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Document 52022DC0781

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS Warnmechanismusbericht 2023 Erstellt gemäß den Artikeln 3 und 4 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte

COM/2022/781 final

Straßburg, den 22.11.2022

COM(2022) 781 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

Warnmechanismusbericht 2023
































Erstellt gemäß den Artikeln 3 und 4 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte





















{SWD(2022) 381 final}


Warnmechanismus-Bericht 2023

   

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

1. Makroökonomisches Umfeld

2. Ungleichgewichte, Risiken und Anpassungen: wichtigste Entwicklungen

2.1 Außenwirtschaft

2.2 Wettbewerbsfähigkeit

2.3 Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften

2.4 Wohnungsmarkt und Verschuldung der privaten Haushalte

2.5 Staatlicher Sektor

2.6 Finanzsektor

3. Länderteil

Anhang 1: Anmerkung zu den Tabellen des Länderteils

Anhang 2: Prognosen und Gegenwartsprognosen für die Indikatoren des Scoreboards

Anhang 3: MIP-Scoreboard



Dieser Warnmechanismus-Bericht (WMB) bildet den Auftakt zur zwölften Runde des jährlichen Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht (macroeconomic imbalance procedure; MIP). Ziel des Verfahrens ist es, Ungleichgewichte, die das ordnungsgemäße Funktionieren der Wirtschaft eines Mitgliedstaats, der Wirtschafts- und Währungsunion oder der Union als Ganzes beeinträchtigen oder beeinträchtigen könnten, zu erkennen, zu verhindern und zu korrigieren sowie angemessene politische Maßnahmen einzuleiten. Um die Kohärenz mit Analysen und Empfehlungen im Rahmen anderer Instrumente der wirtschaftspolitischen Überwachung sicherzustellen, wird das MIP im Rahmen des Europäischen Semesters der wirtschaftspolitischen Koordinierung durchgeführt (Artikel 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011).

Im WMB werden die Mitgliedstaaten ermittelt, die einer eingehenden Überprüfung unterzogen werden sollten, um zu bewerten, ob sie von Ungleichgewichten betroffen sind, die Korrekturmaßnahmen erforderlich machen (Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011). Unter Berücksichtigung der mit dem Europäischen Parlament sowie der im Rat und der in der Eurogruppe geführten Gespräche über den WMB wird die Kommission in der Folge Berichte über die eingehenden Überprüfungen zu den betreffenden Mitgliedstaaten erstellen. Die eingehenden Überprüfungen werden im Frühjahr 2023 veröffentlicht und sollen die Grundlage bilden für die Bewertung der Kommission hinsichtlich des Vorliegens und des Ausmaßes makroökonomischer Ungleichgewichte sowie für die Feststellung eines etwaigen politischen Handlungsbedarfs. Ferner enthält der WMB eine Analyse der Auswirkungen makroökonomischer Ungleichgewichte in den Mitgliedstaaten auf das Euro-Währungsgebiet insgesamt.

Die Analyse des WMB basiert auf der wirtschaftlichen Auslegung eines Scoreboards ausgewählter Indikatoren, das als Filter zur Ermittlung von Anscheinsbeweisen für mögliche Risiken und Schwachstellen dient. Im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 besteht die Rolle der Kommission darin, eine wirtschaftliche Auslegung der Scoreboard-Werte vorzunehmen, die ein tieferes Verständnis des wirtschaftlichen Gesamtkontextes unter Berücksichtigung länderspezifischer Erwägungen ermöglicht.( 1 ) Der WMB baut auch auf Analyseinstrumenten und Bewertungsrahmen sowie auf zusätzlichen veröffentlichten Daten, insbesondere unterjährigen Daten, auf.( 2 )

Aufbauend auf dem Ansatz der vergangenen Jahre ist die erste Prüfung auf Ungleichgewichte im WMB zukunftsorientiert, mit dem Ziel, Risiken für entstehende Ungleichgewichte frühzeitig zu erkennen. Dies könnte bedeuten, dass eingehende Überprüfungen eingeleitet werden, wenn negative Trends auf ein hohes Risiko des Aufbaus von Ungleichgewichten hinweisen. Zu diesem Zweck werden in diesem Bericht Prognosen, Gegenwartsprognosen und Projektionen herangezogen, um die mögliche Entwicklung der Risiken für die makroökonomische Stabilität besser einschätzen zu können. Die Werte der Scoreboard-Variablen für 2022 und die folgenden Jahre wurden mithilfe von Prognosedaten der Kommission geschätzt und Gegenwartsprognosen beruhen auf unterjährigen Daten (siehe Anhang 2 für Details). Diese Prognosen unterliegen einer beträchtlichen Unsicherheit, was unbedingt berücksichtigt werden muss, damit die Grundsätze der Transparenz über die verwendeten Analysen und Daten und der Sorgfalt bei den Schlussfolgerungen aufrechterhalten werden.

Der derzeitige Ansatz für den WMB steht im Einklang mit dem Vorschlag der Kommission über die Zukunft der Überwachung von makroökonomischen Ungleichgewichten, der im Rahmen der Überprüfung der wirtschaftspolitischen Steuerung vorgelegt wurde.( 3 ) Vor allem soll die präventive Rolle des MIP in einem von neuen Risiken geprägten Umfeld gestärkt werden. Die Bewertung von Ungleichgewichten würde eher auf der Entwicklung von Risiken und politischen Maßnahmen beruhen. Das reformierte MIP wäre auf makroökonomische Fragen ausgerichtet, die die Mitgliedstaaten betreffen, und würde gleichzeitig die Dimensionen der Ungleichgewichte in der EU und im Euro-Währungsgebiet besser herausstellen.

Zusammenfassung

In diesem Warnmechanismus-Bericht (WMB) wird die Entwicklung der Ungleichgewichte in einer Zeit untersucht, in der sich die Wirtschaft der EU von einer Erholung von der COVID-19-Pandemie in Richtung einer starken Verlangsamung des Wachstums inmitten des Inflationsdrucks bewegt. Anfang 2022 hatten fast alle Volkswirtschaften der EU den durch den Ausbruch der Pandemie verursachten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2020 aufgeholt und ein starkes Wachstum verzeichnet, trotz einiger verbleibender Engpässe auf der Angebotsseite und eines zunehmenden Arbeitskräftemangels. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 haben sich die Aussichten für die Wirtschaft der EU aufgrund des starken Anstiegs der Energiekosten stark verschlechtert. Der aktuelle Ausblick ist geprägt von einer Kombination aus hoher Inflation und sinkendem Vertrauen der Verbraucher und Hersteller. Die Ungewissheit über die mögliche Tragweite und Dauer der Energiekrise ist hoch. Die Wirtschaftstätigkeit ist rückläufig und für das letzte Quartal 2022 wird ein negatives Wachstum prognostiziert. Die Finanzierungsbedingungen haben sich zusehends verschlechtert, vor allem außerhalb des Euro-Währungsgebiets, da die Währungsbehörden Maßnahmen ergreifen, um dem Inflationsdruck zu begegnen. Außerhalb der EU sind die weltweiten Bedingungen durch eine Wachstumsverlangsamung in China und Nervosität in den Schwellenländern geprägt.

Vor der Verschlechterung der Wirtschaftslage setzte sich der Abbau einiger seit Langem bestehender Ungleichgewichte, die während der Pandemie zugenommen hatten, fort, während die Wohnimmobilienpreise rasant anstiegen. Mit der Erholung wurde der Abbau der hohen privaten und öffentlichen Verschuldung, der in den letzten zehn Jahren in einer Reihe von Ländern stattgefunden hatte, in vielen Fällen fortgesetzt, allerdings von einem höheren Ausgangsniveau. Die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte wurden langsam wieder abgebaut. Dieser Abbau war während der Pandemie ins Stocken geraten, da sich die Leistungsbilanz in einer Reihe von Netto-Schuldnerländern mit starken Tourismussektoren verschlechterte, während gleichzeitig hohe Leistungsbilanzüberschüsse bestehen blieben. Der gesamtstaatliche Schuldenstand, der mit der COVID-19-Krise angesichts der starken Rezession und der Notwendigkeit, die Wirtschaft zu stützen, erheblich angestiegen war, begann ab 2021 zu sinken. Der Anstieg der Preise für Wohnimmobilien beschleunigte sich während der Pandemie, und das starke Wachstum setzte sich während der Erholung fort. In einigen Ländern hat das robuste Lohnwachstum die Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit verstärkt, die teilweise bereits vor der Pandemie aufgekommen waren.

Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards, das die Ergebnisse für 2021 widerspiegelt, beruht auf dem zentralen Szenario der Herbstprognose der Kommission 2022 und den unterjährigen wirtschaftlichen Entwicklungen. Zusätzlich zu dem zentralen Szenario gibt es erhöhte Risiken und Anfälligkeiten, die mit der vermehrten Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung zum gegenwärtigen Zeitpunkt zusammenhängen und die im Folgenden erörtert werden. Die wirtschaftliche Auslegung lässt die folgenden thematischen Schlussfolgerungen zu:

·Im Jahr 2021 kehrten die Leistungsbilanzen der meisten Mitgliedstaaten fast auf den Stand von vor der COVID-19-Krise im Jahr 2019 zurück, obwohl die Auswirkungen in einigen Ländern mit starken Tourismussektoren noch zu spüren waren. Die Leistungsbilanzen der meisten Netto-Schuldnerländer verblieben unter den Niveaus, die eine rasche Korrektur begünstigen, während bei einigen großen Leistungsbilanzüberschüssen ein Anstieg verzeichnet wurde. Die großen externen Ungleichgewichte wurden vor allem dank des höheren BIP-Wachstums abgebaut, sind aber nach wie vor erheblich. Im Laufe des Jahres 2022 war eine deutliche Verringerung der Leistungsbilanzen zu verzeichnen, sowohl der Defizite als auch der Überschüsse, was auf die deutlich höheren Energiepreise zurückzuführen ist. In einigen Fällen geht dies mit einer Verringerung der Handelsbilanz außerhalb des Energiesektors einher, wobei Wechselkurseffekte eine Rolle spielen. Durch finanzpolitische Maßnahmen zur Abmilderung der Auswirkungen der Energiekrise wird der relative Beitrag der Finanzierungssalden des Staates und des Privatsektors verlagert, und sie tragen zu erhöhten Leistungsbilanzdefiziten und geringeren Überschüssen bei.

·Die Entwicklung der Lohnstückkosten war in den letzten Jahren aufgrund schwerwiegender Störungen bei der Messung der Produktivität schwer zu deuten, sie sind jedoch insgesamt gestiegen. In einigen Ländern sind die Löhne im Jahr 2021 stark gestiegen, woraus sich das Risiko eines Verlustes der Kostenwettbewerbsfähigkeit innerhalb des Euro-Währungsgebiets ergibt, insbesondere in Ländern, die bereits vor den Pandemiejahren unter anhaltendem Druck standen. In einigen Ländern sind die Arbeitsmärkte besonders angespannt, was zum Teil auf die besonderen Auswirkungen der Pandemie zurückzuführen sein könnte. Im Jahr 2022 stiegen die Löhne schneller als die Produktivität, was zu einem weiteren Druck auf die Wettbewerbsfähigkeit führte. Das real verfügbare Einkommen der privaten Haushalte sinkt jedoch aufgrund der hohen Inflation. Die auf der Inflation basierenden realen effektiven Wechselkurse haben im Euro-Währungsgebiet aufgrund der Abwertung der einheitlichen Währung bisher insgesamt nicht zugelegt, allerdings gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern. Die unterschiedlichen Auswirkungen des Energiepreisschocks auf die Preisdynamik spielen eine Rolle, bedingt durch Unterschied im Energiemix, in der Struktur der Energiemärkte und in der staatlichen Unterstützung. Bei den auf der Kerninflation basierenden effektiven Wechselkursen gibt es auch deutliche Unterschiede, wobei Länder mit höherem Preisdruck im laufenden Jahr eine Aufwertung gegenüber dem Euro-Währungsgebiet verzeichnen. In den Ländern außerhalb des Euro-Währungsgebiets sind sowohl erhebliche Abwertungen als auch Aufwertungen im Gange, was zum Teil auf eine unterschiedliche Dynamik der nominalen Wechselkurse zurückzuführen ist, die in einigen – aber nicht in allen – Fällen durch die Geldpolitik bestimmt wird.

·Im Jahr 2021 erreichte der Leistungsbilanzüberschuss des Euro-Währungsgebiets wieder das Niveau von vor der Pandemie. Die unterjährigen Daten zeigen, dass im Jahr 2022 ein starker Rückgang zu verzeichnen ist, der vor allem auf einen Anstieg der Importe zurückzuführen ist, wobei die Energieimporte aufgrund deutlicher Preiseffekte den wichtigsten Faktor darstellen. Infolgedessen wird die Leistungsbilanz des Euro-Währungsgebiets im Jahr 2022 voraussichtlich erheblich geringer ausfallen und im Jahr 2023 weitgehend unverändert bleiben, obwohl die reale Nachfrage anhält. Aufgrund der Veränderungen bei den Lohnstückkosten während der Pandemie ist die symmetrische Anpassung der Zahlungsbilanzpositionen innerhalb des Euro-Währungsgebiets über die Jahre 2020 und 2021 kumuliert vorübergehend zum Stillstand gekommen. Im Großen und Ganzen waren die Zuwächse in den Ländern mit hohen positiven und hohen negativen Nettoauslandsvermögensstatus sehr ähnlich. Ab 2022 dürfte die symmetrische Anpassung wieder einsetzen und sich über den Prognosezeitraum hinweg fortsetzen, wobei die Lohnstückkosten in einigen Ländern mit Überschüssen am stärksten steigen.

·Die Verschuldungsquoten der Unternehmen sanken 2021 mit der Erholung des Wirtschaftswachstums. Die Unternehmen weisen eine erhöhte Liquidität auf, die die unmittelbaren Risiken der Unternehmensschulden teilweise abmildert. Dennoch ist die Verschuldung in vielen Mitgliedstaaten nach wie vor beträchtlich und liegt in einigen Fällen über dem Niveau von vor der Pandemie. Der Abbau der Unternehmensverschuldung im Verhältnis zum BIP wird 2022 fortgesetzt, da das Wirtschaftswachstum bei anhaltenden Finanzierungsströmen positiv bleibt, was jedoch durch den schwierigen makroökonomischen Kontext behindert werden dürfte. In einigen Ländern hat die Zahl der notleidenden Kredite und Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2022 zugenommen.

·Nach Jahren anhaltenden Wachstums zogen die Wohnimmobilienpreise im Jahr 2021 erneut an. In der ersten Jahreshälfte 2022 stiegen die Preise weiter, das Wachstum wird sich voraussichtlich aber abschwächen. Die Schuldenquoten der privaten Haushalte sind 2021 wieder gesunken, bleiben aber in einigen Ländern weiterhin hoch und über dem Niveau von vor der Pandemie. Zwar wird prognostiziert, dass der Anteil am BIP bis 2022 weiter sinken wird, aber die Zinslast der Haushalte wird wahrscheinlich steigen. Außerhalb des Euro-Währungsgebiets sind die Hypothekenzinsen im Laufe des Jahres 2022 deutlich gestiegen, während der Anstieg der Zinsen im Euro-Währungsgebiet zwar begrenzter ist, aber voraussichtlich anhalten wird.

·Die gesamtstaatliche Schuldenquoten sind 2021 in fast allen Mitgliedstaaten gesunken, bleiben aber in nahezu allen Fällen deutlich über dem Niveau von 2019. Die Defizite bleiben nach wie vor hoch, aber durch das starke Wirtschaftswachstum wurden die Schuldenquoten gesenkt. Die gesamtstaatlichen Schuldenquoten gingen 2022 insgesamt zurück, da das Wirtschaftswachstum anhielt und die Defizite trotz umfangreicher Unterstützungspakete für Haushalte und Unternehmen im Zusammenhang mit den hohen Energiepreisen weiter gesunken sind. Die Aussichten für 2023 sind in den einzelnen Ländern unterschiedlich, wenngleich die Schuldenquoten der Länder mit dem höchsten Schuldenstand weiter sinken. Neue politische Maßnahmen zur Abmilderung der Auswirkungen der Energiekrise können zu einem höheren Schuldenstand führen. Die Schuldendienstkosten sind seit 2021 gestiegen, da sich die finanziellen Bedingungen nach Jahren mit sehr günstigen Konditionen verschärft haben. Am deutlichsten war dies in den Ländern außerhalb des Euro-Währungsgebiets zu beobachten, in denen das Renditegefälle bei Staatsanleihen sich stärker ausgeweitet hat.

·Der Bankensektor verfügt über eine gute Kapitalausstattung und hat sich während der Pandemie als resilient erwiesen. Der Abbau der notleidenden Altkredite setzte sich 2021 und 2022 fort, aber es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich Rückkopplungseffekte entwickeln. Die Rentabilität der Banken stieg zwar wieder an, ist aber nach wie vor strukturell schwach und dürfte trotz steigender Zinsmargen weiter sinken, da sich die verschlechterten Wirtschaftsaussichten auf Vermögenswerte und Kreditrisiken auswirken. Im Jahr 2021 wurde die Kreditvergabe auch nach dem Auslaufen der staatlichen Garantien und einer gewissen makroprudenziellen Verschärfung fortgesetzt. Es wird ein gewisser Anstieg notleidender Kredite erwartet, da sich die Rücknahme der Unterstützungsmaßnahmen, die wegen der Pandemie ergriffen wurden, und die derzeitigen verschlechterten Wirtschaftsaussichten verzögert auswirken.

Angesichts des wirtschaftlichen Umfelds gibt es bestimmte Risiken, die zu einer Verschärfung der Ungleichgewichte führen könnten. Es könnten noch ungünstigere Szenarien als das oben beschriebene eintreten, die sich entweder in akuteren oder in länger anhaltenden Entwicklungen niederschlagen, die die makroökonomische Stabilität und das Funktionieren der Volkswirtschaften im Allgemeinen beeinträchtigen könnten:  

·Eine langwierige Energiekrise mit anhaltend hohen Energiekosten könnte zu einem größeren und längeren Abwärtstrend führen, der die Verschuldung sowohl direkt als auch indirekt erhöht und durch die Auswirkungen auf Verbraucher, Arbeitnehmer, Unternehmen und den Bankensektor zu einer Reihe von Folgewirkungen führt. Anhaltend hohe Energiekosten könnten in einigen Ländern zu dauerhaft hohen Leistungsbilanzdefiziten führen und ihre außenwirtschaftliche Tragfähigkeit belasten.

·Die Aussicht auf einen stärkeren Strukturwandel weg von der hohen Energieunabhängigkeit von fossilen Energieträgern, insbesondere aus Russland, ist positiv, bringt jedoch auch Risiken und Anpassungskosten mit sich. Verlagern sich die Wertschöpfungsketten weg von den stärker betroffenen europäischen Unternehmen, die mit weltweit höheren Produktionsmittelpreisen konfrontiert sind, könnte die Rentabilität gedämpft werden. Außerdem könnten eine Zunahme der Insolvenzen von Unternehmen, die sich in den betroffenen Sektoren oder Regionen konzentrieren, sowie ein Verlust von Exportmarktanteilen und ein Rückgang des potenziellen Wachstums in den stärker betroffenen Ländern die Folge sein.

·Die weltweite Neubewertung von Risiken könnte sich auf die Finanzmärkte auswirken, zu Instabilität führen und die Fremdfinanzierungskosten für Staaten und private Kreditnehmer in die Höhe treiben, möglicherweise auf unsystematische Weise.

Die schlechteren wirtschaftlichen Bedingungen haben die Anfälligkeit und die Risiken im Zusammenhang mit bereits bestehenden Ungleichgewichten erhöht. Trotz der derzeitigen kräftigen Konjunkturabschwächung wird das nominale BIP-Wachstum voraussichtlich dazu beitragen, die Schuldenquoten sowohl 2022 als auch 2023 zu senken, was vor allem auf die Auswirkungen der Inflation zurückzuführen ist. Die geschwächte Wirtschaftstätigkeit und die verschärften Finanzierungsbedingungen erhöhen jedoch die mit einer hohen Verschuldung verbundenen Risiken. Ein Anstieg der notleidenden Kredite und Insolvenzen ist ein Risiko sowohl für Unternehmen als auch für private Haushalte. Die Unternehmen sind mit steigenden Produktionskosten konfrontiert und können diese möglicherweise nur begrenzt weitergeben, wobei die anfälligeren Unternehmen sich auf bestimmte Wirtschaftszweige und Regionen konzentrieren. Die real verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte sind in den meisten Ländern zurückgegangen, da die Lohnerhöhungen niedriger als die Inflation, aber höher als das Produktivitätswachstum ausfielen. In vielen Mitgliedstaaten wirken steigende Hypothekenzinsen und der Druck auf das verfügbare Einkommen dem Anstieg der Wohnimmobilienpreise entgegen. Das anhaltend starke Wachstum der Preise für Wohnimmobilien in einigen Ländern birgt das Risiko einer ungeordneten Umkehrung, insbesondere wenn es mit Hypothekendarlehen zu variablen Zinssätzen einhergeht. Der Stress der Unternehmen und privaten Haushalte könnte sich gegenseitig verstärken und sich auf die gesamte Wirtschaft ausdehnen, mit entsprechenden Folgen auch für den Finanzsektor. Durch zusätzliche Maßnahmen zur Unterstützung anfälliger Haushalte und stärker exponierter Unternehmen würde ein Teil der Kosten der Energiekrise auf den Staatssektor abgewälzt und der gesamtstaatliche Schuldenstand erhöht, was für Länder mit einem hohen anfänglichen Schuldenstand und einem hohen Defizit eine besondere Herausforderung darstellen kann, sodass gezielte und befristete Maßnahmen sowie gemeinsame europäische Lösungen erforderlich sind. Die Kommission wird den Bedarf des REPowerEU-Plans konkret neu bewerten. Darüber hinaus erschweren höhere Zinssätze und ein schwächeres oder negatives BIP-Wachstum den Schuldenabbau im Staatssektor, insbesondere in Ländern mit hohem Schuldenstand. Dies kann sich auf andere Sektoren auswirken und das Wachstum negativ beeinflussen.

Falls das starke Wachstum nach der Pandemie zum Stillstand kommt, könnten neue Ungleichgewichte entstehen, mit dem Risiko divergierender Preiseffekte als Folge des gemeinsamen Versorgungsschocks. Obwohl der Anstieg der Rohstoffpreise und die Risiken für die Gasversorgung ein gemeinsamer Schock für die EU sind, gibt es erhebliche Unterschiede bei den Auswirkungen. Es wird zwar erwartet, dass die Inflation allmählich sinken wird, wenn sie aber dann sinkt, kann es zu einer schrittweisen Veränderung des relativen Preis- und Kostenniveaus in den verschiedenen Ländern kommen. Dies könnte zu einem Verlust der Kostenwettbewerbsfähigkeit führen, der nur mit hohem Aufwand wieder ausgeglichen werden kann. Dies gilt insbesondere für die Länder des Euro-Währungsgebiets und dort, wo außenwirtschaftliche Defizite entstanden sind, auch wenn eine höhere Inflation in Ländern mit großen Leistungsbilanzüberschüssen dazu beitragen könnte, den Abbau von Ungleichgewichten im Euro-Währungsgebiet zu erleichtern. In einigen Ländern außerhalb des Euro-Währungsgebiets können Währungsabwertungen die Kostenwettbewerbsfähigkeit erhalten, indem sie einen Teil der stark steigenden Arbeitskosten ausgleichen; sie könnten aber die Inflation weiter anheizen. Dies wiederum kann zu einer Verschärfung der Finanzierungsbedingungen führen, während Abwertungen auch die Kosten für die Kreditaufnahme im Ausland und der Schuldendienste erhöhen.

Im Euro-Währungsgebiet gibt es kurzfristig Anzeichen für einen erneuten Abbau von Ungleichgewichten, aber die künftige Gesamtentwicklung erfordert weiterhin eine enge Koordinierung der politischen Maßnahmen. Ein gewisses Gleichgewicht innerhalb des Euro-Währungsgebiets wird durch eine stärkere Entwicklung der Lohnstückkosten in einigen Netto-Gläubigerländern unterstützt. Die jüngsten Entwicklungen der Leistungsbilanz, die auf den negativen externen Schock zurückzuführen sind, sprechen auch weitgehend für einen Abbau von Ungleichgewichten, da die Netto-Gläubigerländer ihre hohen Überschüsse stärker abbauen. Das unterschiedliche Ausmaß der politischen Maßnahmen zur Abmilderung der Auswirkungen der hohen Energiepreise, die die Last der Energiekrise auf Unternehmen, Haushalte und den öffentlichen Sektor verteilen, und die Häufigkeit von nicht zielgerichteten Preismaßnahmen geben Anlass zur Sorge. Die Art und die Zusammensetzung dieser Maßnahmen in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Energienachfrage und die Energiepreise sowie ihre Auswirkungen auf Unternehmen und Haushalte können zu Spillover-Effekten für das restliche Euro-Währungsgebiet führen und ungleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen. Deshalb müssen diese Maßnahmen gezielt und zeitlich begrenzt sein. Unkoordinierte politische Maßnahmen können zu größeren Divergenzen führen, die die monetäre Transmission behindern und die heterogenen Auswirkungen der Energiekrise verstärken.

Die in diesem WMB vorgestellte Analyse verdeutlicht, dass die Entwicklungen und Risiken im Zusammenhang mit gemeinsamen Trends, die sowohl Mitgliedstaaten mit bereits bestehenden Ungleichgewichten als auch solche mit neu auftretenden Anfälligkeiten betreffen, genau beobachtet werden müssen. Die Auswirkungen des russischen Kriegs in der Ukraine sowie weltweite Versorgungsengpässe und Inflationsdruck stellen gemeinsame Schocks dar, die Risiken für die makroökonomische Stabilität und das Funktionieren der Wirtschaft der EU insgesamt und des Euro-Währungsgebiets im Besonderen mit sich bringen können. Angesichts ihrer Gemeinsamkeiten müssen diese in einem gemeinsamen Rahmen betrachtet werden, um die differenzierte länderspezifische Analyse in einen größeren Zusammenhang zu setzen.

Als Teil der analytischen Vorbereitung der kommenden länderspezifischen eingehenden Überprüfungen werden die Kommissionsdienststellen ausführliche Bewertungen dreier Themen durchführen, die zum jetzigen Zeitpunkt von zentraler Bedeutung sind. Diese Bewertungen werden sich auf Themen erstrecken, die für eine Reihe von Mitgliedstaaten relevant sind. Dabei werden Gemeinsamkeiten ermittelt, die für die länderspezifische Analyse relevant sind, und es wird näher auf die Länder eingegangen, die in diesem WMB als am stärksten von diesen Fragen betroffen bewertet wurden. Die Bewertungen werden Anfang 2023 auch dem Ausschuss für Wirtschaftspolitik vorgelegt, und die betreffenden Mitgliedstaaten werden aufgefordert, Beiträge für eine Diskussion zu liefern. Dies wird in die länderspezifischen eingehenden Überprüfungen im Frühjahrspaket des Europäischen Semesters einfließen. Die folgenden thematischen Vermerke werden vorbereitet:

·In einem ausführlichen thematischen Vermerk über die Entwicklungen auf dem Wohnimmobilienmarkt werden die Risiken und Triebkräfte im Zusammenhang mit der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise, den Hypothekenmärkten und der Verschuldung der privaten Haushalte untersucht. In dem Vermerk wird es um Deutschland, Estland, Lettland, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, Schweden, die Slowakei, Tschechien und Ungarn gehen.

·In einem thematischen Vermerk über die Dynamik der Wettbewerbsfähigkeit werden das Ausmaß und die Auswirkungen der weitergegebenen Energiekosten auf die Inflation sowie die Lohnentwicklung bewertet. Der Schwerpunkt dieses Vermerks wird auf Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei, Tschechien und Ungarn liegen.

·In einem ausführlichen thematischen Vermerk zur außenwirtschaftlichen Tragfähigkeit und den Handelsbilanzen wird die Verringerung der Handelsbilanzen im Rahmen eines horizontalen Ansatzes untersucht. Im Mittelpunkt dieses Vermerks stehen Deutschland, Griechenland, Lettland, Litauen, die Niederlande, Portugal, Rumänien, die Slowakei, Ungarn und Zypern.

Aufbauend auf der Bewertung im WMB werden die eingehenden Überprüfungen auch weitere Bedenken und länderspezifische Fragen abdecken. Dazu gehören auch die Auswirkungen der aktuellen Entwicklungen auf die Ungleichgewichte, die in den eingehenden Überprüfungen für 2022 festgestellt wurden (Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, die Niederlande, Portugal, Rumänien, Schweden, Spanien und Zypern).

In diesem WMB wird festgestellt, dass die eingehenden Überprüfungen für die Mitgliedstaaten mit bestehenden übermäßigen Ungleichgewichten oder Ungleichgewichten gerechtfertigt sind. Für Mitgliedstaaten, in denen zuvor Ungleichgewichte oder übermäßige Ungleichgewichte festgestellt wurden, wird in den eingehenden Überprüfungen für 2023 bewertet, ob sich diese Ungleichgewichte verschärfen, ob sie derzeit abgebaut werden oder bereits abgebaut wurden, um anschließend die bestehenden Bewertungen zu aktualisieren und einen möglichen verbleibenden Bedarf an politischen Maßnahmen zu ermitteln. Das wird für Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, die Niederlande, Portugal, Rumänien, Schweden, Spanien und Zypern der Fall sein. 

Darüber hinaus werden eingehende Überprüfungen für Mitgliedstaaten durchgeführt, bei denen ein besonderes Risiko für neu auftretende Ungleichgewichte besteht. Die eingehenden Überprüfungen stützen sich auf die Vermerke zur eingehenden thematischen Bewertung, die den Hintergrund für die Analyse bilden. In dem WMB wird abschließend festgestellt, dass eingehende Überprüfungen auch für Estland, Lettland, Litauen, Luxemburg, die Slowakei, Tschechien und Ungarn gerechtfertigt sind, die im vorangegangenen Zyklus noch nicht Gegenstand von eingehenden Überprüfungen waren, bei denen aber möglicherweise besondere Risiken makroökonomischer Ungleichgewichte bestehen könnten.

Abbildung 1:    Zahl der Mitgliedstaaten mit jenseits der Schwellenwerte liegenden Scoreboard-Werten

 

Die Zahl der Mitgliedstaaten mit jenseits der einschlägigen Schwellenwerte liegenden Scoreboard-Werten in einem bestimmten Jahr basiert auf Scoreboards, die in der Vergangenheit mit dem jeweiligen jährlichen WMB veröffentlicht wurden. Durch nachträgliche Datenkorrekturen auf der Grundlage der neuesten Zahlen kann sich die Anzahl der jenseits der Schwellenwerte liegenden Scoreboard-Werte gegenüber der Angabe in der obigen Abbildung ändern. Beispielsweise ist die zunehmende Anzahl an Mitgliedstaaten mit einem Leistungsbilanzsaldo, der – wie in der Abbildung zu sehen – für die Datenbestände zwischen 2019 und 2020 außerhalb der Schwellenwerte liegt, vor allem auf eine Überarbeitung der Daten zurückzuführen. Die Prognosen für Verbindlichkeiten des Finanzsektors werden nur für das Jahr 2022 erstellt; für die Langzeitarbeitslosigkeit und die Jugendarbeitslosenquote werden keine Prognosen erstellt.

Quelle: Eurostat und Berechnungen der Kommissionsdienststellen (siehe Anhang 2).

1. Makroökonomisches Umfeld

Nach der Invasion Russlands in der Ukraine befindet sich die Wirtschaft der EU an einem Wendepunkt: Im Anschluss an die Erholung von der COVID-19-Pandemie verlangsamt sich das Wachstum unter dem Druck der Inflation. Anfang 2022 hatten fast alle Volkswirtschaften der EU den pandemiebedingten Rückgang des BIP im Jahr 2020 wieder aufgeholt und ein starkes Wachstum verzeichnet. Mit der Invasion Russlands in der Ukraine im Februar 2022 haben sich die Aussichten für die Wirtschaft der EU stark verändert. Laut der Herbstprognose 2022 der Kommission wird das reale Wachstum in der EU von 5,4 % im Jahr 2021 auf 3,3 % im Jahr 2022 und 0,3 % im Jahr 2023 zurückgehen, wobei das solide Wirtschaftswachstum in der ersten Jahreshälfte 2022 die sich abzeichnende unterjährige Verschlechterung überdeckt (Abbildung 1.1).( 4 ) Im September 2022 erreichte die Inflation in der EU mit 10,9 % im Jahresvergleich einen neuen Rekordwert, verglichen mit einer Inflationsrate von unter 2 % vor der Pandemie. Allein im Euro-Währungsgebiet stieg die Inflation im Oktober auf ein Allzeithoch von 10,7 %. Es wird erwartet, dass die Mitgliedstaaten der EU, die stärker auf Gas als Energiequelle angewiesen sind, von dem jüngsten Schock stärker betroffen sein werden (Abbildung 1.2 Buchstabe b). Das Vertrauen der Haushalte und Unternehmen ist angesichts der großen Ungewissheit gesunken. Die Finanzierungsbedingungen wurden zusehends verschärft, da die Währungsbehörden begonnen haben, ihre Politik zu straffen, um dem hohen Inflationsdruck entgegenzuwirken, der auch 2023 relativ hoch bleiben dürfte.

Abbildung 1.1:    Rückgang des BIP

Quelle: Eurostat und AMECO. Die Länder sind nach dem für 2023 prognostizierten Wachstum des realen BIP geordnet.

Die explodierenden Energiepreise waren der Haupttreiber der Inflation, allerdings hat auch eine Reihe anderer Faktoren den allgemeinen Preisdruck verstärkt. Die rasche weltweite Erholung nach der ersten Welle der Pandemie trieb die Nachfrage nach Energie und anderen Rohstoffen und deren Preise in die Höhe. Dies war die erste Phase der Energieinflation.( 5 ) In der EU war dies mit einem Nachfragedruck verbunden, der sich aus dem Konsumstau und der Auflösung der während der akuten Phase der Pandemie angehäuften hohen Ersparnisse der privaten Haushalte ergab, was zu einer raschen Ausweitung der Inlandsnachfrage führte, als die Beschränkungen gelockert wurden.( 6 ) Auch die Fiskalimpulse stützten die Nachfrage in der EU über die akute Anfangsphase der Pandemie hinaus. Dieser Nachfragedruck ging mit effektiven Engpässen auf der Angebotsseite einher, wodurch die Preise für die Produkte des verarbeitenden Gewerbes in die Höhe getrieben wurden. Nach der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 schnellten die Energiepreise aufgrund der Unterbrechung der Versorgung Europas mit russischem Gas in die Höhe, sodass die Energiepreise zum Haupttreiber der Inflation des harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) wurden (Abbildung 1.2 Buchstabe a).

Die Entwicklung des Einkommens der privaten Haushalte während der Pandemie ebnete den Weg für einen starken Aufschwung, nachdem die Beschränkungen aufgehoben wurden; die Arbeitsmarktbedingungen verschärften sich jedoch in manchen Ländern und Sektoren allmählich. Eine Reihe von politischen Maßnahmen, darunter Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigung, schützten das Einkommen der privaten Haushalte in den Jahren 2020 und 2021. Infolgedessen stieg das real verfügbare Einkommen der privaten Haushalte zwischen 2019 und 2021 in den meisten Ländern der EU, wenn auch in sehr unterschiedlichem Maße. Parallel dazu haben die Haushalte in vielen Ländern während der Pandemie Nettoersparnisse angesammelt, auch aufgrund der eingeschränkten Konsummöglichkeiten. Der höhere Anstieg des verfügbaren Einkommens im Jahr 2021 hat die Haushalte in die Lage versetzt, einen breiteren Preisanstieg ohne Nachfragerückgang zu verkraften, was wiederum dazu geführt hat, dass einige Nichtfinanzunternehmen ihre Gewinne in diesem Zeitraum halten oder gar steigern konnten.( 7 ) Dieser Effekt wird wahrscheinlich zurückgehen, da das real verfügbare Bruttoeinkommen in den meisten Ländern der EU bis 2022 sinken wird (siehe Abschnitt 2.4). Während die Arbeitslosigkeit durch die politischen Maßnahmen stabilisiert wurde, hat die Unterauslastung des Arbeitsmarkts im Jahr 2020 insgesamt zugenommen. Seitdem sinkt sie mit der Erholung der Nachfrage und dem starken Anstieg der offenen Stellen im Jahr 2021.( 8 ) Der längerfristige Rückgang der Erwerbsbevölkerung aufgrund der Überalterung und der veränderten Migrationstrends könnte auch dazu beigetragen haben, dass die Arbeitsmärkte in verschiedenen Ländern der EU angespannter sind. In einer Reihe von Ländern der EU, die eine hohe Kerninflation meldeten, war die Unterauslastung des Arbeitsmarkts im zweiten Quartal 2022 gering (Abbildung 1.2 Buchstabe d).

Trotz umfangreicher politischer Maßnahmen zur Begrenzung der Energiepreise sind sie die Quelle für den großen wirtschaftlichen Druck und die Unsicherheit. Die gestiegenen Energiepreise sind ein Schock in Bezug auf das reale Austauschverhältnis der Ex- und Importe, durch den für die Wirtschaft der EU Kosten entstehen. In der gesamten EU haben die Regierungen versucht, die Belastung der Unternehmen und Haushalte durch höhere Energiepreise zu begrenzen, indem sie die Last umverteilt haben, allerdings können sie die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen nicht beseitigen. Die Maßnahmen sind von Land zu Land sehr unterschiedlich und reichen von Preisstopps und Steuersenkungen bis hin zu Einkommensbeihilfen, und es werden weitere Unterstützungsmaßnahmen in Betracht gezogen. Diese Maßnahmen können die Auswirkungen der gestiegenen Energiepreise auf Haushalte und Unternehmen, die mit deutlich höheren Kosten konfrontiert sind, nicht vollständig kompensieren, wenngleich es je nach Energieverbrauch und Exponierung gegenüber höheren Einzelhandelspreisen große Unterschiede gibt. Die Strompreissteigerung selbst ist in der EU unterschiedlich ausgeprägt, was nicht nur auf die Politik der Regierungen zurückzuführen ist, sondern auch auf den Energiemix und die vertraglichen Vereinbarungen der Länder und die damit verbundene Weitergabe der Großhandelsstrompreise an die Endkunden. Sie verursacht große Veränderungen bei den Kosten und relativen Preisen, die je nach Dauer und Intensität zu erheblichen und dauerhaften Strukturveränderungen in den einzelnen Sektoren und Ländern führen können.

Der hohe Inflationsdruck hat sich über den Energiesektor hinaus ausgeweitet und birgt die Gefahr, dass sich die Inflationsunterschiede verfestigen. Die Kerninflation ist im Jahr 2022 in allen Ländern der EU und des Euro-Währungsgebiets deutlich gestiegen, wobei ein Teil des Anstiegs auf die indirekten Auswirkungen der höheren Energiepreise zurückzuführen ist. Bei der Kerninflation von 2022 gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern: Sie reicht von 2,8 % bis 11,5 % in den Ländern der EU und von 2,8 % bis 9,8 % im Euro-Währungsgebiet. Die Ungleichheit in der politischen Reaktion auf den Energiepreisschock spiegelt sich in verschiedenen Inflationsmaßen wider, darunter Handelsdeflatoren und der BIP-Deflator. Zwar spielt die Weitergabe der Energieinflation eine Rolle, aber auch andere Faktoren wie Versorgungsengpässe und der Nachholbedarf dürften eine Rolle spielen. Zweitrundeneffekte, die sich aus einem Anstieg der Lohnkosten ergeben, sind noch nicht sichtbar, könnten sich aber in einigen Ländern der EU entwickeln. Die Wohnimmobilienpreise sind aufgrund langjähriger Engpässe auf der Angebotsseite auf ein äußerst hohes Niveau gestiegen, und ihr stetiger Anstieg trotz steigender Finanzierungskosten könnte im Laufe der Zeit einen weiteren Inflationsschub auslösen.

Engpässe in der Versorgungskette können zwar nachlassen, aber das Angebot in einer Reihe von Sektoren nach wie vor einschränken. Der Druck aufgrund von Störungen in der Lieferkette hält auch 2022 noch an, wenngleich dieser Druck in einigen Sektoren abnehmen könnte.( 9 ) Die Daten der Indikatoren der Laune der Käufer (Purchasing Managers’ Index; PMI) für Januar/Februar 2022 in Bezug auf die Lieferzeiten der Zulieferer und die dynamische Analyse der Faktoren, die auch andere Indikatoren (übermäßiger Arbeitsanfall, das Verhältnis von Aufträgen zu Lagerbeständen, Vorleistungspreise und Versandkosten) umfasst, deuten darauf hin, dass der Druck in der Lieferkette zwar immer noch historisch hoch ist, aber seinen Höhepunkt erreicht hat und in der EU nachlässt.  Der PMI für Oktober 2022 lässt weiterhin auf sinkende Lieferzeiten und eine nachlassende Nachfrage schließen, wodurch sich die Lieferengpässe verringern.( 10 ) Mögliche Störungen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine könnten jedoch zu Rückschlägen führen. Steigende Energiepreise in Verbindung mit größeren geopolitischen Spannungen führen zu erheblichen Störungen in Schlüsselsektoren, z. B. energieintensiven Industriezweigen, und schränken deren Zugang zu kritischen Rohstoffen ein. Je nach Anteil an der Lieferkette können diese Entwicklungen auch zu unterschiedlichen Entwicklungen der Kerninflation in der EU führen.

Trotz steigender Lohnstückkosten in einer Reihe von Ländern können die Nominallöhne insgesamt nicht mit der Inflation Schritt halten, was zu einem Rückgang der Kaufkraft führt. Für das Jahr 2022 wird im Euro-Währungsgebiet ein Anstieg des durchschnittlichen Arbeitnehmerentgelts um 4,2 %( 11 ) und der Arbeitsproduktivität um 1,2 % erwartet, was zu einem Anstieg der Lohnstückkosten um 3 % führt. Die Lohnstückkosten haben sich jedoch von Land zu Land unterschiedlich entwickelt (Abbildung 1.2 Buchstabe e). Es wird erwartet, dass die Nominallöhne nicht mit der Inflation gleichziehen werden. Das schützt die Unternehmen zwar vor einem weiteren Anstieg der Produktionskosten und erhält die Beschäftigung, bringt aber einen Kaufkraftverlust für die Haushalte mit sich. Der Kaufkraftverlust beeinträchtigt die Nachfrage und erhöht das Risiko von Bilanzstress für anfällige Haushalte.

Durch die Normalisierung der Geldpolitik sind die Finanzierungskosten in die Höhe getrieben worden, was zu Korrekturen der Vermögenspreise geführt hat. Im Juli dieses Jahres hat die Europäische Zentralbank (EZB) nach der Verringerung des Ankaufvolumens von Vermögenswerten einen weiteren Schritt zur Normalisierung ihrer Politik unternommen, indem sie die drei wichtigsten Leitzinsen um 50 Basispunkte anhob, eine weitere Normalisierung signalisierte und das geldpolitische Instrument zur Absicherung der geldpolitischen Transmission (Transmission Protection Instrument; TPI) genehmigte. Weitere Anhebungen der Leitzinsen erfolgten im September und Oktober. Die höheren Refinanzierungskosten der Banken haben sich teilweise in höheren Kreditzinsen niedergeschlagen, insbesondere gegenüber den privaten Haushalten, während die Preise für Vermögenswerte in einigen Fällen nach unten korrigiert wurden. Im Euro-Währungsgebiet wurden die Bonitätsanforderungen für alle Darlehenskategorien im zweiten Quartal 2022 verschärft und im dritten Quartal aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Risiken, denen Darlehensnehmer in einem unsicheren makroökonomischen Umfeld ausgesetzt sind, erneut verschärft. Die Renditen der Staatsanleihen im Euro-Währungsgebiet schwankten und sind im Jahr 2022 deutlich gestiegen, obwohl das Risiko erheblicher nominaler Zinsunterschiede zwischen den Ländern des Euro-Währungsgebiets durch die Einführung des TPI verringert werden dürfte. Auch in den Mitgliedstaaten außerhalb des Euro-Währungsgebiets haben sich die monetären Bedingungen verschärft, da die Zentralbanken außerhalb des Euro-Währungsgebiets angesichts der hohen Inflation ihren geldpolitischen Kurs gestrafft haben, was zu einem Anstieg der Finanzierungskosten für den Staat und den privaten Sektor geführt hat.

Der nominale effektive Wechselkurs des Euro hat sich abgeschwächt; die Veränderungen bei den Währungen der Länder außerhalb des Euro-Währungsgebiets waren uneinheitlich. Der Euro war im Jahr 2022 gegenüber dem Dollar äußerst volatil, aber der Druck in Richtung einer Abwertung des Euro war groß, da die US-Notenbank die Geldpolitik schneller gestrafft hat als die EZB. Der Euro ist auch geopolitischen und wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt, die mit dem Krieg in der Ukraine zusammenhängen und für die EU spezifisch sind, während der Dollar, wie in Zeiten der Unsicherheit üblich, von den Umschichtungen zugunsten von Anlagen profitiert. Angesichts der unterschiedlichen Exponierung der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets gegenüber den Handels- und Finanzströmen außerhalb der EU stellen die Bewegungen des Euro asymmetrische Schocks dar, die zu unterschiedlichen Bewegungen der nominalen effektiven Wechselkurse führen können, was in der Literatur dokumentiert wurde.( 12 ) Von den Währungen der Länder der EU außerhalb des Euro-Währungsgebiets verzeichnete die Tschechische Krone angesichts einer deutlichen Verschärfung der Geldpolitik in Verbindung mit Interventionen am Devisenmarkt eine erhebliche Aufwertung (Abbildung 1.2 Buchstabe c). Der polnische Złoty und insbesondere der ungarische Forint haben trotz der geldpolitischen Straffung im Inland weiter an Wert verloren. Im März 2022 verloren die Währungen beider Länder aufgrund der zunehmenden Unsicherheit nach der russischen Aggression gegen die Ukraine und der Verschärfung der weltweiten Finanzbedingungen stark an Wert. Kroatien hat seine Währung gegenüber dem Euro weiter stabilisiert, während Dänemark seine langjährige Anbindung an den Euro beibehalten und Bulgarien eine feste Anbindung an den Euro als Ankerwährung betrieben hat. Nachdem die Kuna mehr als zwei Jahre lang ohne Reibungsverluste am neuen Wechselkursmechanismus (WKM II) beteiligt war, wird Kroatien im Januar 2023 dem Euro-Währungsgebiet beitreten.( 13 ) Die schwedische Krone hat im vergangenen Jahr trotz der anhaltenden geldpolitischen Straffung an Wert verloren.

Abbildung 1.2:    Makroökonomisches Umfeld

 

(1) Die Inflation vor der Pandemie entspricht der durchschnittlichen jährlichen Veränderungsrate, die im Zeitraum von 2017 bis 2019 für den HVPI beobachtet wurde. Die Kerninflation für September 2022 wird als Durchschnitt des HVPI ohne Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 berechnet, verglichen mit dem Durchschnitt des gleichen Zeitraums im Jahr 2021.

Quelle: Eurostat und AMECO.

Kasten 1.1: Entwicklungen in den Bereichen Beschäftigung und Soziales

Vor Russlands militärischer Aggression gegen die Ukraine fand in der EU eine kräftige Erholung auf dem Arbeitsmarkt statt. Die starke wirtschaftliche Erholung, die auf die COVID-19-Rezession folgte, ging mit einer umfangreichen Schaffung von Arbeitsplätzen und einem Rückgang der Arbeitslosigkeit einher (Abbildung 1.3 Buchstabe a). Die Arbeitslosenquote der EU (15–74 Jahre) erreichte Ende 2021 6,4 % und sank im August und September 2022 weiter auf 6 %, die niedrigsten Quoten seit mehr als zwei Jahrzehnten. Die allgemeinen Arbeitsmarktbedingungen haben sich im Jahr 2022 weiter verbessert, was auf die vollständige Öffnung der Volkswirtschaften, die Verbesserung der epidemiologischen Lage, den Nachfragestau und die gute Tourismussaison infolge der vereinfachten Mobilität zurückzuführen ist. Dennoch stagnierte die Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe weiterhin. Aufgrund des raschen Nachfrageanstiegs erreichte der Arbeitskräftemangel einen neuen Höchststand, und obwohl es in verschiedenen Sektoren zu Engpässen kam, nahm er im Dienstleistungssektor stärker zu als im verarbeitenden Gewerbe. Der Beschäftigungszuwachs lag bei fast 1,5 %, wobei die Beschäftigungsquote der EU (20–64 Jahre) im vierten Quartal 2021 einen Wert von 74,1 % erreichte, wenngleich sie im verarbeitenden Gewerbe 2 Prozentpunkte unter dem Niveau vor der Pandemie blieb. Im Gegensatz dazu war die Arbeitsplatzschaffung in weniger kontaktintensiven Dienstleistungsbereichen (wie dem Gesundheitswesen, der öffentlichen Verwaltung und im IKT-Bereich) und im Baugewerbe recht robust (Abbildung 1.3 Buchstabe b).

Angesichts der sich verschlechternden wirtschaftlichen Aussichten wird mit einer Verlangsamung des Arbeitsmarktes gerechnet. Im Jahr 2022 ist der Arbeitsmarkt aufgrund der positiven Auswirkungen der Erholung, die auf die Wiederankurbelung der Wirtschaft nach dem Ende der Ausgangsbeschränkungen folgte, stabil geblieben. Der Anstieg der Energiepreise stellt jedoch auch ein großes Risiko für den Arbeitsmarkt dar. Die höheren Energiekosten machen sich zwar in den stärker energieabhängigen Sektoren besonders bemerkbar, wirken sich aber auf fast alle Sektoren aus. Die Auswirkungen eines Gaspreisschocks auf die Beschäftigung können von Land zu Land unterschiedlich sein, je nach ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Ökonometrischen Schätzungen zufolge könnte ein Anstieg der Erdgaspreise um 10 % die Produktion nach zwei Jahren um 0,6 % verringern, während die Beschäftigung um 0,3 % und die Reallöhne um 0,2 % sinken würden.( 14 ) Die Auswirkungen auf die Beschäftigung könnten durch eine Verringerung der geleisteten Arbeitsstunden pro Beschäftigtem abgeschwächt werden. Der Beitrag zum Anstieg der Arbeitslosigkeit könnte im Dienstleistungssektor größer sein als im verarbeitenden Gewerbe, da im verarbeitenden Gewerbe Arbeitskräfte häufiger über den Bedarf hinaus beschäftigt werden, während die Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe stärker auf den Konjunkturzyklus reagiert, da hier der Anteil der Zeitarbeitnehmer relativ hoch ist.( 15 )

·Im Vergleich zum Jahreswert 2021 ging die Arbeitslosenquote im zweiten Quartal 2022 in allen Ländern zurück, insbesondere in Griechenland (-2,5 Prozentpunkte), Spanien (‑2,3), Irland (-1,9), Österreich (-1,8) und Litauen (-1,6). Die Differenz zwischen der höchsten Arbeitslosenquote in Spanien (12,5 %) und der niedrigsten in Tschechien (2,4 %) sank auf 10,1 Prozentpunkte, den niedrigsten Wert seit Oktober 2008.

·Im Jahr 2021 stiegen die Beschäftigungsquoten (20–64 Jahre) in fast allen Mitgliedstaaten rasch wieder an und übertrafen das Niveau vor der Pandemie. Zwischen 2020 und 2021 wurden die größten Anstiege in Griechenland (4,3 Prozentpunkte), Irland (2,8), Polen (2,7), Spanien (2) und Luxemburg (2 Prozentpunkte) beobachtet. Lediglich in Lettland ging die Beschäftigungsquote zurück (-1,6 Prozentpunkte). In der ersten Jahreshälfte 2022 stieg die Beschäftigungsquote in allen Ländern weiter an, insbesondere in Irland (durchschnittlich +3,6 Prozentpunkte in der ersten Jahreshälfte 2022 im Vergleich zum Jahreswert 2021) und Griechenland (durchschnittlich +3,8 Prozentpunkte in der ersten Jahreshälfte 2022 im Vergleich zum Jahreswert 2021).

·Im zweiten Quartal 2022 verharrte die Beschäftigungsquote im verarbeitenden Gewerbe in einigen wenigen Mitgliedstaaten, darunter Bulgarien, Rumänien, Spanien, Polen, die Slowakei und Deutschland, weitgehend unter dem Niveau von vor der Pandemie.

Abbildung 1.3:    Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Arbeitskräftemangel

 

Anmerkungen: (1) Betroffene kontaktintensive Sektoren: Groß- und Einzelhandel, Verkehrswesen, Hotellerie, Kunst, Haushaltstätigkeiten. Weniger betroffene kontaktintensive Sektoren: Bauwesen, öffentliche Verwaltung, Gesundheitswesen, Bildung. Kontaktarme Dienstleistungen: IKT, Finanzen, berufliche Tätigkeiten, Immobilien. Sonstige kontaktarme Sektoren: Industrie, Bergbau, Wasser und Landwirtschaft.

Quelle: Kommissionsdienststellen.

   

2. Ungleichgewichte, Risiken und Anpassungen: wichtigste Entwicklungen

2.1 Außenwirtschaft

Die Leistungsbilanzen der meisten Mitgliedstaaten wiesen im Jahr 2021 geringe oder moderate Veränderungen auf, die oft nur eine teilweise Trendumkehr gegenüber dem Vorjahr darstellten. Insbesondere die Erholung der Reisebilanzen trug zu einer teilweisen Verbesserung der Leistungsbilanz in einigen großen Netto-Schuldnerländern bei. Trotz der Verbesserung waren die Leistungsbilanzen einiger dieser Länder der EU auch 2021 noch stark defizitär, mit einem immer noch stark negativen Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS). Gleichzeitig stiegen einige große Leistungsbilanzüberschüsse an und erreichten nach einem leichten Rückgang im Jahr 2020 fast wieder das Niveau von 2019. Insgesamt lagen die hohen Leistungsbilanzüberschüsse einiger Länder weiterhin deutlich über dem, was sich durch die Fundamentaldaten erklären lässt.( 16 ) In einigen anderen Ländern gab es geringfügige Rückgänge zu verzeichnen, und in einigen wenigen Fällen lagen die Bilanzen deutlich unter denen von 2019 (Abbildung 2.1.1 Buchstabe a).

Die Leistungsbilanzen sind 2022 stark rückläufig, was vor allem auf die hohen Energiepreise zurückzuführen ist (Abbildung 2.1.1 Buchstabe a). Die beiden wichtigsten Triebkräfte für die Veränderungen in der Leistungsbilanz im Jahr 2021 und im bisherigen Jahresverlauf 2022 waren die niedrigere Energiehandelsbilanz( 17 ) und – in umgekehrter Richtung – die Erholung des internationalen Reiseverkehrs. Die Erholung im Tourismus kommt vor allem den Netto-Schuldnerländern zugute, ist aber nur teilweise spürbar; die meisten Länder, die stark vom Tourismus abhängen, weisen immer noch Reisebilanzen auf, die unter dem Niveau von vor der Pandemie liegen, allerdings stehen die Daten für die Hauptreisezeit im dritten Quartal 2022 noch aus. Außerdem wird die Verbesserung der Reisebilanz oft durch die Auswirkungen der hohen Energiepreise übertroffen, die fast alle Länder betreffen (Abbildung 2.1.3, Buchstaben d und e). Für eine Reihe von Ländern zeichnet sich im Jahr 2022 auch eine spürbare Verschlechterung der Handelsbilanzen außerhalb des Energiesektors ab. In einigen Fällen ist dies auf die robuste Binnennachfrage zurückzuführen. Daraus ergibt sich insgesamt ein starker Rückgang der Leistungsbilanz im Jahr 2022, wobei eine Reihe von Ländern mit Überschüssen in den Vorjahren ins Defizit gerät. Die Prognose für 2023 deutet für viele, aber nicht alle Länder der EU auf einen leichten Anstieg der Leistungsbilanz hin, der jedoch oft deutlich geringer ausfällt als die Verschlechterungen im Jahr 2022.

Das starke nominale BIP-Wachstum im Jahr 2021 trug dazu bei, sowohl die negativen als auch die positiven Nettoauslandsvermögensstatus zu verringern. Im Jahr 2021 hat der starke Nennereffekt dank einer deutlichen Erholung des Wirtschaftswachstums die Streuung der NAVS, die 2020 aufgetreten sind, zwar verringert, aber nicht immer vollständig rückgängig gemacht (Abbildung 2.1.1 Buchstabe b und Abbildung 2.1.3 Buchstabe a). Dieses Muster hat sich auch 2022 fortgesetzt, wobei die NAVS im Verhältnis zum BIP der großen Netto-Schuldnerländer oft nochmals beträchtliche Verbesserungen aufwiesen, obwohl die meisten von ihnen weiterhin unter den NAVS-Grenzwerten liegen. ( 18 ) Für die meisten dieser Netto-Schuldnerländer liegen die jüngsten Leistungsbilanzergebnisse unter dem Niveau, das für eine rasche Korrektur ihrer negativen Bestände erforderlich ist, wie es in der Leistungsbilanz erfasst wird, die erforderlich ist, um ein bestimmtes NAVS-Ziel zu erreichen, wenn auch nur geringfügig im Falle Spaniens und Portugals (Abbildung 2.1.1 Buchstaben a und b). Umgekehrt sind die NAVS mehrerer Netto-Gläubigerländer deutlich stärker gestiegen, als es die wirtschaftlichen Fundamentaldaten nahelegen.  

Aus sektoraler Sicht ist der Finanzierungsüberschuss der privaten Haushalte im Jahr 2022 aufgrund der geringeren Kaufkraft rückläufig. Im Jahr 2021 waren die Finanzierungssalden in den meisten Mitgliedstaaten durch einen Nettofinanzierungssaldo der Staaten und einen Finanzierungsüberschuss des privaten Sektors – sowohl der privaten Haushalte als auch der Unternehmen – gekennzeichnet (Abbildung 2.1.3 Buchstabe b). Die außergewöhnliche fiskalpolitische Unterstützung, die 2020 zur Abschwächung der Pandemiekrise eingeführt wurde, wurde leicht zurückfahren, wodurch ein geringfügiger Rückgang des Finanzierungssaldos des privaten Sektors weitgehend ausgeglichen wurde. Im Jahr 2022 wird diese unterstützende Politik voraussichtlich beibehalten, wenngleich sich die Finanzierungssalden der Staatssektoren in den meisten Mitgliedstaaten vermutlich weiter verbessern werden (Abbildung 2.1.3 Buchstabe c). Gleichzeitig wird erwartet, dass der Rückgang der Finanzierungssalden der privaten Haushalte überwiegt und in den meisten Fällen zu niedrigeren allgemeinen Finanzierungssalden beiträgt.

Abbildung 2.1.1:    Leistungsbilanzsalden und Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS)

 

Die Länder sind in aufsteigender Reihenfolge der Leistungsbilanzsalden im Jahr 2021 und in absteigender Reihenfolge des Verhältnisses von NAVS zum BIP im Jahr 2021 geordnet. „LB“ steht für Leistungsbilanz. Die Abkürzung „NAIOA“ steht für „NAVS ausschließlich Instrumenten ohne Ausfallrisiko“. Leistungsbilanz-Standards: siehe Fußnote 16. Für die Konzepte der NAVS-Standards, der aufsichtlichen NAVS-Schwellenwerte und des Referenzwerts „NAVS-stabilisierende Leistungsbilanz“ und der erforderlichen LB zur Erreichung eines bestimmten NAVS-Ziels: siehe Fußnote 18.

Quelle: Eurostat und Berechnungen der Kommissionsdienststellen.

Eine globale Verschärfung der monetären Bedingungen angesichts der hohen Inflation sowie erhöhte geopolitischen Risiken könnten die Bedingungen für die Auslandsfinanzierung einiger Mitgliedstaaten außerhalb des Euro-Währungsgebiets beeinträchtigen. Wie in Abschnitt 1 dargelegt, haben sowohl die Pandemie als auch die zunehmende Unsicherheit nach der russischen Aggression gegen die Ukraine zu einigen Wechselkursänderungen außerhalb des Euro-Währungsgebiets geführt, wobei der polnische Złoty und der ungarische Forint abgewertet wurden. Sollten externe (Re-)Finanzierungsrisiken entstehen, wären Länder mit beträchtlichen Devisenreserven sowie Länder, die solide Überschüsse in den Außenhandelsströmen verzeichnen, besser geschützt. Der externe Finanzierungsbedarf, auch der des staatlichen Sektors, spielt in diesem Kontext eine Rolle (siehe Abschnitt 2.6 zum staatlichen Sektor).

Der Leistungsbilanzüberschuss des Euro-Währungsgebiets sinkt 2022 drastisch. Die Energiekosten sind der wichtigste Faktor für den starken Rückgang der Leistungsbilanz des Euro-Währungsgebiets im vergangenen Jahr (Abbildung 2.1.2 Buchstabe a). Seit 2021 haben die weltweiten Versorgungsprobleme zu einem deutlichen Anstieg der Importpreise für Waren jenseits der Rohstoffe geführt. Dies spiegelt sich in der Handelsbilanz des Euro-Währungsgebiets gegenüber China wider, die im Vergleich zu 2019 um mehr als einen Prozentpunkt des BIP gesunken ist. Hohe Bestandsimporte und Importpreise aus China erklären einen Teil des starken Rückgangs des Handelsbilanzüberschusses, insbesondere in Deutschland. Hinzu kommt, dass die weltweite Nachfrage nach europäischen Exporten nachlässt, da die Verlangsamung in China und die geldpolitische Verschärfung in den USA nicht nur Auswirkungen auf die Nachfrage dieser beiden Handelspartner, sondern auch auf die meisten Schwellenländer haben. Wie in Abschnitt 1 dargelegt, hat der Euro stark an Wert verloren, insbesondere gegenüber dem US-Dollar. Dies belastet die Handelsbilanz des Euro-Währungsgebiets, da der Anteil der auf Dollar lautenden Einfuhren, insbesondere bei Energieerzeugnissen, den Anteil der auf Dollar lautenden Ausfuhren bei Weitem übersteigt. Allerdings haben die Einkünfte aus den auf Dollar lautenden Auslandsaktiva sowie aus dem Handelsgeschäft und den Einnahmen aus dem weltweiten Rohstoffhandel die Gesamtauswirkungen des Schocks in Bezug auf das reale Austauschverhältnis der Ex- und Importe auf die Außenbilanz etwas abgefedert.

Der Rückgang der Handelsbilanz des Euro-Währungsgebiets im Jahr 2022 ist auf den Schock in Bezug auf das reale Austauschverhältnis der Ex- und Importe zurückzuführen, wobei die reale Nachfrage stark bleibt. Der Schock in Bezug auf das reale Austauschverhältnis der Ex- und Importe, der im Jahr 2022 aufgrund deutlich höherer Energieimportpreise und eines schwächeren Euro eingetreten ist, hat den Rückgang der nominalen Handelsbilanz des Euro-Währungsgebiets – und damit auch der Leistungsbilanz – vorangetrieben (Abbildung 2.1.2 Buchstabe b). Gemessen in realen Werten, d. h. zu konstanten Preisen, wird sich die Handelsbilanz 2022 voraussichtlich etwas verbessern, da die reale Gesamtnachfrage etwas weniger als das BIP wachsen dürfte. Das reale Nachfragewachstum wird 2022 in den großen Netto-Gläubigerländern voraussichtlich höher sein als das Produktionswachstum, wodurch sich ihr Beitrag zum Leistungsbilanzüberschuss des Euro-Währungsgebiets verringert hat (Abbildung 2.1.2 Buchstabe b). Dies wird voraussichtlich auch 2023 so bleiben. Mehrere Netto-Schuldnerländer verbesserten ihre reale Handelsbilanz, da die Nachfrage nicht mit dem sich erholenden BIP-Wachstum Schritt hielt. Insgesamt sind es die kleineren Länder, die für die Stabilität der realen Handelsbilanz im Jahr 2022 sorgen und dem Rückgang der realen Bilanz Deutschlands, dem größten Beitragszahler des Euro-Währungsgebiets, entgegenwirken.

Laut der Prognose für 2023 wird die Handelsbilanz des Euroraums insgesamt stabil bleiben, auch hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, allerdings ist dies mit großer Unsicherheit behaftet. Die Engpässe in der Lieferkette und die Importpreise dürften sich 2023 etwas abschwächen, die Handelsbilanz des Euro-Währungsgebiets jedoch weiterhin belasten. Die nachlassende globale Nachfrage wird die Ausfuhrprognosen dämpfen, kann aber eine gewisse Entspannung bei den Rohstoffpreisen bewirken. Infolgedessen werden die Auswirkungen des realen Austauschverhältnisses der Ex- und Importe voraussichtlich etwas geringer ausfallen, was zu einer leichten Verbesserung der Handelsbilanz des Euro-Währungsgebiets insgesamt führen wird. Stattdessen ist das Wachstum der Binnennachfrage nach wie vor ein Schlüsselfaktor für die Dynamik der Außenhandelsbilanz des Euro-Währungsgebiets im Jahr 2023. In der Zusammensetzung wird die Neuausrichtung weg vom Beitrag der großen Netto-Gläubigerländer voraussichtlich anhalten.

Abbildung 2.1.2:    Die Leistungs- und Handelsbilanz des Euro-Währungsgebiets

 

„Physische Waren“ bezeichnet die Handelsbilanz des SITC insgesamt; „Energieerzeugnisse“ entspricht der Handelsbilanz für die Position 3 des SITC, während „Nichtenergetische Erzeugnisse“ die Differenz zwischen beiden Kategorien darstellt. „Handel“ ist die Differenz zwischen dem Saldo der Warenhandelsbilanz aus der Zahlungsbilanz und den „physischen Waren“.

Quelle: Kommissionsdienststellen.

Auf Länderebene sind die folgenden Entwicklungen herauszustellen: 

·Im Jahr 2021 lagen die Leistungsbilanzen der folgenden vier Mitgliedstaaten im Dreijahresdurchschnitt unter dem unteren Scoreboard-Schwellenwert von -4 % des BIP: Griechenland, Irland, Rumänien und Zypern. Gleichzeitig lagen die Durchschnittswerte in drei Mitgliedstaaten über dem oberen Schwellenwert von 6 % des BIP: in Dänemark, Deutschland und den Niederlanden. Die NAVS-Werte lagen in zehn Mitgliedstaaten unter dem Scoreboard-Schwellenwert von -35 % des BIP: in Griechenland, Irland, Kroatien, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Spanien, Ungarn und Zypern.

·Die Leistungsbilanz einiger großer Netto-Schuldnerländer wie Zypern und vor allem Griechenland wies nach wie vor erhebliche Defizite auf, selbst wenn Zypern eine leichte Verbesserung zu verzeichnen hatte. Während der geringe Überschuss Spaniens leicht anstieg, blieb das moderate Defizit Portugals im Jahr 2021 weitgehend unverändert. In diesen Ländern – mit Ausnahme von Spanien – liegen die Leistungsbilanzen nach wie vor unter dem Niveau, das aus den wirtschaftlichen Fundamentaldaten hervorgeht, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. In den ersten beiden Quartalen des Jahres 2022 stützt eine weitere solide Erholung des internationalen Reiseverkehrs in Verbindung mit steigenden Preisen in diesem Sektor die Überschüsse in den Reisebilanzen, insbesondere in Portugal und – in etwas geringerem Maße – auch in Griechenland, Spanien und Zypern, wobei die Hauptreisezeit erst im dritten Quartal des Jahres ansteht. Mit Ausnahme von Spanien wird für diese Länder jedoch für das gesamte Jahr eine Verschlechterung ihrer Leistungsbilanz erwartet, die vor allem auf schlechtere Energiebilanzen zurückzuführen ist. Ihre eindeutig negativen NAVS haben sich vor allem aufgrund des starken nominalen Wirtschaftswachstums verbessert, allerdings wurde die Verbesserung durch die negativen Bewertungseffekte im Falle Griechenlands etwas abgeschwächt.

·Die Leistungsbilanzdefizite in Ungarn und Rumänien sind sehr hoch und haben den höchsten Stand seit Jahren erreicht. Die Leistungsbilanz Rumäniens verschlechterte sich ausgehend von einem bereits hohen Defizit und wird sich 2022 weiter verschlechtern, ohne dass im nächsten Jahr mit einer deutlichen Verbesserung zu rechnen ist. Auch Ungarn verzeichnet eine spürbare Verschlechterung, wobei für 2023 nur eine leichte Verbesserung erwartet wird; dies stellt eine der bemerkenswertesten Verschlechterungen seiner Energiebilanz dar. Die Abwertung des ungarischen Forint schürt die Sorgen über die Entwicklung des Außenhandelssektors. Die NAVS sind in beiden Ländern eindeutig negativ, aber ein beträchtlicher Teil davon entfällt auf ausländische Direktinvestitionen. Dadurch werden ihre NAVS ausschließlich Instrumenten ohne Ausfallrisiko (NAIOA) günstiger.

·In Lettland, Malta und der Slowakei wiesen die Leistungsbilanzen im Jahr 2021 ein nicht unerhebliches Defizit auf. In vielen Fällen werden für 2022 und 2023 erhebliche Verschlechterungen prognostiziert. In Bulgarien, Polen und Tschechien wird ein Anstieg der leichten Leistungsbilanzdefizite von 2021 prognostiziert. Die Abwertung des Złoty verstärkt die Besorgnis hinsichtlich der außenwirtschaftlichen Entwicklungen in Polen. Für Belgien und Litauen zeichnet sich im Jahr 2022 ein deutliches Defizit ab. Die Slowakei und Litauen verzeichneten eine der größten Verschlechterungen ihrer Handelsbilanz, die auf eine Verschlechterung der Energiebilanz zurückzuführen ist. Es wird erwartet, dass das Defizit der Slowakei weiter steigen und das Niveau von vor der Pandemie übertreffen wird. Für Polen und die Slowakei, die einen ausgeprägten negativen NAVS aufweisen, sowie für andere mittel- und osteuropäische Mitgliedstaaten stellen ausländische Direktinvestitionen einen erheblichen Teil ihrer Auslandsverbindlichkeiten dar. Folglich sind ihre NAIOA günstiger.

·Die hohen Überschüsse Dänemarks, Deutschlands, der Niederlande und Schwedens liegen weiterhin über ihren Leistungsbilanz-Standards. Während die Leistungsbilanzüberschüsse in diesen Ländern – mit Ausnahme Schwedens – im Jahr 2021 gestiegen sind, wird für 2022 ein deutlicher Rückgang erwartet. Insbesondere die Leistungsbilanzen Deutschlands, der Niederlande und Schwedens haben sich merklich verschlechtert und übersteigen die Verschlechterung der Energiebilanz. Der Überschuss Dänemarks hat in der ersten Jahreshälfte zugenommen, allerdings wird für 2022 insgesamt ein Rückgang prognostiziert. Die NAVS der Niederlande, Dänemarks, Deutschlands und Belgiens liegen weit über dem Niveau, das sich aus den Fundamentalwirtschaftsdaten ergibt.

Abbildung 2.1.3:    Außenwirtschaft: ausgewählte Abbildungen

Quelle: Kommissionsdienststellen.

2.2 Wettbewerbsfähigkeit

Die Lohnstückkosten sind in den Jahren 2020–2021 schneller gestiegen als in der Zeit vor der Pandemie, und ihre Wachstumsrate beschleunigte sich im Jahr 2022. In den meisten Mitgliedstaaten war 2020 ein starker Anstieg der Lohnstückkosten zu beobachten, der auf einen mechanischen Rückgang der gemessenen Produktivität zurückzuführen war, da Maßnahmen zur Arbeitsplatzerhaltung den Rückgang der Beschäftigung trotz der deutlich niedrigeren Wirtschaftsleistung abfederten. Im Jahr 2021 kehrte sich dieser Trend teilweise um, da die Erholung der Produktivität in fast der gesamten EU entweder zu einem Rückgang der Lohnstückkosten oder zu einer sichtbaren Verlangsamung ihres Wachstums führte (Abbildung 2.2.1 Buchstabe a). Die Lohnstückkosten werden in diesem und im nächsten Jahr voraussichtlich steigen, in einigen Fällen sogar erheblich (Abbildung 2.2.1 Buchstabe b) Der Anstieg der Lohnstückkosten dürfte durch stark steigende Nominallöhne je Arbeitnehmer bedingt sein, die in fast allen Ländern der EU deutlich über dem Wachstum der realen Arbeitsproduktivität liegen dürften (Abbildung 2.2.3 Buchstaben a und b), wobei dies häufig vor dem Hintergrund einer niedrigen und sinkenden Arbeitslosigkeit erfolgt. In einigen Fällen handelt es sich bei diesen Auswirkungen möglicherweise um fortgesetzte Trends, die bereits vor der COVID-19-Krise Anlass zur Sorge über eine mögliche Überhitzung gaben. Da die Wirtschaftsdynamik nachlässt, werden die Produktivitätszuwächse geringer ausfallen und die Lohnstückkosten weniger stark dämpfen, als dies in letzter Zeit der Fall war. 

Die Dynamik der realen Wechselkurse war insgesamt noch nicht sehr ausgeprägt, wenngleich es insbesondere außerhalb des Euro-Währungsgebiets zu Divergenzen kam. Die Veränderungen der auf dem HVPI basierenden realen effektiven Wechselkurse hielten sich 2021 in Grenzen, obwohl in mehr Ländern als 2020 leichte Abwertungen zu beobachten waren. Die Veränderungen des auf dem HVPI und dem BIP-Deflator basierenden realen effektiven Wechselkurses über drei Jahre bis 2021 waren ebenfalls begrenzt (Abbildung 2.2.3 Buchstabe c). Der nominale effektive Wechselkurs ist im Jahr 2022 bisher in fast allen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets gesunken, was die Abwertung des Euro widerspiegelt, während die Veränderungen des auf dem HVPI basierenden realen effektiven Wechselkurses moderat geblieben sind, mit Ausnahme der wenigen Fälle, in denen die Inflation entweder viel höher war als anderswo oder in denen der nominale effektive Wechselkurs stärker gesunken ist (Abbildung 2.2.3 Buchstabe e). In einigen Ländern außerhalb des Euro-Währungsgebiets waren die unterjährigen Veränderungen des realen effektiven Wechselkurses stärker ausgeprägt. Der auf dem BIP-Deflator basierende reale effektive Wechselkurs zeigt für die meisten Mitgliedstaaten keine starken Anzeichen für eine Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit, wenn auch mit einigen bemerkenswerten Unterschieden zwischen den Ländern (Abbildung 2.2.3 Buchstabe d). In Zukunft könnten die realen effektiven Wechselkurse innerhalb des Euro-Währungsgebiets aufgrund der unterschiedlichen Inflationsraten und der unterschiedlichen Anfälligkeit der einzelnen Länder des Euro-Währungsgebiets für Veränderungen des nominalen Wechselkurses Herausforderungen mit sich bringen. In den Ländern außerhalb des Euro-Währungsgebiets ist eine vermehrte Heterogenität zu erwarten, was teilweise auf die unterschiedliche Dynamik der nominalen Wechselkurse zurückzuführen ist.

Hohe und divergierende Inflationsraten stellen ein Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit dar, wenn sie sich verfestigen, wobei die Risiken innerhalb des Euro-Währungsgebiets besonders groß sind. Wie in Abschnitt 1 dargelegt, sind die Inflationsraten nicht nur hoch, sondern weichen auch stark voneinander ab, auch innerhalb des Euro-Währungsgebiets. Insgesamt ist diese Divergenz auf die unterschiedliche Energieintensität der einzelnen Volkswirtschaften zurückzuführen und wird durch den Umfang und die Ausgestaltung der staatlichen Maßnahmen beeinflusst. Die Inflation wird zwar größtenteils durch den Anstieg der Energiekosten verursacht und dürfte zurückgehen, aber die unterschiedlichen Inflationsraten stellen in zweierlei Hinsicht ein Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit dar. Erstens werden die Energiepreise möglicherweise nicht auf ihr früheres Niveau zurückkehren, sondern sich auf einem höheren Niveau stabilisieren. Dies würde für bestimmte Sektoren, z. B. energieintensive Industriezweige, erhebliche Kosten mit sich bringen. Falls diese Kosten langfristig auf diesem Niveau bleiben, würden Länder mit einer höheren Inflation aufgrund der direkten Auswirkungen der Energiekosten ein dauerhaft höheres Preisniveau haben. Dieser relative Anstieg könnte sich negativ auf ihre Wettbewerbsfähigkeit auswirken und zu einer Standortverlagerung führen, was letztlich einen Rückgang der Exportanteile und des potenziellen Wachstums in den stärker exponierten Ländern zur Folge hätte. Im Laufe der Zeit könnte dies Änderungen des Geschäftsmodells erforderlich machen, die mit kostspieligen strukturellen Veränderungen verbunden sein könnten. Zweitens können Inflationsunterschiede zu Preissteigerungen führen, die über die Energiepreise hinausgehen. Die Unterschiede zwischen den Ländern betreffen nicht nur die Gesamtinflationsraten, sondern werden auch bei der Kerninflation immer deutlicher. In Kasten 2.2.1 wird das Risiko erörtert, dass diese sich festsetzen und zu weiteren Erhöhungen, auch bei den Löhnen, führen könnten. Eine solche wachsende Kluft kann zu realen Abwertungen führen, die die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Die daraus resultierenden relativen Veränderungen der Wettbewerbsfähigkeit könnten zu einem Abbau von Ungleichgewichten im Euro-Währungsgebiet führen, wenn Länder mit bereits bestehenden Schwachstellen in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu ihren Mitbewerbern Vorteile erzielen. Die deutlichen Inflationsunterschiede betreffen derzeit jedoch weder die großen Netto-Gläubigerländer noch die Netto-Schuldnerländer im Ganzen. Außerdem könnten heterogene Inflationserwartungen in einigen Fällen zu einer erhöhten Anfälligkeit innerhalb des Euro-Währungsgebiets führen, wenn zu niedrige reale Zinssätze in einigen Ländern zu einer übermäßigen Anhäufung von Schulden führen. Außerhalb des Euro-Währungsgebiets bringen Währungsabwertungen andere Risiken mit sich, z. B. in Bezug auf die Kreditaufnahme im Ausland und die Schuldendienstkosten.

Das derzeitige Umfeld, in dem das Inflationsgefälle zunimmt, unterscheidet sich von demjenigen im Vorfeld der globalen Finanzkrise, könnte aber immer noch Risiken für makroökonomische Ungleichgewichte mit sich bringen. Im Vorfeld der Finanzkrise führte die hohe Inflation in einigen Ländern des Euro-Währungsgebiets zu einem Teufelskreis, in dem niedrige reale Zinssätze eine übermäßige Nachfrage und Anhäufung von Schulden begünstigten, was zu einer Aufwertung der realen Wechselkurse führte. Diesmal ist der Schock jedoch eher ein kontraktiver kosteninduzierter Energieschock als ein expansiver Schock. Während die gegenwärtig hohe Inflation in den am stärksten betroffenen Ländern dazu beitragen kann, die realen Zinssätze niedrig zu halten und die nachteiligeren Auswirkungen auf die Nachfrage aufgrund höherer Energiekosten kurzfristig etwas abzufedern, könnten verfestigte Preis- und Lohnsteigerungen die Bemühungen um eine Verringerung der Inflation erschweren und zu Wettbewerbsverlusten führen, die das künftige Wirtschaftswachstum dämpfen könnten.

Abbildung 2.2.1:    Lohnstückkosten

 

(1) Die Länder sind in aufsteigender Reihenfolge der LSK im Zeitraum 2020–2021 dargestellt.

Quelle: AMECO; die Daten für 2022 und 2023 stammen aus der Herbstprognose 2022 der Europäischen Kommission. Die Daten beziehen sich auf die Zahl der Lohn- und Gehaltsempfänger und die Zahl der Erwerbstätigen.

Die Entwicklungen der Exportmarktanteile im Jahr 2021 spiegeln eine partielle Umkehrung der Auswirkungen der COVID-19-Krise wider, dürften aber in unmittelbarer Zukunft angesichts der höheren Energiekosten und einer Verlangsamung des Handels weniger spürbar sein. Zu den Auswirkungen der Pandemie gehörten der Rückgang der Exportmarktanteile von Volkswirtschaften mit starken internationalen Tourismussektoren, von denen einige eine negativere Zahlungsbilanzposition haben, und der Anstieg der Exportmarktanteile mehrerer Netto-Gläubigerländer im Vergleich zu ihrem Niveau vor der Krise. Prognosen zufolge werden die Exportanteile in den meisten Ländern der EU im Jahr 2023 sinken, was sich negativ auf den besonders hohen Anstieg der Energiekosten in Europa auswirkt, wobei auch einige Störungen der Lieferkette eine Rolle spielen. Ein stärkerer Effekt wird für einige Netto-Gläubigerländer mit einem starken verarbeitenden Gewerbe erwartet.

Die Veränderungen der Wettbewerbsfähigkeit sind wieder allgemein förderlich für einen symmetrischeren Abbau von Ungleichgewichten in Bezug auf die Zahlungsbilanzpositionen innerhalb des Euro-Währungsgebiets geworden (Abbildung 2.2.3 Buchstabe f). Die Entwicklung der Lohnstückkosten ist in den Netto-Schuldnerländern etwas moderater als in den Netto-Gläubigerländern. Allerdings war die Entwicklung der Inflation, insbesondere der Kerninflation, in den Netto-Gläubigerländern entweder im Großen und Ganzen ähnlich oder bisweilen sogar verhaltener, was den Abbau von Ungleichgewichten in der Zukunft beeinträchtigen könnte, es sei denn, die Lohnentwicklungen weichen angesichts der Unterschiede in der Unterauslastung des Arbeitsmarkts weiter voneinander ab. Während die Netto-Gläubigerländer aufgrund ihres höheren Anteils am Handel mit Ländern außerhalb des Euro-Währungsgebiets in der Regel stärker von einer Abwertung des Euro profitieren, deutet die Dynamik der Exportmarktanteile in diesem Fall auf einen außenwirtschaftlichen Abbau von Ungleichgewichten hin, da die Netto-Schuldnerländer einen Teil des verlorenen Exportmarktes zurückgewinnen, während die Anteile der Netto-Gläubigerländer künftig voraussichtlich sinken werden.

Auf Länderebene sind mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit folgende Entwicklungen herauszustellen:

·Das Wachstum der Lohnstückkosten, kumuliert über die drei Jahre bis 2021, lag in 15 Mitgliedstaaten über dem Scoreboard-Schwellenwert: in Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, den Niederlanden, Österreich, Portugal, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und Ungarn. Bei dem auf dem HVPI basierenden realen effektiven Wechselkurs waren die dreijährigen Veränderungen moderater, und kein Mitgliedstaat überschritt die Scoreboard-Schwellenwerte. Die über fünf Jahre gemessenen Veränderungen der Exportmarktanteile lagen in Frankreich, Italien und Spanien im Jahr 2021 unter dem Scoreboard-Schwellenwert. Während der Rückgang in Frankreich vor allem auf den sinkenden Anteil der Warenexporte zurückzuführen war, wurde der Rückgang in Spanien und Italien durch den sinkenden Anteil der Dienstleistungsexporte verursacht. In allen drei Ländern waren die oben genannten Rückgänge während der Pandemie im Jahr 2020 am stärksten ausgeprägt.

·Die Bedenken hinsichtlich des Kostendrucks sind in einigen Ländern seit einigen Jahren groß und nehmen zu bzw. lassen nicht ausreichend nach, unter anderem in Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Rumänien, der Slowakei, Tschechien und Ungarn. Sie waren in der Regel bereits vor der COVID-19-Krise beträchtlich und ließen in den meisten Fällen auch im Jahr 2021 und in der ersten Hälfte des Jahres 2022 inmitten vergleichsweise angespannter Arbeitsmärkte nicht nach. Das Wachstum der Lohnstückkosten wird in den meisten dieser Länder voraussichtlich auf hohem Niveau bleiben oder im nächsten Jahr wieder stark ansteigen. Mehrere von ihnen sind mit zusätzlichen Risiken hinsichtlich ihrer Wettbewerbsfähigkeit konfrontiert, die mit dem Anstieg der Inflation zusammenhängen, die viel höher ist als in der übrigen EU und in den anderen Ländern des Euro-Währungsgebiets. Während für die meisten dieser Länder eine Abwertung des realen effektiven Wechselkurses im Jahr 2023 prognostiziert wird, wird für die Slowakei eine leichte Aufwertung erwartet.

·Malta und Slowenien haben ähnliche Auswirkungen wie die oben genannten Länder in der Zeit vor der COVID-19-Pandemie gezeigt, aber die Sorgen um etwaige Einbußen der Wettbewerbsfähigkeit waren im Jahr 2021 moderater und werden auch in diesem Jahr voraussichtlich begrenzt bleiben. In Belgien und Polen werden die Lohnstückkosten in diesem und im nächsten Jahr voraussichtlich stark steigen. Umgekehrt war der Anstieg der Lohnstückkosten in Italien gedämpfter und wird voraussichtlich auch weiterhin niedriger ausfallen, was auf einen geringen relativen Anstieg der Wettbewerbsfähigkeit hindeutet.

·Die Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit sind in einigen großen Netto-Schuldnerländern, darunter Griechenland, Portugal, Spanien und Zypern, in den Hintergrund getreten. Vor allem stiegen die Lohnstückkosten etwas weniger als bei den Handelspartnern und im übrigen Euro-Währungsgebiet.

Kasten 2.2.1: Potenzielle Verankerung der Inflation und Verlust der Wettbewerbsfähigkeit

Die hohe und divergierende Inflation, die seit Ende 2021 in der gesamten EU zu beobachten ist, kann sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken, insbesondere wenn sie anhält. Wenn die Lohnerhöhungen den Kaufkraftverlust der Arbeitnehmer ganz oder teilweise ausgleichen, werden sich diese Lohnerhöhungen in höheren Lohnstückkosten niederschlagen, sofern sie nicht durch Produktivitätssteigerungen ausgeglichen werden. Ein solcher Anstieg der Lohnstückkosten kann dann zu Zweitrundeneffekten und dem Risiko einer höheren künftigen Inflation führen.( 19 ) Unterschiede bei der Wettbewerbsfähigkeit in den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets können entstehen, wenn der Inflationsschock in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ausfällt oder wenn sich im Gefolge dieses Inflationsschocks sehr unterschiedliche Zweitrundeneffekte entwickeln. Wenn bei den Forderungen nach Lohnerhöhungen jedoch berücksichtigt wird, dass die Inflation wahrscheinlich zurückgehen wird, dann bleibt das Risiko einer Preis-Lohn-Spirale begrenzt. In ihrem Bericht über das Euro-Währungsgebiet für 2023 erörtert die Kommission die Rolle der Inflationserwartungen bei Lohnerhöhungen.( 20 ) Die steigenden Energiepreise sind in den meisten Mitgliedstaaten für einen großen Teil des Preisanstiegs verantwortlich. Hat sich die Inflation jedoch über den Energiesektor hinaus auf andere Waren und Dienstleistungen ausgeweitet, kann der Lebensstandard nur aufrechterhalten werden, wenn das Einkommenswachstum anhält, selbst wenn die Energiepreise fallen. Die Energie- und Lebensmittelkomponenten der Gesamtpreisindizes können recht volatil sein und sind relativ unbeeinflusst von geldpolitischen Entscheidungen, da sie in der Regel stark von den internationalen Märkten beeinflusst werden, zumindest über einen kurzen Zeitraum hinaus, d. h. ohne regulatorische oder fiskalpolitische Eingriffe. Folglich verwenden die Zentralbanken Messgrößen für die Kerninflation, um den zugrunde liegenden Inflationstrend besser zu erfassen.( 21 )

In mehreren Ländern der EU, darunter Estland, Lettland, Litauen und Luxemburg, sowie in zwei Mitgliedstaaten außerhalb des Euro-Währungsgebiets, nämlich Bulgarien und Polen, sind die Lohnstückkosten im Laufe des Jahres bis zum zweiten Quartal 2022 stark angestiegen (Abbildung 2.2.2 Buchstabe a). Dieser Anstieg ist auf ein sehr starkes Wachstum des Arbeitnehmerentgelts zurückzuführen, das die 10-%-Marke überschritt oder ihr sehr nahe kam. Dennoch stieg das Arbeitnehmerentgelt lediglich in vier Mitgliedstaaten stärker als die Preise, wobei der Unterschied in Bulgarien besonders groß war. Die Produktivitätsänderungen reichten nicht aus, um den Anstieg der Lohnstückkosten abzumildern, in einigen Fällen verstärkten sie ihn sogar. In Bulgarien und Luxemburg stiegen die Lohnstückkosten stärker als die Preise, während ihr Wachstum in Estland, Lettland, Litauen und Polen über der Kerninflation lag. Letzteres gilt zwar auch für Belgien, Frankreich, Italien und Rumänien, doch ist der Anstieg der Lohnstückkosten dort etwas verhaltener ausgefallen. Diese im Vergleich zum Preiswachstum überhöhten Lohnstückkosten bergen das Risiko weiterer Preiserhöhungen, damit die Unternehmen ihre Preis-Kostenspannen halten können.

Eine abweichende Entwicklung der Kerninflation und der Lohnstückkosten könnte erhebliche und anhaltende Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit einiger Länder haben; das betrifft insbesondere die Länder des Euro-Währungsgebiets. Die Veränderung des auf der Kerninflation basierenden realen effektiven Wechselkurses (Abbildung 2.2.2 Buchstabe b) deutet darauf hin, dass Estland, Litauen und die Slowakei aufgrund einer viel höheren Kerninflation als im übrigen Euro-Währungsgebiet nicht unerhebliche Wettbewerbsfähigkeitsverluste hinnehmen müssen. Für die beiden letztgenannten Länder wird dies durch die Veränderungen des realen effektiven Wechselkurses gegenüber den Ländern außerhalb des Euro-Währungsgebiets kompensiert. Umgekehrt wird die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und in geringerem Maße auch Finnlands, Frankreichs und Italiens durch eine niedrigere Kerninflation als im übrigen Euro-Währungsgebiet begünstigt. Die allgemein zu beobachtende Abwertung des realen effektiven Wechselkurses gegenüber den Ländern außerhalb des Euro-Währungsgebiets trägt weiter dazu bei, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder verbessert.

Abbildung 2.2.2:    Lohnstückkosten, (Kern-)Inflation und Wettbewerbsfähigkeit

Die Länder werden in aufsteigender Reihenfolge der Veränderung der LSK, d. h. in absteigender Reihenfolge des auf der Kerninflation basierenden realen effektiven Wechselkurses, dargestellt. In der Kerninflation sind Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak nicht enthalten. Der auf der Kerninflation basierende reale effektive Wechselkurs wurde zu Analysezwecken berechnet, wobei die Kerninflationsraten für die Handelspartner China und Japan anhand ihres gesamten VPI-Wachstums dargestellt wurden, da das Kernmaß nicht verfügbar war.

Quelle: Eurostat und Berechnungen der Kommissionsdienststellen.

In einigen Ländern außerhalb des Euro-Währungsgebiets wirkten sich Schwankungen der nominalen Wechselkurse stark auf den realen effektiven Wechselkurs aus. Am augenfälligsten ist der Fall Ungarns, wo die starke nominale Abwertung trotz einer vergleichsweise hohen Kerninflation zu Wettbewerbsfähigkeitsverbesserungen führte. Ähnliche Effekte sind in Polen und Schweden zu beobachten. Umgekehrt erlebte Tschechien eine Aufwertung des nominalen (effektiven) Wechselkurses, die zusammen mit der relativ hohen Kerninflationsrate zu einer starken realen Aufwertung geführt hat. Es sei darauf hingewiesen, dass Währungsabwertungen zwar den Kostendruck abmildern, aber auch andere Risiken mit sich bringen können, sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU, z. B. höhere Kosten für den Schuldendienst von Fremdwährungspositionen. Dies kann den Rückgriff auf nominale Abwertungen als Instrument zur Abfederung der Auswirkungen von Kostensteigerungen auf die Wettbewerbsfähigkeit einschränken.

Abbildung 2.2.3:    Wettbewerbsfähigkeit: ausgewählte Abbildungen

 

Quelle: Kommissionsdienststellen.

2.3 Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften

Die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften war 2021 in vielen Ländern nach wie vor beträchtlich, nahm jedoch weiter ab. Nach dem beträchtlichen Schuldenabbau, der in den letzten zehn Jahren in vielen Mitgliedstaaten stattgefunden hatte, lagen die Schuldenquoten der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften im Jahr 2021 in den meisten Ländern der EU unter ihrem Höchststand von vor der Pandemie. Dennoch bewegten sich die Schuldenquoten im Jahr 2021 in fast der Hälfte der Länder der EU über dem Niveau, das sowohl durch die Fundamentalwirtschaftsdaten als auch durch aufsichtliche Bedenken gerechtfertigt ist, und in vielen Ländern über dem Niveau, das 2019 – vor Beginn der COVID-19-Pandemie – verzeichnet wurde (Abbildung 2.3.1 Buchstaben a und b).( 22 ) Im Jahr 2021 ging die Schuldenquote der Unternehmen in den meisten Mitgliedstaaten zurück, hauptsächlich aufgrund der deutlichen Erholung des BIP-Wachstums (Abbildung 2.3.3 Buchstabe a). Die Nettokreditflüsse an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften waren in der gesamten EU positiv und begannen in den meisten Ländern der EU im Jahr 2021 zu steigen, auch in einer Reihe von Fällen, in denen die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften eine hohe Schuldenquote aufwiesen, was auf die Belebung der Investitionstätigkeit zurückzuführen ist (Abbildung 2.3.3 Buchstabe c).

Der 2021 wieder aufgenommene Prozess des Fremdkapitalabbaus setzte sich 2022 fort, dürfte aber durch das schwierige makroökonomische Umfeld behindert werden. Die Schuldenquote der Unternehmen ist in der ersten Jahreshälfte 2022 in fast allen Mitgliedstaaten weiter gesunken, obwohl die Kreditvergabe zugenommen hat, was auch auf einen steigenden Liquiditätsbedarf zurückzuführen sein könnte. Die Auswirkungen der neuen Nettokredite auf die Schuldenquote der Unternehmen wurden durch das reale BIP-Wachstum und den starken Anstieg der Inflation mehr als ausgeglichen (Abbildung 2.3.3 Buchstabe b). Es wird erwartet, dass der passive Fremdkapitalabbau insgesamt weitergehen wird, was eher auf die steigende Inflation als auf das reale BIP-Wachstum zurückzuführen ist, aber es besteht ein erhebliches Risiko, dass sich der Rückgang der Schuldenquoten verlangsamt oder umkehrt. Der Inflationsanstieg kann die Gewinnspannen drücken, wenn die steigenden Kosten nicht an die Kunden weitergegeben werden können und die Nachfrage insgesamt sinkt. Der Ergebnisanteil der Unternehmen begann sich in der ersten Hälfte des Jahres 2022 abzuschwächen, liegt aber immer noch über dem Niveau von vor der COVID-19-Krise. In fast allen Ländern des Euro-Währungsgebiets hat ein hoher Anteil neuer Kredite an Unternehmen mit kurzen Laufzeiten zur Folge, dass sich die Verschärfung der Kreditbedingungen und steigende Zinssätze relativ schnell auf die Unternehmen auswirken können.( 23 ) In mehreren Mitgliedstaaten außerhalb des Euro-Währungsgebiets kam es zu einem spürbaren Anstieg der Kreditzinsen für Unternehmen, und außerdem bildet ein hoher Anteil der auf Fremdwährung lautenden Unternehmenskredite eine Quelle zusätzlicher Anfälligkeit.

Die wachsenden Bedenken im Zusammenhang mit notleidenden Unternehmenskrediten und Insolvenzen verstärken die allgemeine Anfälligkeit des Unternehmens- und Finanzsektors nach dem COVID-19-Schock. Einige Sektoren wie das Gastgewerbe und das Verkehrswesen sind von der COVID-19-Krise stark betroffen.( 24 ) Die Quoten notleidender Kredite und Unternehmensinsolvenzen sind in den meisten Mitgliedstaaten seit 2020 rückläufig, auch nach dem Auslaufen der Schuldenmoratorien. Allerdings ist der Anteil der anfälligen Unternehmen nach COVID-19 in einigen Ländern mit einem hohen Anteil an notleidenden Krediten besonders hoch (Abbildung 2.3.3 Buchstabe f). Während der Anteil notleidender Unternehmenskredite in den meisten Mitgliedstaaten noch in der ersten Hälfte des Jahres 2022 weiter zurückging, begann er in einigen Mitgliedstaaten zu steigen (Abbildung 2.3.3 Buchstabe e). Zudem begannen die Unternehmensinsolvenzen in einigen Mitgliedstaaten in der ersten Hälfte des Jahres 2022 zu steigen. Hinzu kommt, dass die Kreditvergabe zwar weiterhin stark zunimmt, die Bonitätsanforderungen aber deutlich verschärft werden und nun auf dem höchsten Stand seit 2013 sind (Abbildung 2.3.3, Buchstaben c und d). Zwar sind die Liquiditätspuffer und die Nettoersparnisse in den letzten Jahren gestiegen, aber das schwierige makroökonomische Umfeld in Verbindung mit strukturellen Veränderungen und Unterbrechungen der Lieferketten könnte zu einer Verschlechterung der Bilanzen führen, die Gewinnspannen drücken und den Schuldendienst sowie die Ersparnisse und Investitionen der Unternehmen beeinträchtigen (siehe Kasten 2.3.1).

Die Energiekrise wird einige Sektoren durch Preiserhöhungen und Versorgungsunterbrechungen besonders stark treffen und kann nachhaltige Auswirkungen haben, die zu einem Strukturwandel führen können. Energieintensive Industriezweige sind besonders anfällig und könnten unter Druck geraten. Strukturelle Veränderungen werden durch die Energiekrise beschleunigt. Es wird zwar erwartet, dass sich die Energiepreise und die Energieversorgung normalisieren werden, aber es kann zu einem dauerhaften Strukturwandel kommen, der je nach Energieintensität und Spezialisierung der Produktion weitreichende Auswirkungen auf die Produktionskapazität und das potenzielle Wachstum der stärker betroffenen Länder haben kann. Die akute Phase der Energiekrise kann zur Schließung von Unternehmen und/oder zur Verlagerung der Nachfrage auf die Produktion an anderen – weniger betroffenen – Standorten führen, mit dem Ergebnis einer dauerhaften Standortverlagerung. Die Normalisierung der Preise und Löhne kann auf ein höheres Niveau steigen, was die mit der Energiewende verbundenen Kosten noch steigern und insgesamt zu einem Wettbewerbsverlust führen könnte, insbesondere in einigen energieintensiven Industriezweigen, wobei die Auswirkungen von Land zu Land unterschiedlich sein können.

Abbildung 2.3.1:    Verschuldung der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften

 

Die Länder sind in absteigender Reihenfolge der Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften im Jahr 2021 aufgeführt.

Quelle: Sektorale Gesamtrechnung (finanzielle Vermögensbilanz – Kredite (F4) plus Schuldtitel (F3)) von Eurostat, AMECO und Schätzungen der Kommissionsdienststellen.

Politische Interventionen spielen beim Schutz der nationalen Volkswirtschaften vor unternehmerischen Schieflagen eine wichtige Rolle, allerdings könnte eine mangelnde Koordinierung aus Sicht des Euro-Währungsgebiets und des Binnenmarkts Anlass zu Bedenken geben. Durch nationale politische Maßnahmen wird die Last der Energiekrise gerechter zwischen Unternehmen, privaten Haushalten und dem öffentlichen Sektor verteilt. Sie werden insbesondere für den Schutz anfälliger Industriezweige wichtig sein und den Rückgang der Geschäftstätigkeit, Schließungen, Standortverlagerungen und Kreditausfälle verhindern. Ohne solche Maßnahmen könnte sich der Unternehmensstress auf die gesamte Volkswirtschaft ausbreiten. Zwar gibt es bisher keine Anhaltspunkte dafür, aber die Finanzbedingungen und der verfügbare fiskalische Spielraum könnten bei der möglichen Größenordnung und dem Umfang nationaler Interventionen letztlich eine Rolle spielen. Unterschiedliche Ansätze zwischen den Ländern könnten ferner die Divergenz der Liquiditäts- oder Solvenzrisiken von Unternehmen verstärken, insbesondere wenn sich die Krise verschärft oder noch länger anhält. Dies würde sich wieder auf die Preise auswirken, da Unterschiede in den Unternehmensinvestitionen und dem Preisbildungsverhalten angesichts der bestehenden und sich abzeichnenden Inflations- und Wettbewerbsunterschiede im Euro-Währungsgebiet zu Divergenzen beim Nachfragewachstum und der geldpolitischen Transmission führen könnten. Weitere Anstrengungen im Bereich der Integration können dazu beitragen, diese kombinierten Herausforderungen zu bewältigen und die Anfälligkeit der Unternehmen sowie die Divergenz bei Wachstum und Produktivität zu verringern. Auf nationaler Seite sind angemessene Insolvenzregelungen maßgeblich, um die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen von Unternehmensinsolvenzen auf ein Mindestmaß zu verringern.

Auf Länderebene sind die folgenden Entwicklungen herauszustellen:

·Die Verschuldung der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften ist sehr hoch (über 100 % des BIP) und liegt in Schweden und Dänemark über dem auf Fundamentaldaten beruhenden als auch über dem aufsichtlichen Referenzwert, und es gibt weitere Anzeichen für Anfälligkeiten. In Schweden liegt die Schuldenquote der Unternehmen immer noch über dem Höchststand von vor der COVID-19-Krise und nimmt weiter zu. In Dänemark sanken die Einlagen von Unternehmen, ausgehend von einem bereits niedrigen Niveau.

·Belgien, Irland, Luxemburg, die Niederlande und Zypern weisen auch eine sehr hohe Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften auf, die über 100 % und über dem auf Fundamentaldaten beruhenden sowie über dem aufsichtlichen Referenzwert liegt. Dies ist jedoch auch auf einen beträchtlichen Anteil an Krediten für ausländische Direktinvestitionen und grenzüberschreitende konzerninterne Kredite zurückzuführen, die die Anfälligkeit teilweise begrenzen können.

·Die hohe Schuldenquote nichtfinanzieller Kapitalgesellschaften in Frankreich, Griechenland, Malta und Portugal, die über dem auf Fundamentaldaten beruhenden als auch über dem aufsichtlichen Referenzwert liegt, ist rückläufig. In Frankreich und Malta wird die hohe Verschuldung teilweise durch beträchtliche Liquiditätspuffer abgemildert. In Österreich liegt die Schuldenquote der Unternehmen über dem aufsichtlichen Referenzwert, und das Kreditwachstum war stark. Die COVID-19-Krise hat eine Reihe von Sektoren unverhältnismäßig stark getroffen und die Unternehmen in Ländern wie Griechenland und Italien anfällig gemacht.

·Die Schuldenquote der Unternehmen liegt in Spanien über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert sowie über dem aufsichtlichen Referenzwert. In Bulgarien ist die Schuldenquote der Unternehmen moderat, wenngleich sie über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert liegt und höher ist als im regionalen Vergleich.



Kasten 2.3.1: Entwicklung der Ersparnisse der Unternehmen und Investitionsentwicklung

Die Entwicklungen der Ersparnisse und der Investitionstätigkeit der Unternehmen können nützliche Erkenntnisse über die Solidität der Unternehmen und die Anfälligkeit der Unternehmensverschuldung liefern. Ein Anstieg der Unternehmensverschuldung zur Finanzierung von Investitionen unterscheidet sich wirtschaftlich von erhöhten Schulden zur Deckung unerwarteter Kosten, da eine zusätzliche Kreditaufnahme zur Investitionsfinanzierung tendenziell die Produktivität und Produktionskapazität und damit die Solidität des Unternehmens erhöht. Gleichzeitig können die mit einer hohen Verschuldung verbundenen Anfälligkeiten der Unternehmen teilweise durch eine Erhöhung der Ersparnisse oder Einlagen gemildert werden. In diesem Kasten wird die Rolle der Entwicklung der Ersparnisse und der Investitionstätigkeit der Unternehmen bei der Verringerung der Anfälligkeit der Unternehmen im Zusammenhang mit der Erholung von der COVID-19-Pandemie und dem jüngsten Konjunkturrückgang näher beleuchtet.

Die Ersparnisse der Unternehmen sind in vielen Mitgliedstaaten seit der COVID-19-Pandemie gestiegen (Abbildung 2.3.2 Buchstabe a). Viele Unternehmen haben zu Beginn der COVID-19-Pandemie vorsorglich Ersparnisse gebildet, um ihre Liquiditätsposition zu verbessern, was teilweise durch Unterstützungsmaßnahmen erleichtert wurde. Die Bruttosparleistungen der Unternehmen fingen im vierten Quartal 2021 an zu sinken und gingen in der ersten Jahreshälfte 2022 gegenüber dem Vorjahr weiter drastisch zurück, liegen aber in den meisten Ländern immer noch über dem Niveau von vor der COVID-19-Pandemie. Die Ersparnisse der Unternehmen (ausgedrückt in Prozent des BIP) werden jedoch in den meisten Mitgliedstaaten bis 2022 insgesamt steigen (Abbildung 2.3.2 Buchstabe a). In der ersten Hälfte des Jahres 2022 sanken die Einlagen in den meisten Mitgliedstaaten, da viele Unternehmen eine erhebliche Liquidität benötigen, um den starken Anstieg der Inputkosten zu bewältigen, blieben aber über dem Niveau von 2019. Der Ergebnisanteil der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften in der EU begann sich in der ersten Hälfte des Jahres 2022 zu verringern, liegt aber immer noch über dem Niveau vor der COVID-19-Krise.

Die Investitionstätigkeit der Unternehmen ging mit der COVID-19-Krise stark zurück, erholte sich aber in den meisten Ländern bis 2021. Die Erholung war kräftig: In 16 der 24 Mitgliedstaaten, für die Daten vorliegen, lagen die Bruttoanlageinvestitionen der Unternehmen im Verhältnis zum BIP im Jahr 2021 über dem Niveau von 2019, mit Ausnahme von Deutschland, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, der Slowakei, Spanien und Zypern. Im Jahr 2021 stiegen die Investitionen und die Nettokreditflüsse, jeweils in Prozent des BIP, in vielen Mitgliedstaaten an (Abbildung 2.3.2 Buchstabe b). Dies lässt darauf schließen, dass in einigen Ländern zusätzliche Kredite zur Finanzierung von Investitionen aufgenommen wurden. Die Notwendigkeit, Anlageinvestitionen zu finanzieren, hat laut der Erhebung über die Kreditvergabe der EZB im Laufe des Jahres 2022 in Bezug auf die Kreditnachfrage deutlich an Bedeutung verloren. In der ersten Jahreshälfte 2022 stiegen die Anlageinvestitionen in der EU insgesamt weiter leicht an – allerdings in einem deutlich geringeren Tempo als zuvor –, aber erreichten noch nicht wieder das Niveau von 2019.

Abbildung 2.3.2:    Investitionen, Kredite und Ersparnisse nichtfinanzieller Kapitalgesellschaften

 

(1) Irland wurde aus dem rechten Feld entfernt, da die Investitionen im Jahr 2021 sehr volatil waren.

Quelle: Eurostat und AMECO.

Abbildung 2.3.3:    Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften: ausgewählte Abbildungen

 

Die Nettokreditflüsse (Schuldentransaktionen) entsprechen den Transaktionen von Krediten (F4) und Schuldtiteln (F3) in der sektoralen Gesamtrechnung (Finanztransaktionen) von Eurostat.

Durchschnittliche Bonitätsanforderungen für Unternehmen, Kreditangebot, gewichteter Nettoprozentsatz (verschärft abzüglich gelockert oder umgekehrt) basierend auf dem Anteil jedes Landes an den gesamten ausstehenden Kreditbeträgen des regionalen aggregierten Wertes. Eine Definition der Begriffe „anfällige Unternehmen“ findet sich in Fußnote 24.

Quelle: AMECO, Eurostat und EZB.

2.4 Wohnungsmarkt und Verschuldung der privaten Haushalte

Die Wohnimmobilienpreise sind 2021 weiter gestiegen und Wohnimmobilien dürfen in der Hälfte der Länder der EU wohl um mehr als 10 % überbewertet sein. Seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie beschleunigte sich das Wachstum der Wohnimmobilienpreise, und Immobilien waren Ende 2021 in mehreren Mitgliedstaaten schätzungsweise um mehr als 10 % und in vielen um mehr als 20 % überbewertet (Abbildung 2.4.1 Buchstabe a).( 25 ) Die rasche Steigerung der Wohnimmobilienpreise ist in nominaler Hinsicht deutlicher, aber auch inflationsbereinigt sind die Wohnimmobilienpreise in einer Zeit hoher Inflation in den meisten Ländern gestiegen. Auf dem Wohnungsmarkt gibt es nach wie vor Angebotsengpässe, die zusammen mit den hohen Baukosten dazu beitragen, dass die Wohnimmobilienpreise bei starker Nachfrage steigen.

In der ersten Hälfte des Jahres 2022 verzeichneten die Wohnimmobilienpreise ein Rekordwachstum, während kurz- bis mittelfristig eine Abschwächung zu erwarten ist. In den letzten zehn Jahren wurden niedrige Hypothekenzinsen und Einkommenszuwächse mit dem Anstieg von Krediten und Wohnimmobilienpreisen in Verbindung gebracht, obwohl der Anstieg seit dem Ausbruch der Pandemie zu groß ist, um durch diese Faktoren erklärt zu werden. Es wird erwartet, dass der Anstieg der Zinssätze zu einer gewissen Mäßigung der Wohnimmobilienpreise führen wird, und die jüngsten Daten für das Jahr 2022 zeigen, dass dies in vielen, aber nicht allen Ländern der EU bereits im Gange ist. Die Hypothekenzinsen liegen nach wie vor deutlich unter der Inflationsrate, was zu negativen realen Zinssätzen in Rekordhöhe führt und einen Anreiz für weitere Immobilienkäufe darstellt, aber der erwartete Anstieg der Kosten für neue Hypotheken dürfte die Wohnungsnachfrage und die Wohnimmobilienpreise in Zukunft dämpfen. Gleichermaßen dürften der durch die höhere Inflation verursachte Kaufkraftverlust sowie die Unsicherheit über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Einkommen der privaten Haushalte die Nachfrage nach Wohnraum dämpfen und auf diese Weise auch das Wachstum der Wohnimmobilienpreise eindämmen. In einigen Ländern sind die Hypothekenzinsen bereits deutlich gestiegen, während die realen Einkommen in den meisten Ländern der EU sinken oder stagnieren (Abbildung 2.4.1 Buchstabe b).

Abbildung 2.4.1:    Entwicklung der Wohnimmobilienpreise und Fundamentaldaten

 

(1) In Feld a sind die Länder in absteigender Reihenfolge des deflationierten Wohnimmobilienpreiswachstums im Jahr 2021 dargestellt. Einzelheiten und die Methodik finden sich in Fußnote 25.
(2) In Feld b sind die Bankzinsen für neue Hypothekendarlehen an private Haushalte der Durchschnitt der Gesamtkredite, der durch Gewichtung der Volumina mit einem gleitenden Durchschnitt (definiert für die Kreditkosten) für die Länder des Euro-Währungsgebiets (blaue Rauten) und dem monatlichen Durchschnitt ohne Gewichtung der Volumina für die Länder außerhalb des Euro-Währungsgebiets (gelbe Rauten) berechnet wird. (*) Das real verfügbare Bruttoeinkommen wird durch das reale Arbeitnehmerentgelt dargestellt. Der letzte verfügbare Zinssatz für Ungarn ist auf August 2022 datiert.

Quelle: Eurostat, AMECO, EZB, Herbstprognose 2022 der Europäischen Kommission und Schätzungen der Kommissionsdienststellen für die geschätzten Bewertungslücken bei Wohnimmobilienpreisen im Jahr 2021.

Nach dem Anstieg im Jahr 2020 ging die Schuldenquote der privaten Haushalte im Jahr 2021 in den meisten Ländern der EU zurück, obwohl die Nettokreditflüsse zunahmen. Die Schuldenquote der privaten Haushalte sank 2021 gegenüber 2020 aufgrund des BIP-Wachstums, blieb aber in mehreren Ländern höher als im Jahr 2019 und wird sich im Jahr 2022 voraussichtlich nicht grundlegend ändern (Abbildung 2.4.3 Buchstaben a und b). Die Nettokreditflüsse an private Haushalte waren jedoch in fast allen Ländern der EU positiv und stiegen sogar dort, wo die Schuldenquote der privaten Haushalte bereits hoch ist. Die Verschuldung der privaten Haushalte erscheint im Vergleich mit den Referenzwerten auf der Grundlage der länderspezifischen Fundamentalwirtschaftsdaten und mit den Schwellenwerten, die den aufsichtlichen Bedenken entsprechen, in fast der Hälfte der EU hoch.( 26 )  

Die Bankkredite haben sich im Jahr 2022 in der EU uneinheitlich entwickelt, wobei sich das Kreditwachstum vor allem in den Ländern außerhalb des Euro-Währungsgebiets verlangsamt hat. Außerhalb des Euro-Währungsgebiets stiegen die Hypothekenzinsen zusammen mit den Geldmarktzinsen deutlich an. Dies ist insbesondere in den Ländern der Fall, die mit einer Abwertung ihres nominalen Wechselkurses konfrontiert sind. Im Euro-Währungsgebiet sind die Entwicklungen differenzierter, aber auch hier sind die Kreditkosten in letzter Zeit gestiegen (Abbildung 2.4.1 Buchstabe b). Die Nettokreditflüsse der Banken haben sich nur in einer sehr begrenzten Anzahl von Ländern des Euro-Währungsgebiets verlangsamt, während die Verlangsamung in den Ländern außerhalb des Euro-Währungsgebiets deutlicher ausfällt (Abbildung 2.4.2 Buchstabe b).

In Zukunft bestehen Risiken in Bezug auf die Fähigkeit der Haushalte, ihre Hypothekentilgungen zu leisten. In den meisten Mitgliedstaaten ist der Anteil der Darlehen mit einer Zinsbindung von bis zu fünf Jahren hoch, in acht Ländern der EU über 80 % und in neun weiteren zwischen 40 % und 80 %, wodurch die privaten Haushalte in diesen Ländern für Zinserhöhungen anfälliger sind. Das Einkommen der privaten Haushalte wird unter Druck geraten, da steigende Energierechnungen das verfügbare Einkommen für andere Ausgaben verringern. Diese beiden Effekte führen zu einem Risiko von Bilanzstress, trotz sehr niedriger und sogar negativer realer Zinssätze. Ein tief greifender oder länger anhaltender wirtschaftlicher Abschwung mit negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung kann zu weiteren Schwierigkeiten bei der Rückzahlung von Darlehen und zur Stundung führen.

Die Risiken für die Wirtschaft, die sich aus einer kräftigen Abwärtskorrektur der Wohnimmobilienpreise ergeben, werden durch die geringere Gewichtung des Sektors in der Wirtschaft und durch makroprudenzielle Maßnahmen etwas gemildert, können aber nicht ausgeschlossen werden. Im Jahr 2021 war die Bautätigkeit in den Ländern höher, in denen die Wohnimmobilienpreise am stärksten überbewertet sind, lag aber immer noch unter den Spitzenwerten. Dadurch könnten die Auswirkungen einer Abwärtskorrektur der Preise abgeschwächt werden, da Wertschöpfung und Beschäftigung weniger betroffen wären als vor der globalen Finanzkrise, obwohl das Konsumwachstum der privaten Haushalte durch Vermögenseffekte leiden könnte. Außerdem dürfte der Rückgang der Wohnimmobilienpreise schwächer ausfallen, da die strukturellen Faktoren, die zu einer Verknappung des Wohnungsangebots geführt haben, fortbestehen würden. Die bestehenden makroprudenziellen Maßnahmen haben auch dazu beigetragen, die Risiken für die allgemeine Finanzstabilität im Zusammenhang mit dem Wohnungsmarkt zu verringern (siehe Kasten 2.4.1). Trotz dieser mildernden Faktoren bestehen nach wie vor Risiken, die auf andere Sektoren übergreifen und negative Rückkopplungseffekte erzeugen könnten, wodurch systemische Schwachstellen aufgedeckt würden.

Aufgrund der unterschiedlichen Dynamik der Wohnungsmärkte in den einzelnen Ländern und der gemeinsamen Geldpolitik könnte es zu unterschiedlichen Entwicklungen im Euro-Währungsgebiet kommen. Zwar scheint das Risiko großer Wohnimmobilienpreiskorrekturen begrenzt zu sein, doch die hohe Hypothekenverschuldung stellt ein Problem dar, vor allem wenn die Zinssätze niedrig angesetzt sind, die Hypotheken lange Laufzeiten haben und die Bewertungen der Häuser über den Fundamentaldaten liegen. Die Situation ist in den Mitgliedern des Euro-Währungsgebiets sehr unterschiedlich, was vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Geldpolitik einige Herausforderungen mit sich bringen kann. Die derzeitige Verschärfung der geldpolitischen Bedingungen und der Finanzierungsbedingungen im Euro-Währungsgebiet könnte nicht ausreichen, um die Wohnimmobilienpreise in Ländern mit einem sehr begrenzten Wohnungsangebot zu dämpfen. Im Gegenteil, in Ländern mit einem flexibleren Angebot kann eine Verschärfung der Finanzierungsbedingungen die Wohnimmobilienpreise nach unten treiben, was sich negativ auf das Baugewerbe auswirkt. Dadurch können länderspezifische Maßnahmen, vor allem in Bezug auf die Besteuerung von Wohnraum und die Verschuldung und Schuldentilgung der private Haushalte, sowie makroprudenzielle Maßnahmen und Maßnahmen auf der Angebotsseite an Bedeutung gewinnen.

Abbildung 2.4.2:    Verschuldung der privaten Haushalte und Bankdarlehen an private Haushalte

(1) Im Feld a sind die Länder in absteigender Reihenfolge der Schuldenquote der privaten Haushalte im Jahr 2021 aufgeführt. Schulden umfassen Kredite (F4) und Schuldtitel (F3). Einzelheiten und ein Verweis auf die Methodik finden sich in Fußnote 25.

(2) Im Feld b sind die Länder in absteigender Reihenfolge des Verhältnisses von Bankdarlehen zum BIP aufgeführt. Bei den Darlehen handelt es sich um bereinigte Darlehen (Nettoflüsse), wie von der EZB gemeldet. Für Dänemark liegen keine Daten vor.

Quelle: Eurostat, AMECO, EZB, Herbstprognose 2022 der Europäischen Kommission und Schätzungen der Kommissionsdienststellen.

Auf Länderebene sind die folgenden Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt und bei der Verschuldung der privaten Haushalte herauszustellen:

·Im Jahr 2021 übertraf das Wachstum der deflationierten Wohnimmobilienpreise in 14 Mitgliedstaaten den Scoreboard-Schwellenwert von 6 %: Dänemark, Deutschland, Estland, Griechenland, Lettland, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal, Slowenien, Schweden, Tschechien und Ungarn. Im zweiten Quartal 2022 zogen die Wohnimmobilienpreise in Estland, Litauen, Tschechien und Ungarn weiter an und stiegen nominal um mehr als 20 % gegenüber dem Vorjahr; in den anderen 12 Mitgliedstaaten (Bulgarien, Deutschland, Irland, Kroatien, Lettland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Slowakei und Slowenien) lag der Preisanstieg zwischen 10 % und 20 %.

·Zu den Mitgliedstaaten, in denen die Wohnimmobilienpreise um mehr als 20 % überbewertet sind, gehören Belgien, Dänemark, Deutschland, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Tschechien. In Frankreich und Schweden liegt die Schuldenquote der privaten Haushalte über dem aufsichtlichen Niveau, die Vergabe von Darlehen an private Haushalte ist hoch und die Verschuldung der privaten Haushalte wird für Ende 2022 höher eingeschätzt als für 2019. Während die meisten Hypotheken in Frankreich mit festen Zinssätzen abgeschlossen werden, sind in Schweden mehr als zwei Drittel der Hypotheken mit variablen Zinssätzen und einer Zinsbindung von nur einem Jahr abgeschlossen worden, wodurch sich das Risiko höherer Hypothekentilgungen aufgrund höherer Zinssätze für die Haushalte erhöht. In Luxemburg ist die Überbewertung der Wohnimmobilienpreise EU-weit am höchsten und die Verschuldung der Haushalte ist im Verhältnis zum Haushaltseinkommen sehr hoch; zudem nimmt die Kreditvergabe rasant zu. In Deutschland, Österreich und Tschechien liegt die Verschuldung der privaten Haushalte unter den oder im Rahmen der aufsichtlichen Vorgaben, allerdings sind die Kreditflüsse an private Haushalte hoch. Deutschland und Österreich haben vor Kurzem Empfehlungen des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) für ihren Wohnimmobilienmarkt erhalten. In Belgien liegt die Verschuldung der privaten Haushalte über dem aufsichtlichen Niveau und in Portugal sowohl über dem aufsichtlichen Referenzwert als auch über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert. Auch in Portugal sind die Zinssätze bei zwei Dritteln der Hypotheken nur bis zu einem Jahr festgeschrieben, bei den restlichen Hypotheken liegt die Zinsbindung meist zwischen einem und fünf Jahren.

·In Estland, Frankreich, Griechenland, Lettland, Malta, der Slowakei, Spanien und Ungarn waren die Wohnimmobilienpreise im Jahr 2021 auch überbewertet und stiegen in der ersten Jahreshälfte 2022 schnell an. In diesen Ländern, mit Ausnahme von Estland und Lettland, liegt auch die Verschuldung der privaten Haushalte über dem aufsichtlichen Schwellenwert oder steigt und nähert sich den Referenzwerten. In der Slowakei ist die Verschuldung der privaten Haushalte im Laufe der Zeit gestiegen; sie liegt über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert und wird in diesem Jahr voraussichtlich den aufsichtlichen Schwellenwert überschreiten.

·Auch in Bulgarien, Irland, Kroatien, Litauen, Polen und Slowenien steigen die nominalen Wohnimmobilienpreise rasant an und lagen im ersten Halbjahr 2022 über 10 % über dem Vorjahresniveau.

·In Zypern und Finnland scheinen die Wohnimmobilienpreise nicht überbewertet zu sein, allerdings bestehen Herausforderungen in Bezug auf die Schuldenquote der privaten Haushalte. In Zypern ist die Verschuldung der privaten Haushalte rückläufig und liegt unter dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert, aber schätzungsweise weit über dem aufsichtlichen Schwellenwert. In Finnland liegt die Verschuldung der privaten Haushalte ebenfalls über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert und über dem aufsichtlichen Referenzwert. In beiden Ländern sind mehr als 90 % der Hypotheken variabel verzinst oder haben nur eine Zinsbindung von bis zu einem Jahr.

 



Kasten 2.4.1: Bewertung der Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors durch den ESRB

Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) bewertet seit 2016 systematisch die mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors in den Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums.( 27 ) Der ESRB hat sich aktiv mit der Bewertung der Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors im gesamten EWR befasst und nach einer ersten Reihe von Warnungen im Jahr 2016 mehrere länderspezifische Empfehlungen im Jahr 2019 sowie weitere Warnungen zu mittelfristigen Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor herausgegeben. Der ESRB kann Warnungen aussprechen, wenn er die Notwendigkeit sieht, auf Anfälligkeiten und Trends hinzuweisen, die das Potenzial haben, die Finanzstabilität zu stören, wohingegen er Empfehlungen ausspricht, um nicht nur auf Risiken für die Finanzstabilität, sondern auch auf die notwendigen Korrekturmaßnahmen hinzuweisen. Die letzte Bewertung wurde im Februar 2022 veröffentlicht.

In seiner Bewertung vom Februar 2022 kommt der ESRB zu dem Schluss, dass die Risiken in Bezug auf den Wohnimmobiliensektor aufgrund des schnellen Anstiegs der Wohnimmobilienpreise und der zunehmenden Verschuldung der Haushalte in mehreren Ländern weiter zugenommen haben. Die wichtigsten Anfälligkeiten, die in der Bewertung des ESRB hervorgehoben werden, sind mittelfristiger Natur und beziehen sich je nach Land auf den raschen Anstieg der Wohnimmobilienpreise und die mögliche Überbewertung des Wohnimmobiliensektors (da sich die Kluft zwischen dem Wachstum der Wohnimmobilienpreise und dem verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte vergrößert), die Höhe und Dynamik der Verschuldung der privaten Haushalte, die Zunahme der Wohnungsbaukredite und Anzeichen einer Lockerung der Kreditvergaberichtlinien. Die spezifischen Anfälligkeiten sind von Land zu Land unterschiedlich, und die Einzelheiten für die bedenklichsten Fälle finden sich in den einzelnen Warnungen und Empfehlungen. Abgesehen von makroprudenziellen Erwägungen könnten in einer Reihe von Ländern einige zugrunde liegende Anfälligkeiten durch Reformen der Wohnungsbau- und Steuerpolitik wirksamer gemildert werden.

Tabelle 2.4.1:    

 

(1) n. b. – nicht bewertet.

Quelle: ESRB.

Im Anschluss an seine Bewertung gab der ESRB vier länderspezifische Warnungen und zwei Empfehlungen zu den mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors der Länder der EU ab. Die folgenden vier Länder der EU erhielten Warnungen in Bezug auf neu identifizierte Anfälligkeiten: Bulgarien, Kroatien, die Slowakei und Ungarn. Für Deutschland und Österreich, die bereits 2016 bzw. 2019 eine Warnung des ESRB erhalten hatten und deren Anfälligkeiten nicht ausreichend behoben wurden, wurden Empfehlungen ausgesprochen. In den Ländern, die im Jahr 2019 Empfehlungen des ESRB erhalten haben, sind die Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors nach wie vor erhöht. In Dänemark, Finnland, Luxemburg, den Niederlanden und Schweden blieben die Anfälligkeiten trotz der kürzlich eingeführten Maßnahmen zu ihrer Behebung bestehen. In den meisten Fällen sind die Wohnimmobilienpreise weiter gestiegen oder haben sich sogar noch schneller entwickelt als zuvor, was zu einer unveränderten oder verstärkten Überbewertung der Wohnimmobilienpreise geführt hat. Auch die Risiken im Zusammenhang mit der Verschuldung der privaten Haushalte sind in mehreren Ländern unverändert geblieben oder haben sich verschärft. Für die übrigen Länder des EWR hat der ESRB entweder keinen Aufbau wesentlicher Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors festgestellt, oder solche Anfälligkeiten wurden zwar festgestellt, aber der derzeitige politische Kurs wird als ausreichend bewertet, um ihnen zu begegnen.

Abbildung 2.4.3:    Verschuldung der privaten Haushalte und Wohnimmobilienpreise: ausgewählte Abbildungen

 

Quelle: AMECO, Eurostat, EZB und Kommissionsdienststellen.

2.5 Staatlicher Sektor

Die gesamtstaatlichen Schuldenquoten sanken in den meisten Mitgliedstaaten im Jahr 2021, liegen aber immer noch deutlich über dem Niveau von vor der Pandemie. Im Jahr 2021 wird die Schuldenquote in fast allen Ländern der EU sinken, wobei der aggregierte EU-Wert um etwa zwei Prozentpunkte zurückgehen wird. Dieser Rückgang ist das Ergebnis der Erholung des nominalen BIP nach 2020 bei weiterhin günstigen Finanzierungsbedingungen. Umgekehrt blieben die Haushaltsdefizite zwar unter den Werten von 2020, waren aber oft beträchtlich und betrugen im Durchschnitt 5,1 % des BIP für das Euro-Währungsgebiet und 4,6 % des BIP für die EU, da die Finanzpolitik expansiv blieb. Die Haushaltsdefizite spiegeln vor allem nach wie vor die Auswirkungen der umfangreichen befristeten COVID-19-Sofortmaßnahmen zur Unterstützung der von der Pandemie betroffenen Haushalte und Unternehmen wider, die für die EU aggregiert etwa 3,25 % des BIP ausmachten.

Es wird erwartet, dass die gesamtstaatliche Schuldenquote in den meisten Ländern der EU im Jahr 2022 weiter sinken wird. Für die meisten Mitgliedstaaten wird prognostiziert, dass der gesamtstaatliche Schuldenstand im Jahr 2022 insgesamt um 3,5 Prozentpunkte sinken, aber immer noch über dem Niveau von 2019 liegen wird, in einigen Fällen um knapp 15 Prozentpunkte. Die Verbesserung ergibt sich aus dem anhaltenden nominalen Wirtschaftswachstum, das höher ist als die impliziten Schuldendienstkosten, sowie aus einer weiteren Verringerung der Defizite trotz umfangreicher Unterstützungspakete für private Haushalte und Unternehmen im Zusammenhang mit den hohen Energiepreisen, nachdem zwei Jahre lang erhebliche fiskalische Unterstützung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie gewährt wurde. Die Schuldenquote ist in den am höchsten verschuldeten Ländern stärker zurückgegangen, da das Wirtschaftswachstum einen stärkeren Effekt auf den Schuldenabbau hat, wenn die Schuldenquote höher ist. In einigen Ländern mit niedriger oder moderater gesamtstaatlicher Schuldenquote wird diese voraussichtlich weiter steigen.

Der Ausblick für 2023 deutet auf einen schwächeren Rückgang oder eine Stabilisierung der gesamtstaatlichen Schuldenquoten in den meisten Ländern der EU hin. Im Jahr 2023 wird die schwächere Wirtschaftstätigkeit voraussichtlich zu einem geringeren Rückgang der Schuldenquote führen, während die gesamtstaatlichen Defizite insgesamt ansteigen dürften, wobei es gewisse Unterschiede zwischen den Ländern gibt. Es wird erwartet, dass die gesamtstaatlichen Schuldenquoten bis 2023 nur in wenigen Mitgliedstaaten die Werte von vor der COVID-19-Pandemie erreichen werden (Abbildung 2.5.1). In den kommenden Monaten könnte es weitere gezielte Maßnahmen zur Unterstützung anfälliger privater Haushalte und Unternehmen geben, durch die ein Teil der Kosten der Energiekrise auf den staatlichen Sektor abgewälzt und der gesamtstaatliche Schuldenstand erhöht würde. Darüber hinaus könnte sich eine weitere Verschärfung der Finanzierungsbedingungen oder der Wechselkursbewegungen negativ auf die Haushaltsentwicklung auswirken, insbesondere in den Ländern außerhalb des Euro-Währungsgebiets, in denen der Anteil der in Fremdwährung lautenden Schulden oft erheblich ist. Durch eine höhere Inflation könnte die Schuldenlast insofern verringert werden, als sie das nominale BIP erhöht. Höhere Risikoprämien und eine schwächere Wirtschaftstätigkeit können jedoch zu einem Anstieg der gesamtstaatlichen Schuldenquoten beitragen und damit nicht nur die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, sondern auch andere Teile der Wirtschaft vor Herausforderungen stellen (siehe Kasten 2.5.1).

Die Kosten für den Schuldendienst können aufgrund höherer nominaler Zinssätze steigen. Die realen Zinssätze im Euro-Währungsgebiet werden derzeit voraussichtlich negativ bleiben. Die Renditen von Staatsanleihen sind im Euro-Währungsgebiet im Jahr 2022 gestiegen, wobei sich die Spannen etwas vergrößert haben, da die Märkte das Risiko einpreisen. Trotz der Verschärfung der Geldpolitik werden die realen Zinssätze voraussichtlich auch in Zukunft negativ bleiben, und die Renditen von Staatsanleihen im Euro-Währungsgebiet gehören weiterhin zu den niedrigsten der Welt. Allerdings steigen die Anleiherenditen der Mitgliedstaaten mit hoher Verschuldung im dritten Quartal etwas stärker an; längere Schuldenlaufzeiten helfen jedoch, die Auswirkungen abzufedern. Die Möglichkeit eines Anstiegs der Zinssätze und eines negativen nominalen BIP kann nicht ausgeschlossen werden; dies wäre eine noch ungünstigere Situation als die derzeitige Prognose. In diesem Fall könnten die Zinsen das nominale BIP-Wachstum übersteigen und den Druck erhöhen, die Finanzlage in einigen hoch verschuldeten Ländern zu verbessern. Die Einführung des geldpolitischen Instruments zur Absicherung der geldpolitischen Transmission durch die EZB im Juli 2022, das eine geordnete geldpolitische Transmission in allen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets sicherstellen soll, bietet eine gewisse Absicherung gegen eine starke Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen, solange die damit verbundenen wirtschaftspolitischen Bedingungen erfüllt sind.

Die Mitgliedstaaten, die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehören, sehen sich höheren Kosten für den Schuldendienst gegenüber, da sich das Renditegefälle bei Staatsanleihen vergrößert und das Engagement in auf Fremdwährung lautenden Schuldtiteln zunimmt. Die weltweite Verschärfung der Finanzierungsbedingungen hat sich außerhalb des Euro-Währungsgebiets deutlicher ausgewirkt. Die Renditen von Staatsanleihen sind in Polen, Rumänien und Ungarn besonders hoch. Darüber hinaus ist der Anteil der auf Fremdwährungen lautenden gesamtstaatlichen Schulden in Ländern außerhalb des Euro-Währungsgebiets beträchtlich, insbesondere in Bulgarien( 28 ) (74 %) und Rumänien (52 %), aber auch in Ungarn (22 %), Polen (22 %) und Schweden (17 %).

Abbildung 2.5.1:    Gesamtstaatlicher Schuldenstand und Defizitquote

(1) Die Länder sind in absteigender Reihenfolge ihrer Schuldenquote und öffentlichen Defizitquote im Jahr 2021 dargestellt.

Quelle: AMECO und Kommissionsdienststellen.

Auf Länderebene sind die folgenden Entwicklungen des staatlichen Sektors herauszustellen:

·Ende 2021 lag die Schuldenquote in Deutschland, Finnland, Kroatien, Österreich, der Slowakei, Slowenien und Ungarn bei über 60 % und in Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und Zypern bei über 100 %. Die Schuldenquote ist 2021 in all diesen Mitgliedstaaten gesunken, mit Ausnahme von Deutschland und der Slowakei, und wird den Prognosen zufolge in den meisten von ihnen auch 2022 und 2023 weiter sinken.

·Für Griechenland wurden auf kurze Sicht hohe Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen festgestellt (siehe Kasten 2.5.1). Die Schuldenquote des Landes ist die höchste in der EU und liegt deutlich über 100 %. Das Haushaltsdefizit ist nach wie vor beträchtlich, wird aber voraussichtlich deutlich sinken. Der Bruttofinanzierungsbedarf dürfte in den nächsten Jahren sinken.

·Mittelfristig werden für neun Mitgliedstaaten hohe Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gesehen, nämlich für Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Rumänien, die Slowakei, Slowenien und Spanien. Die Länder mit den höchsten Schuldenquoten sind besonders anfällig für veränderte Finanzierungsbedingungen. Bei einem Szenario mit einem Anstieg des Zins-Wachstums-Differentials um 1 Prozentpunkt würde die Schuldenquote in Italien, Griechenland, Spanien und Portugal bis 2023 um mehr als 10 Prozentpunkte steigen (siehe Kasten 2.5.1).

·Rumänien und Ungarn zeichnen sich durch anhaltend hohe Haushaltsdefizite und steigende Anleiherenditen aus, und für beide Länder, insbesondere für Rumänien, sind Fremdwährungsschulden von Bedeutung. Auch in Ungarn liegt der gesamtstaatliche Schuldenstand bei über 60 % des BIP und der gesamtstaatliche Bruttofinanzierungsbedarf ist hoch. In Rumänien wird die Schuldenquote angesichts der erwarteten besseren Haushaltsergebnisse voraussichtlich leicht sinken.

Kasten 2.5.1: Veränderte Finanzierungsbedingungen – eine negative „R-G“-Differenz

Die Kommission bewertet die kurz-, mittel- und langfristigen Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten. Sie stellt fest, dass Griechenland sowohl aufgrund von haushaltspolitischen als auch von makrofinanziellen Variablen kurzfristig anfällig ist.( 29 ) Mittelfristig wird für neun Mitgliedstaaten ein hohes Risiko für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gesehen, nämlich für Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, Rumänien, die Slowakei, Slowenien und Spanien. Dieses Risiko ergibt sich aus:

·hohen oder steigenden Schuldenquoten, vor allem in Verbindung mit einer schwachen Haushaltslage,

·erhöhter Unsicherheit bei den Ausgangsprognosen,

·der Anfälligkeit für ungünstige makrofinanzielle Szenarien,

·dem Umfang der erforderlichen Haushaltsanpassung, um die Schuldenquote mittelfristig auf 60 % des BIP zu drücken, d. h. auf den S1-Indikator.

Neben der Schuldenanalyse und der Risikoeinstufung gibt es noch andere Faktoren, die die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen beeinflussen können.( 30 ) Auf der anderen Seite können Eventualverbindlichkeiten, die für die EU als Ganzes hoch sind, aber auch von Land zu Land sehr unterschiedlich ausfallen, einen erheblichen Einfluss auf den öffentlichen Schuldenstand und das Defizit haben. Dies gilt auch für das Risiko von Eventualverbindlichkeiten aus dem Bankensektor. Auf der anderen Seite werden die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen durch die in den letzten Jahren zu beobachtende Verlängerung der Schuldenlaufzeit oder die eher mittel- bis langfristig zu erwartenden Auswirkungen der Reformen der Aufbau- und Resilienzfazilität und der Investitionen auf das BIP-Wachstum gemildert.

Die Ungewissheit und ein sich veränderndes wirtschaftliches Umfeld können sich maßgeblich auf die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen auswirken. Die Finanzierungsbedingungen waren in den letzten Jahren günstig, mit einem niedrigen Zinsumfeld bedingt durch die Überalterung der Gesellschaft, das geringere Produktivitätswachstum und die Geldpolitik der Zentralbanken. Eine negative „R-G“-Differenz, bei der die Zinsen niedriger sind als das Wirtschaftswachstum, mildert die Herausforderungen im Finanzbereich bis zu einem gewissen Grad, beseitigt sie aber nicht, da sich das Gefälle bei veränderten Bedingungen umkehren kann. Gerade deshalb ist die Bewertung der Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der Finanzen derzeit von besonderer Bedeutung, wenn R [steht für langfristige Kapitalmarktzinsen] aufgrund der veränderten Finanzierungsbedingungen und der schwächeren Wirtschaftslage insgesamt steigt, während G [steht für das Wirtschaftswachstum] sinkt.

Ein schwächeres Wachstum oder höhere Zinssätze in den nächsten zehn Jahren könnten zu höheren Schuldenquoten führen, wenn die Politik nicht eingreift. Die Basisanalyse der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen wurde unter der Annahme günstiger Finanzierungsbedingungen durchgeführt. Ferner wurde ein negatives Szenario ausgearbeitet, um einen Anstieg oder sogar eine Umkehr der „R-G“-Differenz zu erfassen. Bei diesem Szenario wird erwartet, dass die „R-G“-Projektion in den meisten Ländern der EU im Jahr 2032 negativ bleibt, aber dennoch höher ist als in der Ausgangssituation angenommen. Infolgedessen wäre der projizierte Schuldenstand im ungünstigen Szenario bis 2032 höher als im Basisszenario.

Abbildung 2.5.2:    Staatlicher Sektor: ausgewählte Abbildungen

Quelle: Kommissionsdienststellen.

2.6 Finanzsektor

Der Bankensektor der EU zeigte sich im Jahr 2021 resilient gegenüber den Auswirkungen der Pandemie, hatte aber weiterhin mit einer strukturell niedrigen Rentabilität zu kämpfen. Die harte Kernkapitalquote (CET1) blieb im letzten Jahr (3. Quartal 2021–2. Quartal 2022) hoch und stabil (Abbildung 2.6.1 Buchstabe a). Die Eigenkapitalrentabilität hat sich angesichts höherer Betriebsgewinne und geringerer Rückstellungen in diesem Zeitraum auf ein Niveau erholt, das über dem Niveau liegt, das vor der Pandemie vorherrschte, allerdings stellt die Rentabilität aufgrund von Überkapazitäten und geringer Kosteneffizienz in der gesamten EU nach wie vor eine strukturelle Herausforderung dar.( 31 ) Der Abbau der notleidenden Altkredite setzte sich 2021 und im ersten Halbjahr 2022 fort, und es gab keinen nennenswerten Anstieg neuer notleidender Kredite trotz der schrittweisen Rücknahme der nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie eingeführten Moratorien für die Tilgung von Darlehen (Abbildung 2.6.1 Buchstabe b). Die Kreditvergabe an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften wurde trotz des allmählichen Auslaufens der während des COVID-19-Ausbruchs gewährten staatlichen Bürgschaften und – in einigen Ländern – der Verschärfung der makroprudenziellen Maßnahmen fortgesetzt. Die Darlehen für private Haushalte weiteten sich 2021 vor dem Hintergrund der in die Höhe schießenden Wohnimmobilienpreise in der EU stetig aus (Abbildung 2.6.2 Buchstabe a). In der zweiten Hälfte des Jahres 2021 verschärften sich die Kreditbedingungen und die Kreditzinsen stiegen parallel zur Verschärfung der Geldpolitik, insbesondere in den Ländern außerhalb des Euro-Währungsgebiets (Abbildung 2.6.2 Buchstaben b und c).

Die sich verschlechternden wirtschaftlichen Aussichten dürften sich in Zukunft negativ auf die Qualität der Vermögenswerte und die Rentabilität der Banken auswirken. Die Auswirkungen der russischen Invasion in der Ukraine auf den Finanzsektor der EU waren zwar aufgrund der geringen unmittelbaren finanziellen Risiken bisher begrenzt, aber es besteht das Risiko von Zweitrundeneffekten. Die sich verschlechternden wirtschaftlichen Aussichten und eine verzögerte Wirkung der Rücknahme der Unterstützungsmaßnahmen könnten die Quoten notleidender Kredite in die Höhe treiben, die für eine durchschnittliche große EU-Bank am Ende des zweiten Quartals 2022 bei 1,8 % lag.( 32 ) Dies wird durch die hohe Stundungsquote und den hohen Anteil der als notleidend eingestuften Kredite (Stufe-2-Kredite) unterstützt (Abbildung 2.6.2 Buchstabe d), der im Euro-Währungsgebiet im zweiten Quartal 2022 bei 9,5 % lag.( 33 )( 34 ) Dies liegt deutlich über dem Niveau von vor der Pandemie, und die Zuflüsse in Sektoren, die sich noch nicht vollständig von der Pandemie erholt haben, hält an.( 35 ) Die Kapitalquoten sind Anfang 2022 aufgrund des Anstiegs der risikogewichteten Vermögenswerte leicht gesunken, blieben aber im zweiten Quartal 2022 stabil, wobei die aggregierte harte Kernkapitalquote für große Banken bei 15 % verharrte.( 36 ) Die Eigenkapitalrentabilität lag im zweiten Quartal 2022 bei 7,9 %, unterstützt durch Nettozinserträge. ( 37 ) Die höheren Energiepreise und die Verschlechterung der wirtschaftlichen Aussichten schränken viele Kreditnehmer ein, und der erwartete Anstieg der Kreditrisiken hat sich bereits im Rückgang der Bewertungen des Finanzsektors im Jahr 2022 niedergeschlagen, wenn auch weitgehend im Einklang mit dem allgemeinen Markttrend. Umfragen zur Kreditvergabe im Euro-Währungsgebiet deuten darauf hin, dass die Banken ihre Kreditvergaberichtlinien sowohl für private Haushalte als auch für Unternehmen im Jahr 2022 weiter verschärft haben, wobei eine deutliche Verschärfung im dritten Quartal 2022 zu verzeichnen war.( 38 ) Im September 2022 hat der Verwaltungsrat des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) eine Warnung zu Anfälligkeiten des Finanzsystems der Union herausgegeben und betont, dass die Risiken für die Finanzstabilität in der EU und Wahrscheinlichkeit, dass Extremrisikoszenarien eintreten, gestiegen ist. Die ermittelten Risiken betreffen: i) die Verschlechterung der makroökonomischen Aussichten, ii) die von einem drastischen Preisverfall bei Vermögenswerten ausgehenden Risiken für die Finanzstabilität und iii) die Auswirkungen solcher Entwicklungen auf die Qualität der Vermögenswerte.( 39 )

Steigende Zinsen stellen für den europäischen Finanzsektor sowohl eine Chance als auch eine Herausforderung dar, wobei das Risiko zunimmt. Das anhaltende Niedrigzinsumfeld stellte den Finanzsektor der EU im vergangenen Jahrzehnt vor Herausforderungen und war einer der Gründe für seine geringe Rentabilität. Höhere Zinssätze steigern zwar die Zinserträge der Banken, aber sie können auch ihre Finanzierungskosten in die Höhe treiben. Zudem können sich höhere Zinssätze negativ auf die Bewertungen von Aktiva und Sicherheiten der Banken, einschließlich Immobilien und Wertpapiere, auswirken. Banken und institutionelle Anleger, insbesondere Versicherungsgesellschaften, könnten in einem Umfeld drohender Rezessionsrisiken auch mit flachen oder inversen Zinskurven konfrontiert werden. Der Anstieg der Finanzierungskosten in Verbindung mit der hohen Inflation und dem geringen Wirtschaftswachstum wird voraussichtlich Druck auf anfällige Kreditnehmer ausüben.( 40 ) Eine anhaltende oder zunehmende Fragmentierung der staatlichen Finanzierungskosten im Euro-Währungsgebiet kann sich negativ auf den Bankensektor auswirken, der stark auf das Inland ausgerichtet ist. Höhere Zinssätze sind zwar eine positive Entwicklung für Versicherungsgesellschaften, deren Portfolios überwiegend in risikoarme Anlagen investiert sind, aber Investmentfonds und Altersvorsorgeeinrichtungen könnten unter Bewertungsverlusten bei ihren Portfolios mit fester Rendite leiden. Steigende Zinssätze und die Neubewertung der Vermögenspreise wirken sich auch auf gewerbliche Immobilien aus, in denen die Banken zunehmend engagiert sind.( 41 ) Allerdings erschweren die Komplexität des Marktes für gewerbliche Immobilien durch die Präsenz von Nicht-Banken und internationalen Marktteilnehmern sowie erhebliche Datenlücken die Risikobewertung.( 42 )  

Abbildung 2.6.1:    Banken: Rentabilität, Kapitalquoten und notleidende Kredite

Die harte Kernkapitalquote (CET1) umfasst Stammaktien und thesaurierte Gewinne. Kernkapitalquote und Eigenkapitalrentabilität sind der Durchschnitt der vierteljährlichen Daten des letzten Jahres (3. Quartal 2021–2. Quartal 2022). Der Durchschnittswert für die EU ist nicht nach der Größe der Wirtschaft gewichtet. EL mit stark negativer Eigenkapitalrentabilität (-6 %) ist im linken Feld nicht enthalten. Die Daten zum „Anstieg auf Höchstwert“ beziehen sich auf den Anteil der notleidenden Schuldtitel (brutto) an den gesamten Schuldtiteln (brutto). Die Quoten notleidender Kredite werden für das 2. Quartal 2021 und das 2. Quartal 2022 gemeldet. Unter den Ländercodes ist angegeben, in welchem Jahr die notleidenden Schuldtitel ihren Höchststand erreichten.

Quelle: Konsolidierte Bankdaten der EZB, Kommissionsdienststellen.

Die Risiken für die globale Finanzstabilität haben im letzten Jahr deutlich zugenommen. Im Jahr 2022 haben die Risiken für die Finanzstabilität angesichts der hohen Inflation, der Verschärfung der Finanzbedingungen und der erhöhten Marktvolatilität weltweit zugenommen.( 43 ) Die weltweite Neubewertung von Risiken kann sich auf die Finanzmärkte auswirken, zu Instabilität führen und die Fremdfinanzierungskosten für Staaten und private Kreditnehmer in die Höhe treiben, teils sogar auf unsystematische Weise. Dies stellt verschiedene Teile des Finanzsektors vor unterschiedliche Herausforderungen, und aufgrund der Verflechtung des globalen Finanzsystems ist es schwierig vorherzusagen, wo Anfälligkeiten auftreten könnten.

Das Finanzsystem ist neuen Systemrisiken ausgesetzt, die sich sowohl innerhalb der EU als auch im Euro-Währungsgebiet unterschiedlich auswirken können. Die Wahrscheinlichkeit einiger negativer Systemrisiken, insbesondere das Risiko von Marktstörungen und Liquiditätsengpässen, hat sich für die gesamte EU erhöht und kann sowohl Banken als auch Nicht-Banken betreffen.( 44 ) Ein Eintreten dieser Systemrisiken kann sich in der EU unterschiedlich auswirken. Während im Euro-Währungsgebiet unterschiedliche Entwicklungen durch heterogene politische Interventionen der Mitgliedstaaten ausgelöst werden können, sind die Mitgliedstaaten außerhalb des Euro-Währungsgebiets zusätzlichen Risiken im Zusammenhang mit Liquiditätsengpässen und der Funktion der Devisenmärkte ausgesetzt. Es wird erwartet, dass die operativen Risiken hoch bleiben, was mit einem höheren Risiko von Cyberangriffen im Zuge der zunehmenden Digitalisierung zusammenhängt. ( 45 ) Klimarisiken und ein zunehmendes Engagement in Kryptowerten stellen für einige Finanzinstitute außerhalb des Bankensektors eine besondere Herausforderung dar.

Auf Länderebene sind die folgenden Entwicklungen der Finanzsektoren herauszustellen:

·Einige Länder, darunter Griechenland, Italien und Zypern, haben mit einer Kombination aus schwacher Rentabilität des Finanzsektors, einem anfälligen Unternehmenssektor und einem hohen gesamtstaatlichen Schuldenstand zu kämpfen, wodurch das Risiko negativer Rückkopplungseffekte steigt. In allen drei Ländern haben sich die Quoten notleidender Kredite deutlich verbessert, liegen aber immer noch über dem EU-Durchschnitt (in Italien nur geringfügig), und der Anteil der Stufe-2-Kredite und gestundeten Kredite ist hoch. In Griechenland ist die Quote notleidender Kredite der Banken aufgrund von Veräußerungen von notleidenden Krediten deutlich zurückgegangen, wodurch das Risiko für die Banken entfiel, aber teilweise auf einige Finanzinstitute außerhalb des Bankensektors verlagert wurde. Anlass zur Sorge geben auch die negative Rentabilität der Banken und die negativen Kreditflüsse im Jahr 2021, während die Kapitalquote weiterhin zu den niedrigsten in der EU gehört. Die zypriotischen Banken haben auch im Jahr 2021 eine sehr niedrige Rentabilität verzeichnet, während die Kapitalquote nah am EU-Durchschnitt lag. Die italienischen Banken weisen eine unterdurchschnittliche Kapitalquote und ein hohes Engagement in Staatsschulden auf.

·Die Aktiva-Qualität der Banken ist in Bulgarien problematisch, da der Anteil der notleidenden Kredite trotz eines Rückgangs weiterhin hoch ist, und zwar vor dem Hintergrund der hohen gestundeten Schulden. Im Euro-Währungsgebiet sind die Stufe-2-Kredite in Österreich besonders zahlreich. Die Quote der gestundeten Schulden ist in Ungarn im Jahr 2021 deutlich gestiegen.

·Die Bankensektoren in Deutschland, Malta und Irland sind nach wie vor durch eine sehr niedrige Rentabilität gekennzeichnet, und die sich verschlechternden Wirtschaftsaussichten bergen das Risiko, dass diese weiter sinkt.

·Die Verbindlichkeiten des Finanzsektors stiegen im Jahr 2021 in Estland, Irland, Litauen und der Slowakei über den Schwellenwert des MIP-Scoreboards von 16,5 %. Die Kreditflüsse des Privatsektors überschritten in Luxemburg und Schweden den Schwellenwert des MIP-Scoreboards von 14 %.

Abbildung 2.6.2:    Finanzsektor: ausgewählte Abbildungen

 

Quelle: EZB.

3. Länderteil

3.1 BELGIEN

In Belgien sind die Schuldenquote des Privatsektors und die gesamtstaatliche Schuldenquote hoch, obwohl die damit verbundenen Risiken begrenzt zu sein scheinen. Es gibt Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit, da die nominalen Lohnstückkosten stark ansteigen werden. Der gesamtstaatliche Schuldenstand Belgiens bleibt trotz des jüngsten Abbaus hoch.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission keine eingehende Überprüfung durchgeführt und keine makroökonomischen Ungleichgewichte für Belgien festgestellt. Die Kommission hält es in diesem Jahr nicht für erforderlich, eine weitere eingehende Überprüfung für Belgien durchzuführen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 2,8 % im Jahr 2022 und 0,2 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch. Im Jahresvergleich stieg sie im Oktober auf 13,1 %, wobei die Kerninflation auf 4,8 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Belgien zeigt, dass im Jahr 2021 drei Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich der Schuldenstand des privaten Sektors, der gesamtstaatliche Schuldenstand und die Veränderung der Jugendarbeitslosenquote. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Es zeichnen sich Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit ab. Die nominalen Lohnstückkosten sind nach einem starken pandemiebedingten Anstieg im Jahr 2020 im Jahr 2021 leicht gesunken, werden aber den Prognosen zufolge in den Jahren 2022 und 2023 aufgrund eines relativ starken nominalen Lohnanstiegs deutlich steigen. Dieser Anstieg stellt eine Beschleunigung gegenüber der Zeit unmittelbar vor der Pandemie dar und ist ausgeprägter als bei den anderen Ländern des Euro-Währungsgebiets. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat 2021 eine geringfügige Aufwertung erfahren. Im Jahresvergleich hat er jedoch bis August 2022 an Wert verloren.

·Die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften gehört nach wie vor zu den höchsten in der EU, befindet sich aber auf einem rückläufigen Kurs. Sie ging im Jahr 2021 leicht auf 106,9 % zurück, da das starke Wachstum eine Wiederaufnahme der Kreditströme ausglich. In der ersten Hälfte des Jahres 2022 ist sie weiter gesunken, allerdings gibt es einige Risikofaktoren im Zusammenhang mit dem makroökonomischen Umfeld. Die Verschuldung ist jetzt um 11 Prozentpunkte niedriger als 2019, liegt aber weiterhin sowohl über dem aufsichtlichen Referenzwert als auch über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert. Der hohe Anteil der grenzüberschreitenden konzerninternen Kreditvergabe an der Verschuldung der Unternehmen verringert die Risiken.

·Die Schuldenquote der privaten Haushalte sinkt zwar, ist aber immer noch hoch. Nach einem starken Anstieg im Jahr 2020 sank sie im Jahr 2021, da die Nettokreditflüsse voraussichtlich moderat bleiben werden. Auch in der ersten Hälfte des Jahres 2022 ist die Schuldenquote der privaten Haushalte leicht gesunken und hat sich ihrem Niveau von vor der Pandemie angenähert. Das nominale Produktionswachstum dürfte angesichts der Inflationsrate den Schuldenabbau im Jahr 2022 noch unterstützen. Die Verschuldung der privaten Haushalte liegt über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert, aber unter dem aufsichtlichen Referenzwert. Die notleidenden Schuldtitel der Haushalte sind nach wie vor gering; der hohe Anteil von Hypotheken mit langen Zinsbindungen und der prognostizierte reale Lohnanstieg verringern die mit der Verschuldung der privaten Haushalte verbundenen Risiken auf kurze Sicht.

·Die Bedenken hinsichtlich der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise nehmen zu. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise weitete sich 2021 auf 7,1 % aus. Im Jahresvergleich lag das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 bei 5,9 %. Die Wohnimmobilienpreise werden im Jahr 2021 schätzungsweise um 23,4 % überbewertet sein.

·Der hohe gesamtstaatliche Schuldenstand Belgiens ist mit Risiken verbunden. Der gesamtstaatliche Schuldenstand sank im Jahr 2021 auf 109,2 % des BIP, da das starke Wachstum einen deutlichen Nennereffekt bewirkte. Er liegt jedoch noch etwa 12 Prozentpunkte über dem Niveau von 2019. Der gesamtstaatliche Schuldenstand wird den Projektionen zufolge im Jahr 2022 wieder zurückgehen, aber in den Jahren 2023 und 2024 voraussichtlich wieder ansteigen. Das Staatsdefizit bleibt hoch, obwohl es 2021 auf 5,6 % gesunken ist und im Jahr 2022 voraussichtlich leicht zurückgehen wird, bevor es wieder ansteigt. Die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sind sowohl mittel- als auch langfristig hoch, was auf die langfristigen Projektionen für die Schuldenentwicklung und die steigenden alterungsbedingten Kosten zurückzuführen ist.

Abbildung 3.1.1:    Ausgewählte Abbildungen: Belgien

Quelle: AMECO, Eurostat und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.1.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Belgien

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.2 BULGARIEN

In Bulgarien geben die Kostenwettbewerbsfähigkeit und die Verschuldung der Unternehmen Anlass zur Sorge, obwohl die damit verbundenen Risiken begrenzt zu sein scheinen. Die nominalen Lohnstückkosten sind in den letzten Jahren stark gestiegen und dürften vor dem Hintergrund einer sehr hohen Kerninflation und kräftiger nominaler Lohnzuwächse weiter steigen. Die Verschuldung der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften sinkt, bleibt aber vergleichsweise hoch.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission keine eingehende Überprüfung durchgeführt und keine makroökonomischen Ungleichgewichte für Bulgarien festgestellt. Die Kommission hält es in diesem Jahr nicht für erforderlich, eine weitere eingehende Überprüfung für Bulgarien durchzuführen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 3,1 % im Jahr 2022 und 1,1 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch, auch im Vergleich zu vielen der Handelspartner Bulgariens im Euro-Währungsgebiet. Im Jahresvergleich stieg sie im September auf 15,6 %, wobei die Kerninflation auf 9,4 % geschätzt wird. Die Löhne werden im Einklang mit den Preisen rasch steigen.

Aus dem Scoreboard für Bulgarien geht hervor, dass ein Indikator im Jahr 2021 über seinem indikativen Schwellenwert lag, nämlich das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Bedenken hinsichtlich der außenwirtschaftlichen Tragfähigkeit halten sich in Grenzen. Die Leistungsbilanz wies im Jahr 2021 ein kleines Defizit von 0,5 % des BIP auf, das sich künftig ausweiten dürfte. Der negative Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS), der weitgehend aus ausländischen Direktinvestitionen besteht, verbesserte sich im Jahr 2021 und dürfte bis 2024 nahezu ausgeglichen sein. Der NAVS ausschließlich Instrumenten ohne Ausfallrisiko ist positiv und hoch.

·Der Druck auf die Kostenwettbewerbsfähigkeit, der bereits vor der COVID-19-Pandemie bestand, hält an. Die nominalen Lohnstückkosten sind in den letzten Jahren stark gestiegen und dürften vor dem Hintergrund einer sehr hohen Kerninflation, eines Arbeitskräftemangels und kräftiger nominaler Lohnzuwächse weiter steigen. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat 2021 eine geringfügige Aufwertung erfahren und legte bis August 2022 weiter zu.

·Die Verschuldung von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften ist im regionalen Vergleich nach wie vor hoch und liegt über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert, ist aber auf einem rückläufigen Pfad. Nach einem leichten Anstieg im Jahr 2020 inmitten der COVID-19-Krise sank die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften im Jahr 2021 wieder auf 59,5 %. In der ersten Hälfte des Jahres 2022 ist sie weiter gesunken, allerdings gibt es einige Risiken im Zusammenhang mit dem makroökonomischen Umfeld. Wie in vielen anderen Mitgliedstaaten außerhalb des Euro-Währungsgebiets ist der Anteil der auf Fremdwährung lautenden Unternehmenskredite hoch. Die Verschuldung der Unternehmen wird von hohen Liquiditätspuffern flankiert, wodurch die Risiken gemindert werden, aber notleidende Kredite sind vorhanden. Die Schuldenquote der privaten Haushalte liegt unter dem aufsichtlichen Referenzwert sowie unter dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert, doch durch die Dominanz variabler Zinssätze für Wohnungsbaukredite sind die verschuldeten Haushalte dem Risiko steigender Zinssätze ausgesetzt.

·Es gibt Bedenken im Zusammenhang mit der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise weitete sich 2021 von 4,6 % auf 8,7 % aus. Im Jahresvergleich stieg das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 auf 14,6 %. Die Parameter der Bewertungslücke zeigen jedoch keine Anzeichen einer möglichen Überbewertung.

·Im Bankensektor bleiben die Bedenken vor allem in Bezug auf die Aktiva-Qualität bestehen. Die Quote notleidender Kredite sank weiter auf 4,8 % im Jahr 2021, liegt aber weiterhin deutlich über dem EU-Durchschnitt. Der Anteil der Kredite mit einem signifikant gestiegenen Kreditrisiko (Stufe 2) und der gestundeten Kredite, der nach der Pandemie in die Höhe ging, ist nach wie vor hoch. Das Moratorium für Privatkredite lief erst im Dezember 2021 aus. Die Kernkapitalquote liegt zwar deutlich über dem EU-Durchschnitt, aber die Eigenkapitalrentabilität ist niedrig.

Abbildung 3.2.1:    Ausgewählte Abbildungen: Bulgarien

Quelle: AMECO, Eurostat und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.2.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Bulgarien

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.3 TSCHECHIEN

In Tschechien bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit und der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise, die bereits vor der COVID-19-Pandemie vorhanden waren. In Anbetracht der laufenden Aufwertung des realen effektiven Wechselkurses und der im Vergleich zu anderen Ländern des Euro-Währungsgebiets sehr hohen Kerninflation werden die nominalen Lohnstückkosten weiter steigen. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise gehörte zu den höchsten in der EU, gleichzeitig werden die Wohnimmobilienpreise als überbewertet eingeschätzt.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission keine eingehende Überprüfung durchgeführt und keine makroökonomischen Ungleichgewichte für Tschechien festgestellt. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, neu auftretende Anfälligkeiten und ihre Auswirkungen auf Tschechien eingehend zu überprüfen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 2,5 % im Jahr 2022 und 0,1 % im Jahr 2023 prognostiziert. Im Vergleich zu den Handelspartnern Tschechiens im Euro-Währungsgebiet ist die Inflation derzeit sehr hoch, bei gleichzeitig restriktiver Geldpolitik. Im Jahresvergleich stieg sie im September auf 17,8 %, während der Leitzins auf 7 % angehoben wurde. Die Kerninflation wurde im September auf 13,7 % geschätzt. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Tschechien zeigt, dass zwei Indikatoren im Jahr 2021 über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten und das Wachstum der realen Wohnimmobilienpreise. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Bedenken in Bezug auf die außenwirtschaftliche Tragfähigkeit sind nach wie vor begrenzt. Nach sieben Jahren mit Überschüssen hat sich die Leistungsbilanz im Jahr 2021 in Richtung eines Defizits von 0,8 % des BIP entwickelt, bedingt durch einen geringeren Warenüberschuss bei steigenden Importen und höheren Energiekosten. Das Defizit wird sich den Prognosen zufolge vergrößern, wobei die Daten für das laufende Jahr auf einen weiteren Rückgang der Warenbilanz hindeuten. Der leicht negative Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS) hat sich jedoch weiter verbessert, dürfte sich aber in Zukunft leicht verschlechtern. Der NAVS ausschließlich Instrumenten ohne Ausfallrisiko ist positiv und beträchtlich.

·Die Bedenken in Bezug auf die Kostenwettbewerbsfähigkeit, die bereits vor der COVID-19-Pandemie bestanden, bestehen weiter. Die nominalen Lohnstückkosten sind in den letzten Jahren vor dem Hintergrund eines angespannten Arbeitsmarktes stark gestiegen. Nach einer temporären Verlangsamung im Jahr 2021 wird das Wachstum der Lohnstückkosten in den Jahren 2022 und 2023 voraussichtlich wieder anziehen. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat 2021 eine Aufwertung erfahren, und auch für 2022 ist eine Aufwertung im Gange. Sowohl das Inflationsgefälle als auch die Aufwertung des nominalen effektiven Wechselkurses gegenüber dem Euro-Währungsgebiet trugen zu diesem Anstieg bei.

·Das sehr hohe Wachstum der Wohnimmobilienpreise bereitet stets Sorgen. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise stieg von 8,5 % im Jahr 2020 auf 19,7 % im Jahr 2021 und wuchs damit im Vergleich zu anderen EU-Ländern mit am schnellsten. Im Jahresvergleich stieg das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 auf 23,1 %. Die Wohnimmobilienpreise werden im Jahr 2021 schätzungsweise um 25 % überbewertet sein. Auch die Wohnimmobilienkredite nahmen im Jahr 2021 deutlich zu, einschließlich neuer Darlehen in Erwartung einer Verschärfung der Geldpolitik. Dieser Trend wurde 2020 umgekehrt, nachdem strenge makroprudenzielle Maßnahmen eingeführt wurden und die Hypothekenzinsen deutlich anstiegen. Die Schuldenquote der privaten Haushalte blieb im Großen und Ganzen stabil und liegt weiterhin unter den Referenzwerten.

·Die Risiken im Zusammenhang mit dem gesamtstaatlichen Schuldenstand sind nach wie vor relativ gering. Die gesamtstaatliche Schuldenquote ist immer noch relativ niedrig, obwohl sie bis 2021 auf 42 % gestiegen ist und den Prognosen zufolge weiter leicht steigen wird. Das gesamtstaatliche Defizit sank 2021 auf 5,1 % und wird sich den Prognosen zufolge auch in Zukunft weiter verbessern. Ferner bestehen aufgrund der alternden Bevölkerung hohe Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.

·Der Bankensektor ist stabil und resilient. Die Banken verfügen über eine gute Kapitalausstattung und weisen eine hohe Rentabilität auf. Der Anteil der notleidenden Kredite ist gering. Ein deutlicher Anstieg der Kreditzinsen könnte das relativ hohe Kreditvolumen senken und zu einer gewissen Korrektur der Wohnimmobilienpreise beitragen.

Abbildung 3.3.1:    Ausgewählte Abbildungen: Tschechien

Quelle: Eurostat und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.3.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Tschechien

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.4 DÄNEMARK

In Dänemark sind das Wachstum der Wohnimmobilienpreise und die private Verschuldung hoch, obwohl die damit verbundenen Risiken begrenzt zu sein scheinen. Der Leistungsbilanzüberschuss ist beträchtlich. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise gehörte zu den höchsten in der EU, und das bei einer geschätzten moderaten Überbewertung der Wohnimmobilienpreise. Die Schuldenquote der privaten Haushalte und der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften sind hoch und liegen sowohl über dem aufsichtlichen Referenzwert als auch über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert, gehen aber zurück.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission keine eingehende Überprüfung durchgeführt und keine makroökonomischen Ungleichgewichte für Dänemark festgestellt. Die Kommission hält es in diesem Jahr nicht für erforderlich, eine weitere eingehende Überprüfung für Dänemark durchzuführen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 3,0 % im Jahr 2022 und 0 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch, bei gleichzeitig deutlicher Verschärfung der Geldpolitik. Im Jahresvergleich stieg die Inflation im Oktober auf 11,1 %, wobei die Kerninflation auf 5,2 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Dänemark zeigt, dass im Jahr 2021 drei Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich der Leistungsbilanzsaldo, das Wachstum der realen Wohnimmobilienpreise und der Schuldenstand des privaten Sektors. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die außenwirtschaftlichen Herausforderungen betreffen den sehr hohen Leistungsbilanzüberschuss, der 2021 auf 9 % des BIP anstieg. Der Überschuss wird den Prognosen zufolge im Jahr 2022 zurückgehen, aber immer noch deutlich über dem oberen Schwellenwert des MIP liegen, da die Dienstleistungsbilanzen wachsen. Die kumulierten Überschüsse haben zu einem hohen Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS) geführt, der im Jahr 2021 77 % des BIP erreicht hat, auch wenn er den Prognosen zufolge in Zukunft abnehmen wird. Der hohe NAVS erzeugt ein positives Nettoprimäreinkommen, das den hohen Leistungsbilanzüberschuss verstärkt.

·Die Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit halten sich in Grenzen. Die nominalen Lohnstückkosten sind im Jahr 2021 leicht gestiegen und werden voraussichtlich in den Jahren 2022 und 2023 noch stärker zulegen. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat 2021 eine geringfügige Abwertung erfahren. Im Jahresvergleich hat er bis August 2022 weiter an Wert verloren.

·Die Verschuldung der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften ist hoch und stieg bis 2021 moderat auf 110,4 % des BIP. Sie liegt weiterhin über dem aufsichtlichen Referenzwert sowie über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert. Die Kreditflüsse an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften in Prozent des BIP sind hoch, aber im zweiten Quartal 2022 zurückgegangen.

·Die Schuldenquote der privaten Haushalte ist nach wie vor die höchste in der EU und liegt sowohl über dem aufsichtlichen Referenzwert als auch über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert. Im Jahr 2021 ist sie jedoch gesunken und war auch in der ersten Hälfte des Jahres 2022 rückläufig, da die Nettokreditflüsse moderat bleiben. Es wird erwartet, dass das nominale BIP den Schuldenabbau im Jahr 2022 noch unterstützt. Die notleidenden Schuldtitel der Haushalte sind nach wie vor gering. Ungefähr die Hälfte der Hypotheken ist variabel verzinst oder hat eine Zinsbindung von bis zu fünf Jahren.

·Das sehr hohe Wachstum der Wohnimmobilienpreise bereitet stets Sorgen. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise erhöhte sich von 5,1 % auf 11,7 % im Jahr 2021 mit das schnellste im Vergleich zu anderen EU-Ländern. Im Jahresvergleich verlangsamte sich das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 auf 2,8 %. Die Wohnimmobilienpreise werden im Jahr 2021 schätzungsweise um 20 % überbewertet sein.

Abbildung 3.4.1:    Ausgewählte Abbildungen: Dänemark

Quelle: Eurostat, EZB und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.4.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Dänemark

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.5 DEUTSCHLAND

Der hohe Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands ist in letzter Zeit erheblich zurückgegangen, was auf die Verschlechterung des realen Austauschverhältnisses der Ex- und Importe infolge des negativen externen Schocks zurückzuführen ist. Bis Anfang 2022 war das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise eines der höchsten in der EU; gleichzeitig werden die Wohnimmobilienpreise als überbewertet eingeschätzt. Die Kerninflation und die Lohnsteigerungen in Deutschland könnten den Abbau von Ungleichgewichten im Euro-Währungsgebiet erleichtern.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission eine eingehende Überprüfung durchgeführt und kam zu dem Schluss, dass in Deutschland makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, das Fortbestehen von Ungleichgewichten oder deren Abbau im Rahmen einer eingehenden Überprüfung Deutschlands zu untersuchen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 1,6 % im Jahr 2022 und -0,6 % im Jahr 2023 prognostiziert. Mit 11,6 % im Jahresvergleich war die Inflation im Oktober hoch und stieg weiter an, wenn auch niedriger als in den meisten Ländern des Euro-Währungsgebiets, wobei die Kerninflation auf 5,1 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Deutschland zeigt, dass im Jahr 2021 drei Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich die Leistungsbilanz, das Wachstum der realen Wohnimmobilienpreise und der gesamtstaatliche Schuldenstand. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Der Leistungsbilanzüberschuss stieg im Jahr 2021 leicht auf 7,4 % des BIP, was auf die gedämpften privaten und öffentlichen Investitionen trotz günstiger Finanzierungsbedingungen zurückzuführen ist. Im Jahr 2022 dürfte der Leistungsbilanzüberschuss zum ersten Mal seit 2010 auf deutlich unter 6 % des BIP sinken. Dieser Rückgang spiegelt die steigenden Energiepreise und die damit verbundene Verschlechterung des realen Austauschverhältnisses der Ex- und Importe, die relativ robuste Inlandsnachfrage und das Wachstum der Lagerbestände wider. Für 2023 wird ein erneuter Anstieg des Überschusses prognostiziert, der jedoch deutlich unter 6 % des BIP bleibt.

·Die Entwicklung der Kostenwettbewerbsfähigkeit kann den Abbau von Ungleichgewichten im Euro-Währungsgebiet begünstigen. Das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten ist trotz der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt verhalten geblieben, wird sich aber voraussichtlich in den Jahren 2022 und 2023 verstärken. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs fiel im Jahr 2022.

·Das Wachstum der Wohnimmobilienpreise gibt nach wie vor Anlass zu Bedenken. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise erhöhte sich von 7,8 % auf 11,5 % im Jahr 2021 und wuchs damit im Vergleich zu anderen EU-Ländern mit am schnellsten. Die nominalen Wohnimmobilienpreise zogen weiter an und erreichten im Jahr 2022 bei einem weitgehend unveränderten Preis-Einkommen-Verhältnis gegenüber dem Vorjahr einen Wert von 10,2 %. Die Wohnimmobilienpreise werden im Jahr 2021 schätzungsweise um 21 % überbewertet sein.

·Die Risiken im Zusammenhang mit dem gesamtstaatlichen Schuldenstand sind nach wie vor begrenzt. Die gesamtstaatliche Schuldenquote hat den indikativen Schwellenwert des Scoreboards von 60 % des BIP überschritten und steigt bis 2021 auf 68,6 %. Es wird prognostiziert, dass sie in Zukunft sinken wird, wobei die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen als moderat eingestuft werden. Das Haushaltsdefizit sank auf 3,7 % des BIP im Jahr 2021, womit das Defizit unter dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets liegt. Den Prognosen zufolge wird es 2022 weiter sinken, aber 2023 wieder ansteigen.

Abbildung 3.5.1:    Ausgewählte Diagramme: Deutschland

Quelle: Eurostat und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.5.1:    Wirtschaftliche und finanzielle Schlüsselindikatoren – Deutschland

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.6 ESTLAND

In Estland nehmen die Bedenken bezüglich der Kostenwettbewerbsfähigkeit zu. Das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten wird zunehmen, und die Kerninflation ist im Vergleich zu den anderen Ländern des Euro-Währungsgebiets hoch. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise gehört zu den höchsten in der EU, und das bei einer geschätzten moderaten Überbewertung der Wohnimmobilienpreise.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission keine eingehende Überprüfung durchgeführt und keine makroökonomischen Ungleichgewichte für Estland festgestellt. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, neu auftretende Anfälligkeiten und ihre Auswirkungen auf Estland eingehend zu überprüfen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf -0,1 % im Jahr 2022 und 0,7 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch, auch im Vergleich der Handelspartner Estlands im Euro-Währungsgebiet. Im Jahresvergleich sank sie im Oktober auf 22,4 %, wobei die Kerninflation auf 12,5 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Estland zeigt, dass im Jahr 2021 fünf Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten, das Wachstum der realen Wohnimmobilienpreise, das Wachstum der Verbindlichkeiten des Finanzsektors, die Veränderung der Erwerbsquote und die Veränderung der Jugendarbeitslosenquote. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Bedenken in Bezug auf die außenwirtschaftliche Tragfähigkeit halten sich in Grenzen. Die Leistungsbilanz wies 2021 ein Defizit von 1,8 % des BIP auf. Für 2022 wird ein leichter Überschuss prognostiziert, der sich in Zukunft weiter verbessern wird. Das gesamtstaatliche Defizit ist 2021 auf 2,4 % des BIP gesunken und wird den Prognosen zufolge im Jahr 2022 weitgehend unverändert bleiben, aber 2023 wieder wachsen. Der Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS) ist negativ, hat sich aber im Jahr 2021 leicht verbessert. Nach einer vorübergehenden Verschlechterung im Jahr 2022 wird für das Jahr 2023 wieder eine Verbesserung prognostiziert. Da der kumulierte Bestand an ausländischen Direktinvestitionen den größten Teil der Verbindlichkeiten ausmacht, ist der NAVS ausschließlich Instrumenten ohne Ausfallrisiko positiv und hoch.

·Die Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit nehmen zu. Die nominalen Lohnstückkosten stiegen 2021 leicht an und werden den Prognosen zufolge in den Jahren 2022 und 2023 stark ansteigen, da die hohen nominalen Lohnerhöhungen in Estland nicht mit der Produktivität Schritt halten. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat 2021 eine Aufwertung erfahren, und für 2022 ist eine starke Aufwertung im Gange.

·Das hohe Wachstum der Wohnimmobilienpreise gibt weiter Anlass zur Sorge. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise beschleunigte sich von 6 % im Jahr 2020 auf 15,1 % im Jahr 2021 – eine der höchsten Wachstumsraten in der EU in den letzten Quartalen – und erreichte 27,4 % im zweiten Quartal 2022. Das Preis-Einkommen-Verhältnis – eines der höchsten in der EU – wirft Bedenken hinsichtlich der Bezahlbarkeit auf. Die Wohnimmobilienpreise werden im Jahr 2021 schätzungsweise um 7 % überbewertet sein.

·Die Schuldenquote der privaten Haushalte liegt nahe an dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert und unterhalb des aufsichtlichen Schwellenwerts. Die Nettokreditflüsse an private Haushalte sind bis 2021 mit rund 2 % des BIP moderat. Während die Nettokreditflüsse im Jahr 2022 auf fast 4 % des BIP gestiegen sind, ist die Schuldenquote in der ersten Hälfte des Jahres 2022 weiter gesunken.

·Die Arbeitslosenquote sank im Jahr 2021 auf 6,2 % und wird den Prognosen zufolge im Jahr 2022 leicht zurückgehen, aber im Jahr 2023 wieder ansteigen. Die Erwerbsquote ging 2021 zurück, nach wie vor bedingt durch die Beschränkungen aufgrund der Pandemie; in Zukunft dürfte sie wieder anziehen. Die Jugendarbeitslosenquote ist nach wie vor hoch, wenngleich sie zurückgegangen ist.

Abbildung 3.6.1:    Ausgewählte Abbildungen: Estland

Quelle: Eurostat, Bilanz des Sektors der monetären Finanzinstitute der EZB und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.6.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Estland

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.7 IRLAND

In Irland sind die Auslandsschulden, die Schuldenquoten der privaten Haushalte und der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften und die gesamtstaatliche Schuldenquote hoch, gehen aber weiter deutlich zurück. Infolgedessen sind die damit verbundenen Bedenken eher gering. Die Schuldenquoten in Irland werden durch die Präsenz multinationaler Unternehmen beeinflusst. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise nimmt zu und die Bezahlbarkeit von Wohnraum gibt Anlass zur Sorge.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission eine eingehende Überprüfung durchgeführt und kam zu dem Schluss, dass in Irland keine makroökonomischen Ungleichgewichte mehr bestehen. Die Kommission hält es in diesem Jahr nicht für erforderlich, eine weitere eingehende Überprüfung für Irland durchzuführen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 7,9 % im Jahr 2022 und 3,2 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch. Im Jahresvergleich stieg sie im Oktober auf 9,6 %, wobei die Kerninflation auf 5,1 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Irland zeigt, dass im Jahr 2021 vier Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich die Leistungsbilanz, der Nettoauslandsvermögensstatus, der Schuldenstand des privaten Sektors und das Wachstum der Verbindlichkeiten des Finanzsektors. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Bedenken in Bezug auf die außenwirtschaftliche Tragfähigkeit ließen in den letzten Jahren deutlich nach. Der Außenhandelssektor wird durch die Aktivitäten der multinationalen Unternehmen stark aufgebläht. Die Leistungsbilanz wies im Jahr 2021 einen starken Überschuss von 14,2 % des BIP auf, und im Jahr 2022 wird mit einem weiteren Anstieg gerechnet. Der um die Auswirkungen der multinationalen Unternehmen bereinigte Leistungsbilanzüberschuss blieb auch im Jahr 2021 hoch. Der Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS) verbesserte sich im Jahr 2021 auf -145,5 % des BIP. Für die nächsten zwei Jahre wird eine weitere Verbesserung des NAVS erwartet.

·Die Verschuldung der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften ist hoch, aber rückläufig. Sie ging moderat zurück, nämlich auf 138 % des BIP bzw. 252 % des modifizierten Bruttonationaleinkommens (BNE) im Jahr 2021. In der ersten Hälfte des Jahres 2022 sank die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, allerdings bestehen Risikofaktoren im Zusammenhang mit dem makroökonomischen Umfeld. Sie bleibt sowohl über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Schwellenwert als auch über dem aufsichtlichen Schwellenwert, obwohl der hohe Anteil der grenzüberschreitenden konzerninternen Kreditvergabe an der Unternehmensverschuldung die Risiken verringert. Der Anteil der auf Fremdwährung lautenden, den Unternehmen gewährten Darlehen (12 %) ist einer der höchsten im Euro-Währungsgebiet, hängt aber mit der Präsenz der multinationalen Unternehmen zusammen. Die Schuldenquote der privaten Haushalte ist relativ niedrig und tendenziell rückläufig. Sie liegt zwar unter den Referenzwerten, doch das irische BIP wird durch die Tätigkeiten der multinationalen Unternehmen überbewertet. Gemessen am Bruttoinlandseinkommen der privaten Haushalte ist die Verschuldung deutlich zurückgegangen, liegt aber immer noch bei fast 100 %. Der Anteil der variabel verzinsten Hypothekendarlehen ist mit 20 % im Jahr 2021 relativ gering.

·Die Bedenken hinsichtlich der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise nehmen zu. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise weitete sich 2021 von 0,3 % auf 8,3 % aus. Im Jahresvergleich lag das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 bei 14,4 %. Das Preis-Einkommen-Verhältnis – eines der höchsten in der EU – wirft Bedenken hinsichtlich der Bezahlbarkeit auf. Die Parameter der Bewertungslücke der Kommissionsdienststellen zeigen keine Anzeichen einer möglichen Überbewertung. 

·Der Bankensektor ist insgesamt stabil. Die Banken verfügen über eine gute Kapitalausstattung und die Rentabilität ist 2021 gestiegen, wenngleich sie im europäischen Vergleich weiterhin niedrig war. Die Zahl der notleidenden Kredite ging weiter zurück, obwohl das Engagement in Krediten mit einem signifikant gestiegenen Kreditrisiko (Stufe 2), insbesondere an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften, weiterhin relativ hoch ist. Der irische Nicht-Banken-Sektors ist sehr groß, aber nur geringfügig mit der Binnenwirtschaft verflochten.

·Die Risiken im Zusammenhang mit der gesamtstaatlichen Schuldenquote sind eher gering. Sie sank auf 55,4 % im Jahr 2021 und wird den Prognosen zufolge im Jahr 2022 weiter stark fallen. Dagegen bleibt der gesamtstaatliche Schuldenstand im Verhältnis zum BNE hoch, nämlich bei etwa 100 %. Der Haushaltssaldo wird sich den Prognosen zufolge im Jahr 2022 zu einem leichten Überschuss hin bewegen. Es wird erwartet, dass er sich weiter verbessert. Die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sind moderat.

Abbildung 3.7.1:    Ausgewählte Abbildungen: Irland

Quelle: Eurostat, Bilanz des Sektors der monetären Finanzinstitute der EZB und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.7.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Irland

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.8 GRIECHENLAND

In Griechenland sind die Schuldenquote und die Auslandsverschuldung nach wie vor bedenklich, obwohl sie nach der COVID-19-Krise wieder gesunken sind. Das Leistungsbilanzdefizit ist weiter angestiegen und wird voraussichtlich hoch bleiben. Die Bedenken hinsichtlich des Bankensektors, der durch einen hohen, wenn auch deutlich reduzierten Bestand an notleidenden Krediten belastet ist, bleiben bestehen. Die Schwachstellen des Arbeitsmarktes bestehen trotz bemerkenswerter Verbesserungen fort.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission eine eingehende Überprüfung durchgeführt und kam zu dem Schluss, dass in Griechenland übermäßige makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, das Fortbestehen von übermäßigen Ungleichgewichten oder deren Abbau im Rahmen einer eingehenden Überprüfung Griechenlands zu untersuchen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 6 % im Jahr 2022 und 1 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch. Im Jahresvergleich sank sie im Oktober auf 9,8 %, wobei die Kerninflation auf 6,9 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Griechenland zeigt, dass im Jahr 2021 sechs Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich die Leistungsbilanz, der Nettoauslandsvermögensstatus, das Wachstum der realen Wohnimmobilienpreise, der gesamtstaatliche Schuldenstand, die Veränderung der Arbeitslosenquote und die Veränderung der Erwerbsquote. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die außenwirtschaftliche Tragfähigkeit gibt weiterhin Anlass zur Sorge. Das Leistungsbilanzdefizit stieg im Jahr 2021 auf 6,8 % des BIP. Es wird erwartet, dass die starke Tourismussaison die Dienstleistungsbilanz verbessern und die Verschlechterung der Warenhandelsbilanz, einschließlich Energie, teilweise, aber nicht vollständig ausgleichen wird. Das Leistungsbilanzdefizit dürfte im Jahr 2022 steigen und nach wie vor deutlich über dem Niveau von vor der Pandemie liegen. Der NAVS verbleibt mit -171,9 % des BIP im Jahr 2021 auf einem hohen negativen Niveau, ist damit jedoch etwas geringer als im Jahr 2020. Er dürfte sich in Zukunft weiter verbessern. Die NAVS-Verbindlichkeiten sind zu einem großen Teil Staatsschulden mit günstigen Bedingungen und langen Laufzeiten.

·Die Schuldenquoten der privaten Haushalte und der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften geben weiterhin Anlass zur Sorge. Beide liegen über dem aufsichtlichen Referenzwert sowie über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert, sind aber rückläufig. Die Schuldenquoten der privaten Haushalte und der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften sind in der ersten Hälfte des Jahres 2022 gesunken. Mehr als die Hälfte der Hypotheken sind variabel verzinst.

·Der gesamtstaatliche Schuldenstand ist sehr hoch. Die gesamtstaatliche Schuldenquote ist eine der höchsten in der EU, obwohl sie 2021 um 12 Prozentpunkte auf 194,5 % des BIP gesunken ist und den Prognosen zufolge im Jahr 2022 weiter sinken wird, und zwar unter das Niveau von 2019. Für 2023 wird ein weiterer Rückgang erwartet. Das gesamtstaatliche Defizit bleibt hoch, obwohl es 2021 auf 7,5 % gesunken ist und voraussichtlich weiter zurückgehen wird. Da die Kredite Griechenlands überwiegend von offiziellen Kreditgebern gewährt wurden, sorgen die günstigen Zinssätze dieser Kredite dafür, dass sich die Zinsausgaben kurz- und mittelfristig in Grenzen halten. Zudem weist Griechenland nach wie vor einen beträchtlichen Liquiditätspuffer auf, wodurch ein effizientes Liquiditätsmanagement ermöglicht und die Anschlussrisiken verringert werden. Die Spannen der Staatsanleihen sind gestiegen, haben sich aber inzwischen auf einem Niveau stabilisiert, das über dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets liegt. Die kurz- und mittelfristigen Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sind hoch, aber langfristig sind sie moderat.

·Die Sorgen um den Bankensektor bleiben bestehen. Er wird weiterhin durch einen hohen, wenn auch deutlich reduzierten Bestand an notleidenden Krediten belastet. Die damit verbundenen Risiken betreffen die Wirtschaft, da ein Teil der notleidenden privaten Altschulden in den Bilanzen von Finanzinstituten außerhalb des Bankensektors liegt. Im vergangenen Jahr war die Nettoschaffung von neuen notleidenden Krediten begrenzt, aber der Anteil der Kredite mit einem signifikant gestiegenen Kreditrisiko (Stufe 2) und der gestundeten Kredite liegt über dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets. Die Rentabilität ist im Jahr 2021 tief ins Minus gerutscht und die harte Kernkapitalquote ist nach wie vor eine der niedrigsten in der EU. Das Wachstum der Wohnimmobilienpreise ist weiterhin hoch, doch zu Beginn des Jahres 2022 moderat.

·Die Schwachstellen des Arbeitsmarktes geben trotz bemerkenswerter Verbesserungen weiterhin Anlass zur Sorge. Die Arbeitslosenquote ist zwar deutlich gesunken, gehört aber mit 14,7 % im Jahr 2021 weiterhin zu den höchsten in der EU. Es wird erwartet, dass sie 2022 weiter sinkt und 2023 weitgehend unverändert bleibt. Die Erwerbsquote ist relativ niedrig, obwohl sie im Jahr 2021 gestiegen ist. Die Jugend- und Langzeitarbeitslosenquoten gingen zurück, gehören aber in der EU nach wie vor zu den höchsten.

Abbildung 3.8.1:    Ausgewählte Abbildungen: Griechenland

Quelle: Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.8.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Griechenland

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.9 SPANIEN

In Spanien bestehen nach wie vor Bedenken hinsichtlich der Schuldenquoten der privaten Haushalte und der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, der gesamtstaatlichen Schuldenquote und der Auslandsverschuldung, wenngleich sie nach der COVID-19-Krise wieder abnahmen. Außerdem sind die Auslandsverschuldung und die Schuldenquote der privaten Haushalte vor dem Hintergrund eines starken nominalen BIP-Wachstums kräftig gesunken. Die gesamtstaatliche Schuldenquote ist sehr hoch, und das Haushaltsdefizit ist trotz einer leichten Verbesserung beträchtlich. Die Arbeitslosenquote ist zwar immer noch hoch, liegt aber bereits unter dem Vorkrisenniveau und wird voraussichtlich auch im nächsten Jahr stabil bleiben.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission eine eingehende Überprüfung durchgeführt und kam zu dem Schluss, dass in Spanien makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, das Fortbestehen von Ungleichgewichten oder deren Abbau im Rahmen einer eingehenden Überprüfung Spaniens zu untersuchen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 4,5 % im Jahr 2022 und 1 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch. Im Jahresvergleich sank sie im Oktober auf 7,3 %, wobei die Kerninflation auf 4,8 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Spanien zeigt, dass im Jahr 2021 sechs Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich der Nettoauslandsvermögensstatus, der Exportmarktanteil, das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten, der Schuldenstand des privaten Sektors, der gesamtstaatliche Schuldenstand und die Änderung der Arbeitslosenquote. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Trotz einiger Verbesserungen bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich der außenwirtschaftlichen Tragfähigkeit. Der negative Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS) verbesserte sich 2021 deutlich auf -71,5 % des BIP, was vor allem auf starke positive Bewertungseffekte und ein hohes nominales BIP-Wachstum zurückzuführen ist. Der NAVS wird sich weiter verbessern, wenn auch mit geringerem Tempo. Die Verbesserung war hauptsächlich auf den NAVS ausschließlich Instrumenten ohne Ausfallrisiko zurückzuführen, der von -52,1 % auf -39,7 % des BIP zurückging. Die Leistungsbilanz weist mit 1,2 % des BIP im Jahr 2021 weiterhin einen kleinen Überschuss auf, wird aber voraussichtlich leicht zurückgehen. Es wird erwartet, dass die starke Tourismussaison die Dienstleistungsbilanz verbessern und die Verschlechterung der Warenhandelsbilanz, einschließlich Energie, im Jahr 2022 teilweise ausgleichen wird.

·Einige Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit bleiben begrenzt. Die nominalen Lohnstückkosten sind 2021 leicht gestiegen und werden voraussichtlich mit dem Anstieg der Kerninflation weiter steigen. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat 2021 eine geringfügige Aufwertung erfahren. Im Jahresvergleich hat er jedoch bis August 2022 an Wert verloren.

·Die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften gibt weiterhin Anlass zur Sorge, obwohl sie rückläufig ist. Sie ging im Jahr 2021 moderat auf 80 % zurück und ist in der ersten Hälfte des Jahres 2022 weiter gesunken, allerdings gibt es einige Risikofaktoren im Zusammenhang mit dem makroökonomischen Umfeld. Sie liegt weiterhin über dem aufsichtlichen Referenzwert sowie über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert und übersteigt ihren Wert von 2019 nach wie vor um 8 Prozentpunkte. Die Schuldenquote der privaten Haushalte liegt immer noch über, aber nahe an dem aufsichtlichen Referenzwert sowie dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert und ist wieder auf einem rückläufigen Pfad.

·Die Bedenken in Bezug auf den gesamtstaatlichen Schuldenstand sind weiterhin groß. Im Jahr 2021 ging er leicht zurück und erreichte 118,3 % des BIP. Für die Jahre 2022 und 2023 wird ein weiterer Rückgang prognostiziert. Das gesamtstaatliche Defizit blieb hoch, obwohl es 2021 auf 6,9 % zurückging. Für die Jahre 2022 und 2023 wird ein weiterer Rückgang prognostiziert. Die Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sind mittelfristig hoch und langfristig moderat, was zum Teil auch auf die Kosten im Zusammenhang mit der alternden Bevölkerung zurückzuführen ist.

·Der geschwächte Arbeitsmarkt gibt trotz deutlicher Verbesserungen weiterhin Anlass zur Sorge. Die Arbeitslosenquote ist im letzten Jahrzehnt deutlich zurückgegangen, gehört aber mit 14,8 % im Jahr 2021 immer noch zu den höchsten in der EU, insbesondere bei den Jugendlichen und Langzeitarbeitslosen. Es wird erwartet, dass sie im Jahr 2022 sinkt, danach aber weitgehend unverändert bleibt. Die Jugend- und Langzeitarbeitslosenquoten gehören trotz des jüngsten starken Rückgangs weiterhin zu den höchsten in der EU. Die Resilienz des Arbeitsmarktes wird durch die im Rahmen des nationalen Aufbau- und Resilienzplans durchgeführten Reformen gestärkt, wodurch der Arbeitsmarkt vor dem Hintergrund der sich verschlechternden wirtschaftlichen Aussichten unterstützt wird.

Abbildung 3.9.1:    Ausgewählte Diagramme: Spanien

Quelle: Eurostat und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.9.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Spanien

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.10 FRANKREICH

In Frankreich herrschen nach wie vor Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit und der hohen gesamtstaatlichen Schuldenquote. Darüber hinaus ist angesichts der hohen Verschuldung der privaten Haushalte eine aufmerksame Überwachung angezeigt. Die Kerninflation ist niedriger als in vielen anderen Ländern des Euro-Währungsgebiets. Nichtsdestotrotz müssen die Sorgen hinsichtlich der außenwirtschaftlichen Tragfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit weiterhin genau im Blick behalten werden. Die gesamtstaatliche Schuldenquote und das gesamtstaatliche Defizit sind zwar rückläufig, aber immer noch hoch. Die Verschuldung der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften ist nach einem starken Anstieg während der Pandemie nunmehr rückläufig. 

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission eine eingehende Überprüfung durchgeführt und kam zu dem Schluss, dass in Frankreich makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, das Fortbestehen von Ungleichgewichten oder deren Abbau im Rahmen einer eingehenden Überprüfung Frankreichs zu untersuchen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 2,6 % im Jahr 2022 und 0,4 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch, wenn auch niedriger als in den meisten Ländern des Euro-Währungsgebiets. Im Jahresvergleich stieg sie im Oktober auf 7,1 %, wobei die Kerninflation auf 4,1 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Aus dem Scoreboard für Frankreich geht hervor, dass im Jahr 2021 drei Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, die Veränderung des Exportmarktanteils, der Schuldenstand des privaten Sektors und der gesamtstaatliche Schuldenstand. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Bedenken hinsichtlich der außenwirtschaftlichen Tragfähigkeit rechtfertigen eine aufmerksame Beobachtung. Die Leistungsbilanz wies im Jahr 2021 einen leichten Überschuss von 0,4 % des BIP auf und erreichte damit wieder das Niveau von vor der Pandemie. Für 2022 und 2023 wird ein Defizit prognostiziert. Der NAVS verschlechterte sich 2021 weiter auf -32,1 % des BIP, was auf eine negative Leistungsbilanz und Bewertungseffekte zurückzuführen ist. Es wird erwartet, dass er sich in Zukunft verbessern wird.

·Die Bedenken in Bezug auf die Kostenwettbewerbsfähigkeit, die bereits vor der COVID-19-Pandemie bestanden, sind nach wie vor aktuell. Die nominalen Lohnstückkosten stiegen 2021 leicht an und werden den Prognosen zufolge bei einer niedrigeren Kerninflation als in den meisten anderen Ländern des Euro-Währungsgebiets in Zukunft stärker steigen. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat 2021 eine geringfügige Abwertung erfahren. Im Jahresvergleich hat er bis August 2022 weiter an Wert verloren.

·Trotz des Rückgangs auf 101 % im Jahr 2021 bleibt die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften hoch. Die Verschuldung der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften ist in der ersten Hälfte des Jahres 2022 weiter gesunken. Sie liegt weiterhin über dem aufsichtlichen Referenzwert sowie über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert und übersteigt ihren Wert von 2019 nach wie vor um 10 Prozentpunkte. Die Verschuldung der Unternehmen wird durch hohe und wachsende Liquiditätspuffer der Unternehmen flankiert, wodurch die Risiken gemindert werden.

·Die Sorgen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise nehmen zu. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise weitete sich 2021 von 5,2 % auf 6,3 % aus. Im Jahresvergleich stieg das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 auf 7,1 %. Die Wohnimmobilienpreise werden im Jahr 2021 schätzungsweise um 20 % überbewertet sein. Die Schuldenquote der privaten Haushalte liegt sowohl über dem aufsichtlichen Referenzwert als auch über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert, und die Kreditflüsse an private Haushalte sind hoch. Die Risiken werden jedoch durch den hohen Anteil an festverzinslichen Krediten, vorsichtige Kreditvergaberichtlinien und makroprudenzielle Maßnahmen gemildert.

·Die Bedenken im Zusammenhang mit dem gesamtstaatlichen Schuldenstand sind groß. Die bereits hohe gesamtstaatliche Schuldenquote, die den Scoreboard-Schwellenwert überschreitet, ging 2021 leicht auf 112,8 % des BIP zurück und wird den Vorausschätzungen zufolge über den Prognosehorizont hinweg weitgehend über dem Niveau von 2019 stabil bleiben. Das gesamtstaatliche Defizit bleibt hoch, obwohl es 2021 auf 6,5 % gesunken ist. Im Jahr 2022 wird es voraussichtlich weiter zurückgehen. Die Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sind auf mittlere Sicht hoch und auf lange Sicht moderat.

Abbildung 3.10.1:    Ausgewählte Abbildungen: Frankreich

Beim Szenario „Negative Zinswachstumsrate“ wird ein ungünstigerer Schneeballeffekt als im Ausgangsszenario angenommen (d. h. die Differenz zwischen den Marktzinssätzen und dem nominalen BIP-Wachstum ist dauerhaft 1 Prozentpunkt höher). Im Szenario „Finanzstress“ sieht sich das Land 2023 vorübergehend (ein Jahr lang) mit höheren Marktzinsen konfrontiert (d. h. es wird angenommen, dass die Marktzinssätze im Jahr 2023 vorübergehend um 1 Prozentpunkt steigen).

Quelle: Eurostat und Kommissionsdienststellen.

   

Tabelle 3.10.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Frankreich

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.11 KROATIEN

In Kroatien sinken die gesamtstaatliche Schuldenquote, die Schuldenquote der privaten Haushalte und die Auslandsverschuldung weiter, und die damit verbundenen Risiken scheinen begrenzt zu sein. Die gesamtstaatliche Schuldenquote ist nach wie vor hoch, aber das Haushaltsdefizit geht zurück. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise beschleunigt sich, aber die Parameter der Bewertungslücke zeigen keine Anzeichen einer möglichen Überbewertung der Wohnimmobilienpreise.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission eine eingehende Überprüfung durchgeführt und kam zu dem Schluss, dass in Kroatien keine makroökonomischen Ungleichgewichte mehr bestehen. Die Kommission hält es in diesem Jahr nicht für erforderlich, eine weitere eingehende Überprüfung für Kroatien durchzuführen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 6 % im Jahr 2022 und 1 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch und wird auch in den Jahren 2022 und 2023 über dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets liegen. Im Jahresvergleich lag sie im September weiterhin bei 12,6 %, die Kerninflation bei 9,8 %. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Kroatien zeigt, dass im Jahr 2021 zwei Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich der Nettoauslandsvermögensstatus und der gesamtstaatliche Schuldenstand. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Bedenken in Bezug auf die außenwirtschaftliche Tragfähigkeit haben stark nachgelassen. Die Leistungsbilanz wuchs bis 2021 auf einen Überschuss von 3,1 % des BIP an. Der geringfügig negative Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS), der 2021 bei -35,1 % des BIP lag, wird sich 2022 voraussichtlich weiter verbessern. Der Nettoauslandsvermögensstatus ausschließlich Instrumenten ohne Ausfallrisiko wurde positiv und erreichte im Jahr 2021 12 % des BIP.

·Die Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit scheinen begrenzt. Die hohe Inflation stellt ein Risiko dar, dennoch gibt es keine Lohnindexierung. Die nominalen Lohnstückkosten sind im Jahr 2021 gesunken, werden aber in den Jahren 2022 und 2023 voraussichtlich stark zulegen. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat 2021 eine geringfügige Aufwertung erfahren. Im Jahresvergleich ist bis August 2022 eine leichte Abwertung zu beobachten.

·Die Schuldenquote der privaten Haushalte liegt über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert, aber deutlich unter dem aufsichtlichen Referenzmarkt. Die Nettokreditflüsse an private Haushalte waren in den Jahren 2021 und 2022 moderat. Die Schuldenquote der privaten Haushalte ist in der ersten Hälfte des Jahres 2022 weiter gesunken. Der Anteil der variabel verzinsten Wohnungsbaukredite ist relativ gering.

·Die Bedenken hinsichtlich der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise nehmen zu. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise verlangsamte sich im Jahr 2021 und erreichte 7,3 %, wuchs aber im zweiten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahr auf 13,6 %. Die Parameter der Bewertungslücke zeigen keine Anzeichen einer möglichen Überbewertung. Der Bankensektor verfügt zwar über eine gute Kapitalausstattung und weist eine hohe Rentabilität auf, doch ist er auch durch eine relativ hohe, wenn auch rückläufige Quote notleidender Kredite gekennzeichnet. Der Anteil der Kredite mit einem signifikant gestiegenen Kreditrisiko (Stufe 2) ist seit Ausbruch der Pandemie erheblich gestiegen und seither noch nicht wieder wesentlich gesunken.

·Die mit dem gesamtstaatlichen Schuldenstand verbundenen Risiken sind nicht zu vernachlässigen. Die gesamtstaatliche Schuldenquote sank bis 2021 auf 78,4 % und liegt damit weiterhin über dem Scoreboard-Schwellenwert von 60 %. Den Prognosen zufolge wird sie weiter zurückgehen und 2022 unter das Niveau von 2019 fallen. Das Renditegefälle bei Staatsanleihen flachte sich ab, liegt aber nach wie vor über dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets. Das Wechselkursrisiko im Zusammenhang mit dem gesamtstaatlichen Schuldenstand wird mit der Einführung des Euro ab dem 1. Januar 2023 wegfallen. Das gesamtstaatliche Defizit sank 2021 auf 2,6 % und wird den Prognosen zufolge im Jahr 2022 weiter sinken. Kurz- und mittelfristig bestehen moderate Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.

Abbildung 3.11.1:    Ausgewählte Abbildungen: Kroatien

Beim Szenario „Negative Zinswachstumsrate“ wird ein ungünstigerer Schneeballeffekt als im Ausgangsszenario angenommen (d. h. die Differenz zwischen den Marktzinssätzen und dem nominalen BIP-Wachstum ist dauerhaft 1 Prozentpunkt höher). Im Szenario „Finanzstress“ sieht sich das Land 2023 vorübergehend (ein Jahr lang) mit höheren Marktzinsen konfrontiert (d. h. es wird angenommen, dass die Marktzinssätze im Jahr 2023 vorübergehend um 1 Prozentpunkt steigen).

Quelle: Eurostat und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.11.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Kroatien

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.12 ITALIEN

In Italien herrschen nach wie vor Bedenken hinsichtlich der hohen gesamtstaatlichen Schuldenquote. Auf dem Arbeitsmarkt könnten sich weitere Schwachstellen entwickeln. Trotz der Verbesserungen im Bankensektor nimmt das Risiko von Rückkopplungseffekten aufgrund des makroökonomischen Kontextes zu und muss aufmerksam überwacht werden.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission eine eingehende Überprüfung durchgeführt und kam zu dem Schluss, dass in Italien übermäßige makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, das Fortbestehen von übermäßigen Ungleichgewichten oder deren Abbau im Rahmen einer eingehenden Überprüfung Italiens zu untersuchen. 

Das reale BIP-Wachstum wird auf 3,8 % im Jahr 2022 und 0,3 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch. Im Jahresvergleich stieg sie im Oktober auf 12,8 %, wobei die Kerninflation auf 4,5 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Italien zeigt, dass im Jahr 2021 drei Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, und zwar die Veränderung des Exportmarktanteils, der gesamtstaatliche Schuldenstand und die Veränderung der Erwerbsquote. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit halten sich scheinbar in Grenzen. Die nominalen Lohnstückkosten blieben im Jahr 2021 unverändert, dürften aber in Zukunft steigen. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat 2021 eine geringfügige Abwertung erfahren. Im Jahresvergleich ist er bis August 2022 weiter gefallen. Im Gegensatz dazu hinkt das Produktivitätswachstum seit Jahrzehnten hinter dem der anderen Länder der EU her.

·Die Schuldenquote der privaten Haushalte liegt weiterhin in der Nähe der Referenzwerte, und die Nettokreditflüsse an private Haushalte blieben in den Jahren 2021 und 2022 moderat. Die Schuldenquote der privaten Haushalte ist in der ersten Hälfte des Jahres 2022 weitgehend stabil geblieben. Der Anteil der variabel verzinsten Darlehen ist relativ gering.

·Der gesamtstaatliche Schuldenstand ist nach wie vor hoch, obwohl seine Quote im Verhältnis zum BIP bis 2021 auf 150,3 % gesunken ist. Die Schuldenquote dürfte zwar weiter sinken, aber deutlich über dem Niveau von 2019 bleiben. Das gesamtstaatliche Defizit bleibt hoch, obwohl es 2021 auf 7,2 % gesunken ist, und es wird voraussichtlich weiter zurückgehen. Die Rendite für Staatsanleihen wichen erheblich vom Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets ab, wodurch die Finanzierungskosten anstiegen, wenn auch angesichts der längeren mittleren Laufzeit der ausstehenden Schulden nur allmählich. Die Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sind mittelfristig hoch, während der projizierte Rückgang der Kosten der Bevölkerungsalterung das Risiko langfristig auf ein mittleres Niveau senkt.

·Der Bankensektor hat in den vergangenen Jahren erhebliche Verbesserungen erfahren. Die Abnahme der Quote notleidender Kredite setzte sich fort und erreichte 2021 rund 3,5 %. Diese Quote liegt zwar nur geringfügig über dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets, der Anteil der Kredite mit einem signifikant gestiegenen Kreditrisiko (Stufe 2) ist jedoch seit 2020 gestiegen. Eine enge Verflechtung zwischen Staat und Banken und der Bezug zu einigen Schwachstellen im Unternehmenssektor können das Risiko von Rückkopplungseffekten erhöhen.

·Der schwache Arbeitsmarkt gibt weiterhin Anlass zur Sorge. Die Arbeitslosenquote stieg 2021 auf 9,5 % und bleibt damit relativ hoch, liegt aber unter dem Schwellenwert von 10 %. Für 2022 wird ein Rückgang prognostiziert, allerdings dürfte die Quote 2023 wieder ansteigen. Die Erwerbsquote ist sehr niedrig, vor allem bei Frauen, obwohl sie bis 2021 gestiegen ist. Die Jugend- und Langzeitarbeitslosenquoten gehören in der EU nach wie vor zu den höchsten.

Abbildung 3.12.1:    Ausgewählte Abbildungen: Italien

Beim Szenario „Negative Zinswachstumsrate“ wird ein ungünstigerer Schneeballeffekt als im Ausgangsszenario angenommen (d. h. die Differenz zwischen den Marktzinssätzen und dem nominalen BIP-Wachstum ist dauerhaft 1 Prozentpunkt höher). Im Szenario „Finanzstress“ sieht sich das Land 2023 vorübergehend (ein Jahr lang) mit höheren Marktzinsen konfrontiert (d. h. es wird angenommen, dass die Marktzinssätze im Jahr 2023 vorübergehend um 1 Prozentpunkt steigen).

Quelle: Eurostat und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.12.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Italien

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.13 ZYPERN

In Zypern sind die Schuldenquoten der privaten Haushalte und der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, der gesamtstaatliche Schuldenstand sowie die Auslandsverschuldung nach wie vor bedenklich, obwohl sie nach der COVID-19-Krise wieder gesunken sind. Trotz Verbesserungen gehören die Schuldenquoten der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften und der privaten Haushalte weiterhin zu den höchsten in der EU. Das hohe Leistungsbilanzdefizit verengte sich, wird aber angesichts des sich verschlechternden außenwirtschaftlichen Kontexts voraussichtlich wieder ansteigen. Der Bankensektor erwies sich als resilient, wenngleich nach wie vor Risiken bestehen, unter anderem im Zusammenhang mit notleidenden Krediten.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission eine eingehende Überprüfung durchgeführt und kam zu dem Schluss, dass in Zypern übermäßige makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, das Fortbestehen von übermäßigen Ungleichgewichten oder deren Abbau im Rahmen einer eingehenden Überprüfung Zyperns zu untersuchen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 5,6 % im Jahr 2022 und 1 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch. Im Jahresvergleich sank sie im Oktober auf 8,6 %, wobei die Kerninflation auf 5,9 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Zypern zeigt, dass im Jahr 2021 vier Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich die Leistungsbilanz, der Nettoauslandsvermögensstatus, der Schuldenstand des privaten Sektors und der gesamtstaatliche Schuldenstand. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die außenwirtschaftliche Tragfähigkeit gibt weiterhin Anlass zur Sorge. Das Leistungsbilanzdefizit bleibt hoch, obwohl es bis 2021 auf 6,8 % des BIP sank. Die Verbesserung war auf die teilweise Erholung der Reisebilanz zurückzuführen, die die sich verschlechternde Handelsbilanz in Bezug auf Energieerzeugnisse mehr als ausglich. Der verschlechterte Primäreinkommenssaldo trug negativ dazu bei. Das Leistungsbilanzdefizit wird den Prognosen zufolge bis 2022 ansteigen, bevor es wieder sinkt. Es bleibt aber hoch und trägt nicht dazu bei, den Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS) auf einem vorsichtigen Niveau zu halten. Der NAVS war im Jahr 2021 weiterhin beträchtlich und lag mit -117,8 % des BIP im negativen Bereich; er spiegelt weitgehend die Tätigkeiten von Zweckgesellschaften wider, die Berichten zufolge nur begrenzte Beziehungen zur inländischen Wirtschaft haben. Der NAVS wird den Prognosen zufolge weiter sinken.

·Die Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit sind begrenzt. Die nominalen Lohnstückkosten sind im Jahr 2021 leicht gesunken, werden aber angesichts der hohen Kerninflation voraussichtlich etwas steigen. Es findet eine teilweise Lohnindexierung statt. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat 2021 eine geringfügige Abwertung erfahren. Im Jahresvergleich hat er bis August 2022 weiter an Wert verloren.

·Die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften gehört nach wie vor zu den höchsten in der EU, befindet sich aber auf einem rückläufigen Kurs. In der ersten Jahreshälfte 2022 ging sie weiter zurück, liegt aber immer noch über dem aufsichtlichen Referenzwert sowie über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert. Der hohe Anteil der Auslandsverschuldung von nichtfinanziellen Zweckgesellschaften, die Schiffseigner sind, und hohe Liquiditätspuffer mindern die Risiken. Der Anteil der notleidenden Unternehmenskredite der Banken ist nach wie vor hoch, wobei auch krediterwerbende Unternehmen notleidende Kredite halten. Die Schuldenquote der privaten Haushalte gehört zu den höchsten in der EU und liegt über dem geschätzten aufsichtlichen Referenzwert. Im Jahr 2021 ging die Quote jedoch zurück und sank in der ersten Hälfte des Jahres 2022 weiter. Notleidende Kredite machen einen Teil der Schulden der privaten Haushalte aus; diese werden von Banken oder krediterwerbenden Unternehmen gehalten. Die wiederholte Aussetzung von Zwangsvollstreckungen untergräbt die Zahlungsdisziplin. Höhere Zinssätze dürften die Schuldendienstfähigkeit von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften und privaten Haushalten unter Druck setzen, da Schulden mit variablem Zinssatz die Regel sind.

·Die Bedenken im Zusammenhang mit der gesamtstaatlichen Schuldenquote bleiben bestehen. Die gesamtstaatliche Schuldenquote sank 2021 auf 101 % des BIP und wird den Prognosen zufolge weiter zurückgehen und 2022 unter das Niveau von 2019 fallen. Die Spreads der Staatsanleihen sind tendenziell höher als in anderen Ländern des Euro-Währungsgebiets. Der Haushaltssaldo wird sich den Prognosen zufolge im Jahr 2022 in einen Überschuss verwandeln, und die prognostizierten Primärüberschüsse dürften den Bruttofinanzierungsbedarf des Staates auf einem relativ niedrigen Niveau halten. Ferner verfügt Zypern über beträchtliche Liquiditätspuffer. Mittel- und langfristig bestehen moderate Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.

·Der Bankensektor hat sich als resilient erwiesen, obwohl er weiterhin vor Herausforderungen steht. Im Jahr 2021 war der Bestand an notleidenden Krediten aufgrund von Veräußerungen von Vermögenswerten weiter rückläufig und sank auf rund 5,6 %, während er 2022 stabil bleiben wird. Die Auswirkungen der Pandemie zeigen sich im gestiegenen Anteil der Kredite, die als mit einem signifikant gestiegenen Kreditrisiko behaftet eingestuft werden. Die Quote der Stufe-2-Kredite und der Anteil der gestundeten Darlehen liegt deutlich über dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets. Dennoch gab es nach der Aufhebung der Moratorien bisher nur wenige neue Zahlungsausfälle. Während die harte Kernkapitalquote nah am EU-Durchschnitt liegt, ist die Eigenkapitalrentabilität eine der niedrigsten in der EU und wird 2021 nur leicht positiv sein. Höhere Zinssätze dürften die Nettozinserträge der Banken angesichts der hohen Bargeldbestände der Banken und des überwiegenden Anteils an variabel verzinsten Darlehen steigern. Die Aktiva-Qualität könnte sich jedoch aufgrund des Drucks auf die Bilanzen des Privatsektors verschlechtern.

Abbildung 3.13.1:    Ausgewählte Abbildungen: Zypern

 

Quelle: Eurostat, Comext und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.13.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Zypern

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.14 LETTLAND

In Lettland gab es bereits vor der COVID-19-Pandemie Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit und der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise. Die nominalen Lohnstückkosten werden aufgrund des sich abschwächenden Produktivitätswachstums weiter steigen. Das nominale Wachstum der Wohnimmobilienpreise ist nach wie vor sehr hoch und hat sich in letzter Zeit beschleunigt, was zu einer leichten Überbewertung geführt hat, obwohl der Schuldenstand der privaten Haushalte niedrig ist. Der Anstieg der Energiepreise hat sich bei der Kerninflation bemerkbar gemacht, die zu den höchsten in der EU gehört, und zu einer Schwächung der Leistungsbilanz beigetragen.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission keine eingehende Überprüfung durchgeführt und keine makroökonomischen Ungleichgewichte für Lettland festgestellt. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, neu auftretende Anfälligkeiten und ihre Auswirkungen auf Lettland eingehend zu überprüfen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 1,9 % im Jahr 2022 und -0,3 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation gehört zu den höchsten im Euro-Währungsgebiet. Im Jahresvergleich sank sie im Oktober auf 21,8 %, wobei die Kerninflation auf 8,9 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Lettland zeigt, dass im Jahr 2021 vier Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten, das Wachstum der realen Wohnimmobilienpreise, die Veränderung der Erwerbsquote und die Veränderung der Jugendarbeitslosenquote. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Risiken für die außenwirtschaftliche Tragfähigkeit sind trotz der sich verschlechternden Aussichten gering. Die Leistungsbilanz fiel 2021 mit -4,2 % ins Minus und wird sich den Prognosen zufolge 2022 weiter verschlechtern, was vor allem auf die steigenden Kosten für Energieimporte zurückzuführen ist. Das gesamtstaatliche Defizit hat sich während der COVID-19-Krise erheblich ausgeweitet und erreichte im Jahr 2021 7 %. Den Prognosen zufolge wird es 2022 in etwa auf diesem Niveau bleiben, bevor es sich 2023 wieder verringert. Der Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS) verbesserte sich jedoch weiter und erreichte im Jahr 2021 -27,4 % des BIP. Da sich die Verbindlichkeiten Lettlands größtenteils aus Staatsanleihen und ausländischen Direktinvestitionen zusammensetzen, ist der NAVS ausschließlich Instrumenten ohne Ausfallrisiko positiv.

·Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit bestanden bereits vor der COVID-19-Pandemie und sind nach wie vor aktuell. Das Wachstum der Lohnstückkosten verlangsamte sich 2021 auf 4 %, wird aber voraussichtlich im Jahr 2022 wieder stark ansteigen und 2023 hoch bleiben. Die hohe Inflation könnte das Lohnwachstum zusätzlich belasten, und die sich verschlechternden Wirtschaftsaussichten werden voraussichtlich dazu führen, dass das Produktivitätswachstum geringer ausfällt. Trotz der besonders hohen Inflation wertete der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs im Jahr 2021 geringfügig auf und stieg auch im Jahresvergleich bis August 2022 an.

·Das hohe Wachstum der Wohnimmobilienpreise gibt weiter Anlass zur Sorge. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise lag 2021 bei 10,9 % und zog im ersten Halbjahr 2022 deutlich an. Im Jahresvergleich lag das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 bei 16,5 %. Diese Beschleunigung folgt auf ein Jahrzehnt, in dem das Wachstum der Wohnimmobilienpreise weitgehend mit den Lohnerhöhungen Schritt hielt. Im Jahr 2021 werden die Wohnimmobilienpreise um schätzungsweise 10 % überbewertet sein. Die Hypothekarkreditvergabe ist moderat und die Verschuldung der privaten Haushalte ist niedrig und rückläufig.

·Der Bankensektor ist stabil und verfügt über eine gute Kapitalausstattung. Im Jahr 2021 verbesserte sich die Rentabilität über den EU-Durchschnitt, und die Quote notleidender Kredite sank um mehr als 2 Prozentpunkte auf 2,1 %. Die Kreditdynamik war verhalten und der Schuldenstand des privaten Sektors ist weiter gesunken.

·Der Arbeitsmarkt verschlechterte sich während der COVID-19-Krise und hat sich bis heute nicht vollständig erholt. Die Arbeitslosenquote sank im Jahr 2021 auf 7,6 % und wird den Prognosen zufolge im Jahr 2022 zurückgehen, bevor sie im Jahr 2023 wieder ansteigt. Die Erwerbsquote ging 2021 deutlich zurück und durchbrach damit einen fast zehn Jahre andauernden Trend der Verbesserung, allerdings wird für 2022 wieder ein Anstieg erwartet. Die Jugendarbeitslosenquote hat sich nach dem Anstieg im Jahr 2020 nicht verbessert.

Abbildung 3.14.1:    Ausgewählte Abbildungen: Lettland

Quelle: Eurostat und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.14.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Lettland

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.15 LITAUEN

In Litauen gab die Kostenwettbewerbsfähigkeit bereits vor der COVID-19-Pandemie Anlass zur Sorge, und durch die aktuellen Entwicklungen werden diese noch verstärkt. Das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten war in den letzten Jahren stark und dürfte auch in Zukunft hoch bleiben, und die Kerninflation war im Vergleich zu den anderen Ländern des Euro-Währungsgebiets auch hoch. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise gehört zu den höchsten in der EU, und das Kreditwachstum hält an.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission keine eingehende Überprüfung durchgeführt und keine makroökonomischen Ungleichgewichte für Litauen festgestellt. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, neu auftretende Anfälligkeiten und ihre Auswirkungen auf Litauen eingehend zu überprüfen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 2,5 % im Jahr 2022 und 0,5 % im Jahr 2023 geschätzt. Die Inflation ist hoch, auch im Vergleich zu den Handelspartnern Litauens im Euro-Währungsgebiet. Im Jahresvergleich sank sie im Oktober 2022 auf 22 %, wobei die Kerninflation auf 11,9 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Litauen zeigt, dass im Jahr 2021 fünf Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten, das Wachstum der realen Wohnimmobilienpreise, das Wachstum der Verbindlichkeiten des Finanzsektors, die Veränderung der Langzeitarbeitslosenquote und die Veränderung der Jugendarbeitslosenquote. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Trotz der sich verschlechternden Aussichten halten sich die Sorgen hinsichtlich der außenwirtschaftlichen Tragfähigkeit in Grenzen. Der Leistungsbilanzüberschuss schrumpfte im Jahr 2021 auf 1,1 %, womit sein vorübergehender Anstieg während der Pandemie rückgängig gemacht wurde. Dies ist auf eine Verschlechterung der Handelsbilanz sowohl in Bezug auf Energie als auch auf andere Waren zurückzuführen. Für das Jahr 2022 wird eine Verschlechterung der Leistungsbilanz auf ein beträchtliches Defizit erwartet. Nachdem das gesamtstaatliche Defizit im Jahr 2021 erheblich geschrumpft ist, dürfte es sich 2022 auf 1,9 % ausweiten, wobei sich dieser Trend 2023 fortsetzen wird. Der Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS) ist nahezu ausgeglichen und wird sich den Projektionen zufolge weiter verbessern. Da die Verbindlichkeiten des Landes größtenteils ausländische Direktinvestitionen umfassen, ist der NAVS ausschließlich Instrumenten ohne Ausfallrisiko positiv.

·Die Bedenken in Bezug auf die Kostenwettbewerbsfähigkeit, die vor der COVID-19-Pandemie bestanden, sind nach wie vor akut. Die nominalen Lohnstückkosten sind in den letzten Jahren stark gestiegen, und ihr Wachstum dürfte sich 2022 vor dem Hintergrund der starken Nominallohnerhöhungen in Litauen beschleunigen. Für den verbleibenden Teil des Prognosehorizonts wird ein weiterer Anstieg erwartet, wenn auch deutlich weniger ausgeprägt. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat sich 2021 erhöht. Im Jahresvergleich blieb er jedoch bis August 2022 weitgehend unverändert.

·Das hohe Wachstum der Wohnimmobilienpreise gibt weiter Anlass zur Sorge. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise beschleunigte sich von 7,3 % im Jahr 2020 auf 16,1 % im Jahr 2021, wodurch die Wachstumsrate zu den höchsten in der EU gehört. Im Jahresvergleich stieg das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 auf 22,1 %. Die Parameter der Wohnimmobilienpreise deuten für 2021 nicht auf eine Überbewertung hin. In den letzten Monaten wurden mehr Darlehen an private Haushalte vergeben.

·Die Arbeitslosenquote ist erneut gesunken und lag 2021 bei 7,1 %. Prognosen zufolge wird sie auch 2022 sinken, bevor sie 2023 wieder steigt. Die Arbeitslosenquote ist nach wie vor höher als in vielen anderen Ländern der EU, während die Zahl der freien Stellen auf einen historisch hohen Wert gestiegen ist. Die Langzeitarbeitslosenquote ist im Jahr 2021 leicht gestiegen, wohingegen die Jugendarbeitslosenquote im Jahr 2021 gesunken ist.

 

Abbildung 3.15.1:    Ausgewählte Abbildungen: Litauen

 

Quelle: Eurostat und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.15.1:    Ausgewählte Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Litauen

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.16 LUXEMBURG

In Luxemburg wächst die Sorge um die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise und den hohen Schuldenstand der privaten Haushalte. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise gehört zu den höchsten in der EU und weckt die Sorge vor Überbewertung und einem hohen Schuldenstand der Haushalte. Der Schuldenstand der privaten Haushalte ist im Verhältnis zu ihrem verfügbaren Bruttoeinkommen zwar rückläufig, aber immer noch sehr hoch. Der Bankensektor ist stabil, aber auch einigen Risiken ausgesetzt. In Anbetracht des anhaltenden Anstiegs der Lohnstückkosten könnten sich gewisse Unsicherheiten hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit ergeben.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission keine eingehende Überprüfung durchgeführt und keine makroökonomischen Ungleichgewichte für Luxemburg festgestellt. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, neu auftretende Anfälligkeiten und ihre Auswirkungen auf Luxemburg eingehend zu überprüfen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 1,5 % im Jahr 2022 und 1 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch. Im Jahresvergleich lag sie im Oktober weiterhin bei 8,8 %, während die Kerninflation im September auf 4,9 % geschätzt wird. Dieser Wert ist niedriger als in vielen anderen Ländern des Euro-Währungsgebiets. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Luxemburg zeigt, dass im Jahr 2021 fünf Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten, das Wachstum der realen Wohnimmobilienpreise, die Kreditflüsse des privaten Sektors, der Schuldenstand des privaten Sektors und die Veränderung der Jugendarbeitslosenquote. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Kostenwettbewerbsfähigkeit könnte Anlass zur Sorge geben. Die nominalen Lohnstückkosten sind im Jahr 2021 um 3,9 % gestiegen und werden voraussichtlich in den Jahren 2022 und 2023 noch stärker zulegen. Das umfassende Maßnahmenpaket zur Eindämmung der Inflation dürfte die Nominallohnerhöhungen in Zukunft dämpfen. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat sich 2021 geringfügig erhöht. Im Jahresvergleich hat er bis August 2022 an Wert verloren.

·Die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften ist die höchste in der EU, ging aber im Jahr 2021 leicht auf 274 % des BIP zurück. Sie liegt weiterhin über dem aufsichtlichen Referenzwert sowie über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert und übersteigt ihren Wert von 2019 nach wie vor um 31 Prozentpunkte. Der hohe Anteil der grenzüberschreitenden konzerninternen Kreditvergabe an der Verschuldung der Unternehmen verringert diese Risiken. Der Anteil der auf Fremdwährung lautenden Unternehmenskredite ist mit 11 % einer der höchsten im Euro-Währungsgebiet. In der ersten Hälfte des Jahres 2022 sank die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, allerdings bestehen Risikofaktoren im Zusammenhang mit dem makroökonomischen Umfeld. Die Kreditflüsse an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften waren rückläufig, bleiben aber mit 16,7 % des BIP noch sehr hoch.

·Der Schuldenstand der privaten Haushalte als Prozentsatz des verfügbaren Bruttoeinkommens der Haushalte ist rückläufig, wenngleich er nach wie vor einer der höchsten in der EU ist. Die Nettokreditflüsse an private Haushalte gingen im zweiten Quartal 2022 zurück. Der Schuldenstand ist aufgrund des nominalen BIP-Wachstums gesunken und nahm in der ersten Hälfte des Jahres 2022 weiter ab. Die Finanzierungskosten für private Haushalte zogen parallel zum Anstieg im Euro-Währungsgebiet an, teilweise aufgrund des hohen Anteils variabel verzinster Hypotheken, und die Kreditvergaberichtlinien für Hypothekendarlehen wurden verschärft.

·Das sehr hohe Wachstum der Wohnimmobilienpreise bereitet stets Sorgen. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise bleibt mit 13,9 % im Jahr 2021 gegenüber 14,5 % im Jahr 2020 sehr hoch und ist damit eines der höchsten in der EU. Im Jahresvergleich lag das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 bei 11,5 %. Das Preis-Einkommen-Verhältnis – eines der höchsten in der EU – wirft Bedenken hinsichtlich der Bezahlbarkeit auf. Dem Bewertungsmodell der Kommission zufolge waren die Wohnimmobilienpreise im Jahr 2021 mit 61 % unter den Mitgliedstaaten der EU am stärksten überbewertet. Das Risiko einer drastischen Korrektur der Wohnimmobilienpreise ist angesichts des beschränkten Angebots zwar begrenzt, stieg jedoch infolge der strengeren Finanzierungsbedingungen und des geringeren Wachstums an.

·Der Bankensektor ist stabil, aber auch einigen Risiken ausgesetzt. Die Banken verfügen über eine gute Kapitalausstattung und sind solide. Die Rentabilität stieg 2021 an, blieb aber deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Die Quote notleidender Kredite ist die niedrigste in der EU. Das dynamische Wachstum der Hypotheken stellt trotz der jüngsten Verlangsamung ein zentrales Risiko für den Bankensektor dar, und das bei einem ohnehin schon hohen Schuldenstand der privaten Haushalte und überbewerteten Wohnimmobilienpreisen.

Abbildung 3.16.1:    Ausgewählte Abbildungen: Luxemburg

Quelle: Eurostat und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.16.1:    Ausgewählte Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Luxemburg

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.17 UNGARN

In Ungarn wächst die Sorge um die außenwirtschaftliche Tragfähigkeit, die Kostenwettbewerbsfähigkeit, die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und die Entwicklung der Wohnimmobilienpreise weiter. Das Leistungsbilanzdefizit hat sich im Jahr 2021 ausgeweitet und wird voraussichtlich weiter wachsen, und der Wechselkurs ist auf Talfahrt gegangen. Die Lohnstückkosten steigen seit Jahren stark an, und dieser Trend setzt sich fort, wobei die Kostenwettbewerbsfähigkeit bisher durch nominale Abwertungen aufrechterhalten wurde. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise gehörte in letzter Zeit zu den höchsten in der EU, und das bei einem begrenzten Angebot und einer geschätzten Überbewertung der Wohnimmobilienpreise. Das gesamtstaatliche Defizit ist weiterhin hoch.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission keine eingehende Überprüfung durchgeführt und keine makroökonomischen Ungleichgewichte für Ungarn festgestellt. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, neu auftretende Anfälligkeiten und ihre Auswirkungen auf Ungarn eingehend zu überprüfen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 5,5 % im Jahr 2022 und 0,1 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist sehr hoch, auch im Vergleich zu den Handelspartnern Ungarns im Euro-Währungsgebiet. Im Jahresvergleich stieg sie im September auf 20,7 %, wobei die Kerninflation auf 13,2 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Werte des Scoreboard für Ungarn ergeben, dass im Jahr 2021 fünf Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich der Nettoauslandsvermögensstatus, das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten, das Wachstum der realen Wohnimmobilienpreise, der gesamtstaatliche Schuldenstand und die Änderung der Jugendarbeitslosenquote. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards lässt folgende relevante Entwicklungen erkennen:

·Die Risiken für die außenwirtschaftliche Tragfähigkeit haben angesichts der sich verschlechternden Außenhandelsströme zugenommen. Das Leistungsbilanzdefizit hat sich 2021 auf 4 % des BIP ausgeweitet und wird sich 2022 noch weiter ausdehnen. Aufgrund der hohen Nettoenergieimporte Ungarns hängt die Außenbilanz stark von der Entwicklung der internationalen Energiepreise ab. Der negative Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS) blieb im Jahr 2021 im Wesentlichen unverändert. Der NAVS ausschließlich Instrumenten ohne Ausfallrisiko ist nahezu ausgeglichen. Die Devisenreserven decken etwas mehr als drei Monate der Einfuhren ab und übersteigen die kurzfristigen Auslandsverbindlichkeiten.

·Die Bedenken in Bezug auf die Kostenwettbewerbsfähigkeit, die bereits vor der COVID-19-Pandemie bestanden, bestehen weiter. Die anhaltende nominale Abwertung des Forint hat den starken Anstieg der nominalen Lohnstückkosten in den letzten Jahren teilweise ausgeglichen. Vor dem Hintergrund einer angespannten Arbeitsmarktlage stiegen die Lohnstückkosten im Jahr 2021 erneut an und werden voraussichtlich auch in den Jahren 2022 und 2023 stark zulegen. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs blieb im Jahr 2021 weitgehend unverändert und wertete bis August 2022 stark ab.

·Das sehr hohe Wachstum der Wohnimmobilienpreise gibt weiterhin Anlass zur Sorge. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise stieg von 4,9 % auf 16,5 % im Jahr 2021 und wuchs damit im Vergleich zu anderen EU-Ländern mit am schnellsten. Im Jahresvergleich beschleunigte sich das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 auf 22,8 %. Die Wohnimmobilienpreise werden im Jahr 2021 schätzungsweise um 17 % überbewertet sein. Gleichzeitig lagen die Wohnungsbauinvestitionen mit 3,9 % des BIP im Jahr 2021 deutlich unter dem EU-Durchschnitt.

·Der gesamtstaatliche Schuldenstand ist 2021 aufgrund des deutlichen nominalen BIP-Wachstums leicht auf 76,8 % des BIP gesunken und wird sich den Prognosen zufolge in etwa auf diesem Niveau einpendeln. Das gesamtstaatliche Defizit sank im Jahr 2021 auf 7,1 % des BIP und dürfte aufgrund der von der Regierung angekündigten Maßnahmen noch weiter zurückgehen. Der Anteil der auf Fremdwährung lautenden oder von Gebietsfremden gehaltenen gesamtstaatlichen Schulden ist hoch. Die Renditen von Staatsanleihen sind insbesondere seit dem Sommer letzten Jahres unabhängig von der Kreditlaufzeit gestiegen. Gleichzeitig ist der Bruttofinanzierungsbedarf des Staates hoch. Die Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sind mittelfristig moderat und langfristig hoch, auch aufgrund der alternden Bevölkerung.

·Der Bankensektor ist im Großen und Ganzen weiterhin solide, steht aber vor weiteren Herausforderungen. Die Rentabilität ist unter den höchsten in der EU, die harte Kernkapitalquote liegt nah am EU-Durchschnitt und die Quote notleidender Kredite ist niedrig geblieben, wenngleich der Anteil der notleidenden Kredite 2021 gestiegen ist. Die kürzlich eingeführte Steuer auf Zufallsgewinne für die Jahre 2022 und 2023 und eine regulatorische Obergrenze für flexible Hypothekenzinsen bis Mitte 2023 werden die Gewinne der Banken wahrscheinlich erheblich schmälern. Nahezu ein Fünftel der Bankaktiva entfällt auf Staatsschuldtitel. Die Schuldenquote des privaten Sektors ist niedrig, allerdings haben private Haushalte und Unternehmen seit 2020 vermehrt Kredite aufgenommen. In Fremdwährung lautende Kredite sind von Bedeutung, insbesondere für gewerbliche Immobilien.

Abbildung 3.17.1:    Ausgewählte Abbildungen: Ungarn

Quelle: Eurostat, Comext und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.17.1:    Ausgewählte Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Ungarn

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.18 ΜΑLTA

Die Leistungsbilanz Maltas weist nach wie vor ein beträchtliches Defizit auf und der Schuldenstand der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften ist hoch, obwohl die damit verbundenen Risiken begrenzt zu sein scheinen. Die hohe Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften geht weiter zurück. Die nominalen Wohnimmobilienpreise werden als moderat überbewertet eingeschätzt.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission keine eingehende Überprüfung durchgeführt und keine makroökonomischen Ungleichgewichte für Malta festgestellt. Die Kommission hält es in diesem Jahr nicht für erforderlich, eine weitere eingehende Überprüfung für Malta durchzuführen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 5,7 % im Jahr 2022 und 2,8 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch, allerdings niedriger als in den meisten anderen Ländern der EU. Im Jahresvergleich stieg sie im Oktober auf 7,5 %, wobei die Kerninflation auf 6,7 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Malta zeigt, dass ein Indikator im Jahr 2021 über seinem indikativen Schwellenwert lag, nämlich das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Aussichten für die außenwirtschaftliche Tragfähigkeit verschlechtern sich. Das Leistungsbilanzdefizit ist 2021 auf 4,6 % gewachsen und wird sich 2022 voraussichtlich weiter verschlechtern. ( 46 ) Verbesserungen der Reisebilanzen wurden durch die Verschlechterung der Handelsbilanz in Bezug auf Energieerzeugnisse ausgeglichen. Der Rückgang war in erster Linie auf das Handelsbilanzdefizit in Bezug auf nichtenergetische Erzeugnisse zurückzuführen. Der Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS) ist weiterhin stark positiv, worin sich die Stellung des Landes als internationales Finanzzentrum niederschlägt. Er dürfte trotz hoher Leistungsbilanzdefizite auf einem ähnlichem Niveau verharren.

·Die Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit halten sich scheinbar in Grenzen. Die nominalen Lohnstückkosten sind nach dem starken Anstieg im Jahr 2020 im Jahr 2021 gesunken, werden aber voraussichtlich im Jahr 2022 wieder leicht steigen. Das Wachstum der Lohnstückkosten liegt weiterhin unter dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat 2021 eine Abwertung erfahren. Im Jahresvergleich hat er bis August 2022 weiter an Wert verloren.

·Die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften ist nach wie vor anfällig, obwohl sie rückläufig ist. Sie sank leicht auf 78,4 % im Jahr 2021. In der ersten Hälfte des Jahres 2022 sank die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften weiter, allerdings sind mit dem makroökonomischen Umfeld verbundene Risikofaktoren vorhanden. Die Quote liegt über dem aufsichtlichen Referenzwert sowie über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert und übersteigt ihren Wert von 2019 um 3 Prozentpunkte. Die Kreditflüsse an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften sind gemessen in Prozent des BIP weiterhin hoch.

·Die Sorgen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise bleiben bestehen. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise weitete sich 2021 auf 5,1 % aus. Im Jahresvergleich stieg das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 auf 7,7 %. Die Wohnimmobilienpreise werden im Jahr 2021 schätzungsweise um 9 % überbewertet sein. Der Bankensektor ist insgesamt nach wie vor solide und weist eine hohe Kapitalausstattung, aber eine geringe Rentabilität auf. Das Engagement der Banken im Immobiliensektor ist immer noch sehr hoch.

·Die gesamtstaatliche Schuldenquote stieg auf 56,3 % des BIP und wird den Prognosen zufolge weiter steigen und sich dem Schwellenwert von 60 % des BIP nähern. Das gesamtstaatliche Defizit verengte sich 2021 auf 7,8 % des BIP und wird voraussichtlich weiter schrumpfen. Die Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sind mittelfristig moderat und langfristig aufgrund der alternden Bevölkerung und des hohen anfänglichen Haushaltsdefizits hoch.

Abbildung 3.18.1:    Ausgewählte Abbildungen: Malta

Quelle: Eurostat, Comext und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.18.1:    Ausgewählte Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Malta

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.19 NIEDERLANDE

Der Leistungsbilanzüberschuss, die Schuldenquoten der privaten Haushalte und der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften und die Überbewertung der Wohnimmobilienpreise sind in den Niederlanden nach wie vor beträchtlich. Der Leistungsbilanzüberschuss und die jüngsten Entwicklungen in Bezug auf die Kostenwettbewerbsfähigkeit sollten aufmerksam überwacht werden, auch unter dem Gesichtspunkt des Abbaus von Ungleichgewichten im Euro-Währungsgebiet. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise gehörte 2021 zu den höchsten in der EU, und das bei einer geschätzten Überbewertung der Wohnimmobilienpreise.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission eine eingehende Überprüfung durchgeführt und kam zu dem Schluss, dass in den Niederlanden makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, das Fortbestehen von Ungleichgewichten oder deren Abbau im Rahmen einer eingehenden Überprüfung der Niederlande zu untersuchen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 4,6 % im Jahr 2022 und 0,6 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch. Im Jahresvergleich sank sie im Oktober auf 16,8 %, wobei die Kerninflation auf 6,8 % geschätzt wird. Die Inflation dürfte höher sein als die Lohnerhöhungen.

Die Auslegung des Scoreboards für die Niederlande zeigt, dass im Jahr 2021 vier Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich der Leistungsbilanzsaldo, das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten, das Wachstum der realen Wohnimmobilienpreise und der Schuldenstand des privaten Sektors. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Herausforderungen im Außenhandelssektor betreffen den hohen und langjährigen Leistungsbilanzüberschuss, wenngleich er inzwischen nach unten korrigiert wurde. Im Jahr 2021 stieg er auf 7,2 % des BIP an, hauptsächlich bedingt durch gestiegene Einkommensbilanzen. Es wird erwartet, dass er 2022 aufgrund des sich verschlechternden realen Austauschverhältnisses der Ex- und Importe und der Auswirkungen der Verlagerung von Shell ins Vereinigte Königreich zurückgehen wird; er verweilt aber über den indikativen Schwellenwerten. Der Nettoauslandsvermögensstatus im Verhältnis zum BIP ist mit 93 % im Jahr 2021 weiterhin der größte in der EU, trotz eines starken Rückgangs, der vor allem durch negative Bewertungseffekte bedingt ist. Es wird prognostiziert, dass er bis 2022 weiter abnehmen wird.

·Die Entwicklungen der Kostenwettbewerbsfähigkeit können den Abbau von Ungleichgewichten im Euro-Währungsgebiet behindern. Die nominalen Lohnstückkosten sind 2021 trotz einer zunehmend angespannten Arbeitsmarktlage leicht rückläufig, dürften aber steigen, wenn auch nicht so stark wie im Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs blieb im Jahr 2021 und im Jahresvergleich bis August 2022 weitgehend unverändert.

·Die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften gehört nach wie vor zu den höchsten in der EU, befindet sich jedoch auf einem rückläufigen Kurs. Sie ging im Jahr 2021 leicht zurück, nämlich auf 129 %. In der ersten Hälfte des Jahres 2022 sank die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften weiter, allerdings sind mit dem makroökonomischen Umfeld verbundene Risikofaktoren vorhanden. Die Quote liegt weiterhin über dem aufsichtlichen Referenzwert sowie über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert. Der hohe Anteil der grenzüberschreitenden konzerninternen Kreditvergabe und die hohen Liquiditätspuffer der Unternehmen mindern die Risiken. Die Kreditflüsse an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften sind gemessen am BIP im Jahr 2021 nach wie vor hoch.

·Die Schuldenquote der privaten Haushalte ist nach wie vor die höchste in der EU und lag 2021 bei 100 % des BIP und damit sowohl über dem aufsichtlichen Referenzwert als auch über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert. Trotz eines positiven Beitrags der Kreditströme sank die Quote im Jahr 2021, und dieser Rückgang setzte sich in der ersten Hälfte des Jahres 2022 fort. Die notleidenden Schuldtitel der Haushalte sind nach wie vor gering.

·Das hohe Wachstum der Wohnimmobilienpreise gibt weiterhin Anlass zur Sorge. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise stieg von 7,6 % im Jahr 2020 auf 15 % im Jahr 2021 und wuchs damit im Vergleich zu anderen Ländern der EU mit am schnellsten. Es erreichte im zweiten Quartal 2022 einen Wert von 18,2 % gegenüber dem Vorjahr. Die Wohnimmobilienpreise werden im Jahr 2021 schätzungsweise um 21 % überbewertet sein. Die mit Preiskorrekturen verbundenen Risiken sind zu überwachen, obwohl der Bankensektor stabil und gut kapitalisiert ist und seine Rentabilität im Jahr 2021 steigen wird. Der Anteil der notleidenden Kredite ist gering. Auch das Hypothekenwachstum ist nach wie vor gering.

Abbildung 3.19.1:    Ausgewählte Abbildungen: Niederlande

Quelle: Eurostat, AMECO und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.19.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Niederlande

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.20 ÖSTERREICH

In Österreich beschleunigte sich das Wachstum der Wohnimmobilienpreise, und die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften sowie die gesamtstaatliche Schuldenquote sind nach wie vor hoch, obwohl die damit verbundenen Risiken begrenzt zu sein scheinen. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise nimmt seit Jahren deutlich zu, wenngleich sie Schätzungen zufolge stark überbewertet sind. Die Schuldenquote der Unternehmen ist gestiegen und liegt weiterhin sowohl über dem aufsichtlichen Referenzwert als auch über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert. Der gesamtstaatliche Schuldenstand ist rückläufig, liegt aber immer noch über dem Niveau von 2019. 

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission keine eingehende Überprüfung durchgeführt und keine makroökonomischen Ungleichgewichte für Österreich festgestellt. Die Kommission hält es in diesem Jahr nicht für erforderlich, eine weitere eingehende Überprüfung für Österreich durchzuführen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 4,6 % im Jahr 2022 und 0,3 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch. Im Jahresvergleich stieg sie im Oktober auf 11,5 %, wobei die Kerninflation auf 5,7 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Österreich zeigt, dass drei Indikatoren im Jahr 2021 über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten, das Wachstum der realen Wohnimmobilienpreise und der gesamtstaatliche Schuldenstand. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Sorgen um den Schuldenstand der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften haben zugenommen. Die Schuldenquote der Unternehmen stieg auf 78 % im Jahr 2021 und liegt weiterhin sowohl über dem aufsichtlichen Referenzwert als auch über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert. Sie ist immer noch 6 Prozentpunkte höher als im Jahr 2019. Gleichzeitig sank die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften in der ersten Hälfte des Jahres 2022, trotz eines Anstiegs der Kreditflüsse im Verhältnis zum BIP. Die Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit sind begrenzt. Das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten hat sich zwar im Jahr 2021 deutlich verlangsamt, wird aber den Prognosen zufolge in den kommenden Jahren etwas schneller steigen als in anderen Ländern des Euro-Währungsgebiets.

·Die Schuldenquote der privaten Haushalte liegt nah am aufsichtlichen Referenzwert und unter dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert. Sie ist im Jahr 2021 gesunken und in der ersten Hälfte des Jahres 2022 weitgehend unverändert geblieben. Die notleidenden Schuldtitel der Haushalte sind nach wie vor gering.

·Das sehr hohe Wachstum der Wohnimmobilienpreise bereitet stets Sorgen. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise stieg von 7,7 % im Jahr 2020 auf 12,4 % im Jahr 2021 und wuchs damit im Vergleich zu anderen Ländern der EU mit am schnellsten. Im Jahresvergleich ging das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise leicht zurück, blieb aber mit 12,4 % im zweiten Quartal 2022 sehr hoch. Die Wohnimmobilienpreise sind schätzungsweise um 27 % überbewertet. Allerdings sorgen der geringe Anteil der Kredite mit variablen Zinssätzen, die niedrige Schuldenquote der privaten Haushalte, die niedrige Quote des Wohneigentums gegenüber Mietobjekten, ein gesunder Finanzsektor und ein geringer Anteil an notleidenden Krediten dafür, dass die makroökonomischen Risiken begrenzt sind.

·Die Bedenken im Zusammenhang mit dem gesamtstaatlichen Schuldenstand sind begrenzt. Der gesamtstaatliche Schuldenstand ging 2021 leicht auf 82,3 % des BIP zurück und dürfte weiter sinken, bleibt jedoch über dem Wert von 2019. Das gesamtstaatliche Defizit bleibt hoch, obwohl es 2021 auf 5,9 % des BIP gesunken ist; es wird voraussichtlich weiter sinken. Mittel- und langfristig bestehen moderate Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.

·Der Bankensektor ist insgesamt solide. Die harte Kernkapitalquote liegt zwar unter, die Rentabilität jedoch über dem EU-Durchschnitt. Die Quote notleidender Kredite ist auch sehr niedrig, aber der Anteil der Kredite mit einem signifikant gestiegenen Kreditrisiko (Stufe 2) ist sehr hoch. Das Engagement der Raiffeisen Bank International (RBI) in Russland stellt ein moderates Risiko dar.

Abbildung 3.20.1:    Ausgewählte Abbildungen: Österreich

Quelle: Eurostat, EZB und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.20.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Österreich

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.21 POLEN

In Polen steigen die Lohnstückkosten und die Wohnimmobilienpreise, obwohl die damit verbundenen Risiken begrenzt zu sein scheinen. Das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten wird angesichts der sehr hohen Kerninflation und des Arbeitskräftemangels zunehmen. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise gehört zu den höchsten in der EU, und das bei einer geschätzten begrenzten Überbewertung der Wohnimmobilienpreise. Durch die Abwertung des Wechselkurses entsteht ein gewisser Druck auf die Inflation, und die Leistungsbilanz hat sich aufgrund einmaliger Faktoren in ein Defizit verwandelt.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission keine eingehende Überprüfung durchgeführt und keine makroökonomischen Ungleichgewichte für Polen festgestellt. Die Kommission hält es in diesem Jahr nicht für erforderlich, eine weitere eingehende Überprüfung für Polen durchzuführen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 4 % im Jahr 2022 und 0,7 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist derzeit sehr hoch, auch im Vergleich zu den Handelspartnern Polens im Euro-Währungsgebiet, wird sich aber voraussichtlich abschwächen. Im Jahresvergleich stieg sie im September auf 15,7 %, wobei die Kerninflation auf 11,5 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Polen zeigt, dass ein Indikator im Jahr 2021 über seinem indikativen Schwellenwert lag, nämlich der Nettoauslandsvermögensstatus. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Bedenken hinsichtlich der außenwirtschaftlichen Tragfähigkeit halten sich derzeit in Grenzen. Angesichts der starken Nachfrage und des ungünstigen realen Austauschverhältnisses der Ex- und Importe hat sich die Leistungsbilanz 2021 in ein Defizit von 1,4 % des BIP verwandelt und wird sich 2022 voraussichtlich weiter verschlechtern. Nichtsdestotrotz wird sich der Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS) voraussichtlich weiter verbessern und ab 2022 unter dem indikativen NAVS-Schwellenwert von -35 % bleiben. Der Großteil des NAVS ist durch Direktinvestitionen gekennzeichnet, sodass die unmittelbaren Sorgen in Bezug auf die außenwirtschaftliche Position begrenzt sind.

·Die hohe Inflation und die starken Nominallohnerhöhungen könnten Anlass zu Sorgen in Bezug auf die Kostenwettbewerbsfähigkeit geben, sollten sie fortbestehen. Die nominalen Lohnstückkosten sanken im Jahr 2021, werden aber in Zukunft voraussichtlich deutlich steigen. Im Vergleich zu den Handelspartnern Polens hat der reale effektive Wechselkurs an Wert verloren.

·Die nominalen Wohnimmobilienpreise sind in den letzten Jahren rasant gestiegen, entsprechen aber vor dem Hintergrund eines kräftigen Einkommenswachstums weitgehend den Fundamentaldaten. Die Verschärfung der Geldpolitik in den Jahren 2021 und 2022 hat den stärksten Anstieg der Hypothekenzinssätze in der EU sowie einen starken Rückgang der Kreditflüsse an private Haushalte ausgelöst. Angesichts der weiten Verbreitung von Hypotheken mit variablen Zinssätzen werden diese Zinskosten wahrscheinlich direkt an neue und bestehende Hypothekennehmer weitergegeben. Der polnische Bankensektor weist jedoch angesichts der geringen Verschuldung der privaten Haushalte und der relativ niedrigen Beleihungssätze weiterhin eine gute Kapitalausstattung auf. Der Anteil der notleidenden Kredite bleibt gering und geht weiter zurück.

·Der Arbeitskräftemangel verschärft den Inflationsdruck. Das Nominallohnwachstum erreichte im August 2022 im Jahresvergleich einen Wert von 12,4 %. Die Arbeitslosenquote gehört mit 3,4 % im Jahr 2021 nach wie vor zu den niedrigsten in der EU. Im Jahr 2022 wird sie voraussichtlich sinken, bevor sie 2023 wieder ansteigt. Die Erwerbsquote stieg weiter an. Der Anstieg des Arbeitskräfteangebots durch den Zustrom von Vertriebenen aus der Ukraine dürfte den Arbeitskräftemangel verringern, wie es bereits in einigen Sektoren wie dem Dienstleistungssektor der Fall ist.

Abbildung 3.21.1:    Ausgewählte Abbildungen: Polen

Quelle: Eurostat und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.21.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Polen

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.22 PORTUGAL

In Portugal sind die Schuldenquoten der privaten Haushalte und der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, der gesamtstaatliche Schuldenstand sowie die Auslandsverschuldung nach wie vor bedenklich, obwohl die Schuldenquoten nach der COVID-19-Krise wieder gesunken sind. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise zieht an, und es gibt Anzeichen für eine Überbewertung der Wohnimmobilienpreise. Risiken im Zusammenhang mit Rückkopplungseffekten des Finanzsektors und des öffentlichen Sektors bleiben bestehen.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission eine eingehende Überprüfung durchgeführt und kam zu dem Schluss, dass in Portugal makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, das Fortbestehen von Ungleichgewichten oder deren Abbau im Rahmen einer eingehenden Überprüfung Portugals zu untersuchen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 6,6 % im Jahr 2022 und 0,7 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch und wird sich voraussichtlich im selben Rahmen bewegen wie der Durchschnittswert des Euro-Währungsgebiets. Im Jahresvergleich stieg sie im Oktober auf 10,6 %, wobei die Kerninflation auf 6,5 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Portugal zeigt, dass im Jahr 2021 sechs Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich der Nettoauslandsvermögensstatus, das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten, das Wachstum der realen Wohnimmobilienpreise, der Schuldenstand des privaten Sektors, der gesamtstaatliche Schuldenstand und die Änderung der Jugendarbeitslosenquote. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die außenwirtschaftliche Tragfähigkeit ist nach wie vor problematisch. Obwohl sich der Nettoauslandsvermögensstatus erheblich verbessert und den höchsten Stand seit 15 Jahren erreicht hat, ist er immer noch stark negativ, wobei bis 2024 mit weiteren Verbesserungen gerechnet wird. Das Leistungsbilanzdefizit weitete sich 2021 auf 1,2 % des BIP aus, da Verbesserungen in der Reise- und der Warenausfuhrbilanz durch die Verschlechterung der Handelsbilanz in Bezug auf Energieerzeugnisse mehr als aufgezehrt wurden. Das Defizit wird 2022 aufgrund von Preiseffekten voraussichtlich leicht wachsen. Das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten war 2021 moderat und wird 2022 ins Negative umschlagen. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat 2021 eine Abwertung erfahren. Auch im Jahresvergleich hat er bis August 2022 an Wert verloren.

·Die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften ist nach wie vor anfällig, obwohl sie rückläufig ist. Im Jahr 2021 sank sie auf 90,5 %, liegt aber immer noch mehr als 4 Prozentpunkte über dem Wert von 2019. In der ersten Hälfte des Jahres 2022 sank die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften weiter, allerdings bestehen Risikofaktoren im Zusammenhang mit dem makroökonomischen Umfeld. Die Quote liegt weiterhin über dem aufsichtlichen Referenzwert sowie über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert. Der Anteil der notleidenden Unternehmenskredite an den Unternehmenskrediten der Banken insgesamt ist weiter gesunken. Die Schuldenquote der privaten Haushalte liegt nach wie vor über dem aufsichtlichen Referenzwert und über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert, obwohl sie im Jahr 2021 gesunken ist und auch in der ersten Jahreshälfte 2022 weiter zurückging.

·Die Sorgen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise nehmen zu. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise weitete sich 2021 von 8,8 % auf 9,4 % aus. Im Jahresvergleich beschleunigte sich das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 auf 13,2 %. Die Wohnimmobilienpreise werden im Jahr 2021 schätzungsweise um 23 % überbewertet sein. Mehr als zwei Drittel der Hypotheken sind nur ein Jahr lang fest verzinst.

·Die Bedenken in Bezug auf den gesamtstaatlichen Schuldenstand sind weiterhin erheblich. Im Jahr 2021 schrumpfte er um 9 Prozentpunkte auf 125,5 % des BIP. Er dürfte weiter sinken und im Jahr 2022 seinen Wert von vor der Pandemie unterschreiten. Das gesamtstaatliche Defizit verringerte sich 2021 auf 2,9 % des BIP und wird den Prognosen zufolge über den Prognosehorizont weiter sinken. Die Risiken für die Tragfähigkeit der Finanzen sind auf mittlere Sicht hoch und auf lange Sicht moderat.

·Die Sorge um den Bankensektor hat abgenommen, aber einige Schwachstellen bleiben bestehen. Die Rentabilität verbesserte sich und die Solvabilitätskoeffizienten blieben stabil. Die harte Kernkapitalquote liegt zwar über den aufsichtlichen Anforderungen, ist aber im europäischen Vergleich niedrig, und die Rentabilität ist nach wie vor relativ gering. Die Quote notleidender Kredite ist weiter gesunken, liegt aber immer noch über dem EU-Durchschnitt, und auch der Anteil der Kredite mit einem signifikant gestiegenen Kreditrisiko (Stufe 2) ist erhöht. Außerdem bleiben die Risiken im Zusammenhang mit Rückkopplungseffekten des Finanzsektors und des öffentlichen Sektors bestehen.

Abbildung 3.22.1:    Ausgewählte Abbildungen: Portugal

Quelle: Eurostat und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.22.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Portugal

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.23 RUMÄNIEN

In Rumänien nehmen die Sorgen hinsichtlich der außenwirtschaftlichen Tragfähigkeit und des gesamtstaatlichen Defizits weiter zu. Das Leistungsbilanzdefizit hat sich 2021 ausgeweitet und wächst derzeit weiter an. Das gesamtstaatliche Defizit hat sich verbessert und wird voraussichtlich weiter sinken, bleibt aber hoch. Vor dem Hintergrund einer hohen Inflation, eines Arbeitskräftemangels und eines starken Nominallohnanstiegs dürften die nominalen Lohnstückkosten steigen, was Anlass zur Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit gibt.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission eine eingehende Überprüfung durchgeführt und kam zu dem Schluss, dass in Rumänien makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, das Fortbestehen von Ungleichgewichten oder deren Abbau im Rahmen einer eingehenden Überprüfung Rumäniens zu untersuchen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 5,8 % im Jahr 2022 und 1,8 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch. Im Jahresvergleich stieg sie im September auf 13,4 %, wobei die Kerninflation auf 6,5 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Rumänien zeigt, dass im Jahr 2021 drei Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich der Leistungsbilanzsaldo, der Nettoauslandsvermögensstatus und das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Bedenken in Bezug auf die außenwirtschaftliche Tragfähigkeit haben sich weiter verschärft. Das Leistungsbilanzdefizit wuchs 2021 auf 7,3 % des BIP und dürfte sich 2022 weiter verschlechtern. Der Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS) verbesserte sich 2021 aufgrund des starken nominalen BIP-Wachstums und einiger positiver Bewertungseffekte leicht auf -47,2 % des BIP und dürfte sich 2022 weiter verbessern, bevor er sich 2023 wieder verschlechtert. Der NAVS ausschließlich Instrumenten ohne Ausfallrisiko blieb negativ, aber nahezu ausgeglichen. 

·Die Bedenken in Bezug auf die Kostenwettbewerbsfähigkeit, die bereits vor der COVID-19-Pandemie bestanden, mehren sich. Angesichts der hohen Inflation, des Arbeitskräftemangels und der starken Nominallohnerhöhungen sind die nominalen Lohnstückkosten 2021 nur leicht gestiegen und dürften 2022 und darüber hinaus noch deutlicher zunehmen. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs blieb im Jahr 2021 weitgehend unverändert und zeigte sich auch im Jahresvergleich bis August 2022 weitgehend stabil.

·Die Bedenken in Bezug auf die Entwicklungen der Wohnimmobilienpreise halten sich in Grenzen. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise verlangsamte sich 2021 von 4,7 % auf 4,4 %. Im Jahresvergleich beschleunigte sich das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 auf 8,5 %. Die Parameter der Bewertungslücke zeigen keine Anzeichen einer möglichen Überbewertung der Wohnimmobilienpreise.

·Die Risiken im Zusammenhang mit dem gesamtstaatlichen Schuldenstand steigen. Das gesamtstaatliche Defizit hat sich verbessert, bleibt aber mit 7,1 % des BIP im Jahr 2021 hoch. Es dürfte weiter schrumpfen. Der gesamtstaatliche Schuldenstand ist bis 2021 auf 48,9 % des BIP gestiegen und dürfte in diesem und im nächsten Jahr leicht sinken. Er liegt nach wie vor weit über dem Stand von vor der COVID-19-Pandemie. Die Renditen von Staatsanleihen gehören zu den höchsten in der EU. Die Währungsrisiken sind hoch, da Ende 2021 etwa die Hälfte der Staatsschulden auf Fremdwährungen lautete und etwa 50 % der Staatsschulden von Gebietsfremden gehalten werden. Die Risiken für die Tragfähigkeit der Finanzen sind auf mittlere Sicht hoch und auf lange Sicht moderat.

·Der Bankensektor ist stabil. Die Quote notleidender Kredite sank 2021 auf 3,4 % der Kredite insgesamt. Die harte Kernkapitalquote liegt nah am EU-Durchschnitt, und die Rentabilität ist sehr hoch. Nach der Verschärfung der Geldpolitik sind die Zinssätze in den Jahren 2021 und 2022 deutlich gestiegen.

Abbildung 3.23.1:    Ausgewählte Abbildungen: Rumänien

Quelle: Eurostat, Comext und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.23.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Rumänien

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.24 SLOWENIEN

In Slowenien bestehen nach wie vor Bedenken hinsichtlich der Entwicklungen der Wohnimmobilienpreise und des gesamtstaatlichen Defizits, obwohl die damit verbundenen Risiken begrenzt zu sein scheinen. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise gehört zu den höchsten in der EU, aber die Wohnimmobilienpreise zeigen keine Anzeichen einer möglichen Überbewertung. Versorgungsengpässe und eine hohe Inflation können die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstum mittelfristig beeinträchtigen. Das gesamtstaatliche Defizit ist weiterhin hoch.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission keine eingehende Überprüfung durchgeführt und keine makroökonomischen Ungleichgewichte für Slowenien festgestellt. Die Kommission hält es in diesem Jahr nicht für erforderlich, eine weitere eingehende Überprüfung für Slowenien durchzuführen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 6,2 % im Jahr 2022 und 0,8 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch. Im Jahresvergleich sank sie im Oktober auf 10,3 %, wobei die Kerninflation auf 6,6 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Slowenien zeigt, dass im Jahr 2021 vier Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten, das Wachstum der realen Wohnimmobilienpreise, der gesamtstaatliche Schuldenstand und die Veränderung der Jugendarbeitslosenquote. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Bedenken hinsichtlich der außenwirtschaftlichen Tragfähigkeit sind nicht sonderlich groß. Nach mehreren Jahren mit sehr hohen Überschüssen sank die Leistungsbilanz im Jahr 2021 auf 3,8 % des BIP. Die Hauptursache war die rückläufige Warenhandelsbilanz, darunter in geringerem Umfang auch in Bezug auf Energieerzeugnisse. Die Leistungsbilanz wird voraussichtlich weiter sinken und 2022 ins Negative fallen. Der Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS) nahm weiter zu und erreichte 2021 -6,8 % des BIP; er dürfte bis 2024 ausgeglichen sein. Der NAVS ausschließlich Instrumenten ohne Ausfallrisiko ist geringfügig positiv.

·Die Kostenwettbewerbsfähigkeit gibt noch keinen Anlass zu großen Sorgen. Das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten hat sich 2021 deutlich abgeschwächt und dürfte 2022 ins Negative umschlagen. Für das Jahr 2023 wird ein Anstieg der Lohnstückkosten erwartet. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat 2021 eine geringfügige Abwertung erfahren. Im Jahresvergleich hat er bis August 2022 an Wert verloren.

·Das sehr hohe Wachstum der Wohnimmobilienpreise bereitet stets Sorgen. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise beschleunigte sich von 4,6 % im Jahr 2020 auf 11,5 % im Jahr 2021. Diese Wachstumsrate ist eine der höchsten in der EU. Im Jahresvergleich lag das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 bei 15,6 %. Die Parameter der Bewertungslücke zeigen keine Anzeichen einer möglichen Überbewertung der Wohnimmobilienpreise. Die jüngsten Transaktionsdaten deuten auf einen möglichen Konjunkturrückgang hin.

·Die Dynamik des gesamtstaatlichen Schuldenstands gibt trotz der Verbesserungen weiterhin Anlass zur Sorge. Der gesamtstaatliche Schuldenstand sank bis 2021 auf 74,5 % des BIP und dürfte weiter schrittweise sinken. Das gesamtstaatliche Defizit ist nach wie vor hoch, sank aber bis 2021 auf 4,7 % des BIP. Für 2022 wird ein weiterer Rückgang, für 2023 jedoch ein Anstieg prognostiziert. Die Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sind sowohl mittel- als auch langfristig aufgrund der ungünstigen budgetären Ausgangsposition und der Bevölkerungsalterung hoch.

·Der Bankensektor ist nach wie vor stabil. Die Kapitalausstattung liegt zwar unter dem EU-Durchschnitt, aber die Rentabilität ist 2021 gestiegen und übertrifft jetzt deutlich den EU-Durchschnitt. Die Quote notleidender Kredite ist in den letzten Jahren erheblich gesunken und hält sich auf einem niedrigen Niveau.

Abbildung 3.24.1:    Ausgewählte Abbildungen: Slowenien

Quelle: Eurostat, AMECO und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.24.1:    Ausgewählte Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Slowenien

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.25 SLOWAKEI

In der Slowakei gab es bereits vor der COVID-19-Pandemie Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit und der Entwicklung der Wohnimmobilienpreise. Das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten wird sich voraussichtlich beschleunigen, und die Kerninflation ist im Vergleich zu den anderen Ländern des Euro-Währungsgebiets sehr hoch. Das starke Wachstum der Wohnimmobilienpreise hält an und geht mit einem anhaltenden Anstieg der Schuldenquote der privaten Haushalte in den letzten Jahren einher. Das Leistungsbilanzdefizit nimmt stark zu. Das hohe gesamtstaatliche Defizit bedarf einer aufmerksamen Überwachung.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission keine eingehende Überprüfung durchgeführt und keine makroökonomischen Ungleichgewichte für die Slowakei festgestellt. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, neu auftretende Anfälligkeiten und ihre Auswirkungen auf die Slowakei eingehend zu überprüfen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 1,9 % im Jahr 2022 und 0,5 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist sehr hoch, auch im Vergleich zu vielen Handelspartnern im Euro-Währungsgebiet. Im Jahresvergleich stieg sie im September auf 14,5 %, wobei die Kerninflation auf 9,3 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für die Slowakei zeigt, dass im Jahr 2021 fünf Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich der Nettoauslandsvermögensstatus, das Wachstum der nominalen Lohnstückkosten, der gesamtstaatliche Schuldenstand, das Wachstum der Verbindlichkeiten des Finanzsektors und die Änderung der Jugendarbeitslosenquote. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Aussichten für die außenwirtschaftliche Tragfähigkeit haben sich verschlechtert. Die Leistungsbilanz wies im Jahr 2021 ein Defizit von -2,5 % des BIP auf. Es wird erwartet, dass sie sich in diesem Jahr deutlich verschlechtern und stark negativ bleiben wird, was sowohl auf die Energiebilanz als auch auf den beträchtlichen Rückgang der Bilanz für nichtenergetische Erzeugnisse zurückzuführen ist. Die leichte Verbesserung des Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS), der 2021 bei -61 % des BIP lag, war auf das BIP-Wachstum und einige positive Bewertungseffekte zurückzuführen. Für 2022 wird eine leichte Verschlechterung prognostiziert, bevor wieder eine Verbesserung eintreten dürfte. Der Großteil des NAVS besteht aus Direktinvestitionen, wodurch sich die Sorgen in Bezug auf die außenwirtschaftliche Position in Grenzen halten.

·Die Bedenken in Bezug auf die Kostenwettbewerbsfähigkeit, die bereits vor der COVID-19-Pandemie bestanden, mehren sich. Die nominalen Lohnstückkosten stiegen im Jahr 2021 – wenn auch weniger stark als in den Vorjahren –, dürften aber auch in den Jahren 2022 und 2023 vor dem Hintergrund der hohen Kerninflation in der Slowakei und der starken Nominallohnerhöhungen weiter stark ansteigen. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs blieb im Jahr 2021 weitgehend unverändert und war im Jahresvergleich bis August 2022 auch größtenteils stabil.

·Die Schuldenquote der privaten Haushalte liegt über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert und nah am aufsichtlichen Referenzwert. Der Schuldenstand der privaten Haushalte ist im Vergleich zu den anderen Ländern der EU deutlich höher und liegt bei fast 50 % des BIP. Die Nettokreditflüsse an private Haushalte waren 2021 mit rund 4 % des BIP relativ dynamisch und werden im Jahr 2022 voraussichtlich steigen. Die Schuldenquote der privaten Haushalte blieb in der ersten Hälfte des Jahres 2022 weitgehend unverändert. Der Anteil der notleidenden Kredite bei privaten Haushalten ist niedrig und ging 2021 weiter zurück.

·Die Entwicklungen der Wohnimmobilienpreise geben weiterhin Anlass zur Sorge. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise verlangsamte sich von 9,6 % im Jahr 2020 auf 6,4 % im Jahr 2021. Im Jahresvergleich stieg das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 auf 16,6 %. Die Wohnimmobilienpreise werden im Jahr 2021 schätzungsweise um 14 % überbewertet sein. Die Hypothekarkredite haben sich sehr dynamisch entwickelt und stellen eine Risikoquelle dar. Der Anstieg der Wohnimmobilienpreise war vor allem in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 beträchtlich.

·Die Risiken im Zusammenhang mit dem gesamtstaatlichen Schuldenstand sind kurzfristig begrenzt. Der gesamtstaatliche Schuldenstand stieg 2021 auf 62,2 % des BIP und überschritt damit zum ersten Mal den Scoreboard-Schwellenwert. Er dürfte in Zukunft weiter leicht abnehmen und im Jahr 2022 wieder unter 60 % des BIP fallen, was immer noch 12 Prozentpunkte höher ist als im Jahr 2019. Das gesamtstaatliche Defizit hat sich seit der Pandemie verschlechtert und erreichte im Jahr 2021 einen Wert von 5,5 %. Für 2022 wird ein Rückgang des gesamtstaatlichen Defizits prognostiziert, im Jahr 2023 dürfte es sich aber wieder ausweiten. Die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sind sowohl mittel- als auch langfristig hoch, was auf die langfristige Schuldenentwicklung und die zunehmenden Kosten der Bevölkerungsalterung zurückzuführen ist.

Abbildung 3.25.1: Ausgewählte Abbildungen: Slowakei

 

Quelle: Eurostat, AMECO und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.25.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Slowakei

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.26 FINNLAND

In Finnland ist der Schuldenstand der privaten Haushalte hoch, obwohl die damit verbundenen Risiken begrenzt zu sein scheinen. Fast alle Wohnungsdarlehen sind variabel verzinst, wodurch die privaten Haushalte dem Risiko möglicher höherer Zinssätze ausgesetzt sind. Das Bankensystem scheint stabil und resilient zu sein, trotz erheblicher grenzübergreifender Risikopositionen, insbesondere gegenüber anderen nordischen Ländern.

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission keine eingehende Überprüfung durchgeführt und keine makroökonomischen Ungleichgewichte für Finnland festgestellt. Die Kommission hält es in diesem Jahr nicht für erforderlich, eine weitere eingehende Überprüfung Finnlands durchzuführen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 2,3 % im Jahr 2022 und 0,2 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch, wenn auch niedriger als in den anderen Ländern des Euro-Währungsgebiets. Im Jahresvergleich sank die Inflation im Oktober auf 8,3 %, wobei die Kerninflation auf 4,4 % geschätzt wird. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Finnland zeigt, dass im Jahr 2021 zwei Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich der Schuldenstand des privaten Sektors und der gesamtstaatliche Schuldenstand. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Bedenken hinsichtlich der Kostenwettbewerbsfähigkeit sind begrenzt. Die nominalen Lohnstückkosten stiegen 2021 weiter an und dürften weiter steigen, obwohl die Kerninflation in Finnland niedriger ist als in vielen anderen Ländern des Euro-Währungsgebiets. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat 2021 eine leichte Abwertung erfahren. Im Jahresvergleich hat er bis August 2022 an Wert verloren.

·Die Schuldenquote der privaten Haushalte liegt nach wie vor über dem aufsichtlichen Referenzwert sowie über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert, ist jedoch im Jahr 2021 gesunken. In der ersten Jahreshälfte 2022 ist er weitgehend stabil geblieben, da die Nettokreditflüsse voraussichtlich moderat bleiben werden. Das nominale BIP-Wachstum dürfte den Abbau von Ungleichgewichten im Jahr 2022 noch unterstützen. Die notleidenden Schuldtitel der Haushalte sind nach wie vor gering. Praktisch alle Wohnungsdarlehen sind variabel verzinst.

·Die Entwicklungen der Wohnimmobilienpreise geben weiterhin kaum Anlass zur Sorge. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise weitete sich 2021 auf 4,6 % aus. Im Jahresvergleich lag das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 bei 2,2 %. Die Parameter der Bewertungslücke zeigen keine Anzeichen einer möglichen Überbewertung der Wohnimmobilienpreise.

·Die Risiken im Zusammenhang mit dem gesamtstaatlichen Schuldenstand sind begrenzt. Er sank 2021 auf 72,4 % des BIP und wird sich den Prognosen zufolge in etwa auf diesem Niveau stabilisieren, verbleibt aber über dem Niveau von 2019. Das gesamtstaatliche Defizit nahm 2021 ab und sank auf 2,7 % des BIP. Es dürfte sich weiter verringern. Mittel- und langfristig bestehen moderate Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.

·Der Bankensektor ist weiterhin stabil und resilient. Die harte Kernkapitalquote lag 2021 deutlich über dem EU-Durchschnitt, und die Rentabilität war hoch. Die Quote notleidender Kredite ist sehr niedrig und ist 2021 weiter zurückgegangen. Die Risiken für die finanzielle Stabilität sind gering, wenngleich erhebliche grenzübergreifende Risikopositionen, insbesondere gegenüber anderen nordischen Ländern, bestehen.

Abbildung 3.26.1:    Ausgewählte Abbildungen: Finnland

Quelle: Eurostat, AMECO und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.26.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Finnland

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

3.27 SCHWEDEN

In Schweden geben das anhaltend hohe Wachstum der Wohnimmobilienpreise und die hohen Schuldenstände der privaten Haushalte und der Unternehmen weiterhin Anlass zur Sorge. Das nominale Wachstum der Wohnimmobilienpreise ist zwar rückläufig, bleibt aber angesichts einer geschätzten Überbewertung der Wohnimmobilienpreise hoch.  

In der letzten MIP-Runde hat die Kommission eine eingehende Überprüfung durchgeführt und kam zu dem Schluss, dass in Schweden makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Die Kommission hält es in diesem Jahr für angebracht, das Fortbestehen von Ungleichgewichten oder deren Abbau im Rahmen einer eingehenden Überprüfung Schwedens zu untersuchen.

Das reale BIP-Wachstum wird auf 2,9 % im Jahr 2022 und -0,6 % im Jahr 2023 prognostiziert. Die Inflation ist hoch, wenn auch etwas niedriger als in vielen anderen Ländern der EU, und das angesichts einer erheblichen Verschärfung der Geldpolitik. Im Jahresvergleich stieg sie im September auf 10,3 %, mit einer Kerninflation von 5,8 %. Die Preise dürften schneller steigen als die Löhne.

Die Auslegung des Scoreboards für Schweden zeigt, dass im Jahr 2021 vier Indikatoren über ihren indikativen Schwellenwerten lagen, nämlich das Wachstum der realen Wohnimmobilienpreise, die Kreditflüsse des privaten Sektors, die Privatverschuldung und die Veränderung der Jugendarbeitslosenquote. Die wirtschaftliche Auslegung des Scoreboards weist auf die folgenden relevanten Entwicklungen hin:

·Die Entwicklungen der Kostenwettbewerbsfähigkeit scheinen derzeit keinen Anlass zu Bedenken zu geben. Die nominalen Lohnstückkosten stiegen im Jahr 2021 nur geringfügig, werden aber voraussichtlich in den Jahren 2022 und 2023 stärker zulegen. Der auf dem HVPI basierende reale effektive Wechselkurs hat 2021 dennoch eine Aufwertung erfahren. Im Jahresvergleich hat er jedoch bis August 2022 deutlich an Wert verloren. Der nominale Wechselkurs hat im Jahr 2022 eine Abwertung erfahren. Der solide Leistungsbilanzüberschuss mindert die Risiken großer Währungsschwankungen. Der Überschuss ging auf 5,4 % des BIP zurück und dürfte bis 2022 weiter sinken. Der Nettoauslandsvermögensstatus ist positiv und wird voraussichtlich steigen.

·Die Schuldenquote der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften gehört nach wie vor zu den höchsten in der EU und stieg im Jahr 2021 auf 123 %. Sie liegt über dem aufsichtlichen Referenzwert sowie über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert und übersteigt ihren Wert von 2019 um 11 Prozentpunkte. Der hohe Anteil der grenzüberschreitenden konzerninternen Kreditvergabe an der Unternehmensverschuldung verringert die Risiken. Die Verschuldung der Unternehmen wird durch hohe und wachsende Liquiditätspuffer der Unternehmen flankiert, wodurch die Risiken gemindert werden, wenngleich Teile des Unternehmenssektors von Energiepreis- und Zinssteigerungen betroffen sind. Die Kreditflüsse an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften sind gemessen in Prozent des BIP hoch. In Bezug auf gewerbliche Immobilien bestehen besondere Bedenken, auch wegen der Art ihrer Finanzierung.

·Die Schuldenquote der privaten Haushalte ist nach wie vor unter den höchsten in der EU und liegt sowohl über dem aufsichtlichen Referenzwert als auch über dem auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwert. Sie ist im Jahr 2021 gesunken und hat sich in der ersten Jahreshälfte 2022 aufgrund der dynamischen Nettokreditflüsse erneut leicht verringert. Im Verhältnis zum BIP der privaten Haushalte ist die Verschuldung der privaten Haushalte seit 2013 stetig gewachsen und erreichte 2021 nahezu 190 % des BIP. Der Anteil der notleidenden Schuldtitel der Haushalte ist zwar nach wie vor gering, aber die Schuldendienstkosten steigen mit den Zinssätzen rapide an. Mehr als zwei Drittel der Hypotheken sind variabel verzinst, mit einer Zinsbindung von nur maximal einem Jahr.

·Das sehr hohe Wachstum der Wohnimmobilienpreise bereitet stets Sorgen. Das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise beschleunigte sich von 4,2 % auf 10,1 % im Jahr 2021 und stieg damit im EU-weiten Vergleich mit am schnellsten. Im Jahresvergleich verlangsamte sich das Wachstum der nominalen Wohnimmobilienpreise im zweiten Quartal 2022 auf 7,1 %. Die Wohnimmobilienpreise werden im Jahr 2021 schätzungsweise um 35 % überbewertet sein; dies ist einer der höchsten Werte in der EU. Die Wohnimmobilienpreise sind seit Mitte 2022 infolge der gestiegenen Zinssätze und Energiepreise deutlich gesunken, wodurch die Finanzen der privaten Haushalte aufgrund des nach wie vor hohen Schuldenstands unter Druck geraten.

·Der Bankensektor ist nach wie vor gesund. Die harte Kernkapitalquote liegt nah am EU-Durchschnitt, und die Rentabilität ist sehr hoch. Der Anteil der notleidenden Kredite ist sehr gering. Die Kreditvergabe sowohl an Unternehmen als auch an private Haushalte ist verglichen mit den anderen Ländern der EU am höchsten und hat bis 2021 weiter zugenommen. Die sich abzeichnende Korrektur der Wohnimmobilienpreise und die veränderten Bedingungen für gewerbliche Immobilien stellen eine Herausforderung für den Finanzsektor dar. Zudem ist der Sektor bei der Finanzierung stark auf die internationalen Märkte und die Interbankenkredite zwischen schwedischen Banken angewiesen, wodurch der Bankensektor globalen Marktrisiken ausgesetzt ist. 

Abbildung 3.27.1:    Ausgewählte Abbildungen: Schweden

Quelle: Eurostat, Bilanz des Sektors der monetären Finanzinstitute der EZB und Kommissionsdienststellen.

Tabelle 3.27.1:    Wichtige Wirtschafts- und Finanzindikatoren – Schweden

 

Anmerkungen: Siehe Anhang 1.

Quelle: Kommissionsdienststellen, Eurostat und EZB; Europäische Kommission für prognostizierte Zahlen (Herbstprognose 2022).

Anhang 1: Anmerkung zu den Tabellen des Länderteils

Tabelle A1.1:    Anmerkungen zu den Tabellen des Länderteils

 

Quelle: Kommissionsdienststellen.

Anhang 2: Prognosen und Gegenwartsprognosen für die Indikatoren des Scoreboards

Um die zukunftsorientierten Elemente im Scoreboard zu verbessern, beruht die Analyse des WMB auch, wann immer möglich, auf Prognosen für 2022 und darüber hinaus. Diese Zahlen beruhen soweit möglich auf der Herbstprognose 2022 der Kommission. Abgesehen davon geben die Zahlen zumeist die Prognosen wieder, die die Kommissionsdienststellen für diesen WMB erstellt haben.

Die nachstehende Tabelle bietet einen Überblick über die Annahmen, die den Prognose-Zahlen für die Leitindikatoren des Scoreboards zugrunde liegen. Die BIP-Angaben, die in einigen Verhältniszahlen als Nenner verwendet werden, stammen aus der Herbstprognose 2022 der Kommission.

Bei mehrjährigen Veränderungsraten (wie der Fünfjahresveränderung der Exportmarktanteile) beruht allein die Komponente 2022–2023 auf Prognosen, während die Komponenten, die sich auf 2021 oder frühere Jahre beziehen, auf den dem MIP-Scoreboard zugrunde liegenden Eurostat-Daten basieren.

Tabelle 1: Ansätze für Prognosen und Gegenwartsprognosen für Leitindikatoren des

MIP-Scoreboards

Indikator

Vorgehen

Datenquellen

Leistungsbilanz in Prozent des BIP (Dreijahresdurchschnitt)

Werte aus der Herbstprognose 2022 der Kommission für die Leistungsbilanz (Zahlungsbilanzkonzept)

AMECO

Nettoauslandsvermögensstatus in Prozent des BIP

Prognose der Kommissionsdienststellen auf der Grundlage der Herbstprognose 2022 der Kommission für den Finanzierungssaldo der Gesamtwirtschaft

Kommissionsdienststellen

Realer effektiver Wechselkurs – 42 Handelspartner, HVPI-Deflator (Dreijahresveränderung in Prozent)

Werte auf der Grundlage der Herbstprognose 2022 der Kommission

AMECO

Exportmarktanteil in Prozent der weltweiten Ausfuhren (Fünfjahresveränderung in Prozent)

Diese Zahlen beruhen auf der Herbstprognose 2022 der Kommission in Bezug auf: i) die nominale Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen durch die Mitgliedstaaten (Konzept der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung) und ii) die mengenmäßige Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen durch die verbleibenden Teile der Welt, aus denen die Kommission anhand des US-Import-Deflators und des prognostizierten EUR/USD-Wechselkurses das nominale Niveau ermittelt.

AMECO

Index der nominalen Lohnstückkosten (Dreijahresveränderung in Prozent, 2010 = 100)

Werte aus der Herbstprognose 2022 der Kommission

AMECO

Deflationierter Wohnimmobilienpreisindex (Veränderung zum Vorjahr in Prozent, 2015 = 100)

Prognose der Kommissionsdienststellen

Kommissionsdienststellen

Konsolidierte Kreditflüsse des privaten Sektors (in Prozent des BIP)

Prognose der Kommissionsdienststellen

Kommissionsdienststellen

Konsolidierte Verschuldung des privaten Sektors (in Prozent des BIP)

Prognose der Kommissionsdienststellen

Kommissionsdienststellen

Gesamtstaatlicher Bruttoschuldenstand (in Prozent des BIP)

Werte aus der Herbstprognose 2022 der Kommission

AMECO

Arbeitslosenquote (Dreijahresdurchschnitt)

Werte aus der Herbstprognose 2022 der Kommission

AMECO

Nichtkonsolidierte Gesamtverbindlichkeiten des Finanzsektors (Veränderung zum Vorjahr in Prozent)

Prognose der Kommissionsdienststellen

Kommissionsdienststellen

Erwerbsquote in Prozent der Gesamtbevölkerung im Alter von 15 bis 64 Jahren (Dreijahresveränderung in Prozentpunkten)

Prognose der Kommissionsdienststellen

Kommissionsdienststellen

Anhang 3: MIP-Scoreboard



(1) () Zu den Überlegungen zum Aufbau des WMB-Scoreboards und seiner Auslegung siehe Europäische Kommission (2016), „The Macroeconomic Imbalance Procedure. Rationale, Process, Application: A Compendium“, European Economy, Institutional Paper 039, November 2016.
(2) () Der Stichtag für die Scoreboard-Daten, d. h. das Datum, an dem die Daten für die Erstellung dieses Berichts aus der Eurostat-Datenbank extrahiert wurden, war der 21. Oktober 2022. Für alle anderen Daten war der Stichtag der 3. November 2022.
(3) () Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen mit dem Titel „Communication on orientations for a reform of the EU economic governance framework“ (Mitteilung über Leitlinien für eine Reform des Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung der EU) (COM(2022) 583 final). 
(4) ()    Europäische Kommission (2022), europäische Wirtschaftsprognosen, Herbst 2022, Institutional Paper 187, November 2022. Ab 2022 entsprechen die jährlichen Zahlen den Prognosen der Europäischen Kommission.
(5) ()    Siehe Buelens, C. und Zdarek, V. (2022), „Euro area inflation shaped by two years of COVID-19 pandemic“, Vierteljahresbericht über das Euro-Währungsgebiet, Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen (GD ECFIN), Europäische Kommission, Bd. 21, Nr. 1, S. 7–20, um eine Analyse der Inflation im Euro-Währungsgebiet vor der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine einzusehen.
(6) ()    Siehe auch Reis, R. (2022), „The Burst of High Inflation in 2021-22: How and Why Did We Get Here?“, Diskussionspapier SP17514 des CEPR, für eine Diskussion über die Rolle der schnellen Erholung als Treiber der Inflation.
(7) ()    Siehe auch Tschechische Nationalbank (2022), Geldpolitischer Bericht vom Sommer 2022, Kasten 1.
(8) ()    Laut Eurostat bezieht sich die Unterauslastung des Arbeitsmarkts auf die Summe aller nicht erfüllten Anforderungen des Arbeitsmarktes und umfasst vier Gruppen: 1) Arbeitslose nach der Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), 2) nicht ausgelastete Teilzeitbeschäftigte (d. h. Teilzeitbeschäftigte, die mehr arbeiten möchten), 3) Personen, die für eine Beschäftigung zur Verfügung stehen, aber keine Beschäftigung suchen, und 4) Personen, die eine Beschäftigung suchen, aber nicht für eine Beschäftigung zur Verfügung stehen.
(9) ()    https://www.ecb.europa.eu/pub/economic-bulletin/focus/2022/html/ecb.ebbox202202_01~272e32f7f4.de.html
(10) ()    https://ihsmarkit.com/research-analysis/flash-pmi-data-to-highlight-recession-risks-and-varying-inflation-trends-at-start-of-fourth-quarter-October2022.html
(11) ()    Die Arbeitnehmer, die nach Regelungen zum Erhalt von Arbeitsplätzen wieder in Arbeit kommen und keine Löhne, sondern direkte Transferleistungen erhalten haben, führen aufgrund der Verschiebung ihrer Vergütung zu einer Erhöhung der geschätzten Lohnstückkosten.
(12) ()    Siehe Honohan, P. und Lane, P. R. (2003), „Divergent inflation rates in EMU“, Economic Policy, 18(37), S. 357–394, und Angeloni, I. und Ehrmann, M. (2007), „Euro area inflation differentials“, The BE Journal of Macroeconomics, 7(1).
(13) ()    Der vom Rat festgelegte Umrechnungskurs beträgt 7,53450 HKR/EUR. VERORDNUNG (EU) 2022/1208 DES RATES vom 12. Juli 2022 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2866/98 in Bezug auf den Euro-Umrechnungskurs für Kroatien.
(14) ()    Eine ausführlichere Diskussion findet sich in dem Bericht der Europäischen Kommission über die Arbeitsmarkt- und Lohnentwicklung in Europa von 2022 (in Vorbereitung).
(15) ()    Während der COVID-19-Rezession ging die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden bei den Leiharbeitnehmern vor allem durch den Abbau von Arbeitsplätzen zurück, während sie bei den Festangestellten durch einen Rückgang der Arbeitsstunden pro Arbeitnehmer entstand.
(16) ()    Leistungsbilanzen, die mit den Fundamentaldaten im Einklang stehen (Leistungsbilanz-Standard), werden mittels Reduced-Form-Regressionen ermittelt, die die wichtigsten Determinanten für den Saldo aus Ersparnissen und Investitionen erfassen, einschließlich fundamentaler Determinanten, politischer Faktoren und der globalen finanziellen Bedingungen. Zur Beschreibung der Methodik für die Berechnung der auf Fundamentaldaten basierenden Leistungsbilanz, die in diesem WMB verwendet wurde, siehe Coutinho, L. et al. (2018), „Methodologies for the assessment of current account benchmarks“, European Economy, Diskussionspapier 86, 2018; die Methodik ist verwandt mit der von Phillips, S. et al. (2013), „The External Balance Assessment (EBA) Methodology“, IWF-Arbeitspapier, 13/272.
(17) ()    Die Energiebilanz entspricht der Warenhandelsbilanz unter der Position 3 – Mineralische Brennstoffe, Schmiermittel und verwandte Erzeugnisse des Internationalen Warenverzeichnisses für den Außenhandel (SITC).
(18) ()    Der Referenzwert „NAVS-stabilisierende Leistungsbilanz“ wird definiert als Leistungsbilanz, die erforderlich ist, um den NAVS in den nächsten zehn Jahren auf dem aktuellen Stand zu stabilisieren. Die Leistungsbilanz, die erforderlich ist, um ein bestimmtes NAVS-Ziel zu erreichen, ist diejenige, die erforderlich ist, um den aufsichtlichen Schwellenwert in den nächsten 10 Jahren zu erreichen oder um die Lücke zum NAVS im Einklang mit den Fundamentaldaten zu halbieren, je nachdem, welcher Wert höher ist. Die aufsichtlichen NAVS-Schwellenwerte werden mit Blick auf die Maximierung der Eignung für die Vorhersage von Zahlungsbilanzkrisen unter Berücksichtigung der nach Pro-Kopf-Einkommen zusammengefassten länderspezifischen Informationen bestimmt. Die gemäß den Fundamentaldaten zu erwartenden NAVS (NAVS-Standards) werden durch zeitliche Kumulation der Werte der Leistungsbilanz-Standards ermittelt. Zur Methodik für die Berechnung der aufsichtlichen NAVS-Schwellenwerte und der Fundamentaldaten siehe Turrini, A. und Zeugner, S. (2019), „Benchmarks for Net International Investment Positions“, European Economy, Diskussionspapier 097/2019.
(19) ()    Aus einer neueren Analyse des IWF geht hervor, dass die Risiken einer Lohn-Preis-Spirale relativ begrenzt sein könnten. Grundlage für diese Schlussfolgerung sind Vergleiche der aktuellen Entwicklung von Inflation, Löhnen und Arbeitslosigkeit mit ähnlichen historischen Episoden in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Dabei gilt der Vorbehalt, dass diese Episoden nicht unbedingt repräsentativ für die aktuellen Ereignisse sein müssen, insbesondere angesichts der besonderen Art des COVID-19-Schocks. Außerdem lässt die Analyse die Entwicklungen im Jahr 2022 unerwähnt, in dem der Energiepreisschock in den meisten EU-Ländern mit voller Wucht einsetzte. Siehe IWF (2022), „Wage dynamics post-COVID-19 and wage-price spiral risks“ in: World Economic Outlook: Countering the cost-of-living crisis. Kapitel 2, Oktober 2022.
(20) ()    Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen SWD(2022) 382 mit dem Titel „2023 Report on the euro area accompanying the Recommendation for a Council Recommendation on the economic policy of the euro area“ (Bericht von 2023 über das Euro-Währungsgebiet, der der Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets beigefügt ist).
(21) ()    Siehe Ehrmann, E. et al. (2018), „Measures of underlying inflation for the euro area“, Economic Bulletin der EZB, Bd. 4/2018.
(22) ()    Die Europäische Kommission hat in Zusammenarbeit mit der EPC-Arbeitsgruppe LIME länderspezifische Schulden-Referenzwerte entwickelt: Europäische Kommission, „Benchmarks for the assessment of private debt“, Vermerk für den Ausschuss für Wirtschaftspolitik (EPC), ARES(2017) 4970814, und Bricongne, J.-C., Coutinho, L., Turrini, A. und Zeugner, S. (2020), „Is Private Debt Excessive?“, Open Economies Review, 3, 471–512. Mit den auf Fundamentaldaten beruhenden Referenzwerten wird die Verschuldung der privaten Haushalte anhand von Regressionen bewertet, bei denen die wichtigsten Bestimmungsfaktoren des Kreditwachstums erfasst und Schulden in einer bestimmten Ausgangshöhe berücksichtigt werden. Die aufsichtlichen Schwellenwerte stellen den Schuldenstand dar, bei dessen Überschreitung die Wahrscheinlichkeit einer Bankenkrise relativ hoch ist, indem die Wahrscheinlichkeit einer verpassten Krise und von Fehlalarmen minimiert wird.
(23) ()    Europäische Zentralbank (2022), Financial Stability Review, Mai 2022. Daten für 2021, abrufbar unter https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/fsr/ecb.fsr202205~f207f46ea0.en.pdf.
(24) ()    Siehe Archanskaia, L., Nikolov, P. und Simons, W. (2022), „Estimates of corporate cleansing during COVID-19 – using firm-level data to measure its productivity impact“, Quarterly Report on the Euro Area (Quartalsbericht über das Euro-Währungsgebiet), Bd. 21, Nr. 2 (2022).
(25) ()    Bewertungslücken bei den Wohnimmobilien werden in Bezug auf Referenzwerte berechnet, damit länderspezifische Effekte erfasst werden können. Die Bewertungslücken werden anhand der Abweichungen bei verschiedenen Referenzwerten ermittelt: i) Abweichung des Preis-Einkommen-Verhältnisses von seinem langfristigen Durchschnitt; ii) Abweichung des Preis-Miete-Verhältnisses von seinem langfristigen Durchschnitt; ii) Abweichung von regressionsbasierten Referenzwerten unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Eckdaten zu Angebot und Nachfrage (siehe Philiponnet, N. und Turrini, A. (2017), „Assessing House Price Developments in the EU“, Diskussionspapier der Europäischen Kommission 048, Mai 2017).
(26) ()    Siehe Fußnote 22.
(27) ()    ESRB (2016), „Vulnerabilities in the EU residential real estate sectors“, November 2016, ESRB (2019), „Vulnerabilities in the residential real estate sectors of the EEA countries“, September 2019 und ESRB (2022), „Vulnerabilities in the residential real estate sectors of the EEA countries“, Februar 2022.
(28) ()    Bulgarien hat über eine Currency-Board-Regelung einen festen Wechselkurs gegenüber dem Euro und nimmt seit Juli 2020 am WKM II teil.
(29) ()    Die Gesamteinstufung der Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen beruht auf der Frühjahrsprognose 2022 der Kommission (die auch im Länderteil dieses Warnmechanismus-Berichts vorgestellt wird).
(30) ()    Europäische Kommission (2022): Bericht über die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, Institutional Paper 171.
(31) ()    EZB, Financial Stability Review, Mai 2022.
(32) ()    Schlüsselrisikoindikatoren der EBA.
(33) ()    Nach dem IFRS 9 müssen die betreffenden Unternehmen Finanzinstrumente nun in drei verschiedene Stufen einteilen, darunter „kein signifikantes Risiko“ (Stufe 1), „signifikanter Anstieg des Kreditrisikos“ (Stufe 2) und „mit beeinträchtigter Bonität“ (Stufe 3). Stufe 2 bezieht sich somit auf Darlehen, bei denen das Kreditrisiko seit ihrem erstmaligen Ansatz in der Bilanz signifikant gestiegen ist.
(34) ()    EZB, Supervisory Banking Data (Daten zur Bankenaufsicht).
(35) ()    Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hat im September 2022 ihre jährliche EU-weite Initiative zur Erhöhung der Transparenz 2022 eingeleitet und wird die Informationen über die Risikopositionen und die Aktiva-Qualität der Banken voraussichtlich Anfang Dezember zusammen mit dem Bericht zur Risikobewertung der EBA veröffentlichen.
(36) ()    Schlüsselrisikoindikatoren der EBA. Im Juli 2022 veröffentlichte die EBA ihren Entwurf für eine EU-weite Stresstest-Methodik für 2023, der mit der Branche diskutiert wird. Die Methodik deckt alle Risikobereiche ab und baut auf der für den EU-weiten Stresstest 2021 vorbereiteten Methodik auf, mit einigen methodischen Verbesserungen und einer größeren Stichprobe von Banken.
(37) ()    EBA-Risikodashboard, 2. Quartal 2022 und EZB, Supervisory Banking Statistics, 2. Quartal 2022.
(38) ()    EZB, Bank Lending Survey, 3. Quartal 2022.
(39) ()    ESRB(2022) 7.
(40) ()    EZB, Financial Stability Review, Mai 2022.
(41) ()    Die gewerblichen Immobilien machen mehr als 9 % der Risikopositionen der Banken im Euro-Währungsgebiet aus.  Im Euro-Währungsgebiet entfiel von dem 12,6%igen Wachstum der notleidenden Kredite zwischen dem vierten Quartal 2019 und dem zweiten Quartal 2022 fast die Hälfte (5,6 Prozentpunkte) auf Immobilien und freiberufliche Dienstleistungen. 
(42) ()    „Commercial real estate and financial stability – new insights from the euro area credit register”, ECB Macroprudential Bulletin, Ausgabe 19, Oktober 2022.
(43) ()    IMF (2022), „Global Financial Stability Report: Navigating the High-Inflation Environment“, Oktober 2022.
(44) ()    ESRB, Warning on vulnerabilities in the financial system of the EU (ESRB(2022) 7), Oktober 2022.
(45) ()    EBA-Risikodashboard, 2. Quartal 2022.
(46) ()    Es besteht eine große Diskrepanz zwischen den Daten der Zahlungsbilanz und der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zur Leistungsbilanz, wobei letztere für das Jahr 2021 einen beträchtlichen Überschuss aufweist, der allerdings deutlich niedriger ist als in den Jahren vor der Pandemie. Das Scoreboard und die Bewertungen im WMB beruhen auf den Daten der Zahlungsbilanz.
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