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Dokument 62025CC0219
Opinion of Advocate General Kokott delivered on 22 May 2025.#Ministère public v KN.#Request for a preliminary ruling from the Cour d'appel de Montpellier.#Reference for a preliminary ruling – Urgent preliminary ruling procedure – Area of freedom, security and justice – Article 67(3) and Article 82(1) TFEU – Judicial cooperation in criminal matters – Extradition request from a third country – EU citizen – Articles 18 and 21 TFEU – Previous decision of another Member State refusing extradition due to a serious risk of infringement of fundamental rights – Article 19(2) of the Charter of Fundamental Rights of the European Union – Right of the requested person not to be extradited to a State where there is a serious risk that he or she would be subjected to torture or inhuman or degrading treatment – Second paragraph of Article 47 of the Charter of Fundamental Rights – Right to a fair trial – Mutual trust – Obligation to take account of the grounds on which the previous decision refusing extradition was based – No obligation of mutual recognition of that decision.#Case C-219/25 PPU.
Schlussanträge der Generalanwältin J. Kokott vom 22. Mai 2025.
KN.
Vorabentscheidungsersuchen der Cour d'appel de Montpellier.
Rechtssache C-219/25 PPU.
Schlussanträge der Generalanwältin J. Kokott vom 22. Mai 2025.
KN.
Vorabentscheidungsersuchen der Cour d'appel de Montpellier.
Rechtssache C-219/25 PPU.
ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2025:379
SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN
JULIANE KOKOTT
vom 22. Mai 2025 ( 1 )
Rechtssache C‑219/25 PPU [Kamekris] ( i )
Ministère public (Staatsanwaltschaft, Frankreich)
gegen
KN
(Vorabentscheidungsersuchen der Cour d’appel de Montpellier [Berufungsgericht Montpellier, Frankreich])
„Vorabentscheidungsersuchen – Eilvorlageverfahren – Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Auslieferung an einen Drittstaat zur Verbüßung einer Haftstrafe – Anerkennung der Entscheidung eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaats über das Auslieferungsersuchen – Unionsbürgerschaft – Freizügigkeit – Charta der Grundrechte – Ernsthaftes Risiko der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung – Effektiver Rechtsschutz – Faires Verfahren“
I. Einleitung
1. |
Wenn das Gericht eines Mitgliedstaats (hier Frankreich) über die Auslieferung eines Unionsbürgers, der Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats (hier Griechenland) ist, an einen Drittstaat (hier Georgien) zur Verbüßung einer Haftstrafe entscheidet, ist es dann an die Entscheidung des Gerichts eines weiteren Mitgliedstaats (hier Belgien) über das gleiche Auslieferungsersuchen gebunden? Diese Frage ist im vorliegenden Fall zu beantworten. |
II. Rechtlicher Rahmen
A. Völkerrecht
2. |
Art. 1 des am 13. Dezember 1957 in Paris unterzeichneten Europäischen Auslieferungsübereinkommens (im Folgenden: Europäisches Auslieferungsübereinkommen) bestimmt: „Die Vertragsparteien verpflichten sich, gemäß den nachstehenden Vorschriften und Bedingungen einander die Personen auszuliefern, die von den Justizbehörden des ersuchenden Staates wegen einer strafbaren Handlung verfolgt oder zur Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel der Sicherung und Besserung gesucht werden.“ |
3. |
Für Frankreich ist das Europäische Auslieferungsübereinkommen am 11. Mai 1986 in Kraft getreten, für Georgien am 13. September 2001 und für Griechenland am 27. August 1961. Frankreich hat sich (gemäß Art. 26 Abs. 1 des Übereinkommens) vorbehalten, die Auslieferung zu verweigern, wenn eine Verurteilung in einem gerichtlichen Verfahren ausgesprochen wurde, in dem die grundlegenden Verfahrensgarantien und die Verteidigungsrechte nicht gewährleistet waren, oder wenn die Auslieferung wahrscheinlich besonders schwerwiegende Folgen für die gesuchte Person haben würde. Griechenland hat sich u. a. vorbehalten, eigene Staatsbürger nicht auszuliefern. ( 2 ) |
B. Unionsrecht
1. AEUV
4. |
Art. 67 AEUV beschreibt die Ziele des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. In Art. 67 Abs. 3 wird die gegenseitige Anerkennung von strafrechtlichen Urteilen erwähnt: „Die Union wirkt darauf hin, durch Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Kriminalität sowie von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, zur Koordinierung und Zusammenarbeit von Polizeibehörden und Organen der Strafrechtspflege und den anderen zuständigen Behörden sowie durch die gegenseitige Anerkennung strafrechtlicher Entscheidungen und erforderlichenfalls durch die Angleichung der strafrechtlichen Rechtsvorschriften ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten.“ |
5. |
Die Regelungsbefugnisse der Union im Bereich der Zusammenarbeit in Strafsachen sind Gegenstand von Art. 82 AEUV: „(1) Die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen in der Union beruht auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen und umfasst die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in den in Abs. 2 und in Art. 83 genannten Bereichen. Das Europäische Parlament und der Rat erlassen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen, um
(2) Soweit dies zur Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen und der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen mit grenzüberschreitender Dimension erforderlich ist, können das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Richtlinien Mindestvorschriften festlegen. Bei diesen Mindestvorschriften werden die Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen und ‑traditionen der Mitgliedstaaten berücksichtigt. Die Vorschriften betreffen Folgendes:
Der Erlass von Mindestvorschriften nach diesem Absatz hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, ein höheres Schutzniveau für den Einzelnen beizubehalten oder einzuführen.“ |
2. Charta der Grundrechte der Europäischen Union
6. |
Art. 19 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährt bei Auslieferungen Schutz: „Niemand darf in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht.“ |
7. |
Das Recht auf effektiven Rechtsschutz ist in Art. 47 der Charta niedergelegt: „Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen. …“ |
C. Französisches Recht
8. |
Nach Art. 696-4 Abs. 1 des code de procédure pénale (Strafprozessordnung) wird die Auslieferung nicht genehmigt, wenn die gesuchte Person zum Zeitpunkt der Tat die französische Staatsangehörigkeit hatte. |
III. Sachverhalt und Vorabentscheidungsersuchen
9. |
KN ist sowohl georgischer als auch griechischer Staatsangehöriger. Georgische Gerichte haben ihn im Jahr 2011 in Abwesenheit zu lebenslänglicher Haft verurteilt, weil er in den Jahren 2008 und 2009 eine (letztlich unvollendete) Tötung zur Verdeckung anderer Straftaten in Auftrag gegeben sowie Waffen- und Drogendelikte im Rahmen organisierter Kriminalität begangen hatte. |
10. |
Am 4. Oktober 2021 war KN in Belgien vorläufig festgenommen worden, weil ihn die georgischen Behörden bei Interpol zur Festnahme ausgeschrieben hatten (sogenannte „Red Notice“). Nachdem er sich zunächst in Auslieferungshaft befand, wurde er am 29. Oktober 2021 unter gerichtliche Aufsicht gestellt. |
11. |
Am 20. Januar 2025 wurde KN auf der Grundlage der gleichen Ausschreibung in Frankreich festgenommen. Daraufhin haben die georgischen Behörden auch in Frankreich förmlich auf der Grundlage des Europäischen Auslieferungsabkommens seine Auslieferung beantragt. |
12. |
Das Auslieferungsverfahren vor den belgischen Gerichten war bei seiner Festnahme in Frankreich noch nicht abgeschlossen, doch mit Urteil vom 19. Februar 2025 lehnte die Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel, Belgien) das an Belgien gerichtete Auslieferungsersuchen Georgiens ab. Es könne nicht hinreichend sichergestellt werden, dass KN in Georgien keine eklatante Rechtsverweigerung oder Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe. |
13. |
Nunmehr muss das vorlegende Gericht, die Cour d’appel de Montpellier (Berufungsgericht Montpellier, Frankreich), über das an Frankreich gerichtete Auslieferungsersuchen entscheiden. In diesem Verfahren beantragen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch KN, die Auslieferung entsprechend dem Urteil des belgischen Gerichts abzulehnen. |
14. |
Das vorlegende Gericht fragt den Gerichtshof nun, ob es an die Entscheidung des belgischen Gerichts gebunden sei: Sind Art. 67 Abs. 3 und Art. 82 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit den Art. 19 und 47 der Charta der Grundrechte dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat verpflichtet ist, die Vollstreckung eines Ersuchens um Auslieferung eines Unionsbürgers an einen Drittstaat abzulehnen, wenn ein anderer Mitgliedstaat die Vollstreckung desselben Auslieferungsersuchens zuvor mit der Begründung abgelehnt hat, dass die Übergabe der betroffenen Person das in Art. 19 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Grundrecht, keiner Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, und das in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Recht auf ein faires Verfahren verletzen könnte? |
15. |
Außerdem hat das vorlegende Gericht die Anwendung des in Art. 107 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vorgesehenen Eilvorlageverfahrens beantragt. |
16. |
Die Dritte Kammer des Gerichtshofs entschied am 3. April 2025, das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen dem Eilvorabentscheidungsverfahren nach Art. 23a der Satzung des Gerichtshofs und den Art. 107 ff. der Verfahrensordnung zu unterwerfen. Schriftlich haben daraufhin KN, die Französische Republik und die Europäische Kommission Stellung genommen. An der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2025 haben über diese Beteiligten hinaus die Tschechische Republik und Deutschland teilgenommen. |
IV. Rechtliche Würdigung
17. |
Wenn der Gerichtshof das Vorabentscheidungsersuchen beantworten sollte, so liegt die Antwort meiner Meinung nach auf der Hand: Weder Art. 67 Abs. 3 AEUV noch Art. 82 Abs. 1 AEUV verpflichten ein Gericht eines Mitgliedstaats, eine Entscheidung eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaats, einen Staatsangehörigen eines dritten Mitgliedstaats wegen der Gefahr der Verletzung der Art. 19 und 47 der Charta nicht zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe in einen Drittstaat auszuliefern, dahin gehend anzuerkennen, dass das erstgenannte Gericht die Auslieferung ohne eigene Prüfung ebenfalls ablehnen müsste. Soweit das Unionsrecht anwendbar ist, muss dieses Gericht allerdings die Gründe, auf denen die Ablehnungsentscheidung des anderen Gerichts beruht, im Rahmen seiner eigenen Prüfung der Auslieferung gebührend berücksichtigen. |
18. |
Weniger klar ist jedoch, ob im Ausgangsfall überhaupt Unionsrecht und damit die Charta anwendbar sind, der Gerichtshof also zuständig ist (dazu unter A). Auch die Anwendungsvoraussetzungen eines Eilvorabentscheidungsverfahrens verdienen eine genauere Betrachtung (dazu unter B). |
A. Anwendung des Unionsrechts und der Charta
19. |
Wenn zwischen der Union und einem Drittland kein internationales Abkommen über die Auslieferung in Strafsachen besteht, fallen die Auslieferungsvorschriften in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. ( 3 ) Gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten bei der Anwendung der betreffenden innerstaatlichen Vorschriften in Situationen, die unter das Unionsrecht fallen, dieses Recht beachten. ( 4 ) |
20. |
Das vorlegende Gericht möchte erfahren, welche Verpflichtungen sich im vorliegenden Fall aus Art. 67 Abs. 3 und Art. 82 Abs. 1 AEUV ergeben. Wie auch Frankreich, die Tschechische Republik, Deutschland und die Kommission darlegen, sind diese Bestimmungen allerdings eher programmatischer Natur und regeln insbesondere nicht die Auslieferung von Unionsbürgern an Drittstaaten zur Verbüßung einer Haftstrafe (dazu unter 1). Die Anwendung des Unionsrechts und der Charta kann vielmehr aus der Ausübung der Freizügigkeit durch den betroffenen Unionsbürger folgen (dazu unter 2). |
1. Die Regeln über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen
21. |
KN vertritt die Auffassung, aus Art. 67 Abs. 3 und Art. 82 Abs. 1 AEUV sowie dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens ergebe sich, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats verpflichtet sei, die auf die Gefahr einer Grundrechtsverletzung gestützte Ablehnung der Auslieferung eines Unionsbürgers an einen Drittstaat durch ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats ohne eigene Prüfung der Auslieferungshindernisse anzuerkennen. |
22. |
Nach Art. 67 Abs. 3 AEUV wirkt die Union darauf hin, durch Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Kriminalität, zur Koordinierung und Zusammenarbeit von Polizeibehörden und Organen der Strafrechtspflege und den anderen zuständigen Behörden sowie durch die gegenseitige Anerkennung strafrechtlicher Entscheidungen ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Dieses Ziel der Sicherheit begründet neben der Gewährleistung von Freiheit (Art. 67 Abs. 2) und dem erleichterten Zugang zum Recht (Art. 67 Abs. 4) den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Sinne von Art. 67 Abs. 1, in dem die Grundrechte und die verschiedenen Rechtsordnungen und ‑traditionen der Mitgliedstaaten geachtet werden. |
23. |
Der Auftrag der Union, durch die gegenseitige Anerkennung strafrechtlicher Entscheidungen auf das Ziel eines hohen Maßes an Sicherheit hinzuwirken, enthält jedoch keine unmittelbar anwendbare Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, die im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Auslieferung eines Unionsbürgers in einen Drittstaat zu beachten wäre. Insbesondere folgt aus Art. 67 Abs. 3 AEUV nicht, dass die Entscheidung des Gerichts eines anderen Mitgliedstaats zu dieser Frage anerkannt werden müsste. |
24. |
In Art. 82 Abs. 1 AEUV sind hingegen Regelungsbefugnisse der Union im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen niedergelegt. Gemäß Buchst. a kann die Union insbesondere Regeln und Verfahren festlegen, mit denen die Anerkennung aller Arten von Urteilen und gerichtlichen Entscheidungen in der gesamten Union sichergestellt wird. Die Union hat jedoch keine Regelung über die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen über die Auslieferung an Drittstaaten getroffen und selbst wenn Art. 82 Abs. 1 Buchst. a eine Rechtsgrundlage dafür begründen sollte, lässt sich daraus noch keine Verpflichtung zur Anerkennung ableiten. Folglich enthält auch Art. 82 Abs. 1 AEUV keine Verpflichtung zur Anerkennung der Entscheidung des Gerichts eines anderen Mitgliedstaats, den Betroffenen nicht an einen Drittstaat auszuliefern. |
25. |
Anders ist die Lage bei einem von KN angeführten Urteil, nach dem ein Mitgliedstaat eine Person, der ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, nicht in den Herkunftsstaat der Person ausliefern darf, solange die Flüchtlingseigenschaft fortbesteht. ( 5 ) Diese Sperrwirkung folgt jedoch nicht aus primärrechtlichen Bestimmungen des AEUV, sondern aus den sekundärrechtlichen Regelungen der Union über den Schutz von Flüchtlingen sowie dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit. ( 6 ) Im vorliegenden Fall existieren dagegen keine vergleichbaren sekundärrechtlichen Regelungen, die Frankreich verpflichten würden, der Entscheidung des belgischen Gerichts eine Bindungswirkung zuzumessen. |
26. |
Daran ändert auch der von KN in Anspruch genommene Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens nichts. |
27. |
Es trifft zwar zu, dass dieser Grundsatz abgesehen von außergewöhnlichen Umständen von jedem Mitgliedstaat verlangt, davon auszugehen, dass alle anderen Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die dort anerkannten Grundrechte beachten. ( 7 ) Wenn das Gericht eines Mitgliedstaats zutreffend feststellt, dass bei einer Auslieferung die Gefahr der Verletzung von Grundrechten der Charta besteht, müssen folglich die Gerichte anderer Mitgliedstaaten bei einer Entscheidung über die gleiche Auslieferung die Feststellung des erstgenannten Gerichts gebührend berücksichtigen. ( 8 ) Darin liegt jedoch noch keine Verpflichtung zur Anerkennung der Entscheidung des erstgenannten Gerichts. ( 9 ) Diese bedürfte einer – bislang fehlenden – ausdrücklichen Regelung. ( 10 ) |
28. |
Im Übrigen greift der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in dieser Form nur, wenn die Grundrechte der Charta anwendbar sind. Die Charta gilt für die Mitgliedstaaten aber gemäß ihrem Art. 51 Abs. 1 Satz 1 ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. |
29. |
Der Begriff „Durchführung des Rechts der Union“ im Sinne von Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der Charta setzt das Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen einem Unionsrechtsakt und der entsprechenden nationalen Maßnahme voraus, der darüber hinausgeht, dass die fraglichen Sachbereiche benachbart sind oder der eine von ihnen mittelbare Auswirkungen auf den anderen haben kann. ( 11 ) Die Grundrechte der Union sind daher im Verhältnis zu einer nationalen Regelung nur anwendbar, wenn die unionsrechtlichen Vorschriften in dem betreffenden Sachbereich bestimmte Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den Sachverhalt im Ausgangsverfahren schaffen. ( 12 ) |
30. |
Da aber weder Art. 67 Abs. 3 AEUV noch Art. 82 Abs. 1 AEUV solche Verpflichtungen begründen, führen sie auch nicht zur Anwendung der Charta oder des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens. |
2. Die Freizügigkeit eines Unionsbürgers
31. |
Allerdings kann das Recht auf Freizügigkeit in der Union nach Art. 21 Abs. 1 AEUV im Ausgangsfall die Anwendung der Charta begründen. KN, ein griechischer Staatsangehöriger, hat als Unionsbürger von dieser Grundfreiheit Gebrauch gemacht, indem er sich in einen anderen Mitgliedstaat begab, nämlich von Griechenland nach Frankreich. |
32. |
Eine Beschränkung dieser Grundfreiheit erscheint nicht zwingend, denn KN müsste in seinem Mitgliedstaat, Griechenland, genau wie in Frankreich damit rechnen, nach Georgien ausgeliefert zu werden. |
33. |
Allerdings hat sich Griechenland beim Abschluss des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vorbehalten, eigene Staatsbürger nicht auszuliefern. Deshalb müsste KN in Griechenland wahrscheinlich keine Auslieferung fürchten. |
34. |
Der Gerichtshof hat in den meisten Fällen, die eine Auslieferung an Drittstaaten wegen Strafverfahren betrafen, eine Beschränkung der Freizügigkeit wegen einer unterschiedlichen Behandlung im Vergleich zu den Staatsangehörigen der betreffenden Mitgliedstaaten angenommen. ( 13 ) Diese Mitgliedstaaten sahen nämlich vor, dass eigene Staatsangehörige nicht ausgeliefert oder übergeben würden. Wie die Kommission hervorhebt und Frankreich darlegt, entspricht dies der französischen Rechtslage, so dass sie von einer Beschränkung der Freizügigkeit ausgehen. |
35. |
Fraglich ist, wie weit der Schutzbereich des Anspruchs auf Gleichbehandlung bei der Ausübung der Freizügigkeit reicht, ob er etwa auch das nationale Wahlrecht umfasst, das das besondere Diskriminierungsverbot des Art. 22 AEUV bezüglich der Wahlrechte der Unionsbürger nicht gewährleistet. ( 14 ) |
36. |
Die meisten Fälle im Bereich der Auslieferung zeichneten sich dadurch aus, dass die betroffenen Angehörigen anderer Mitgliedstaaten im ersuchten Staat integriert waren. ( 15 ) Fehlt eine solche Integration – wie im vorliegenden Fall – ist daher zweifelhaft, ob überhaupt eine Vergleichbarkeit mit den Staatsangehörigen des ersuchten Staats vorliegt, die nicht ausgeliefert werden. |
37. |
Generell ist die Vergleichbarkeit unter Berücksichtigung des mit den nationalen Bestimmungen verfolgten Ziels zu prüfen. ( 16 ) Sie ist ausgeschlossen, wenn objektive Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen bestehen. ( 17 ) |
38. |
Beide Kriterien sprechen im Hinblick auf Auslieferungsverbote gegen die Vergleichbarkeit von durchreisenden Unionsbürgern mit eigenen Staatsangehörigen. |
39. |
Dem Staatsangehörigkeitsband eines Mitgliedstaats liegen das zwischen ihm und seinen Staatsbürgern bestehende besondere Verbundenheits- und Loyalitätsverhältnis sowie die Gegenseitigkeit von Rechten und Pflichten zugrunde. ( 18 ) Die Mitgliedstaaten müssen daher ihre eigenen Staatsangehörigen besonders schützen und das Auslieferungsverbot dient diesem Schutz. Zugleich hat ein Staat in der Regel umfassende Strafgewalt über seine eigenen Staatsbürger, auch für Auslandstaten. In Bezug auf eigene Staatsangehörige kann daher Straflosigkeit leichter vermieden werden. Folglich sind die Mitgliedstaaten zwar möglicherweise nicht verpflichtet, Auslandsstraftaten ihrer eigenen Bürger zu verfolgen, doch werden sie die Zweckmäßigkeit einer solchen Strafverfolgung prüfen. So können sie Straflosigkeit vermeiden und gleichzeitig ihre eigenen Bürger vor unverhältnismäßigen Folgen einer Strafverfolgung in Drittstaaten schützen. ( 19 ) |
40. |
Niedergelassene, integrierte Unionsbürger dürfen erwarten, ähnlich behandelt zu werden wie die Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats. Sie sind im Bezug zu dem Staat, in dem sie sich niedergelassen haben, durchaus in einigen Punkten mit Staatsbürgern vergleichbar, allerdings auch nicht in allen. So werden beim Wahlrecht noch Ausnahmen gemacht ( 20 ) und auch im Steuerrecht (hier „ersetzt“ die Ansässigkeit die Staatsangehörigkeit) hängt es von der Höhe des Arbeitseinkommens ab, ob der Tätigkeitsstaat anstelle des Wohnsitzstaats vergleichbare Privilegien wie für die Gebietsansässigen gewähren muss. ( 21 ) |
41. |
Die Frage hier ist aber eine andere. Hier stellt sich die Frage, ob jeder durchreisende Unionsbürger im Staat der Durchreise im Hinblick auf die Vollstreckung eines Haftbefehls aus einem Drittstaat mit den im Durchreisestaat ansässigen Bürgern vergleichbar ist. Im Hinblick auf die Unionsbürgerschaft könnte man dies bejahen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs wird die nationale Staatsangehörigkeit immer mehr von der Unionsbürgerschaft überlagert. ( 22 ) |
42. |
Im Hinblick auf die Strafgewalt eines Mitgliedstaats ist die obige Frage aber zu verneinen. Für durchreisende Unionsbürger besteht für den Durchreisestaat kein vergleichbares besonderes Verbundenheits- und Loyalitätsverhältnis. Vielmehr ist bei Letzteren häufig sogar die Strafgewalt des Durchreisestaats für Straftaten in Drittstaaten zweifelhaft, weswegen ein Nichtvollzug des Haftbefehls die Chancen der Straflosigkeit des Gesuchten erhöht. |
43. |
Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, wie im Sozialrecht auch ( 23 ) insoweit zwischen den im Mitgliedstaat integrierten Unionsbürgern und lediglich durchreisenden Unionsbürgern zu unterscheiden. Da es sich hier um einen durchreisenden Unionsbürger handelt, bin ich der Auffassung, dass das Unionsrecht diese Konstellation nicht erfasst. Die Vollstreckung eines Haftbefehls aus einem Drittstaat fällt mithin nicht unter die Durchführung von Unionsrecht. Die Grundfreiheiten im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sind nicht dazu da, die Staaten aus ihrer Verantwortung gegenüber ihren Bürgern für eine effektive Strafvollstreckung von verurteilten Straftätern zu entlassen und damit deren Chancen auf Straflosigkeit zu erhöhen. Auch sollen die Grundfreiheiten den Mitgliedstaat nicht von der Verantwortung gegenüber einem Drittstaat (völkerrechtliche Bindung, die reziprok sicherstellt, dass verurteilte Staatsangehörige sich nicht durch Flucht in den anderen Vertragsstaat ihrer Strafe entziehen können) entbinden. Ob die betreffende Person daher an einen Drittstaat ausgeliefert werden kann, richtet sich mithin nach dem nationalen Recht und dessen Grundrechtsgewährleistungen sowie nach der EMRK. |
44. |
Für den Fall, dass der Gerichtshof dennoch eine Beschränkung der Grundfreiheiten annehmen sollte, prüfe ich hilfsweise deren Rechtfertigung. |
45. |
Die Vermeidung der Straflosigkeit kann bei grundsätzlicher Gleichstellung von eigenen Staatsangehörigen und Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten auf der Rechtfertigungsebene geprüft werden. ( 24 ) Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung betont hat, kommt in diesem Ziel auch der Schutz der Grundrechte der Opfer von Straftaten zum Ausdruck. ( 25 ) Gleichwohl gebietet die Rechtsprechung, bei der Auslieferung eines Unionsbürgers an einen Drittstaat die Grundrechte der Straftäter gebührend zu berücksichtigen. ( 26 ) |
3. Die Gefahr einer Grundrechtsverletzung
46. |
Art. 19 Abs. 2 der Charta betrifft speziell die Auslieferung. Denn danach darf niemand in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. |
47. |
Folglich ist die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats, sofern sie über Anhaltspunkte dafür verfügt, dass eine echte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im ersuchenden Drittstaat besteht, verpflichtet, das Vorliegen dieser Gefahr zu würdigen, wenn sie über die Auslieferung einer Person in den Drittstaat zu entscheiden hat. ( 27 ) |
48. |
Dabei darf sich dieser Mitgliedstaat nicht darauf beschränken, die Erklärungen des ersuchenden Drittstaats oder den Umstand zu berücksichtigen, dass dieser völkerrechtliche Verträge geschlossen hat, die grundsätzlich die Beachtung der Grundrechte gewährleisten. Die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats muss sich bei dieser Prüfung vielmehr auf objektive, zuverlässige, genaue und gebührend aktualisierte Angaben stützen, die sich u. a. aus Entscheidungen internationaler Gerichte wie Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), aus Entscheidungen von Gerichten des ersuchenden Drittstaats sowie aus Entscheidungen, Berichten und anderen Schriftstücken von Organen des Europarats oder aus dem System der Vereinten Nationen ergeben. ( 28 ) In Bezug auf die Haftbedingung scheint es nach Dokumenten des Europarats aus den letzten Jahren zwar noch Verbesserungspotenzial zu geben, doch keine schwerwiegenden systematischen Verstöße. ( 29 ) |
49. |
Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten über das gleiche oder ähnliche Auslieferungsersuchen des betreffenden Drittstaats, die Feststellungen zur Gefahr von Grundrechtsverletzungen enthalten, im vorliegenden Fall das Urteil vom 19. Februar 2025 der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel), sind ebenfalls Teil dieser Angaben. ( 30 ) Das folgt bereits aus dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens. ( 31 ) |
50. |
Allerdings liegt nach dem EGMR die Beweislast für eine echte Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bei dem Betroffenen. ( 32 ) Daher steht Art. 19 Abs. 2 der Charta einer Auslieferung nicht entgegen, wenn eine Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung aufgrund der vorliegenden Informationen zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht festgestellt werden kann. |
51. |
Für die im Urteil vom 19. Februar 2025 der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel) ebenfalls angeführte Gefahr einer Verletzung des in Art. 47 Abs. 2 der Charta verbürgten Grundrechts auf ein faires Verfahren gelten grundsätzlich ähnliche Erwägungen. ( 33 ) |
52. |
Daher wird das vorlegende Gericht prüfen müssen, ob die ihm vorgelegten Informationen die Gefahr einer Verletzung der genannten Grundrechte, insbesondere hinsichtlich der Haftbedingungen und/oder wegen der Verurteilung in Abwesenheit ( 34 ), begründen. |
53. |
Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass entgegen der Auffassung von KN kein Anhaltspunkt für eine Verletzung des Verbots der Doppelbestrafung nach Art. 50 der Charta oder Art. 54 SDÜ ersichtlich ist. Das Urteil vom 19. Februar 2025 der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel), das die Auslieferung nach Georgien ablehnte, ist nämlich keine strafrechtliche Verurteilung, die dieses Verbot auslösen könnte. ( 35 ) |
B. Eilvorabentscheidungsverfahren
54. |
Das vorlegende Gericht hat die Anwendung des in Art. 107 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vorgesehenen Eilvorabentscheidungsverfahrens beantragt. |
55. |
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft u. a. Art. 67 Abs. 3 AEUV und Art. 82 Abs. 1 AEUV, die sich in Titel V („Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“) des Dritten Teils des AEU-Vertrags befinden, was nach Art. 107 Abs. 1 der Verfahrensordnung Voraussetzung der Anwendbarkeit des Eilvorabentscheidungsverfahrens ist. |
56. |
Wie soeben dargelegt, haben diese Bestimmungen im Ergebnis keine unmittelbare Bedeutung für die Entscheidung des Ausgangsfalls. Das ändert jedoch nichts daran, dass mit dem Vorabentscheidungsersuchen genau dieser Punkt geklärt werden soll. |
57. |
Folglich ist der Anwendungsbereich des Eilvorabentscheidungsverfahrens eröffnet. |
58. |
Zur Stützung seines Antrags hat das vorlegende Gericht insbesondere geltend gemacht, dass die Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens dringlich sei, weil KN sich nur aufgrund des Verfahrens zur Auslieferung nach Georgien in Haft befinde. |
59. |
Wenn der Gerichtshof die Vorlagefrage nicht wie hier vorgesehen beantworten würde, sondern dahin gehend, dass die Entscheidung des belgischen Gerichts anzuerkennen wäre, entfiele dieser Haftgrund. |
60. |
Es ist zwar nicht auszuschließen, dass in der Folge die französischen Gerichte KN weiterhin in Haft halten würden, um das georgische Urteil in Frankreich zu vollstrecken ( 36 ) oder ein Strafverfahren wegen der in Georgien abgeurteilten Taten durchzuführen. Einem solchen neuen Strafverfahren würden weder das Verbot der Doppelbestrafung von Art. 14 Abs. 7 des Pakts über bürgerliche und politische Rechte entgegenstehen, denn es gilt nicht für die Verfolgung durch unterschiedliche Staaten, ( 37 ) noch die entsprechenden unionsrechtlichen Verbote, weil diese nicht im Verhältnis zu Drittstaaten anwendbar sind. |
61. |
Das Vorabentscheidungsersuchen enthält jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine solche Vorgehensweise in Frankreich erwogen wird oder dass die zuständigen Stellen in Belgien solche Schritte eingeleitet haben. Vielmehr hat Frankreich in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass KN freigelassen werde, wenn die Auslieferung unzulässig sei. |
62. |
Im Übrigen könnte auch die hier vorgeschlagene Antwort auf das Vorabentscheidungsersuchen die Dauer der Haft beeinflussen. Sie läuft nämlich darauf hinaus, dass das französische Gericht in eigener Verantwortung prüfen muss, ob eine Auslieferung nach Georgien mit erheblichen Risiken einer Verletzung von Grundrechten verbunden ist. Falls KN während dieser Prüfung weiterhin in Haft gehalten würde, wäre es sinnvoll, dass das französische Gericht so bald wie möglich mit dieser Prüfung beginnt. |
63. |
Daher hängt die Fortdauer der Haft von KN davon ab, wann der Gerichtshof das Vorabentscheidungsersuchen beantwortet. |
64. |
Folglich wendet der Gerichtshof im vorliegenden Fall das Eilvorabentscheidungsverfahren zu Recht an. |
V. Ergebnis
65. |
Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, das Vorabentscheidungsersuchen wie folgt zu beantworten: Weder Art. 67 Abs. 3 AEUV noch Art. 82 Abs. 1 AEUV noch die Freizügigkeit der Unionsbürger nach den Art. 21 und 18 AEUV führen zur Anwendbarkeit des Unionsrechts auf ein Ersuchen auf Auslieferung eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats an einen Drittstaat, wenn sich diese Person nur auf der Durchreise im ersuchten Mitgliedstaat aufgehalten hat, als sie festgenommen wurde. |
( 1 ) Originalsprache: Deutsch.
( i ) Die vorliegende Rechtssache ist mit einem fiktiven Namen bezeichnet, der nicht dem echten Namen eines Verfahrensbeteiligten entspricht.
( 2 ) https://www.coe.int/en/web/conventions.
( 3 ) Urteil vom 6. September 2016, Petruhhin (C‑182/15, EU:C:2016:630, Rn. 26).
( 4 ) Urteil vom 6. September 2016, Petruhhin (C‑182/15, EU:C:2016:630, Rn. 26 und 27), und vom 18. Juni 2024, Generalstaatsanwaltschaft Hamm (Ersuchen um Auslieferung eines Flüchtlings an die Türkei) (C‑352/22, EU:C:2024:521, Rn. 38).
( 5 ) Urteil vom 18. Juni 2024, Generalstaatsanwaltschaft Hamm (Ersuchen um Auslieferung eines Flüchtlings an die Türkei) (C‑352/22, EU:C:2024:521, Rn. 71).
( 6 ) Urteil vom 18. Juni 2024, Generalstaatsanwaltschaft Hamm (Ersuchen um Auslieferung eines Flüchtlings an die Türkei) (C‑352/22, EU:C:2024:521, Rn. 64 bis 70).
( 7 ) Gutachten 2/13 vom 18. Dezember 2014(EMRK II) (EU:C:2014:2454, Rn. 191), sowie Urteil vom 29. Juli 2024, Breian (C‑318/24 PPU, EU:C:2024:658, Rn. 46).
( 8 ) Urteil vom 29. Juli 2024, Breian (C‑318/24 PPU, EU:C:2024:658, Rn. 46). Siehe auch Urteil vom 14. September 2023, Sofiyska gradska prokuratura (Aufeinanderfolgende Haftbefehle) (C‑71/21, EU:C:2023:668, Rn. 55).
( 9 ) In diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2024, Breian (C‑318/24 PPU, EU:C:2024:658, Rn. 43).
( 10 ) Vgl. zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft Urteile vom 18. Juni 2024, Bundesrepublik Deutschland (Wirkung einer Entscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft) (C‑753/22, EU:C:2024:524, Rn. 68), und Generalstaatsanwaltschaft Hamm (Ersuchen um Auslieferung eines Flüchtlings an die Türkei) (C‑352/22, EU:C:2024:521, Rn. 43).
( 11 ) Urteile vom 6. März 2014, Siragusa (C‑206/13, EU:C:2014:126, Rn. 24), vom 10. Juli 2014, Julián Hernández u. a. (C‑198/13, EU:C:2014:2055, Rn. 34), und vom 28. November 2024, PT (Verständigung zwischen dem Staatsanwalt und dem Täter einer Straftat) (C‑432/22, EU:C:2024:987, Rn. 35).
( 12 ) Urteile vom 6. März 2014, Siragusa (C‑206/13, EU:C:2014:126, Rn. 26), vom 10. Juli 2014, Julián Hernández u. a. (C‑198/13, EU:C:2014:2055, Rn. 35), und vom 28. November 2024, PT (Verständigung zwischen dem Staatsanwalt und dem Täter einer Straftat) (C‑432/22, EU:C:2024:987, Rn. 36).
( 13 ) Urteile vom 6. September 2016, Petruhhin (C‑182/15, EU:C:2016:630, Rn. 33), vom 10. April 2018, Pisciotti (C‑191/16, EU:C:2018:222, Rn. 45), vom 13. November 2018, Raugevicius (C‑247/17, EU:C:2018:898, Rn. 27), vom 17. Dezember 2020, Generalstaatsanwaltschaft Berlin (Auslieferung an die Ukraine) (C‑398/19, EU:C:2020:1032, Rn. 30), und vom 22. Dezember 2022, Generalstaatsanwaltschaft München (Ersuchen um Auslieferung an Bosnien und Herzegowina) (C‑237/21, EU:C:2022:1017, Rn. 34).
( 14 ) Urteile vom 19. November 2024, Kommission/Polen (Passives Wahlrecht und Mitgliedschaft in einer politischen Partei) (C‑814/21, EU:C:2024:963, Rn. 154), und Kommission/Tschechische Republik (Passives Wahlrecht und Mitgliedschaft in einer politischen Partei) (C‑808/21, EU:C:2024:962, Rn. 155).
( 15 ) Urteile vom 13. November 2018, Raugevicius (C‑247/17, EU:C:2018:898, Rn. 19), vom 17. Dezember 2020, Generalstaatsanwaltschaft Berlin (Auslieferung an die Ukraine) (C‑398/19, EU:C:2020:1032, Rn. 10 und 16), und vom 22. Dezember 2022, Generalstaatsanwaltschaft München (Ersuchen um Auslieferung an Bosnien und Herzegowina) (C‑237/21, EU:C:2022:1017, Rn. 13). Anders jedoch beiläufig Urteil vom 10. April 2018, Pisciotti (C‑191/16, EU:C:2018:222, Rn. 34).
( 16 ) Urteil vom 1. April 2014, Felixstowe Dock and Railway Company u. a. (C‑80/12, EU:C:2014:200, Rn. 25).
( 17 ) Urteil vom 22. März 2007, Talotta (C‑383/05, EU:C:2007:181, Rn. 19).
( 18 ) Urteile vom 17. Dezember 1980, Kommission/Belgien (149/79, EU:C:1980:297, Rn. 10), vom 2. März 2010, Rottmann (C‑135/08, EU:C:2010:104, Rn. 51), und vom 29. April 2025, Kommission/Malta (Staatsbürgerschaft für Investoren) (C‑181/23, EU:C:2025:283, Rn. 96).
( 19 ) Vgl. Urteile vom 6. September 2016, Petruhhin (C‑182/15, EU:C:2016:630, Rn. 48 und 49), und vom 17. Dezember 2020, Generalstaatsanwaltschaft Berlin (Auslieferung an die Ukraine) (C‑398/19, EU:C:2020:1032, Rn. 52).
( 20 ) So Urteile vom 19. November 2024, Kommission/Polen (Passives Wahlrecht und Mitgliedschaft in einer politischen Partei) (C‑814/21, EU:C:2024:963, Rn. 154) und Kommission/Tschechische Republik (Passives Wahlrecht und Mitgliedschaft in einer politischen Partei) (C‑808/21, EU:C:2024:962, Rn. 155), zu Art. 22 AEUV.
( 21 ) Urteil vom 14. Februar 1995, Schumacker (C‑279/93, EU:C:1995:31, Rn. 35 und 36).
( 22 ) Jüngst Urteil vom 29. April 2025, Kommission/Malta (Staatsbürgerschaft für Investoren) (C‑181/23, EU:C:2025:283, Rn. 100 und 101).
( 23 ) Urteil vom 11. November 2014, Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 77 ff.).
( 24 ) Urteile vom 6. September 2016, Petruhhin (C‑182/15, EU:C:2016:630, Rn. 37 und 38), vom 13. November 2018, Raugevicius (C‑247/17, EU:C:2018:898, Rn. 32), und vom 2. April 2020, Ruska Federacija (C‑897/19 PPU, EU:C:2020:262, Rn. 60).
( 25 ) Zum Recht auf Leben nach Art. 2 EMRK Urteile des EGMR vom 29. Januar 2019, Güzelyurtlu u. a./Zypern und Türkei (CE:ECHR:2019:0129JUD003692507, §§ 231 bis 236), und vom 9. Juli 2019, Romeo Castaño/Belgien (CE:ECHR:2019:0709JUD000835117, § 81).
( 26 ) Urteile vom 6. September 2016, Petruhhin (C‑182/15, EU:C:2016:630, Rn. 53 bis 59), und vom 22. Dezember 2022, Generalstaatsanwaltschaft München (Ersuchen um Auslieferung an Bosnien und Herzegowina) (C‑237/21, EU:C:2022:1017, Rn. 55), sowie Urteile des EGMR vom 7. Juli 1989, Soering/Vereinigtes Königreich (CE:ECHR:1989:0707JUD001403888, § 88), und vom 25. März 2021, Bivolaru und Moldovan/Frankreich (CE:ECHR:2021:0325JUD004032416, § 107).
( 27 ) Urteile vom 6. September 2016, Petruhhin (C‑182/15, EU:C:2016:630, Rn. 58), und vom 2. April 2020, Ruska Federacija (C‑897/19 PPU, EU:C:2020:262, Rn. 64), sowie Beschluss vom 6. September 2017, Peter Schotthöfer & Florian Steiner (C‑473/15, EU:C:2017:633, Rn. 24). Siehe auch Urteile des EGMR vom 7. Juli 1989, Soering/Vereinigtes Königreich (CE:ECHR:1989:0707JUD001403888, § 88), vom 26. Juli 2005, N./Finnland (CE:ECHR:2003:0923DEC003888502, § 158), vom 4. September 2014, Trabelsi/Belgien (CE:ECHR:2014:0904JUD000014010, § 116), und vom 25. März 2021, Bivolaru und Moldovan/Frankreich (CE:ECHR:2021:0325JUD004032416, § 107).
( 28 ) Urteile vom 6. September 2016, Petruhhin (C‑182/15, EU:C:2016:630, Rn. 57 und 59), vom 2. April 2020, Ruska Federacija (C‑897/19 PPU, EU:C:2020:262, Rn. 65), und vom 18. Juni 2024, Generalstaatsanwaltschaft Hamm (Ersuchen um Auslieferung eines Flüchtlings an die Türkei) (C‑352/22, EU:C:2024:521, Rn. 63).
( 29 ) Vgl. Council of Europe Action Plan for Georgia 2024-2027 (CM[2023]168, S. 31), und Report to the Georgian Government on the visit to Georgia carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 10 to 21 September 2018 (CPT/Inf [2019] 16, Nrn. 44 bis 48).
( 30 ) In diesem Sinne Urteile vom 18. Juni 2024, Bundesrepublik Deutschland (Wirkung der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus) (C‑753/22, EU:C:2024:524, Rn. 77 und 78), und vom 29. Juli 2024, Breian (C‑318/24 PPU, EU:C:2024:658, Rn. 46).
( 31 ) Siehe oben, Nr. 27.
( 32 ) Urteile des EGMR vom 28. Februar 2008, Saadi/Italien (CE:ECHR:2008:0228JUD003720106, § 129), vom 23. August 2016, J. K. u. a./Schweden (CE:ECHR:2016:0823JUD005916612, § 91), und vom 25. März 2021, Bivolaru und Moldovan/Frankreich (CE:ECHR:2021:0325JUD004032416, § 109).
( 33 ) In diesem Sinne Urteile vom 31. Januar 2023, Puig Gordi u. a. (C‑158/21, EU:C:2023:57, Rn. 97), und vom 29. Juli 2024, Breian (C‑318/24 PPU, EU:C:2024:658, Rn. 38).
( 34 ) Vgl. Urteil vom 26. Februar 2013, Melloni (C‑399/11, EU:C:2013:107, Rn. 49).
( 35 ) Urteil vom 14. September 2023, Sofiyska gradska prokuratura (Aufeinanderfolgende Haftbefehle) (C‑71/21, EU:C:2023:668, Rn. 52).
( 36 ) Vgl. Urteil vom 13. November 2018, Raugevicius (C‑247/17, EU:C:2018:898, Rn. 39).
( 37 ) Mitteilungen des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen Nr. 692/1996, A.R.J./Australien, Nr. 6.4, und Nr. 204/1986, A. P./Italien, Nr. 7.3. Bei Art. 4 des siebten Zusatzprotokolls zur EMRK folgt das bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung.
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