten eines zweiten Beratungsunternehmens zum Entwicklungspotential dieses Plans erhalten. Der Plan enthält zwei wesentliche Punkte:

    (10) Erstens sollte die Organisation des Unternehmens auf drei neue Geschäftsfelder umgestellt werden: 1. SEAT Autohaus, das neue und Gebrauchtfahrzeuge verkauft, 2. Landtechnik/Nutzfahrzeuge und 3. Korn-Umwelttechnik. Die ersten beiden Geschäftsfelder, nämlich SEAT Autohaus und Landtechnik/Nutzfahrzeug sollten im Wege des Management-Buy-Out (MBO) entstehen(5). Sie sollten an frühere Mitarbeiter für insgesamt 1,635 Mio. DEM verkauft werden. Herr Korn sollte an jedem Geschäftsfeld mit 26 % beteiligt sein. Die Korn Umwelttechnik sollte der wichtigste Geschäftsbereich werden und die Buchhaltung beider MBO integrieren.

    (11) Zweitens sollte jeder einzelne Geschäftsbereich neu strukturiert werden. Aus Gründen der Kostenersparnis sollte ein zentrales Lager und eine zentrale Kaufabteilung entstehen. Die Korn Umwelttechnik sowie die Landtechnik/Nutzfahrzeuge sollten so organisiert werden, dass mit einer höheren Rentabilität gerechnet und 7 % der Kosten eingespart werden konnten. Produktion und Vertrieb von Holzzerkleinerungsmaschinen sollten fortgeführt werden(6). In Bezug auf das SEAT-Autohaus beabsichtigte das Unternehmen, die Vorräte aufzustocken, mehr Gebrauchtwagen zu verkaufen und eine größere Anzahl ausländischer Marken anzubieten.

    C. Frühere Finanzmaßnahmen

    (12) Korn gelangte zwischen Mitte 1991 und Mitte 1997 im Rahmen der ersten Umstrukturierung in den Genuss folgender Finanzmaßnahmen:

    a) ERP-Darlehen 1992 und 1993 in Höhe von insgesamt 1,23 Mio. DEM(7),

    b) EKH-Darlehen 1992 und 1994 in Höhe von insgesamt 2 Mio. DEM(8),

    c) F & E-Zuschüsse 1995 und 1996 in Höhe von insgesamt 0,06 Mio. DEM(9),

    d) Investitionszuschüsse 1993 und 1994, die nach verfügbaren Informationen auf 0,81 Mio. DEM geschätzt werden(10),

    e) Investitionszulagen zwischen 1992 und 1997, die nach verfügbaren Informationen auf 0,15 Mio. DEM geschätzt werden(11),

    f) Konsolidierungsdarlehen des Landes Thüringen in Höhe von 3 Mio. DEM 1995 auf der Grundlage einer genehmigten Beihilferegelung für die Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten(12). Diese Darlehen von bis zu 80 % wurden durch eine Bürgschaft der deutschen Ausgleichsbank in Höhe von 2,4 Mio. DEM ebenfalls im Rahmen einer genehmigten Beihilferegelung gesichert(13),

    g) Darlehen der Sparkasse Gera-Greiz von Mitte 1991 bis 1997, die nach verfügbaren Informationen auf 6 Mio. DEM geschätzt werden(14),

    h) Zuschüsse für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit 1995 und 1996 in Höhe von 0,01 Mio. DEM,

    i) Zuschüsse für die Teilnahme an Messen 1996 in Höhe von 0,01 Mio. DEM,

    j) Zuschüsse für beschäftigungsfördernde Maßnahmen 1993 und 1997 in Höhe von insgesamt 0,07 Mio. DEM.

    (13) Die Maßnahmen unter den Buchstaben a) bis e) beruhten angeblich auf genehmigten Beihilferegelungen. Bezüglich der Maßnahme unter Buchstabe f) hatte die Kommission wegen des Programms, in dessen Rahmen die Darlehen gewährt wurden, das förmliche Prüfverfahren eröffnet, weil sie den Eindruck hatte, dass das Programm missbräuchlich angewendet wurde. Darlehen aufgrund der betreffenden Beihilferegelung sollen nämlich keine längere Laufzeit als zehn Jahre haben. Im vorliegenden Falle wurden die Darlehen allerdings für über 12 Jahre gewährt. Die Maßnahmen unter den Buchstaben g) bis j) sind keine Anwendungsfälle genehmigter Beihilferegelungen.

    (14) Deutschland informierte die Kommission, dass 1994 gewährte Investitionszuschüsse in Höhe von 0,403 Mio. DEM (Maßnahme d)) zur Insolvenztabelle angemeldet wurden. Darüber hinaus hat die Sparkasse Gera-Greiz Darlehen in Höhe von 4,142 Mio. DEM zurückgefordert (Maßnahme g)). Dieselbe hat auch Konsolidierungsdarlehen in Höhe von 3 Mio. DEM zurückgefordert (Maßnahme f)).

    D. Neue Finanzmaßnahmen

    (15) Am 18. März 1998 teilte Deutschland der Kommission neue Maßnahmen in Form von Konsolidierungsdarlehen in Höhe von 3,8 Mio. DEM mit, die dem Unternehmen Korn am 15. Oktober 1997 im Rahmen einer zweiten Umstrukturierung gewährt worden waren. Die Mittel stammten aus dem Thüringer Konsolidierungsfonds für Unternehmen in Schwierigkeiten. Die diesbezügliche Regelung war von der Kommission gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c) genehmigt worden(15).

    (16) Die Modalitäten dieser Regelung sehen Folgendes vor:

    Sind für Umstrukturierungszwecke Beihilfen von mehr als 5 Mio. DEM gewährt worden, so sind diese der Kommission einzeln mitzuteilen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie im Rahmen einer anderen genehmigten Beihilferegelung gewährt wurden oder nicht. Die früheren Beihilfemaßnahmen zugunsten von Korn dienten offenbar dem Zweck der Umstrukturierung und betrugen über 5 Mio. DEM.

    Sind zuvor Rettungs- oder Umstrukturierungsbeihilfen von mehr als 2 Mio. DEM gewährt worden, so müssen diese ebenfalls bei der Kommission angemeldet werden. Falls die früheren Maßnahmen nicht in den Anwendungsbereich genehmigter Beihilferegelungen fallen, werden sie generell als Rettungs- oder Umstrukturierungsbeihilfen angesehen.

    (17) Nach den letzten Informationen Deutschlands waren diese Darlehen durch eine persönliche Bürgschaft von Herrn Korn in Höhe von 1,5 Mio. DEM besichert, und durch Abtretung der Rechte aus Herrn Korns persönlicher Versicherungspolice bis zur Höhe von 1,5 Mio. DEM, sowie auch durch Forderungsabtretungen des Unternehmens(16).

    (18) Deutschland hat die Kommission informiert, dass diese Darlehen zur Insolvenztabelle angemeldet wurden und dass Herr Korn aus seiner Bürgschaft persönlich in Anspruch genommen wurde.

    (19) Zusätzlich zu dem Betrag von 3,8 Mio. DEM sah der zweite Umstrukturierungsplan eine Verpflichtung der Sparkasse Gera-Greiz zu Zins- und Tilgungsstundungen für von ihr ausbezahlte Darlehen (Maßnahme a)) vor. Die Thüringer Aufbaubank (TAB) erklärte sich außerdem bereit, die ratenweise Rückzahlung der während der ersten Umstrukturierung gewährten Konsolidierungsdarlehen (Maßnahme f)) um drei Jahre zurückzustellen.

    E. Marktanalyse

    1. Landwirtschaftliche Maschinen und Traktoren(17)

    (20) Korn ist in den Bereichen Reparatur, Wartung, Service und Vertrieb von Traktoren und landwirtschaftlichen Maschinen sowie deren Ausrüstung und Ersatzteile tätig. Ferner entwickelt das Unternehmen Holzzerkleinerungsmaschinen.

    (21) Die Lage des europäischen landwirtschaftlichen Maschinenbaus hat sich seit 1993 wesentlich verbessert. Dabei darf jedoch die allmähliche Verschlechterung einiger wichtiger Indikatoren für diese Branche, wie die Verringerung der Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten und der zunehmende Anteil von Importen aus Drittländern, nicht übersehen werden. Mittelfristig führt diese Entwicklung zu einem allmählichen Rückgang des Umsatzes (- 19 % zu konstanten Preisen über einen Zeitraum von 10 Jahren), und infolge der kontinuierlichen Produktivitätssteigerung geht außerdem die Beschäftigung zurück.

    (22) Unter den tausend Unternehmen der Branche in Europa sind vor allem KMU zu finden. Sie sind meistens auf die Produktion bestimmter zweckgebundener Geräte spezialisiert. Dank ihrer Spezialisierung sind diese Unternehmen von den allgemeinen konjunkturellen Schwankungen weniger abhängig, reagieren jedoch empfindlicher auf lokale Krisen.

    2. Kraftfahrzeuge(18)

    (23) Korn ist außerdem im An- und Verkauf von Nutzfahrzeugen und Lastkraftwagen einschließlich Service und Verkauf von Ersatzteilen und Zubehör tätig.

    (24) Die Nachfrage nach Personenkraftwagen wird durch eine Reihe von Faktoren bestimmt, und Veränderungen bei diesen Faktoren sind für die zyklischen Absatzschwankungen in den letzten zwanzig Jahren verantwortlich. In konjunkturschwachen Zeiten ging die Zahl der Neuzulassungen im Allgemeinen stark zurück.

    (25) Die Nachfrage nach Lastkraftwagen steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der Industrieproduktion und der Investitionstätigkeit im Bereich der technischen Anlagen und Maschinen. Im Hinblick auf den Lkw-Bestand in der Gemeinschaft ist mit einer Erholung von der bisherigen rückläufigen Entwicklung zu rechnen, doch wird die allgemeine Nachfrageentwicklung in erster Linie vom Grad der Erneuerung des Fahrzeugbestands abhängen.

    (26) Was Kraftfahrzeugteile und -zubehör betrifft(19), so wird das Geschäftsklima in starkem Maße von den Konjunkturschwankungen im Automobilsektor bestimmt. Die Forderung nach verbesserter Haltbarkeit und Lebensdauer aller Kraftfahrzeugteile wirkt sich nachhaltig auf den Ersatzbedarf aus.

    3. Metallerzeugnisse(20)

    (27) Korn stellt auch Metallbehälter für die Abfallentsorgung her (Umwelttechnik). In der Gemeinschaft war rezessionsbedingt eine geringe Nachfrage nach Metallbehältern zu verzeichnen. Außerdem sieht sich die Branche mit einer verstärkten Konkurrenz aus Drittländern konfrontiert. Die Hersteller der Gemeinschaft wollen deshalb durch Diversifizierungsmaßnahmen in verwandten Segmenten Fuß fassen und haben ihre Bemühungen verstärkt, um den steigenden Anforderungen der Kunden hinsichtlich Effizienz und umweltfreundlicheren Produkten gerecht zu werden.

    (28) Im Laufe des Jahres 1995 zeigte sich in den wichtigsten Abnehmerbranchen eine stagnierende Nachfrage, deren Auswirkungen auf die Branche besonders in Deutschland spürbar wurden. Die Entdeckung, dass Metallbehälter nicht nur von außen, sondern auch von innen her korrodieren, hat den Einsatz von Kunststoffen gefördert.

    III. EINLEITUNG DES FÖRMLICHEN PRÜFVERFAHRENS

    (29) Bei der Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens vertrat die Kommission die Auffassung, dass sämtliche Maßnahmen zugunsten von Korn staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag darstellten. Wegen der sehr spärlichen Informationen war die Kommission nicht in der Lage, einige Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit den Regelungen hin zu überprüfen, auf deren Grundlage sie angeblich gewährt worden waren. Doch war bereits zu diesem Zeitpunkt klar, dass bestimmte Beihilfemaßnahmen als ad-hoc-Beihilfen gewürdigt werden mussten. Da die Beihilfen der Umstrukturierung dienen sollten, begann die Kommission damit, sie vor dem Hintergrund des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c) EG-Vertrag und der Leitlinien für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (nachstehend: Leitlinien)(21) zu untersuchen.

    (30) Die Kommission hatte ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt und vertrat die Ansicht, dass die wiederholte Gewährung von Beihilfen nicht durch die von Deutschland geltend gemachten Gründe gerechtfertigt schien. Außerdem war sie nicht davon überzeugt, daß der Umstrukturierungsplan kohärent und die Annahmen, auf denen er beruhte, realistisch waren. Sie fragte sich, ob unzumutbare Wettbewerbsverfälschungen vermieden werden könnten. Denn es lagen keine Informationen über die Kapazitätsentwicklungen von Korn vor. Da ebensowenig Informationen über die Gesamtkosten der Umstrukturierung vorlagen und Zweifel hinsichtlich des erheblichen Beitrags des Privatinvestors bestanden, konnte sich die Kommission zu der Verhältnismäßigkeit der Beihilfen nicht äußern.

    (31) Bei der Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens verlangte die Kommission am 22. Juni 1999 in einer Anordnung zur Auskunftserteilung gemäß Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags(22) eingehende Informationen über jede einzelne Maßnahme. Außerdem ordnete sie an, dass Deutschland Informationen über alle bisher unbekannten Beihilfen zugunsten des Unternehmens übermittelt.

    IV. WÜRDIGUNG

    (32) Die Kommission erlegte Deutschland in dieser Anordnung auf, innerhalb von einem Monat ausreichende Informationen für die Würdigung der zur Prüfung anstehenden Maßnahmen zu übermitteln. Auf Antrag Deutschlands wurde diese Frist bis 30. Oktober 1999 verlängert. Die anschließend übermittelten Informationen waren aber nach wie vor nicht vollständig. Deswegen stützt die Kommission gemäß Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 ihre Würdigung auf die verfügbaren Informationen.

    A. Beihilfen im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag

    (33) Die Finanzmaßnahmen zugunsten von Korn stellen staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag dar, da sie aus staatlichen Mitteln stammen und Korn Vorteile verschafft haben, die ein Unternehmen in Schwierigkeiten von einem Privatinvestor nicht erhalten hätte. Da Korn auf den sachlich relevanten Märkten in Europa Wettbewerber hat und folglich ein Handel besteht, drohen die Beihilfen den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt zu verfälschen.

    B. Beihilfemaßnahmen während der ersten Umstrukturierung

    1. Beihilfen aufgrund genehmigter Regionalbeihilferegelungen

    (34) Die EKH-Darlehen in Höhe von 2 Mio. DEM, die ERP-Darlehen in Höhe von 1,236 Mio. DEM und die F & E-Zuschüsse in Höhe von 0,067 Mio. DEM sind bestehende Beihilfen, weil sie aufgrund genehmigter Beihilferegelungen gewährt wurden. Aus diesem Grunde werden sie in dieser Entscheidung nicht untersucht, könnten aber bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden.

    2. Beihilfen außerhalb genehmigter Regionalbeihilferegelungen

    (35) Was die Investitionszuschüsse und die Investitionszulage betrifft, so belaufen sich diese offensichtlich auf insgesamt mindestens 0,96 Mio. DEM, obwohl ihr genauer Umfang immer noch nicht ganz klar ist. Angeblich wurden die betreffenden Maßnahmen aufgrund genehmigter Beihilferegelungen durchgeführt. Ihre Vereinbarkeit mit diesen Regelungen kann die Kommission jedoch nicht abschließend würdigen, da trotz ihrer Anordnung Deutschland keine ausreichenden Angaben übermittelt hat. Demnach müssen die betreffenden Beihilfen als ad-hoc-Beihilfen gewürdigt werden.

    (36) Was die Konsolidierungsdarlehen des Landes Thüringen von insgesamt 3 Mio. DEM betrifft, so hat die Kommission wegen des Programms, auf dessen Grundlage sie gewährt wurden, das Verfahren eingeleitet, weil ihr eine missbräuchliche Anwendung des Programms vorzuliegen schien(23). Obwohl die Kommission über die Vereinbarkeit des Programms noch nicht entschieden hat, kann doch festgestellt werden, dass Darlehen aufgrund dieser Beihilferegelung nur für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren gewährt werden können. Im vorliegenden Falle aber wurden die Darlehen für über zwölf Jahre gewährt. Abgesehen von der Frage der Vereinbarkeit der Regelung mit dem Gemeinsamen Markt entsprachen also die Darlehen nicht den Modalitäten des Programms und müssen demnach als ad-hoc-Beihilfen gewürdigt werden.

    (37) Die Bürgschaft von 2,4 Mio. DEM für 80 % der in Randnummer 36 erwähnten Konsolidierungsdarlehen wurde im Rahmen einer von der Kommission genehmigten Beihilferegelung übernommen. Nach den Bedingungen dieser Regelung ist jedoch die Durchführung eines Umstrukturierungsplans erforderlich, der zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität des Unternehmens führt. Die Bürgschaft muss daher als Umstrukturierungsbeihilfe gewürdigt werden. Da die Darlehen bereits zu 100 % Beihilfen darstellen, bleibt der Bürgschaftsbetrag unberücksichtigt, um eine doppelte Anrechnung zu vermeiden.

    (38) Die nachstehenden Maßnahmen wurden ohne jede genehmigte Beihilferegelung gewährt und sind daher als ad-hoc-Beihilfen zu beurteilen:

    - Darlehen der Sparkasse Gera-Greiz von Mitte 1991 bis 1997, die nach den verfügbaren Informationen auf insgesamt rund 6 Mio. DEM geschätzt werden(24).

    - Zuschüsse für Werbung/Öffentlichkeitsarbeit 1995 und 1996 in Höhe von 0,01 Mio. DEM.

    - Zuschüsse für die Teilnahme an Messen 1996 in Höhe von 0,01 Mio. DEM.

    - Zuschüsse für beschäftigungsfördernde Maßnahmen 1993 und 1997 in Höhe von insgesamt 0,07 Mio. DEM.

    (39) Darlehen und Bürgschaften für die Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten haben nach der Mitteilung der Kommission an die Mitgliedstaaten - Anwendung der Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag und des Artikels 5 der Kommissionsrichtlinie 80/723/EWG über öffentliche Unternehmen in der verarbeitenden Industrie(25) - eine Intensität von I00 %(26). Im Rahmen der Beihilfemaßnahmen der ersten Umstrukturierung muss die Kommission demnach Maßnahmen in Höhe von mindestens 10,05 Mio. DEM untersuchen.

    C. Anwendung der Ausnahme des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c) EG-Vertrag auf die während der ersten Umstrukturierung gewährten ad-hoc-Beihilfen

    (40) Die Kommission würdigt einzelne (ad hoc) staatliche Beihilfen unmittelbar gemäß Artikel 87 EG-Vertrag. Artikel 87 sieht Ausnahmen von dem Grundsatz der Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt vor. Die Ausnahmen in Artikel 87 Absatz 2 EG-Vertrag können als Grundlage dazu dienen, Beihilfen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen. Doch haben die fraglichen Beihilfemaßnahmen weder einen sozialen Charakter und werden an einzelne Verbraucher gewährt (Buchstabe a)), noch dienen sie dazu, Schäden zu beseitigen, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind (Buchstabe b)). Ebensowenig werden sie für die Wirtschaft bestimmter durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete der Bundesrepublik Deutschland gewährt (Buchstabe c)).

    (41) Weitere Ausnahmen für Regionalbeihilfen sind in Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a) und in Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c) EG-Vertrag vorgesehen. Korn liegt in einem neuen Bundesland, das in den Anwendungsbereich des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe a) fällt(27). Hauptgegenstand der Beihilfe ist allerdings die Rettung bzw. Umstrukturierung eines Unternehmens in Schwierigkeiten, nicht aber die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung des betreffenden Gebiets. Auch wenn ein erfolgreich gerettetes oder umstrukturiertes Unternehmen zur Entwicklung der Region beitragen kann, so stützt die Kommission ihre Würdigung solcher Beihilfen doch im Allgemeinen auf Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a).

    (42) Ebensowenig greifen im vorliegenden Fall die Ausnahmen des Artikels 87 Absatz 3 Buchstaben b) und d) EG-Vertrag, die Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse bzw. die Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes betreffen.

    (43) Somit bleibt lediglich die Ausnahmevorschrift des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c) EG-Vertrag. Die Würdigung der Beihilfen zugunsten der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige durch die Kommission, sofern die betreffenden Beihilfen die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, unterliegt spezifischen Gemeinschaftsrahmen. Da Deutschland die betreffenden Beihilfen ausdrücklich als Umstrukturierungsbeihilfen eingestuft hat, stützt die Kommission ihre Würdigung auf die Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten.

    (44) In den Leitlinien nennt die Kommission die Voraussetzungen fiir die Anwendung der Ausnahme des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c).

    1. Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität:

    (45) Die Gewährung von Umstrukturierungsbeihilfen setzt einen realistischen, zusammenhängenden und weitreichenden Plan zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität innerhalb eines vernünftigen Zeitraums voraus.

    (46) Die von Deutschland übermittelten Informationen enthalten Informationen über die Entwicklung der Gesellschaft von 1991 bis 1997. Demnach erzielte Korn 1994 einen geringen Jahresüberschuss, erlitt jedoch ab 1995 Verluste. Die Ergebnisse blieben trotz des Umstandes, dass das Unternehmen seit 1991 erhebliche Beihilfebeträge erhielt, weiterhin negativ. In den übermittelten Informationen ist nur andeutungsweise von einer früheren Umstrukturierung die Rede. Die Schwierigkeiten des Unternehmens werden auch nicht näher untersucht. Desgleichen fehlt ein Umstrukturierungsplan mit einer Beschreibung der betrieblichen Maßnahmen und diesbezüglichen Kosten. Auch hat Deutschland nicht erklärt, warum die Beihilfen nicht zur Förderung einer nachhaltigen Umstrukturierung verwendet worden sind, durch die die langfristige Rentabilität des Unternehmens hätte wiederhergestellt werden können.

    (47) Nach Auffassung der Kommission ist dieses Erfordernis demnach nicht erfuellt worden.

    2. Keine unzumutbaren Wettbewerbsverfälschungen

    (48) Im Zuge der Umstrukturierung müssen Maßnahmen ergriffen werden, um nachteilige Auswirkungen auf Wettbewerber nach Möglichkeit auszugleichen, da die Beihilfen sonst dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufen und nicht gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c) EG-Vertrag freigestellt werden können. Zeigt eine objektive Beurteilung der Nachfrage und Angebotsbedingungen, dass strukturelle Überkapazitäten auf dem relevanten Markt innerhalb der Gemeinschaft bestehen, auf dem der Beihilfeempfänger tätig ist, so muss der Umstrukturierungsplan einen im Verhältnis zur Beihilfe und zu den Umstrukturierungskosten stehenden Beitrag zur Umstrukturierung des betreffenden Wirtschaftszweigs durch eine endgültige Reduzierung oder Stillegung von Kapazitäten leisten.

    (49) Trotz der Anordnung zur Auskunftserteilung hat Deutschland keine aussagekräftigen Informationen über die Produktionskapazität von Korn oder die relevanten Märkte, auf denen das Unternehmen tätig ist, übermittelt. Etwaige Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Produktionskapazität herabzusetzen, werden nicht erwähnt. Dabei scheint keiner der relevanten Produktmärkte von den Überkapazitäten her völlig unproblematisch zu sein: Im Bereich der landwirtschaftlichen Maschinen entwickeln sich einige Indikatoren wie Beschäftigung und Einfuhren ungünstig. Die einzelnen Segmente des Kraftfahrzeugsektors sind äußerst konjunkturabhängig, und auf dem Markt für Metallbehälter könnten aufgrund des erhöhten Einsatzes alternativer Werkstoffe, wie Kunststoff, Veränderungen eintreten. Die Kommission kann also nicht beurteilen, ob ausreichende Maßnahmen ergriffen wurden, um die nachteiligen Auswirkungen auf Konkurrenten nach Möglichkeit auszugleichen. Da Wettbewerbsverfälschungen demnach nicht ausgeschlossen werden können, werden die Leitlinien in diesem Punkte ebenfalls nicht erfuellt.

    3. Verhälrnis zu Kosten und Nutzen der Umstrukturierung

    (50) Umfang und Intensität der Beihilfen müssen sich auf das fiir die Umstrukturierung notwendige Mindestmaß beschränken und in einem angemessenen Verhältnis zu dem aus Gemeinschaftssicht erwarteten Nutzen stehen. Außerdem müssen die Beihilfeempfänger einen erheblichen Beitrag zu den Umstrukturierungskosten leisten. Da ein Umstrukturierungsplan nicht vorliegt, ist eine diesbezügliche Würdigung nicht möglich. Es fehlen insbesondere Angaben über einen Beitrag des Investors während der ersten Umstrukturierung.

    (51) Die Kommission vertritt die Auffassung, dass sich derart umfangreiche Beihilfen insoweit hätten auf die Liquidität auswirken können, als dem Unternehmen auf diese Weise überschüssige Liquidität zugeflossen ist, die es zu einem aggressiven und marktverzerrenden Verhalten hätte verwenden können.

    (52) Demnach gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die im Rahmen der ersten Umstrukturierung gewährten Beihilfen nicht gerechtfertigt waren, da kein Umstrukturierungsplan vorlag, der den Anforderungen der gemeinschaftlichen Leitlinien gerecht wurde. Demnach sind diese Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

    D. Neue Beihilfemaßnahmen während der zweiten Umstrukturierung

    (53) Im Rahmen der neuen Umstrukturierung erhielt Korn Konsolidierungsdarlehen in Höhe von 3,8 Mio. DEM. Diese Darlehen stützen sich auf ein Regionalbeihilfeprogramm Thüringens(28), bei dem es sich um eine von der Kommission genehmigte Beihilferegelung für die Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten handelt, die die vollständige Durchführung eines Umstrukturierungsplans verlangt, der den Anforderungen der gemeinschaftlichen Leitlinien entspricht. Demnach handelt es sich bei den Darlehen um Umstrukturierungsbeihilfen.

    (54) Gemäß den zuletzt mitgeteilten Informationen Deutschlands wurden diese Darlehen durch eine persönliche Bürgschaft von Herrn Korn in Höhe von 1,5 Mio. DEM besichert, für die er auch persönlich in Anspruch genommen wurde. Da der Gesamtwert der verbleibenden Sicherheiten unklar ist und gemäß den vorliegenden Informationen auch nicht in Anspruch genommen wurde, kann die Kommission sie nicht als Beitrag eines Privatinvestors betrachten und auch nicht als eine Verminderung des oben berechneten Beihilfeaequivalents. Deshalb werden 2,3 Mio. DEM des genannten Darlehens als staatliche Beihilfe betrachtet.

    (55) Die Sparkasse Gera-Greiz und die TAB stellten im Rahmen der gegenwärtigen Umstrukturierung die Rückzahlung der von ihnen gewährten Darlehen einschließlich Zinsen um drei Jahre zurück. Da diese Stundungen aber Darlehen betreffen, die im Rahmen der ersten Umstrukturierung gewährt worden sind und die zu 100 % aus Beihilfen bestehen, bleiben sie unberücksichtigt, um eine doppelte Anrechnung zu vermeiden.

    E. Anwendung der Ausnahme des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c) EG-Vertrag auf die während der zweiten Umstrukturierung gewährten Beihilfen

    (56) Da keine andere Ausnahme vom allgemeinen Beihilfeverbot des Artike1s 87 Absatz 1 EG-Vertrag einschlägig ist, müssen die neuen Beihilfemaßnahmen nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c) EG-Vertrag und nach den Leitlinien gewürdigt werden. Nach den Leitlinien gilt der allgemeine Grundsatz, dass Beihilfemaßnahmen nur einmal gewährt werden. Für die wiederholte Gewährung von Beihilfen müssen Gründe vorliegen, die auf externe, unvorhersehbare Faktoren zurückzuführen sind, für die das Unternehmen keinesfalls verantwortlich gemacht werden kann.

    (57) Die von Deutschland genannten Gründe zur Rechtfertigung der wiederholten Gewährung von Umstrukturierungsbeihilfen sind die seit 1993 aufgrund von Produkthaftungsklagen angefallenen Verluste. Der einzige andere Grund, der vorgebracht wurde, ist die Unmöglichkeit für das Unternehmen, eines seiner selbstentwickelten Erzeugnisse zu verkaufen. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass beide Gründe unmittelbar im Einflussbereich des Unternehmens lagen und nicht als "extern" bezeichnet werden können. Die Voraussetzungen für eine wiederholte Beihilfegewährung werden demnach nicht erfuellt. Eine verzerrende Auswirkung auf den relevanten Markt des Beihilfeempfängers kann daher nicht ausgeschlossen werden. Diese Feststellungen reichen als solche aus, um wegen der fehlenden Übereinstimmung der Beihilfen mit den Leitlinien fiir Umstrukturierungsbeihilfen auf deren Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt zu schließen.

    (58) Die Kommission hat aber auch die anderen Bedingungen der Ziffer 3.2 der Leitlinien untersucht, um festzustellen, inwieweit die langfristige Rentabilität des Unternehmens aufgrund des Umstrukturierungsplans wiederhergestellt werden kann, ob unzumutbare Wettbewerbsverfälschungen vermieden werden, ob die Beihilfen in einem angemessenen Verhältnis zu Kosten und Nutzen der Umstrukturierung stehen und ob der Plan vollständig durchgeführt wird.

    1. Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität

    (59) Die Umstellung des Unternehmens auf drei neue Geschäftsfelder und die Organisation dieser Geschäftsfelder werden im Betriebsplan nur sehr kurz beschrieben. Die Berechnungen enthalten mehr Einzelheiten. Der neue Plan erstreckt sich auf die Jahre 1997 bis 2000. Nach den Finanzdaten dürfte Korn bereits innerhalb eines Jahres nach der Durchführung des neuen Plans in der Lage sein, seine Verluste zu decken und einen Jahresüberschuss zu erzielen. Den von Deutschland übermittelten Informationen zufolge entsprechen die Umsatzsteigerungen 1998 tatsächlich fast dem Darlehensbetrag(29). Der neuesten Rechtsprechung zufolge sollten außergewöhnliche Erträge in Form von Beihilfen im Hinblick auf die Wiederherstellung der Rentabilität nicht berücksichtigt werden(30). Die neue Beihilfe dient lediglich der Verlustdeckung.

    (60) Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die Probleme des Unternehmens im Umstrukturierungsplan nicht eingehend genug beschrieben worden sind. Das gleiche gilt für die betrieblichen Maßnahmen. Sie stellt fest, dass das zweite Beratungsunternehmen die Schlussfolgerungen des ersten Beratungsunternehmens bezüglich der zur Wiederherstellung der Lebensfähigkeit des Unternehmens notwendigen Maßnahmen nicht teilt. Die Bewertungen fallen insbesondere unterschiedlich aus, was die Struktur des Unternehmens und den Anteil der Vermarktung an den künftigen Erträgen betrifft. Im Übrigen bestehen keine einheitlichen Ansichten über die künftige Rentabilität des Unternehmens. Schließlich läßt sich keine klare Verbindung zwischen den betrieblichen Maßnahmen in den neuen Geschäftsfeldern und den Finanzplanberechnungen herstellen. Die zugrundeliegenden Annahmen wurden kaum erklärt.

    (61) Aus diesem Grunde kann die Kommission die Auffassung Deutschlands nicht teilen, wonach durch den Umstrukturierungsplan die Lebensfähigkeit des Unternehmens wiederhergestellt wird.

    2. Keine unzumutbaren Wettbewerbsverfälschungen

    (62) Die Beihilfeempfänger dürfen die Beihilfen nicht verwenden, um ihre Kapazitäten heraufzusetzen, und bei sektoralen Überkapazitäten wird ein Kapazitätsabbau erwartet. Obwohl die Kommission in einer Anordnung zur Auskunftserteilung diesbezüglich ausdrücklich um Angaben gebeten hat, ist die Kapazitätsentwicklung des Unternehmens zum einen nicht beschrieben worden und enthielt der Umstrukturierungsplan zum anderen keine Maßnahme, die zu einer Reduzierung der Produktionskapazität des Unternehmens führen könnte. Unter Berücksichtigung der Ausführungen über die relevanten Produktmärkte und die etwaigen Kapazitätsprobleme in den Bereichen landwirtschaftliche Maschinen, Kraftfahrzeuge und Metallbehälter kann die Kommission unzumutbare Wettbewerbsverfälschungen nicht ausschließen.

    3. Verhältnis zu Kosten und Nutzen der Umstrukturierung

    (63) Der Umstrukturierungsplan enthält keine Angaben über die Gesamtkosten der Umstrukturierung. Deswegen kann die Kommission auch nicht prüfen, ob die Beihilfe in einem angemessenen Verhältnis zu den Umstrukturierungskosten steht. Ebensowenig kann sie prüfen, ob sich die Beihilfe auf das für die Umstrukturierung notwendige Mindestmaß beschränkt.

    (64) Gemäß den zuletzt übermittelten Angaben wurden Teile der im Rahmen der zweiten Umstrukturierung gewährten Darlehen u. a. durch eine private Sicherheit des Investors R. Korn in Höhe von 1,5 Mio. DEM gesichert. Diese Sicherheit wurde in Anspruch genommen. Dieser Betrag wird mithin als Beitrag eines Privatinvestors betrachtet(31). Ohne eine Übersicht über sämtliche Umstrukturierungskosten kann die Kommission jedoch nicht prüfen, ob der Beitrag des Investors in einem angemessenen Verhältnis zu den Gesamtkosten steht.

    (65) Auf jeden Fall stellt die Kommission aber fest, dass ein hypothetischer Verkaufspreis eines geplanten MBO (das niemals stattfand) nicht als ein signifikanter Beitrag des Investors im Sinne der Leitlinien akzeptiert werden kann, wenn dies nicht durch umfassende Auskünfte über realistische Annahmen belegt wird. Die für Korn vorliegenden Informationen scheinen darauf hinzudeuten, dass das MBO mit der finanziellen Unterstützung des Staates geplant war.

    (66) Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass sie aufgrund fehlender Informationen nicht in der Lage ist, sich zur Verhältnismäßigkeit der Beihilfe zu äußern. Das diesbezügliche Erfordernis der Gemeinschaftlichen Leitlinien wird demnach nicht erfuellt.

    4. Vollständige Durchführung des Umstrukturierungsplans

    (67) Am 8. November 1999 eröffnete das Amtsgericht Gera das Insolvenzverfahren über das Unternehmen. Dies bestätigt die Zweifel der Kommission hinsichtlich der Wiederherstellung der Rentabilität.

    (68) Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass die im Rahmen der zweiten Umstrukturierung gewährten Beihilfen nicht gerechtfertigt waren, da keine unvorhersehbaren und externen Faktoren der Grund für die Schwierigkeiten des Unternehmens waren und der Umstrukturierungsplan nicht vollständig ist, somit also die diesbezüglichen Anforderungen der gemeinschaftlichen Leitlinien nicht erfuellt wurden. Nach Auffassung der Kommission sind die neuen Beihilfen daher mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

    V. SCHLUSSFOLGERUNGEN

    (69) Die Kommission stellt fest, dass Deutschland die Beihilfen zugunsten von Korn in Zuwiderhandlung gegen Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag rechtswidrig gewährt hat. Auf der Grundlage ihrer Würdigung gelangt sie zu dem Schluss, dass die Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind, da sie die Voraussetzungen der Leitlinien nicht erfuellen. Die während der ersten Umstrukturierung gewährten Beihilfen sind aufgrund des fehlenden Umstrukturierungsplans unvereinbar. Die zweite Gewährung von Umstrukturierungsbeihilfen wird nicht durch unvorhersehbare, externe Faktoren, die das Unternehmen beeinträchtigt hätten, rechtgefertigt, und der Umstrukturierungsplan steht nicht im Einklang mit den in den Leitlinien aufgeführen Krtierien -

    HAT FOLGENDE ENTSCHEIDUNG ERLASSEN:

    Artikel 1

    Die Beihilfen Deutschlands zugunsten der Korn Fahrzeuge und Technik GmbH in Höhe von mindestens 6,31 Mio. EUR (12,35 Mio. DEM) sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar. Diese Beihilfen setzen sich wie folgt zusammen:

    - Investitionszuschüsse von 1993 und 1994, die sich nach verfügbaren Informationen auf schätzungsweise 0,81 Mio. DEM belaufen.

    - Investitionszulagen von 1992 bis 1997, die sich nach verfügbaren Informationen auf schätzungsweise 0,15 Mio. DEN belaufen.

    - Konsolidierungsdarlehen Thüringens in Höhe von 3 Mio. DEM im Jahre 1995.

    - Darlehen der Sparkasse Gera-Greiz von Mitte 1991 bis 1997, die sich nach verfügbaren Informationen auf schätzungsweise insgesamt rund 6 Mio. DEM belaufen.

    - Zuschüsse für Öffentlichkeitsarbeit 1995 und 1996 in Höhe von 0,01 Mio. DEM.

    - Zuschüsse fiir die Teilnahme an Messen 1996 in Höhe von 0,01 Mio. DEM.

    - Zuschüsse für beschäftigungsfördernde Maßnahmen 1993 und 1997 in Höhe von insgesamt 0,07 Mio. DEM.

    - Konsolidierungsdarlehen Thüringens in Höhe von 2,3 Mio. DEM im Jahre 1997.

    Artikel 2

    (1) Deutschland ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die in Artikel 1 genannten, rechtswidrig zur Verfügung gestellten Beihilfen und alle anderen Beihilfen an die Korn Fahrzeuge und Technik GmbH für Umstrukturierungszwecke, die wegen fehlender bzw. unklarer Informationen Deutschlands in Artikel 1 nicht näher beschrieben werden konnten, zurückzufordern.

    (2) Die Rückforderung der Beihilfe erfolgt unverzüglich nach den nationalen Verfahren, sofern diese die sofortige, tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung ermöglichen. Die zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen von dem Zeitpunkt an, ab dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung. Die Zinsen werden auf der Grundlage des für die Berechnung des Subventionsäquivalents der Regionalbeihilfe verwendeten Bezugssatzes berechnet.

    Artikel 3

    Deutschland teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die ergriffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen.

    Artikel 4

    Diese Entscheidung ist an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet.

    Brüssel, den 23. Februar 2000

    Für die Kommission

    Mario Monti

    Mitglied der Kommission

    (1) ABl. C 233 vom 14.8.1999, S. 29.

    (2) "Richtlinie des Freistaates Thüringen für die Übernahme von Bürgschaften und Garantien zugunsten der Wirtschaft und der freien Berufe durch die TAB" (Beihilfe N 117/96, ABl. C 288 vom 23.9.1997).

    (3) ABl. C 213 vom 27.7.1996, S. 4.

    (4) SG(92) D/17613 vom 8. Dezember 1992, eingetragen unter NN 108/91. Gemäß dem THA-Regime wird der Erlass von Altschulden, die von der zufälligen Zuordnung von Kosten in einer Planwirtschaft herrühren, und welche vor dem 1. Juli 1990 entstanden sind, nicht als staatliche Beihilfe aufgefasst.

    (5) In seinen Antworten vom 4. September 1998 erklärte Deutschland, dass das Geschäftsfeld Landtechnik/Nutzfahrzeuge wegen ungenügender Umsätze und Gewinne nicht einfach zu verkaufen ist. Der Verkauf des SEAT-Autohauses verzögerte sich. Dies ließ Zweifel an der Glaubwürdigkeit des MBO aufkommen.

    (6) Dem Unternehmen ist es nicht gelungen, dieses neue Produkt am Markt einzuführen.

    (7) "European Recovery Programm - Darlehen zur Förderung der Existenzgründung" (NN 31/92, ABl. C 298 vom 14.11.1992, S. 4, und N 391/93, ABl. C 257 vom 22.9.1993, S. 4).

    (8) "Eigenkapitalhilfeprogramme" (NN 143/91, ABl. C 21 vom 27.11.1991, S. 21 und N 213/93, ABl. C 302 vom 9.11.1993, S. 6).

    (9) "Innovationsförderprogramme" (N 236/96, ABl. C 25 vom 25.1.1997).

    (10) Gemeinschaftsaufgabe (GA)-Mittel von Thüringen für die Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Maßnahmen aufgrund dieser Regelung gelten als regionale Investitionsbeihilfen im Anwendungsbereich des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag und wurden von der Kommission aufgrund der Ausnahme des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe a) EG-Vertrag genehmigt.

    (11) Investitionszulagengesetz: Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes gelten als regionale Investitionsbeihilfen im Anwendungsbereich des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag und wurden von der Kommission aufgrund der Ausnahme des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe a) EG-Vertrag genehmigt.

    (12) Die Kommission hat wegen dieser Regelung das förmliche Prüfverfahren eröffnet: "Unrichtige Anwendung der 'de-minimis'-Regelung im Rahmen des Thüringer Darlehensprogramms für KMU" (C 87/98, ABl. C 108 vom 17.4.1999).

    (13) "Richtlinie des Freistaates Thüringen für die Übernahme von Bürgschaften und Garantien zugunsten der Wirtschaft und der freien Berufe durch die TAB" (N 117/96, ABl. C 288 vom 23.9.1997).

    (14) Die zuletzt von Deutschland übermittelten Informationen zeigen auf, daß diese Darlehen durch mehrere Forderungsabtretungen des Unternehmens, sowie durch eine Risiko-Lebensversicherung von Herrn und Frau Korn (unbekannten Werts) besichert waren. Obwohl einige dieser Darlehen zur Insolvenztabelle angemeldet wurden, wurde keine dieser Sicherheiten in Anspruch genommen.

    (15) Beihilfe Nr. NN 74/95, SG(96) D/1946 vom 6. Februar 1996.

    (16) Die Höhe dieser Verpflichtungen ist nicht bekannt, noch ist bekannt, ob sie in Anspruch genommen wurden.

    (17) Panorama der EU-Industrie 1997, Bd. 2, 13-32; NACE (Revision 1) 29.31, 29.32.

    (18) Panorama der EU-Industrie 1997, Bd. 2, 17-8; NACE (Revision 1) 34.1, 34.2.

    (19) Panorama der EU-Industrie 1997, Bd. 2, 17-19; NACE (Revision 1) 34.3.

    (20) Panorama der EU-Industrie 1997, Bd. 2, 12-152; NACE (Revision 1) 28.21.

    (21) ABl. C 368 vom 23.12.1994, S. 12.

    (22) ABl. L 83 vom 27.3.1999, S. 1.

    (23) C 87/98, ABl. C 108 vom 17.4.1999.

    (24) Gemäß den verfügbaren Informationen sind diese Darlehen durch mehrere Sicherheiten gedeckt. Deren Wert wurde jedoch nicht genannt. Da die Werte der Sicherheiten unbekannt sind und sie auch, wie es scheint, nicht in Anspruch genommen wurden, entspricht das Beihilfeaequivalent zu 100 % der Darlehenshöhe.

    (25) ABl. C 307 vom 13.11.1993, S. 3.

    (26) Vergl. auch Mitteilung der Kommission - Anwendung der Artikel 92 und 93 des EG-Vertrags sowie des Artikels 61 des EWR-Abkommens auf staatliche Beihilfen im Luftwerk, Nummer 33 (ABl. C 350 vom 10.121994, S. 5)

    (27) Siehe Entscheidung der Kommission über die Beihilfe N 464/93.

    (28) NN 747/95, SG(96) D/194 vom 6. Februar 1996.

    (29) Einer der Gründe Deutschlands für die wiederholte Gewährung von Beihilfen war, dass sich der Umsatz und das Betriebsergebnis 1998 im Vergleich zu den Vorjahren aufgrund der Darlehen aus dem Thüringer Konsolidierungsfonds und aufgrund der Bürgschaft eindeutig verbessert hatten.

    (30) Urteil des Gerichts erster Instanz vom 15. September 1998 in den Rechtssachen T-126/96 und T-127/96, BFM und EFIM/Kommission, Slg. 1998. III-3437.

    (31) Die übrigen Sicherheiten zur Deckung dieser Darlehen wurden nicht in Anspruch genommen. Die Kommission stellt auch fest, dass einige dieser Sicherheiten, z. B. die Rechte aus Herrn Korns Versicherungspolice sowie die Forderungsabtretungen des Unternehmens, bereits zur Sicherung der Darlehen der Sparkasse Gera-Greiz gedient hatten.

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