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Document 52019DC0500

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT, DEN RAT, DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS, DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN UND DIE EUROPÄISCHE INVESTITIONSBANK Europäisches Semester 2019: Länderspezifische Empfehlungen

COM/2019/500 final

Brüssel, den 5.6.2019

COM(2019) 500 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT, DEN RAT, DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS, DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN UND DIE EUROPÄISCHE INVESTITIONSBANK

Europäisches Semester 2019: Länderspezifische Empfehlungen


1.Einleitung

Die europäische Wirtschaft wächst das siebente Jahr in Folge. In der Amtszeit der Juncker-Kommission haben die Investitionen erneut ihren Vorkrisenstand erreicht, sind die Beschäftigtenzahlen so hoch wie nie und haben die öffentlichen Schulden insgesamt abgenommen.

Trotz ungünstigerer Rahmenbedingungen wird die europäische Wirtschaft ihren Wachstumskurs in diesem und im kommenden Jahr fortsetzen, denn alle Mitgliedstaaten weisen positive Wachstumsraten auf. Im vergangenen Jahr haben die globalen Entwicklungen wie die anhaltenden Spannungen in den Handelsbeziehungen, die zunehmende Unsicherheit und die zum Jahreswechsel weltweit deutlich anziehenden finanziellen Rahmenbedingungen die europäische Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen. Auch in diesem wie im kommenden Jahr dürfte das Wachstum hauptsächlich von der Binnennachfrage getragen werden, die von einem weiteren Anstieg bei Beschäftigung und Einkommen, niedrigen Finanzierungskosten und unterstützenden Fiskalmaßnahmen einiger Mitgliedstaaten profitiert.

Wirkungsvolle Strukturreformen, die von passgenauen Investitionsstrategien und einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik flankiert werden, weisen weiterhin den Weg zu einer erfolgreichen Modernisierung der europäischen Wirtschaft. Die im Rahmen des Europäischen Semesters abgegebenen länderspezifischen Empfehlungen helfen den Mitgliedstaaten dabei, angemessen auf bestehende und neue Herausforderungen zu reagieren und die zentralen gemeinsamen Politikziele zu verwirklichen. Beim Europäischen Semester kommt es entscheidend darauf an, weiterhin auf das „magische Dreieck“, d. h. auf Investitionsförderung, auf wirkungsvolle Reformen für ein nachhaltiges und inklusives Wachstum und auf eine solide Haushaltspolitik hinzuarbeiten. Die länderspezifischen Empfehlungen enthalten auch Leitlinien im Hinblick darauf, wie die Leistungsfähigkeit und Governance unserer Wirtschafts- und Währungsunion und die Krisenfestigkeit der Volkswirtschaften im Euro-Währungsgebiet entsprechend den Empfehlungen zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets 2019 1 gestärkt werden können und wie sich die soziale Konvergenz im Sinne der Europäischen Säule sozialer Rechte voranbringen lässt.

Angesichts der globalen Wachstumsschwäche ist es notwendiger denn je, die strukturellen Herausforderungen der Volkswirtschaften in der EU kontinuierlich anzugehen. Die wirtschaftlichen Risiken nehmen zu und die Unsicherheit wächst: Deshalb ist es zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit und des Wachstumspotenzials unserer Volkswirtschaften von entscheidender Bedeutung, Reformen entschlossener umzusetzen und dabei klarere Prioritäten zu setzen. In diesem Zusammenhang müssen auch Wirksamkeit und Umfang der Innovationen gesteigert und hohe, arbeitsmarktrelevante Kompetenzen sichergestellt werden. Um die Folgen der Wachstumsabschwächung auf die Beschäftigung abzumildern und zu verhindern, dass sie soziale Ungleichheiten verschärft, gilt es, die soziale Inklusion voranzutreiben, Investitionen zu schützen und zu fördern und die Qualität der öffentlichen Finanzen zu verbessern. Die sich abschwächende wirtschaftliche Dynamik unterstreicht auch die Notwendigkeit, die Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet gleichmäßiger abzubauen. Die Mitgliedstaaten – insbesondere solche mit hohem Schuldenstand – sollten weiterhin darauf hinarbeiten, die langfristige Tragfähigkeit ihrer öffentlichen Finanzen zu erhöhen. Gleichzeitig sollten Mitgliedstaaten mit finanzpolitischem Spielraum und niedrigen Investitionsquoten diesen Spielraum zur Stärkung ihres Wachstumspotenzials nutzen. Die Stärkung des Binnenmarkts und die Steigerung der Komplementarität zwischen Binnenmarktstrategien und nationalen Strukturreformen wird dazu beitragen, die Produktivität und Widerstandsfähigkeit der EU-Wirtschaft zu erhöhen. Auf globaler Ebene birgt die neue China-Strategie der EU große Chancen für neue Arbeitsplätze und Wachstum in Europa. 2

Investitionen und Reformen müssen Hand in Hand gehen. Mit dem hier vorgelegten Paket möchte die Kommission insbesondere eine noch genauere Abstimmung zwischen Investitionen und Reformen gewährleisten und einen kohärenteren Politikrahmen bereitstellen. In den länderspezifischen Empfehlungen 2019 wird der Schwerpunkt stärker auf Investitionen gelegt, was der vertieften Analyse der Kommission in den Länderberichten entspricht, in denen Investitionsbedarf und Engpässe in den einzelnen Mitgliedstaaten beleuchtet wurden.

Auch wenn nicht der ganze Investitionsbedarf im Rahmen der EU-Fonds angegangen werden kann, bieten diese doch erhebliche Möglichkeiten, die in den länderspezifischen Empfehlungen aufgezeigten konkreten Investitionslücken in Angriff zu nehmen. Dank der wirkungsvolleren politischen Verknüpfung zwischen dem Europäischen Semester und der Finanzierung der EU im Zeitraum 2021-2027, wie sie die Kommission in ihren Vorschlägen für den nächsten mehrjährigen EU-Finanzrahmen dargelegt hat, bieten EU-Finanzierungsprogramme wie InvestEU, die Fazilität „Connecting Europe“, das Programm Horizont Europa sowie die kohäsionspolitischen Fonds nun große Chancen. Insbesondere die Programmplanung für die nächsten kohäsionspolitischen Fonds der EU ist hier von zentraler Bedeutung. Es wurden unlängst Gespräche mit den nationalen und regionalen Behörden darüber aufgenommen, wie die europäischen Struktur- und Kohäsionsfonds 3 im Zeitraum 2021-2027 auf nationaler Ebene besser genutzt werden können, wobei die länderspezifischen Empfehlungen samt den Länderberichten den analytischen Rahmen für eine erfolgreiche Programmplanung darstellen.

2.Wirtschaftlicher Ausblick, Reformfortschritte insgesamt und Korrektur der Ungleichgewichte

Auch in diesem und im kommenden Jahr wird die Wirtschaft der Europäischen Union voraussichtlich weiter wachsen, allerdings in geringerem Tempo. Die für 2019 erwartete Abschwächung des wirtschaftlichen Wachstums ist zu einem Teil darauf zurückzuführen, dass die externen Rahmenbedingungen die exportorientierten Branchen erheblich in Mitleidenschaft gezogen haben. In einigen großen europäischen Volkswirtschaften haben sich länder- und branchenspezifische Faktoren (wie in der Automobilindustrie) auch auf die Produktionszahlen ausgewirkt. Politische Unsicherheit auf nationaler Ebene und Rücknahme von Reformen haben in einigen Ländern das Vertrauen geschwächt und die Wachstumsaussichten beeinträchtigt. Zusätzliche Arbeitsplätze und moderat steigende Löhne dürften dem Konsum und der Konjunktur förderlich sein, während der ungewisse wirtschaftliche Ausblick die Stimmung in der Wirtschaft weiter trübt. Die Investitionen werden sich voraussichtlich weiter erhöhen, aufgrund der ungünstigeren äußeren Rahmenbedingungen und der Ungewissheit bei der Handelspolitik aber an Tempo verlieren. Insgesamt dürften die günstigen Finanzierungsbedingungen und die unterstützenden Fiskalmaßnahmen in einigen Mitgliedstaaten aber dazu beitragen, dass die Binnennachfrage weiter zulegt.

Auch wenn sich die Fundamentaldaten in den vergangenen Jahren erheblich verbessert haben, müssen die Krisenfestigkeit und das Wachstumspotenzial der europäischen Wirtschaft weiter erhöht werden. Um negativen wirtschaftlichen Schocks künftig widerstehen zu können, müssen das Potenzialwachstum gesteigert und der finanzpolitische Spielraum vergrößert werden. Angesichts der hohen, miteinander verknüpften Risiken für die wirtschaftlichen Aussichten müssen strukturelle Herausforderungen und Schwächen, die aufgrund der nachlassenden wirtschaftlichen Dynamik an Bedeutung gewinnen könnten, energischer in Angriff genommen werden. Wenn wir Investitionen in die allgemeine und die berufliche Bildung, in hochwertige Infrastruktur und in Innovationen fördern und schützen, wird dies das Wachstumspotenzial unserer Volkswirtschaften stärken und zugleich die Gesamtnachfrage stützen. In diesem Zusammenhang ist es ebenfalls von zentraler Bedeutung, sich für die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit – insbesondere eine unabhängige Justiz – einzusetzen und robuste Rahmenvorschriften für die Korruptionsbekämpfung zu schaffen. Bei den öffentlichen Finanzen sollte die Politik hoch verschuldeter Länder darauf gerichtet sein, die Haushaltspuffer zu vergrößern und die Schuldenquote auf einen nachhaltigen Abwärtspfad zu führen. Gleichzeitig ist es wichtig, etwaigen finanzpolitischen Spielraum umgehend zu nutzen. Besonderes Augenmerk sollte in allen Mitgliedstaaten auf die Wachstumsfreundlichkeit und die Umverteilungseffekte der Ausgaben und des Steuersystems gelegt werden. Ein gleichmäßigerer Abbau der Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet schließlich wird die nachteiligen Auswirkungen des Schuldenabbaus auf das Wachstum eindämmen und unsere Konjunktur von der Auslandsnachfrage unabhängiger machen.

Bei mehr als zwei Dritteln der bis 2018 abgegebenen länderspezifischen Empfehlungen wurden bei der Umsetzung zumindest „einige Fortschritte“ erzielt (siehe Abbildung 1). Die mit den Mitgliedstaaten seit 2011 vereinbarte Umsetzung der verschiedenen Empfehlungen kommt weiterhin kontinuierlich voran. In einigen Fällen gibt es Belege dafür, dass größere in der Vergangenheit beschlossene Reformen in Teilen wieder rückgängig gemacht werden. Die meisten Fortschritte sind bei den Finanzdienstleistungen zu verzeichnen, gefolgt von Vorschriften zu den Beziehungen zwischen den Sozialpartnern und zum Beschäftigungsschutz. Besonders langsam sind die Fortschritte bei der Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlage, bei Gesundheitswesen und Langzeitpflege sowie beim Wettbewerb im Dienstleistungssektor.

Abbildung 1: Stand bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen 2011-2018

Anmerkung: Bei der mehrjährigen Bewertung wird beurteilt, wie die Empfehlungen ab dem Zeitpunkt, zu dem sie erstmals ausgesprochen wurden, bis zur Veröffentlichung der vorliegenden Mitteilung im Mai 2019 umgesetzt wurden. Bei der Gesamtbewertung der länderspezifischen Empfehlungen für die Haushaltspolitik ist die Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts berücksichtigt.

Betrachtet man die Reformfortschritte im zurückliegenden Jahr, so haben die Mitgliedstaaten bei 4 von 10 der im Juli 2018 ausgesprochenen Empfehlungen zumindest „einige Fortschritte“ erzielt (siehe Abbildung 2). Dieses Ergebnis ist schlechter als in den Vorjahren. Seit der anlässlich der Länderberichte im Februar vorgenommenen Bewertung hat es insgesamt keine signifikanten weiteren Reformfortschritte gegeben. Dahinter verbergen sich jedoch Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und den verschiedenen Bereichen. Bei den Finanzdienstleistungen gehen die Reformen nach wie vor kräftig weiter, auch wenn die Fortschritte im Vergleich zu den mutigen Schritten unmittelbar nach der Krise nun etwas kleiner ausfallen. Weiterhin nur geringe Fortschritte gibt es bei der Umsetzung der Empfehlung, die Steuerbemessungsgrundlage zu verbreitern und den Wettbewerb im Dienstleistungssektor zu verstärken. Angesichts der noch verbleibenden wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen und der Abwärtsrisiken für die wirtschaftlichen Aussichten müssen Reformen entschlossener umgesetzt werden, um die Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaften in der EU zu erhöhen.

Abbildung 2: Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen: Alljährliche Bewertung seit 2011 gegenüber der Umsetzung bis heute

Anmerkung: Bei der mehrjährigen Bewertung wird beurteilt, wie die Empfehlungen ab dem Zeitpunkt, zu dem sie erstmals ausgesprochen wurden, bis zur Veröffentlichung der vorliegenden Mitteilung im Mai 2019 umgesetzt wurden. Für die Jahre 2011 und 2012 gestaltet sich der Vergleich zwischen der jährlichen und der mehrjährigen Bewertung schwieriger, weil sich in dieser Zeit die Bewertungskategorien der länderspezifischen Empfehlungen geändert haben.

Bei der Korrektur der makroökonomischen Ungleichgewichte gibt es weiterhin Fortschritte, doch sind zusätzliche politische Maßnahmen erforderlich. So liegt die private und die öffentliche Verschuldung in einigen Mitgliedstaaten weiterhin auf Rekordhöchststand, was den Handlungsspielraum bei negativen Schocks einschränkt. In einigen anderen Mitgliedstaaten zeichnet sich aufgrund des dynamischen Wohnungspreisanstiegs und steigender Lohnstückkosten eine mögliche Überhitzung ab. Auch die Korrektur der Zahlungsbilanzungleichgewichte ist noch nicht abgeschlossen. Zwar wurden hohe Zahlungsbilanzdefizite korrigiert, doch verzeichnen mehrere Länder trotz einiger geringfügiger Anzeichen für eine Korrektur nach wie vor einen hohen Leistungsbilanzüberschuss. Der hohe Leistungsbilanzüberschuss des Euro-Währungsgebiets ist weitgehend unverändert, was zum einen darauf zurückzuführen ist, dass die Binnennachfrage insgesamt hinter der Wirtschaftstätigkeit zurückbleibt, und zum anderen darauf, dass die verbesserte Wettbewerbsposition die Exporte stützt. Die weitere Korrektur der Ungleichgewichte erfordert ein differenziertes Vorgehen. Während Mitgliedstaaten mit Leistungsbilanzdefiziten oder einer hohen Auslandsverschuldung ihre Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig verbessern müssen, sollten Mitgliedstaaten mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen die Voraussetzungen für ein höheres Lohnwachstum und für Investitionen optimieren. Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität und zur Erhöhung der Investitionen sind für alle Mitgliedstaaten mit Blick auf die Förderung eines höheren Potenzialwachstums von zentraler Bedeutung.

3.Hauptziele der Empfehlungen für 2019-2020

Alles in allem sollen die Empfehlungen die Mitgliedstaaten dazu ermutigen, ihr Wachstumspotenzial zu steigern und zu diesem Zweck ihre Volkswirtschaften zu modernisieren und ihre Krisenfestigkeit weiter zu erhöhen. Angesichts der erwarteten Konjunkturabschwächung sollten alle Mitgliedstaaten Reformen, die auf ein nachhaltiges und inklusives Wachstum abzielen, Vorrang einräumen. Darüber hinaus erfordern die zunehmend digitalisierten und globalisierten Volkswirtschaften intelligentere Investitionen in die hierfür maßgebliche Infrastruktur, in Innovationen und in die allgemeine und die berufliche Bildung. Mit Blick auf die Digitalisierung, den sich wandelnden Arbeitsmarkt, die alternde Bevölkerung sowie die Umstellung auf eine grüne Wirtschaft müssen darüber hinaus zusätzliche Anstrengungen unternommen werden, um die Schaffung von Qualitätsarbeitsplätzen zu fördern und angemessene und inklusive Sozialsysteme sicherzustellen.

Sozio-ökonomische Trends auf nationaler Ebene verschleiern die in einigen Ländern signifikanten regionalen Unterschiede. Der Blick zurück zeigt, dass nicht alle Regionen gleichermaßen vom Wirtschaftswachstum profitiert haben. Der Blick in die Zukunft verdeutlicht, dass die sozio-ökonomischen Herausforderungen der Zukunft nicht alle Teile der Gesellschaft in gleichem Maße betreffen. Gestützt auf die Ergebnisse der Länderberichte 2019 stellen die diesjährigen Empfehlungen deshalb – wo relevant – auf regionale und territoriale Unterschiede ab. Ziel ist es, spezifischen Investitionsbedarf präzise zu ermitteln und die wirtschaftliche und soziale Konvergenz mithilfe der im Zeitraum 2021-2027 aus den kohäsionspolitischen Fonds der EU kofinanzierten Investitionen zu beschleunigen.

Die zunehmenden Unsicherheiten an den globalen Märkten unterstreichen die Bedeutung des Binnenmarkts. Das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts ist von grundlegender Bedeutung – ermöglicht er es doch den Unternehmen, sich Produktionsmittel hoher Qualität zu wettbewerbsfähigen Preisen zu beschaffen, und eröffnet er den Anbietern von Gütern und Dienstleistungen große und liquide Märkte. In der Vergangenheit galt die Aufmerksamkeit häufig dem geringeren Grad an Integration an den Dienstleistungsmärkten, doch war das Reformtempo oftmals enttäuschend. Die durch die unzureichende Integration der Dienstleistungsmärkte verursachten Opportunitätskosten nehmen zu und entwickeln Spillover-Effekte auf andere Mitgliedstaaten. Auch an den Gütermärkten sind in einigen Bereichen, insbesondere bei der gegenseitigen Anerkennung, Verbesserungen möglich. Wird in Europa durch die Kapitalmarkunion ein echter Binnenmarkt für Kapital geschaffen, wird dies die Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen diversifizieren und dadurch die Fähigkeit des Finanzsystems zur Absorbierung von Schocks erhöhen und neue Investitionsmöglichkeiten eröffnen. Die Konsolidierung des Binnenmarkts erfordert zusätzliche Reformanstrengungen bei den Mitgliedstaaten, um bei der Integration des Digital-, Energie-, Kapital- und Verkehrsbinnenmarkts voranzukommen. So wird beispielsweise Italien empfohlen, unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede die Qualität seiner Infrastruktur zu verbessern.

Im Februar 2019 hat die Kommission in 13 Mitgliedstaaten Ungleichgewichte festgestellt. Um diese abzubauen, müssen die länderspezifischen Empfehlungen angemessen umgesetzt werden. Die Kommission gelangte nach ihren eingehenden Überprüfungen zu dem Schluss, dass in zehn Mitgliedstaaten (Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Irland, Kroatien, den Niederlanden, Portugal, Rumänien, Schweden und Spanien) Ungleichgewichte bestehen, die ein Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten rechtfertigen, und drei Mitgliedstaaten (Griechenland, Italien und Zypern) übermäßige Ungleichgewichte aufweisen. 4  

·Im Falle Kroatiens wurde festgestellt, dass die Ungleichgewichte dank der verbesserten Wirtschaftslage und politischer Fortschritte nicht mehr als übermäßig anzusehen sind.

·Griechenland wurde erstmals seit Ende des Finanzhilfeprogramms einer eingehenden Überprüfung unterzogen; die politischen Maßnahmen, die Ungleichgewichten entgegenwirken sollen, werden im Rahmen der Überwachung nach Programmabschluss verstärkt überwacht.

·Zypern weist trotz des verbesserten wirtschaftlichen Kontexts und der verstärkten politischen Zusagen der jüngsten Zeit nach wie vor erhebliche Anfälligkeiten auf.

·In Italien haben sich die Aussichten für das Wachstum und die öffentlichen Finanzen verschlechtert und wurden frühere, auch das Rentensystem betreffende Reformen durch jüngere Maßnahmen faktisch in Teilen wieder zurückgenommen. Da es wesentlich von den künftigen Politikmaßnahmen abhängt, ob sich die makroökonomischen Ungleichgewichte in Italien verschärfen oder verringern, hat die Kommission im Februar angekündigt, eingehend verfolgen zu wollen, inwieweit Italien seine Zusagen zum Abbau der Ungleichgewichte einhält. In Italiens nationalem Reformprogramm 2019 wird diesbezüglich nur teilweise auf die in den länderspezifischen Empfehlungen für 2018 angesprochenen strukturellen Probleme eingegangen, und es fehlen häufig Einzelheiten zu den wenigen darin enthaltenen neuen Reformzusagen sowie zum Zeitplan für deren Durchführung. Doch stützt sich Italiens Reformstrategie auf größere, bereits in Vorbereitung befindliche Reformen in verschiedenen Bereichen, was im Vergleich zu früheren nationalen Reformprogrammen von größerer Kontinuität zeugt.

Wie in den vergangenen Jahren wird bei allen Ländern, bei denen Ungleichgewichte oder übermäßige Ungleichgewichte festgestellt wurden, im Rahmen des Verfahrens bei makroökonomischen Ungleichgewichten auch ein spezielles Monitoring durchgeführt.

Öffentliche Finanzen und Besteuerung

Die öffentlichen Schuldenstände gehen zurück, doch sind die Fortschritte nicht in allen Mitgliedstaaten gleich groß. So haben einige die günstigen konjunkturellen Bedingungen und die niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre nicht ausreichend dazu genutzt, erneut Haushaltspuffer zu bilden. Andere haben eine solide Haushaltslage erreicht, die ihnen finanziellen Spielraum für die Investitionsförderung eröffnet. Insgesamt betrachtet ist der haushaltspolitische Kurs im Euro-Währungsgebiet im Zeitraum 2015–2018 weitgehend neutral geblieben und dürfte der Kommissionsprognose zufolge 2019 leicht expansiv werden.

Mehrere Mitgliedstaaten weisen nach wie vor hohe Schuldenstände auf. Eine weitere Herausforderung stellen die Folgen der Bevölkerungsalterung dar, die kontinuierliche Reformen bei Rentensystem, Gesundheitswesen und Langzeitpflege erfordern, damit deren Effizienz, Wirksamkeit und Angemessenheit gesteigert und deren dauerhafte Tragfähigkeit für den Haushalt sichergestellt werden können. Benötigt werden Rentenreformen, die darauf abzielen, das Verhältnis zwischen Erwerbsleben und Ruhestand anzupassen und eine zusätzliche Altersvorsorge zu fördern. Falls nötig, müssen Reformen des Sozialsystems zügig vereinbart werden, wobei deren Auswirkungen auf die betroffenen Gruppen zu berücksichtigen sind. Die Erfahrungen zeigen, dass sich Reformen in diesen Bereichen mit am schwierigsten durchsetzen lassen, weswegen der Reformprozess umgehend in Gang gesetzt werden muss. Zugleich müssen die Interessenträger von Anfang an verstärkt konsultiert werden. Die Rücknahme von Reformen sollte eindeutig vermieden und ihrerseits rückgängig gemacht werden, da dies die langfristige Tragfähigkeit des Haushalts beeinträchtigen, das Wachstumspotenzial verringern und der Generationengerechtigkeit abträglich sein könnte.

Um die haushaltspolitische Tragfähigkeit des Euro-Währungsgebiets und seiner Mitgliedstaaten zu erhöhen, muss auf nationaler Ebene eine der jeweiligen Situation angepasste Haushaltspolitik verfolgt werden. Hierbei ist etwaigem haushaltspolitischen Spielraum und Spillover-Effekten auf andere Länder Rechnung zu tragen. Mitgliedstaaten mit nach wie vor hohem Schuldenstand sollten auch weiterhin Haushaltspuffer bilden. Dies würde ihre Schockanfälligkeit verringern und dafür sorgen, dass die automatischen Stabilisatoren beim nächsten Abschwung uneingeschränkt greifen können. In den länderspezifischen Empfehlungen wird für die Mitgliedstaaten, die ihr mittelfristiges Haushaltsziel noch nicht erreicht haben, eine dem Stabilitäts- und Wachstumspakt entsprechende Konsolidierungsanstrengung vorgegeben. Den Mitgliedstaaten mit angemessenem Spielraum wird empfohlen, die Finanz- und Strukturpolitik unter Einhaltung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts dazu zu nutzen, ihre öffentlichen Investitionen zu erhöhen, um dadurch das Wachstum zu fördern und den Abbau wirtschaftlicher Ungleichgewichte zu erleichtern.

Eine höhere Qualität der öffentlichen Ausgaben würde die Möglichkeiten, über die öffentlichen Finanzen Wachstum und sozialen Zusammenhalt zu fördern, vergrößern. Wird die Struktur der öffentlichen Ausgaben und Einnahmen bildungs-, beschäftigungs- und investitionsfreundlich umgestaltet, lässt sich dadurch das Wachstumspotenzial erhöhen. Daher sollten nicht nur Anstrengungen im Hinblick darauf unternommen werden, die Ausgaben unter Kontrolle zu halten und wirkungsvoller einzusetzen, sondern auch die Bemühungen um eine wachstumsfreundliche Zusammensetzung der öffentlichen Ausgaben fortgesetzt werden. Bei sinnvoller Konzeption und konsequenter Umsetzung stellen Ausgabenüberprüfungen ein wirksames Instrument dar, um die Zusammensetzung der öffentlichen Ausgaben zu verbessern und zu diesem Zweck u. a. den Spielraum für produktive und gezielte öffentliche Investitionen zu vergrößern. Zwar nehmen zahlreiche Mitgliedstaaten (wie Estland, Luxemburg, die Slowakei, Spanien und Zypern) bereits verschiedene Arten von Ausgabenüberprüfungen vor, doch könnte noch häufiger von solchen Prüfungen Gebrauch gemacht werden, ihr Umfang erhöht, die zugrunde liegende Methode verbessert und für eine bessere Verknüpfung von Überprüfungen und Haushaltszyklus gesorgt werden. Da einige Mitgliedstaaten bei solchen Prüfungen mit Erfolg Bereiche ermittelt haben, in denen die Wirksamkeit der Ausgaben gesteigert werden kann, müssen die dabei gewonnenen Erkenntnisse am Ende auch in politische Maßnahmen umgemünzt werden.

Die Mitgliedstaaten haben ihre haushaltspolitischen Rahmen im Laufe der Jahre erheblich verbessert, und in vielen Ländern sind diese einer soliden Haushaltspolitik förderlich. In einer Reihe von Mitgliedstaaten müssen die Reformen zur Schaffung eines sinnvoll gestalteten und wirksamen haushaltpolitischen Rahmens allerdings weitergehen. Kroatien und Spanien wird empfohlen, ihre Haushaltsrahmen zu stärken, und Belgien und Österreich wird eine weitere Verbesserung der haushaltspolitischen Koordinierung nahegelegt, während in Polen eine weitere Stärkung der Haushaltsverfahren für notwendig gehalten wird. In anderen Mitgliedstaaten sind die Reformen ins Stocken geraten und bedarf es eines neuen Anstoßes, um die Reformanstrengungen wieder in Gang zu bringen. Darüber hinaus muss das Augenmerk überall kontinuierlich auf die Umsetzung gerichtet werden, damit die Haushaltsrahmen ihrem Ziel gerecht werden und die Erreichung oder Beibehaltung einer soliden Haushaltspolitik sicherstellen.

Die Steuer- und Sozialsysteme können zur Förderung eines inklusiven Wachstums beitragen. Sinnvoll gestaltete Steuer- und Sozialsysteme können private Investitionen begünstigen und die Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern, Erwerbsbeteiligung und Beschäftigung fördern, Ungleichverteilung verringern und zu einer sozial und ökologisch widerstandsfähigen Wirtschaft beitragen. Vor diesem Hintergrund wurde mehreren Mitgliedstaaten empfohlen, die Arbeit steuerlich zu entlasten, um dadurch ein tragfähigeres wirtschaftliches Wachstum zu fördern.

Da die Bekämpfung aggressiver Steuerplanung eine Priorität darstellt, hat die Kommission Legislativvorschläge vorgelegt, die das Steuersystem transparenter, effektiver und kohärenter machen sollen. Die Umsetzung des EU-Rechts und international vereinbarter Initiativen wird dazu beitragen, aggressive Steuerplanungspraktiken einzudämmen. In einigen Mitgliedstaaten wie Irland, Luxemburg, Malta, den Niederlanden, Ungarn und Zypern weisen die Steuersysteme allerdings bestimmte Merkmale auf, die von Unternehmen, die aggressive Steuerplanung betreiben, genutzt werden können.

Kasten 1: Überwachung im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts - Aktueller Stand

Ausgehend von ihrer Bewertung der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme 2019 hat die Kommission im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts eine Reihe von Schritten unternommen.

Die Kommission empfiehlt, das Defizitverfahren gegen Spanien einzustellen. Damit unterläge kein Mitgliedstaat mehr der korrektiven Komponente des SWP.

Für Belgien, Frankreich, Italien und Zypern hat die Kommission Berichte nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV angenommen, in denen sie analysiert, inwieweit diese Länder das im Vertrag festgelegte Schuldenstandskriterium erfüllen. Im Falle Frankreichs sollten sowohl das Defizit- als auch das Schuldenstandskriterium derzeit als erfüllt angesehen werden. Bei Belgien lässt die aktuelle Analyse in dieser Hinsicht keinen eindeutigen Schluss zu. Bei Zypern ist die Kommission der Auffassung, dass keine weiteren Schritte im Hinblick auf einen Beschluss zur Feststellung eines übermäßigen Defizits erforderlich sind. Im Falle Italiens deutet die Analyse darauf hin, dass das Schuldenstandskriterium nicht als erfüllt angesehen werden sollte, und somit ein schuldenstandsbasiertes Defizitverfahren angebracht ist.

Die Kommission empfiehlt ferner, der Rat solle feststellen, dass Ungarn und Rumänien im Rahmen des Verfahrens wegen erheblicher Abweichung keine wirksamen Maßnahmen zur Umsetzung der Ratsempfehlung vom Dezember 2018 getroffen haben. Im Falle Rumäniens wurde dieses Verfahren im Juni 2017 eingeleitet, nachdem 2016 eine erhebliche Abweichung festgestellt worden war. Gegen Ungarn wurde dieses Verfahren im Juni 2018 eingeleitet, nachdem 2017 eine erhebliche Abweichung festgestellt worden war. Da Ungarn und Rumänien 2018 erheblich vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel abgewichen sind, richtet die Kommission eine entsprechende Verwarnung an die beiden Länder. Im Falle Rumäniens ist es die dritte, im Falle Ungarns die zweite Verwarnung. Die Kommission empfiehlt dem Rat, Ungarn und Rumänien die Einleitung geeigneter Maßnahmen zur Korrektur dieser erheblichen Abweichung zu empfehlen.

Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Sozialpolitik

Die Lage an den Arbeitsmärkten verbessert sich weiter. Die Beschäftigungsquoten in der EU sind auf Rekordhöchststand, und die Arbeitslosigkeit hat in diesem Jahrhundert ein Rekordtief erreicht. Gleichzeitig bestehen nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen Ländern, Regionen und Bevölkerungsgruppen. Um die Funktionsweise des Arbeitsmarkts zu verbessern, wird Belgien, Bulgarien, Finnland, Griechenland, Irland, Slowenien, Spanien, Ungarn und Zypern empfohlen, gezielte Schritte einzuleiten, um die Wirksamkeit aktiver Arbeitsmarktmaßnahmen zu erhöhen und/oder die Kapazitäten der Arbeitsvermittlung aufzustocken. Polen, Portugal und Spanien sollten den hohen Anteil an befristeten Arbeitsverhältnissen abbauen und gleichzeitig die Umwandlung solcher Beschäftigungsverhältnisse in unbefristete Stellen fördern.

Die Erwerbsbeteiligung von Frauen nimmt weiter zu, doch besteht bei Beschäftigung und Bezahlung nach wie vor ein Geschlechtergefälle. Grund hierfür sind häufig Fehlanreize, die Frauen davon abhalten, arbeiten zu gehen, mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben oder das Fehlen erschwinglicher Einrichtungen für die Kinderbetreuung und die Langzeitpflege. Diesbezügliche Empfehlungen wurden an Deutschland, Estland, Irland, Italien, Österreich, Polen, die Slowakei und die Tschechische Republik gerichtet.

Damit alle Bürgerinnen und Bürger ihr Leben lang Kompetenzen erwerben können, die auch künftigen Erfordernissen gerecht werden, ist der Zugang zu einer guten allgemeinen und beruflichen Bildung von grundlegender Bedeutung. Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels und des wachsenden Missverhältnisses zwischen gesuchten und vorhandenen Qualifikationsprofilen sowie der sich wandelnden Arbeitswelt sind Investitionen in Humankapital der Schlüssel zur Förderung eines wissensintensiven, nachhaltigen und inklusiven Wachstums. Bestimmte Bevölkerungsgruppen verfügen aber nach wie vor nur über ein geringes Kompetenzniveau. Zahlreichen Mitgliedstaaten wird deshalb die Stärkung und Modernisierung ihrer Systeme für die allgemeine und die berufliche Bildung empfohlen. So sollten beispielsweise Bulgarien, Estland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, die Slowakei, Slowenien und die Tschechische Republik über Maßnahmen zur Förderung eines zukunftsorientierten Kompetenzerwerbs und zur Förderung der Erwachsenenbildung nachdenken. Belgien, Bulgarien, Griechenland, Kroatien, Litauen, Portugal, Rumänien, Spanien und Zypern wird empfohlen, ihre Systeme für die allgemeine und die berufliche Bildung stärker an die Erfordernisse des Arbeitsmarkts anzupassen. An Spanien wird darüber hinaus die Empfehlung gerichtet, die Zahl der frühen Schulabgänger zu reduzieren, während Griechenland, Lettland und Zypern die Kapazitäten der allgemeinen und der beruflichen Bildung erhöhen sollten. In mehreren Mitgliedstaaten müssen unter besonderer Berücksichtigung benachteiligter Gruppen zusätzliche Anstrengungen zur Verbesserung von Qualität und Inklusivität des Systems der allgemeinen und der beruflichen Bildung unternommen werden, während Italien und die Tschechische Republik die Attraktivität des Lehrerberufs erhöhen sollten.

Die soziale Lage verbessert sich weiter, doch fallen immer noch Menschen durch die Maschen des Sozialsystems und haben keinen Zugang zu dessen Leistungen. Die Armut geht zurück, bleibt in einigen Mitgliedstaaten aber auf hohem Stand. Auch Armut trotz Erwerbstätigkeit stellt in mehreren Mitgliedstaaten eine Herausforderung dar. Darüber hinaus sehen sich einige benachteiligte Gruppen wie Menschen mit Behinderung oder mit Migrationshintergrund anhaltend vor Herausforderungen gestellt. Die Gewährleistung eines angemessenen Sozialschutzes für Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen und für Selbstständige ist für das Wohl der Arbeitskräfte insgesamt und das reibungslose Funktionieren der Arbeitsmärkte von zentraler Bedeutung. Während Bulgarien, Estland, Lettland, Portugal, Rumänien, Spanien und Ungarn empfohlen wird, Maßnahmen zur Erhöhung des Deckungsgrads, der Angemessenheit oder der Wirksamkeit des sozialen Sicherungsnetzes einzuleiten (worunter auch Mindesteinkommensregelungen fallen), werden Griechenland und Kroatien umfassendere Reformen bei den Sozialleistungen nahegelegt. In Bulgarien, Estland und Finnland muss der Zugang zu qualitativ guten Sozialleistungen verbessert werden. Den Niederlanden wird empfohlen, den Sozialschutz für Selbstständige zu verbessern. An Lettland und die Tschechische Republik werden spezielle Empfehlungen zur Förderung der Unterstützung von Menschen mit Behinderung gerichtet.

Mehrere Länder führen derzeit Gesundheitsreformen durch, um zu gewährleisten, dass das Gesundheitssystem allen offensteht, und für Kostenwirksamkeit und Tragfähigkeit des Systems zu sorgen. Die Mitgliedstaaten sollten ihre diesbezüglichen Bemühungen fortsetzen und dabei ihr Augenmerk vor allem auf die sorgfältige Ausgestaltung und den Umfang der Maßnahmen sowie auf die beschleunigte Annahme und Umsetzung der Reformen bei den Gesundheitsdienstleistungen richten. Förderung und Umsetzung von Gesundheitsreformen erfordern häufig weitere Investitionen. Vor diesem Hintergrund wird Bulgarien, Finnland, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Malta, Österreich, Polen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, der Tschechischen Republik, Ungarn und Zypern empfohlen, die Wirksamkeit, Zugänglichkeit und Tragfähigkeit ihrer Gesundheitssysteme zu erhöhen.

Sozialer Dialog ist für die erfolgreiche Ausgestaltung und Umsetzung politischer Maßnahmen von zentraler Bedeutung. Die Einbeziehung der Sozialpartner und anderer Interessenträger erhöht die Identifikation mit politischen Maßnahmen und führt zu besseren und nachhaltigeren Ergebnissen. Früheren länderspezifischen Empfehlungen entsprechend haben einige Mitgliedstaaten die Möglichkeiten für einen strukturierten Dialog und die Beteiligung von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften ausgeweitet. Auch wenn hier kein Modell als Referenz für alle angegeben werden kann, bestehen in einigen anderen Mitgliedstaaten wie Polen, Rumänien und Ungarn doch Möglichkeiten, den sozialen Dialog zu verbessern und die Sozialpartner in stärkerem Maße in die Politikgestaltung einzubeziehen, und stehen auch Griechenland und Kroatien in dieser Hinsicht weiterhin vor erheblichen Herausforderungen.

Durch Investitionen, Wettbewerbsfähigkeitspolitik und ein besseres Unternehmensumfeld zu mehr Produktivität

Entsprechend den Fortschritten bei der Investitionsoffensive für Europa – dem „Juncker-Plan“ – bleibt die Gestaltung einer umfassenden EU-Agenda für die Investitionspolitik ein entscheidender Faktor für das heutige und das künftige Wachstum. Seit dem Start der Investitionsoffensive wurden und werden erhebliche private und öffentliche Mittel für Investitionen in allen strategischen Bereichen der EU-Wirtschaft mobilisiert, was dem Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen einen überaus kräftigen Schub verliehen hat. Mit Stand Mai 2019 dürfte der Juncker-Plan knapp 400 Mrd. EUR an Investitionen anstoßen und 750 000 Arbeitsplätze entstehen lassen – mit einem Anstieg auf 1,4 Mio. bis zum Jahr 2020. Zusätzlich zur Mobilisierung von Investitionen wurden durch den Juncker-Plan maßgebliche Projektpipelines geschaffen und ein Schwerpunkt auf Maßnahmen für ein investitionsförderlicheres Unternehmensumfeld gelegt.

Die kohäsionspolitischen Fonds der EU sollten optimal dazu genutzt werden, Investitionen in den relevanten Bereichen anzukurbeln. Das dürfte auch dazu beitragen, die fortbestehenden regionalen Ungleichheiten in der EU zu beheben. Vor diesem Hintergrund geben die diesjährigen Länderberichte und länderspezifischen Empfehlungen konkrete Orientierungen für die Programmierung der EU-Fonds im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen vor.

Der diesjährige Analyseschwerpunkt des Europäischen Semesters, Investitionen, hat dazu beigetragen, die Investitionsprioritäten mit der höchsten volkswirtschaftlichen Rendite in den Mitgliedstaaten hervorzuheben und jene regulatorischen und strukturellen Engpässe aufzuzeigen, die das langfristige Wachstumspotenzial beeinträchtigen. Die Belebung der Investitionstätigkeit in den vergangenen Jahren verlief zwischen den einzelnen Sektoren, Ländern und Vermögenswertkategorien uneinheitlich. Zwischen den Investitionen im öffentlichen Sektor und in der Privatwirtschaft bestehen weiterhin Unterschiede: Die privaten Investitionen haben seit 2013 stetig zugelegt und erreichen nun wieder ihren Vorkrisendurchschnitt, während die öffentlichen Investitionen erst 2017 Fahrt aufgenommen haben. Außerdem steigen die Investitionen in sämtlichen Mitgliedstaaten an, allerdings liegen in einigen der Länder die Investitionsquoten noch immer deutlich unter dem langfristigen Durchschnitt der Vorkrisenzeit.



Kasten: Investitionsrelevante länderspezifische Empfehlungen und EU-Kohäsionspolitik im Zeitraum 2021-2027

Die Europäische Kommission hat die besondere Bedeutung von Investitionen innerhalb des „magischen“ strategischen Dreiecks unterstrichen, zu dem auch eine umsichtige Finanzpolitik und Strukturreformen zählen.

Das Europäische Semester 2019 wirft ein besonderes Schlaglicht auf das Thema Investitionen. Mit den Investitionsempfehlungen für die Mitgliedstaaten in diesem Semesterpaket wird die Zusage der Kommission konkretisiert, eine engere Verknüpfung zwischen dem Semester und dem EU-Haushalt – und insbesondere den kohäsionspolitischen Fonds der EU für den Zeitraum 2021-2027 – zu schaffen, wobei regionalen Besonderheiten Rechnung getragen wird 5 .

Die engere Verknüpfung zwischen dem Europäischen Semester und den kohäsionspolitischen Fonds der EU führt zu einer besseren und wirksameren Programmplanung und damit zu besseren und gezielteren Investitionen, was langfristig in höherer Produktivität und mehr Wachstum resultiert. Diese operative Verknüpfung strafft bestehende Abläufe und sorgt für mehr Kohärenz zwischen der Koordinierung der Wirtschaftspolitik und der Verwendung der EU-Fonds – jedoch ohne zusätzliche Bürokratie.

Die analytischen Grundlagen des Europäischen Semesters können die Mitgliedstaaten und die Kommission in dem Dialog leiten, der zur Programmierung der Fonds führt. In diesem Kasten wird dargestellt, wie die investitionsbezogenen Handlungsempfehlungen des Europäischen Semesters in die Programmplanung einfließen sollten.

Am Ausgangspunkt des Semesters – im Jahreswachstumsbericht 2019 – wurden gezieltere Investitionsstrategien der Mitgliedstaaten gefordert. Die Länderberichte des diesjährigen Winterpakets untersuchten den Investitionsbedarf jedes Landes auf der Grundlage einer sachkundigen Interpretation der aktuellen sozio-ökonomischen Trends; der Schwerpunkt lag dabei auf der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Sektoren und ein besonderes Augenmerk auf der Notwendigkeit, inklusives und nachhaltiges Wachstum zu unterstützen. Regionalen und territorialen Unterschieden innerhalb der Mitgliedstaaten wurde, soweit erforderlich, Rechnung getragen. Diese Analyse erhärtete die Auffassung der Kommission bezüglich der optimalen Verwendung der kohäsionspolitischen Fonds der EU für den Zeitraum 2021-2027 6 , wie in einem der Anhänge der Länderberichte (Anhang D) mit Leitlinien zu den Investitionsprioritäten für diese Fonds dargelegt. Diese Anhänge wurden als substanzieller Beitrag zum Programmplanungsdialog mit den Mitgliedstaaten konzipiert. Die in Anhang D genannten Investitionsprioritäten sind in drei Kategorien eingeteilt (Investitionsbedarf, prioritärer Investitionsbedarf und Investitionsbedarf mit hoher Priorität), die Zuordnung war dabei abhängig von ihrer Bedeutung für die sozio-ökonomische und territoriale Entwicklung, die Vorgaben für thematische Schwerpunkte wurden berücksichtigt – wie in den Kommissionsvorschlägen für die kohäsionspolitischen Fonds der EU für den Zeitraum 2021-2027 dargelegt. Die Anhänge wurden den Mitgliedstaaten bereits zusammen mit den anderen Analyseergebnissen der Länderberichte vorgelegt, um den Dialog über die Programmierung der nächsten kohäsionspolitischen Fonds der EU in Gang zu bringen; Ziel ist es, die Programmplanungsdokumente so früh wie möglich anzunehmen.

Im vorliegenden Frühjahrspaket stellt die Kommission ihren Vorschlag für die länderspezifischen Empfehlungen vor. Diese Empfehlungen sind viel allgemeiner formuliert als die Investitionsleitlinien in den Anhängen der Länderberichte. Die Empfehlungen zielen auf den Reform- und Investitionsbedarf der Gesamtwirtschaft ab. Den Empfehlungen kann sowohl durch Finanzierungs- als auch durch Regulierungsmaßnahmen nachgekommen werden. Es sollte erwähnt werden, dass mit den EU-Fonds zwar nicht der gesamte Investitionsbedarf der Mitgliedstaaten finanziert werden kann, dass diese Fonds unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten (wie thematische Konzentrationen) jedoch erheblich dazu beitragen können, die im Semester ermittelten Herausforderungen anzugehen.

Die länderspezifischen Empfehlungen unterscheiden sich zwar in Umfang und Einzelheiten, sind ansonsten aber kohärent mit den Investitionsleitlinien in den Anhängen der Länderberichte, die ausschließlich auf jenen Investitionsbedarf abzielen, für den sich eine Kofinanzierung durch die kohäsionspolitischen Fonds der EU anbietet.

Die Fortschritte bei der Umsetzung der investitionsbezogenen Aspekte aller länderspezifischen Empfehlungen werden im Rahmen der künftigen Zyklen des Europäischen Semesters beobachtet. Das Monitoring des Beitrags der kohäsionspolitischen Fonds der EU 2021-2027 zu den länderspezifischen Empfehlungen wird auf Informationen basieren, die in etablierten Foren und Verfahren (jährliche Überprüfungssitzungen und -berichte, Monitoring-Ausschüsse) zusammengetragen werden.

Investitionshemmnisse in der Union halten sich hartnäckig. Ganz allgemein betrachtet nehmen regulatorische Engpässe, institutionelle Defizite und Barrieren für den Marktzutritt und -austritt sowie für die Aktivität am Markt Unternehmen den Anreiz zu investieren und behindern die Reallokation von Ressourcen. Die Kommission geht gegen regulatorische und administrative Hürden auf nationaler und auf EU-Ebene an und wird dies auch weiterhin tun. Initiativen auf EU-Ebene und Strukturreformen in den Mitgliedstaaten ergänzen einander. Obwohl beim Abbau von Investitionshindernissen sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene Fortschritte zu verzeichnen sind, bleiben über Länder und Politikbereiche hinweg beträchtliche Hemmnisse bestehen. So haben beispielsweise kleine und mittlere Unternehmen und innovative Firmen in Italien Schwierigkeiten, sich Zugang zu Finanzierung zu verschaffen, was Investitionen hemmt; derweil werden Investitionen der öffentlichen Hand durch mangelnde Verwaltungskapazitäten und Unsicherheit bezüglich der Umsetzung von Vergabevorschriften gebremst. In Bulgarien gehören Qualifikationsdefizite, institutionelle Mängel und regulatorische Ungewissheit weiterhin zu den größten Investitionshindernissen. Ein instabiles Regulierungsumfeld und der Mangel an angemessen qualifizierten Arbeitskräften in einigen Branchen bleiben in Polen Investitionshürden. Die hauptsächlichen Hindernisse in Zypern sind derweil ein schwaches Unternehmensumfeld und ein schwieriger Zugang zu Finanzierung.

Für Investitionen sind Unternehmervertrauen, Berechenbarkeit, Rechtssicherheit und die uneingeschränkte Achtung der Rechtsstaatlichkeit erforderlich. In einigen Mitgliedstaaten wie Österreich, der Slowakei und Slowenien hat sich das regulatorische Umfeld erheblich verbessert, dennoch gibt es noch Raum für weitere Fortschritte. Auch Wettbewerber aus anderen Teilen der Welt optimieren ihre Rahmenbedingungen für Unternehmen, weshalb Reformen permanent aktualisiert werden müssen, um in Sachen Wettbewerbsfähigkeit eine Spitzenposition beizubehalten. Ein stabiler Regulierungsrahmen, Berechenbarkeit und hochwertige, auf Rechtsstaatlichkeit gegründete Institutionen einschließlich eines effektiven und unabhängigen Justizwesens sind entscheidend für den Erhalt eines investitionsfreundlichen Umfelds. Rechtsstaatlichkeit, effektive Justizsysteme und Korruptionsbekämpfung werden für bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen sorgen, was langfristig Vorteile in Form von Investitionen und Arbeitsplätzen generiert. Einige Mitgliedstaaten gehen weiter gegen Korruption vor, jedoch bleibt das Thema in mehreren Mitgliedstaaten aktuell – was sich negativ auf das Geschäftsumfeld und auf Investitionen auswirkt. In Korruptionsfällen effektiver zu ermitteln und die Strafverfolgung zu intensivieren sowie Korruption von vornherein erfolgreicher zu verhindern, bleiben vorrangige Ziele. Italien, Kroatien, Malta, die Slowakei, Tschechien, Ungarn und Zypern haben Empfehlungen erhalten, die sich auf diese Aspekte konzentrieren.

Effiziente Verwaltungen und fortgesetzte Bemühungen um Bürokratieabbau fördern die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. Exzessive Bürokratie bleibt ein Hemmschuh für Investitionen, Innovationen und das Unternehmenswachstum. Insbesondere kleinere und sehr innovative Unternehmen haben am stärksten mit Bürokratie und der Ineffizienz öffentlicher Verwaltungen zu kämpfen. Empfehlungen zum Bürokratieabbau und zur Verbesserung verschiedener Aspekte in den Bereichen Leistungsfähigkeit und Qualität von Verwaltungen – vor allem für mehr Effizienz im öffentlichen Auftragswesen – wurden dieses Jahr beispielsweise an Belgien, Kroatien, Lettland, Polen, Portugal, Rumänien, die Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern gerichtet. Eine beschleunigte Digitalisierung öffentlicher Dienstleistungen wird für eine alternde Bevölkerung und unter Druck stehende öffentliche Haushalte eine Versorgung mit diesen Dienstleistungen auf hohem Niveau gewährleisten. Eine solide wirtschaftspolitische Steuerung sicherzustellen, indem Schwachstellen in den Rechtsrahmen zur Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche beseitigt werden, ist eine Voraussetzung für langfristiges nachhaltiges Wachstum.

Qualifikationsdefizite und ein Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage können Investitionen blockieren. Investitionen in Menschen sind eine entscheidende Ergänzung zu Investitionen in Innovation, Forschung und Infrastruktur – sie sorgen für positive Erträge, was Fähigkeiten und Fertigkeiten betrifft, für beschäftigungsfähigere Arbeitskräfte und stärkeren sozialen Zusammenhalt. Dies wiederum führt zu besseren und belastbareren Wirtschaftsleistungen. Insbesondere sind die Verbesserung der Qualifikationsniveaus und deren Abstimmung auf den Bedarf am Arbeitsmarkt entscheidend für eine gesteigerte Produktivität und Anpassungsfähigkeit der Arbeitskräfte. Gut funktionierende und inklusive Schul- und Berufsbildungssysteme können zur Verhinderung oder Verringerung der Risiken von Qualifikationsdefiziten und -ungleichgewichten beitragen, die die Gesellschaft wegen verpasster Wachstumsmöglichkeiten und abnehmender Beschäftigungsmöglichkeiten für bestimmte Bevölkerungsgruppen wirtschaftlich und sozial teuer zu stehen kommen.

Forschungs- und Innovationsförderung sind ein zentraler Faktor für mehr Wachstum in Europa. In vielen Mitgliedstaaten und Regionen gibt es beträchtlichen Spielraum, um die Zusammenarbeit zwischen (vor allem kleineren und mittleren) Unternehmen, Wissenschaft und Forschung sowie staatlichen Akteuren zu intensivieren, beispielsweise in Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen und Rumänien. Öffentliche Unterstützung für bahnbrechende Innovationen und für die Gründung und Expansion wachstumsstarker Unternehmen schafft – neben günstigen Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung in Unternehmen – Marktchancen und steigert die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft.

In der Europäischen Union ist die Digitalisierung eine politische Priorität, doch müssen sich hier viele Mitgliedstaaten zeitnah noch stärker engagieren. Digitalisierung ist ein entscheidender Faktor für Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum. Traditionelle Branchen und kleine und mittlere Unternehmen hinken bei der digitalen Transformation jedoch besonders stark hinterher. Die EU als Ganzes muss den Prozess beschleunigen. Eine angemessene Unterstützung ist notwendig. Dies macht eine bessere Abstimmung der Strategien von Union, Mitgliedstaaten und Regionen ebenso erforderlich wie die Zusammenführung öffentlicher und privater Mittel, um Investitionen zu erhöhen und stärkere Synergien in der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft zu schaffen.

Eine lückenhafte Umweltpolitik und Energieinfrastruktur wirken sich negativ auf das Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen aus. Der Übergang hin zu einer CO2-neutralen, ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft und die damit einhergehende Dekarbonisierung erfordern beträchtliche Investitionen. In etlichen Mitgliedstaaten, insbesondere in Deutschland, Frankreich, Malta, den Niederlanden, Österreich, Polen und Zypern, sind zusätzliche Anstrengungen nötig, wenn die Länder ihre Emissionsreduktionsziele erreichen sollen. In vielen Mitgliedstaaten sind weitere Investitionen in die Wasser- und Abfallinfrastruktur erforderlich. Investitionen der öffentlichen Hand und die Schaffung von Anreizen für zusätzliche private Investitionen werden zusammen dafür sorgen, dass die EU-Zielvorgaben in diesen Bereichen in greifbare Nähe rücken. Die zunehmende Bedeutung der Kreislaufwirtschaft wird ebenfalls öffentliche Investitionen auf regionaler und lokaler Ebene erforderlich machen, damit einige Produktionsverfahren umgestaltet werden können.

Die Mitgliedstaaten haben unterschiedlich großen Investitionsbedarf. In Sektoren, Regionen und Ländern sind Investitionen in Anlagekapital notwendig, um die Produktionskapazitäten zu verbessern. Dies gilt insbesondere für Regionen mit schleppender Entwicklung, damit sie weiter aufholen können. Zudem benötigen fortgeschrittene Regionen und Sektoren wie der Automobilsektor Investitionen, um technologische Veränderungen zu beschleunigen und sich so neuen Herausforderungen stellen zu können. Investitionen in immaterielles Kapital sind allgemein besonders wichtig, um den Einsatz neuer Technologien zu fördern.

Etliche Mitgliedstaaten haben auf dem Weg zu mehr Finanzstabilität weitere Fortschritte gemacht. Es wurden Maßnahmen ergriffen, um notleidende Kredite abzubauen, die Aufsichtsrahmen zu stärken und die Insolvenzrahmen zu verbessern. Ungeachtet des erheblichen Abbaus im vergangenen Jahr ist der Bestand an notleidenden Krediten in einigen Mitgliedstaaten nach wie vor hoch. Die Profitabilität der Banken bleibt gedämpft und wird durch hohe Quoten notleidender Kredite sowie in einer Reihe von Fällen unzureichende Geschäftsmodelle, Märkte mit zu hoher Bankendichte und die Finanzmarktvolatilität (die seit dem ersten Halbjahr 2018 erneut zu beobachten ist) beeinträchtigt. Die Überwachung und Durchsetzung von Vorkehrungen zur Geldwäschebekämpfung bleibt in einer Reihe von Mitgliedstaaten Thema; länderspezifische Empfehlungen wurden für Bulgarien, Dänemark, Estland, Lettland, Malta und Schweden formuliert. Länderspezifische Empfehlungen zum weiteren Abbau notleidender Kredite werden an Bulgarien, Irland, Italien, Portugal und Zypern gerichtet. Weitere Maßnahmen werden auch Bulgarien und Zypern empfohlen, um die Aufsicht über den Nichtbankensektor zu stärken.

Entwicklungen am Wohnungsmarkt können die Finanzstabilität beeinträchtigen, weshalb in einigen Mitgliedstaaten Maßnahmen erforderlich sind. Eine Immobilie ist häufig der wichtigste Vermögenswert privater Haushalte, zugleich machen die immobilienbezogenen Darlehen einen Großteil der gesamten Darlehen in einer Volkswirtschaft aus. Darüber hinaus ist der Mangel an angemessenem und bezahlbarem Wohnraum in mehreren Mitgliedstaaten zunehmend problematisch. Aus diesem Grund wird Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Schweden und dem Vereinigten Königreich empfohlen, gegen Engpässe beim Wohnungsangebot anzugehen und Verzerrungen auf ihren jeweiligen Wohnimmobilienmärkten zu beseitigen. Da hohe private Schuldenstände die Bewegungen am Wohnimmobilienmarkt verstärken können, ist ein Abbau der hohen Schuldenquote privater Haushalte wichtig für die Finanzstabilität. Daher wird den Niederlanden und Schweden empfohlen, die vor allem durch das Steuersystem geschaffenen Verschuldungsanreize wie die Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen zu verringern.



4.Das Europäische Semester: ein gemeinsames Projekt von EU-Organen und Mitgliedstaaten

Die Mitgliedstaaten haben das Europäische Semester während der Wirtschaftskrise geschaffen, um ihre Wirtschaftspolitik im Jahresverlauf zu koordinieren und wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen zu begegnen. Mittlerweile hat sich das Europäische Semester zu einem einzigartigen Podium für den wirtschaftspolitischen Dialog mit den und zwischen den EU-Mitgliedstaaten entwickelt. Es ermöglicht der Kommission und den Mitgliedstaaten die laufende Koordinierung ihrer wirtschaftspolitischen Prioritäten. Das Europäische Semester ist ein Element des Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung, mit seiner Hilfe werden wirtschaftliche Entwicklungen überwacht, verhindert und korrigiert, die einzelne Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten oder die EU als Ganzes schwächen könnten. Die Kommission steht fortwährend in bilateralem und multilateralem Kontakt zu den Mitgliedstaaten und damit auch zu den Semester-Beauftragten in den Hauptstädten.

Dieser Dialog führt zu einer gemeinsamen Analyse der Kommission und der EU-Mitgliedstaaten. Die Empfehlungen der Kommission werden alljährlich vom Europäischen Rat gebilligt und nach Beratungen mit anderen zuständigen Ratsformationen vom Rat „Wirtschaft und Finanzen“ förmlich angenommen.

Die Kommission hat Instrumente entwickelt, um die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen zu unterstützen. So hilft beispielsweise der Dienst zur Unterstützung von Strukturreformen EU-Ländern dabei, im Zuge ihrer Bemühungen um die Schaffung von Arbeitsplätzen und nachhaltiges Wachstum Strukturreformen zu konzipieren und auszuführen. In Zusammenarbeit mit anderen zuständigen Dienststellen der Kommission leistet der Dienst Koordinierungsarbeit und maßgeschneiderte technische Unterstützung für EU-Mitgliedstaaten. Die Unterstützung erfolgt insbesondere durch das Programm zur Unterstützung von Strukturreformen. Ziel ist es, EU-Ländern beim Aufbau handlungsfähigerer Institutionen, soliderer politischer Steuerungsrahmen und effizienter Verwaltungen zu helfen. Eine derartige Unterstützung stärkt die Kapazitäten der EU-Länder, Strategien zur Schaffung von Arbeitsplätzen und für nachhaltiges Wachstum zu gestalten und umzusetzen. Das Haushaltsinstrument für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit, das derzeit in der Euro-Gruppe diskutiert wird, könnte weitere Reformanreize liefern; es fußt auf dem Kommissionsvorschlag für das neue Reformhilfeprogramm im mehrjährigen Finanzrahmen für den Zeitraum 2021-2027.

Letzten Endes sind die Mitgliedstaaten für die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen verantwortlich.



5.So geht es weiter

Die Kommission ersucht den Rat, den vorgeschlagenen Ansatz für die länderspezifischen Empfehlungen 2019-2020 und die zugehörigen Beschlüsse im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu billigen. 

Die Mitgliedstaaten fordert die Kommission auf, die Empfehlungen im Dialog mit den Sozialpartnern, zivilgesellschaftlichen Organisationen und anderen Interessenträgern auf sämtlichen Ebenen vollständig und rechtzeitig umzusetzen. Die Kommission wird den Dialog mit den Mitgliedstaaten und nationalen Interessenträgern während des Semesters fortsetzen, um ein umfassendes Engagement sowie wirksame Folge- und Umsetzungsmaßnahmen sicherzustellen. Auch ist die Kommission bereit, die Mitgliedstaaten auf Anfrage mithilfe des Dienstes zur Unterstützung von Strukturreformen bei ihren Reformen zu unterstützen und den Behörden zu helfen, EU-Fonds bestmöglich zu nutzen.

Die länderspezifischen Empfehlungen des Europäischen Semesters und die zugrunde liegende Analyse in den Länderberichten werden als analytische Grundlage für die Programmplanung der kohäsionspolitischen Fonds der EU für den Zeitraum 2021-2027 herangezogen. Die Beratungen zwischen der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten sollten für eine erfolgreiche Programmplanung der EU-Fonds entsprechend der Analyse und den Empfehlungen des Semesters fortgesetzt werden.

Tabelle  1 - Überblick über in den länderspezifischen Empfehlungen 2019 abgedeckte Themen



(1)   https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-5097-2019-INIT/de/pdf
(2)   https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/communication-eu-china-a-strategic-outlook.pdf
(3) Unter dem Begriff „kohäsionspolitische Fonds“ werden der Europäische Fonds für regionale Entwicklung, der Europäische Sozialfonds Plus und der Kohäsionsfonds zusammengefasst.
(4) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank und die Euro-Gruppe: Europäisches Semester 2019: Bewertung der Fortschritte bei den Strukturreformen, Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte und Ergebnisse der eingehenden Überprüfungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 (COM(2019) 150 final).
(5) Mitteilung der Kommission über einen modernen Haushalt für eine Union, die schützt, stärkt und verteidigt (COM(2018) 321 final).
(6) Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung, der Europäische Sozialfonds Plus und der Kohäsionsfonds.
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