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Document 52024DC0600

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS, DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN UND DIE EUROPÄISCHEN INVESTITIONSBANK Europäisches Semester 2024 - Frühjahrspaket

COM/2024/600 final

Brüssel, den 19.6.2024

COM(2024) 600 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS, DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN UND DIE EUROPÄISCHEN INVESTITIONSBANK

Europäisches Semester 2024 - Frühjahrspaket


1. EINFÜHRUNG

In den vergangenen fünf Jahren hat die EU sich angesichts größerer Schocks als wirtschaftlich und sozial äußerst widerstandsfähig erwiesen, was vor allem auf die gute Abstimmung der politischen Maßnahmen zurückzuführen ist. Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben die sozioökonomischen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und den damit verbundenen Anstieg der Energiepreise und der Inflation erfolgreich bewältigt. Doch obwohl sich die Wirtschaft der EU nach der Pandemie deutlich erholt hat, haben die Folgen der Energiekrise, die durch den russischen Angriffskrieg ausgelöst wurde, 2023 zu einer spürbaren Verlangsamung geführt. Das Wachstum dürfte dann im Laufe dieses und des nächsten Jahres allmählich wieder anziehen. Das Europäischen Semester für die Koordinierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik hat die politischen Antworten unterstützt, mit denen eine nachhaltige Erholung erreicht sowie der grüne und der digitale Wandel vollzogen werden und gleichzeitig die Resilienz der EU gestärkt werden soll. Im Rahmen des Semesters wurde der individuelle Reform- und Investitionsbedarf der Mitgliedstaaten ermittelt, sowohl was seit Langem bestehende als auch neue Herausforderungen angeht, und es wurde ein Fahrplan für ihre Maßnahmen zur Bewältigung der COVID‑19‑Pandemie sowie der durch Energieversorgungprobleme und -preise bedingten Schocks aufgestellt. Die von der Kommission vorgeschlagenen und vom Rat im Rahmen des Europäischen Semesters gebilligten länderspezifischen Empfehlungen bildeten die Grundlage für die Programmplanung der Kohäsionspolitik und für die nationalen Aufbau- und Resilienzpläne, einschließlich der REPowerEU-Kapitel, die von den Mitgliedstaaten vorbereitet wurden, um die genannten Herausforderungen im Rahmen von NextGenerationEU zu bewältigen. Zudem kommt dem Semester auch weiterhin eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte und der Verwirklichung der Kernziele der EU für 2030 in den Bereichen Beschäftigung, Kompetenzen und Armutsbekämpfung zu.

Dank des Europäischen Semesters können die EU-Finanzierungsinstrumente gezielt und effizient zur Umsetzung der politischen Ziele der EU eingesetzt werden. Die laufende Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF), die auch die Aufnahme spezieller REPowerEU-Kapitel in die nationalen Aufbau- und Resilienzpläne umfasst, das Instrument für technische Unterstützung und der Einsatz von kohäsionspolitischen Mitteln tragen weiterhin entscheidend zur Gestaltung der Reform- und Investitionsagenden in allen Mitgliedstaaten bei. Wie im Jahresbericht zum nachhaltigen Wachstum dargelegt, werden im Zyklus 2024 des Europäischen Semesters Komplementaritäten und Synergien zwischen den verschiedenen EU-Finanzierungsinstrumenten und den Reform- und Investitionsmaßnahmen der Mitgliedstaaten untersucht und eine Bestandsaufnahme der laufenden Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne sowie der kohäsionspolitischen Programme vorgenommen. Aus der Aufbau- und Resilienzfazilität wurden bislang über 240 Mrd. EUR in Form von Zuschüssen und Darlehen an die Mitgliedstaaten ausgezahlt, was 37 % der insgesamt verfügbaren Mittel entspricht. Darüber hinaus wurden seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie mehr als 256 Mrd. EUR aus den Kohäsionsfonds gewährt. Wie aus den diesjährigen Länderberichten hervorgeht, haben diese Instrumente und andere EU-Finanzierungsprogramme die Erholung der EU im Hinblick auf eine grünere, digitalere, gerechtere und widerstandsfähigere Zukunft unterstützt, indem Arbeitsplätze geschaffen, die Wettbewerbsfähigkeit verbessert, die makroökonomische Stabilität erhöht sowie der territoriale und soziale Zusammenhalt gestärkt wurden. Darüber hinaus werden im Rahmen dieses Semesterzyklus Leitlinien für die bevorstehende Halbzeitüberprüfung der kohäsionspolitischen Programme aufgestellt. Außerdem wird dazu aufgerufen, von den Möglichkeiten der Initiative „Plattform für strategische Technologien für Europa“ (STEP) Gebrauch zu machen, um den Ausbau von Herstellungskapazitäten in kritischen Technologien zu unterstützen und gleichzeitig für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen.

Die EU ist fest entschlossen, weitere Schritte zu unternehmen, um ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit, ihren Wohlstand und ihre globale Führungsposition sicherzustellen und ihre offene strategische Autonomie zu stärken. Die EU und ihre Mitgliedstaaten können dabei auf starke Trümpfe zählen: hoch qualifizierte Fachkräfte, Exzellenz in der Forschung, eine hohe Qualität der Infrastruktur, eine stabile Produktionsbasis in Schlüsselsektoren, einen starken Dienstleistungssektor, hoch entwickelte Sozialsysteme und eine umfassende Strategie für den grünen und den digitalen Wandel. Darüber hinaus sind die vier Freiheiten des Binnenmarkts ein starker Motor für mehr Konvergenz und Wachstum und begünstigen eine äußerst wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt sowie gleiche Wettbewerbsbedingungen. Die wirtschaftliche Konvergenz ist besonders bei den 13 Mitgliedstaaten deutlich zu sehen, die der EU seit 2004 beigetreten sind und einen beeindruckenden und stetigen wirtschaftlichen und sozialen Aufholprozess erfahren haben, der auch den großen Krisen, denen die EU ausgesetzt war, standgehalten hat 1 . Aufgrund des geringen Produktivitätswachstums, das durch eine schwache Investitionsdynamik und einen anhaltend hohen Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel noch verstärkt wird, steht die EU-Wirtschaft dennoch in puncto Wettbewerbsfähigkeit vor großen Aufgaben. Auch die wirtschaftliche und soziale Aufwärtskonvergenz, sowohl zwischen als auch innerhalb der Mitgliedstaaten, kann noch deutlich verbessert werden. Die EU wird weiterhin an der Bewältigung der strukturellen Herausforderungen arbeiten, die ihre Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit beeinträchtigen. Dies erfordert eine Vertiefung des Binnenmarkts in all seinen vier Dimensionen, gezielte Investitionen auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene und eine ambitionierte Reformagenda. Zusätzlich zu der von der Kommission vorgelegten Analyse 2 enthält der auf hoher Ebene erstellte Bericht von Enrico Letta 3 konkrete Vorschläge für die Diskussion, wie die Zukunft des Binnenmarkts in Bezug auf die wichtigsten vorrangigen Bereiche 4 gestaltet werden sollte. Weitere Orientierungshilfe wird auch der auf hoher Ebene erstellte Bericht von Mario Draghi über die Wettbewerbsfähigkeit der EU bieten. Dieses Frühjahrspaket der Kommission enthält Analysen und länderspezifische Empfehlungen, mit denen die größten Engpässe beseitigt und die richtigen Voraussetzungen für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit geschaffen werden sollen; gleichzeitig werden diese Maßnahmen im Einklang mit den Anstrengungen der EU zur Verwirklichung der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung formuliert.

2. DER ÜBERARBEITETE EU-RAHMEN FÜR DIE WIRTSCHAFTSPOLITISCHE STEUERUNG 

Am 30. April 2024 trat der überarbeitete EU-Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung in Kraft 5 . Mit den Reformen sollen die Schwachstellen des vorherigen Rahmens behoben werden, indem er einfacher, transparenter und wirksamer gestaltet wird und für eine größere nationale Eigenverantwortung und eine bessere Durchsetzung sorgt. Der reformierte Rahmen zielt darauf ab, die Schuldentragfähigkeit durch eine graduelle Haushaltskonsolidierung zu stärken und gleichzeitig die öffentlichen Investitionen aufrechtzuerhalten. Er fördert in allen Mitgliedstaaten ein nachhaltiges und inklusives Wachstum durch Reformen und Investitionen, auch in strategischen Bereichen wie dem grünen und dem digitalen Wandel, der sozialen und wirtschaftlichen Resilienz und der Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte, der Energiesicherheit und dem Aufbau der Verteidigungsfähigkeiten. Der reformierte Rahmen wird vollständig in das Europäische Semester eingebettet. Als Kern des neuen Rahmens wird von den Mitgliedstaaten erwartet, dass sie mittelfristige strukturelle finanzpolitische Pläne ausarbeiten, in denen sie ihre Ausgabenpfade und ihre vorrangigen Reformen und Investitionen für die kommenden vier Jahre darlegen. Die Glaubwürdigkeit des neuen Rahmens wird durch die Einbeziehung der nationalen Parlamente und anderer nationaler Interessenträger, einschließlich unabhängiger finanzpolitischer Institutionen und der Sozialpartner, insbesondere bei der Ausarbeitung der Pläne untermauert. Dieser Prozess sollte die nationale Eigenverantwortung stärken, indem den Mitgliedstaaten mehr Spielraum bei der Gestaltung ihrer haushaltspolitischen Anpassungspfade eingeräumt und Reform- und Investitionszusagen im Einklang mit den gemeinsamen Prioritäten der EU und den notwendigen Investitionen in europäische öffentliche Güter formuliert werden. Um eine wirksamere Überwachung und Durchsetzung dieser Zusagen zu erleichtern, werden die Mitgliedstaaten jährliche Fortschrittsberichte vorlegen.

In Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten bemüht sich die Kommission, das erste Paket der mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Pläne rechtzeitig vorzulegen, zu bewerten und zu billigen. Am 21. Juni soll die Kommission den Mitgliedstaaten Leitlinien zu den Informationsanforderungen für die Pläne und den anschließenden jährlichen Fortschrittsberichten vorlegen. Sofern erforderlich wird die Kommission den Mitgliedstaaten numerische Leitlinien zu den Haushaltsanpassungen (Referenzpfade und technische Informationen) übermitteln. Die Mitgliedstaaten und die Kommission werden dann auf der Grundlage dieser Leitlinien Fachgespräche zur Vorbereitung der Pläne führen. Im Herbst sollten die Mitgliedstaaten dann ihre ersten mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Pläne übermitteln. Die rechtsverbindliche Frist hierfür ist der 20. September, es sei denn, der betreffende Mitgliedstaat und die Kommission vereinbaren, diese Frist um einen angemessenen Zeitraum zu verlängern. Um sicherzustellen, dass mit den Haushalten für 2025 der erste Schritt zur Umsetzung der mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Pläne vorgenommen wird und eine vollständige Umsetzung ab 2025 erfolgt, werden die mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Pläne zusammen mit den Übersichten über die Haushaltsplanung der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets bewertet, die bis zum 15. Oktober vorzulegen sind.

Die länderspezifischen Empfehlungen, einschließlich der von der Kommission in diesem Frühjahrspaket vorgeschlagenen Empfehlungen, bilden eine starke Grundlage für die Reform- und Investitionszusagen, die in den mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Plänen der Mitgliedstaaten festgelegt werden sollen. In den Plänen wird dargelegt werden, wie die Mitgliedstaaten die Durchführung von Reformen und Investitionen als Reaktion auf die wichtigsten Herausforderungen, die im Rahmen des Europäischen Semesters benannt wurden, und mit Blick auf die gemeinsamen Prioritäten der EU sicherstellen werden. Schlägt ein Mitgliedstaaten eine Reihe von Reform- und Investitionszusagen vor, die eine Verlängerung des Anpassungszeitraums um bis zu drei Jahre begründen, sollten diese Zusagen dazu führen, dass das Wachstums- und Resilienzpotenzial der Wirtschaft des betreffenden Mitgliedstaats in nachhaltiger Weise vergrößert und die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gestützt sowie für stetige öffentliche Investitionen gesorgt wird, und dass die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen ebenso wie die gemeinsamen Prioritäten der Union umgesetzt werden.

3. ZENTRALE ZIELE DER LÄNDERSPEZIFISCHEN EMPFEHLUNGEN 2024

Die Länderberichte 2024 beinhalten eine umfassende Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Mitgliedstaaten und geben einen Überblick über ihre Wettbewerbsfähigkeit. In den Berichten werden die zentralen Herausforderungen genannt, für deren Bewältigung weitere politische Maßnahmen erforderlich sind, wobei ein Schwerpunkt auf der Wettbewerbsfähigkeit liegt. Ihnen ist auch eine aktualisierte Bewertung der Fortschritte zu entnehmen, die bei der Umsetzung früherer länderspezifischer Empfehlungen, der Europäischen Säule sozialer Rechte und der damit verbundenen EU-Ziele für 2030 in den Bereichen Beschäftigung, Kompetenzen und Armutsbekämpfung sowie der Nachhaltigkeitsziele zu verzeichnen waren. Die Berichte liefern zudem eine Bestandsaufnahme der laufenden Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne, einschließlich ihrer REPowerEU-Kapitel, und der kohäsionspolitischen Programme, indem auch dargelegt wird, wie diese Instrumente einander ergänzen. Darüber hinaus werden mit Blick auf die bevorstehende Halbzeitüberprüfung der kohäsionspolitischen Programme die zentralen Prioritäten genannt.

Gestützt auf die in den Länderberichten vorgenommenen Analysen zielt die Kommission mit ihren länderspezifischen Empfehlungen darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten zu stärken. Die Mitgliedstaaten sind dazu aufgerufen, schnell zu agieren und für eine zeitige Umsetzung der kohäsionspolitischen Programme sowie der in ihren Aufbau- und Resilienzplänen und auch in den REPowerEU-Kapiteln vorgesehenen Reformen und Investitionen zu sorgen. Obwohl kontinuierlich Fortschritte erzielt wurden, sind in einigen Mitgliedstaaten erhebliche Verzögerungen und Schwierigkeiten zu verzeichnen, die eine zügiges Tätigwerden erfordern. In den länderspezifischen Empfehlungen werden weitere Herausforderungen ermittelt, die in den Aufbau- und Resilienzplänen nicht oder nur teilweise behandelt werden. Gleichzeitig sind neue Herausforderungen und politische Prioritäten entstanden und bestehende haben sich angesichts ihrer Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit verstärkt, was bedeutet, dass die Mitgliedstaaten zusätzliche politische Maßnahmen ergreifen müssen. Hierzu sollen die Mitgliedstaaten in ihre künftigen mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Pläne Reformen und Investitionen aufnehmen 6 , auch um eine mögliche Verlängerung des Anpassungszeitraums zu begründen. Des Weiteren bietet die Halbzeitüberprüfung der kohäsionspolitischen Programme die Gelegenheit, die Herausforderungen und Schwachstellen unter die Lupe zu nehmen, die seit der Annahme der letzten Programme zutage getreten sind.

Für jeden Mitgliedstaat umfassen die länderspezifischen Empfehlungen Folgendes:

1.eine Empfehlung zur Haushaltspolitik einschließlich ggf. von Haushalts- und Strukturreformen;

2.eine Empfehlung zur Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans und der kohäsionspolitischen Programme unter Berücksichtigung der länderspezifischen Risiken in Bezug auf die Umsetzung, wozu auch Orientierungshilfe für die bevorstehende Halbzeitüberprüfung der kohäsionspolitischen Programme zählt;

3.gegebenenfalls weitere Empfehlungen zu noch nicht bewältigten und/oder neu entstehenden Herausforderungen mit Schwerpunkt auf der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit.

4. VERBLEIBENDE HERAUSFORDERUNGEN

4.1 Makroökonomische Stabilität

Das Wirtschaftswachstum der EU dürfte 2024 allmählich ansteigen, wenn auch je nach Mitgliedstaat unterschiedlich schnell. Das starke BIP-Wachstum im Zeitraum 2021-2022 hat in Verbindung mit einer hohen Inflation zu einem deutlichen Rückgang der Schuldenquoten geführt. Dieser Rückgang dürfte sich vor dem Hintergrund einer niedrigeren Inflation und eines nach wie vor moderaten Wachstums verlangsamen. Es wird erwartet, dass das BIP-Wachstum nach dieser Verlangsamung 2023 schrittweise wieder ansteigen wird, und zwar auf 1,0 % 2024 und auf 1,6 % 2025. Was die Außenwirtschaft angeht, so hat der deutliche Rückgang der Energiepreise 2023 die Leistungsbilanzpositionen in Europa verbessert. Im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht hat die Kommission in neun Mitgliedstaaten Anfälligkeiten aufgrund von makroökonomischen Ungleichgewichten oder übermäßigen Ungleichgewichten festgestellt. In Kasten 2 werden die Feststellungen zu den makroökonomischen Ungleichgewichten in den Mitgliedstaaten zusammengefasst.

Eine schnellere Vollendung der Bankenunion und zügige Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion wird dazu beitragen, die Finanzstabilität zu wahren, und spielt bei der Finanzierung des grünen und des digitalen Wandels sowie der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit eine Schlüsselrolle. Das Bankensystem der EU ist solide, wie die Ergebnisse der jüngsten Stresstests der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde und der Europäischen Zentralbank bestätigen. Angesichts höherer Finanzierungskosten, geringerer Zinseinnahmen und eines langsameren Kreditwachstums in Verbindung mit einem mäßigen Wirtschaftswachstum zeichnen sich für das Finanzsystem der EU jedoch einige Herausforderungen ab. Die Vollendung der Bankenunion, unter anderem durch die Einführung eines gemeinsamen Einlagensicherungssystems, ist eine der Hauptprioritäten, mit der für mehr Finanzstabilität gesorgt sowie eine angemessene Finanzierung der EU-Wirtschaft unterstützt werden soll. Um dem erheblichen Finanzierungsbedarf im Zusammenhang mit dem grünen und dem digitalen Wandel nachzukommen und Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit anzukurbeln, muss die Bankenfinanzierung durch marktbasierte Finanzierungsmöglichkeiten ergänzt werden, welche in Europa dringend umfassender und leichter verfügbar gemacht werden müssen. Für eine produktivere, widerstands- und wettbewerbsfähigere EU-Wirtschaft bedarf es integrierter und liquider Kapitalmärkte mit ausreichender Tiefe, die die Ersparnisse der Europäer bestmöglich nutzen und Kapital effizienter verteilen können, auch an innovative Start-ups und Scale-ups. Im Einklang mit den jüngsten Schlussfolgerungen des Europäischen Rates und der Erklärung der Euro-Gruppe arbeitet die Kommission weiter an Maßnahmen zur Schaffung eines echten Kapitelbinnenmarkts zum Nutzen der Bürger und Unternehmen in der gesamten Union.

Mit dem Inkrafttreten des überarbeiteten Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung steht 2024 ein Wandel im Bereich der haushaltspolitischen Koordinierung in der EU an. Die COVID-19-Krise, der vorübergehende Anstieg der Energiepreise und die erforderlichen politischen Gegenmaßnahmen haben in den letzten Jahren in mehreren Mitgliedstaaten zu einem erheblichen Anstieg der Staatsverschuldung beigetragen. Die finanzpolitische Unterstützung sollte nun zurückgeschraubt werden, um den Schuldenstand auf einen Abwärtspfad zu bringen oder auf einem dem Vorsichtsgebot entsprechenden Niveau zu halten. Die vom Rat im Juli 2023 ausgesprochenen Empfehlungen für 2024 enthalten quantifizierte Leitlinien, die auch weiterhin Gültigkeit haben. 2025 und darüber hinaus sollte durch eine bedachte Haushaltspolitik dafür gesorgt werden, dass das Wachstum der Nettoausgaben 7 mit den Anforderungen an die Haushaltsanpassung gemäß dem neuen Governance-Rahmen im Einklang steht. Konkret sollten Mitgliedstaaten mit einem öffentlichen Schuldenstand von über 60 % des BIP oder einem Defizit von über 3 % des BIP sicherstellen, dass das Wachstum der Nettoausgaben auf eine Rate beschränkt ist, die die staatliche Schuldenquote mittelfristig auf einen plausibel rückläufigen Kurs bringt, wobei gleichzeitig das gesamtstaatliche Defizit auf unter 3 % des BIP gebracht und es mittelfristig unter diesem Referenzwert gehalten werden sollte. Während es einerseits erforderlich ist, eine vorsichtige Haushaltsstrategie beizubehalten, müssen gleichzeitig die öffentlichen Investitionen aufrechterhalten und nötigenfalls erhöht werden, um das langfristige Wachstum, die soziale und wirtschaftliche Resilienz, den grünen und den digitalen Wandel sowie den Aufbau von Verteidigungsfähigkeiten zu unterstützen. Die Europäische Union ist entschlossen, ihre verteidigungspolitische Bereitschaft und ihre Fähigkeiten in dem Bereich insgesamt zu erhöhen, um ihrem Bedarf und ihren Ansprüchen angesichts zunehmender Bedrohungen und sicherheitspolitischer Herausforderungen gerecht zu werden. Um den Zugang der europäischen Verteidigungsindustrie zu öffentlichen und privaten Finanzierungsmitteln zu verbessern, wird die Kommission der Aufforderung des Europäischen Rates nachkommen, alle Optionen für die Mobilisierung von Finanzierungsmitteln zu prüfen.

Die Kommission beabsichtigt, dem Rat die Einleitung von Defizitverfahren vorzuschlagen, wie sie es in ihrer Mitteilung über die haushaltspolitischen Leitlinien für 2024 8 angekündigt hat. Als Teil dieses Pakets legt die Kommission als ersten Schritt einen Bericht vor, in dem die Gründe für die Überschreitung des Defizit-Referenzwerts von 3 % des BIP in 12 Mitgliedstaaten untersucht werden (siehe Kasten 1). Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass das Defizitkriterium in sieben Mitgliedstaaten nicht erfüllt ist. Dies bedeutet, dass die Kommission beabsichtigt, dem Rat im Juli nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses Beschlüsse zur Feststellung des Bestehens eines übermäßigen Defizits für diese Mitgliedstaaten vorzuschlagen. Der nächste Schritt des Verfahrens – die Empfehlungen der Kommission an den Rat für Empfehlungen zur Korrektur der übermäßigen Defizite – findet zusammen mit den Stellungnahmen der Kommission zu den Übersichten über die Haushaltsplanung der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets statt. Hiermit wird für Kohärenz zwischen den Haushaltsanforderungen im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit und dem in den mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Plänen dargelegten Anpassungspfad gesorgt, sofern die Mitgliedstaaten diese, wie oben gefordert, rechtzeitig vorlegen. Damit bei der Überwachung im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit keine Lücke entsteht, stützen sich die entsprechenden Haushaltsanforderungen in dem Fall, dass zum Zeitpunkt der Stellungnahme der Kommission zu den Haushaltsplänen kein mittelfristiger struktureller finanzpolitischer Plan vorliegen sollte, auf die Referenzpfade. Dieser Zeitplan bildet eine Ausnahme und hängt mit dem Übergang zum neuen Rahmen zusammen, weswegen er keinen Präzedenzfall darstellt.

Kasten 1: Aktueller Stand der haushaltspolitischen Überwachung im Rahmen des überarbeiteten Stabilitäts- und Wachstumspakts

Im Rahmen des Frühjahrspakets des Europäischen Semesters 2024 hat die Kommission für 12 Mitgliedstaaten einen Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV angenommen. Bei diesen handelt es sich um Belgien, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und Ungarn. Bei all diesen Mitgliedstaaten wird in dem Bericht die Einhaltung des Defizitkriteriums bewertet. Für zehn dieser Mitgliedstaaten (Belgien, Estland, Frankreich, Italien, Malta, Polen, Spanien, die Slowakei, Tschechien und Ungarn) basiert der Bericht auf den Ist-Daten für 2023, laut denen ein gesamtstaatliches Defizit von über 3 % des BIP vorliegt. Slowenien und Finnland sind betroffen, weil das geplante Defizit im Jahr 2024 den Referenzwert von 3 % des BIP überschreiten wird. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass das Defizitkriterium in Estland, Finnland, Slowenien, Spanien sowie Tschechien erfüllt und in Belgien, Frankreich, Italien, Malta, Polen, der Slowakei und Ungarn nicht erfüllt ist. Die Einhaltung des Schuldenstandskriteriums kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vollständig anhand der Kriterien des neuen Rahmens, d. h. ohne einen vom Rat gebilligten Nettoausgabenpfad 9 , bewertet werden.

In Bezug auf Rumänien, das seit 2020 ein übermäßiges Defizit aufweist, wurde festgestellt, dass das Land keine ausreichenden Maßnahmen zur Korrektur dieser Situation ergriffen hat. Am 3. April 2020 stellte der Rat fest, dass in Rumänien basierend auf den Daten von 2019 ein übermäßiges Defizit besteht. In seiner Empfehlung vom 17. Juni 2022 forderte der Rat Rumänien auf, das derzeitige übermäßige Defizit bis spätestens 2024 zu beenden. Das gesamtstaatliche Defizit Rumäniens stand im Jahr 2022 im Einklang mit der Empfehlung des Rates von 2022, wich 2023 aber hiervon ab. Die Kommission fügt dem heute vorgelegten Paket einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates bei, mit dem festgestellt wird, dass Rumänien auf die Empfehlung des Rates vom 17. Juni 2022 hin keine wirksamen Maßnahmen ergriffen hat.

Angesichts der Bevölkerungsalterung sollte es für die Mitgliedstaaten ein zentrales Ziel bleiben, die Tragfähigkeit der öffentlichen Rentensysteme und die Kosteneffizienz der Gesundheits- und Langzeitpflegesysteme zu stärken und gleichzeitig für eine angemessene Qualität und einen adäquaten Zugang zu sorgen. Altersbedingte Kosten machen etwa ein Fünftel des BIP der EU aus und dürften mittel- und langfristig erheblich steigen 10 . Renten-, Gesundheits- und Langzeitpflegesysteme sollten an diese Herausforderungen angepasst werden, unter anderem durch Maßnahmen, die auf die Förderung der Teilhabe älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt, die Stärkung der Nachhaltigkeit des Rentensystems und die Verbesserung der Kosteneffizienz der Gesundheits- und Langzeitpflegesysteme abzielen.

Die Ausschöpfung ungenügend genutzter Steuerquellen und eine verstärkte Einhaltung der Steuervorschriften durch die Steuerzahler können dazu beitragen, ausreichende Steuereinnahmen zur Unterstützung öffentlicher Investitionen sowie zur Verwirklichung gemeinsamer politischer Ziele und zur Gewährleistung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu generieren. Ein ausgewogener und zukunftsfähigerer Steuermix, der sich auch auf Bedürftigkeitsprüfungen stützt und die Verteilungsfolgen berücksichtigt, wird zu inklusivem und nachhaltigem Wachstum beitragen. Dazu gehört eine gerechte und effiziente Verlagerung der Steuerlast von der Besteuerung von Arbeit hin zu Umweltsteuern und periodischen Immobiliensteuern, z. B. durch die Stärkung des Verursacherprinzips. Wirksame Instrumente zur Bekämpfung aggressiver Steuerplanung und eine verbesserte Steuerehrlichkeit tragen zur fairen Behandlung der Steuerzahler, zur effizienten Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen und zur Unterstützung privater Investitionen bei. Durch eine stetige Modernisierung und Digitalisierung der Steuerverwaltungen sollten die Befolgungskosten weiter gesenkt und die Steuereinnahmen erhöht werden können.

Kasten 2: Makroökonomische Ungleichgewichte in den Mitgliedstaaten

Die Kommission hat geprüft, ob in den zwölf Mitgliedstaaten, die im Warnmechanismus-Bericht 2024 für eine eingehende Überprüfung ausgewählt wurden, makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. Während des letzten Überwachungszyklus im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht waren bei elf dieser Mitgliedstaaten Ungleichgewichte oder übermäßige Ungleichgewichte ermittelt worden; bei der Slowakei wurden Risiken neu entstehender Ungleichgewichte ausgemacht. Auf Ersuchen der Mitgliedstaaten 11 wurden in diesem Jahr die eingehenden Überprüfungen im Vorfeld des Frühjahrspakets vorgelegt, um vor der Ausarbeitung der länderspezifischen Empfehlungen im Frühjahr Raum für eingehendere multilaterale Beratungen zu lassen. 12  

Die Einstufung der Ungleichgewichte erfolgt anhand von drei Kriterien: i) Schwere der Ungleichgewichte, ii) Entwicklung der Ungleichgewichte und Aussichten sowie iii) politische Gegenmaßnahmen. Diese Einstufung bringt eine stärker zukunftsorientierte Ausrichtung des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht – wie im Rahmen der Überprüfung der wirtschaftspolitischen Steuerung angekündigt – zum Ausdruck. Im Rahmen des zukunftsorientierten Ansatzes bleiben diese drei Kriterien erhalten, doch wird mehr Gewicht auf die Entwicklung der zugrunde liegenden Ungleichgewichte sowie die Annahme und Umsetzung der politischen Gegenmaßnahmen, die die nationalen Behörden zur Überwindung diese Ungleichgewichte oder der damit verbundenen Risiken ergreifen, gelegt.

Die Einstufungen im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht werden auch dem neuen Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung gerecht, indem für den Umgang mit Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen die jeweilige Rolle des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht und des Stabilitäts- und Wachstumspakts in der gesamtwirtschaftlichen Überwachung präzisiert wird, sodass ein zielgerichteteres und effizienteres Überwachungssystem entsteht. Zusammengefasst sollte in Fällen, in denen die Risiken im Wesentlichen auf Bedenken hinsichtlich der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gründen und die politischen Maßnahmen überwiegend im Bereich der Haushaltspolitik angesiedelt sind, der Stabilitäts- und Wachstumspakt als geeignetes Instrument für die Überwachung und die Abgabe politischer Empfehlungen betrachtet werden. Wenn neben diesen Tragfähigkeitsrisiken weitreichendere makroökonomische Risiken bestehen, die umfassendere politische Gegenmaßnahmen erfordern, bleibt das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht ein geeignetes Instrument, um die Überwachung im Rahmen des SWP zu ergänzen, einschließlich des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit. Rühren die Anfälligkeiten eines Mitgliedstaats nicht von einem hohen öffentlichen Schuldenstand oder einer starken haushaltspolitischen Nachlässigkeit, dürfte das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht das einzige Mittel sein, mit dem sich ein hinreichend starker Überwachungsmechanismus sicherstellen lässt.

Die Kommission hat im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht mehrere Beschlüsse gefasst. Insgesamt erfolgt die Bewertung makroökonomischer Anfälligkeiten in einem Kontext, der von der nach wie vor hohen – wenn auch sinkenden – energiepreisgetriebenen Inflation geprägt ist. Die hohen Energiepreise haben sich negativ auf die Außenbilanzen ausgewirkt, und die daraus resultierende Inflation hat in den vergangenen zwei Jahren zu einer Verschärfung der Finanzierungsbedingungen geführt, wobei dadurch andererseits der Schuldenabbau erleichtert wurde. Im vergangenen Jahr sind die Wohnimmobilienpreise in den Ländern, in denen sie am stärksten überbewertet waren, gesunken. In den meisten Mitgliedstaaten, die einer eingehenden Überprüfung unterzogen wurden, gehen die Anfälligkeiten zurück, was in mehreren Fällen zu einer Verbesserung bei der Einstufung der Ungleichgewichte im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht geführt hat. In einigen anderen Mitgliedstaaten haben die Anfälligkeiten hingegen derart zugenommen, dass neue oder übermäßige Ungleichgewichte daraus entstanden sind. In den übrigen untersuchten Mitgliedstaaten sind die Entwicklungen allgemein günstig; es bestehen jedoch nach wie vor relevante Herausforderungen.

   In Frankreich, Spanien und Portugal bestehen keine Ungleichgewichte mehr, da die Anfälligkeiten insgesamt zurückgegangen sind. Die Tragfähigkeitsrisiken werden im Rahmen des reformierten SWP überwacht, auch im Zusammenhang mit dem mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Plan und dem Verfahren bei einem übermäßigen Defizit gegen Frankreich.

   In Griechenland und Italien bestehen nun Ungleichgewichte, nachdem diese Länder bis zum letzten Jahr übermäßige Ungleichgewichte aufwiesen, da die Anfälligkeit zwar zurückgegangen ist, aber nach wie vor Anlass zur Sorge gibt. Die Tragfähigkeitsrisiken werden im Rahmen des reformierten SWP überwacht, auch im Zusammenhang mit dem mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Plan und dem Verfahren bei einem übermäßigen Defizit gegen Italien.

   Die Slowakei weist inzwischen auch Ungleichgewichte auf. Die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit der Kostenwettbewerbsfähigkeit, dem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht, dem Wohnungsmarkt und der Verschuldung der privaten Haushalte sind nach wie vor vorhanden, und es wurden keine politischen Maßnahmen ergriffen.

   Rumänien weist nun übermäßige Ungleichgewichte auf, nachdem es bis letztes Jahr Ungleichgewichte gegeben hatte, da nach wie vor Schwachstellen im Zusammenhang mit den Zahlungsbilanzen bestehen, die hauptsächlich auf hohe und steigende öffentliche Defizite zurückzuführen sind, während der erhebliche Preis- und Kostendruck zugenommen hat und die politischen Maßnahmen schwach ausfielen.

   In Deutschland, Zypern, Ungarn, den Niederlanden und Schweden bestehen weiterhin Ungleichgewichte. Für Deutschland werden angemessene politische Maßnahmen im Rahmen des mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Plans erforderlich sein, um die Bewertung zu überprüfen.

Nähere Einzelheiten zu den länderspezifischen Aspekten für alle zwölf betroffenen Mitgliedstaaten sind Anlage 4 zu entnehmen.

4.2 Produktivität

Die EU erlebt seit den frühen 2000er Jahren einen Rückgang bei der Produktivitätssteigerung, der durch die moderaten Investitionsraten infolge der Finanzkrise und die sich vergrößernde Produktivitätslücke noch verschärft wurde. Trotz der sich erholenden Investitionsquoten hinkt die EU in puncto Produktivitätssteigerung hinterher, insbesondere im Vergleich zu den USA. Zurückzuführen ist dies auf die vergleichsweise geringe Größe wachstumsstarker Sektoren wie IKT-Herstellung und digitale Dienste, unzulänglich hochskalierte Innovationen, unzureichende Investitionen in Forschung und Innovation und den anhaltenden Fachkräftemangel. Zudem benötigt die EU ein innovationsfreundlicheres Unternehmensumfeld. Dazu müsste eine Reihe von Schwachstellen auf regionaler, nationaler und EU-Ebene abgebaut werden. Insbesondere müsste die EU den Verwaltungsaufwand verringern, den Binnenmarkt zukunftsfest aufstellen, den Zugang zu Finanzmitteln verbessern und mehr privates Kapital mobilisieren, indem sie die Bankenunion vollendet und ihre Kapitalmärkte vertieft und integriert, das Kompetenzniveau erhöhen und ein stabiles Regelungsumfeld sowie ein schlankeres Meldeumfeld für Unternehmen gewährleisten.

Für die Steigerung von Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit ist es unerlässlich, den Binnenmarkt zu vertiefen. Ein vollständig integrierter Markt schafft ein Umfeld, in dem Start-Ups und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gedeihen und sich größenmäßig derart entwickeln können, dass sie auf globaler Ebene wettbewerbsfähig sind. Der Schwerpunkt sollte dabei auf den Dienstleistungsmärkten liegen, die ein fester Bestandteil der EU-Wirtschaft und zunehmend mit den restlichen industriellen Ökosystemen verflochten sind. Es braucht gemeinsame Anstrengungen auf EU-, nationaler, regionaler und lokaler Ebene, um insbesondere den Verwaltungsaufwand zu verringern, Meldepflichten abzubauen, die Befolgungskosten im Steuerbereich zu senken, Standards zu vereinheitlichen und Investitionshemmnisse abzubauen. Die Kommission hat vor Kurzem die ersten Legislativvorschläge vorgelegt, mit denen die Meldepflichten auf europäischer Ebene um 25 % abgebaut werden sollen, und die Mitgliedstaaten sind aufgerufen, sich ebenso ehrgeizige Ziele zu setzen. Mehr Wettbewerb durch die Vergabe öffentlicher Aufträge sowie verbesserte Governance- und Verwaltungskapazitäten 13 können ebenfalls günstige Rahmenbedingungen für Unternehmen schaffen. Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit – insbesondere unabhängige, qualitative und effiziente Justizsysteme, Rechtssicherheit und Gleichheit vor dem Gesetz – ist ebenfalls ein entscheidender Faktor für ein Unternehmensumfeld, das Investitionen und Innovation fördert. Die Beteiligung aller Regionen am Binnenmarkt ist notwendig, um sie in die europäischen und globalen Wertschöpfungsketten zu integrieren und so eine stagnierende Entwicklung und damit Entwicklungsfallen zu verhindern. Das Potenzial und die Wettbewerbsvorteile aller EU-Regionen können noch weiter ausgeschöpft werden, insbesondere in den Mitgliedstaaten, in denen die wettbewerbsfähigen Hauptstadtregionen die wirtschaftliche Entwicklung antreiben. Für eine geografisch ausgewogene Entwicklung kommt es darauf an, die Zugänglichkeit und Anbindung durch verstärkte Investitionen in Verkehrsinfrastrukturen zu verbessern und auf moderne emissionsarme Verkehrsdienste und Verkehrsträger zu setzen. Darüber hinaus ist es wichtig, alle möglichen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine auf die Resilienz der an Russland angrenzenden Regionen zu berücksichtigen.

Um den technologischen Wandel in der EU zu unterstützen und resiliente Lieferketten zu sichern und gleichzeitig wettbewerbsfähige und unverzerrte Märkte zu erhalten, ist eine kohärente und umfassende Industriepolitik unerlässlich. Eine Industriepolitik auf EU-Ebene, die im Zusammenspiel mit Maßnahmen auf nationaler Ebene gleiche Wettbewerbsbedingungen schafft und die Integrität des Binnenmarkts wahrt, trägt maßgeblich dazu bei, die Produktionskapazitäten auszubauen und hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen, insbesondere für kritische Lieferketten und Technologien. Dies kann mithilfe des Industrieplans für den Grünen Deal erreicht werden. 14 So sollen EU-Mittel und andere EU-Finanzinstrumente strategischer eingesetzt werden, um weitere private Unterstützung zu mobilisieren; in strategischen Sektoren soll auf die Vergabe öffentlicher Aufträge gesetzt werden, um widerstandsfähige, grüne, soziale, digitale und innovative Lösungen zu fördern; und schließlich sollen mithilfe der STEP-Initiative kritische Technologien gefördert werden. Parallel dazu muss ein fairer Wettbewerb sichergestellt werden, und zwar nicht nur im Binnenmarkt, sondern auch gegenüber Drittländern.

Bei der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU kommt der Handelspolitik eine wichtige Rolle zu. Die COVID-19-Pandemie und die grundlose Aggression Russlands gegen die Ukraine haben zu Störungen in den europäischen Lieferketten geführt und Schwachstellen im Zusammenhang mit der mangelnden Diversifizierung der Quellen für bestimmte kritische Vorprodukte und einer zu hohen Abhängigkeit von einer begrenzten Zahl von Handelspartnern aufgedeckt. Der beste „Versicherungsschutz“ für die Lieferketten der EU besteht darin, sich auf eine Mischung aus inländischen Lieferanten und diversifizierten Lieferanten aus Drittländern und die damit verbundenen industriellen Kapazitäten zu stützen. Wirtschaftliche Offenheit ist eine Stärke, und das umfangreiche Netz von Handelsabkommen, über das die EU verfügt, trägt zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung bei. Auch in Zeiten wachsender internationaler Spannungen sollte weiter Handel betrieben werden. Angesichts der drohenden Überkapazitäten in strategischen Sektoren, die durch wettbewerbsverzerrende Subventionen und einseitige Handelsentscheidungen ausgelöst werden, wird sich die EU bemühen, alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, die Transparenz der Lieferketten zu verbessern, die Diversifizierung anfälliger Lieferungen zu verstärken, engere Partnerschaften mit unseren Handelspartnern anzustreben 15 und gleichzeitig ihre wirtschaftliche Sicherheit zu stärken.

Für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit braucht es mehr Investitionen in Forschung und Innovation (FuI), insbesondere aus dem Privatsektor. Bei den FuI-Investitionen von Unternehmen liegt die EU hinter anderen großen Volkswirtschaften wie den USA, China und Japan zurück. Die EU ist aufgrund der geringen FuI-Ausgaben des Unternehmenssektors 16 und der geringen öffentlichen Investitionen in diesem Bereich weit von ihrem Ziel entfernt, 3 % des BIP für Forschung und Innovation 17 aufzuwenden. Für stärkere Anreize für private FuI-Investitionen braucht es förderliche Rahmenbedingungen, etwa ein günstiges Besteuerungs- und Unternehmensumfeld. Die Mitgliedstaaten sollten ehrgeizige Reformen durchführen, um integrierte FuI-Ökosysteme aufzubauen, wobei der Schwerpunkt auf Governance, öffentlichen Forschungssystemen und -infrastrukturen, der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft und dem Wissenstransfer sowie der Einführung und Übernahme von Innovationen liegen sollte, auch durch die Vergabe öffentlicher Aufträge; ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Karriereaussichten für Forschende und die Anziehung und Bindung von Talenten in ganz Europa gerichtet werden. Die Synergien zwischen den Programmen auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten sollten maximiert werden.

Auch der digitale Wandel muss wieder stärker in den Fokus rücken, da er entscheidend zum Aufbau einer wettbewerbsfähigen modernen Wirtschaft beitragen wird. Auf der einen Seite ist die EU bei der Entwicklung von Technologien, die digitale und grüne Innovationen kombinieren, weltweit führend. Andererseits nutzten im Jahr 2023 gerade einmal 8 % der Unternehmen KI-Technologien, und nur 58 % der KMU wiesen eine grundlegende digitale Intensität auf. Die EU hat sich stärker für einen Ausbau der digitalen Fähigkeiten eingesetzt, indem sie dafür mehr EU-Mittel bereitgestellt hat, u. a. über die Aufbau- und Resilienzpläne und kohäsionspolitischen Programme sowie über Initiativen wie die wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) im Bereich Mikroelektronik 18 und Cloud-Computing-Technologien 19 . Dennoch sind weitere öffentliche Investitionen in die digitale Infrastruktur und digitale Kompetenzen nötig, um insbesondere dem Mangel an IKT-Fachkräften entgegenzuwirken 20 und die digitale Kluft zu überwinden. Ebenfalls zentral für den digitalen Wandel sind zudem Initiativen, die auf eine Beseitigung von Hindernissen für die grenzüberschreitende Nutzung von Technologien, eine Vereinfachung der Verwaltungsverfahren und eine Automatisierung des Informationsaustauschs innerhalb der EU abzielen. Auf Ebene der Mitgliedstaaten sollten Anreize für private Investitionen und die Vergabe öffentlicher Aufträge im Bereich der digitalen Technologien und der künstlichen Intelligenz (KI) geschaffen werden.

Ein verbesserter Zugang zu Finanzierungsmitteln für innovative Projekte ist essenziell, insbesondere für Start-ups und für Scale-ups. Die Leistungsfähigkeit der EU wird dadurch eingeschränkt, dass es für riskante und innovative Tätigkeiten nur begrenzten Zugang zu Finanzmitteln wie z. B. Beteiligungsfinanzierung oder Risikokapital gibt. 21 Diese Unterentwicklung trägt dazu bei, dass in der EU nur wenige Start-ups hohe Bewertungen erzielen und auf den Weltmärkten erfolgreich sind. Um diesen Mängeln entgegenzuwirken und Produktivität und Innovation in der gesamten Union zu fördern, sind nationale Reformen nötig, die eine bessere Verteilung von Ersparnissen und Kapitalfinanzierung gewährleisten und Kapitalmarktfinanzierungen und alternative Finanzierungsformen, insbesondere für KMU und sozialwirtschaftliche Unternehmen, erleichtern. Auf EU-Ebene ist es unabdingbar, schnellere Fortschritte bei der Kapitalmarktunion zu erreichen, um mehr marktbasierte Finanzierungsquellen für Unternehmen jeder Größe zu schaffen und die EU-Kapitalmärkte in einen echten Kapitalbinnenmarkt zu integrieren. Eine rasche und ehrgeizige Einigung der beiden gesetzgebenden Organe der EU über den Vorschlag der Kommission zur Gewährleistung effektiver und harmonisierter Insolvenzrahmen würde dazu beitragen, dass Ressourcen wirksamer zugewiesen und die Tätigkeiten und Sektoren mit dem höchsten Wachstumspotenzial gefördert würden.

Eine Verbesserung der Bildungsergebnisse und der Kompetenzentwicklung ist für die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der EU von größter Wichtigkeit. Um der sich wandelnden Wirtschaft Rechnung zu tragen und das Gelingen des grünen und des digitalen Wandels sicherzustellen, sind verstärkte Kompetenzen erforderlich. Gleichzeitig zeigen die jüngsten Testergebnisse der internationalen Schulleistungsstudie PISA der OECD einen erheblichen Rückgang bei den Grundkompetenzen von 15-Jährigen in der gesamten EU. Um den Wohlstand und den sozialen Fortschritt in der EU sicherzustellen und die Talententwicklungsblockade einiger Regionen zu überwinden 22 , ist der Zugang zu hochwertiger und inklusiver allgemeiner und beruflicher Bildung mit qualifizierten Lehrkräften und modernisierten Lehrplänen in den Mitgliedstaaten und ihren Regionen nach wie vor von größter Wichtigkeit. Bessere Kompetenzen in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) und mehr Absolventen und vor allem Absolventinnen in den MINT-Fächern würden sich auch positiv auf Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit auswirken.

4.3 Ökologische Nachhaltigkeit

Entsprechend ihrem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein und ihre Wettbewerbsfähigkeit und offene strategische Autonomie zu steigern, wird sich die EU weiter darum bemühen, die Energieversorgung zu diversifizieren und die Energieinfrastruktur zu modernisieren. Der Anteil der russischen Gaseinfuhren an den gesamten Gaseinfuhren der EU schrumpfte von rund 40 % auf 15 % im Jahr 2023 – ein historischer Einbruch –, doch einige Mitgliedstaaten müssen noch mehr tun, um die Einfuhr von Flüssigerdgas aus Russland graduell einzustellen. Die überwiegende Mehrheit der EU-Länder hat REPowerEU-Kapitel in ihre geänderten Aufbau- und Resilienzpläne aufgenommen. Mit diesen gut 60 Mrd. EUR sollen die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die Energieeffizienz gesteigert und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen bis 2030 verringert werden. Auch die geplante Unterstützung mit kohäsionspolitischen Mitteln in Höhe von 47 Mrd. EUR für Energieeffizienz, erneuerbare Energien und intelligente Energiesysteme wird eine wichtige Rolle bei der Umsetzung mehrerer Schlüsselmaßnahmen im Rahmen des REPowerEU-Plans spielen. Die mithilfe der Aufbau- und Resilienzfazilität getätigten Investitionen in die Energieerzeugung dürften bis 2026 mindestens 60 GW an zusätzlichen Kapazitäten aus erneuerbaren Energien hervorbringen, und im Rahmen der Kohäsionspolitik werden bis 2029 9,5 GW an zusätzlicher Kapazität aus erneuerbaren Energien installiert. Im Jahr 2023 stieg der Anteil erneuerbarer Energiequellen an der Stromerzeugung auf ganze 43 % 23 , auch dank Reformen bei den Genehmigungsverfahren, die u. a. im Rahmen der Aufbau- und Resilienzpläne durchgeführt wurden. Um diese Dynamik aufrechtzuerhalten, müssen die verbleibenden Engpässe bei der Verwaltungskapazität, u. a. bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren auf lokaler Ebene, prioritär angegangen werden. Um die Integration erneuerbarer Energien in das Energiesystem weiter zu ermöglichen und die Elektrifizierung zu steigern, ist es darüber hinaus unerlässlich, den Ausbau und die Modernisierung der Stromnetze, etwa neuer Energiespeicheranlagen und Verbindungsleitungen, entschieden voranzutreiben. Der im November 2023 angenommene EU-Aktionsplan für Stromnetze 24 ebnet den Weg für den Aufbau nachhaltiger und widerstandsfähiger Stromnetze. In der ersten EU-Liste der Vorhaben von gemeinsamem Interesse 25 werden Energieinfrastrukturen aufgelistet, die für die EU in puncto Umsetzung des Grünen Deals und Erhöhung der Energieversorgungssicherheit Priorität haben; im Zentrum stehen dabei die für die Elektrifizierung benötigten Netze, die Entwicklung erneuerbarer Offshore-Energie und der Einsatz der grünen Wasserstoffwirtschaft.

Bei der Erreichung der Ziele für erneuerbare Energien und Energieeffizienz für 2030 klafft trotz einiger Fortschritte nach wie vor eine Ambitionslücke. Die europäische Industrie hat mit vergleichsweise hohen Energiepreisen zu kämpfen. Um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu verbessern, kommt es daher entscheidend darauf an, die Energienachfrage durch mehr Energieeffizienz zu drosseln und auf kostengünstigere erneuerbare Energien umzustellen. Die meisten Mitgliedstaaten verfügen jedoch weder über eine solide und ausreichend detaillierte Schätzung des Investitionsbedarfs noch über konkrete Maßnahmen, um private Investitionen zur Finanzierung der Energiewende anzuziehen. Die Kommission fordert daher alle Mitgliedstaaten auf, bis zum 30. Juni 2024 konkrete aktualisierte nationale Energie- und Klimapläne vorzulegen und dabei ihre Empfehlungen zu den Entwürfen der Pläne und den länderspezifischen Empfehlungen des Europäischen Semesters zu berücksichtigen. Dazu gehört auch, dass die Mitgliedstaaten mit Blick auf das Ziel der EU, eine klimaneutrale Wirtschaft aufzubauen, ihre nationalen politischen Maßnahmen zur schrittweisen Abschaffung der Subventionen für fossile Brennstoffe verstärken müssen. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, unter Bezugnahme auf den Strategieplan für Energietechnologie 26 Kapitel über Forschung und Innovation in ihre nationalen Energie- und Klimapläne aufzunehmen oder diese auszubauen.

Die Netto-Null-Industrie in der EU braucht unbedingt mehr Autonomie, Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit, wenn der gründe Wandel gelingen und die Wettbewerbsfähigkeit der EU insgesamt gesteigert werden sollen. Um die Herstellung sauberer Technologien weiter auszubauen, wurde im Mai 2024 die Netto-Null-Industrie-Verordnung 27 angenommen. Diese schafft die nötigen günstigen rechtlichen Rahmenbedingungen, um Investitionen in Technologien und damit verbundene Projekte anzuziehen und zu unterstützen und so der steigenden Nachfrage in der EU und weltweit gerecht zu werden. Sie sieht auch vor, die Genehmigungsverfahren in den Mitgliedstaaten zu beschleunigen und zu straffen, um insbesondere mehr Produktionsanlagen für Netto-Null-Technologien zu bauen und in die Dekarbonisierung energieintensiver Industriestandorte zu investieren. Beispiele für diese Technologien sind der wasserstoffbetriebene Verkehr, nachhaltige Flugkraftstoffe, emissionsfreie Fahrzeuge, Hochgeschwindigkeitsbahnsysteme und intelligente Verkehrssysteme. Zusätzlich zu den 85 Mrd. EUR für Investitionen in erneuerbare Energien und saubere Technologien im Rahmen der Kohäsionspolitik wurden aus der Aufbau- und Resilienzfazilität rund 27 Mrd. EUR zur Unterstützung der Fertigung und Einführung von Netto-Null-Technologien bereitgestellt, während aus dem Innovationsfonds rund 407 Mio. EUR bereitgestellt wurden. Die Mitgliedstaaten sind ferner angehalten, 25 % ihrer durch EHS-Versteigerungen erzielten Einnahmen für diesen Zweck auszugeben. Im Rahmen von InvestEU wurden bislang Investitionen in Höhe von über 250 Mrd. EUR mobilisiert, von denen mehr als die Hälfte Klimaschutzmaßnahmen zugutekommt; zwei Drittel der Mittel stammen dabei aus privaten Investitionen.

Damit die Ziele der EU für den grünen und den digitalen Wandel erreicht werden können, ist es wichtig, einen Zugang zu sicheren, nachhaltigen und diversifizierten Quellen kritischer Rohstoffe zu schaffen, indem Lieferketten für den Abbau, die Verarbeitung und die Raffination aufgebaut und gleichzeitig nachhaltige Beschaffungsverfahren für das Recycling und die Nutzung von Sekundärrohstoffen gefördert werden. Mit der am 23. Mai 2024 in Kraft getretenen europäischen Verordnung zu kritischen Rohstoffen wird ein Rechtsrahmen zur Stärkung der Versorgungssicherheit der EU für kritische Rohstoffe geschaffen. Darin werden strategische Projekte entlang der Wertschöpfungskette einer Untergruppe kritischer Rohstoffe ausgemacht und auch Maßnahmen aufgelistet, die die Überwachungskapazitäten der EU stärken und die Kreislauffähigkeit kritischer Rohstoffe auf dem europäischen Markt erhöhen sollen. Die Förderung der Kreislaufwirtschaft, u. a. von Kreislauflösungen, wird weiter dazu beitragen, Klimaneutralität zu erreichen, da sie das Potenzial bietet, bis zu 25 % der derzeitigen Treibhausgasemissionen der EU einzusparen. 28  

Mit der Verordnung über das Europäische Klimagesetz hat sich die EU verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu sein und mehr in puncto Klimaanpassung zu tun. Es muss mehr getan werden, um die Treibhausgasemissionen und den Energieverbrauch derart zu verringern, dass die verbindlichen Zwischenziele für 2030 erreicht werden, insbesondere in den Bereichen Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft. Ein wesentlicher Teil der von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität getätigten Investitionen zielt auf den Aufbau einer nachhaltigen Mobilität und die Verbesserung der Energieeffizienz ab. Die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden 29 und die Initiative „Neues Europäisches Bauhaus“ 30 werden einen entscheidenden Beitrag zur Schaffung einer klimaneutralen, kreislauforientierten und naturfreundlichen baulichen Umwelt leisten. 31 Durch eine Verringerung der industriellen Umweltverschmutzung mithilfe umweltfreundlicherer Produktionstechnologien ließen sich ebenfalls erhebliche Kosteneinsparungen erzielen. 32 Auch bei der schrittweisen Abkehr von fossilen Brennstoffen, der Reform im Bereich der umweltschädlichen Subventionen und der Umsetzung von Green-Budgeting-Ansätzen sollte ein Schritt zugelegt werden. Parallel dazu müssen die Mitgliedstaaten die CO2-Senken stärken, die sich in der Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) bieten. Im März 2024 nahm die Kommission zudem eine Mitteilung über die Bewältigung von Klimarisiken 33 an, in der darauf hingewiesen wird, dass die Mitgliedstaaten noch große Anstrengungen unternehmen müssen, um geeignete institutionelle Rahmen für die Steuerung dieser Risiken einzurichten. Küsten-, Mittelmeer- und östliche Regionen sind anfälliger und unverhältnismäßig stark von diesen Risiken betroffen; ihnen drohen jährliche wirtschaftliche Verluste von mindestens 1 % des BIP und ihre Bewohner sind klimabedingten Schäden deutlich stärker ausgesetzt. Für ein reibungsloses Funktionieren der Ökosysteme sind nach wie vor auch Wasserresilienz 34 , die Verfügbarkeit von Wasser und die Wasserbewirtschaftung entscheidend, insbesondere in Regionen, die stärker vom Klimawandel und von Wasserverschmutzung betroffen sind, einschließlich der Gebiete in äußerster Randlage. Dies ist insbesondere bei der Energiewende und der Energieversorgungssicherheit im Auge zu behalten. Die Anwendung des Verursacherprinzips würde sicherstellen, dass die Umweltkosten bei den Preissignalen mit einbezogen werden.

4.4 Gerechtigkeit

Der EU-Arbeitsmarkt zeigt sich mit einer Arbeitslosenquote, die beinahe ein Rekordtief erreicht hat, nach wie vor resilient, und das Realeinkommen der meisten Menschen beginnt wieder zu steigen. Das Beschäftigungswachstum war bei Frauen, legalen Migranten und älteren Arbeitskräften insgesamt stärker ausgeprägt. Damit einher ging ein robustes Lohnwachstum, das Prognosen zufolge im Jahr 2023 auf 5,9 % steigen wird. Das Lohnwachstum lag im dritten Quartal 2023 über der Inflation, und die Reallöhne dürften das Niveau von 2021 bis 2025 wieder erreichen. Dabei spielen die Mindestlöhne eine wichtige Rolle. 35

Gleichzeitig besteht der Arbeitskräftemangel trotz einiger Verbesserungen in den letzten Quartalen in allen Branchen und auf allen Kompetenzniveaus fort 36 , während in einigen Regionen die Arbeitslosenquote hoch ist und Ungleichheiten fortdauern. Erheblicher Verbesserungsbedarf besteht bei der Erwerbsbeteiligung unterrepräsentierter Gruppen, wie Frauen, älterer und jüngerer Menschen, sowie benachteiligter Gruppen wie Roma, Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen mit Behinderungen. Dies kommt auch in dem kürzlich angenommenen Aktionsplan zum Arbeits- und Fachkräftemangel 37 sowie in dem Paket zur Kompetenz- und Fachkräftemobilität 38 und den Strategien für eine Union der Gleichheit 39 zum Ausdruck. Langfristig dürfte sich der Arbeits- und Fachkräftemangel weiter verschärfen, einerseits aufgrund des Rückgangs der Erwerbsbevölkerung infolge des demografischen Wandels und andererseits angesichts der steigenden Nachfrage nach Arbeitskräften mit spezifischen Kompetenzen, z. B. im Zuge des digitalen und des grünen Wandels oder in bestimmten Bereichen wie der Gesundheitsversorgung oder der Langzeitpflege. Der Aktionsplan unterstreicht die Bedeutung einer verstärkten Teilnahme an der allgemeinen und beruflichen Bildung. Mitgliedstaaten und Sozialpartner müssen gemeinsam Daten über Kompetenzen erfassen, neue branchenspezifische und regionale Kompetenzpartnerschaften einrichten und die Lehrpläne – auch in der beruflichen Bildung – besser an die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes anpassen. Darüber hinaus können eine geeignete Gestaltung der Steuer- und Sozialleistungssysteme (unter Berücksichtigung ihrer Verteilungswirkung), angemessene Arbeitsbedingungen und bessere aktive Arbeitsmarktmaßnahmen zu einer Erhöhung der Erwerbsbeteiligung beitragen. Investitionen und Reformen zur Verbesserung der Bildungsergebnisse werden nicht nur helfen, das geschlechtsspezifische Beschäftigungsgefälle zu beseitigen, sondern auch die Chancengleichheit, die Arbeitsmarktergebnisse und die Produktivität zu verbessern.

Bessere Bildungsergebnisse sind die Voraussetzung für die Erhöhung der Produktivität und der Wettbewerbsfähigkeit sowie für die Gewährleistung der sozialen Aufwärtskonvergenz in der EU. Die besorgniserregende Verschlechterung der PISA-Ergebnisse belegt einen generellen Leistungsrückgang – auch bei Spitzenreitern, die als Innovationstreiber gelten – sowie eine sich vertiefende sozioökonomische Kluft bei den Bildungsergebnissen; dies macht deutlich, dass Bildungsergebnisse insgesamt verbessert, Ungleichheiten reduziert und Exzellenz im Bildungsbereich gefördert werden müssen. 40 Die Nichterwerbsquote bei jungen Menschen ist nach wie vor hoch. Zunehmende Gefälle, beispielsweise ausgeprägte regionale Unterschiede beim Zugang zur Bildung oder bei der Bildungsqualität, bremsen ganze Regionen und benachteiligte Bevölkerungsgruppen aus und hemmen den sozialen und territorialen Zusammenhalt und die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten. Es bedarf politischer Anstrengungen, um Verfügbarkeit, Inklusivität und Qualität der Bildung zu verbessern, den schulischen Erfolg zu fördern, Studierenden Wege zur Exzellenz zu öffnen und reibungslose Übergänge zwischen Bildung und Beschäftigung zu schaffen. Diese Anstrengungen werden im Ergebnis auch der Förderung der demokratischen Werte und dem Funktionieren unserer freien Gesellschaften dienen. Durch die Bereitstellung von mehr hochwertiger und inklusiver frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung können die Lernmöglichkeiten benachteiligter Kinder verbessert und die Erwerbsbeteiligung von Frauen erhöht werden.

Die gestiegenen Lebenshaltungskosten treffen die finanziell schwächeren Haushalte am stärksten. Zwar nimmt die Inflation rasch ab; indessen wirken sich höhere Kosten für Nahrungsmittel, Energie und Transport besonders auf einkommensschwache Gruppen und Menschen in benachteiligten Situationen aus. 41 Dies erfordert weitere Anstrengungen zur Reduzierung der Armut, einschließlich der Energiearmut. Während die Armutsrisiken insgesamt weitgehend unverändert geblieben sind, nimmt die Kinderarmut zu, und soziale Gefälle, z. B. zwischen verschiedenen Gruppen und Regionen, müssen kontinuierlich überwacht werden. Der Zugang zu erschwinglichen essenziellen Dienstleistungen ist nach wie vor wichtig, um die Grundbedürfnisse der Menschen zu decken, da er dazu beiträgt, den Anteil der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen und das geschlechtsspezifische Beschäftigungsgefälle zu verringern. 42 Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist eine zunehmende Herausforderung in der EU, wobei einige Mitgliedstaaten stärker betroffen sind als andere.

Die Sozialschutzsysteme müssen angemessen und zukunftsfähig gestaltet werden. Aufgrund der Bevölkerungsalterung, einer sich wandelnden Arbeitswelt sowie des grünen und des digitalen Wandels müssen Ausgestaltung und Finanzierung der Sozialschutzsysteme weiterentwickelt werden, damit die Menschen auch künftig zum Sozialschutz beitragen und ihn in Anspruch nehmen können. Dazu gehören mehr Anreize und Unterstützung, damit Leistungsempfänger (wieder) in den Arbeitsmarkt eintreten, sowie eine bessere Angemessenheit, Kostenwirksamkeit und Einbeziehung von Leistungen, u. a. in den Bereichen Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege. In vielen Mitgliedstaaten bleibt die Stärkung der Resilienz und der Kapazität der Gesundheits- und Pflegesysteme eine Priorität und soll beispielsweise durch Deinstitutionalisierung, ausreichende und geeignete Infrastrukturen und die Behebung des Arbeitskräftemangels, wie etwa durch bessere Arbeitsbedingungen, erfolgen. Die Nutzung des Potenzials digitaler Werkzeuge und künstlicher Intelligenz können auch zu einem wirksameren Zugang zu medizinischer Versorgung beitragen; dazu müssen jedoch die digitalen Kompetenzen der Gesundheitsfachkräfte und der breiten Öffentlichkeit verbessert werden. Dabei muss der digitale Wandel der Gesundheitssysteme allen Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen und dazu beitragen, Ungleichheiten im Gesundheitsbereich zu verringern. Die Mitgliedstaaten sind außerdem dazu aufgefordert, in allen Politikbereichen auf den demografischen Wandel zu reagieren, indem sie die auf EU-Ebene verfügbaren Instrumente, z. B. das Instrumentarium zum demografischen Wandel 43 , und die nationalen Maßnahmen – unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten – miteinander kombinieren. 

Der Übergang zur Klimaneutralität in Europa muss fair und inklusiv sein. Finanzielle und technische Unterstützung aus dem Fonds für einen gerechten Übergang und anderen Instrumenten helfen schwächeren Regionen, ihre wirtschaftliche Diversifizierung zu beschleunigen, und den Menschen in diesen Regionen, Kompetenzen für Arbeitsplätze zu erwerben, die im Zuge des Übergangs zur Klimaneutralität entstehen.

Die Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte dient weiterhin als Richtschnur für die soziale Aufwärtskonvergenz in der EU. 44  Trotz der Fortschritte bei der Verwirklichung der nationalen Beschäftigungsziele für 2030 sind weitere beträchtliche Anstrengungen seitens der Mitgliedstaaten erforderlich, um insbesondere die Ziele in den Bereichen Kompetenzen und Armutsbekämpfung, aber auch die diesbezüglichen EU-weiten Zusagen zu erreichen und die soziale Aufwärtskonvergenz und den sozialen Zusammenhalt in der EU zu stärken. Zusätzlich zur Umsetzung zentraler Reformen in diesen Bereichen investieren die Mitgliedstaaten erheblich in ein soziales Europa: Mehr als 163 Mrd. EUR fließen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität in Bildung, Gesundheit, Beschäftigung und Soziales, und mehr als 165 Mrd. EUR (mit nationaler Kofinanzierung) werden im Zuge der Kohäsionspolitik 2021-2027 investiert. Am 6. Mai 2024 veröffentlichte die Kommission für sieben Mitgliedstaaten eine ausführliche länderspezifische Analyse in den Bereichen Beschäftigung, Bildung, Kompetenzen sowie Sozialschutz und Inklusion im Einklang mit den Merkmalen des Rahmens für soziale Konvergenz (siehe Kasten 3) 45 . Im Rahmen des Frühjahrspakets schlägt die Kommission außerdem vor, die beschäftigungspolitischen Leitlinien für den nächsten jährlichen Zyklus zu aktualisieren, um dem aktuellen sozioökonomischen Kontext und den jüngsten politischen Initiativen Rechnung zu tragen.

Kasten 3: Analyse der sozialen Aufwärtskonvergenz entsprechend den Merkmalen des Rahmens für soziale Konvergenz 

Die Kommission hat in sieben Mitgliedstaaten entsprechend den Merkmalen des Rahmens für soziale Konvergenz geprüft, ob einschlägige Herausforderungen bestehen. Der Rahmen für soziale Konvergenz umfasst eine zweistufige Analyse der Risiken und Herausforderungen, die im Zusammenhang mit der sozialen Aufwärtskonferenz in den Mitgliedstaaten bestehen. In der ersten Phase der Analyse, die im Gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2024 46 vorgestellt wurde, wurden die Arbeitsmarkt-, Kompetenz- und Sozialpolitik aller Mitgliedstaaten analysiert. In sieben Mitgliedstaaten (Bulgarien, Estland, Spanien, Italien, Litauen, Ungarn und Rumänien) wurden Risiken für die soziale Aufwärtskonvergenz ermittelt. Für diese Länder veröffentlichten die Kommissionsdienststellen im Mai 2024 eine zweite Analyse, die sich auf die Politikbereiche konzentrierte, in denen in der ersten Phase der Analyse laut den Leitindikatoren des sozialpolitischen Scoreboards potenzielle Risiken für die soziale Aufwärtskonvergenz festgestellt wurden. Diese zweite Phase der Analyse stützt sich auf eine breite Palette quantitativer und qualitativer Daten sowie die wichtigsten Faktoren, die die soziale Aufwärtskonvergenz beeinträchtigen. Entwicklungen werden eingehender untersucht, und die vom jeweiligen Mitgliedstaat ergriffenen oder geplanten politischen Reaktionen werden berücksichtigt. Die Ergebnisse der Analyse der sozialen Konvergenz sind in die Länderberichte und in das Europäische Semester 2024 eingeflossen.

Diese Analyse bildete die Grundlage für die multilateralen Überprüfungen in den zuständigen Ausschüssen des Rates.

5. SCHLUSSFOLGERUNG

Das Europäische Semester bietet den Rahmen für die politische Koordinierung der Reaktionen auf zentrale wirtschaftliche und soziale Herausforderungen auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten. Der Schwerpunkt des Europäischen Semesters 2024 ist die Wettbewerbsfähigkeit – EU und Mitgliedstaaten werden aufgefordert, diesbezügliche Hindernisse zu beseitigen, die noch nicht ausreichend durch Maßnahmen in den Aufbau- und Resilienzplänen oder den kohäsionspolitischen Programmen erfasst sind. Außerdem schafft das Europäische Semester die Grundlage für die erfolgreiche Umsetzung des neuen Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung, was die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen stärken und langfristig nachhaltiges Wachstum und Resilienz fördern, gleichzeitig aber die EU auf Kurs in Richtung Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung und insbesondere der Klimaziele halten sollte. Die meisten Mitgliedstaaten erzielen weiter gute Fortschritte bei der Umsetzung ihrer Aufbau- und Resilienzpläne und kohäsionspolitischen Programme. Da jedoch 2026 die Frist für die Ausgaben der Aufbau- und Resilienzfazilität und der Halbzeitüberprüfung der Kohäsionspolitik ist, wird einigen Mitgliedstaaten geraten, sich dringend mit entstandenen Verzögerungen und strukturellen Herausforderungen zu befassen. Die Halbzeitüberprüfung der kohäsionspolitischen Programme bietet die Gelegenheit für mögliche Anpassungen und die Nutzung der STEP-Initiative zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit.

Die Kommission ersucht den Europäischen Rat, ihre Vorschläge für die länderspezifischen Empfehlungen für 2024 zu billigen, und ersucht den Rat der Europäischen Union, diese anzunehmen. Darüber hinaus fordert sie die Mitgliedstaaten auf, die Empfehlungen in engem Dialog mit den Sozialpartnern, zivilgesellschaftlichen Organisationen und anderen Interessenträgern vollständig und zeitnah umzusetzen.

ANLAGE 1 – ÜBERBLICK ÜBER DIE IN DEN LÄNDERSPEZIFISCHEN EMPFEHLUNGEN BEHANDELTEN THEMATISCHEN BEREICHE

ANLAGE 2 – FORTSCHRITTE BEI DER UMSETZUNG DER LÄNDERSPEZIFISCHEN EMPFEHLUNGEN

Das Europäische Semester 2024 enthält eine Bestandsaufnahme der politischen Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten zur Bewältigung der in den länderspezifischen Empfehlungen ermittelten Herausforderungen seit 2019 ergriffen haben. Nach der Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität – des zentralen Instruments zur Umsetzung der politischen Prioritäten der EU und der Mitgliedstaaten – werden bei der Bewertung der länderspezifischen Empfehlungen für 2024 die bisherigen politischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten 47 sowie die in den Aufbau- und Resilienzplänen eingegangenen Verpflichtungen je nach Grad der Umsetzung berücksichtigt. Die Bewertung vermittelt daher ein Bild des derzeitigen Stands der Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne und gibt nicht darüber Aufschluss, in welchem Ausmaß Fortschritte unter der Annahme einer vollständigen Umsetzung der Pläne erreicht werden könnten. 48 Entsprechend dem Anwendungsbereich der Aufbau- und Resilienzfazilität werden im Jahr 2024 die länderspezifischen Empfehlungen des Zeitraums 2019-2022 (mehrjährige Bewertung) und die länderspezifischen Empfehlungen von 2023 (jährliche Bewertung) bewertet.

Abbildung 1: Derzeitiger Stand der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen 2019-2022

Abbildung 2: Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen 2019-2023: jährliche Bewertungen im jeweiligen Folgejahr im Vergleich zur Umsetzung bis heute

Anmerkung: Bei der mehrjährigen Bewertung in Abbildung 1 wird beurteilt, wie die länderspezifischen Empfehlungen 2019-2022 ab dem Zeitpunkt ihrer Annahme bis zur Veröffentlichung der vorliegenden Mitteilung umgesetzt wurden. Es sei angemerkt, dass die länderspezifischen Empfehlungen von 2021 nur die Finanzpolitik betreffen und für die Zwecke der Bewertung 2024 der länderspezifischen Empfehlungen als nicht länger relevant angesehen wurden. In Abbildung 2 zeigt die jährliche Bewertung die Fortschritte, die im ersten Jahr nach Annahme der jeweiligen länderspezifischen Empfehlungen erzielt wurden, während die mehrjährige Bewertung die Bewertung aller bis dato formulierten länderspezifischen Empfehlungen umfasst.

Bei einer Betrachtung mehrerer Jahre wurden bei 71 % der länderspezifischen Empfehlungen 2019-2022 zumindest einige Fortschritte erzielt (siehe Abbildung 1). Im Vergleich zur Bewertung im letzten Jahr waren bei den länderspezifischen Empfehlungen sowohl des Jahres 2019 als auch des Jahres 2020 erhebliche zusätzliche Fortschritte zu verzeichnen. Bis heute wurden bei 75 % dieser länderspezifischen Empfehlungen zumindest einige Fortschritte bei der Umsetzung erzielt, verglichen mit 68 % im Jahr 2023. Dies zeigt, dass die Aufbau- und Resilienzfazilität als leistungsbasiertes Instrument die Umsetzung der relevanten länderspezifischen Empfehlungen auf politischer Ebene weiter beschleunigt. Dies wird voraussichtlich auch in den kommenden Jahren der Fall sein, wenn zusätzliche Reformen und Investitionen im Rahmen der Aufbau- und Resilienzpläne durchgeführt werden. Die Umsetzung der Reformen fällt je nach Politikbereich jedoch sehr unterschiedlich aus. Die größten Fortschritte haben die Mitgliedstaaten in den letzten Jahren im Bereich Zugang zu Finanzierungen und Finanzdienstleistungen aufzuweisen, gefolgt von der Bekämpfung der Geldwäsche, dem Funktionieren des Arbeitsmarkts sowie dem haushaltspolitischen Rahmen und der finanzpolitischen Steuerung. Besonders langsam waren dagegen die Fortschritte in den Bereichen Steuerpolitik, Steuerverwaltung, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung, Gleichbehandlung und Chancengleichheit, Rentensysteme und Wohnraum.

Bei der Umsetzung der Empfehlungen von 2023 gab es ebenfalls erhebliche Fortschritte. Bei fast 59 % der im Juli 2023 an sie gerichteten Empfehlungen haben die Mitgliedstaaten zumindest „einige Fortschritte“ zu verbuchen (Abbildung 2). Was die Politikbereiche angeht, in denen sehr viele Mitgliedstaaten im Jahr 2023 Empfehlungen erhalten haben, waren die meisten Fortschritte in Bezug auf den haushaltspolitischen Rahmen und die finanzpolitische Steuerung festzustellen, gefolgt von den Rahmenbedingungen für Unternehmen, Energieeffizienz, erneuerbaren Energien sowie Energieinfrastrukturen und -netzen. Geringer waren dagegen die Fortschritte bei der Umsetzung der Empfehlungen zur Steuerpolitik.

Die Ergebnisse der Bewertung der länderspezifischen Empfehlungen 2024 sowie der vorangegangenen Jahre werden auf der Website der Kommission veröffentlicht.

ANLAGE 3 – EU-WEITE FORTSCHRITTE BEI DER UMSETZUNG DER ZIELE FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG (SDG)

Im beurteilten Fünfjahreszeitraum 49 hat die EU erhebliche Fortschritte bei den Zielen „Weniger Ungleichheiten“ (SDG 10), „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“ (SDG 8) und „Verringerung der Armut“ (SDG 1) erzielt. Gute Fortschritte sind auch in Bezug auf die Ziele „Kein Hunger“ (SDG 2), „Industrie, Innovation und Infrastruktur“ (SDG 9), „Nachhaltige/r Konsum und Produktion“ (SDG 12), „Leben unter Wasser“ (SDG 14), „Hochwertige Bildung“ (SDG 4) und „Geschlechtergleichheit“ (SDG 5) zu verzeichnen gewesen. Des Weiteren hat es in der EU Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen“ (SDG 16), „Nachhaltige Städte und Gemeinden“ (SDG 11), „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“ (SDG 17) und „Maßnahmen zum Klimaschutz“ (SDG 13) gegeben. 

Die Fortschritte bei der Verwirklichung des Ziels „Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen“ (SDG 6) waren begrenzt, da zwar mehrere Indikatoren positive Entwicklungen aufwiesen, bei anderen dagegen keine Fortschritte oder sogar Rückschritte zu verzeichnen waren. Bei der Verwirklichung des Ziels „Bezahlbare und saubere Energie“ (SDG 7) waren aufgrund der negativen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der daraus resultierenden Energiekrise in der EU leichte Rückschritte zu beobachten. Die Fortschritte in Bezug auf das Ziel „Gesundheit und Wohlergehen“ (SDG 3) wurden durch die Rückschläge im Zuge der COVID-19-Pandemie gehemmt, die sich nun in den verfügbaren Daten niederschlagen. Das Ziel „Leben an Land“ (SDG 15) ist durch mehrere nicht nachhaltige Trends in den Bereichen Artenvielfalt und Bodendegradation gekennzeichnet, weswegen die Bewertung der diesbezüglichen Fortschritte der EU in dem kurzen bewerteten Zeitraum leicht negativ ausfällt. Die Europäische Kommission hat im Rahmen des europäischen Grünen Deals wichtige politische Initiativen zur Umkehr der Schädigung der Ökosysteme vorgeschlagen, u. a. die EU-Biodiversitätsstrategie, die EU-Waldstrategie, die EU-Bodenstrategie für 2030 und die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“.



ANLAGE 4 – ERGEBNISSE DER EINGEHENDEN ÜBERPRÜFUNGEN DER MAKROÖKONOMISCHEN UNGLEICHGEWICHTE IN DEN MITGLIEDSTAATEN

In 9 der 12 Mitgliedstaaten, die einer eingehenden Überprüfung unterzogen wurden, wurden Ungleichgewichte oder übermäßige Ungleichgewichte festgestellt. Im Rahmen der eingehenden Überprüfung wurden die Schwere der Ungleichgewichte, ihre jüngsten und künftig zu erwartenden Entwicklungen und die einschlägigen politischen Maßnahmen analysiert. In diesem Jahr wurden die Ergebnisse der eingehenden Überprüfung im Vorfeld des Frühjahrspakets des Europäischen Semesters vorgelegt, um umfassendere multilaterale Gespräche mit den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, bevor die Schlussfolgerungen zu den festgestellten Ungleichgewichten gezogen und die entsprechenden länderspezifischen Empfehlungen formuliert wurden. 50

Die Einstufungen erfolgen entsprechend dem neu in Kraft getretenen Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung, in dem präzisiert wird, welche Funktion dem Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht bzw. dem Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) bei der übergeordneten Überwachung der Wirtschaftspolitik, und insbesondere bei der Bewertung der Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, jeweils zukommt. Sind die Risiken in erster Linie auf Bedenken hinsichtlich der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zurückzuführen, und sind die erforderlichen politischen Maßnahmen vor allem haushaltspolitischer Art, sollte der Stabilitäts- und Wachstumspakt als das geeignete Instrument für die Überwachung und die Formulierung politischer Empfehlungen gelten. Bestehen zusätzlich zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen größere makroökonomische Risiken, die eine breitere politische Reaktion erfordern, so sollte das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht die Überwachung im Rahmen des SWP weiter ergänzen. Werden Anfälligkeiten nicht durch einen hohen Schuldenstand oder haushaltspolitische Nachlässigkeit verursacht, ist das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht das Mittel der Wahl, das einen ausreichend starken Überwachungsmechanismus bietet.

Die Anfälligkeiten haben sich in den Mitgliedstaaten unterschiedlich entwickelt, in vielen Fällen konnten sie jedoch verringert werden, da die wirtschaftliche Situation sich der hohen – wenn auch wieder sinkenden – Inflation angepasst hat. Die diesjährige Überprüfung der Ungleichgewichte erfolgte vor dem Hintergrund der schwachen Dynamik des letzten Jahres und der Aussichten auf eine schrittweise Beschleunigung des Wachstums in diesem Jahr. Der Inflationsdruck ist zurückgegangen, was teilweise einer deutlichen Reduzierung der Energiepreise zu verdanken war. Die außenwirtschaftliche Position wurde dadurch gestärkt, Kosten- und Preisdruck sind jedoch nach wie vor relevant. Gleichzeitig sind die Risiken durch die Verschärfung der Finanzierungsbedingungen in den letzten beiden Jahren gestiegen. Parallel dazu wurde die Entwicklung der Anfälligkeiten durch das unterschiedliche Maß des politischen Handelns beeinflusst. Die Wirkung dieser wirtschaftlichen Entwicklungen ist nach wie vor spürbar, was eine kontinuierliche engmaschige Überwachung der Ungleichgewichte – und eine zukunftsorientierte Perspektive – erfordert. In den folgenden Absätzen werden die zum gegenwärtigen Zeitpunkt relevantesten Anfälligkeiten und Aussichten ausgeführt.

Der Druck auf die Kosten- und Preiswettbewerbsfähigkeit nimmt ab, aber die unterschiedliche Dynamik in den Ländern ist nach wie vor problematisch. Die Gesamtinflation ist in allen EU-Ländern deutlich gesunken. Dabei haben die sinkenden Energiepreise zwar eine Schlüsselrolle gespielt, aber der Inflationsrückgang erfolgte insgesamt auf einer breiteren Grundlage, wie sich an einer erheblichen Reduzierung der Kerninflation seit Anfang 2023 ablesen lässt. Die Inflationsunterschiede im Euro-Währungsgebiet haben sich abgeschwächt, wenn auch nicht einheitlich. Zu den Faktoren für die Unterschiede beim Inflationsrückgang gehören eine unterschiedlich schnelle Weitergabe der niedrigeren Energiepreise an andere Waren und Dienstleistungen und divergierende Zeitpläne für das Ende der Maßnahmen, die 2022 zur Eindämmung der Energiepreise ergriffen worden waren. Der binnenwirtschaftliche Inflationsdruck ist nach wie vor hoch, unter anderem aufgrund leicht steigender Lohnstückkosten und Gewinnspannen. Die Lohnstückkosten stiegen 2023 rascher, was auf ein hohes Lohnwachstum vor dem Hintergrund historisch niedriger Arbeitslosenquoten und einer schleppenden Arbeitsproduktivität in Zeiten schwachen Wachstums zurückzuführen ist. Dagegen könnte die nominale Wechselkursaufwertung, einschließlich für die meisten Länder außerhalb des Euro-Währungsgebiets, einigen Inflationsdruck abgefangen haben.

Obwohl Kosten- und Preisdruck sinken dürften, stellen sie nach wie vor ein Problem dar. Es bestehen Aussichten auf eine weitere Verlangsamung des Kostendrucks, einschließlich der Lohnstückkosten, da das Lohnwachstum sich voraussichtlich abschwächen und die Produktivität mit dem Konjunkturzyklus steigen wird. Die Inflation ist jedoch in weiten Teilen des Euro-Währungsgebiets und der EU nach wie vor hoch. Der Inflationsrückgang könnte langsamer als erwartet vonstattengehen, wenn der von Lohn- und Ertragsdynamik ausgehende Druck über längere Zeit erhalten bleibt. Durch fortdauernde Unterschiede bei der Kosten- und Preisentwicklung, die nicht auf eine erhöhte Produktivität zurückzuführen sind, kann sich der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit verfestigen, was wiederum Risiken für die außenwirtschaftliche Position und die Wirksamkeit des geldpolitischen Kurses birgt. Dies erfordert politisches Handeln, darunter haushaltspolitische Maßnahmen, um die Nachfrage wieder auf ein nachhaltigeres Niveau zu bringen, sowie Anstrengungen im Hinblick auf besser funktionierende Märkte.

Die Leistungsbilanz hat sich mit den sinkenden Energiepreisen verbessert, aber fortbestehende große Leistungsbilanzdefizite und -überschüsse geben Anlass zu Bedenken im Zusammenhang mit der Dynamik der Binnennachfrage. Die sinkenden Energieimportpreise, die nach dem Höchststand von 2022 zu verzeichnen waren, kamen den Auslandspositionen der gesamten EU zugute. Gleichzeitig profitierten einige Länder von einer weiteren erheblichen Zunahme der Tourismusexporte, während sich die Handelsbilanz anderer Staaten durch den schwachen Welthandel, insbesondere was das verarbeitende Gewerbe und den außereuropäischen Handel angeht, verschlechterte. Grundsätzlich waren die Entwicklungen bei den außenwirtschaftlichen Positionen – abgesehen von der Energiebilanz – sehr unterschiedlich, was teilweise von der Binnennachfrage abhing. In einigen Fällen führten ein dynamischer Verbrauch und dynamische Investitionen zu fortbestehenden großen Leistungsbilanzdefiziten, in anderen trug die schleppende Binnennachfrage zu anhaltend hohen Überschüssen bei.

Für die Zukunft ist davon auszugehen, dass Veränderungen in den Leistungsbilanzen verhaltener ausfallen werden als in den letzten Jahren; in vielen Fällen ist jedoch mit einem leichten Anstieg zu rechnen. Ursache für die voraussichtlichen Änderungen sind begrenzte Schwankungen des realen Austauschverhältnisses der Ex- und Importe sowie die Aussicht auf eine gewisse Zunahme des Welthandels und geringe Veränderungen der Binnennachfrage. Die meisten hohen Leistungsbilanzdefizite dürften sich nur geringfügig verringern. Diese Defizite sind zudem tendenziell schwächer als die Fundamentaldaten und stärker ausgeprägt als vor der Pandemie. In den meisten anderen Fällen ist mit einer weiteren Zunahme zu rechnen, einschließlich bei den langfristigen großen Leistungsbilanzüberschüssen, die jedoch deutlich unter dem Niveau von 2022 bleiben dürften.

Dank des nominalen BIP-Wachstums verbesserte sich der negative Nettoauslandsvermögensstatus (NAVS) der meisten Länder im Jahr 2023 weiter. Der negative Status einiger besonders betroffener Länder hat sich trotz hoher Leistungsbilanzdefizite verbessert. In einigen ausgeprägten Fällen wird sich dieses Verhältnis von NAVS zum BIP in diesem oder nächstem Jahr möglicherweise nicht weiter verbessern, und in anderen Fällen wird es sich nicht so stark verbessern wie in jüngster Zeit, was auf ein geringeres nominales BIP-Wachstum und den anhaltend hohen Fremdkapitalbedarf zurückzuführen ist.

Die Wohnimmobilienpreise sind weniger stark gestiegen oder in einigen Fällen sogar gefallen, was zu einem Rückgang der Überbewertung der Wohnimmobilienmärkte geführt hat. Die Wohnimmobilienmärkte haben sich 2023 vor dem Hintergrund restriktiverer Finanzierungsbedingungen und der unter Druck stehenden Einkommen der privaten Haushalte weiter abgekühlt. Beides trug zur geringeren Kreditaufnahmekapazität der privaten Haushalte und zu einer gedämpften Nachfrage nach Wohnraum bei. Die Korrektur der Wohnimmobilienpreise war in Ländern mit einer stärkeren Überbewertung der Preise und einer höheren Verschuldung der privaten Haushalte deutlicher ausgeprägt. In diesen Fällen nahm die Überbewertung der Wohnimmobilienmärkte ab – obwohl die Wohnimmobilienpreise generell überbewertet bleiben –, und Preis-Einkommen-Verhältnis sank. In einigen wenigen Fällen dagegen zogen die Wohnimmobilienpreise weiter stark an – wobei damit manchmal die Dynamik der letzten Jahre fortgesetzt wurde, in anderen Fällen dieser Anstieg dagegen neu war. Auch bei den Preisen für gewerbliche Immobilien war eine Korrektur zu verzeichnen; sie stellen aber in einigen Ländern nach wie vor ein Problem dar.

Die Dynamik der Immobilienpreise dürfte angesichts der nach wie vor restriktiven Finanzierungsbedingungen moderat bleiben, aber es ist möglich, dass die Preise mit der Zeit wieder steigen, wenn die Kreditaufnahmekapazitäten sich erholen und das Angebot eingeschränkt bleibt. Die Zeiten fallender Immobilienpreise neigen sich möglicherweise dem Ende zu, aber die kurzfristigen Aussichten sind nach wie vor von restriktiven Finanzierungsbedingungen geprägt, die die Nachfrage und die Preise dämpfen. Diese Faktoren könnten sich jedoch mit niedrigeren Zinssätzen und steigenden Einkommen der privaten Haushalte aufgrund des Reallohnwachstums umkehren. Gleichzeitig deuten die jüngsten Rückgänge bei der Zahl neu begonnener Wohnimmobilienprojekte und der Erteilung von Baugenehmigungen in mehreren Ländern darauf hin, dass das Unterangebot an Wohnraum sich eher verschärft als verbessert, was wiederum den Druck auf die Preise erhöhen könnte. Parallel dazu begünstigten politische Aspekte – u. a. steuerliche Merkmale und schlecht funktionierende Mietmärkte – in mehreren Ländern nach wie vor fremdfinanziertes Wohneigentum, was zu Preissteigerungen führen könnte, sobald die Finanzierungsbedingungen ausreichend attraktiv sind. Die Bedenken hinsichtlich des gewerblichen Immobilienmarkts sind immer noch vorhanden, und die Branche ist nach wie vor besonders sensibel, was die Finanzierungsbedingungen angeht.

Die hohen privaten und öffentlichen Schuldenquoten sind aufgrund eines hohen nominalen BIP-Wachstums und geringerer Kreditaufnahmen weiter zurückgegangen, bleiben jedoch in mehreren Fällen erheblich. Die Schuldenquoten sind seit 2021 deutlich gesunken, was größtenteils auf ein höheres nominales BIP-Wachstum zurückzuführen ist; dieser Einfluss schwächte sich jedoch 2023 bereits ab, da sich auch das BIP-Wachstum real verlangsamte. Zudem haben die Kreditströme sowohl bei den privaten Haushalten als auch bei den nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften aufgrund restriktiverer Finanzierungsbedingungen erheblich abgenommen; in einigen Fällen fielen die Kreditströme sogar leicht negativ aus, was zum Schuldenabbau beigetragen hat. In mehreren Fällen ist die private Verschuldung jedoch immer noch sehr hoch. Was den gesamtstaatlichen Schuldenstand angeht, so kamen in einigen Ländern zur Verschuldung noch erhebliche Haushaltsdefizite hinzu, die nach wie vor über dem Niveau von vor der COVID-19-Pandemie liegen und in einigen hoch verschuldeten Ländern angesichts fehlender politischer Maßnahmen auch weiter steigen werden.

Der Schuldenabbau sollte fortgesetzt werden, wenn auch mit abnehmender Inflation weniger ausgeprägt, da die Finanzierungsbedingungen nach wie vor ein Risiko für die Schuldner darstellen können. Eine niedrigere Inflation ebnet den Weg für niedrigere Zinssätze, aber die Finanzierungsbedingungen können für manche Schuldner und Kreditnehmer eine Herausforderung bleiben. Darüber hinaus werden die Zinsen zwar voraussichtlich sinken, sie dürften aber weiter über den Tiefstständen in den Jahren vor dem Anstieg der Inflation liegen, der den Druck auf die Schuldendienstkosten verursacht hatte. Dies kann vor allem bei einem erhöhten Refinanzierungsbedarf Anlass zur Sorge geben. Zudem können Risiken in Fällen, in denen die Kreditaufnahme in Fremdwährungen signifikant ist, durch Anfälligkeiten der außenwirtschaftlichen Position verschärft werden, die sich in Wechselkursschwankungen und höheren Risikoprämien niederschlagen können. Die Stärkung des potenziellen Wirtschaftswachstums, unter anderem durch die wirksame Umsetzung der Aufbau- und Resilienzpläne, sollte den Schuldenabbau mittelfristig unterstützen.

Der Bankensektor hat sich gegenüber der schwachen wirtschaftlichen Dynamik als widerstandsfähig erwiesen, aber die Auswirkungen der restriktiveren Finanzierungsbedingungen dürften noch nicht vollständig zum Tragen gekommen sein. Der Bankensektor hat den jüngsten makroökonomischen Entwicklungen gut Stand gehalten. Die Rentabilität der Banken stieg mit höheren Zinserträgen, was wiederum zur Stärkung ihrer Eigenkapitalquote beitrug. Das schwache Wirtschaftswachstum und die restriktiven Finanzierungsbedingungen scheinen sich bisher nicht negativ auf die Aktiva der Banken ausgewirkt zu haben. Die Zahl der notleidenden Kredite ist weiter (wenn auch oft nur geringfügig) zurückgegangen. In einigen Ländern bleibt die Abwicklung notleidender Kredite, die außerhalb des Bankensektor gehalten werden, ein Problem. In einigen Fällen stellt die erhebliche Exponierung gegenüber inländischen Staatsanleihen nach wie vor ein Risiko dar. Was die Zukunft angeht, so sind die Auswirkungen der verschärften geldpolitischen Bedingungen der letzten zwei Jahre auf den Schuldendienst vielleicht noch nicht in vollem Umfang zum Tragen gekommen und werden erst verzögert auftreten. Im derzeitigen Kontext könnte die Lage des gewerblichen Immobiliensektors Aufmerksamkeit erfordern, da die Banken und andere Finanzinstitute in einigen Ländern umfangreiche Risikopositionen gegenüber diesem Sektor halten.

Tabelle 1: EINSTUFUNG DER MITGLIEDSTAATEN IM RAHMEN DES VERFAHRENS BEI EINEM MAKROÖKONOMISCHEN UNGLEICHGEWICHT

 

Ergebnisse 2023

Ergebnisse 2024

Keine Ungleichgewichte

CZ, EE, LV, LT, LU, SK

ES, FR, PT

Ungleichgewichte

CY, DE, ES, FR, HU, NL, PT, RO, SE

CY, DE, EL, HU, IT, NL, SK, SE

Übermäßige Ungleichgewichte

EL, IT

RO

z. E.: Keine eingehende Überprüfung

AT, BE, BG, DK, HR, FI, MT, PL, SI

AT, BE, BG, CZ, DK, EE, HR, FI, IE, LV, LT, LU, MT, PL, SI

N.B.: Die Mitgliedstaaten, bei denen sich die Einstufung von 2023 auf 2024 geändert hat, sind in den beiden Spalten durch Fettdruck gekennzeichnet.

Mitgliedstaaten, die keine Ungleichgewichte mehr aufweisen 

Frankreich weist nachweislich keine Ungleichgewichte mehr auf. Politisches Handeln hat dabei geholfen, Anfälligkeiten von grenzüberschreitender Bedeutung im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit vor dem Hintergrund des niedrigen Produktivitätswachstums zu verringern; diese Bemühungen müssen jedoch fortgeführt werden, solange Anfälligkeiten aufgrund eines hohen öffentlichen Schuldenstands fortbestehen. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit hat sich seit dem Jahr 2021 positiv entwickelt, was zum Teil auf eine niedrigere Inflation im Vergleich zu den Handelspartnern zurückgeht. Bei der Kostenwettbewerbsfähigkeit waren die Ergebnisse indes unterschiedlich, da vorübergehende Faktoren nach der COVID-19-Krise, darunter das anhaltende Horten von Arbeitskräften in einigen Schlüsselsektoren, und Strategien zur Erhöhung der Beschäftigung die Arbeitsproduktivität beeinträchtigten. Mit diesen Strategien wurde in den letzten Jahren ein starkes Beschäftigungswachstum erzielt. Im weiteren Verlauf dürften die Arbeitsproduktivität und Wettbewerbsfähigkeit steigen, wozu auch geplante Investitionen und Reformen zum beständigen Schuldenabbau beitragen. Die Verschuldung des privaten Sektors nahm während der Pandemie deutlich zu, wobei gleichzeitig die Sparquote der privaten Haushalte stieg und eine Erhöhung des Eigenkapitals sowie der Aufbau von Liquiditätspuffern in Unternehmen zu verzeichnen waren, die nun zum Einsatz kommen. Die Kreditvergabe entwickelt sich ungeachtet der strengeren Finanzierungsbedingungen weiterhin dynamisch. Die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP hat mit der Erholung des BIP seit dem Jahr 2021 etwas abgenommen und lag im Jahr 2023 leicht über 110 %. Voraussichtlich bleibt sie im Jahr 2024 relativ stabil, nimmt jedoch im Jahr 2025 bei weiterhin hohem gesamtstaatlichem Defizit wieder zu. Die politische Reaktion auf die festgestellten Anfälligkeiten in Verbindung mit der Wettbewerbsfähigkeit vor dem Hintergrund des niedrigen Produktivitätswachstums war im Großen und Ganzen angemessen und sollte das Produktivitätswachstum in den kommenden Jahren fördern, wobei es weiter kontinuierlicher Anstrengungen bedarf. Die Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans wird bei der weiteren Bewältigung der Herausforderungen im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit hilfreich sein und dabei das Produktivitätswachstum verbessern. Auch wenn politische Maßnahmen zur Stärkung der öffentlichen Finanzen unternommen wurden, sind eindeutig weitere Bemühungen zur Senkung der öffentlichen Schulden erforderlich. Der reformierte Stabilitäts- und Wachstumspakt einschließlich der Anwendung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit bietet einen adäquaten und leistungsstarken Überwachungsmechanismus, um Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen anzugehen.

Portugal weist nachweislich keine Ungleichgewichte mehr auf. Bei der Verringerung der Anfälligkeiten im Zusammenhang mit der hohen Privat-, Staats- und Auslandsverschuldung, die voraussichtlich weiter zurückgehen wird, wurden erhebliche Fortschritte erzielt. Nach einer Unterbrechung infolge der COVID-19-Pandemie gingen die Schuldenquote des privaten Sektors und die öffentliche Schuldenquote erneut zurück. Dank eines starken BIP-Wachstums und des jüngsten Haushaltsüberschusses sind sie seit 2021 merklich zurückgegangen. Der deutlich negative NAVS hat sich dank eines ausgeprägten Wirtschaftswachstums und eines Leistungsbilanzüberschusses erheblich verbessert, und seine Struktur ist angesichts des hohen Anteils an Instrumenten ohne Ausfallrisiko nach wie vor günstig. Die private und staatliche Verschuldung und der NAVS sind nach wie vor hoch, dürften aber in Zukunft trotz eines weniger günstigen nominalen BIP-Wachstums weiter zurückgehen. Die Leistungsbilanz verzeichnete im vergangenen Jahr wieder einen Überschuss und dürfte in diesem und im nächsten Jahr positiv bleiben, und es wurde ein Haushaltsüberschuss erzielt. Der Zinsanstieg hat einen gewissen Druck auf die verschuldeten Haushalte ausgeübt, und die Wohnimmobilienpreise steigen seit mehreren Jahren stark an. Die notleidenden Kredite, die bereits auf einem moderaten Niveau waren, sind weiter zurückgegangen. Die politischen Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Anfälligkeiten sind konsequent weitergeführt worden und haben eine sichtbare Wirkung gezeigt. Die laufende Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans dürfte sich weiter günstig auf das Wachstumspotenzial auswirken und so die Tragfähigkeit der Zahlungsbilanz Portugals und die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen verbessern.

Spanien weist nachweislich keine Ungleichgewichte mehr auf. Beim Abbau der mit der hohen Privat- und Auslandsverschuldung zusammenhängenden Anfälligkeiten, die eine grenzüberschreitende Tragweite hatten, wurden erhebliche Fortschritte erzielt, und die Staatsverschuldung ist zurückgegangen. Nach einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Unterbrechung ging die Schuldenquote des privaten Sektors und die negative NAVS-Quote auch dank eines starken nominalen BIP-Wachstums im Jahr 2021 wieder zurück. Beide dürften sich in den kommenden Jahren weiter verbessern, wenn auch langsamer als in jüngster Zeit, da das nominale BIP-Wachstum voraussichtlich weniger günstig sein wird. Die Leistungsbilanz weist seit zehn Jahren einen Überschuss auf und stieg 2023 aufgrund rasch wachsender Ausfuhren und niedrigerer Energiepreise weiter an. Die hohe öffentliche Schuldenquote ist aufgrund eines starken nominalen BIP-Wachstums geschrumpft, doch werden in diesem und im nächsten Jahr verhaltenere Verbesserungen erwartet, da nach wie vor erhebliche Haushaltsdefizite und ein weniger günstiges nominales BIP-Wachstum zu verzeichnen sein werden. Die Arbeitslosenquote ist seit zehn Jahren rückläufig und wird den Prognosen zufolge weiter sinken. Der Bankensektor hat sich trotz der restriktiveren Finanzierungsbedingungen für Kreditnehmer weiterhin als krisenfest erwiesen. Bei der Beseitigung der festgestellten Anfälligkeiten wurden – auch dank der Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans in den letzten Jahren – erhebliche politische Fortschritte erzielt, doch sind noch weitere Anstrengungen erforderlich, um insbesondere den hohen gesamtstaatlichen Schuldenstand zu senken.

Mitgliedstaaten, die neuerdings Ungleichgewichte aufweisen 

Die Slowakei weist nachweislich Ungleichgewichte auf. Trotz einiger Verbesserungen in jüngster Zeit sind die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit der Kostenwettbewerbsfähigkeit, dem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht, dem Wohnungsmarkt und der Verschuldung der privaten Haushalte nach wie vor vorhanden, und es wurden keine politischen Maßnahmen ergriffen. 2023 wurde die Slowakei einer eingehenden Überprüfung unterzogen, der zufolge ihre Anfälligkeiten nicht zu makroökonomischen Ungleichgewichten hätten führen sollen, da davon ausgegangen wurde, dass sie sich mittelfristig abschwächen würden. Die Anfälligkeiten haben sich in der Tat abgeschwächt, allerdings nicht so schnell wie vor einem Jahr erwartet. Zudem scheint es sich um konjunkturbedingte Verbesserungen zu handeln und es scheinen sich strukturelle Anfälligkeiten verfestigt zu haben; dabei fehlt es an politischen Maßnahmen. Das hohe Leistungsbilanzdefizit hat sich im vergangenen Jahr gebessert, es dürfte jedoch weiterhin ein erhebliches Defizit bestehen, wodurch der NAVS weiterhin deutlich negativ ausfallen dürfte. Die Kerninflation hat sich als hartnäckiger erwiesen als erwartet und lag weiterhin über dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets, während die Lohnstückkosten nach wie vor stärker steigen als bei den meisten Handelspartnern. Es ist nicht davon auszugehen, dass dieser Preis- und Kostendruck in diesem oder im kommenden Jahr nachlassen wird, was Verbesserungen bei der Wettbewerbsfähigkeit und der Handelsbilanz beeinträchtigen könnte. Die Kreditaufnahme der privaten Haushalte hat über die Jahre deutlich zugenommen und sich 2023 angesichts eines Rückgangs der Vergabe von Hypothekarkrediten verlangsamt. Die Wohnimmobilienpreise sind zwar gesunken, sie sind aber immer noch leicht überbewertet und werden voraussichtlich erneut steigen, da das Wohnraumangebot nach wie vor begrenzt ist. Die Nachfrage nach Wohnraum wird durch politische Maßnahmen wie die kürzlich beschlossenen Kreditzuschüsse gestützt, die die geldpolitische Transmission behindern und für den öffentlichen Haushalt kostspielig sind. Die Haushaltsanpassung hat sich verzögert und die hohe Staatsverschuldung dürfte sich in diesem Jahr noch verschärfen; gleichzeitig dürfte die gesamtstaatliche Schuldenquote trotz eines stützenden BIP-Wachstums, das einen Aufwärtsdruck auf die Inlandsnachfrage ausübt, 2024 und 2025 steigen. Insgesamt waren die politischen Maßnahmen nicht ausreichend, um die ermittelten Schwachstellen zu beheben, was zu ihrer Verfestigung beigetragen hat. Eine Haushaltsanpassung würde dazu beitragen, die Kerninflation zu verringern, die außenwirtschaftliche Position zu stärken und den Anstieg des gesamtstaatlichen Schuldenstandes einzudämmen; eine solche Anpassung sollte durch die Einleitung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit gestützt werden. Außerdem sind Maßnahmen erforderlich, um die preisliche und nichtpreisliche Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und die Risiken im Zusammenhang mit dem Wohnungsmarkt und der Anhäufung von Schulden durch private Haushalte zu verringern, unter anderem durch die Entwicklung eines funktionierenden Mietmarktes.

Mitgliedstaaten, die Ungleichgewichte aufweisen 

Zypern weist nach wie vor Ungleichgewichte auf. Die Anfälligkeiten in Verbindung mit der privaten Verschuldung, dem gesamtstaatlichen Schuldenstand und der Auslandsverschuldung sind zwar insgesamt zurückgegangen, aber nach wie vor erheblich, während sich das hohe Leistungsbilanzdefizit weiter vergrößert hat. Sowohl die Schuldenquote der Privathaushalte als auch diejenige der Nichtfinanzunternehmen ist zurückgegangen, sie bleiben aber weiterhin hoch. Die Unternehmens- und die Auslandsverschuldung werden allerdings durch die Schulden von Zweckgesellschaften hochgetrieben, von denen ein begrenztes Risiko für heimische Wirtschaft ausgeht. Der große Bestand an notleidenden Krediten, die von Banken gehalten werden, hat in den letzten Jahren und auch 2023 merklich abgenommen, und die Abwicklung notleidender Kredite durch krediterwerbende Unternehmen dürfte zum weiteren Abbau der Privatverschuldung beitragen. Allerdings dürften die verschärften finanziellen Bedingungen den Druck auf hochverschuldete Haushalte und Unternehmen erhöhen. Die gesamtstaatliche Schuldenquote geht rapide zurück, und Zypern wird seinen Haushaltsüberschuss im laufenden und im kommenden Jahr voraussichtlich aufrechterhalten, wodurch sich die Schuldenquote weiter verringern wird. Das hohe Leistungsbilanzdefizit hat sich 2023 noch vergrößert, was vor allem auf die anhaltend robuste Inlandsnachfrage und die Rückführung von Gewinnen zurückzuführen ist. Es dürfte in diesem und im nächsten Jahr hoch bleiben. Der ausgesprochen negative NAVS hat sich letztes Jahr nicht verbessert, und er dürfte sich weiter verschlechtern, sollte die Leistungsbilanz nicht merklich besser werden. Es wurden große politische Anstrengungen unternommen, um die festgestellten Schwachstellen zu beheben. Die umfassende und zeitnahe Ausführung des Aufbau- und Resilienzplans sowie weitere Maßnahmen dürfte dazu beitragen, die Ausfuhren zu steigern und die übermäßige Abhängigkeit von Mineralöleinfuhren zu verringern.

Deutschland weist nach wie vor Ungleichgewichte auf. Die Anfälligkeiten in Verbindung mit dem anhaltend hohen Leistungsbilanzüberschuss haben trotz eines leichten Rückgangs im Laufe der Jahre weiter Bestand, da das zugrunde liegende Problem der schwachen Inlandsnachfrage und der verhaltenen Investitionstätigkeit mit grenzüberschreitenden Auswirkungen fortbesteht, worauf die Politik bisher nicht hinreichend reagiert hat. Angesichts der niedrigeren Energiepreise, der schwachen Inlandsnachfrage und des schleppenden Welthandels sprang der Leistungsbilanzüberschuss von 4,2 % des BIP im Jahr 2022 auf 5,9 % des BIP im Jahr 2023. In diesem und im nächsten Jahr wird er voraussichtlich noch etwas weiter ansteigen, jedoch deutlich unter dem Niveau von vor der Pandemie bleiben. In Anbetracht der Größe der deutschen Wirtschaft und ihrer engen Handelsverflechtungen im Euro-Währungsgebiet hat dies negative Spillover-Effekte auf das restliche Euro-Währungsgebiet. Die sinkenden Wohnimmobilienpreise haben dazu geführt, dass ihre Überbewertung deutlich zurückgegangen ist, was sich bisher kaum auf das Finanzsystem ausgewirkt hat; allerdings sollte der Gewerbeimmobiliensektor weiter im Blick behalten werden. Rückläufige Investitionen in den Wohnungsbau könnten in naher Zukunft zu erneutem Preisdruck und damit verbundenen Überbewertungsrisiken führen. Es wird damit gerechnet, dass sich die Kostenwettbewerbsfähigkeit in Zukunft etwas verschlechtert und die Privathaushalte aufgrund voraussichtlich steigender Reallöhne allmählich wieder an Kaufkraft gewinnen. Die Erholung der privaten Investitionen braucht Zeit, und die Haushaltskonsolidierung dürfte die Inlandsnachfrage und möglicherweise auch die öffentlichen Investitionen belasten. Die zugrunde liegenden Anfälligkeiten mit Blick auf die deutliche Lücke zwischen Ersparnissen und Investitionen haben sich insgesamt nicht grundlegend geändert: Der Investitionsbedarf ist im Laufe der Jahre gestiegen, vor allem im Hinblick auf Investitionen der öffentlichen Hand auf regionaler Ebene und Unternehmensinvestitionen im Allgemeinen, die künftiges Wirtschaftswachstum fördern würden. Wenngleich die Regierung bereits einige Maßnahmen zur Förderung von Investitionen ergriffen hat und der Aufbau- und Resilienzplan wichtige entsprechende Maßnahmen umfasst, waren die politischen Maßnahmen bislang nicht umfangreich genug, um wesentliche Fortschritte zu erzielen oder die allgemeine Herausforderung, die privaten und öffentlichen Investitionen zu steigern, zu bewältigen.

Ungarn weist nach wie vor Ungleichgewichte auf. Die Anfälligkeiten in Verbindung mit dem Preisdruck und dem externen und staatlichen Finanzierungsbedarf sind nach wie vor relevant, obwohl einige kurzfristige Risiken durch ein sich verbesserndes außenwirtschaftliches Umfeld abgemildert wurden. Das große Leistungsbilanzdefizit wurde 2023 ausgeglichen, da die Binnennachfrage infolge einer Rezession in Ungarn sank und die Energiepreise fielen. Zusammen mit einer restriktiveren Geldpolitik trugen diese Faktoren dazu bei, die sehr hohe Inflationsrate zu verringern. Dennoch weist Ungarn nach wie vor eine der höchsten Kerninflationsraten in der EU auf, und die Lohnstückkosten sind weiter stark gestiegen und setzen die Wettbewerbsfähigkeit unter Druck. Die Leistungsbilanz dürfte wieder leicht defizitär werden, da die Binnennachfrage sich erholt, während die Wirtschaft und ihre Außenfinanzierung weiterhin anfällig gegenüber der Entwicklung bei Energiepreisen und Risikoprämien sind. Der Anstieg der Wohnimmobilienpreise verlangsamte sich, und die Überbewertung milderte sich 2023 vor dem Hintergrund höherer Zinssätze ab. Das hohe Haushaltsdefizit besteht wegen einer expansiven Politik und eines seit der Rezession des Jahres 2023 abnehmenden Wachstums weiter. Den Prognosen zufolge dürfte sich das Defizit etwas verringern, jedoch erheblich bleiben, weiter zur Inflation beitragen und den Auslandskreditbedarf erhöhen. Die gesamtstaatliche Schuldenquote sowie die Zinsbelastung dürften hoch bleiben. Politische Fortschritte wurden in allen Bereichen, insbesondere auf finanz- und strukturpolitischem Gebiet, nur in begrenztem Maße erzielt, was zum Fortbestehen der festgestellten Anfälligkeiten beitrug. Eine Haushaltsanpassung würde dazu beitragen, die Kerninflation zu verringern, die außenwirtschaftliche Position zu stärken und den Anstieg des gesamtstaatlichen Schuldenstandes einzudämmen; eine solche Anpassung sollte durch die Einleitung eines Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit gestützt werden. Eine zeitige und wirksame Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans dürfte dazu beitragen, die Anfälligkeiten zu verringern; die schrittweise Abschaffung verzerrender Eingriffe in die Märkte und Reformen zur Unterstützung der Haushaltskonsolidierung hätten hierbei einen verstärkenden Effekt.

Die Niederlande weisen nach wie vor Ungleichgewichte auf. Die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit einer hohen privaten Verschuldung vor dem Hintergrund eines überbewerteten Wohnungsmarkts, die grenzüberschreitende Auswirkungen haben, sind trotz einiger Verbesserungen nach wie vor relevant. Die mit dem hohen Leistungsbilanzüberschuss verbundenen Anfälligkeiten wurden durch das relativ starke Wachstum der Binnennachfrage abgemildert. Der hohe Leistungsbilanzüberschuss ist durch einen beträchtlichen Überschuss im Waren- und Dienstleistungsverkehr, der einen Überschuss an inländischen Ersparnissen gegenüber den Investitionen für die Wirtschaft insgesamt widerspiegelt, erhöht worden und wird voraussichtlich auch weiterhin bestehen. Allerdings hat die Binnennachfrage in den letzten Jahren kräftiger zugelegt als im Euro-Währungsgebiet, was nahelegt, dass die Spillover-Effekte des Leistungsbilanzüberschusses auf die übrige Region weniger Anlass zu Sorge geben. Die erhebliche Präsenz multinationaler Unternehmen in den Niederlanden, die statistischen Auswirkungen einbehaltener Unternehmensgewinne und die Rolle von Pensionsfonds, die reichlich Ersparnisse akkumulieren und dann im Ausland investieren, sind allesamt Merkmale, die zur großen Lücke zwischen Ersparnissen und Investitionen beitragen. Die private Verschuldung ging 2023 weiter erheblich zurück, und es ist mit einem fortgesetzten Rückgang zu rechnen, wobei der Schuldenstand jedoch hoch bleibt. Die hohe Verschuldung in Verbindung mit großen Beständen an illiquiden Vermögenswerten, vor allem in den Bereichen Wohnen und Altersvorsorge, macht die Haushalte insbesondere angesichts des überbewerteten Wohnungsmarkts anfällig für sich wandelnde wirtschaftliche Bedingungen. Die Wohnimmobilienpreise wiesen für den Großteil des vergangenen Jahres vor dem Hintergrund der restriktiveren Finanzierungsbedingungen eine gewisse Korrektur auf, sind aber nach wie vor überbewertet – wenn auch weniger stark als zuvor. Um die ermittelten Schwachstellen zu beheben, wurden bereits einige Maßnahmen ergriffen, zur Erzielung politischer Fortschritte sind jedoch weitere Anstrengungen erforderlich. Es könnten mehrere Optionen verfolgt werden, um den Wohnungsmangel durch höhere Investitionen in den Wohnungsbau und den Abbau von Hindernissen für den Bau neuer Wohnungen energischer anzugehen und gleichzeitig steuerliche Anreize für schuldenfinanziertes Wohneigentum zu beseitigen. Die jüngsten Reformen auf dem privaten Mietmarkt dürften der Verfügbarkeit von Wohnraum kaum förderlich sein.

Schweden weist nach wie vor Ungleichgewichte auf. Die Anfälligkeiten im Zusammenhang mit dem Immobilienmarkt und der hohen privaten Verschuldung sind trotz einiger Korrekturen in jüngster Zeit nach wie vor relevant, und die politischen Maßnahmen zu ihrer Bewältigung waren begrenzt. Nach einem erheblichen Anstieg seit mehreren Jahren sind die Immobilienpreise seit Ende 2022 rückläufig. Die Verschuldung des privaten Sektors ging im Verhältnis zum BIP wegen des hohen nominalen BIP-Wachstums aufgrund der hohen Inflation zurück, während der Schuldenstand nominal weiter zunahm. Der rasche Zinsanstieg hat sich negativ auf den Schuldendienst privater Haushalte und gewerblicher Immobilienunternehmen ausgewirkt, die Nachfrage verringert und die Immobilienpreise beeinflusst. Die Verbreitung variabler Zinssätze und Hypotheken mit sehr langer Laufzeit hat die Bilanzen der privaten Haushalte unter Druck gesetzt, die Rückzahlungsfähigkeit verringert, einen Rückgang des Verbrauchs ausgelöst und zur Rezession im Jahr 2023 beigetragen. Gleichzeitig ging der Neubau von Wohnraum stark zurück. Trotz der jüngsten Rückgänge sind die Wohnimmobilienpreise nach wie vor deutlich überbewertet; auch die Preise für Gewerbeimmobilien scheinen sich noch nicht vollständig angepasst zu haben, und es bestehen Risiken für den Schuldendienst, wenn die Zinssätze hoch bleiben und die Bewertungen zurückgehen. Der Finanzsektor weist eine starke Exposition gegenüber dem Immobiliensektor auf, aber seine starken Messgrößen sollten als Schutz gegen die Ausbreitung von Immobilienproblemen auf die Gesamtwirtschaft dienen. Die politischen Fortschritte waren begrenzt, und in Ermangelung entschlossenerer Maßnahmen werden die festgestellten Anfälligkeiten fortbestehen und könnten zu einem Wiederanstieg des schuldenfinanzierten Erwerbs von Wohnraum und einer Überbewertung der Wohnimmobilienpreise führen. Maßnahmen zur Erhöhung des Wohnraumangebots könnten erheblich dazu beitragen, diese Probleme zu verhindern. Darüber hinaus fördert die Besteuerung weiterhin den schuldenfinanzierten Erwerb von Wohnraum durch die erhebliche steuerliche Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen und begünstigt Wohneigentum. Der Mietmarkt wurde nicht reformiert.

Mitgliedstaaten, die inzwischen Ungleichgewichte aufweisen (vorher übermäßige Ungleichgewichte)

Griechenland weist inzwischen Ungleichgewichte auf, nachdem im Jahr 2023 übermäßige Ungleichgewichte festgestellt worden waren. Die Anfälligkeiten in Verbindung mit einem hohen gesamtstaatlichen Schuldenstand und einem hohen Bestand an notleidenden Krediten vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit bestehen zwar fort, sind aber deutlich zurückgegangen und dürften noch weiter zurückgehen; die außenwirtschaftliche Position bleibt jedoch schwach. Bei der gesamtstaatlichen Schuldenquote ist ein weiterer Rückgang zu verzeichnen; obwohl sie sich im Jahr 2023 mit annähernd 162 % weiterhin auf einem hohen Niveau bewegt hat, so scheinen die kurzfristigen Risiken für die Schuldentragfähigkeit gering. In den letzten Jahren war das nominale BIP-Wachstum ein bedeutender Faktor für die rasch sinkende Schuldenquote, doch dürfte die erwartete weitere Verbesserung der Haushaltssalden sicherstellen, dass diese weiter zurückgehen wird. Das Leitungsbilanzdefizit, das sich zwischen 2020 und 2022 deutlich vergrößert hatte, ging 2023 erheblich zurück, bleibt aber vor dem Hintergrund einer regen Inlandsnachfrage weiterhin hoch. In diesem und im nächsten Jahr werden nur geringfügige Verbesserungen der Leistungsbilanz erwartet, da sich die Einfuhren bedingt durch ein robustes Wachstum der Investitionen voraussichtlich weiterhin auf hohem Niveau bewegen werden. Auch das stark negative Verhältnis zwischen NAVS und BIP hat sich im vergangenen Jahr aufgrund des hohen nominalen BIP-Wachstums ebenfalls verbessert, ist aber nach wie vor das schwächste in der EU. Bei den notleidenden Krediten war in den vergangenen Jahren ein drastischer Rückgang zu verzeichnen, der sich auch 2023 fortsetzte, doch die Abwicklung der notleidenden Kredite außerhalb des Bankensektors bleibt schleppend, was für die Wirtschaft weiterhin eine Belastung darstellt. Die Beschäftigung ist angestiegen und die Arbeitslosigkeit ist zwar weiter zurückgegangen, bewegt sich aber nach wie vor auf einem relativ hohen Niveau. Ein über Jahre hinweg konsequentes politisches Handeln und umfassende Strukturreformen haben eindeutig eine Verringerung der ermittelten Anfälligkeiten begünstigt. Eine Beibehaltung des umsichtigen finanzpolitischen Kurses und die kontinuierliche fristgerechte Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans sind nach wie vor von entscheidender Bedeutung, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und einen Abbau von wirtschaftlichen Ungleichgewichten, auch in Bezug auf die außenwirtschaftliche Position, sicherzustellen.

Italien weist inzwischen Ungleichgewichte auf, nachdem im Jahr 2023 übermäßige Ungleichgewichte festgestellt wurden. Die Schwachstellen infolge der hohen Staatsverschuldung und der geringen Produktivitätssteigerung vor dem Hintergrund eines anfälligen Arbeitsmarkts und einiger verbleibender Schwächen des Finanzsektors, die grenzüberschreitende Bedeutung haben, bestehen weiterhin. Die öffentliche Schuldenquote Italiens ist seit dem Höchstwert während der COVID‑19‑Pandemie-Krise merklich zurückgegangen, was hauptsächlich auf ein starkes BIP-Wachstum zurückzuführen ist. Die öffentliche Schuldenquote ist jedoch weiterhin hoch, im Jahr 2023 belief sie sich auf 137 % des BIP, und der Abwärtstrend wird sich den Projektionen zufolge in diesem und im kommenden Jahr umkehren. Diese Umkehrung ist auf umfangreiche schuldenstandserhöhende Bestandsanpassungen, die zwar rückläufig aber nach wie vor beträchtlich sind, sowie ein geringeres nominales BIP-Wachstum zurückzuführen. Das Produktivitätswachstum war insgesamt und im Durchschnitt positiv, aber begrenzt, was die Notwendigkeit von Reformen und Investitionen bestätigt, damit strukturelle Defizite überwunden und günstige Bedingungen für das Produktivitätswachstum geschaffen werden. Die Arbeitsmarktbedingungen haben sich in den letzten Jahren verbessert und haben nicht zu Lohndruck geführt. Die Erwerbsbeteiligung ist auf Rekordwerte gestiegen, bleibt jedoch im Vergleich weiterhin relativ niedrig. Der Finanzsektor ist durch Verbesserungen bei der Bankaktiva-Qualität und der Rentabilität weiter gestärkt, während die italienischen Banken in ihren Bilanzen nach wie vor in erheblichem Maße vom Staat und staatlich garantierten Krediten abhängig sind. Die politischen Maßnahmen haben sich positiv auf die Behebung von Anfälligkeiten ausgewirkt, unter anderem durch die Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans, die unter anderem die Produktivität und das potenzielle BIP-Wachstum fördert und so zu einer längerfristigen Senkung der öffentlichen Schuldenquote beitragen. Es ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung, das Tempo der Umsetzung des Aufbau- und Resilienzplans beizubehalten, und zusätzliche politische Anstrengungen wären von Vorteil. Es bedarf eindeutig weiterer Maßnahmen, um die hohe öffentliche Schuldenquote zu senken. Der reformierte Stabilitäts- und Wachstumspakt, einschließlich der Anwendung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit, bietet einen geeigneten und starken Überwachungsmechanismus, mit dem die Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen angegangen und die Überwachung im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit zu ergänzt werden.

Mitgliedstaaten, die nun übermäßige Ungleichgewichte aufweisen (vorher Ungleichgewichte)

Rumänien, für das 2023 Ungleichgewichte festgestellt wurden, weist nun übermäßige Ungleichgewichte auf. Die Zahlungsbilanzanfälligkeiten, die vor allem mit den fortbestehenden hohen und weiter steigenden öffentlichen Defiziten zusammenhängen, bestehen weiterhin, wobei der erhebliche Preis- und Kostendruck noch zugenommen und die Politik bisher kaum reagiert hat. Das Leistungsbilanzdefizit hat sich 2023 vor allem wegen des schwächeren privaten Konsums und wegen Terms-of-Trade-Gewinnen leicht verbessert, bleibt aber eindeutig hoch und dürfte sich weder in diesem noch im nächsten Jahr verbessern. Folge ist, dass sich der NAVS im Verhältnis zum BIP trotz des hohen nominalen BIP-Wachstums nicht mehr verbessert und wegen der anhaltend hohen Leistungsbilanzdefizite noch weiter in den Negativbereich geraten könnte. Die Inflation ist insgesamt zurückgegangen, doch bleibt die Kerninflation überaus hoch und liegt nur marginal unter ihrem jüngsten Höchststand und über ihrem entsprechenden Vorjahreswert. Die Lohn- und Arbeitskostendynamik beschleunigte sich 2023 und blieb 2024 kräftig, was teils den starken Anstieg der Mindestlöhne und der Löhne im öffentlichen Sektor widerspiegelt, während die Lage am Arbeitsmarkt angespannt ist. Dies hat Bedenken hinsichtlich der preislichen Wettbewerbsfähigkeit wachgerufen, während die nicht-preisliche Wettbewerbsfähigkeit weiterhin durch strukturelle Engpässe beeinträchtigt wird. All dies verschärft die Bedenken, dass sich die Wettbewerbsverluste verfestigen und die notwendigen Handelsbilanzverbesserungen verzögern könnten. Die öffentliche Finanzlage, die zu den wichtigsten Antriebsfaktoren des hohen Leistungsbilanzdefizits zählt, hat sich im vergangenen Jahr verschlechtert. Das hohe Haushaltsdefizit dürfte sich 2024 und 2025 noch etwas vergrößern. Der öffentliche Schuldenstand stieg trotz des hohen nominalen BIP-Wachstums weiter an, bleibt aber mit 53 % des BIP moderat, wobei allerdings ein großer Anteil auf Fremdwährungen lautet. Das anhaltend hohe öffentliche Defizit könnte die Auslandsverschuldung in die Höhe treiben und Rumänien noch stärker von externen Finanzierungsquellen abhängig machen, wodurch das Land für Veränderungen der Anlegerstimmung und externe Schocks anfällig würde. Bisher hat die Politik kaum auf diese Anfälligkeiten reagiert. Ein glaubwürdiger Konsolidierungspfad ist unerlässlich, um die Risiken für die Stabilität der Wirtschaft einzudämmen. Dies setzt voraus, dass die Empfehlungen im Rahmen des Defizitverfahrens befolgt und die im Aufbau- und Resilienzplan vorgesehenen strukturellen haushaltspolitischen Reformen, insbesondere jene, die auf eine strukturelle Erhöhung der Staatseinnahmen abzielen, vollständig umgesetzt werden und wesentlich strengere Ausgabenkontrolle geübt wird als in den Vorjahren. Weitere Reformen und Investitionen über die strukturellen haushaltspolitischen Reformen des Aufbau- und Resilienzplans hinaus kämen der Wettbewerbsfähigkeit ebenfalls zugute.

(1)

Ausgedrückt in Kaufkraftstandards stieg das Pro-Kopf-BIP der zehn „neuen“ Mitgliedstaaten, die der EU vor 20 Jahren beigetreten sind, von 51 % zum Zeitpunkt des Beitritts im Jahr 2004 auf 79 % im Jahr 2023. Siehe Europäische Kommission (2024), Frühjahrsprognose 2024 der Kommission.

(2)

 Beispielsweise in der Mitteilung der Kommission über die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der EU , dem  Jahresbericht 2024 über den Binnenmarkt und die Wettbewerbsfähigkeit  und dem  neunten Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt .

(3)

  Enrico Letta, „Much more than a market“ (April 2024) (europa.eu) .

(4)

Wie etwa die Verbesserung des Zugangs zu Kapital für europäische Unternehmen, die Senkung der Energiekosten, die Verbesserung der Kompetenzen der Erwerbstätigen oder die Stärkung des Handels mit der übrigen Welt.

(5)

Mit dem Inkrafttreten dieser Rechtsvorschriften endet die Überprüfung der wirtschaftspolitischen Steuerung, die die Kommission im Februar 2020 eingeleitet hatte. Am 26. April 2023 unterbreitete die Kommission entsprechende Legislativvorschläge.

(6)

Im Plan sollte erklärt werden, wie man sicherzustellen gedenkt, dass die als Reaktion auf die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen getätigten Investitionen und Reformen durchgeführt werden. Länderspezifischen Empfehlungen sollten als „einschlägig“ angesehen werden, solange der betreffende Mitgliedstaat für die Zwecke der Überwachung im Rahmen des Europäischen Semesters noch keine „vollumfänglichen“ oder „substanziellen“ Fortschritte bei ihrer Umsetzung erzielt hat.

(7)

Der Ausdruck „Nettoausgaben“ bezeichnet die Staatsausgaben ohne Zinsausgaben, diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen, Ausgaben für Programme der Union, die vollständig durch Einnahmen aus den Unionsfonds ausgeglichen werden, nationale Ausgaben für die Kofinanzierung von Programmen, die von der Union finanziert werden, konjunkturelle Komponenten der Ausgaben für Leistungen bei Arbeitslosigkeit und einmalige und sonstige befristete Maßnahmen.

(8)

  Mitteilung über die haushaltspolitischen Leitlinien für 2024 , COM(2023) 141 final, 8. März 2023.

(9)

  Die Bewertung der Einhaltung des Schuldenstandskriteriums wurde im überarbeiteten Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung erheblich geändert. Die Schuldenquote gilt dann als „hinreichend rückläufig“ und „sich rasch genug dem Referenzwert von 60  % des BIP nähernd“, wenn der betreffende Mitgliedstaat seinen Nettoausgabenpfad gemäß den Vorgaben des Rates beibehält. Da der Rat noch keinen entsprechenden Nettoausgabenpfad festgelegt hat, kann das Schuldenstandskriterium zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht bewertet werden.

(10)

  Bericht über die Bevölkerungsalterung 2024 mit Wirtschafts- und Haushaltsprojektionen für die EU-Mitgliedstaaten (2022-2070) – Europäische Kommission (europa.eu)

(11)

  Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht: Rat nimmt Schlussfolgerungen an

(12)

Die eingehenden Überprüfungen 2024 wurden in zwei Bündeln veröffentlicht: Das erste Bündel enthielt die eingehenden Überprüfungen für Spanien, Zypern, die Niederlande, Rumänien, die Slowakei und Schweden und wurde am 25. März 2024 veröffentlicht. Das zweite Bündel umfasste die eingehenden Überprüfungen für Deutschland, Griechenland, Frankreich, Italien, Ungarn und Portugal und wurde am 23. April 2024 vorgelegt.

(13)

  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Den europäischen Verwaltungsraum stärken (ComPAct) .

(14)

  Mitteilung: Ein Industrieplan zum Grünen Deal für das klimaneutrale Zeitalter | Europäische Kommission (europa.eu)

(15)

  Die EU-Kommission und der Hohe Vertreter haben die neue EU-Strategie Global Gateway aus der Taufe gehoben, um Digitales, Energie und Verkehr intelligent, sauber und verlässlich miteinander zu vernetzen und Gesundheit, Bildung und Forschung weltweit aufzuwerten.

(16)

1,2 % des BIP gegenüber 2,3 % in den USA.

(17)

 Im Pakt für Forschung und Innovation in Europa (2021) wird das Investitionsziel von 3 % des BIP für FuE bekräftigt. Dies wurde auch in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 17./18. April 2024 erneut bekräftigt.

(18)

  IPCEI im Bereich Mikroelektronik – Wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse (ipcei-me.eu)

(19)

  Wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse im Bereich der Computing-Technologien (europa.eu)

(20)

Darüber hinaus gibt auch das geschlechtsspezifische Gefälle bei IKT-Kompetenzen Anlass zur Sorge. Im Jahr 2021 – dem letzten Jahr, für das Daten vorliegen – waren 81 % der beschäftigten IKT-Spezialisten männlich. Siehe auch https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=ICT_specialists_in_employment.

(21)

Der Europäische Innovationsrat (EIC) hat den Zugang junger Unternehmen zu Finanzmitteln auf europäischer Ebene verbessert.

(22)

https://ec.europa.eu/regional_policy/whats-new/newsroom/14-12-2023-eu-addresses-talent-development-trap-in-new-call-for-regions-to-harness-existing-talent_en

(23)

 Siehe  Ember-Bericht „Global Electricity Review 2024“ (ember-climate.org) .

(24)

  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=COM%3A2023%3A757%3AFIN

(25)

 Siehe Verordnung (EU) 2022/869 .

(26)

 Siehe  Strategieplan für Energietechnologie (europa.eu) .

(27)

  Netto-Null-Industrie-Verordnung – Europäische Kommission (europa.eu) .

(28)

 Europäische Kommission (2024), Folgenabschätzung als Begleitunterlage zur Mitteilung „ Unsere Zukunft sichern: Europas Klimaziel für 2040 und Weg zur Klimaneutralität bis 2050 für eine nachhaltige, gerechte und wohlhabende Gesellschaft “.

(29)

  https://energy.ec.europa.eu/topics/energy-efficiency/energy-efficient-buildings/energy-performance-buildings-directive_en

(30)

 Wenn die Mitgliedstaaten Investitionen tätigen, sollten sie dies auf der Grundlage der Werte und Grundsätze des Neuen Europäischen Bauhauses tun, um dort, wo es möglich ist, Nachhaltigkeit mit erschwinglichen Lösungen zu fördern und die lokalen Gemeinschaften in die Gestaltung von Transformationspfaden einzubeziehen. Neues Europäisches Bauhaus: attraktiv – nachhaltig – gemeinsam | Europäische Union (europa.eu) .

(31)

Instrumente wie „Level(s)“ und das Protokoll über Bau- und Abbruchabfälle sind praktische Leitfäden für Bau- und Renovierungsprojekte, mit denen die Nachhaltigkeitsleistung während des gesamten Lebenszyklus der Gebäude verbessert werden soll. Auch kann ein umweltorientiertes öffentliches Beschaffungswesen direkt von den Behörden angewandt werden.

(32)

 Laut der Europäischen Umweltagentur (2024) bis zu 193 Mrd. EUR (siehe  The costs to health and the environment from industrial air pollution in Europe – 2024 update “); die Zahlen für die primären Luftschadstoffe (NH3, NOx, PM10, SO2 und NMVOC) wurden anhand der VSL-Methode („Value of statistical life“) errechnet.

(33)

 Europäische Kommission, Mitteilung „ Bewältigung von Klimarisiken – Schutz der Menschen und des Wohlstands “, siehe b04a5ed8-83da-4007-9c25-1323ca4f3c92_en (europa.eu) .

(34)

D. h. die Fähigkeit, wasserbedingten Schocks und Belastungen, z. B. Dürren oder Überschwemmungen, standzuhalten und sich trotzdem positiv zu entwickeln.

(35)

Die Annahme der EU-Richtlinie über Mindestlöhne (Richtlinie (EU) 2022/2041) schafft eine positive Dynamik für Maßnahmen zur Gewährleistung angemessener Mindestlöhne.

(36)

Die Quote der unbesetzten Stellen in der EU war mit 2,5 % im vierten Quartal 2023 immer noch doppelt so hoch wie vor zehn Jahren.

(37)

  Arbeits- und Fachkräftemangel: Was die EU dagegen tun will – Europäische Kommission (europa.eu) .

(38)

 Das Paket zur Kompetenz- und Fachkräftemobilität soll zur Behebung des Arbeits- und Fachkräftemangels beitragen, indem qualifizierte Drittstaatsangehörige mithilfe des EU-Talentpools angeworben und in der Union gebunden und ihre Qualifikationen anerkannt werden.

(39)

 Mit den Strategien für eine Union der Gleichheit soll die Chancengleichheit am Arbeitsmarkt und in der Bildung für Frauen, benachteiligte Gruppen, wie Menschen mit Behinderungen, oder Angehörige von Minderheiten, z. B. Roma, gefördert werden.

(40)

Rund die Hälfte der Schüler/innen aus benachteiligten sozioökonomischen Verhältnissen (48 %) erreichte 2022 nicht das Mindestniveau an Mathematikkenntnissen, was einen unverhältnismäßigen Anstieg darstellt.

(41)

Beispielsweise Alleinerziehende, Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Migrationshintergrund oder Angehörige nationaler ethnischer Minderheiten (z. B. Roma).

(42)

  Index der EU für sozialen Fortschritt 2.0 – Ausgabe 2024 (in englischer Sprache).

(43)

  EUR-Lex – 52023DC0577 – DE – EUR-Lex (europa.eu)

(44)

 Europäische Kommission –  Country analysis on social convergence in line with the features of the Social Convergence Framework (SCF) – SWD(2024)132.

(45)

 Siehe: Europäische Kommission –  Country analysis on social convergence in line with the features of the Social Convergence Framework (SCF) – SWD(2024)132.

(46)

  Gemeinsamer Beschäftigungsbericht 2024, am 11. März 2024 vom Rat (Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz) angenommen .

(47)

 Einschließlich politischer Maßnahmen in den nationalen Reformprogrammen sowie in der Berichterstattung zur Aufbau- und Resilienzfazilität (halbjährliche Berichte über die Fortschritte bei der Erreichung der Etappenziele und Zielwerte sowie auf der Grundlage der Bewertung der Zahlungsanträge).

(48)

 Die Mitgliedstaaten wurden aufgefordert, in ihren Aufbau- und Resilienzplänen effektiv auf alle oder einen erheblichen Teil der einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen einzugehen. Bei der hier vorgestellten Bewertung der länderspezifischen Empfehlungen wird der Grad der Umsetzung der in den Aufbau- und Resilienzplänen enthaltenen Maßnahmen sowie der Maßnahmen berücksichtigt, die zum Zeitpunkt der Bewertung außerhalb der Aufbau- und Resilienzpläne durchgeführt wurden. Die in den Anhängen der angenommenen Durchführungsbeschlüsse des Rates zur Billigung der Bewertung der Aufbau- und Resilienzpläne vorgesehenen Maßnahmen, die noch nicht verabschiedet oder umgesetzt wurden, aber gemäß der Bewertungsmethodik der länderspezifischen Empfehlungen als glaubhaft angekündigt gelten, werden als „begrenzte Fortschritte“ eingestuft. Nach ihrer Umsetzung können diese Maßnahmen je nach Relevanz die Einstufung „einige/substanzielle Fortschritte“ oder „vollständig umgesetzt“ erhalten.

(49)

Anmerkung: Die obige Abbildung zeigt, wie groß die Fortschritte sind, die die EU gemessen an den ausgewählten Indikatoren bei der Verwirklichung jedes der 17 Ziele im abgelaufenen Fünfjahreszeitraum erzielt hat. Die Methode zur Bewertung von Indikatoren und deren Aggregation auf der Zielebene sowie detailliertere Analysen können auf der Eurostat-Website abgerufen werden: Übersicht – Indikatoren für nachhaltige Entwicklung – Eurostat (europa.eu) . 

(50)

 Die zwölf eingehenden Überprüfungen wurden in zwei Bündeln veröffentlicht, eines im März (Zypern, Niederlande, Rumänien, Slowakei, Spanien und Schweden) und eines im April (Frankreich, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Italien, Portugal): Eingehende Überprüfungen – Europäische Kommission (europa.eu) .

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