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Document 52023JC0009

GEMEINSAME MITTEILUNG AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Weltraumstrategie der Europäischen Union für Sicherheit und Verteidigung

JOIN/2023/9 final

Brüssel, den 10.3.2023

JOIN(2023) 9 final

GEMEINSAME MITTEILUNG AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Weltraumstrategie der Europäischen Union für Sicherheit und Verteidigung


EINFÜHRUNG – WELTRAUM ALS STRATEGISCHER BEREICH

Europa ist eine globale Weltraummacht. Die Europäische Union (EU) besitzt und betreibt Weltraumressourcen für Ortung, Navigation und Zeitgebung (PNT – Galileo) und Erdbeobachtung (EO – Copernicus) und wird als dritte Konstellation das Programm der Union für sichere Konnektivität (IRIS²) für die sichere Kommunikation einrichten. Die Mitgliedstaaten besitzen und betreiben nationale Weltraumressourcen, zu denen Ressourcen für Sicherheits- und Verteidigungszwecke gehören. Das Satellitenzentrum der EU (SatCen) unterstützt mit einer einzigartigen Fähigkeit zur Analyse von Geodaten die Entscheidungsfindung und die Maßnahmen auf der Ebene der EU und ihrer Mitgliedstaaten.

Der Weltraum ist für die strategische Autonomie der EU und ihrer Mitgliedstaaten von entscheidender Bedeutung. Weltraumbezogene Dienste und Daten – auch im Bereich Sicherheit und Verteidigung – werden für eine reibungslos funktionierende Wirtschaft aber auch für Bürgerinnen und Bürger sowie für die Politik immer wichtiger. Der Weltraum trägt ferner zur Verwirklichung der politischen Agenda der EU bei, indem er den digitalen und den ökologischen Wandel ermöglicht und die Widerstandsfähigkeit der EU steigert.

Allerdings ist der Weltraum ein zunehmend umkämpfter Bereich.

Einige Weltraummächte verfügen über Fähigkeiten für gezielte Angriffe gegen kritische Weltrauminfrastrukturen. Manche von ihnen haben Antisatellitenfähigkeiten entwickelt und getestet, mit denen Weltraumsysteme und -dienste gestört oder zerstört werden können. Zuletzt setzte Russland im November 2021 eine Antisatellitenwaffe in einem Test gegen einen eigenen Satelliten ein und erzeugte dadurch eine große Menge an Weltraummüll.

China verfolgt seine geopolitische Agenda durch eine verstärkte Präsenz im Weltraum und entwickelt umfassende Weltraumprogramme und Weltraumabwehrfähigkeiten.

Angesichts eines geopolitischen Kontexts, der von sich verschärfenden Machtkämpfen und von zunehmenden Bedrohungen für die EU und ihre Mitgliedstaaten geprägt ist, haben die Staats- und Regierungschefs der EU den Weltraum im Strategischen Kompass 1 als einen strategischen Bereich identifiziert und eine EU-Weltraumstrategie für Sicherheit und Verteidigung gefordert. In der EU-Strategie für eine Sicherheitsunion 2 wird die Weltrauminfrastruktur als einer der wesentlichen Dienste anerkannt, die angemessen vor aktuellen und zu erwartenden Bedrohungen geschützt und widerstandsfähig sein müssen.

Die EU und ihre Mitgliedstaaten werden sich weiterhin dafür einsetzen, dass ein sicheres und geschütztes Weltraumumfeld erhalten bleibt und der Weltraum auf einer gerechten und für alle Seiten annehmbaren Grundlage friedlich genutzt wird. Die EU erkennt den Weltraum als eines der globalen Gemeingüter an. Sie ist davon überzeugt, dass Transparenz und vertrauensbildende Maßnahmen – durch die Verringerung des Risikos von Fehleinschätzungen, Fehlberechnungen und einer unbeabsichtigten Eskalation von Konflikten – eine sich wechselseitig verstärkende Rolle spielen.

Zusätzliche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die strategischen Interessen der EU zu verteidigen und vor feindseligen Aktivitäten im Weltraum und vom Weltraum aus abzuschrecken. Die EU setzt zwar auf die internationale Zusammenarbeit und tritt für ein verantwortungsvolles Verhalten im Weltraum ein, wird aber auch ihre strategische Stellung und Autonomie im Bereich Weltraum stärken. Sie wird Weltraumsysteme und -dienste widerstandsfähiger machen, auf feindselige Tätigkeiten oder Bedrohungen reagieren und weltraumgestützte Dienste für Sicherheit und Verteidigung weiterentwickeln.

1.Die Weltraumbedrohungslage

1.1.Den Bereich Weltraum definieren

Der Bereich Weltraum umfasst alle für das Funktionieren von Weltraumsystemen und die Erbringung weltraumgestützter Dienste in der EU und den Mitgliedstaaten relevanten Elemente, wie z. B. das Umfeld im Weltraum, die einzelnen relevanten Umlaufbahnen und Raumfahrzeuge sowie einschlägige Informationen über die aus ihnen bestehenden Systeme, die Boden- und Startinfrastruktur, Funkfrequenzverbindungen, Nutzerterminals und Cyberaspekte. Er umfasst auch die ihm zugrunde liegende Weltraumwirtschaft.

1.2.Weltraumabwehr und Bedrohungen im Bereich Weltraum 

Während Sicherheitsrisiken auf technische Zwischenfälle, Unfälle und Naturgefahren zurückzuführen sind, handelt es sich bei Bedrohungen im Weltraum dagegen um beabsichtigte, von Weltraumabwehrfähigkeiten ausgehende feindselige Aktivitäten.

Die Weltraumabwehr dient dazu, Fähigkeiten zur Schau zu stellen, Wettbewerber abzuschrecken, diese an der Nutzung ihrer Weltraumsysteme zu hindern oder einen Informationsvorteil zu erlangen. Sie richtet sich gegen Weltraumressourcen in der Umlaufbahn, die unterstützende Bodeninfrastruktur und die zwischen ihnen bestehenden Datenverbindungen.

Die Auswirkungen der Weltraumabwehr zielen darauf ab, Weltraumsysteme absichtlich zu stören, zu beeinträchtigen, zu zerstören, irrezuleiten oder deren Nutzung zu verhindern und die entsprechenden Daten einzusehen, zu manipulieren, abzuhören oder abzufangen sowie den Zugang zum oder die Bewegungsfreiheit im Bereich Weltraum zu verweigern. Die Auswirkungen der Weltraumabwehr können reversibel oder irreversibel sein.

Weltraumabwehrfähigkeiten nehmen mitunter unterschiedlichste Formen, wie z. B. kinetische Maßnahmen 3 gegen Raumfahrzeuge oder Bodeninfrastrukturen oder gebündelte Energie 4 an. Die Weltrauminfrastruktur ist aufgrund der Besonderheiten – sowohl im Orbit als auch am Boden – zudem für Cyberangriffe besonders anfällig. Abgesehen von Weltraumsystemen kann die Weltraumabwehr Störungen der Weltraumwirtschaft insgesamt, einschließlich der zugrunde liegenden Lieferketten und Funkfrequenzen, verursachen.

Mehrere Drittländer haben Weltraumabwehrfähigkeiten samt dazugehöriger Doktrinen entwickelt und unterhalten. Da die meisten Weltraumtechnologien allerdings einen doppelten Verwendungszweck aufweisen, lässt sich eine etwaige Bedrohung im Weltraum nicht dadurch ermitteln, dass Objekte im Weltraum, Technologien oder Weltraumfähigkeiten isoliert beobachtet werden, sondern es müssen zusätzlich Verhaltensweisen berücksichtigt werden.

Für eine Bewertung von Bedrohungen im Weltraum müssen Fähigkeiten und diesbezügliche Verhaltensweisen in der Umlaufbahn, am Boden und im Cyberraum ausgehend von einem gründlichen Verständnis der Weltraumabwehrfähigkeiten umfassend analysiert werden.

1.3.Ein gemeinsames strategisches Verständnis für Bedrohungen im Weltraum aufbauen

Das in die Zuständigkeit des Hohen Vertreters fallende Einheitliche Analyseverfahren (SIAC) wird zusammen mit den militärischen und zivilen Nachrichtendiensten der Mitgliedstaaten dazu beitragen, dass diese ihr strategisches Verständnis für Bedrohungen im Weltraum und für die Weltraumabwehr verbessern. Ein derartiges strategisches Verständnis sollte auch in die EU-Weltraumprogramme einfließen und durch Informationen verbessert werden, die die Kommission im Zuge der Überwachung der EU-Weltraumkomponenten sammelt.

Weiteres Vorgehen

ØDer Hohe Vertreter wird mithilfe des SIAC eine als Verschlusssache eingestufte jährliche Analyse der Weltraumbedrohungslage erstellen lassen, die auch die Weiterentwicklung der Abwehrkapazitäten umfasst. Die von der Kommission durchgeführte Überwachung ihrer EU-Weltraumkomponenten würde dazu einen weiteren Beitrag leisten.

2.Weltraumsysteme und -dienste in der EU widerstandsfähiger machen und besser schützen

Durch Weltraumsysteme und -dienste in der EU werden Dienste bereitgestellt, die für gesellschaftliche Funktionen und wirtschaftliche Tätigkeiten wesentlich sind. Aus diesem Grund müssen sie in zunehmendem Maße resilient sein und geschützt werden. Die EU erkennt in ihren bestehenden Rechtsvorschriften über die Resilienz kritischer Einrichtungen (CER-Richtlinie 5 ) und zur Cybersicherheit (NIS-2-Richtlinie 6 ) den Weltraum als kritischen Sektor an, der aus bodengestützten Infrastrukturen der Mitgliedstaaten, auch in den EU-Gebieten in äußerster Randlage, und privater Betreiber sowie den für die Bereitstellung von Telekommunikationsdiensten genutzten Satelliten besteht. 7 Dennoch weisen Resilienz und Schutz der nationalen Weltraumressourcen je nach Mitgliedstaat ein unterschiedliches Niveau auf.

2.1.Ein EU-weiter Sicherheitsrahmen für den Schutz von Weltraumsystemen, den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit bei die Weltraumsicherheit betreffenden Vorfällen

In einigen Mitgliedstaaten werden Weltraumoperationen einschließlich der Sicherheitsaspekte durch nationale Vorschriften reguliert. Ohne einen gemeinsamen Rahmen kann es dazu kommen, dass sich diese Vorschriften voneinander unterscheiden. Durch diese Unterschiede könnten die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Weltraumindustrie und die Sicherheit der EU beeinträchtigt werden.

Zur Gewährleistung eines kohärenten EU-weiten Ansatzes wird die Kommission aufbauend auf der Gemeinsamen Mitteilung mit dem Titel „Ein Ansatz der EU für das Weltraumverkehrsmanagement“ 8 erwägen, ein EU-Weltraumgesetz vorzulegen. Ein derartiger Vorschlag für einen Rechtsakt könnte – unter Wahrung der nationalen Sicherheitsinteressen – einen Rahmen dafür bieten, die Resilienz der Weltraumsysteme und -dienste in der EU gemeinsam zu erhöhen und die Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten, auch an entlegenen Standorten strategischer Bodeninfrastrukturen etwa in den EU-Gebieten in äußerster Randlage, sicherzustellen.

Er könnte zusammen mit der NIS-2-Richtlinie und der CER-Richtlinie einen umfassenden und kohärenten Rahmen für die Resilienz von Weltraumsystemen und -diensten in der EU vorgeben. Die Kommission wird als Ausgangspunkt für die Konsultation der Interessenträger und die Folgenabschätzung zu den einzelnen Optionen bestimmte Schlüsselmerkmale dieser bestehenden Regelungen und, sofern dies relevant ist, die bei deren Anwendung gewonnenen Erfahrungen heranziehen. So könnte z. B. den Mitgliedstaaten vorgeschrieben werden, dass sie wesentliche 9 Weltraumsysteme und -dienste ermitteln. In diese Regelung könnten auch wichtige Akteure der Lieferkette einbezogen werden, um ein gemeinsames Mindestniveau an Resilienz für kritische Weltraumdienste festzulegen und umzusetzen sowie koordinierte nationale Vorsorge- und Resilienzpläne und Notfallprotokolle entwickeln zu können. Die Initiative ließe sich auch auf die Entwicklung von Sicherheitsüberwachungszentren ausweiten, sodass Sicherheitsvorfälle systematisch gemeldet werden könnten.

Die Kommission könnte auch Anforderungen in Betracht ziehen, mit denen gewährleistet ist, dass die Sicherheit (einschließlich der Cybersicherheit) Teil des Entwurfs aller Weltraumsysteme zur Bereitstellung wesentlicher Dienste wird. Sie könnte vorschlagen, dass relevante Sicherheitsstandards im Zuge des Entwurfs dieser Systeme frühzeitig und systematischer einbezogen werden.

Darüber hinaus würde die Kommission Anreize dafür schaffen, Informationen über Bedrohungen gegen Weltraumressourcen oder die jeweilige Lieferkette auszutauschen und dabei verwertbare Informationen für die einschlägigen Sicherheitseinsatzzentren in den Mittelpunkt zu rücken. Die Agentur der Europäischen Union für das Weltraumprogramm (EUSPA) würde – aufbauend auf den mit Galileo gemachten Erfahrungen – eine einheitliche Sicherheitsüberwachung für alle EU-Weltraumprogramme gewährleisten. Die EUSPA wird in enger Kooperation mit der Kommission, dem Reaktionsteam für Computersicherheitsverletzungen aller EU-Organe (CSIRT) und der Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit (ENISA) 10 eine Schlüsselrolle als Überwachungs- und Einsatzzentrum für die Weltraumsicherheit in der EU spielen. Sie kann auf Anfrage auch Unterstützung für Betreiber wesentlicher Weltraumsysteme und -dienste in den Mitgliedstaaten leisten.

Weltraumdienste werden von öffentlichen und privaten Betreibern bereitgestellt, wobei New Space 11 eine immer größere und dynamischere Rolle zukommt. Für den Austausch relevanter Sicherheitsinformationen, die Koordination von Maßnahmen und die Erleichterung der Zusammenarbeit auf EU-Ebene bedarf es eines gemeinsamen Verständnisses dessen, was wesentliche Weltraumdienste sind.

Ergänzend zur etwaigen Vorlage eines derartigen Legislativvorschlags würde die Kommission kommerzielle Einrichtungen für Resilienzmaßnahmen, auch im Cyberbereich, sensibilisieren und den diesbezüglichen Austausch bewährter Verfahren fördern. Solche Unterstützungsmaßnahmen wären insbesondere für KMU, einschließlich New-Space-Unternehmen, relevant. In diesem Zusammenhang würde die Kommission mit Unterstützung der EUSPA die Einrichtung eines Informationsaustausch- und Analysezentrums (ISAC) in Erwägung ziehen, an dem sich kommerzielle Einrichtungen und einschlägige öffentliche Einrichtungen, möglicherweise auch die Europäische Weltraumorganisation (ESA), beteiligen könnten.

Darüber hinaus werden durch die Umsetzung der NIS-2-Richtlinie und des geplanten Cyberresilienzgesetzes 12 sowie anderer bestehender Rahmen für Cybersicherheit 13 Anreize für die Einführung von Cybersicherheitsanforderungen für kritische digitale Produkte, die im Weltraum verwendet werden, geschaffen. Spezifische Cybersicherheitsstandards und -verfahren im Bereich Weltraum könnten, sofern dies relevant ist, als Teil des EU‑Weltraumgesetzes angesehen werden.

Letztlich ist es – insbesondere für den Schutz der Sicherheitsinteressen der EU und ihrer Mitgliedstaaten – von entscheidender Bedeutung, dass die EU die Entwicklung von Normen stärker mitgestaltet und in internationalen Normungsorganisationen besser vertreten ist. Die Kohärenz mit den Normen der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO) wird gefördert werden.

2.2.Stärkung der technologischen Souveränität der EU-Weltraumwirtschaft

Zur Steigerung der Widerstandsfähigkeit der Weltrauminfrastruktur und zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit 14 wird die EU ihre technologische Souveränität stärken, indem sie strategische Abhängigkeiten von Drittländern verringert und kritische industrielle Wertschöpfungsketten deutlich widerstandsfähiger macht.

Die Möglichkeiten, die „Horizont Europa“ und der Europäische Verteidigungsfonds 15 bieten, werden zur Verwirklichung dieses Ziels voll und ganz ausgeschöpft werden. Die Kommission, die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) und die ESA werden die Tätigkeiten im Bereich kritischer Weltraumtechnologien koordinieren und synchronisieren und sich dabei auf eine wiederbelebte Gemeinsame Taskforce (JTF) 16 stützen. Die EUSPA könnte auf der Grundlage ihres Fachwissens ebenfalls einen Beitrag zu diesen Arbeiten beisteuern. Von den Aktivitäten der JTF wird auch die EU-Beobachtungsstelle für kritische Technologien 17 profitieren.

Auf der Grundlage der Aktivitäten der JTF und der EU-Beobachtungsstelle für kritische Technologien wird die Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und der Industrie prüfen, ob neue Industrieallianzen im Zusammenhang mit weltraum- und verteidigungsrelevanten Technologien im Einklang mit den EU-Wettbewerbsvorschriften geschaffen werden sollten. Die wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) sind auch ein Instrument, mit dem die Industrie und die Mitgliedstaaten Weltraumtechnologien in Bereichen entwickeln können, in denen gegen eine eindeutig festgestellte und erhebliche strategische Abhängigkeit vorgegangen wird und zugleich über die teilnehmenden Länder und Unternehmen hinausgehende wichtige positive Spillover-Effekte gewährleistet werden.

Das Weltraumprogramm, der Europäische Verteidigungsfonds und „Horizont Europa“ sowie die Kooperationsprojekte und -programme der Mitgliedstaaten tragen dazu bei, dass mit der Widerstandsfähigkeit zusammenhängende Fähigkeiten technologisch ausgereift sind. Durch die Entwicklung weiterer Synergien bei der Programmplanung und Finanzierung kann eine kontinuierliche Entwicklung von Technologien bis hin zur Systemebene gewährleistet werden. Die Kommission wird die gemeinsame Programmplanung durch eine stärkere Koordinierung zwischen den einschlägigen EU-Programmen fördern, um den Schutz der EU-Weltraumsysteme zu verbessern und diese widerstandsfähiger zu machen.

Die Kommission sollte bei kurzfristigen Maßnahmen zugunsten kritischer Technologien im Fall größerer Krisen von der Möglichkeit einer Neuprogrammierung Gebrauch machen können. Sie wird dafür Sorge tragen, dass der Weltraum in den relevanten Strategien und Initiativen der EU – etwa auf dem Gebiet der Quantentechnologien oder der künstlichen Intelligenz – systematischer berücksichtigt wird, aber auch gewährleisten, dass der Zugang zu Rohstoffen sowie zu verarbeiteten und fortgeschrittenen Werkstoffen und zu Halbleitern, z. B. durch die europäische Verordnung zu kritischen Rohstoffen 18 und das Chip‑Gesetz 19 , sichergestellt ist.

Die Kommission wird weiterhin mit der ESA an der Entwicklung von EU‑Weltraumtechnologien – auch an solchen mit Sicherheitsbezug – arbeiten. Zur Stärkung dieser Rolle ist es von entscheidender Bedeutung, dass von der ESA geeignete Maßnahmen und Mechanismen für den Schutz der Sicherheitsinteressen der EU und ihrer Mitgliedstaaten eingeführt werden. Durch eine enge Zusammenarbeit wird die Komplementarität und Synchronisierung der Aktivitäten gewährleistet werden.

2.3.Bewältigung von Sicherheitsrisiken in der EU-Weltraumwirtschaft

Die Gewährleistung der Sicherheit der EU hängt auch vom Schutz ihrer Lieferketten ab. Zu diesem Zweck wurden bereits bestimmte Kontrollen eingeführt, z. B. die Kontrolle der Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck und die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen (ADI). 20 Die Kommission wird die Verordnung über die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen bis Oktober 2023 bewerten. 21

Um die Risiken im Zusammenhang mit ADI-Transaktionen in der Weltraumwirtschaft besser bewerten zu können, wird die Kommission sicherstellen, dass sie Zugang zu Informationen über direkte und indirekte Anbieter von Waren und Diensten für EU-Weltraumprogramme hat, auch wenn sie von der ESA verwaltet werden. Risiken für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung der EU, insbesondere im Zusammenhang mit neu entstehenden und kritischen Technologien für ihre Weltrauminfrastruktur, sollten ebenfalls besser erkannt und minimiert werden. Außerdem sollten die wirtschaftlichen und finanziellen Umstände berücksichtigt werden, unter denen EU-Unternehmen mit strategischen Technologien durch solche ausländischen Investitionen, die Risiken für die Sicherheit oder öffentliche Ordnung sowie die Versorgungssicherheit darstellen, gefährdet sein können. Der „Multiple Sourcing“-Ansatz bei den kritischsten Technologien und Komponenten als Maßnahme zur Risikominderung kann dazu beitragen, die Risiken, die von bestimmten drittstaatlichen Übernahmen ausgehen, zu reduzieren und die interne Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten.

Zum Schutz der Sicherheit der EU und ihrer strategischen Interessen sind Regeln für die Auftragsvergabe erforderlich, mit denen die Versorgungssicherheit in vollem Umfang gewährleistet werden kann. Die Kommission wird sicherstellen, dass die EU-Wettbewerbsregeln und die internationalen Handelsinstrumente uneingeschränkt zur Anwendung kommen, um den neuen Herausforderungen für den Weltraum- und Verteidigungssektor der EU, beispielsweise dem Risiko wettbewerbsverzerrender drittstaatlicher Subventionen, zu begegnen. Dies sollte auch die Untersuchung bestimmter Übernahmen von in diesen Sektoren tätigen EU-Unternehmen umfassen, wenn diese potenziell durch rechtswidrige Subventionen von Drittländern erleichtert werden. Erforderlichenfalls könnten ein Verbot der Übernahme oder eine verbindliche Verpflichtung der betroffenen Unternehmen in Betracht gezogen werden, um die durch diese drittstaatlichen Subventionen verursachten Verzerrungen zu beseitigen.  22

2.4.Ausbau von Fähigkeiten zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit, einschließlich des autonomen Zugangs der EU zum Weltraum

Es gibt viele Fähigkeiten, mit denen die Widerstandsfähigkeit der Weltraumsysteme und -dienste erhöht werden kann, z. B. selbst schützende Infrastruktur, anpassungs- und reaktionsfähige Trägerraketen, Weltraumlageerfassungsdienste, Wartungsdienste im Orbit und eine gesicherte souveräne Cloud für Weltraumdienste. Durch solche Fähigkeiten können Weltraumressourcen gestärkt, besser geschützt, schnell ersetzt oder ihre Lebensdauer verlängert werden.

Ein autonomer Zugang der EU zum Weltraum ist für die Widerstandsfähigkeit der EU-Weltrauminfrastruktur von zentraler Bedeutung; dazu gehören auch die Erneuerung von Konstellationen, der Austausch einzelner Satelliten oder die Einrichtung künftiger Konstellationen.

Reaktions- und Anpassungsfähigkeit sind für den Zugang zum Weltraum unerlässlich, um die wachsenden militärischen und verteidigungspolitischen Bedürfnisse sicher zu decken. Über die Konsolidierung der derzeitigen Startkapazitäten hinaus muss die Entwicklung von Startsystemen in der EU gefördert werden, einschließlich Mikro-Trägerraketen und wiederverwendbarer Trägerraketen sowie einer flexiblen Fertigungsindustrie. Die Kommission wird Anreize für die Entwicklung standardisierter Schnittstellen (zur Abdeckung von Sicherheitsaspekten) zwischen Satelliten und reaktionsfähigen Startsystemen schaffen, um die Interoperabilität künftiger Satelliten und den Zugang zu Weltraumlösungen zu gewährleisten und die Entwicklung innovativer Verkehrslösungen im Orbit zu unterstützen. Das Potenzial der Regionen in äußerster Randlage der EU, die für einen autonomen Zugang zum Weltraum von Interesse sind, sollte voll ausgeschöpft werden.

Weiteres Vorgehen

ØUm die Sicherheit und Widerstandsfähigkeit von Weltraumoperationen und -diensten in der EU sowie deren Schutz und Nachhaltigkeit zu verbessern, wird die Kommission erwägen, ein EU-Weltraumgesetz vorzuschlagen. Sie wird die Entwicklung kohärenter Maßnahmen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit in der EU und den Informationsaustausch über Vorfälle sowie die grenzübergreifende Koordinierung und Zusammenarbeit fördern.

ØBis Ende 2023 wird die Kommission mit Unterstützung der EUSPA ein Informationsaustausch- und Analysezentrum (EU Space ISAC) einrichten, um die Widerstandsfähigkeit der Fähigkeiten der (vor- und nachgelagerten) Weltraumindustrie der EU, einschließlich New Space, zu stärken.

ØBis Mitte 2024 wird die Kommission in enger Abstimmung mit der unter der Leitung des Hohen Vertreters stehenden EDA und der ESA einen Fahrplan zur Verringerung der strategischen Abhängigkeiten bei Technologien, die für laufende und künftige Weltraumprojekte in der EU und EU-Weltraumprogramme von entscheidender Bedeutung sind, vorschlagen. 

ØDie Kommission wird eine gemeinsame Programmplanung für den Europäischen Verteidigungsfonds, das EU-Weltraumprogramm und „Horizont Europa“ ausarbeiten, um die Entwicklung von Fähigkeiten zu beschleunigen, die für die Widerstandsfähigkeit der Weltraumsysteme von Bedeutung sind.

ØDie Kommission wird den Erfordernissen im Bereich Weltraum und Verteidigung bei künftigen Initiativen systematisch Rechnung tragen und auch prüfen, ob Industrieallianzen geschaffen werden müssen.

ØDie Kommission wird dafür sorgen, dass umfassendere EU-Initiativen wie das Chip-Gesetz und die Verordnung zu kritischen Rohstoffen so angewandt werden, dass die Versorgungssicherheit und die Widerstandsfähigkeit der Weltraumsysteme und -dienste gestärkt werden.

ØDie Kommission wird Maßnahmen ergreifen, um die Reaktions- und Anpassungsfähigkeit des Zugangs der EU zum Weltraum zu fördern, indem sie neue EU-Trägersysteme fördert, vorbereitende Maßnahmen vorschlägt, um einen langfristigen autonomen Zugang der EU zum Weltraum zu gewährleisten, und indem sie gemeinsam mit den Mitgliedstaaten insbesondere Sicherheits- und Verteidigungsbedürfnissen Rechnung trägt.

3.AUF BEDROHUNGEN IM WELTRAUM REAGIEREN

Angesichts der Zunahme der Bedrohungen im Weltraum und der Bedeutung der Weltraumabwehr muss die Fähigkeit verbessert werden, eine Bedrohung im Weltraumbereich zu erkennen, einzuordnen und sie zuzuordnen und sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene zeitnah, angemessen und kohärent zu reagieren.

3.1.Bedrohungen im Weltraum erkennen und einordnen

Für jegliche Reaktion der EU auf eine Bedrohung im Weltraum ist es erforderlich, dass sowohl die EU als auch ihre Mitgliedstaaten entsprechend Zugang zu zeitnahen, präzisen und handlungsrelevanten Informationen als Grundlage für ihre Entscheidungsfindung haben.

Neben der Notwendigkeit, die Weltraumbedrohungslage regelmäßig zu aktualisieren, ist es auch erforderlich, Sicherheitsvorfälle, die sich auf die Weltraumsysteme auswirken und potenziell auf eine Bedrohung im Weltraum hindeuten, nahezu in Echtzeit zu erfassen und zu analysieren. Ergänzend zu den Sicherheitsinformationen, die bei der der Überwachung durch das EU-Weltraumprogramm erhoben werden, könnte durch das EU-Weltraumgesetz ein Netz für den Informationsaustausch geschaffen werden, das durch die EUSPA eine erste Ebene für die Analyse und Berichterstattung über diese schwachen Signale bieten würde.

Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen auch ein gemeinsames Verständnis der Gesamtsituation im Orbit entwickeln, um unverantwortlichem oder feindseligem Verhalten im Weltraum zu begegnen.

Das Weltraumgesamtlagebewusstsein (Space Domain Awareness – SDA) besteht in der echtzeitnahen Erkennung, Identifizierung und Einordnung von Objekten im Weltraum, in ihrer Beschreibung und dem Verständnis ihres Verhaltens 23 sowie in der Verknüpfung dieser Informationen mit zugrunde liegenden Doktrinen und zugehörigen Weltraumsystemen. Das SDA beliefert in Echtzeit die Recognised Space Pictures der Weltraumleitstellen und stützt sich dabei auf Erkenntnisse über Weltraummanöver und -absichten.

Das SDA ist von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, Weltraumbedrohungen im Orbit zuzuordnen und eine mögliche Reaktion der EU auszulösen. Die Mitgliedstaaten, die über die entsprechenden Fähigkeiten verfügen und diese weiterentwickeln, sollten der EU zur Gewährleistung ihrer strategischen Autonomie im Bereich Weltraum die erforderlichen SDA-Dienste bereitstellen.

3.2.Feindseliges Verhalten im Bereich Weltraum zuordnen und darauf reagieren

Einem Drittland eine Bedrohung im Weltraum zuzuordnen und eine Entscheidung über eine mögliche Reaktion zu treffen ist eine höchst politische Entscheidung.

Im Beschluss des Rates über die Sicherheitssysteme und -dienste, die im Rahmen des Weltraumprogramms der Union eingerichtet, betrieben und genutzt werden 24 , sind operative Bestimmungen festgelegt, die es der EU 25 ermöglichen, Bedrohungen für die im Rahmen des EU-Weltraumprogramms eingerichteten Systeme und Dienste zuzuordnen und darauf zu reagieren, wenn solche Bedrohungen die Sicherheit der EU und/oder ihrer Mitgliedstaaten beeinträchtigen würden. Der Beschluss sieht für den Hohen Vertreter die Möglichkeit vor, vorläufig und unmittelbar zu handeln. Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) betreibt die Architektur für die Reaktion auf Bedrohungen im Weltraum, mit der die Umsetzung des Beschlusses unterstützt wird.

Angesichts der zunehmenden Bedrohungen schlägt der Hohe Vertreter vor, den Beschluss des Rates dahin gehend zu ändern, dass er zum Eckpfeiler der Reaktion der EU im Bereich Weltraum wird.

Erstens sollte der Anwendungsbereich des Beschlusses auf Bedrohungen im Bereich Weltraum, die sich auf die Sicherheit der EU auswirken können, ausgeweitet werden. Die Architektur für die Reaktion auf Bedrohungen im Weltraum könnte über das Sicherheitsüberwachungszentrum des Weltraumprogramms und die SDA-Dienste auf EU-Ebene zum Empfänger von Sicherheitsvorfällen im Weltraum werden. Sie würde mit dem SIAC zusammenarbeiten, um die Zuordnung von Bedrohungen im Weltraum und eine angemessene Reaktion zu unterstützen.

Ergänzend zum Instrumentarium für die Cyberdiplomatie und zum Instrumentarium gegen hybride Bedrohungen würde durch den geänderten Ratsbeschluss auch die Entwicklung eines speziellen Instrumentariums erleichtert. Als Teil der Reaktion könnten die einschlägigen Instrumente der EU Folgendes umfassen:

-auf technischer Ebene: die Verwendung spezifischer operativer Reaktionsmodi, die als Teil des Sicherheitskonzepts der Weltraumsysteme entwickelt worden sind;

-auf diplomatischer Ebene: Beratungen in multilateralen Gremien, Kontaktaufnahme über geeignete Kanäle und Erklärungen der EU und der Mitgliedstaaten, um unverantwortlichem Verhalten im Raumfahrtbereich zu begegnen;

-auf wirtschaftlicher Ebene: Sanktionen umfassende Instrumente. 26

Der Militärstab der EU würde auch einen militärischen Beitrag zur Reaktion der EU im Bereich Weltraum vorbereiten.

Durch die Einsetzung einer horizontalen Gruppe im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) würde die rasche Mobilisierung von einschlägigem Fachwissen im Falle einer Bedrohung im Weltraum ermöglicht. Die horizontale Gruppe würde den Rat bei seiner Reaktion auf Bedrohungen im Weltraum, auch bei der Zuordnung dieser Bedrohungen, unterstützen.

Jeder Mitgliedstaat kann sich auf die in den EU-Verträgen verankerte Beistandsklausel (Artikel 42 Absatz 7 des Vertrags über die Europäische Union) berufen, wenn eine Bedrohung im Weltall oder ein Vorfall einen bewaffneten Angriff auf das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats darstellt.

3.3.Übungen im Weltraum zur Einsatzbereitschaft und Interoperabilität

Der Hohe Vertreter wird gemeinsam mit der Kommission und den Mitgliedstaaten regelmäßige Übungen im Bereich Weltraum oder Übungen mit einer Komponente des Bereichs Weltraum organisieren, um

-die Reaktion der EU auf Bedrohungen im Weltraum zu erproben, weiterzuentwickeln und zu validieren,

-im Falle von Angriffen aus dem Weltraum oder Bedrohungen von Weltraumsystemen konkrete Solidaritätsmechanismen zu erproben und auszuloten sowie

-Synergien mit Partnern und Verbündeten im Bereich der Weltraumsicherheit und -verteidigung zu entwickeln.

Weiteres Vorgehen

ØDer Hohe Vertreter und die Kommission werden gemeinsam mit den Mitgliedstaaten, die über SDA-Fähigkeiten verfügen, die Modalitäten für die Nutzung des SDA zur Unterstützung einer Reaktion der EU prüfen.

Ø Der Hohe Vertreter wird eine Änderung des Beschlusses (GASP) 2021/698 des Rates vorschlagen, damit auf alle Bedrohungen im Bereich Weltraum, die sich auf die Sicherheit der EU und ihrer Mitgliedstaaten auswirken können, reagiert werden kann, damit sichergestellt wird, dass alle verfügbaren EU-Instrumente rasch mobilisiert werden können, und so die Architektur für die Reaktion auf Bedrohungen im Weltraum verbessert wird.

ØDer Hohe Vertreter, die Kommission und die Mitgliedstaaten werden sich an einschlägigen Übungen im Weltraum, einschließlich der Nutzung von Solidaritätsmechanismen, beteiligen, diese entwickeln und durchführen.

4.DEN WELTRAUM VERSTÄRKT FÜR SICHERHEIT UND VERTEIDIGUNG NUTZEN

Weltraumsystemen und -diensten kommt bei der Unterstützung von Verteidigung und Sicherheit eine immer wichtigere Rolle zu. Dienste mit doppeltem Verwendungszweck, die im Rahmen von EU-Weltraumprogrammen und von kommerziellen Einrichtungen, einschließlich New Space, erbracht werden, werden weiterentwickelt, um die strategische Autonomie der EU und ihrer Mitgliedstaaten zu stärken.

4.1. Weltraumsysteme und -dienste der EU zur Unterstützung von Sicherheit und Verteidigung

Eine systematischere gegenseitige Bereicherung der Weltraum-, Verteidigungs- und Sicherheitsinitiativen der EU würde die Entwicklung von EU-Weltraumkomponenten mit doppeltem Verwendungszweck erleichtern und dabei den Verteidigungs- und Sicherheitserfordernissen im Rahmen eines auf Fähigkeiten ausgerichteten Ansatzes 27 Rechnung tragen.

Durch Leitinitiativen der EU im Weltraum können die Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeiten unterstützt werden Daher muss geprüft werden, inwieweit sie sichere und zuverlässige Dienste erbringen können.

Unter Berücksichtigung des zivilen Charakters der EU-Weltraumprogramme werden spezifische und maßgeschneiderte Regeln für die Erbringung sicherheitsempfindlicher Dienste, Anwendungen und Daten festgelegt, um ein angemessenes Maß an Vertrauen für die Nutzer im Bereich Sicherheit und Verteidigung zu schaffen (z. B. durch vorrangige Rechte und Zugriffskontrolle – auch im Zusammenhang mit militärischen Operationen, der Anonymisierung von Anfragen, Einschränkung der Verbreitung).

Die Kommission wird die militärischen und sicherheitsbezogenen Nutzeranforderungen in die Konzeption einschlägiger neuer EU-Weltraumsysteme und in die Modernisierung einschlägiger bestehender Systeme einbeziehen. Sie wird sich auf die Unterstützung der relevanten EU-Agenturen, d. h. der EDA und der EUSPA, stützen. Die EDA wird weiterhin eine Schlüsselrolle bei der Ermittlung der militärischen Anforderungen 28 , der Festlegung von Prioritäten bei den Fähigkeiten und bei der Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten spielen, unter anderem durch das Forum „Verteidigung im Weltraum“. Die EUSPA wird die Ermittlung des sicherheitsbezogenen Bedarfs sowie die Akkreditierung und Nutzung von Systemen und Diensten mit doppeltem Verwendungszweck unterstützen. Darüber hinaus wird der EU-Militärstab die konzeptionellen Entwicklungen vorantreiben, die auf militärischer Ebene für die Nutzung des Weltraums im Rahmen des operativen Engagements der EU erforderlich sind.

Bei der Vorbereitung der künftigen Weiterentwicklung des EU-Weltraumprogramms wird die Kommission in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die langfristigen verteidigungs- und sicherheitsrelevanten Nutzeranforderungen (Zeithorizont 2035) berücksichtigen. Sie wird sowohl die Interoperabilität der Systeme als auch Optionen für die Beförderung von Nutzlasten im Huckepackverkehr für die Verteidigung sowie die Sicherheit bestehender oder künftiger Weltraumsysteme prüfen.

Zu diesem Zweck werden durch den Europäischen Verteidigungsfonds Synergien gefördert werden, damit Forschung und Entwicklung im Verteidigungsbereich den Einsatz von Nutzlasten beschleunigen können, die Dienste für die Verteidigung ermöglichen. Darüber hinaus werden die verschiedenen staatlichen Dienste, die durch die EU-Weltraumprogramme ermöglicht werden, konsequent betrieben und genutzt.

4.1.1.Ortung, Navigation und Zeitgebung (PNT)

Widerstandsfähige PNT-Dienste wie der öffentliche regulierte Dienst (PRS) von Galileo haben für militärische Operationen eine Schlüsselrolle inne. Der PRS wird durch kontinuierliche Weiterentwicklung und ergänzende Nutzlasten in der Umlaufbahn robuster werden. Aufbauend auf SSZ-Projekten wie der EU-Funknavigationslösung (EURAS) oder der künftigen Navigationskriegsführung im Verteidigungsbereich (NAVWAR) werden durch Überwachungskapazitäten die Erstellung eines konsolidierten Lagebilds und die Bewältigung von Situationen, in denen der Zugang zum PRS umkämpft ist, ermöglichen. Diesbezüglich unterstützt der Europäische Verteidigungsfonds Tätigkeiten im Zusammenhang mit einem weltweit uneingeschränkten und ununterbrochenen Zugang zum PRS, um die Sicherheits- und Verteidigungskomponente der PNT-Fähigkeiten der EU zu verbessern.

4.1.2.Erdbeobachtung 

Die weltraumgestützte Erdbeobachtung dient zur Unterstützung der autonomen Bewertung und Entscheidungsfindung. Sie ist ein Schlüsselfaktor für Sicherheit und Verteidigung. Für die ukrainischen Streitkräfte hat sie sich als entscheidender Trumpf erwiesen, um den russischen Angriffen standzuhalten.

Das SatCen bietet eine einzigartige Fähigkeit zur Analyse von Geoinformationen, um die Entscheidungsfindung und das Handeln der EU und ihrer Mitgliedstaaten auf hochrangiger Ebene sowie die EU-Politik zu unterstützen.

Copernicus stellt zwar Sicherheitsdienste bereit, ist aber nicht spezifisch auf die Erfüllung der Anforderungen im Bereich Verteidigung ausgelegt.

Daher wäre ein staatlicher Erdbeobachtungsdienst der EU im Rahmen der Weiterentwicklung der Copernicus-Dienste, wie er den Mitgliedstaaten bereits vorgestellt wurde, vorteilhaft für die Bereitstellung eines vollkommen zuverlässigen, hochgradig widerstandsfähigen und kontinuierlich verfügbaren Dienstes zur Lageerfassung. Sein Mehrwert bestünde in einer Ergänzung der nationalen, kommerziellen und europäischen Satellitenbildinfrastruktur, z. B. durch neue Sensoren, häufige Neuaufnahmen und fortgeschrittene Verarbeitungstechniken. 29 Die Kommission wird diese Weiterentwicklung der Copernicus-Dienste schrittweise umsetzen, beginnend mit einem Pilotprojekt im Rahmen des derzeitigen Weltraumprogramms.

Die Entwicklung eines solchen Dienstes wird die Komplementarität zwischen dem SatCen und der EUSPA verstärken. Auf der Grundlage ihrer Fachkompetenz wird die EUSPA unter der Aufsicht der Kommission eine Schlüsselrolle bei der Sicherheitsakkreditierung, der Sicherheitsüberwachung und der Vertragsdurchführung im Weltraumsegment des künftigen Systems spielen. Das SatCen wird eine Schlüsselrolle bei der Ermittlung des Nutzerbedarfs im Bereich Geoinformation und bei der Verbreitung sensibler Produkte und Dienste spielen.

4.1.3.Sichere Kommunikation

Durch einen unterbrechungsfreien, weltweiten Zugang zu sicherer und hochgradig widerstandsfähiger Kommunikation können Verteidigungs- und Sicherheitsmissionen und -operationen unterstützt werden. Zusätzlich zu den regionalen GOVSATCOM-Ressourcen der Mitgliedstaaten wird IRIS² mit Mehrwert verbundene Dienste wie anonyme Nutzung, geringe Latenzzeit und Flexibilität bieten. Die Mitgliedstaaten werden über wirksame Kontrollmechanismen verfügen, die mit denen des öffentlichen regulierten Diensts von Galileo gleichwertig sind.

Zu den IRIS²-Diensten werden Weltraumdatenrelais gehören, die in der Lage sind, die Weltraumfähigkeiten der Mitgliedstaaten (auch im Bereich Verteidigung) dauerhaft und sicher miteinander zu verknüpfen. Diese Dienste können von weltraumgestützten nationalen oder multinationalen Verteidigungsfähigkeiten wie Erdbeobachtungssystemen zur Verbesserung ihrer operativen Wirksamkeit genutzt werden. Die Kommission wird künftige Konstellationen in der erdnahen Umlaufbahn (Low Earth Orbit – LEO) für neue Fähigkeiten uneingeschränkt einsetzen, was auch erweiterte Dienste einschließt, die für das Militär durch die Beförderung von Nutzlasten im Huckepackverkehr von Nutzen sein könnten. Die Kommission wird weiter prüfen, inwieweit IRIS² die Einrichtung eines EU-Systems für kritische Kommunikation 30 unterstützen kann.

Der Europäische Verteidigungsfonds unterstützt die Entwicklung technologischer Bausteine für eine widerstandsfähige weltraumgestützte Kommunikation 31 , die über IRIS² umgesetzt werden können, und sorgt für deren Akzeptanz bei den Endnutzern im Verteidigungsbereich durch auf das Nutzersegment ausgerichtete Maßnahmen (z. B. Standardisierung der Schnittstellen zur einfacheren Integration in Land-, See- und Luftfahrzeuge 32 ).

4.1.4.Weltraumgesamtlagebewusstsein (SDA – Space Domain Awareness) und Beobachtung und Verfolgung von Objekten im Weltraum (SST – Space Surveillance and Tracking)

Zwischen dem Weltraumgesamtlagebewusstsein (SDA – Space Domain Awareness) und dem bereits existierenden EU-System zur Beobachtung und Verfolgung von Objekten im Weltraum (SST – Space Surveillance and Tracking) entstehen beträchtliche Synergien, wenn es darum geht, Objekte im Weltraum mithilfe spezieller Sensoren zu erkennen.

Damit die Präzision fortgeschrittener Manöver zur Kollisionsvermeidung sowie der Fragmentierungs- und Wiedereintrittsanalyse erhöht wird, müssen die SST-Leistungen verbessert werden. Den Mitgliedstaaten, die SDA entwickeln und die auch SST-Partner sind, werden daher leistungsfähigere SST-Ressourcen – einschließlich Verteidigungsressourcen – zur Verfügung stehen, mit denen kleinere und wendigere Raumfahrzeuge im Rahmen der SST-Komponente des EU-Weltraumprogramms beobachtet und verfolgt werden können. Zur Unterstützung der SDA werden zusätzliche Sensoren und Analysefähigkeiten für verteidigungs- und nachrichtendienstliche Zwecke benötigt.

Die Mitgliedstaaten könnten aus dem EU-Haushalt bei der Entwicklung von SDA-Sensoren und -Fähigkeiten unter folgenden Voraussetzungen unterstützt werden:

-Die Komplementarität mit dem bestehenden Mechanismus zur SST-Unterstützung ist gewährleistet und

-der für die Reaktion der EU auf Bedrohungen im Weltraum, unter anderem für den Schutz der EU-Satelliten, erforderliche Fluss von SDA-Informationen und -Diensten wird sichergestellt.

Durch SDA unterstützte SST-Partner würden ihrerseits die Optimierung der SST unterstützen, indem sie die Identifizierung von Raumfahrzeugen verbessern und so einen Beitrag zu einem eigenständigen EU-Katalog von Weltraumobjekten, einem der Ziele des EU-Weltraumprogramms, leisten.

4.2.Stärkung von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit

Neben den großen Industrieakteuren spielt New Space eine immer wichtigere Rolle bei der Bereitstellung von Diensten – auch in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung. In diesem Rahmen können neue Ideen, Lösungen, disruptive Technologien und effiziente industrielle Prozesse vorgeschlagen werden, die für Sicherheit und Verteidigung von Nutzen sein können. Die Mitgliedstaaten sind zunehmend auf kommerzielle Dienste angewiesen, wenn es sich darum handelt, nationale Ressourcen zu ergänzen, neue Fähigkeiten zu testen oder öffentliche Ressourcen aufzubauen.

Für die Stärkung der Widerstandsfähigkeit und der Fähigkeiten der EU ist eine wettbewerbsfähige Industrie von entscheidender Bedeutung. Die Kommission wird mit Unterstützung des CASSINI-Programms 33 Anreize für New Space zur Expansion in der EU schaffen. Dazu gehört eine systematischere Entwicklung von Verträgen mit stabilen Abnehmern, die weitere Mobilisierung von Zuschüssen, Darlehen und Beteiligungskapital mit Unterstützung des Europäischen Innovationsrats, der Europäischen Investitionsbank, des Europäischen Investitionsfonds, Synergien mit dem EU-Innovationsprogramm im Verteidigungsbereich sowie die jährliche Organisation von Hackathons und Challenges in den Bereichen Weltraum und Verteidigung.

Die Kommission wird Anreize für mehr Zusammenarbeit zwischen Start-ups aus den Bereichen Weltraum, Sicherheit und Verteidigung auf dem Gebiet Forschung und Entwicklung schaffen. Technologien, die mit Unterstützung aus dem Programm „Horizont Europa“ z. B. auf den Gebieten Quantengravimetrie im Weltraum, On-Orbit-Dienste oder Zugang zum Weltraum, entwickelt wurden, könnten für Verteidigungszwecke optimiert werden. Die Kommission wird ihr Programm zur In-Orbit-Validierung/In-Orbit-Demonstration auf Weltraumtechnologien ausweiten, die für Nutzer aus den Bereichen Sicherheit und Verteidigung relevant sind. Die EDA-Gruppe „Technologien im Bereich der Fähigkeiten“ wird auch die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der dort ansässigen Industrie auf dem Gebiet der Weltraumforschung fördern.

4.3.Entwicklung von Kompetenzen, Aus- und Weiterbildung

Sowohl in der EU als auch in ihren Mitgliedstaaten mangelt es an Fachkompetenz in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung im Weltraum. Die Kommission und der Hohe Vertreter werden die vorhandenen Instrumente zur Unterstützung von Kompetenzentwicklung, Weiterqualifizierung und Umschulung mobilisieren.

Um dem Bedarf der Mitgliedstaaten gerecht zu werden, wird die EDA eine Bestandsaufnahme aller Bildungs- und Ausbildungstätigkeiten, die auf EU- und nationaler Ebene zu Sicherheit und Verteidigung im Weltraum angeboten werden, durchführen, um sowohl für die politische als auch für die technische Ebene relevante Kompetenzen aufzubauen. In enger Abstimmung mit dem Europäischen Sicherheits- und Verteidigungskolleg (ESVK) wird sie den Austausch bewährter Verfahren fördern und Lehrpläne aufstellen.

Mit Blick auf den Bedarf der Industrie wird die Kommission zur Weiterqualifizierung und Umschulung in der Weltraumindustrie beitragen und sich dabei insbesondere auf Sicherheit und Verteidigung im Weltraum konzentrieren, wobei auch die Beteiligung von Frauen 34 erhöht werden soll. Sie wird konkrete Initiativen auf Ebene der EU sowie auf nationaler und regionaler Ebene unterstützen. Dabei wird sie auf der bestehenden groß angelegten Partnerschaft für Kompetenzen in Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigung im Rahmen des Kompetenzpakts 35 aufbauen. Außerdem arbeitet sie mit Interessenträgern zusammen, um eine neue groß angelegte Partnerschaft zu entwickeln, mit der die Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen für Studierende und Fachkräfte, die von der nachgelagerten Industrie benötigt werden, weiter verbessert werden, unter anderem um den zusätzlichen Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften zu decken. Mit Unterstützung der EUSPA wird die Kommission die „EUSPA Space Academy“ ausbauen und Weltraumentwicklungsprogramme mit Bezug zum Thema Sicherheit konzipieren.

Weiteres Vorgehen

Stärkere Nutzung von Weltraumsystemen und -diensten für Verteidigungszwecke:

ØVor Ende 2024 wird die Kommission in enger Zusammenarbeit mit dem Hohen Vertreter ein Pilotprojekt für die Bereitstellung erster SDA-Dienste zur Unterstützung der Reaktion der EU und zur Ermittlung von Synergien mit der SST-Unterkomponente des Weltraumprogramms im Hinblick auf künftige Entwicklungen vorschlagen.

ØBei der Ausarbeitung künftiger EU-Weltraumprogramme wird die Kommission den langfristigen militärischen Bedarf (Planungshorizont 2035) für weltraumgestützte Verteidigungsdienste mit Unterstützung der EDA berücksichtigen.

ØDie Kommission wird bei der Festlegung des Diensteportfolios von IRIS² den militärischen Bedarf und die militärischen Anforderungen berücksichtigen.

ØUm die autonome Entscheidungsfindung und das autonome Handeln der EU und ihrer Mitgliedstaaten zu unterstützen, wird die Kommission auf die schrittweise Einrichtung eines neuen staatlichen Diensts von Copernicus hinarbeiten und dafür zunächst ein Pilotprojekt durchführen. Sie wird sich auf die ergänzende Rolle des SatCen und der EUSPA stützen.

ØDie Kommission wird Anreize für Zusammenarbeit zwischen Start-ups aus den Bereichen Weltraum, Sicherheit und Verteidigung schaffen, um disruptive Dienste für Sicherheit und Verteidigung zu entwickeln.

ØBis Ende 2024 sollten der Hohe Vertreter und die Kommission mit Unterstützung der EDA, der EUSPA und des ESVK für eine Verbesserung der Kompetenzen der öffentlichen Verwaltung und der Industrie in Bezug auf die Weiterentwicklung von Weltraumdiensten für Sicherheit und Verteidigung sorgen, indem sie unter anderem eine Bestandsaufnahme von Schulungstätigkeiten im Bereich Sicherheit und Verteidigung im Weltraum durchführen und Kompetenzen in der nachgelagerten Industrie, auch durch die Einrichtung einer neuen groß angelegten Partnerschaft entwickeln.

5.PARTNERSCHAFT FÜR VERANTWORTUNGSVOLLES VERHALTEN IM WELTRAUM

Dem Aufbau starker externer Partnerschaften kommt eine entscheidende Bedeutung zu, wenn es gilt, für eine gemeinsame Vision für friedliches und verantwortungsvolles Verhalten im Weltraum einzutreten, auf Bedrohungen im Weltraum zu reagieren und die Nutzung von Weltraumdiensten für Sicherheit und Verteidigung zu unterstützen.

5.1.Förderung von Normen, Regeln und Grundsätzen für verantwortungsvolles Verhalten im Weltraum 

Damit eine langfristige Nutzung des Weltraums für friedliche Zwecke gesichert ist, gilt es unbedingt, Wettrüsten im Weltraum zu vermeiden und zu verhindern, dass der Weltraum zum Konfliktgebiet wird.

Der Weltraumvertrag von 1967 und die im Rahmen der Vereinten Nationen (VN) entwickelten Grundsätze bilden zusammen mit den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der VN den Eckpfeiler der globalen Ordnungspolitik für den Weltraum.

In Ergänzung dazu wäre ein nicht rechtsverbindliches, transparentes und vertrauensbildendes Instrument ein wirksames Werkzeug. 36 Die einschlägigen traditionellen Instrumente für Abrüstung und Rüstungskontrolle sollten durch zusätzliche Maßnahmen ergänzt werden, um gegen verantwortungslose Verhaltensweisen vorzugehen, die – auch aufgrund von Missverständnissen, Fehlinterpretationen oder Fehlberechnungen – zu einer Eskalation führen können. In dieser Hinsicht ist die Verpflichtung der Vereinigten Staaten (USA), auf Raketentests für zerstörerische Antisatellitenwaffen mit direktem Aufstieg zu verzichten, der sich Deutschland und Frankreich angeschlossen haben, ein pragmatischer, konkreter und messbarer Schritt nach vorne. Die EU und alle ihre Mitgliedstaaten haben die betreffende Resolution 37 , die auf der 77. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Oktober 2022 angenommen wurde, unterstützt.

5.2.Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen in den Bereichen Weltraum und Sicherheit

Die EU wird ihren Status als ständiger Beobachter bei den Vereinten Nationen (VN) in vollem Umfang dafür nutzen, bei Gesprächen über den Weltraum Hand in Hand mit ihren Mitgliedstaaten zu agieren. Die EU wird sich weiterhin an folgenden Gremien aktiv beteiligen:

-dem Ausschuss der Vereinten Nationen für die friedliche Nutzung des Weltraums (COPUOS) und seinen nachgeordneten Gremien sowie dem Ausschuss für besondere politische Fragen und Entkolonialisierung (Vierter Ausschuss) der Generalversammlung der Vereinten Nationen für Fragen der Weltraumsicherheit und

-der Abrüstungskonferenz und dem Ausschuss für Abrüstung und internationale Sicherheit (Erster Ausschuss) der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu Fragen der Sicherheit und Gefahrenabwehr im Weltraum.

Die EU und ihre Mitgliedstaaten unterstützen 38 die offene Arbeitsgruppe (OEWG) 39 zur Verringerung von Bedrohungen im Weltraum durch Normen, Regeln und Grundsätze verantwortungsvoller Verhaltensweisen als pragmatischen Schritt, der dazu beiträgt, ein gemeinsames Verständnis dessen zu entwickeln, was als verantwortungsvolles bzw. unverantwortliches Verhalten angesehen werden kann.

Die größte Herausforderung für die EU und ihre Mitgliedstaaten besteht darin, gemeinsam mit gleich gesinnten Partnern eine überwiegende Mehrheit der Mitgliedsländer der VN von der Bedeutung eines normativen Ansatzes zu überzeugen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten werden darauf hinarbeiten, breitere internationale Unterstützung für ihre Position zum Weltraum zu gewinnen.

Der EAD setzt sich mit einer „Bottom-up“-Initiative für Public Diplomacy zur weiteren Unterstützung eines sicheren und nachhaltigen Weltraums (Safe, Secure and Sustainable Outer Space – 3SOS) für einen nachhaltigen Ansatz für den Weltraum ein, durch den verstärkt Zusammenstöße vermieden, die Entstehung langlebigen Weltraummülls eingedämmt und Transparenz und vertrauensbildende Maßnahmen gefördert werden. Dies wird dazu beitragen, dass es weniger Pannen, Missverständnisse und Misstrauen gibt.

5.3.Partnerschaft mit den USA im Bereich Sicherheit und Verteidigung im Weltraum

Im Strategischen Kompass wird darauf hingewiesen, dass die Partnerschaft der EU mit den USA von strategischer Bedeutung für die Vertiefung der Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit und Verteidigung in einer für beide Seiten vorteilhaften Weise ist. In diesem Bereich unterhalten die USA privilegierte Beziehungen zur EU und einigen ihrer Mitgliedstaaten.

Seit 2009 pflegen die USA und die EU den Dialog über die Sicherheit im Weltraum auf der Grundlage einer – über zivile Bereiche hinausgehenden – engen Zusammenarbeit. Dank der Gespräche ist es beispielsweise gelungen, im Bereich der jeweiligen globalen Satellitennavigationssysteme von einem als solchen wahrgenommenen Wettbewerb zu wachsender Komplementarität, Interoperabilität und Redundanz überzugehen.

Ein ähnlicher Ansatz ist für die Weltraumlageerfassung und andere Bereiche denkbar, in denen die EU ihre Abhängigkeit von US-Weltraumdiensten hinter sich lassen und eine Partnerschaft auf der Grundlage gegenseitiger Interessen eingehen könnte.

5.4.Dialog mit Drittländern über Weltraumsicherheit

Eine transparente und offene Kommunikation zwischen den verschiedenen (zivilen und militärischen) Akteuren im Weltraum ist von entscheidender Bedeutung, damit Konflikte vermieden werden können, und sie trägt zudem zur Vertrauensbildung bei.

Immer mehr Drittländer haben ihre Organisation der Verteidigung und ihre diesbezüglichen Doktrinen bereits überarbeitet oder tun dies gerade, um der Bedeutung des Weltraums für Sicherheit und Verteidigung gerecht zu werden. Mehrere Drittländer – darunter sowohl Verbündete als auch strategische Wettbewerber – haben Strategien für die Sicherheit und Verteidigung im Weltraum erarbeitet, um mit gleich gesinnten Ländern Fähigkeiten im Inland sowie Partnerschaften mit dem Ausland zu entwickeln.

Die EU befasst sich in ihren politischen Gesprächen mit Drittländern zunehmend mit den Themen Sicherheit und Verteidigung im Weltraum. Der EAD und die zuständigen Kommissionsdienststellen werden Dialoge auf Mitarbeiterebene zwischen der EU und den zuständigen Behörden weiterer Drittländer wie Kanada und Norwegen einrichten, wie sie bereits mit den USA und Japan bestehen.

Diese Dialoge zur Weltraumsicherheit bieten die Gelegenheit, mit Partnern und Verbündeten zusammenzuarbeiten, ihre Weltraum- und Sicherheitsstrategien zu erörtern, Partnerschaften für den Informationsaustausch aufzubauen, bewährte Verfahren zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit der Weltrauminfrastruktur auszutauschen sowie Normen und Standards festzulegen, Bereiche für eine mögliche Zusammenarbeit zu ermitteln und Maßnahmen in multilateralen Foren zu koordinieren.

Weltraum- und Sicherheitsdialoge können auch entscheidend dafür sein, die Standpunkte und Ansätze der EU in multilateralen Foren erfolgreich zu vertreten. Sie können einen diplomatischen Kanal darstellen, den die EU insbesondere dann, wenn sie mit unverantwortlichem Verhalten im Weltraum konfrontiert ist, zur Deeskalation von Spannungen oder für vor weiteren Maßnahmen abschreckende Warnungen nutzen kann.

5.5.Partnerschaft mit der NATO im Bereich Sicherheit und Verteidigung im Weltraum

Im Strategischen Kompass werden klare Ziele für die strategische Partnerschaft zwischen der EU und der NATO festgelegt, unter anderem ein politischer Dialog und praktische Zusammenarbeit, die sich auf alle vereinbarten Bereiche der Interaktion, auch auf neue Arbeitsbereiche wie den Weltraum, erstrecken.

In der dritten gemeinsamen Erklärung zur Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO vom 10. Januar 2023 bekräftigten die Führungsgremien der EU und der NATO ihre Entschlossenheit, ihre Zusammenarbeit im Bereich Weltraum auf der Grundlage der vereinbarten Grundsätze, auf denen ihre strategische Partnerschaft beruht, zu erweitern und zu vertiefen.

Die Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO gründet weiterhin auf beidseitiger Offenheit und Transparenz, Gegenseitigkeit und Inklusivität bei vollkommener Einhaltung der Entscheidungsautonomie und -verfahren beider Organisationen und besteht unbeschadet der spezifischen Eigenschaften der Sicherheits- und Verteidigungspolitik jedes Mitgliedstaats.

Beide Organisationen erwägen die Weiterentwicklung des Bereichs Weltraum von einer Fähigkeit zur Unterstützung militärischer und ziviler Operationen hin zu einem strategischen Bereich. Die EU und die NATO werden einander bei ihren Reaktionen auf Vorfälle und Bedrohungen im Weltraum ergänzen und diese gegenseitig verstärken.

Die beiden Organisationen werden durch einen regelmäßigen Austausch, bei dem Gespräche auf Mitarbeiterebene stattfinden sowie beide Seiten einander unterrichten und zu Veranstaltungen einladen, gemeinsam neue Gebiete der Zusammenarbeit im Bereich Weltraum ausloten. Parallele und koordinierte Übungen, die von EU- und NATO-Bediensteten organisiert werden, könnten auch eine den Bereich Weltraum betreffende Komponente aufweisen.

Weiteres Vorgehen

ØDie EU wird multilaterale Anstrengungen zur Verringerung von Bedrohungen im Weltraum durch Normen, Regeln und Grundsätze für verantwortungsvolles Verhalten unterstützen, unter anderem im Rahmen der Arbeiten der von der VN-Generalversammlung eingesetzten OEWG.

ØDer Hohe Vertreter wird gemeinsam mit der Kommission die 3SOS-Public-Diplomacy-Kampagne für Sicherheit, Gefahrenabwehr und Nachhaltigkeit im Weltraum intensivieren.

ØDer Hohe Vertreter und die Kommission werden die Zusammenarbeit mit den USA im Bereich der Weltraumsicherheit vertiefen.

ØDer Hohe Vertreter und die Kommission werden, sofern dies angebracht ist, mit gleich gesinnten Partnern und Verbündeten Dialoge zum Thema Weltraumsicherheit entwickeln. Sie werden in enger Abstimmung mit den Mitgliedstaaten einen Dialog mit nicht gleich gesinnten Ländern in Erwägung ziehen.

ØDer Hohe Vertreter und die Kommission werden die Zusammenarbeit mit der NATO im Bereich der Weltraumsicherheit ausbauen.

6.SCHLUSSFOLGERUNG

Weltraumsysteme und -dienste in der EU tragen zur strategischen Autonomie der EU und ihrer Mitgliedstaaten bei. Sie sind wichtige Ressourcen, die dazu beitragen werden, eine wettbewerbsfähige, wohlhabende und sichere EU für die nächsten Generationen mitzugestalten.

Die Weltraumstrategie für Sicherheit und Verteidigung belegt die Entschlossenheit der EU, ihre Sicherheitsinteressen zu schützen und gleichzeitig ein Wettrüsten im Weltraum zu verhindern und rascher Synergien zwischen den Bereichen Weltraum, Sicherheit und Verteidigung zu erreichen.

Die EU ist entschlossen, die Widerstandsfähigkeit der Wertschöpfungsketten, die dem Weltraumökosystem zugrunde liegen, zu stärken und die Weltraumindustrie der EU innovativer und wettbewerbsfähiger zu machen. Die Kommission und der Hohe Vertreter werden dem Rat jährlich über die Fortschritte und mögliche weitere Maßnahmen Bericht erstatten.

(1)

  Ein Strategischer Kompass für Sicherheit und Verteidigung – Für eine Europäische Union, die ihre Bürgerinnen und Bürger, Werte und Interessen schützt und zu Weltfrieden und internationaler Sicherheit beiträgt .

(2)

COM(2020) 605 final.

(3)

Beispiele dafür sind Antisatellitenwaffen wie direkt vom Boden gestartete Raketen (Antisatellitenwaffen mit direktem Aufstieg) oder Raumfahrzeuge, die aktiviert werden, wenn sie bereits in der Umlaufbahn sind (Weltraumminen), einschließlich Roboterarme oder als Geschoss dienende Objekte.

(4)

Zum Beispiel elektronische Kriegsführung, Laser und sonstige gebündelte Energie, um Satelliten zu blenden, ihre elektronischen On-Board-Systeme zu beschädigen, ihre Signale durch Jamming bzw. Spoofing zu stören oder in ihre Kommunikationsnetze einzudringen.

(5)

Richtlinie (EU) 2022/2557 über die Resilienz kritischer Einrichtungen.

(6)

Richtlinie (EU) 2022/2555 über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der Union und zur Aufhebung der Richtlinie (EU) 2016/1148.

(7)

Vgl. Erwägungsgrund 5 der Richtlinie (EU) 2022/2557. „… Der Weltraumsektor fällt in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2022/2557 in Bezug auf die Erbringung bestimmter Dienste, die von Bodeninfrastrukturen abhängig sind, die sich im Eigentum der Mitgliedstaaten oder privater Parteien befinden und von diesen verwaltet und betrieben werden; folglich fallen Infrastrukturen, die sich im Eigentum der Union befinden oder von der Union oder in ihrem Namen im Rahmen ihres Weltraumprogramms verwaltet oder betrieben werden, nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie.“

(8)

JOIN(2022) 4 final.

(9)

„Wesentlich“ ist im Sinne von „entscheidend“ für eine funktionierende Wirtschaft und für die Sicherheit und die Gefahrenabwehr in den Mitgliedstaaten zu verstehen.

(10)

https://www.enisa.europa.eu/

(11)

„New Space“ steht für die aufstrebende private Weltraumindustrie, die durch eine Reihe technologischer Trends und innovativer Geschäftsmodelle Impulse erhält und dadurch Weltraumsysteme kostengünstiger macht, Bereitstellungszyklen verkürzt und zu mehr Risikobereitschaft beiträgt.

(12)

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über horizontale Cybersicherheitsanforderungen an Produkte mit digitalen Elementen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/1020, COM(2022) 454 final.

(13)

Dazu gehört derzeit die im Oktober 2021 erlassene Delegierte Verordnung zur Funkanlagenrichtlinie, in der die Hersteller von Mobilgeräten / nicht drahtgebundenen bzw. drahtlosen Endgeräten zur Verbesserung der Cybersicherheit, des Schutzes der Privatsphäre und des Schutzes vor Betrug verpflichtet werden.

(14)

Darunter fällt auch der Zugang zu Rohstoffen sowie zu verarbeiteten und fortgeschrittenen Werkstoffen.

(15)

Einschließlich der jeweiligen Vorläuferprogramme des Europäischen Programms zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich (EDIDP) und der Vorbereitenden Maßnahme im Bereich Verteidigungsforschung.

(16)

Die Gemeinsame Taskforce der Kommission, der ESA und der EDA zu kritischen Weltraumtechnologien für die Unabhängigkeit Europas wurde 2008 eingerichtet.

(17)

COM(2021) 70 final.

(18)

  European Critical Raw Materials Act (europa.eu) .

(19)

  Europäisches Chip-Gesetz (europa.eu) .

(20)

Verordnung (EU) 2019/452 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union.

(21)

Artikel 15 der Verordnung.

(22)

  Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen .

(23)

Einschließlich Manövern und Nutzlastvorgängen.

(24)

Beschluss (GASP) 2021/698 des Rates vom 30. April 2021 über die Sicherheitssysteme und -dienste, die im Rahmen des Weltraumprogramms der Union eingerichtet, betrieben und genutzt warden und die Sicherheit der Union berühren können, sowie zur Aufhebung des Beschlusses 2014/496/GASP.

(25)

Durch einstimmigen Beschluss des Rates auf Vorschlag des Hohen Vertreters.

(26)

Die Kommission kann ergänzende in ihre Zuständigkeit fallende Maßnahmen vorschlagen, wie etwa Ausfuhrkontrollanforderungen.

(27)

Im Einklang mit dem Aktionsplan für Synergien zwischen der zivilen, der Verteidigungs- und der Weltraumindustrie.

(28)

Die EDA trug zur Festlegung militärischer Nutzeranforderungen für die Komponenten GOVSATCOM und Weltraumlageerfassung (SSA) des EU-Weltraumprogramms bei.

(29)

Sie wird eine Hebelwirkung für die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten (FuE) im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds entfalten, und zwar unter anderem für fortgeschrittener Nutzlasttechnologien und Datenverarbeitungstechniken, und in der Zukunft durch hochreaktive kleine Satelliten für weltraumgestützte nachrichtendienstliche Erkenntnisse, Überwachung und Aufklärung ergänzt werden. Synergien mit SSZ-Projekten wie dem Gemeinsamen Hub für Bildmaterial staatlicher Stellen (CoHGI) werden in Betracht gezogen.

(30)

Ein bodengestütztes Breitbandsystem, das die von den Mitgliedstaaten betriebenen Kommunikationssysteme der nächsten Generation von zivilen Einrichtungen für Sicherheit und Gefahrenabwehr verknüpfen soll, sodass diese in den EU- und Schengen-Ländern operieren können. Es baut auf den Horizont-2020-Projekten „BroadMap“ und „BroadWay“ sowie dem BroadNet-Vorbereitungsprojekt des Fonds für die innere Sicherheit auf.

(31)

EDF-2021-SPACE-D-EPW. 

(32)

EDIDP –DA- ESSOR.

(33)

CASSINI ist die Initiative der Europäischen Kommission zur Unterstützung von Unternehmern, Start-ups und KMU in der Weltraumindustrie – https://defence-industry-space.ec.europa.eu/eu-space-policy/space-entrepreneurship-initiative-cassini_en.

(34)

Mitteilung „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025“, COM(2020) 152 final.

(35)

https://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=23220&langId=en

(36)

Beispielsweise der Haager Verhaltenskodex gegen die Verbreitung ballistischer Flugkörper (HCoC).

(37)

„Destructive direct-ascent anti-satellite missile testing“ (Raketentests für Antisatellitenwaffen mit direktem Aufstieg – Dokument A/C.1/77/L.62).

(38)

Die EU hat mehrere gemeinsame Beiträge beigesteuert und verschiedene Mitgliedstaaten haben nationale oder regionenübergreifende Arbeitspapiere vorgelegt.

(39)

Angenommen durch die Resolution 76/231 der Generalversammlung der Vereinten Nationen.

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