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Document 52013IP0007

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Januar 2013 zu Entwicklungsaspekten der Rechte des geistigen Eigentums in Bezug auf genetische Ressourcen: Auswirkungen auf die Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern (2012/2135(INI))

ABl. C 440 vom 30.12.2015, p. 55–61 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

30.12.2015   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 440/55


P7_TA(2013)0007

Entwicklungsaspekte der Rechte an geistigem Eigentum in Bezug auf genetische Ressourcen

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Januar 2013 zu Entwicklungsaspekten der Rechte des geistigen Eigentums in Bezug auf genetische Ressourcen: Auswirkungen auf die Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern (2012/2135(INI))

(2015/C 440/07)

Das Europäische Parlament,

in Kenntnis des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) von 1992,

in Kenntnis des Protokolls von Nagoya zum CBD von 2010 über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile,

in Kenntnis des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft von 2001,

in Kenntnis des Vertrags über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens von 2002,

in Kenntnis der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker, die am 13. September 2007 von der Generalversammlung angenommen wurde,

in Kenntnis des ILO-Übereinkommens Nr. 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker von 1989,

in Kenntnis des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) in der am 19. März 1991 in Genf angenommenen Neufassung,

in Kenntnis des WTO-Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums von 1995,

in Kenntnis des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGR) von 2002 und das WHO-Rahmenübereinkommen bezüglich Grippeviren von 2011,

unter Hinweis auf die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (1),

unter Hinweis auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Oktober 2010 zu den strategischen Zielen der EU für die 10. Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) in Nagoya (Japan) vom 18. bis 29. Oktober 2010 (2),

in Kenntnis der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen mit dem Titel „Lebensversicherung und Naturkapital: Eine Biodiversitätsstrategie der EU für das Jahr 2020“ (COM(2011)0244),

in Kenntnis der Aktivitäten und Berichte des zwischenstaatlichen Ausschusses für geistiges Eigentum, genetische Ressourcen, traditionelles Wissen und Folklore der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO),

in Kenntnis des Sitzungsberichts der Gruppe technischer und juristischer Sachverständiger über traditionelles Wissen im Zusammenhang mit genetischen Ressourcen im Rahmen der internationalen Regelung über den Zugang und den Vorteilsausgleich von 2009 (UNEP/CBD/WG-ABS/8/2),

in Kenntnis der vom Entwicklungsausschuss des Europäischen Parlaments in Auftrag gegebenen Studie mit dem Titel „Rechte des geistigen Eigentums in Bezug auf genetische Ressourcen und Bekämpfung von Armut“ von 2011,

in Kenntnis der Ramsar-Konvention von 1971 über Feuchtgebiete,

in Kenntnis des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen von 1973 (CITES),

gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,

in Kenntnis des Berichts des Entwicklungsausschusses und der Stellungnahmen des Ausschusses für internationalen Handel und des Haushaltsausschusses (A7-0423/2012),

A.

in der Erwägung, dass 70 % der in ländlichen und städtischen Gegenden lebenden Armen dieser Welt hinsichtlich ihres Überlebens und Wohlbefindens direkt von der biologischen Vielfalt abhängig sind;

B.

in der Erwägung, dass die Hauptziele des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) darin bestehen, die Erhaltung und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt zu fördern und gegen die Hindernisse, die ihre Nutzung verhindern, anzugehen;

C.

in der Erwägung, dass die Bereitsteller von genetischen Ressourcen und diejenigen, die über damit zusammenhängendes traditionelles Wissen verfügen, oft Entwicklungsländer mit großer biologischer Vielfalt sind;

D.

in der Erwägung, dass die nationalen Gesetze über den Zugang zu genetischen Ressourcen und den Vorteilsausgleich (ABS, access and benefit sharing), die im Zuge des CBD-Prozesses erlassen wurden, als Reaktion auf Bioprospektion und Biopiraterie entstanden sind;

E.

in der Erwägung, dass der Begriff „Biopiraterie“ für gewöhnlich als Praxis der Industrie zur Privatisierung und Patentierung des traditionellen Wissens oder genetischer Ressourcen indigener Völker ohne Genehmigung oder Entschädigung der Ursprungsländer definiert wird;

F.

in der Erwägung, dass das CBD Bioprospektoren vorschreibt, von Ursprungsländern oder lokalen und indigenen Gemeinschaften eine „vorherige Zustimmung nach Inkenntnissetzung“ (PIC, prior informed consent) einzuholen, „einvernehmlich vereinbarte Bedingungen“ (MAT, mutually agreed terms) mit ihnen auszuhandeln und hinsichtlich der Bioprospektion einen Vorteilsausgleich mit Ursprungsländern und -gemeinschaften vorzunehmen;

G.

in der Erwägung, dass das System des Zugangs und Vorteilsausgleichs (ABS), das im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt entsteht, komplementär zur WTO und ihren Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen), der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), dem Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) funktioniert;

H.

in der Erwägung, dass die ABS-Governance sich auch in einer Reihe von Menschenrechtsinstrumenten findet, einschließlich der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte von 1966 und des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966;

I.

in der Erwägung, dass Artikel 27 Absatz 3 Buchstabe b des TRIPS-Übereinkommens der WTO Regierungen dazu ermächtigt, Pflanzen, Tiere und „rein“ biologische Verfahren von der Patentierbarkeit auszuschließen, während Mikroorganismen sowie nichtbiologische und mikrobiologische Verfahren zur Patentierung zugelassen sind;

J.

in der Erwägung, dass die Biodiversität eine breite Palette von Ökosystemleistungen bereitstellt, z. B. lokale Wasserversorgung, Ernährung, Rohstoffe für die Sicherung des Lebensunterhalts und die Klimaregulierung; und in der Erwägung, dass die Umweltschädigung neue Herausforderungen für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung zahlreicher Arten und genetischer Ressourcen als Grundlage für Ernährungssicherheit und nachhaltige landwirtschaftliche Entwicklung schafft;

K.

in der Erwägung, dass der Internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGR), der im Rahmen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ausgehandelt wurde, im Einklang mit dem CBD auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen in Ernährung und Landwirtschaft und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile abzielt;

L.

in der Erwägung, dass die OECD-Mitglieder sehr stark auf ausländische genetische Ressourcen, insbesondere für Kulturpflanzen, angewiesen sind, weshalb die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Erhaltung und der nachhaltigen Nutzung von genetischen Ressourcen unbedingt notwendig ist;

M.

in der Erwägung, dass Schätzungen zufolge drei Viertel der Weltbevölkerung auf traditionelle Naturmedizin angewiesen sind und ca. die Hälfte der synthetisch hergestellten Medikamente aus Naturprodukten stammen;

N.

in der Erwägung, dass mehrere internationale Übereinkommen und Vereinbarungen, darunter das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD), der Internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGR), die UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker (UNDRIP) und die UNESCO-Konvention zum Schutz des immateriellen Kulturerbes traditionelles Wissen zum Gegenstand haben;

O.

in der Erwägung, dass die Vertragsparteien nach Artikel 8 Buchstabe j des CBD verpflichtet sind, traditionelles Wissen zu respektieren, zu bewahren und zu pflegen und eine ausgewogene Aufteilung der sich aus der Nutzung dieses Wissens ergebenden Vorteile zu fördern;

P.

in der Erwägung, dass in der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker von 2007 deren Recht, ihr traditionelles Wissen zu erhalten, zu überwachen, zu schützen und weiterzuentwickeln, bekräftigt wird;

Q.

in der Erwägung, dass die WIPO-Generalversammlung den zwischenstaatlichen Ausschuss 2009 angewiesen hat, ein internationales Instrument zu entwickeln, um genetische Ressourcen, traditionelles Wissen und Folklore zu schützen;

I.    Artenvielfalt und Millenniums-Entwicklungsziele

1.

weist darauf hin, dass zwischen dem Schutz der biologischen Vielfalt und dem Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele, insbesondere des Millenniums-Entwicklungsziels 1, nämlich der Ausmerzung der extremen Armut und des Hungers; eine direkte Verbindung besteht; betont, wie wichtig eine gesunde biologische Vielfalt sowie ein gesundes Ökosystem unter dem Blickwinkel der nachhaltigen Entwicklung für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei ist;

2.

betont, dass das CBD beträchtlich von anderen internationalen Umweltverträgen abweicht, da Ausgewogenheit, Gerechtigkeit und Rechtmäßigkeit bei der Erhaltung und der Nutzung der biologischen Vielfalt eine explizite, wesentliche Rolle spielen;

3.

betont, dass es zwar keine allgemein anerkannte Definition für den Begriff „Biopiraterie“ gibt, dieser sich jedoch auf die Zweckentfremdung und/oder die unerlaubte kommerzielle Ausnutzung von traditionellem Wissen und genetischen Ressourcen beziehen kann, und dass weitere Maßnahmen zur Klärung und Konsolidierung der Rechtsterminologie erforderlich sind, insbesondere im Hinblick auf eine Definition des Begriffs „Biopiraterie“ auf der Grundlage zuverlässiger Daten;

4.

weist auf die Herausforderungen hin, mit denen Entwicklungsländer aufgrund von Rechten des geistigen Eigentums an genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen hinsichtlich des Zugangs zu Arzneimitteln, der Herstellung von Generika und des Zugangs von Landwirten zu Saatgut konfrontiert sind; betont dementsprechend, dass die Handelspolitik der EU im Zusammenhang mit den Rechten des geistigen Eigentums mit dem im EU-Vertrag verankerten Ziel der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung in Einklang stehen muss;

5.

erinnert daran, dass das CBD und das Nagoya-Protokoll den Hauptrahmen für die Governance bezüglich des ABS bilden; merkt an, dass die Governance in Bezug auf Rechte des geistigen Eigentums, genetische Ressourcen und die Armutsbekämpfung auch WTO, FAO, WHO und WIPO betreffen, wodurch sich weitere Herausforderungen bezüglich der Sicherstellung eines kohärenten Ansatzes für deren Unterstützung des CBD-Prozesses ergeben; fordert nachdrücklich, dass diese internationalen Institutionen den CBD-Prozess unterstützen und ihn nicht unterlaufen;

6.

bekräftigt, dass es die Meilensteine respektiert, die in Bezug auf den internationalen Schutz der Rechte indigener Völker auf ihre genetischen und sonstigen Ressourcen und ihr entsprechendes traditionelles Wissen — welche in der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker, im ILO-Übereinkommen Nr. 169, in Artikel 8 Buchstabe j des Übereinkommens über die biologische Vielfalt sowie im Protokoll von Nagoya verankert sind — festgelegt wurden; äußert sich besorgt über die genetische Verarmung, die eine Folge der fast ausschließlichen Beherrschung des Marktes durch industriell erzeugtes Saatgut ist, d. h. Saatgut, das zum Nachteil traditioneller Saatgutsorten durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt ist;

Landwirtschaft und Gesundheit

7.

weist darauf hin, wie wichtig eine große Auswahl an pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (GRFA) zur Gewährleistung besserer Ökosystemleistungen ist; betont, dass die Verwendung von GRFA für die Ernährungssicherheit, die Nachhaltigkeit in den Bereichen Landwirtschaft und Umwelt sowie zur Bekämpfung des Klimawandels unentbehrlich ist;

8.

weist darauf hin, dass die Erreichung des Millenniums-Entwicklungsziels 1 u. a. davon abhängt, wie wir landwirtschaftliche Ökosysteme bewirtschaften; betont in diesem Zusammenhang, dass eine Reduzierung der möglichen negativen Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt eine große pflanzengenetische Vielfalt erfordert, um bessere Ökosystemleistungen sicherstellen zu können, die Kulturpflanzenvielfalt es insbesondere aber auch armen und Kleinlandwirten ermöglicht, ihre Ernährung und ihre Einkommen zu diversifizieren; betont ebenso, dass die pflanzengenetische Vielfalt die Widerstandsfähigkeit in Bezug auf den Klimawandel verbessert;

9.

weist darauf hin, dass wilde Arten von Kulturpflanzen, die für die Ernährungssicherheit der Mitgliedstaaten der EU wichtig sind, in Entwicklungsländern weit verbreitet sind; fordert die EU auf, im Rahmen des UPOV-Übereinkommens auf die Einführung von Gesetzen, die negative Auswirkungen auf die Abhängigkeit der Landwirte von geerntetem Saatgut haben könnten, zu verzichten, da dies das Recht auf Nahrung in den Entwicklungsländern verletzen würde;

10.

erinnert daran, dass Ausnahmeregelungen für Landwirte nach dem UPOV-Übereinkommen von besonderer Bedeutung für Entwicklungsländer sind, weil sie den Landwirten die Möglichkeit einräumen, Saatgut aus Neuzüchtungen aufzubewahren und für ihre Ernährung wieder auszusäen (wodurch die Ernährungssicherheit verbessert wird); bedauert jedoch, dass es zwar im Interesse der Entwicklungsländer wäre, Ausnahmeregelungen bezüglich der Rechte von Pflanzenzüchtern beizubehalten und zu erweitern, die Rechte der Landwirte in mehreren aufeinander folgenden Reformen des UPOV-Übereinkommens jedoch geschwächt wurden;

11.

stellt fest, dass die FAO eine führende Rolle bei der Entwicklung spezieller ABS-Regelungen im Bereich der Ernährung und Landwirtschaft einnimmt; ruft die EU dazu auf, die Bedürfnisse der Entwicklungsländer hinsichtlich der Sicherung eines angemessenen Vorteilsausgleichs in allen neuen sektoralen Mechanismen/Instrumenten im Rahmen der FAO sowie hinsichtlich der Sicherstellung der Vereinbarkeit und einer Erweiterung der Synergieeffekte mit dem CBD und dessen Nagoya-Protokoll zu unterstützen;

12.

weist darauf hin, dass genetische Ressourcen unter anderem in Form von Kräuterarzneien erheblich zur pharmazeutischen Forschung und Entwicklung und einem besseren Zugang zu Arzneimitteln beitragen; bekräftigt, dass Rechte des geistigen Eigentums den Zugang zu erschwinglichen Arzneimitteln nicht behindern dürfen, insbesondere, wenn sich diese Rechte auf genetische Ressourcen aus Entwicklungsländern stützen;

13.

ruft die EU gemäß dem Grundsatz der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung auf, Entwicklungsländer und vor allem die am wenigsten entwickelten Länder nicht dazu zu drängen, durch bilaterale Vereinbarungen weitreichende Normen im Bereich der Rechte des geistigen Eigentums, beispielsweise im Zusammenhang mit Saatgut und Arzneimitteln, zu akzeptieren;

14.

betont, dass die Bekämpfung der Biopiraterie die Umsetzung und Ausweitung der bestehenden Vereinbarungen über den multilateralen Zugang und den Vorteilsausgleich in den Bereichen Landwirtschaft und Gesundheit erfordert, etwa des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGR), zum Beispiel indem neue Möglichkeiten der Mittelbeschaffung für den Vorteilsausgleichsfonds erkundet werden, oder des Regierungstreffens der WHO zur Vorsorge gegen eine Influenzapandemie;

15.

ist der Ansicht, dass künftige bilaterale Abkommen und multilaterale Übereinkommen mit dem Ziel der Harmonisierung, insbesondere jene über den Umfang der Ausnahmen und Einschränkungen von Patentrechten, sorgfältig unter dem Blickwinkel der Entwicklung zu prüfen sind, um globale Gerechtigkeit im Gesundheitswesen im Sinne der Umsetzung von Absatz 6 der Erklärung von Doha über das TRIPS-Übereinkommen zu schaffen, lokales Wissen zu bewahren und hinsichtlich der Rechte von Pflanzenzüchtern den Zugang zu Saatgut sicherzustellen;

II.    Rechte indigener und lokaler Gemeinschaften bezüglich traditionellen Wissens

16.

stellt fest, dass traditionelles Wissen das Wissen bezeichnet, über das spezifische indigene und lokale Gemeinschaften verfügen und das von verschiedenen Gesellschaftsschichten einer bestimmten Region oder eines bestimmten Landes geteilt wird; betont, dass traditionelles Wissen „immaterielle Werte“ beinhaltet, und dass die Erhaltung des Kulturerbes in allen seinen Ausdrucksformen, ob sozial, religiös, kulturell oder landschaftlich, in der Tat von höchster Bedeutung ist;

17.

weist darauf hin, dass drei Viertel der Weltbevölkerung auf traditionelle Naturmedizin angewiesen sind; ist daher der Meinung, dass die Biopiraterie den Schutz traditionellen Wissens unbedingt erfordert, insbesondere im Zusammenhang mit genetischen Ressourcen von wirtschaftlichem Wert für die Industrie;

18.

weist auf die Gefahr hin, traditionelles Wissen lediglich von einem wirtschaftlichen Standpunkt aus zu bewerten; hebt hervor, dass der bestehende Rahmen für Rechte des geistigen Eigentums nicht auf eine so vielschichtige Gruppe wie Menschen mit traditionellem Wissen angewendet werden kann; betont daher die Notwendigkeit der Ausarbeitung einer spezifischen internationalen Regelung für Rechte des geistigen Eigentums, die die Interessenvielfalt lokaler Gemeinschaften erhält und das Gewohnheitsrecht usw. widerspiegelt;

19.

stellt mit Besorgnis fest, dass die Schwierigkeiten, vor denen Menschen mit traditionellem Wissen stehen, die Bereiche Überwachung und Durchsetzung betreffen, d. h. die Feststellung von Verstößen und das Ergreifen rechtzeitiger Abhilfemaßnahmen; bedauert diesbezüglich, dass das traditionelle Wissen in Zusammenhang mit genetischen Ressourcen von keiner der Überwachungsmaßnahmen des Nagoya-Protokolls abgedeckt wird, da keine Verpflichtung zur Offenlegung der „Eckdaten“ des genutzten traditionellen Wissens besteht, und die Verpflichtung zur Vorlage einer international anerkannten Bescheinigung nicht für traditionelles Wissen in Zusammenhang mit genetischen Ressourcen gilt, wodurch die Möglichkeiten zur Verfolgung von Biopiraterie in diesem Bereich eingeschränkt sind; ist der Ansicht, dass die EU bei der Umsetzung des Nagoya-Protokolls dem traditionellen Wissen mindestens das gleiche Schutzniveau zubilligen sollte wie den genetischen Ressourcen;

20.

betont, dass die zum Schutz von genetischen Ressourcen und entsprechendem traditionellen Wissen aufgestellten Regelungen im Einklang mit internationalen Verpflichtungen zur Stärkung und Achtung der Rechte indigener Völker stehen müssen, die in der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker (UNDRIP) von 2007 und im ILO-Übereinkommen Nr. 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker von 1989 verankert sind;

21.

erkennt an, dass geistiges Eigentum und das Patentsystem bei der Förderung von Innovation sowie des Transfers und der Verbreitung von Technologie zum gegenseitigen Vorteil von Akteuren und von Bereitstellern, Inhabern und Nutzern genetischer Ressourcen, ihrer Derivate und des entsprechenden traditionellen Wissens in einer dem Wohlstand und der Entwicklung förderlichen Weise eine Rolle spielen können, hebt jedoch gleichzeitig hervor, dass negative Auswirkungen der Rechte des geistigen Eigentums und des Patentsystems auf die Anwendung des traditionellen Wissens indigener Völker und ortsansässiger Gemeinschaften, ihrer Rechte und Praktiken und ihres Wissenssystems sowie ihrer Fähigkeit, ihr Wissen im Bereich der genetischen Ressourcen zu nutzen, weiterzuentwickeln, zu schaffen und zu schützen, vermieden werden müssen; weist darauf hin, dass unter bestimmten Umständen Verträge von indigenen Völkern oder ortsansässigen Gemeinschaften möglicherweise als praktikablere Lösung betrachtet werden, um gemeinsam davon zu profitieren und ihre Interessen zu schützen, gleichzeitig jedoch auch die Umwelt zu schützen und gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nachteilen vorzubeugen, z. B. mit Hilfe von Schutzklauseln;

III.    Bekämpfung der Biopiraterie — die richtige Richtung

22.

weist darauf hin, dass Biopiraterie auf den Mangel an nationalen Regelungen und Durchsetzungsmechanismen in den Entwicklungsländern sowie auf einen mangelnden Mechanismus zur Erfüllungskontrolle in den Industrieländern zurückzuführen ist, der sicherstellen würde, dass die genetischen Ressourcen gemäß den PIC-Anforderung und den einvernehmlich vereinbarten Bedingungen sowie unter Einhaltung der nationalen ABS-Rechtsvorschriften der Bereitstellerländer erworben wurden; begrüßt diesbezüglich den von der Kommission vorgelegten Entwurf einer Verordnung, der die Umsetzung des Protokolls von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile zum Ziel hat; fordert zudem nachdrücklich, dass wirksame Mechanismen bereitgestellt werden müssen, die in Streitfällen die Einleitung rechtlicher Schritte und den Zugang zu Gerichten ermöglichen;

23.

erinnert daran, dass die effektive Umsetzung des Protokolls von den Maßnahmen abhängt, die sowohl in Entwicklungsländern als auch in Industrieländern getroffen werden; merkt an, dass die Ausarbeitung von ABS-Rechtsvorschriften in Entwicklungsländern eine Voraussetzung für die Verpflichtung der Nutzerländer zur Einhaltung der PIC-Anforderung (vorherige Zustimmung nach Inkenntnissetzung) ist; weist allerdings darauf hin, dass diese Forderung eine große Herausforderung für die Entwicklungsländer darstellt, da sie den Aufbau beträchtlicher juristischer und institutioneller Kapazitäten erfordert;

24.

betont, dass die Ziele des CBD nur erreicht werden können, wenn ein ausgewogener und gerechter Vorteilsausgleich gewährleistet ist; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, das Nagoya-Protokoll rasch zu ratifizieren, um die Biopiraterie zu bekämpfen sowie die Ausgewogenheit und Gerechtigkeit beim Austausch genetischer Ressourcen zu verbessern; unterstreicht die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit der EU für die Unterstützung der Entwicklungsländer beim Aufbau juristischer und institutioneller Kapazitäten für Fragen des Zugangs und des Vorteilsausgleichs; ist der Meinung, dass Entwicklungsländer dabei unterstützt werden sollten, Datenbanken zu traditionellem Wissen aufzubauen und Patentanmeldesystemen zu verstehen;

25.

wiederholt, dass, vor dem Hintergrund der Entschließung vom 10. Mai 2012 zu der Patentierung von im Wesentlichen biologischen Verfahren (3), ein zu umfassender Patentschutz im Bereich Züchtung ein Innovations- und Fortschrittshindernis darstellen und für kleine und mittlere Züchter von Nachteil sein kann, indem ihnen der Zugang zu genetischen Ressourcen versperrt wird;

Verbesserung der Anforderungen an Datenbanken und Offenlegung im Zusammenhang mit genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen

26.

verweist auf den Vorschlag der Entwicklungsländer für eine verbindliche Regelung zur Verpflichtung von Patentanmeldern dazu, (a) die Quelle und den Ursprung von in Erfindungen verwendeten genetischen Ressourcen und dem entsprechenden traditionellen Wissen offenzulegen, (b) den Nachweis der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung (PIC) durch die zuständigen Behörden im Bereitstellerland zu liefern und (c) den Nachweis eines ausgewogenen und gerechten Vorteilsausgleichs in Form eines internationalen Ursprungszeugnisses zu liefern;

27.

bedauert den Mangel an eindeutigen Statistiken über Biopiraterie und Zweckentfremdung und fordert mehr EU-Forschung und Offenlegung von Informationen in diesem Bereich, um dem Abhilfe zu schaffen; betont darüber hinaus, dass bessere Daten zu Anzahl und Inhalten von ABS-Verträgen erforderlich sind; vertritt die Auffassung, dass diese durch die Einrichtung eines Benachrichtigungs- und Datenbanksystems über den CBD-Clearing-House-Mechanismus gesammelt werden könnten;

28.

ist der Ansicht, dass ein verbindliches Instrument den sichersten Weg darstellt, um dafür zu sorgen, dass in dem von den Nutzerländern umgesetzten System der Rechte des geistigen Eigentums Maßnahmen hinsichtlich der biologischen Vielfalt vorgesehen werden; fordert, dass Schritte unternommen werden, damit die Genehmigung von Patenten an die Erfüllung einer verbindlichen Anforderung der Offenlegung des Ursprungs jedweder genetischen Ressource und jeglichen traditionellen Wissens in Patentanmeldungen gebunden wird; betont, dass eine solche Offenlegung einen Nachweis enthalten sollte, dass die betreffenden genetischen Ressourcen und das entsprechende traditionelle Wissen gemäß den anzuwendenden Vorschriften (z. B. vorherige Zustimmung nach Inkenntnissetzung und einvernehmlich vereinbarte Bedingungen) erworben wurden;

29.

betont, dass ein internationales Instrument, das Offenlegungsanforderungen und Datenbanken zum Schutz genetischer Ressourcen umfasst, kein Ersatz für einen wirksamen Mechanismus des Zugangs und Vorteilsausgleichs auf nationaler Ebene ist;

30.

ist der Ansicht, dass die direkte Benachrichtigung durch Nutzer von Unternehmen, die genetische Ressourcen oder entsprechendes traditionelles Wissen, Konformitätsbescheinigungen und die Sondierung von juristischen Möglichkeiten innerhalb und außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit nutzen, ebenfalls wirksam dazu beitragen kann, die Biopiraterie in Schranken zu halten;

31.

vertritt die Auffassung, dass ein klares und kohärentes System von Eigentumsrechten einen Beitrag zu der Schaffung von Wissen und dessen Verbreitung in Entwicklungsländern zugunsten von lokalem Unternehmertum, Forschung, Bildung und Armutsbekämpfung leisten würde;

Der Weg zu einem kohärenten globalen Verwaltungssystem

32.

fordert nachdrücklich, dass das TRIPS-Übereinkommen der WTO mit dem Nagoya-Protokoll zum CBD vereinbar sein sollte, und hält es für unabdingbar, verbindliche Anforderungen zur Offenlegung des Ursprungs genetischer Ressourcen bei Patentverfahren einzuführen und folglich Überprüfungen zu ermöglichen, ob diese Ressourcen rechtmäßig und in Übereinstimmung mit der PIC-Anforderung und den einvernehmlich vereinbarten Bedingungen erworben wurden;

33.

betont, dass diese Anforderungen durch eine Änderung des TRIPS-Übereinkommens der WTO oder im Rahmen der WIPO eingeführt werden könnten, und zwar im Kontext der fortgesetzten Diskussionen über die Einrichtung eines neuen Rechtsinstruments bzw. neuer Rechtsinstrumente auf internationaler Ebene für den wirksamen Schutz genetischer Ressourcen, traditionellen Wissens und Folklore; ruft insbesondere die EU dazu auf, im Einklang mit der PCD (Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung) die Forderung der Entwicklungsländer zu unterstützen, das TRIPS-Übereinkommen der WTO durch Einfügen eines neuen Artikels 29a über die Offenlegung des Ursprungs genetischer Ressourcen und/oder des entsprechenden traditionellen Wissens gemäß dem Nagoya-Protokoll zu ändern; begrüßt als einen ersten Schritt die Tatsache, dass im EU-Vorschlag für eine Verordnung über Zugang zu genetischen Ressourcen und Vorteilsausgleich vorgesehen ist, die Offenlegung des Ursprungs jeglicher genetischer Ressourcen und des entsprechenden traditionellen Wissens verbindlich vorzuschreiben;

34.

fordert die Kommission auf, ihre Verhandlungsführer im zwischenstaatlichen Ausschuss (IGC) der WIPO und bei der Überprüfung des TRIPS-Abkommens zu beauftragen, das Protokoll von Nagoya als ihren Ausgangspunkt zu betrachten und sich bei den Verhandlungen darauf zu konzentrieren, den Rechtsrahmen des CBD (4) und sein Protokoll von Nagoya mit der WIPO, TRIPS, dem ITPGRFA (5) und dem UPOV (6) sowie in Bezug auf meeresgenetische Ressourcen mit dem UNCLOS (7) abzustimmen; stellt fest, dass das TRIPS-Abkommen am wenigsten entwickelte Länder vorübergehend ausschließt (8); betont, dass dieser Ansatz in Bezug auf eine mögliche Überarbeitung aufgrund des CBD-Nagoya-Prozesses beibehalten werden muss;

35.

begrüßt Initiativen, die eine Alternative zu rein handelsorientierten Einrichtungen darstellen, etwa das Globale Zentrum für Informationen über die biologische Vielfalt (GBIF), das den kostenlosen und freien Zugang zu Daten über die biologische Vielfalt durch eine weltweite Zusammenarbeit verschiedener Regierungen, Organisationen und anderer internationaler Akteure fördert;

36.

erkennt die Arbeit des zwischenstaatlichen Ausschusses „Rechte des geistigen Eigentums und genetische Ressourcen“ der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) an, und empfiehlt, dass auf Ebene der EU ähnliche Maßnahmen ergriffen sowie kohärente Definitionen verwendet werden;

o

o o

37.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.


(1)  ABl. L 213 vom 30.7.1998, S. 13.

(2)  ABl. C 371 E vom 20.12.2011, S. 14.

(3)  Angenommene Texte, P7_TA(2012)0202.

(4)  Übereinkommen über die biologische Vielfalt.

(5)  Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft.

(6)  Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen.

(7)  Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen.

(8)  

Artikel 66 Absatz 1 TRIPS; Beschluss des TRIPS-Rates vom 29. November 2005.


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