EUROPÄISCHE KOMMISSION
Straßburg, den 12.12.2023
COM(2023) 630 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
über die Verteidigung der Demokratie
1.EINLEITUNG
Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte sind grundlegende Werte der Europäischen Union. Sie bilden das Fundament aller Errungenschaften der EU bei der Förderung von Frieden, Wohlstand, wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit, sozialem Zusammenhalt und Stabilität auf dem gesamten Kontinent und weltweit.
Das Wesentliche einer Demokratie besteht darin, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Meinung frei äußern und am demokratischen Leben teilnehmen, ihre politischen Vertreter wählen und ihre Zukunft mitbestimmen können. Die Bürgerinnen und Bürger sollten in der Lage sein, sich ihre eigene Meinung in einem öffentlichen Raum zu bilden, in dem unterschiedliche Ansichten geäußert werden können, in dem sie das Recht auf Widerspruch und auf den Wechsel der Regierung durch Wahlen, ohne internationale oder nationale Einflussnahme, haben. Mit der Vielzahl an Wahlen auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene stellen die EU und ihre Mitgliedstaaten eine der stärksten demokratischen Erfahrungen in der Welt dar. Europäische Demokratie und die damit verbundenen Rechte und Freiheiten bilden den Kern ihrer offenen und transparenten Gesellschaften.
Doch die Demokratie muss sich auch mit Herausforderungen und Feinden auseinandersetzen. Autoritäre Regime, sowohl im In- als auch im Ausland, betrachten sie als Bedrohung. Die Folge ist, dass einige dieser Regime nun eine bewusste Politik zur Torpedierung des demokratischen Prozesses in der EU verfolgen. Ihr Ziel ist es, demokratische Institutionen zu untergraben, Druck auf die Medien auszuüben und den Handlungsspielraum für die Zivilgesellschaft einzuschränken. Eine solche Politik kann von Versuchen, die gesellschaftliche Spaltung auszunutzen und Misstrauen und Ernüchterung in Bezug auf etablierte Institutionen anzufachen, bis zur Schwächung der demokratischen Stimme der Bürgerinnen und Bürger und der Zivilgesellschaft reichen, indem Informationen manipuliert, Desinformation betrieben und unmittelbar verzerrend in Wahlkampagnen eingegriffen wird. Erfahrungen aus jüngster Zeit zeigen, wie schnell diejenigen, die Hass in unserer Gesellschaft schüren wollen, neue Chancen ergreifen können und dass die EU bei der Bekämpfung dieser zerstörerischen Kräfte an vorderster Front stehen muss.
Die Einflussnahme auf unseren demokratischen Prozess, die von außerhalb der EU erfolgt und bei der auch Stellvertreter eingesetzt werden, erhält in zunehmendem Maße politische Aufmerksamkeit sowohl auf nationaler Ebene als auch in den Organen der EU. Die Kommission teilt viele der vom Europäischen Parlament geäußerten Bedenken, unter anderem hinsichtlich dessen, dass eine abgestimmte EU-Strategie gegen die Einflussnahme aus dem Ausland und die Manipulation von Informationen erforderlich ist. Freie und faire Wahlen sind ein Eckpfeiler der Demokratie und unabhängige, transparente Wahlprozesse sind für ein wettbewerbsorientiertes Wahlumfeld von entscheidender Bedeutung, damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Integrität der Wahlen und ihre Ergebnisse gewährleistet werden kann. Es gibt zunehmend Beweise für Fälle, in denen beispielsweise Abgeordnete im Vorfeld von Wahlen Opfer von Hacking-Angriffen wurden, über Stellvertreter verdecktes Lobbying stattfand, falsche Forschungsergebnisse herausgegeben wurden, um Menschenrechtsverstöße zu übertünchen, und für Websites, die vorgeben, unabhängige Medienplattformen zu sein, während sie verdeckt Kampagnen zur politischen Einflussnahme fördern. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der auch ein Krieg gegen die Demokratie und alle Werte, für die die EU steht, ist, hat das Risiko einer verdeckten Einflussnahme von außen weiter verstärkt. Eine kürzlich durchgeführte Eurobarometer-Umfrage zeigt, dass 81 % der Befragten in der EU der Meinung sind, dass die Einflussnahme aus dem Ausland auf unsere demokratischen Systeme ein ernsthaftes Problem darstellt, das angegangen werden muss.
In der EU hat sich zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass zum Schutz der Demokratie, zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und zum Schutz von Grundrechten und Grundfreiheiten die Initiative ergriffen werden muss. Die Arbeit an den von der Kommission im Jahr 2020 im Europäischen Aktionsplan für Demokratie vorgestellten Maßnahmen ist auf einem guten Weg und hilft durch die Förderung der Integrität von Wahlen, den Schutz der Freiheit und des Pluralismus der Medien und die Verstärkung des Kampfes gegen Desinformation, Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland die demokratische Widerstandskraft zu stärken. In dieser Mitteilung wird dargelegt, welche Arbeit die Kommission in enger Zusammenarbeit mit dem Hohen Vertreter bisher an all diesen Fronten geleistet hat und wie sie durch wichtige Rechtsvorschriften und andere politische Initiativen die gesellschaftliche Widerstandskraft von innen heraus und die direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger stärkt.
Gleichzeitig hat die EU auf die unterschiedlichen Risiken der Einflussnahme aus dem Ausland in vielfältiger Weise reagiert. Dies schließt unter anderem die Bewältigung von Risiken für die wirtschaftliche Sicherheit ein, die durch die Teilnahme von mit Drittländern verbundenen Akteuren, die nicht in erster Linie von marktwirtschaftlichen Grundprinzipien geleitet werden, am Binnenmarkt entstehen. Zu diesen Maßnahmen zählte ein Vorschlag für ein neues Instrument zur Bekämpfung wirtschaftlichen Zwangs durch Drittländer, Vorschriften für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen, bei denen die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung gefährdet sein könnten, sowie Maßnahmen in den Bereichen der Cybersicherheit, der Forschungssicherheit und der Abwehr hybrider Bedrohungen. Unter besonders schwerwiegenden Umständen hat die EU im Rahmen von EU-Sanktionsregelungen restriktive Maßnahmen verhängt, um auf Bedrohungen oder Gefahren für die grundlegenden Interessen der Union und die Ziele der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu reagieren.
In dieser Mitteilung wird das in der
Rede zur Lage der Union 2022
angekündigte Paket zur Verteidigung der Demokratie eingeführt. Im Mittelpunkt des Pakets steht ein Legislativvorschlag mit dem Ziel der Verbesserung von Transparenz und demokratischer Rechenschaftspflicht, indem einerseits verdeckte ausländische Einflussnahme aufgeklärt und andererseits mithilfe gemeinsamer Standards für im Namen von Drittländern ausgeübte Tätigkeiten der Interessenvertretung das Funktionieren des Binnenmarkts verbessert wird. Der Vorschlag wurde mittels einer umfassenden Konsultation von Öffentlichkeit und Interessenträgern und einer vollständigen Folgenabschätzung ausgearbeitet.
Die anstehende Wahl zum Europäischen Parlament wird ein entscheidender Testfall für die Stabilität unserer demokratischen Prozesse sein. Ein Teil des Pakets ist eine gezielte Empfehlung zur Förderung freier, fairer und stabiler Wahlen und zu ihrem Schutz vor Cyberangriffen und anderen Bestrebungen zur Verzerrung oder Manipulation unseres Demokratie- und Wahlumfelds.
Die Kommission arbeitet ferner mit den Mitgliedstaaten zusammen, um einen zivilgesellschaftlichen Raum zu fördern und zu schützen, in dem eine aktive und unabhängige Zivilgesellschaft und die Bürgerinnen und Bürger die Voraussetzungen und Instrumente für ein stärkeres Engagement erhalten. Dies kann dazu beitragen, unsere Demokratien widerstandsfähiger zu machen. Diese Maßnahme baut auf bereits getätigten Investitionen auf und nutzt neue Wege der Bürgerbeteiligung am öffentlichen Raum, die von der Konferenz zur Zukunft Europas und deren Folgemaßnahmen gestärkt wurden. In einer gezielten Empfehlung werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Organisationen der Zivilgesellschaft in politische Entscheidungsprozesse und ihre wirksame Beteiligung daran gefördert werden können.
Das Paket zur Verteidigung der Demokratie ist Teil einer Reihe von Initiativen, die einen proaktiven Ansatz zur Wahrung der Werte der EU darstellen. Seit 2020 untersucht die Kommission in ihren jährlichen Berichten über die Rechtsstaatlichkeit die Lage in den Mitgliedstaaten. Die Anfang 2023 vorgelegten Initiativen zur Korruptionsbekämpfung und zur Ethik zielen auch darauf ab, die Demokratie vor den zersetzenden Auswirkungen der Korruption, einschließlich der von ausländischen Akteuren ausgehenden Korruption, zu schützen. Die jüngste Gemeinsame Mitteilung über die Bekämpfung von Hass zielt darauf ab, die Maßnahmen der EU gegen Hass zu verstärken und ein inklusives, vielfältiges und demokratisches Europa zu fördern. Die Kommission setzte Strategien zur Bekämpfung von Diskriminierung um, mit denen auch die Chancengleichheit für inklusive Beteiligung und Mitwirkung gefördert wird. Der Bericht von 2022 über die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union befasste sich insbesondere mit dem zivilgesellschaftlichen Raum und seiner Rolle beim Schutz und bei der Förderung dieser Grundrechte. Die Menschen und ihre Rechte in den Mittelpunkt des digitalen Wandels zu stellen, ist ein weiterer zentraler Grundsatz des Ansatzes der EU bezüglich der Digitalisierung und des technologischen Fortschritts. Dieser Ansatz bildet auch den Kern der Erweiterungspolitik der EU und an ihm orientiert sich im Einklang mit dem EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie (2020–2024) die weltweite Arbeit der EU zur Unterstützung und Förderung der Demokratie und der universellen Werte auf dem Gebiet der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit. Die EU verpflichtet sich, in all ihren Maßnahmen, mit Organisationen zusammenzuarbeiten, die die demokratischen Werte und die Grundrechte achten, wie sie in Artikel 2 EUV und in der Charta verankert sind.
2.
SICHERSTELLUNG VON TRANSPARENZ BEI DER VERTRETUNG AUSLÄNDISCHER INTERESSEN im demokratischen Raum DER EU durch harmonisierte Anforderungen
Die EU ist weltoffen und arbeitet aktiv mit Partnern auf der ganzen Welt zusammen. Ein transparenter, offener Austausch zwischen Ländern und Kulturen und der Zugang zu Informationen sind Teil unserer Identität und auf allen Ebenen für alle Seiten vorteilhaft. Regierungen, Behörden und politische Akteure außerhalb der EU haben die Möglichkeit, ihre Ansichten darzulegen, und können versuchen, diese Ansichten in die demokratische Debatte einzubringen und die Politik im Hinblick auf verschiedene Themen zu beeinflussen. Wenn sie das über Einrichtungen tun, die ihre Interessen vertreten, gründet sich die Legitimität einer solchen Interessenvertretung auf ihre Transparenz und Rechenschaftspflicht.
In der EU wächst jedoch die Sorge, dass die Offenheit unserer Gesellschaften zur Einflussnahme durch ausländische Regierungen genutzt werden könnte, in der Absicht, die öffentliche Meinung zu manipulieren und die demokratische Debatte zu verzerren; dies bedroht die Demokratien in der EU. Dieses Risiko ist aufgrund einer dynamischen Bedrohungslage gestiegen und die Regierungen von Drittländern können öffentliche Mittel für breit angelegte, anhaltende und mitunter verdeckte Kampagnen zur Einflussnahme und Förderung ihrer politischen und geopolitischen Interessen auf Kosten inländischer Interessengemeinschaften nutzen. Vergleichbare Daten zu diesem Phänomen in der EU sind kaum vorhanden. Dies hat unter anderem eine eingeschränkte Rechenschaftspflicht und Aufsicht zur Folge. Transparenz und Offenheit in der Art und Weise, wie ausländische Interessen vertreten werden, ist der beste Weg, um die Integrität unseres demokratischen Raums zu schützen und Einflussnahme aus dem Ausland zu verhindern. Generell ist ein politisches und institutionelles System, das auf Integrität, Transparenz und Rechenschaftspflicht im öffentlichen Leben beruht, die beste Garantie gegen Korruption und öffentliche Stellen sollten höchste Transparenzstandards anstreben, da sie ein wichtiger Teil breiter angelegter Anstrengungen zur Korruptionsbekämpfung sind.
Regierungen von Drittländern nutzen zur Förderung ihrer politischen Ziele neben offiziellen diplomatischen Kanälen und Prozessen
zunehmend Tätigkeiten der Interessenvertretung. Derzeit sind in den Mitgliedstaaten die Transparenzanforderungen und Berichtspflichten für Tätigkeiten der Interessenvertretung auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlichem Umfang geregelt. In einigen nationalen Rechtsvorschriften ist eine Registrierung zwingend vorgeschrieben, während andere auf Selbstregulierung setzen. Inhaltlich können sich die Vorschriften, beispielsweise bezüglich der Arten von Tätigkeiten und Einrichtungen, die unter die Verpflichtungen fallen, unterscheiden. In Anbetracht dessen, dass es sich bei der Interessenvertretung zunehmend um eine grenzübergreifende Tätigkeit handelt, ist eine Reaktion der EU erforderlich, um das Auftreten zusätzlicher Hindernisse im Binnenmarkt und das Risiko eines Flickenteppichs aus Regulierungslandschaften zu verhindern. Durch Fragmentierung werden zusätzliche Kosten geschaffen und es entsteht Rechtsunsicherheit, wenn Anbieter in getrennte Konformitätsstufen investieren und sich an die unterschiedlichen Anforderungen der verschiedenen Rechtsordnungen in der EU anpassen müssen. Wenn die EU nicht tätig wird, nehmen die Mitgliedstaaten die ermittelten Risiken und Bedrohungen für die Demokratie einseitig in Angriff, wodurch sie den Binnenmarkt untergraben und Versuche von Drittländern, in ihren Bestrebungen zur verdeckten Einflussnahme auf unseren demokratischen Prozess voneinander abweichende Rechtsvorschriften zu ihrem Vorteil zu nutzen, erleichtern.
Aus diesem Grund legt die Kommission einen Vorschlag für einen harmonisierten Ansatz zur Beseitigung von Hindernissen im Binnenmarkt und zur Ausstattung der EU mit Instrumenten zur Sicherung der Transparenz vor, die sie in die Lage versetzen werden, die Demokratie zu verteidigen, eine offene Gesellschaft zu bleiben und die Grundrechte, insbesondere die Freiheit der Meinungsäußerung und den Zugang zu Informationen, zu schützen. Ziel ist es, ein gemeinsames hohes Maß an Transparenz und demokratischer Rechenschaftspflicht in der gesamten EU in Bezug auf Lobbykampagnen, die als Dienstleistung erbracht werden, sowie ähnliche Tätigkeiten zu gewährleisten, die von Einrichtungen im Namen einer Regierung eines Drittlandes durchgeführt werden, die versuchen, Einfluss auf die Entwicklung, Formulierung oder Umsetzung von politischen Maßnahmen oder Rechtsvorschriften oder von öffentlichen Entscheidungsprozessen zu nehmen. Auf diese Weise wird der Ansatz mittelfristig zu einem besseren Verständnis und zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Größenordnung, die Trends und die an solchen Tätigkeiten beteiligten Akteure beitragen. Dadurch würden die Bürgerinnen und Bürger der EU sowie die Behörden die Möglichkeit erhalten, die Beweggründe für solche Tätigkeiten zu verstehen und zu erkennen, welche Drittländer in die Einflussnahme auf die demokratische Debatte und die Entscheidungsprozess in der EU investieren.
Der Vorschlag der Kommission würde die Integrität und Offenheit der öffentlichen Debatte erhöhen, indem er sicherstellt, dass dann, wenn Drittländer versuchen, durch Vermittler Einfluss auf demokratische Prozesse der EU zu nehmen, dies auf transparente Weise geschieht. Die Meinungsäußerungs- und Vereinigungsfreiheit sowie die akademische Freiheit und die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung sind für die demokratische Debatte von entscheidender Bedeutung und sollten durch die vorgesehenen begrenzten und verhältnismäßigen Transparenzanforderungen nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Die Entscheidung, welche Dienstleistungen sie anbieten wollen, ist Sache der Dienstleister. Finanzmittel, die Organisationen der Zivilgesellschaft oder andere von einer Regierung eines Drittlandes erhalten haben und die in keinem Zusammenhang mit einer Tätigkeit der Interessenvertretung stehen, würden nicht unter die Anforderungen fallen. Der Vorschlag enthält ferner umfassende Schutzbestimmungen, damit sichergestellt werden kann, dass Einrichtungen, die den Transparenzanforderungen unterliegen, nicht stigmatisiert werden und dass ihnen aufgrund der bloßen Tatsache ihrer Registrierung keine Folgen entstehen.
Der Schwerpunkt der vorgeschlagenen Richtlinie liegt auf Tätigkeiten der Interessenvertretung, d. h. Tätigkeiten zur Beeinflussung demokratischer Prozesse, die wirtschaftlicher Art sind und im Namen von Drittländern durchgeführt werden. Sie würde für alle Einrichtungen gelten, die anstreben, Einfluss auf die Entwicklung, Formulierung oder Umsetzung von politischen Maßnahmen oder Rechtsvorschriften oder von öffentlichen Entscheidungsprozessen in der EU zu nehmen. Hierzu könnten Lobby- und PR-Unternehmen, Denkfabriken, Organisationen der Zivilgesellschaft, private Forschungsinstitute und Forschungsdienstleistungen anbietende öffentliche Forschungsinstitute, sowie Berater und interne Lobbyisten gehören, die im Namen von Drittländern tätig sind, um das öffentliche Leben und den demokratischen Prozess in der EU zu beeinflussen. In diesem Fall muss die Tatsache, dass eine ausländische Regierung hinter der Tätigkeit steht, transparent sein. Der Vorschlag schließt ausdrücklich Tätigkeiten wie die diplomatische Vertretung oder die rechtliche Vertretung in einem Gerichtsverfahren aus.
Die Richtlinie würde fair und diskriminierungsfrei mit minimalen administrativen Formalitäten anwendbar sein. Sie würde die in ihren Anwendungsbereich fallenden Einrichtungen obligatorischen, aber begrenzten und angemessenen Registrierungsanforderungen unterwerfen. Die Mitgliedstaaten würden aufgefordert, nationale Register einzurichten oder anzupassen, um die Transparenz der Tätigkeiten im Bereich der Interessenvertretung zu gewährleisten. Zur Erleichterung der Registrierung und Durchsetzung sollten solche Register über einfache und klare Zugangsanforderungen verfügen. Die Mitgliedstaaten sollten aufgefordert werden, zur Begrenzung des Verwaltungsaufwands dafür zu sorgen, dass registrierungspflichtige Einrichtungen Daten, die bereits an andere nationale Register übermittelt wurden, nach Möglichkeit erneut verwenden können (Grundsatz der „einmaligen Erfassung“). Informationen über die mit dieser Richtlinie eingeführten Registrierungspflichten und ‑formalitäten sollten über das einheitliche digitale Zugangstor zur Verfügung gestellt werden, mit dem eine einzige Anlaufstelle eingerichtet wird, bei der Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger Auskünfte über Vorschriften und Verfahren im Binnenmarkt erhalten. Die wichtigsten Elemente der registrierten Daten wären öffentlich zugänglich und würden so unter uneingeschränkter Einhaltung der EU-Datenschutzvorschriften Transparenz und eine verstärkte öffentliche Kontrolle ermöglichen.
Im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes und Leitlinien der Venedig-Kommission des Europarats würde die Richtlinie zudem Schutzbestimmungen enthalten, um zu vermeiden, dass Registrierungsanforderungen zur Einschränkung von Grundrechten und Grundfreiheiten wie der Meinungsäußerungs- und Vereinigungsfreiheit, der akademischen oder künstlerischen Freiheit oder zur unzulässigen Einschränkung des zivilgesellschaftlichen Raums missbraucht werden. Erstens wären unabhängige Aufsichtsbehörden nur in hinreichend begründeten Fällen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit berechtigt, begrenzte Eintragungen anzufordern. Die Aufsichtsbehörde sollte über eindeutig festgelegte und gebundene Befugnis verfügen und für Aufsichts- und Durchsetzungstätigkeiten zuständig sein, unter anderem für die Sicherstellung dessen, dass aus der Registrierung keine nachteiligen Folgen entstehen. Zweitens sollten verhältnismäßige Geldbußen für Verstöße verhängt werden, die einer gerichtlichen Überprüfung und wirksamen Rechtsbehelfen unterliegen, um mögliche abschreckende Wirkungen zu vermeiden. Mit der Richtlinie würde zum Austausch von Informationen zwischen Aufsichtsbehörden auch ein Rahmen für die Zusammenarbeit geschaffen.
Eine vollständige Harmonisierung in den Bereichen, die in den Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Richtlinie fallen, würde die Mitgliedstaaten daran hindern, im Rahmen der harmonisierten Vorschriften zusätzliche Vorschriften beizubehalten oder einzuführen. Damit würde das Risiko voneinander abweichender und möglicherweise unverhältnismäßiger und repressiver nationaler Vorschriften und Praktiken weiter begrenzt. Zugleich stünde es den Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz der Subsidiarität frei, für Bereiche, die nicht unter die Richtlinie fallen, Vorschriften festzulegen, beispielsweise Vorschriften in Bezug auf Kontakte zwischen ihren Beamten und Interessenvertretern.
Dieser Vorschlag wäre ein erster entscheidender Schritt zur Bekämpfung ausländischer Einflussnahme auf der Grundlage eines Rahmens, der die Transparenzanforderungen im Binnenmarkt harmonisiert und einen Überblick über die in der EU vertretenen Interessen von Drittländern ermöglicht. Er stellt eine gezielte, angemessene Reaktion auf aktuelle Anliegen dar. Seine Umsetzung und insbesondere die Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit der Vorschriften müssten laufend überprüft werden und es müsste rechtzeitig bewertet werden, ob Überarbeitungen oder weitere Schritte, unter anderem auch im Hinblick auf den Handlungsbereich, erforderlich sind; ebenso müsste die Möglichkeit der Schaffung eines Portals auf Unionsebene, das nationale Register miteinander verbindet, Gegenstand der Überlegungen sein. Parallel dazu wird die Kommission weiterhin die Reformen in den Mitgliedstaaten überwachen und unterstützen, damit die Transparenz bei der Lobbyarbeit gewährleistet werden kann. In den Berichten über die Rechtsstaatlichkeit wird dies als Schlüsselelement für die Förderung von Integrität, Transparenz und Rechenschaftspflicht im öffentlichen Leben anerkannt. Darüber hinaus wird die Kommission regelmäßige Sitzungen der Interessengruppen organisieren, um sich über die Anwendung der Vorschriften auszutauschen.
Auf EU-Ebene werden im Transparenz-Register der EU Tätigkeiten erfasst, die von Interessenvertretern mit dem Ziel durchgeführt werden, Einfluss auf die Formulierung oder Umsetzung politischer Maßnahmen oder Rechtsvorschriften oder die Entscheidungsprozesse der EU-Organe zu nehmen. Bürgerinnen und Bürger sowie Interessengruppen können dort den möglichen Einfluss von Interessenvertretern auf Entscheidungsträger beobachten und auf diese Weise eine ethische, transparente Interessenvertretung fördern. Das Register wird durch einen Verhaltenskodex sowie interne Transparenzmaßnahmen in den EU-Organen ergänzt, in denen Zusammenkünfte und andere Interaktionen mit Lobbyisten geregelt werden. Das Transparenz-Register der EU hat zwar einen anderen Anwendungsbereich als die vorgeschlagene Richtlinie, erfasst jedoch bereits Tätigkeiten ausländischer Einflussnahme, wenn diese von ausländischen Einrichtungen ohne diplomatischen Status oder Einrichtungen, die im Namen von Drittländern Lobbyarbeit bei den EU-Organen betreiben, ausgeübt werden. Sobald das Ergebnis der Beratungen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat über die vorgeschlagene Richtlinie vorliegt, wird die Kommission prüfen, auf welche Weise Fragen wie die Doppelregistrierungen am besten gelöst werden können und ob mögliche Verknüpfungen zwischen den nationalen Registern im Rahmen der Richtlinie und dem Transparenz-Register entwickelt werden können.
Die vorgeschlagene Richtlinie würde die Vorschriften ergänzen, die im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste für digitale Dienste und nach dem Vorschlag für politische Werbung für Anbieter von Werbediensten und Herausgeber gelten, wobei der Anwendungsbereich hier ein anderer ist. Die im Europäischen Forschungsraum vorgeschlagenen konkreten Präventivmaßnahmen zur Schaffung eines Bewusstseins für Einflussnahme aus dem Ausland und zum Aufbau von Resilienz im gesamten Sektor, die auf dem Instrumentarium zur Bekämpfung ausländischer Einflussnahme auf Forschung und Innovation
aufbauen, stellen ebenfalls eine Ergänzung dar. Sie steht auch im Einklang mit den Normen auf internationaler Ebene. Die Kommission wird auch Maßnahmen wie den Austausch bewährter Verfahren in Bezug auf die Information der Bürgerinnen und Bürger, die Stärkung der Resilienz und die aktive Einbeziehung des Themas der Einflussnahme auf den europäischen demokratischen Raum unterstützen, unter anderem durch Schulungen, Förderung der Medienkompetenz, Sensibilisierung und kritisches Denken. Darüber hinaus hat die Kommission eine Reihe von Maßnahmen
zur Unterstützung der Verwaltung der Mitgliedstaaten bei der Vorbereitung von Reformen, der Antizipierung künftiger Trends und der Stärkung der Verwaltungszusammenarbeit zur Förderung demokratischer Strukturen eingeführt. Auch auf nationaler Ebene unternommene Anstrengungen, mit denen Reformen zur Stärkung demokratischer Strukturen und Prozesse vorangetrieben werden sollen, werden unterstützt.
Mit diesem Vorschlag will die Kommission dazu beitragen, nicht nur in der EU, sondern auch auf globaler Ebene Standards für die kohärente, ausgewogene und verhältnismäßige Bekämpfung verdeckter ausländischer Einflussnahme unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte zu setzen. Da bei diesem Ansatz der Schwerpunkt auf Transparenz und demokratische Rechenschaftspflicht gelegt wird und gezielte, von strengen Schutzvorkehrungen begleitete Vorschriften eingeführt werden, wird ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Ausübung der Grundrechte und dem öffentlichen Interesse erreicht.
Das Verständnis des Phänomens der ausländischen Einflussnahme nimmt weltweit immer mehr zu und es werden zunehmend Maßnahmen zu seiner Bekämpfung ergriffen. In einer Reihe von Rechtsordnungen außerhalb der EU – beispielsweise in Australien, den Vereinigten Staaten, Kanada und dem Vereinigten Königreich – wurden Rechtsrahmen eingeführt oder vorbereitet, um die Transparenz der Einflussnahme ausländischer Regierungen durch spezifische Offenlegungs- und Registrierungsanforderungen für die Lobbyarbeit im Namen ausländischer Regierungen zu regeln.
In anderen Rechtsordnungen wurden Gesetze über „ausländische Agenten“ eingeführt, die über Transparenzanforderungen hinausgehen und die nachweislich Grundrechte und Grundfreiheiten verletzen. Mit solchen Gesetzen wurde das Ziel verfolgt, den zivilgesellschaftlichen Raum einzuengen, indem bestimmte Organisationen der Zivilgesellschaft und Verteidiger der Menschenrechte – die häufig auf Finanzmittel aus dem Ausland, auch der EU, angewiesen sind – stigmatisiert und eingeschüchtert und ihre Aktivitäten eingeschränkt werden. So ermächtigt beispielsweise das russische Gesetz über „ausländische Agenten“ die Behörden wirkungsvoll, die Arbeit unabhängiger zivilgesellschaftlicher Organisationen durch übergriffige Kontrollen, die unmittelbare Aufsicht über Programme und Veranstaltungen und die Drohung diese sowie nicht konforme Organisationen aufzulösen und gegen sie und ihre Mitglieder Strafverfahren einzuleiten – auch wenn die ausländische Unterstützung vollkommen transparent ist. Die Kennzeichnung als „ausländischer Agent“ im Rahmen solcher Gesetze beeinträchtigt die finanzielle Stabilität einer Organisation aufgrund der hohen Geldstrafen, die gegen diejenigen verhängt werden, die sich nicht an die Vorschriften halten. Zudem schadet sie ihrer Glaubwürdigkeit, denn sie geht mit Assoziationen von Spionage einher, was wiederum Gewalt – online und offline – gegen Mitglieder der betroffenen zivilgesellschaftlichen Organisationen auslösen kann. Solche Gesetze über „ausländische Agenten“ sind zutiefst undemokratisch und verstoßen nachweislich gegen internationale Gesetze und Normen.
Nicht alle Risiken einer Einflussnahme aus dem Ausland sind mit staatlichen Akteuren verbunden. Manche nichtstaatlichen Einrichtungen können ähnliche Taktiken anwenden, um Maßnahmen zu fördern, die unmittelbar gegen die Werte der EU verstoßen, z. B. Maßnahmen, die darauf ausgelegt sind, Polarisierung zu verstärken und zu Hass anzustacheln. Dies trifft insbesondere auf das Internet zu, wie sich in jüngster Zeit durch eine explosionsartige Zunahme gewaltbereiter, extremistischer, hasserfüllter und spaltender Inhalte gezeigt hat.
Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, wachsam zu bleiben und untereinander sowie auf EU-Ebene Informationen über solche nichtstaatlichen Einrichtungen auszutauschen, auch wenn sie nicht mit einer ausländischen Regierung verbunden oder von ihr abhängig sind. Im Einklang hiermit enthält die von der Kommission vorgeschlagene Neufassung der Haushaltsordnung einen neuen Grund für den Ausschluss von EU-Finanzmitteln wegen „Anstiftung zu Diskriminierung, Hass oder Gewalt“. Der neue Grund wäre auf Mittel anwendbar, die in direkter und indirekter Mittelverwaltung verausgabt werden, auch dann, wenn auf nationaler Ebene kein rechtskräftiges Urteil ergangen ist. Darüber hinaus führt die Kommission interne Sensibilisierungsmaßnahmen ein und entwickelt interne Arbeitsmethoden, um eine strengere Kontrolle bei der Projektauswahl sicherzustellen.
3 DEN EUROPÄISCHEN AKTIONSPLAN FÜR DEMOKRATIE VORANBRINGEN
Der im Dezember 2020 angenommene Europäische Aktionsplan für Demokratie (EDAP) zielt darauf ab, die Widerstandskraft der Demokratien in der EU zu stärken und Leitaktionen für diejenigen Bereiche zu ermitteln, in denen unsere Systeme und unsere Bürgerinnen und Bürger am stärksten gefährdet sind. Mit diesen Aktionen soll die Integrität von Wahlen besser geschützt, Freiheit und Pluralismus der Medien gesichert und Desinformation bekämpft werden. Im Aktionsplan wurde auch anerkannt, dass eine gesunde Demokratie die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger sowie eine aktive Zivilgesellschaft voraussetzt, und zwar nicht nur zu Zeiten von Wahlen, sondern jederzeit, und dass engagierte, informierte und mündige Bürgerinnen und Bürger und eine lebendige Zivilgesellschaft von entscheidender Bedeutung sind, um die Widerstandskraft unserer Demokratien, auch gegenüber Einflussnahme aus dem Ausland, zu gewährleisten.
Mit einer Erfassung des Stands der Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Aktionsplans für Demokratie (EDAP) werden in diesem Abschnitt Bereiche hervorgehoben, in denen die EU angesichts bestehender und sich wandelnder Herausforderungen proaktiv handeln kann.
3.1
Schutz der Integrität von Wahlen und Förderung der demokratischen Teilhabe vor der Europawahl 2024 und darüber hinaus
Freie und faire Wahlen sind zentraler Bestandteil unserer Demokratie. Wenn hier keine Maßnahmen ergriffen werden, können Risiken für den Wahlprozess sowohl den Prozess an sich verzerren als auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Fairness und Integrität von Wahlen untergraben.
Zusammen mit dieser Mitteilung legt die Kommission eine Empfehlung für inklusive und stabile Wahlverfahren in der Europäischen Union und für die Stärkung des europäischen Charakters und eine effiziente Durchführung der Wahlen zum Europäischen Parlament vor. Sie richtet sich an die Mitgliedstaaten, die europäischen und nationalen politischen Parteien, Stiftungen und Wahlkampforganisationen im Zusammenhang mit der Vorbereitung von Wahlen im Allgemeinen und im Hinblick auf die bevorstehende Europawahl im Besonderen. Ihr Ziel ist die Förderung hoher demokratischer Standards für Wahlen in der EU sowie die Unterstützung einer hohen Wahlbeteiligung, einer inklusiven Beteiligung, einer einfachen und gleichberechtigten Ausübung des Wahlrechts sowie stabiler Wahlverfahren. Zu diesem Zweck wurden besondere Empfehlungen zur Förderung der Wahlbeteiligung und der inklusiven Beteiligung mit besonderem Schwerpunkt auf der Gleichstellung der Geschlechter und der Berücksichtigung der Bedürfnisse bestimmter Gruppen aufgenommen.
Die Cybersicherheit von Wahltechnologien bedarf der ständigen Verbesserung. In der Empfehlung werden in Anbetracht der in der überarbeiteten Richtlinie über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der gesamten Union (NIS-2-Richtlinie) und der Richtlinie über die Resilienz kritischer Einrichtungen festgelegten Anforderungen spezielle Vorschläge zur Gewährleistung der Sicherheit, Integrität und Stabilität von Wahlen und wahlbezogenen Einrichtungen und Infrastrukturen dargelegt. Aufbauend auf den ersten Erfahrungen aus dem Jahr 2019 fand am 21. November 2023 eine neue EU-Planübung statt, an der die Kommission, das Europäische Parlament, die Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit und die Mitgliedstaaten teilnahmen. Die NIS-Kooperationsgruppe sollte auch die Überprüfung des Kompendiums zur Cybersicherheit von Wahltechnologien fortsetzen, um sicherzustellen, dass es mit der sich wandelnden Bedrohungslage Schritt hält.
Neben der unmittelbaren Gefahr für die Wahlinfrastruktur stellt die vorsätzliche und koordinierte Manipulation des Informationsumfelds durch ausländische staatliche Akteure ebenso eine Bedrohung für die Demokratie und die Sicherheit dar. Es gibt zahlreiche Berichte über groß angelegte koordinierte Anstrengungen, bei denen unterschiedliche Taktiken, Techniken und Verfahren wie die Nutzung unechter Konten in sozialen Medien, der Einsatz des „Gefällt mir“-Buttons, Kommentaren oder das Teilen von Informationen zur künstlichen Steigerung ihrer Sichtbarkeit, die Verbreitung von Desinformation durch manipulierte audiovisuelle Inhalte wie Deepfakes oder die verdeckte Ansprache von Wählern, um sie zu beeinflussen und das Wahlergebnis zu manipulieren, miteinander kombiniert werden. Darüber hinaus kann es in Abstimmung mit Aktivitäten in anderen Bereichen, beispielsweise Cyber-Bedrohungen bei „Hack-and-leak“-Operationen, zur Manipulation von Informationen kommen. Aus diesem Grund wird auf der Grundlage der Eurobarometer-Daten in der Empfehlung eine Reihe von Maßnahmen zum Schutz wahlbezogener Informationen vor Manipulation und Desinformation vorgeschlagen.
Eine freie und faire demokratische Debatte beruht auf Rechtmäßigkeit und Fairness. Überwachungsinstrumente können unter bestimmten Voraussetzungen von Behörden aus Gründen der nationalen Sicherheit genutzt werden, die Nutzung von Spähsoftware zur Gewinnung eines politischen Vorteils ist jedoch etwas ganz Anderes. In der Empfehlung wird betont, dass Überwachungsinstrumente niemals dazu genutzt werden sollten, Einfluss auf die demokratische Debatte zu nehmen; der Einsatz solcher Instrumente gegen politische Akteure und Journalisten mit dem Ziel politischer Gewinne ist inakzeptabel. Die Kommission hat stets deutlich gemacht, dass der Begriff der nationalen Sicherheit im Einklang mit den in der EU-Rechtsprechung festgelegten Kriterien ausgelegt werden sollte. In den Länderkapiteln des Berichts über die Rechtsstaatlichkeit wird dieses Thema behandelt, insofern es um das Funktionieren der institutionellen Kontrolle und Gegenkontrolle geht. Der Vorschlag für ein europäisches Medienfreiheitsgesetz enthält zudem starke Schutzbestimmungen bezüglich des Einsatzes von Spähsoftware gegen Medien, Journalisten und ihre Familien. Das Europäische Parlament hat mit einem Untersuchungsausschuss zur Untersuchung des Einsatzes von Pegasus und ähnlicher Überwachungs- und Spähsoftware (PEGA-Ausschuss) einen wichtigen Arbeitsschwerpunkt im Bereich Spähsoftware eingerichtet. In seiner Entschließung vom Juni 2023 verurteilte das Parlament den rechtswidrigen Einsatz von Spähsoftware aufs Schärfste und forderte Maßnahmen sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Die Kommission bereitet derzeit eine nicht legislative Initiative vor, in der einerseits die Grenzen und andererseits das Zusammenspiel zwischen EU-Recht – insbesondere dem Besitzstand auf dem Gebiet des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre – und nationaler Sicherheit geklärt werden.
Weitere Empfehlungen umfassen die Nutzung von Wahlkampfzusagen und Verhaltenskodizes durch politische Parteien, um die Integrität von Wahlen und faire Wahlkampagnen zu fördern; des Weiteren werden Anstrengungen zur Gewährleistung der Transparenz politischer Werbung und die Förderung der Wahlbeobachtung als wirksames Mittel empfohlen, um die Bürgerinnen und Bürger zur aktiven Beteiligung am Wahlprozess zu ermutigen und das Vertrauen der Öffentlichkeit in Wahlen zu erhöhen. Ebenfalls behandelt wird die Finanzierung politischer Parteien und Stiftungen im Hinblick auf eine Eingrenzung des Risikos einer verdeckten ausländischen Einflussnahme, unter anderem durch verdeckte Spenden, mit dem Ziel die Rahmenbedingungen im Wahlprozess zu verzerren.
Die Empfehlung baut auf den entscheidenden Schritten auf, die die Kommission seit 2020 unternommen hat, um Schlupflöcher zu schließen und sicherzustellen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger ihr eigenes Urteil bilden und Wahlentscheidungen in einem öffentlichen Raum treffen können, in dem eine Vielzahl von Meinungen frei von in- oder ausländischer Einflussnahme geäußert werden kann.
Was den digitalen Raum betrifft, so werden in den Vorschriften des Gesetzes über digitale Dienste die Verantwortlichkeiten von Online-Plattformen und Suchmaschinen bei der Bewältigung der Risiken für den zivilgesellschaftlichen Diskurs und die Wahlprozesse dargelegt, die sich aus der Funktionsweise, Gestaltung oder Nutzung ihrer Dienste ergeben, unter anderem durch Desinformation, unechte Nutzung oder Taktiken, die künstlich erzeugte Inhalte beinhalten. Die Vorschriften sehen auch mehr Transparenz und die Unterstützung der Menschen beim Treffen fundierter Entscheidungen über die Informationen, die sie online sehen, vor. Darüber hinaus wird die Verordnung über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung eine bessere öffentliche Kontrolle und Rechenschaftspflicht in Bezug auf politische Werbedienstleistungen ermöglichen, unter anderem durch ein europäisches öffentliches Archiv für politische Online-Anzeigen; ferner wird sie strengere Bedingungen für die Verwendung personenbezogener Daten für die Zielgruppenansprache und die Bereitstellung politischer Werbung einführen. Um der Gefahr der Einflussnahme aus dem Ausland entgegenzuwirken, wird mit der Verordnung auch das Sponsoring politischer Werbung durch Akteure aus Drittländern in den drei Monaten vor Wahlen oder Referenden verboten. Zudem wird die Rolle der europäischen politischen Parteien und Fraktionen bei der Europawahl anerkannt. Im Jahr 2021 schlug die Kommission ferner eine Überarbeitung der Vorschriften über das Statut und die Finanzierung europäischer politischer Parteien und europäischer politischer Stiftungen vor. Der Vorschlag zielt darauf ab, europäischen politischen Parteien mehr Möglichkeiten zu geben, ihrer Rolle beim Aufbau und der Förderung eines wahrhaft europäischen politischen Raums gerecht zu werden, und gleichzeitig ihr Handeln vor Einflussnahme aus dem Ausland zu schützen. Die Durchsetzung dieser Vorschriften hat für die Kommission oberste Priorität. Was das Gesetz über digitale Dienste betrifft, so beaufsichtigt die Kommission die Anwendung der Vorschriften durch sehr große Online-Plattformen und Suchmaschinen und setzt sie durch.
Obwohl die Organisation nationaler Wahlen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, stützt sie sich auf internationale Standards und unterliegt dem umfassenderen Rahmen des EU-Rechts. Eine verstärkte gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten ist inzwischen gut etabliert; dabei steht die Arbeit von Gremien wie dem Europäischen Kooperationsnetz für Wahlen im Mittelpunkt, wobei zur Förderung der Informationssicherheit und zur Bekämpfung von Desinformation auch EU-Strukturen genutzt werden. Zur Vorbereitung der Wahl zum Europäischen Parlament organisierte die Kommission im Oktober 2023 eine hochrangige Veranstaltung zu Wahlen, bei der Mitgliedstaaten, EU-Organe, nichtstaatliche Organisationen und Hochschulen zusammenkamen, um Ideen zur Förderung der Wahlbeteiligung, zur Stabilität der Wahlsysteme und zu fairen, inklusiven Wahlen in der gesamten Union vorzustellen.
Im Januar 2022 wurde ein Gemeinsamer Mechanismus für die Stabilität von Wahlen ins Leben gerufen, dessen Ziel darin besteht, durch den Austausch zwischen Experten, insbesondere über Desinformation und Cyberbedrohungen, in den Mitgliedstaaten Kapazitäten für die Bewältigung von Risiken für Wahlen aufzubauen. Der Mechanismus wurde auch dazu genutzt, die Erstellung des Kompendiums über die elektronische Stimmabgabe und andere IKT-Praktiken zu unterstützen; darüber hinaus wurde er für gezielten Austausch über die Frage genutzt, wie bei Wahlen die Gleichbehandlung und eine ausgewogene Berichterstattung in den Medien sichergestellt werden kann. Austausche zwischen nationalen Parlamenten könnten ebenfalls ein wertvoller Weg zum Erfahrungsaustausch sein und die Kommission wird solche Austausche fördern.
In den letzten Jahren hat die EU ihre Methodik der externen Wahlbeobachtung verfeinert, unter anderem durch gemeinsame Leitlinien auf der Grundlage internationaler Standards, die ihre Fähigkeit zur Bewältigung der Nutzung neuer Technologien im Wahlprozess konsolidieren. Bewährte Verfahren werden regelmäßig im Rahmen des Europäischen Kooperationsnetzes für Wahlen und im Kontext der Grundsatzerklärung für die internationale Wahlbeobachtung erörtert.
Allerdings handelt die EU nicht isoliert. Im Rahmen des Europäischen Aktionsplans für Demokratie hat die Kommission ihre Bemühungen fortgesetzt, zur Stärkung der Resilienz in Drittländern beizutragen, um Gesellschaften und Behörden besser mit den Mitteln für eine Reaktion auf gemeinsame externe Bedrohungen des demokratischen Prozesses auszustatten. Anstrengungen dieser Art stellen eine Priorität in der Erweiterungspolitik der EU dar. Die EU fördert auch die internationale Zusammenarbeit in Wahlangelegenheiten zwischen EU-Netzen, Partnerländern und internationalen Organisationen wie dem Europarat, der UNESCO und der OSZE. Der Europäische Auswärtige Dienst führt in enger Abstimmung mit anderen internationalen und regionalen Beobachtungsorganisationen Wahlbeobachtungseinsätze durch. Er ergänzt diese Tätigkeiten durch die gezielte Unterstützung von Regierungen, der Zivilgesellschaft und von unabhängigen Medien, um einen Beitrag zur Stärkung der Widerstandskraft gegenüber ausländischer Informationsmanipulation und Einflussnahme sowie zur Verhinderung dieser und zur Abschreckung davon zu leisten, wobei unter anderem Einblicke in die Art und Weise, wie diese Art von ausländischer Informationsmanipulation und Einflussnahme im Zusammenhang mit Wahlen schon eingesetzt wurde, gewährt werden. Die Maßnahmen der EU umfassten auch die Teilnahme an den beiden Gipfeltreffen für Demokratie und die finanzielle Unterstützung von Kapazitätsaufbau und Wahlreformen, unter anderem auch in den Ländern in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU.
3.2Stärkung der Medienfreiheit und des Medienpluralismus
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat uns auch auf dramatische Weise vor Augen geführt, welch wesentliche Rolle Journalisten bei der Information der Bürgerinnen und Bürger über die Realität vor Ort spielen. Die russischen Behörden betreiben eine systematische Maßregelung und Zensur unabhängiger Medien, die bei der Bekämpfung von Propaganda nach wie vor von entscheidender Bedeutung sind.
Im Rahmen des Europäischen Aktionsplans für Demokratie sind die Anstrengungen der EU zum Schutz der Freiheit der Medien und zur Bekämpfung von Desinformation zwei Seiten einer Medaille. Im Rahmen dieser Vision schlug die Kommission wichtige neue Initiativen zur Verbesserung der Sicherheit von Journalisten und zum Schutz von Journalisten und Verteidigern der Menschenrechte vor der missbräuchlichen Nutzung strategischer Klagen gegen öffentliche Beteiligung (strategic lawsuits against public participation, SLAPP) vor. Mit der Richtlinie zur Bekämpfung strategischer Klagen gegen öffentliche Beteiligung wird ein System wirkungsvoller verfahrensrechtlicher Garantien für grenzübergreifende SLAPP-Klagen eingeführt, das Gerichte in die Lage versetzt, sich mit missbräuchlichen Rechtsstreitigkeiten zu befassen und von möglichen neuen SLAPP-Klagen abzuschrecken. Die Richtlinie enthält Vorschriften, die eine frühzeitige Abweisung solcher Klagen erlauben und wirksame Rechtsbehelfe für die Opfer von strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung vorsehen. Diese Vorschriften bilden zusammen mit der entsprechenden Empfehlung ein starkes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung strategischer Klagen gegen öffentliche Beteiligung und zum Schutz der öffentlichen Teilhabe und der Freiheit der Meinungsäußerung in der EU. Die Kommission schlug außerdem vor, gewisse Aspekte der die Mediendienste betreffenden nationalen Vorschriften im Rahmen des Europäischen Medienfreiheitsgesetzes zu harmonisieren. Der Vorschlag hat zum Ziel, sich mit fragmentierten nationalen Regulierungsansätzen in Bezug auf Medienfreiheit und Medienpluralismus sowie mit der redaktionellen Freiheit auseinanderzusetzen und die freie Erbringung von Mediendiensten innerhalb des Binnenmarkts sicherzustellen. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf die Unabhängigkeit und solide Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien sowie auf die Transparenz von Medieneigentum und die Vergabe staatlicher Werbeaufträge – beides wichtige Ziele im Europäischen Aktionsplans für Demokratie – gelegt. Nach den neuen Bestimmungen müssten Mitgliedstaaten auch die Auswirkung nationaler Maßnahmen und Medienkonzentrationen auf die Freiheit und den Pluralismus der Medien prüfen. Hinsichtlich der Verbreitung von Medieninhalten im Online-Umfeld baut der Vorschlag für ein Europäisches Medienfreiheitsgesetz auf dem durch das Gesetz über digitale Dienste geschaffenen horizontalen Rahmen auf.
Die Kommission bewertet Medienfreiheit und Medienpluralismus außerdem in ihrem jährlichen Bericht über die Rechtsstaatlichkeit. In dem Bericht werden in den Mitgliedstaaten stattfindende Entwicklungen im Hinblick auf Themen wie die Unabhängigkeit der nationalen Medienaufsichtsbehörden, die Transparenz von Medieneigentum, die Fairness und Transparenz staatlicher Werbung, die Verwaltung öffentlich-rechtlicher Medien und die bestehenden Rahmen zur Gewährleistung der Sicherheit von Journalisten ausführlich behandelt. Dieses Vorhaben basiert auf einem ständigen Dialog mit den zuständigen Behörden und Interessenträgern der Mitgliedstaaten und hat dazu geführt, dass auf nationaler Ebene eine Reihe von Reformen eingeleitet wurde.
Die finanzielle Tragfähigkeit der Medien ist ein wichtiger Faktor für redaktionelle Integrität und die Unabhängigkeit der Medien. Seit der Annahme des Aktionsplans für die Medien und den audiovisuellen Sektor im Dezember 2020 hat die Kommission insbesondere mit Maßnahmen zur Steigerung privater Investitionen in Nachrichtenmedien ihre Unterstützung für die Medienresilienz ausgebaut. Der Aktionsplan für die Medien und den audiovisuellen Sektor rief dazu auf, die Maßnahmen und die Unterstützung für den Sektor der Nachrichtenmedien durch das Angebot eines besseren Zugangs zu Darlehen und die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Medien zu bündeln; auch wird die Einrichtung und Umsetzung eines Datenraums für Medien vorgeschlagen.
Die Kommission verstärkte darüber hinaus die Finanzmittel für Organisationen der Nachrichtenmedien. Im Rahmen des Programms Kreatives Europa 2021–2027 wurden rund 75 Mio. EUR für Projekte und Initiativen zur Förderung von Medienpluralismus, Journalismus und Medienkompetenz bereitgestellt. Zu den Maßnahmen zählen die Überwachung des Medienpluralismus sowie die Unterstützung von Medienräten, eines Krisenreaktionsmechanismus für Medienfreiheit und spezieller Bereiche wie Investigativjournalismus oder lokale Berichterstattung. Da die Nachfrage nach Finanzmitteln die im Rahmen des Programms Kreatives Europa verfügbaren Mittel übersteigt, wird die Kommission weiterhin nach Wegen zur Unterstützung dieser Bereiche suchen.
Da die EU die Unterstützung und den Schutz für die Freiheit der Medien innerhalb der EU verstärkt, tut sie dies auch im Ausland, wobei sie die Länder in direkter Nachbarschaft besonders berücksichtigt. Im Zusammenhang mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die EU Mittel zur Unterstützung von Journalisten und Medien in der Ukraine im Wert von 30 Mio. EUR bereitgestellt. Auch die Unterstützung für russische unabhängige Medien wurde erhöht und muss langfristig aufrechterhalten werden.
Zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat wurde eine vorläufige politische Einigung über die vorgeschlagene Richtlinie zur Bekämpfung strategischer Klagen gegen öffentliche Beteiligung erzielt. Es wird davon ausgegangen, dass auch die Mitgesetzgeber in Kürze eine Einigung über das Europäische Medienfreiheitsgesetz erzielen. Die Um- und Durchsetzung der neuen Vorschriften werden wichtige nächste Schritte sein. Die Mitgliedstaaten sollten sich außerdem weiterhin für die umfassende Umsetzung der Empfehlung zur Sicherheit von Journalisten und der Empfehlung zur Bekämpfung strategischer Klagen gegen öffentliche Beteiligung einsetzen. Mehrere Fälle missbräuchlicher Klagen, die von Drittländern oder in deren Namen angestrengt wurden, unterstreichen darüber hinaus, wie wichtig starke EU-weite Vorschriften zur Eindämmung solcher strategischen Klagen und zum Schutz des demokratischen Raums sind.
3.3Bekämpfung von Desinformation sowie Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland
Der Schutz der europäischen Demokratien vor den Bedrohungen und schädlichen Auswirkungen von Desinformation, Informationsmanipulation und Einflussnahme, insbesondere durch ausländische Akteure, war in den letzten Jahren eine Priorität der EU.
Mit solchen Operationen der manipulativen Einflussnahme und Desinformationskampagnen wird der Zweck verfolgt, die demokratische Debatte zu untergraben und die gesellschaftliche Spaltung zu verschärfen. Diese Operationen sind häufig finanziell gut ausgestattet und staatlich gefördert; ausgeführt werden sie von feindlichen Akteuren und stellen somit eine Bedrohung der Sicherheit für die EU-Demokratien dar. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Gefahr für den europäischen Informationsraum verdeutlicht und erhöht, da der Kreml in zunehmendem Maße Desinformationskampagnen führt und Einflussnahme ausübt und dies als strategisches, abgestimmtes Instrument zur Bedrohung der Sicherheit und Demokratie sowie zur Unterstützung seines Angriffskrieges nutzt. Der Konflikt im Mittleren Osten, der auf die terroristischen Angriffe der Hamas in Israel folgte, löste ebenfalls weitverbreitete Desinformations- und Hasskampagnen aus. Verschärft wird dies durch die Digitalisierung, zu der auch Gestaltungselemente auf Online-Plattformen, die die Verbreitung von Desinformation mit beispielloser Geschwindigkeit und Effizienz ermöglichen, sowie neue, durch künstliche Intelligenz betriebene Tools, die von böswilligen Akteuren genutzt werden können, gehören.
Auf die Frage, wie oft sie ihrer Meinung nach Desinformation ausgesetzt waren, antworteten 35 % der Befragten in einer kürzlich durchgeführten Eurobarometer-Umfrage mit „häufig“ oder „sehr häufig“ und bei 33 % lautete die Antwort „manchmal“. Die Befragten empfanden soziale Online-Netzwerke als vorrangiges Medium, über das sie am häufigsten zum Ziel wurden (64 %), gefolgt von Fernsehen (36 %), Online-Zeitungen und Nachrichtenmagazinen (22 %) sowie Video-Sharing Websites (21 %).
Die EU hat im Rahmen des Europäischen Aktionsplans für Demokratie ihre Anstrengungen zur Verbesserung ihrer Fähigkeit zur Reaktion auf diese neue, sich wandelnde Bedrohungslage – sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene – verstärkt. Die bestehende Zusammenarbeit innerhalb der Kommission sowie zwischen den Organen und Einrichtungen der EU und darüber hinaus wurde unter Einbeziehung maßgeblicher Interessenträger in der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und der Privatwirtschaft sowie internationaler Partner ausgebaut. Mittels des Netzes zur Bekämpfung von Desinformation der Kommission stärkte die EU ihre strategische Kommunikation gegen Desinformation. Das vom EAD geführte Schnellwarnsystem sorgte weiterhin für ein gemeinsames Lagebewusstsein und ließ Mitgliedstaaten, EU-Organe und internationale Partner an wirksamen Herangehensweisen bei der Reaktion auf die Bedrohung durch ausländische Informationsmanipulation und Einflussnahme teilhaben. Zu den Initiativen zählen die Aufdeckung, die aktive Entlarvung von Desinformation (Debunking) und die Warnung davor (Prebunking), gezielte Kampagnen zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie sowie eine umfassende, konstante Reaktion auf die vom russischen Staat geförderte Desinformation im Zusammenhang mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Ergebnisse zeigten sich in der Fähigkeit, Herausforderungen schneller und besser abgestimmt wirksam begegnen zu können. Dies leistete zudem einen deutlichen Beitrag zur demokratischen Widerstandskraft.
Die internationale Zusammenarbeit wurde mit Unterstützung des Krisenreaktionsmechanismus der G7 gestärkt und die enge Zusammenarbeit mit der NATO wurde fortgesetzt, wobei ausländische Informationsmanipulation und Einflussnahme als eine der wichtigsten sicherheitspolitischen Bedrohungen für die Kooperation zwischen der EU und der NATO hervorgehoben wurde. Der EU-US-Handels- und Technologierat und die Gemeinsame Erklärung des Gipfeltreffens EU-USA vom Oktober 2023 verliehen der engen transatlantischen Zusammenarbeit bezüglich dieser Bedrohung neuen Schwung, insbesondere hinsichtlich weiterer Fortschritte bei der strategischen Zusammenarbeit und der Verbesserung der Kompatibilität der Ansätze zur Bekämpfung von ausländischer Informationsmanipulation und Einflussnahme.
Darüber hinaus setzte die EU ihre diplomatischen Instrumente wirksam ein, um gegen ausländische Informationsmanipulation und Einflussnahme vorzugehen, insbesondere durch die Einführung restriktiver Maßnahmen gegen Einzelpersonen und Medienkanäle, die sich nach dem Angriffskrieg gegen die Ukraine an ausländischer Informationsmanipulation und Einflussnahme beteiligten. Vervollständigt wurde dies durch die Entwicklung eines verstärkten EU-Instrumentariums zur Bekämpfung von Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland (FIMI), das einen gemeinsamen analytischen Rahmen und eine gemeinsame Methodik für die Erhebung systematischer Beweise für solche Vorfälle bietet, um auf diese Weise das Verständnis der Taktiken, Techniken und Verfahren zur Manipulation und Einflussnahme zu verbessern. Dies ergänzt die Arbeit der StratCom-Arbeitsgruppe des EAD in den Bereichen Sensibilisierung und Kapazitätsaufbau, Unterstützung der EU-Delegationen und Kontaktaufnahme mit der Zivilgesellschaft. Dies dient dem Zweck, die Manipulation des Informationsumfelds in der EU und deren Nachbarschaft für Akteure auf dem Gebiet der ausländischen Informationsmanipulation und Einflussnahme wie Russland und China zu erschweren.
Ein zentrales Element des Ansatzes der Kommission bei der Bekämpfung von Desinformation war deren Arbeit zur Gewährleistung einer stärkeren Rechenschaftspflicht für Online-Plattformen. 52 % der Europäer denken, dass Online-Plattformen mehr tun sollten, um die Verbreitung von falschen und irreführenden Informationen zu verhindern. Das Gesetz über digitale Dienste verpflichtet die Betreiber sehr großer Online-Plattformen und sehr großer Online-Suchmaschinen zur regelmäßigen Bewertung der systemischen Risiken ihrer Dienste für die Gesellschaft, unter anderem für die Freiheit der Meinungsäußerung, bzw. des Risikos, dass ihre Dienste als Instrument für Desinformationskampagnen genutzt werden, nicht zuletzt im Hinblick auf den Schutz von Wahlprozessen. Als wichtiges Mittel zur Minderung solcher Risiken werden sie aufgefordert, sich an der Erstellung freiwilliger Verhaltenskodizes und Krisenprotokolle zu beteiligten. Ein Beispiel ist der ehrgeizige neue Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation, der im Juni 2022 von einem weiten Kreis von Unterzeichnern unterschrieben wurde. Hier ist bedeutsam, dass zu dem Verhaltenskodex ein robuster Überwachungsrahmen und ein Transparenz-Zentrum gehören, damit die Transparenz und Rechenschaftspflicht sichergestellt werden können. Im Januar und September 2023 erstatteten die Unterzeichner des Verhaltenskodex, unter anderem auch Online-Plattformen, Bericht über ihre Fortschritte und boten ein beispielloses Maß an Informationen über die Art und Weise, wie sie ihren Verpflichtungen zur Bekämpfung von Desinformation nachkommen.
Im Vorfeld der Europawahl 2024 führt die Kommission einen der Wahl vorausgehenden Dialog und arbeitet mit den Online-Plattformen und anderen Unterzeichnern des Verhaltenskodex zusammen. Darüber hinaus konzentriert sich die Arbeit im Rahmen des Verhaltenskodex auch auf die Bewältigung des Gefahrenpotenzials der neuen KI-gestützten Instrumente, die in Kampagnen zur Desinformation und ausländischen Einflussnahme eingesetzt werden könnten. Der Abschluss der Verhandlungen über das vorgeschlagene KI-Gesetz stellt in diesem Zusammenhang eine Priorität dar, da dieses Gesetz die erforderlichen Leitplanken und die nötige Transparenz zur Nutzung von KI schaffen würde.
Zur Befähigung der Bürgerinnen und Bürger fundierte Entscheidungen zu treffen, unterstützt die Kommission im Rahmen verschiedener EU-Programme eine breite Palette innovativer Projekte zur Bekämpfung von Desinformation, insbesondere mithilfe zivilgesellschaftlicher Organisationen und Einrichtungen der allgemeinen und beruflichen Bildung oder unter Beteiligung von Journalisten mit dem Ziel, die mediale und digitale Kompetenz zu fördern und den Bürgerinnen und Bürgern Hilfestellung beim Erkennen von Desinformation sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU zu leisten. Als Bestandteil des Aktionsplans für digitale Bildung (2021–2027) veröffentlichte die Kommission Leitlinien für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte zur Bekämpfung von Desinformation und zur Förderung der digitalen Kompetenz durch allgemeine und berufliche Bildung. Ebenso haben sowohl Erasmus+ als auch das Europäische Solidaritätskorps Mittel für Basisprojekte zur Förderung der Medienkompetenz bereitgestellt.
Parallel dazu unterstützte die EU von der örtlichen Bevölkerung betriebene Initiativen für den Kampf gegen Desinformation mittels verstärkter Faktenprüfung, beispielsweise die Europäische Beobachtungsstelle für digitale Medien, und mittels der Entwicklung des Europäischen Normenkodex für Faktenprüforganisationen. Bei der Bekämpfung von Desinformation bezüglich des Angriffskrieges gegen die Ukraine hat sich dies als hilfreich erwiesen. Im Rahmen ihres weiter gefassten Auftrags zur Bekämpfung von Desinformation gründete die Europäische Beobachtungsstelle für digitale Medien eine besondere europäische Arbeitsgruppe für Wahlen, die sich der Entdeckung früher Anzeichen potenziell gefährlicher Desinformationskampagnen, die sich in der gesamten EU ausbreiten könnten, und der Koordination spezieller Aktivitäten im Bereich der Medienkompetenz widmet. Die Arbeitsgruppe wird im Rahmen der Vorbereitung auf die Europawahl ihre Sachkenntnis auch den europäischen Organen zur Verfügung stellen.
Parallel dazu treibt der Hohe Vertreter die Arbeit an der weiteren Stärkung des gesamtgesellschaftlichen Ansatzes für die Weitergabe von Informationen in Form eines Informations- und Analysezentrums für Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland voran. Es bildet einen festen Bestandteil des Instrumentariums gegen Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland und dient dazu, ein stärkeres gemeinsames Lagebewusstsein zu ermöglichen, die gemeinsame Methodik für die Erfassung systematischer Beweise für Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland weiterzuentwickeln und einen zuverlässigen Rahmen für den Informationsaustausch zwischen maßgeblichen Interessenträgern einzurichten, der auch die Gemeinschaft der Verteidiger zusammenführt, damit sie Informationen über Vorfälle im Zusammenhang mit Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland sammeln und weitergeben. Das Zentrum stellt auch eine Folgemaßnahme zu der im Strategischen Kompass für Sicherheit und Verteidigung geäußerten Forderung nach einem Datenraum zur Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland dar. Die Kommission wird ihre eigene Fähigkeit zur Aufdeckung, Überwachung, Analyse und Bekämpfung von sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene betriebenen Desinformationsaktivitäten weiter stärken. Im Rahmen des Programms Horizont Europa wurde über ein Drittel der mehr als 300 Mio. EUR betragenden Unterstützung der Demokratieforschung für die Finanzierung von Forschungs- und Innovationsvorhaben mobilisiert, um ausländische Informationsmanipulation und Einflussnahme sowie andere unzulässige Beeinflussungen der politischen Entscheidungsfindung besser aufdecken und verstehen zu können. In Zukunft wird es wichtig sein, diese ehrgeizigen Ziele aufrechtzuerhalten und aus den gewonnenen Erkenntnissen Nutzen zu ziehen.
Zivilgesellschaftliche Akteure stehen bei der Bekämpfung von Desinformation und der Aufdeckung ausländischer Einflussnahme an vorderster Front, unter anderem durch Basisinitiativen und die Expertengemeinschaft, die sich mit der Analyse und Bekämpfung ausländischer Informationsmanipulation und Einflussnahme sowie Desinformation befasst. Ein starkes Engagement der Zivilgesellschaft ist von entscheidender Bedeutung für die rasche und effiziente Bewertung der sich ständig wandelnden Bedrohungslage, ihrer Akteure und der Werkzeuge, die sie benutzen. Die Kommission wird ihre Unterstützung für die Arbeit der unabhängigen Gemeinschaft des Zentrums der Europäischen Beobachtungsstelle für digitale Medien fortsetzen. Im Mittelpunkt der Forschungs- und Sensibilisierungsarbeit standen Desinformation und ausländische Einflussnahme innerhalb der EU, wobei insbesondere Daten genutzt wurden, die durch den Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation und dessen Bestimmungen über Transparenz und den Zugang zu Daten erzeugt worden waren. Zur Unterstützung der Faktenprüfungsarbeit im Rahmen der Umsetzung des Verhaltenskodex und zur Gewährleistung hoher fachlicher Standards und der Unabhängigkeit von Faktenprüfern wird die Kommission zur Unterstützung des Kodex für fachliche Integrität des Europäischen Faktencheck-Netzwerks (EFCSN) auch die Finanzierung von Schulungsmaßnahmen fortsetzen.
3.4Inklusive zivilgesellschaftliche Mitwirkung und Teilhabe für demokratische Widerstandskraft in Europa
Die Stärkung der Verbindungen zwischen den Menschen und den demokratischen Institutionen, die ihnen dienen und sie vertreten, bildet das Fundament der demokratischen Widerstandskraft. Ein starker, sicherer und befähigender zivilgesellschaftlicher Raum und engagierte, informierte und mündige Bürgerinnen und Bürger sind eine wesentliche Garantie für die Widerstandskraft unserer Demokratien, ob zu Zeiten von Wahlen oder darüber hinaus. Im jüngsten Eurobarometer betrachteten beinahe neun von zehn Befragten (87 %) die Zivilgesellschaft (Verbände, nichtstaatliche Organisationen) als wichtig für die Förderung und den Schutz von Demokratie und gemeinsamen Werten, unter anderem auch hinsichtlich der Förderung einer gut informierten, pluralistischen demokratischen Debatte. Aus den Daten geht auch hervor, dass über die Hälfte der Befragten eine Verstärkung der Mitwirkung zivilgesellschaftlicher Organisationen am Entscheidungsprozess auf nationaler Ebene (56 %) und europäischer Ebene (54 %) für erforderlich erachtet. Etwa zwei Drittel der Befragten sprechen sich für eine höhere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am politischen Entscheidungsprozess auf nationaler (68 %) und europäischer Ebene (66 %) aus.
Die Stärkung der Handlungskompetenz der Bürgerinnen und Bürger sowie der Organisationen der Zivilgesellschaft und die Bereitstellung geeigneter Instrumente für ihr zivilgesellschaftliches Engagement sind Querschnittsprioritäten, die die verschiedenen Säulen des Europäischen Aktionsplans für Demokratie, ebenso wie die der Charta und der Berichte über die Rechtsstaatlichkeit einbeziehen. Ferner wurde eine große Bandbreite an Finanzierungsmöglichkeiten bereitgestellt, um die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, die Mitwirkung der Zivilgesellschaft und das Vertrauen in die Demokratie zu erhöhen; insbesondere im Rahmen von EU-Programmen wie „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“, „Kreatives Europa“, „Erasmus+“ und „Horizont Europa“. Im Rahmen des Instruments für technische Unterstützung wurde darüber hinaus technische Unterstützung für Verwaltungsreformen in den Mitgliedstaaten geleistet, um in den öffentlichen Verwaltungen und Behörden Kapazitäten für partizipative Verfahren aufzubauen. Auch die Aufnahme der Bürgerbeteiligung in die Gestaltung und Umsetzung von Politik bildete im Rahmen des Partnerschaftsprinzips der EU-Kohäsionspolitik eine Priorität. Die Konferenz zur Zukunft Europas erbrachte wertvolle Erfahrungen bezüglich der Frage, wie die Bürgerbeteiligung am politischen Entscheidungsprozess durch die Umsetzung deliberativer Prozesse gestärkt werden kann. Darüber hinaus trug sie zur Stärkung der demokratischen Widerstandskraft bei und führte zur Umsetzung einer neuen Phase der Bürgerbeteiligung, wobei europäische Bürgerforen nun in den politischen Entscheidungsprozess der Europäischen Kommission eingebettet sind.
Parallel dazu wurden der Förderung der medialen und digitalen Kompetenz in zunehmendem Maße Unterstützung und Finanzmittel gewidmet, um Menschen aller Altersstufen Instrumente an die Hand zu geben, mit denen sie sich im heutigen Informations- und Medienumfeld zurechtfinden, verschiedene Arten von Medien und deren Funktionsweise erkennen und ein kritisches Verständnis der unterschiedlichen Arten von Medien, einschließlich sozialer Medien, entwickeln können und so in der Lage sind, fundierte Entscheidungen zu treffen. Da die Möglichkeiten eines Online-Engagements immer umfassender und alltäglicher werden, kann Online-Hetze die Menschen davon abhalten, ihre Ansichten zum Ausdruck zu bringen und sich an Online-Diskussionen zu beteiligen. Die Förderung eines respektvollen, befähigenden, sichereren Umfeldes, in dem die Menschen ihre Meinung äußern können, ist eine Priorität. Zu diesem Zweck hat die Kommission eine Initiative zur Erweiterung der Liste der EU-Straftatbestände um Hetze und Hasskriminalität vorgeschlagen. Sie wird den Rechtsrahmen des Gesetzes über digitale Dienste, den Rahmenbeschluss zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und die Anstrengungen im Rahmen des Verhaltenskodex zur Bekämpfung illegaler Hetze ergänzen.
Neue und sinnvolle Methoden der Beteiligung, der Beratung und der Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger über alle Generationen hinweg können die repräsentative Demokratie stärken. Diese Formen der Teilhabe bieten den Bürgerinnen und Bürger weitere Möglichkeiten, sich an der demokratischen Debatte zu beteiligen und zur Politikgestaltung beizutragen, wobei die verfassungsrechtlichen Traditionen und Besonderheiten der einzelnen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind. Auf lokaler, nationaler und gesamteuropäischer Ebene gesammelte Erfahrungen mit partizipatorischer und deliberativer Demokratie zeigen, dass diese Verfahren helfen können, bestehende Klüfte zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und den Entscheidungsträgern zu überbrücken und unterschiedliche Gruppen von Menschen zusammenzubringen, um gemeinsame Empfehlungen zu erarbeiten. Auf der Grundlage der Konferenz zur Zukunft Europas wurden neue Wege geschaffen, um sicherzustellen, dass die Bürgerinnen und Bürger diese stärkere Rolle in der Gestaltung der EU-Politik erhalten. Diese Formen der Mitwirkung ergänzen etablierte Verfahren zur Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an politischen Entscheidungsprozessen auf EU-Ebene, wie beispielsweise öffentliche Konsultationen und Konsultationen von Interessenträgern oder Vorschriften zur Transparenz und den Zugang zu Informationen und Dokumenten. Die Kommission hat zur Stärkung der Beteiligung von Interessenträgern an verschiedenen Stadien politischer Entscheidungsprozesse Leitlinien für eine bessere Rechtsetzung angenommen, in denen die Grundsätze dargelegt werden, die sie bei der Vorbereitung neuer Initiativen und Vorschlägen sowie bei der Bewertung und Überwachung der Umsetzung bestehender Rechtsvorschriften befolgt.
Bildung spielt eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, bei den Bürgerinnen und Bürger Interesse für Mitwirkung und Teilhabe zu wecken und die Bindung an demokratische Werte zu fördern. Förderung und Schutz der demokratischen Werte Europas sind eine zentrale Dimension der 2022 angenommenen europäischen Hochschulstrategie, da Hochschulen einen Beitrag zur Förderung aktiver Bürgerschaft, Toleranz, Gleichstellung und Vielfalt, Offenheit und kritischem Denken leisten. Erasmus+ (2021–2027) fördert durch verschiedene Finanzierungsströme in den EU-Mitgliedstaaten und darüber hinaus Teilhabe und zivilgesellschaftliche Mitwirkung am demokratischen Leben in Europa. Die Förderung inklusiver demokratischer Teilhabe ist ein Leitgedanke der EU-Jugendstrategie (2019–2027). Im Paket zur Unionsbürgerschaft von 2023 wird die Bedeutung der politischen Bildung, die auch Kenntnisse der Rechte der EU-Bürgerinnen und ‑Bürger umfasst, und der Wählererziehung für die Förderung der politischen Teilhabe sowie den Aufbau von Widerstandskraft gegenüber Desinformation bei den Bürgerinnen und Bürgern anerkannt.
Organisationen der Zivilgesellschaft sind eine der tragenden Säulen einer funktionierenden Demokratie. Sie fungieren als Wächter über demokratische Stiftungen und Einrichtungen. Sie ziehen Regierungen zur Rechenschaft und helfen, Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit zu schützen und zu fördern, indem sie Einzelpersonen und Gemeinschaften Unterstützung leisten und ihnen bei der Förderung ihrer Interessen helfen. Darüber hinaus befähigen sie Privatpersonen, sich in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse zu engagieren, und tragen insgesamt zur Steigerung einer sinnvollen Beteiligung der Öffentlichkeit bei.
Die Kommission arbeitet in vielen Bereichen bei der Politikgestaltung mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen. Konsultation und Dialog ermöglichen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verteidigern der Menschenrechte, ihre Ansichten zur Gesetzgebung und Politik der EU vorzustellen. Das Portal „Ihre Meinung zählt“ ist die Anlaufstelle für Konsultationen und ermöglicht allen interessierten Parteien, vor und nach der Annahme einen Beitrag zu Initiativen zu leisten. Organisationen der Zivilgesellschaft sind Bestandteil der Partnerschaft mit regionalen und lokalen Behörden sowie Wirtschafts- und Sozialpartnern, was ihnen die Möglichkeit zur Mitwirkung während der Ausarbeitung, Durchführung und Evaluierung von mit EU-Mitteln finanzierten kohäsionspolitischen Programmen eröffnet.
Darüber hinaus hat die Kommission in verschiedenen Politikbereichen regelmäßige Dialoge mit zivilgesellschaftlichen Akteuren ins Leben gerufen, mit denen eine effektivere Kommunikation und Beteiligung an der Politikgestaltung ermöglicht wird. Ein strukturierter Dialog mit der Zivilgesellschaft findet über Foren und Plattformen statt und deckt ein breites Spektrum an Politikbereichen ab. Die Vertretungen der Kommission in den Mitgliedstaaten sind wichtige lokale Akteure für die Bürgerbeteiligung. Sie haben bereits Tausende von Veranstaltungen organisiert – von Bürgerdialogen bis zu partizipatorischen Ad-hoc-Veranstaltungen – insbesondere während der Konferenz zur Zukunft Europas, in deren Rahmen über 6 000 Veranstaltungen in den Mitgliedstaaten stattfanden, auf denen insgesamt mehr als 700 000 Teilnehmer zusammenkamen. Diese Arbeit kann durch weitere Initiativen zur Anbindung an die lokale Ebene erweitert und ergänzt werden.
Der Schutz, die Unterstützung und die Stärkung der Handlungskompetenz von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Menschenrechtsverteidigern nehmen, wie im Bericht von 2022 über die Anwendung der Charta der Grundrechte hervorgehoben wird, eine zentrale Stelle in der Arbeit der EU an der Sicherstellung eines vitalen zivilgesellschaftlichen Raums ein. Der Bericht hebt hervor, wie wichtig es ist, dafür zu sorgen, dass Organisationen der Zivilgesellschaft und Menschrechtsverteidiger in einem ihre Handlungskompetenzen stärkenden, sicheren und unterstützenden Umfeld arbeiten können. Im Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2022 wird dargelegt, inwiefern sich die ohne ungerechtfertigte Einflussnahme ausgeübte Tätigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen auf die EU-Rechtsprechung und europäische Standards stützt; darüber hinaus geben die Berichte einen Überblick über die Schritte, die in den Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Lage zivilgesellschaftlicher Organisationen unternommen wurden. Als Beispiele sind die Vereinfachung der Registrierungsverfahren, die Einrichtung von Strukturen zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen und die Überarbeitung der Vorschriften über den Betrieb zivilgesellschaftlicher Organisationen und ihren Zugang zu Finanzmitteln zu nennen. In den Rechtsstaatlichkeitsberichten von 2022 und 2023 wurden besondere Empfehlungen an eine Reihe von Mitgliedstaaten gerichtet. Im September 2023 legte die Kommission darüber hinaus einen Vorschlag für eine Gesetzgebungsinitiative zu grenzübergreifenden Tätigkeiten von Vereinen vor, deren Ziel in der Beseitigung von Hemmnissen auf dem Binnenmarkt bestehen wird, damit Vereinigungen im Binnenmarkt Erfolg haben können; die Gesetzgebungsinitiative wird die im Rahmen des derzeitigen Pakets getroffenen Maßnahmen ergänzen.
Um die Bürgerbeteiligung weiter zu fördern und Organisationen der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidiger zur Beteiligung an der Politikgestaltung zu befähigen, und um andere Maßnahmen auf EU-Ebene zu ergänzen, legt die Kommission eine Empfehlung zur Förderung der Mitwirkung und der wirksamen Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern und Organisationen der Zivilgesellschaft an politischen Entscheidungsprozessen vor. Die Empfehlung zielt darauf ab, die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern und Organisationen der Zivilgesellschaft an der öffentlichen Politikgestaltung zu fördern und den Aufbau demokratischer Widerstandskraft in der Union zu unterstützen. Ein weiteres Ziel der Empfehlung besteht darin, die Förderung zivilgesellschaftlicher Mitwirkung und des Schutzes der Demokratien zu erleichtern und die Achtung der Grundrechte in den Mitgliedstaaten zu fördern. Die Empfehlung ermutigt die Mitgliedstaaten, eine wirksame und inklusive Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Organisationen der Zivilgesellschaft an politischen Entscheidungsprozessen mit einer weit gefächerten Vertretung der unterschiedlichen Gruppen und Instanzen in der Gesellschaft sicherzustellen und auf diese Weise Ausgrenzung, Marginalisierung und Diskriminierung zu verringern; ferner werden sie ermutigt, den Kapazitätsaufbau von Bürgerinnen und Bürgern, Organisationen der Zivilgesellschaft und öffentlichen Verwaltungen in traditionellen ebenso wie in neu entstehenden öffentlichen Räumen zu unterstützen. Die Empfehlung stützt sich im Einklang mit etablierten Standards und bewährten Verfahren für gemeinsame Gestaltung und deliberative Demokratie auch auf die Erkenntnisse der Konferenz zur Zukunft Europas und die laufende Arbeit des Kompetenzzentrums für partizipative und deliberative Demokratie. In Anerkennung der Notwendigkeit, in der gesamten Union (und darüber hinaus) ein gemeinsames Niveau des Schutzes und der Mitwirkung zivilgesellschaftlicher Organisationen sicherzustellen, werden die Mitgliedstaaten in der Empfehlung aufgefordert, ein förderliches Umfeld für zivilgesellschaftliche Organisationen und Verteidiger der Menschenrechte zu schaffen und aufrechtzuerhalten, das diesen ermöglicht, sich wirksam an solchen politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. In der Empfehlung wird ferner eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die die Mitgliedstaaten treffen sollten, um Organisationen der Zivilgesellschaft und Menschrechtsverteidiger zu schützen und zu verteidigen, damit ein vitaler zivilgesellschaftlicher Raum sichergestellt werden kann.
Finanzielle Unterstützung ist für eine vitale Zivilgesellschaft von wesentlicher Bedeutung. Die EU stellt Organisationen der Zivilgesellschaft bereits umfangreiche Finanzierungsmöglichkeiten für den Aufbau ihrer Kapazitäten und die Durchführung von Projekten, die zur Förderung der EU-Werte beitragen, bereit. Eine grundlegende Voraussetzung für eine Finanzierung durch die EU ist die Achtung der Werte der EU. Die Achtung der EU-Werte bildet bereits einen Bestandteil der Finanzhilfevereinbarung, die jeder Empfänger von EU-Finanzmitteln unterschreiben muss; die Kommission hat darüber hinaus an Leitlinien gearbeitet, um die Folgen, die Verletzungen der EU-Werte für Empfänger haben, deutlicher darzulegen. Die Kommission führt darüber hinaus Pilotprojekte zur Verstärkung von Kontroll- und Überprüfungsverfahren für Haushaltsprogramme in einschlägigen Ausgabenfeldern ein, die ein erhöhtes Risiko für Missbrauch und Missachtung von EU-Werten mit sich bringen. Die Mitgliedstaaten sollten wirksame Mechanismen einrichten, um bei der Verwaltung von EU-Mitteln den gleichen Ansatz zu verfolgen. Das Programm „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ konzentriert sich stark auf die Unterstützung von Organisationen der Zivilgesellschaft, damit sie die Rechte und Werte der EU schützen und fördern. Die Kommission wird auch in Zukunft eine gezielte Zuweisung von Mitteln für Schwerpunktbereiche im Rahmen des Europäischen Aktionsplans für Demokratie fortführen und zweckbestimmte Mittel aus einer Reihe verfügbarer EU-Programme mobilisieren, um die Ziele des heutigen Pakets im Hinblick auf die Bekämpfung von Desinformation sowie die Förderung der Integrität von Wahlen und des Medienpluralismus zu unterstützen. Zur Vereinfachung der Navigation durch die verschiedenen Programme wird die Kommission das von ihr eingerichtete Instrument über verfügbare Mittel mit einfachen Suchfunktionen weiter verbessern und fördern, damit schnell und einfach auf einschlägige Informationen über Mittel zur Demokratieförderung zugegriffen werden kann. Die Kommission und der EAD werden über die Vertretungen der Kommission in den Hauptstädten der Mitgliedstaaten und die EU-Delegationen weltweit weiterhin in Eigeninitiative mit Bürgerinnen und Bürgern und Organisationen der Zivilgesellschaft vor Ort zusammenarbeiten, um sie für die im Rahmen der verschiedenen EU-Programme verfügbaren Möglichkeiten zu sensibilisieren und die Weitergabe von Informationen darüber zu verbessern. Abbildung 5 zeigt einen kurzen Überblick über die im Rahmen von EU-Programmen gebotenen Möglichkeiten; weitere Möglichkeiten stehen im Rahmen der EU-Strukturfonds und des Instruments für technische Unterstützung zur Verfügung (z. B. zur Finanzierung der Zivilgesellschaft und zum Aufbau von Kapazitäten und institutioneller/administrativer Infrastruktur für deliberative zivilgesellschaftliche Mitwirkung und politische Teilhabe).
4
SCHLUSSFOLGERUNG
Im Juli 2019 forderte Präsidentin von der Leyen einen neuen Schub für die europäische Demokratie, mit einem größeren Mitspracherecht für die Europäerinnen und Europäer und mehr Anstrengungen seitens der EU für den Schutz und die Stärkung unserer Demokratie. Dies fand seinen Ausdruck im Europäischen Aktionsplan für Demokratie von 2020, der einen wichtigen Beitrag zum Kampf gegen Desinformation und Informationsmanipulation und zum Schutz fairer Wahlen sowie der Freiheit und des Pluralismus der Medien leistete.
Seit dem Beginn des Mandats der derzeitigen Kommission musste sich die EU mit einer Abfolge von Krisen in den Bereichen Geopolitik, Wirtschaft, Klima und Gesundheit auseinandersetzen. Die Art und Weise, in der es der EU gelang, auf diese Krisen zu reagieren, hat gezeigt, dass sie sich auf ihre starke liberale Demokratie, das Vertrauen in ihre Organe und die Achtung unserer gemeinsamen Grundsätze und Werte verlassen kann. Diese Krisen haben uns jedoch auch die Bedrohung durch ausländische Einflussnahme und die aus einem hochgradig volatilen internationalen Kontext entstehenden Risiken vor Augen geführt: Einige Akteure wendeten für das Ziel, die Demokratie und das Vertrauen in unsere Institutionen zu untergraben, Ressourcen in gewaltigem Umfang auf.
Mit dem Paket zur Verteidigung der Demokratie wird das Ziel verfolgt, diese Maßnahmen im Vorfeld der Wahl zum Europäischen Parlament zu verstärken. Dieses Paket ist die Antwort auf diese Herausforderungen unter uneingeschränkter Achtung unserer Grundrechte und Grundwerte, wobei es unter anderem auch auf den Erkenntnissen der Konferenz zur Zukunft Europas aufbaut. Die Kommission freut sich auf die umfassende Mitwirkung des Europäischen Parlaments und des Rates, damit bei allen Gesetzgebungsvorschlägen im Bereich Demokratie noch vor der Wahl zum Europäischen Parlament entscheidende Fortschritte erzielt werden; und sie freut sich auf den großen Kreis der beteiligten öffentlichen und privaten Akteure auf nationaler Ebene, damit die Umsetzung des Europäischen Aktionsplans für Demokratie und dieses neuen Pakets zur Verteidigung der Demokratie gewährleistet werden kann.