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Document 52018DC0120

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK UND DIE EUROGRUPPE Europäisches Semester 2018: Bewertung der Fortschritte bei den Strukturreformen, Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte und Ergebnisse der eingehenden Überprüfungen gemäß Verordnung (EU) Nr. 1176/2011

COM/2018/0120 final

Brüssel, den7.3.2018

COM(2018) 120 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION

Europäisches Semester 2018: Bewertung der Fortschritte bei den Strukturreformen, Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte und Ergebnisse der eingehenden Überprüfungen gemäß Verordnung (EU) Nr. 1176/2011

{SWD(2018) 200-226}


1.    Einführung

Die europäische Wirtschaft verzeichnet das stärkste Wachstum seit einem Jahrzehnt. Das jährliche BIP-Wachstum erreichte im vergangenen Jahr einen Zehn-Jahres-Höchststand. Die Investitionen ziehen wieder an. Die positiven Wirtschaftsaussichten führten auch zu einer Verbesserung der Arbeitsmarktergebnisse und der sozialen Lage. Mit 236,3 Millionen Menschen in Arbeit befindet sich die Beschäftigung in der EU derzeit auf einem Rekordstand. Die Arbeitslosenquote ist fast wieder auf das Vorkrisenniveau gesunken. Die kontinuierliche Entspannung auf dem Arbeitsmarkt trägt zur Verbesserung der Einkommensaussichten bei. Die öffentlichen Finanzen erholen sich weiter. Und mit einem realen Wachstum von 2,4 % im Jahr 2017 übertreffen die EU-Wirtschaft und der Euro-Raum die bisherigen Erwartungen und tragen voll zum robusten weltweiten Wachstum bei.

Diese Dynamik dürfte vor dem Hintergrund positiver Nachrichten zur Einschätzung der Wirtschaftsaussichten und der Inlandsnachfrage anhalten 1 . Euro-Raum und EU werden 2018 voraussichtlich ein BIP-Wachstum von 2,3 % verzeichnen, das 2019 leicht auf 2,0 % zurückgehen dürfte. Gleichzeitig geht insbesondere von den Finanzmärkten infolge der möglicherweise gegenüber einer Verschlechterung der Finanzierungskonditionen anfälligen hohen Bewertung von Vermögenswerten weiterhin eine Reihe von Risiken aus. Auch die mit dem Ergebnis der Verhandlungen über den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs, geopolitischen Spannungen und der Gewichtsverschiebung hin zu einer stärker nach innen gerichteten Politik verbundenen Risiken bestehen fort.

Die günstigen Bedingungen haben eine Gelegenheit eröffnet, die Grundfesten der europäischen Volkswirtschaften weiter zu stärken. Gleichzeitig erinnern die verbleibenden Risiken daran, dass wir unsere Anstrengungen zur Überwindung der wesentlichen Spätfolgen der Krise fortsetzen müssen. In einigen Mitgliedstaaten ist der Schuldenstand der Unternehmen sowie der privaten und öffentlichen Haushalte weiterhin hoch. Darüber hinaus war das Wirtschaftswachstum in den einzelnen Mitgliedstaaten und auch innerhalb der Mitgliedstaaten uneinheitlich, und es wird Zeit brauchen, bis es in allen Teilen Europas gleichermaßen zu spüren ist. 18 Millionen Menschen suchen nach wie vor einen Arbeitsplatz, und die Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit ist in einigen Ländern noch immer sehr hoch. Das verfügbare Einkommen der Haushalte liegt noch nicht in allen Mitgliedstaaten über dem Vorkrisenniveau. Die Zahl der Menschen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, ist gerade wieder das Vorkrisenniveau zurückgegangen. Der Prozess der wirtschaftlichen und sozialen Konvergenz hat erneut begonnen, während strukturelle Schwächen das Wachstumspotenzial einiger Länder und ihre Fähigkeit, künftige Schocks zu bewältigen, beeinträchtigen. Gleichzeitig wird durch den technologischen Wandel die Innovationsbereitschaft der Wirtschaft gesteigert und dabei gewährleistet, dass Gesellschaften so integrativ bleiben wie zuvor. Es ist die richtige Zeit, die Reformen fortzusetzen, die notwendig sind, um Europas Volkswirtschaften krisenfester zu machen und mehr inklusives Wachstum zu schaffen.

Da der Schwerpunkt nach wie vor auf dem „magischen Dreieck“ von Investitionen, Strukturreformen und verantwortungsvoller Haushaltspolitik liegt, dient das Europäische Semester den Mitgliedstaaten weiterhin als Richtschnur bei der Durchführung der notwendigen Reformen. Der Jahreswachstumsbericht 2018 wird den Mitgliedstaaten diese wirtschaftspolitischen Leitlinien an die Hand geben, im Einklang mit der Rede von Präsident Juncker zur Lage der Union 2018. In der Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets für 2018 2 wird betont, dass Reformen notwendig sind, um die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze, soziale Gerechtigkeit, den Abbau von Ungleichgewichten und die Konvergenz, höhere Investitionen, die Qualität der öffentlichen Finanzen, die Vollendung der Banken- und Kapitalmarktunionen sowie die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion zu fördern. In der Empfehlung wird zudem die Bekämpfung einer aggressiven Steuerplanung gefordert. Alle Mitgliedstaaten sollten vorrangig Reformen verfolgen, die die Produktivität und das Wachstumspotenzial steigern, das institutionelle Umfeld und die Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern, Investitionsengpässe beseitigen und Innovation fördern, die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze unterstützen und Ungleichheit abbauen. Mitgliedstaaten mit Leistungsbilanzdefiziten oder hoher Auslandsverschuldung sollten außerdem den Anstieg der Lohnstückkosten bremsen und ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern, während Mitgliedstaaten mit hohen Leistungsbilanzüberschüssen – unter Wahrung der Rolle der Sozialpartner – auch Bedingungen für die Förderung des Lohnwachstums schaffen sowie Investitionen zur Unterstützung der Binnennachfrage und des Wachstumspotenzials fördern sollten.

Das Europäische Semester wurde in diesem Jahr durch die Einbeziehung der europäischen Säule sozialer Rechte ergänzt. Die europäische Säule sozialer Rechte wurde vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission im November 2017 auf dem Sozialgipfel für faire Arbeitsplätze und Wachstum in Göteborg proklamiert. Eine Kernbotschaft des Jahreswachstumsberichts 2018 ist die Notwendigkeit, die Säule umzusetzen, um eine erneuerte Konvergenz in Richtung besserer Arbeits- und Lebensbedingungen in der EU zu erreichen. Hierfür sind faire und gut funktionierende Arbeitsmärkte sowie moderne Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung erforderlich, die Menschen mit den Qualifikationen ausstatten, die dem Bedarf des Arbeitsmarktes entsprechen. Dies sollte durch nachhaltige und angemessene Sozialschutzsysteme unterstützt werden. In den heute veröffentlichten Länderberichten wird untersucht, wie die Mitgliedstaaten die drei Dimensionen der Säule umsetzen: Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang, faire Arbeitsbedingungen sowie Sozialschutz und soziale Inklusion. Die Vermittlung adäquater Fähigkeiten, das anhaltende geschlechtsspezifische Beschäftigungsgefälle, eine hohe Arbeitsmarktsegmentierung und das Risiko von Armut trotz Erwerbstätigkeit, die geringen Auswirkungen sozialer Transferleistungen auf die Armutsbekämpfung, das schleppende Lohnwachstum und ein ineffektiver sozialer Dialog sind Bereiche, die in einigen Mitgliedstaaten besonderen Anlass zu Besorgnis geben. Um die Leistungen der Mitgliedstaaten vergleichend analysieren zu können, stützen sich die Länderberichte auch auf die vergleichende Bewertung (Benchmarking) der Leistungen bei Arbeitslosigkeit, der aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und des Mindesteinkommens.

Die heute veröffentlichten Länderberichte werden den in diesem Frühjahr anstehenden länderspezifischen Empfehlungen der Kommission zugrunde liegen. In diesen 27 Länderberichten 3 werden die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen, Herausforderungen und Chancen für die Mitgliedstaaten dargestellt. Im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht wurden im Anschluss an den Warnmechanismus-Bericht 2018 mehrere eingehende Überprüfungen durchgeführt; ihre Schlussfolgerungen sind Bestandteil der Berichte für Bulgarien, Kroatien, Zypern, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, die Niederlande, Portugal, Slowenien, Spanien und Schweden. In den Länderberichten werden auch die Fortschritte der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen im Laufe der Jahre überprüft, und zwar in der inzwischen im Europäischen Semester üblichen Mehrjahresperspektive, um die Zeit zu berücksichtigen, die für die vollständige Umsetzung der entscheidenden Reformen benötigt wird. Schließlich werden in den Länderberichten die Fortschritte bei der Verwirklichung der Europa-2020-Ziele verfolgt.

2.    Fortschritte bei den länderspezifischen Empfehlungen

Die Mitgliedstaaten machen weiterhin Fortschritte bei der Umsetzung der vom Rat im Rahmen des Europäischen Semesters angenommenen länderspezifischen Empfehlungen. Die Umsetzung der Reformen ist im Vergleich zur Bestandsaufnahme vom Mai 2017 insgesamt leicht vorangekommen. 4 Dies ist ermutigend und spiegelt die Tatsache wider, dass wichtige Reformen durchgeführt wurden, deren Umsetzung aber manchmal länger dauert als erwartet. Seit Beginn des Europäischen Semesters im Jahr 2011 haben die Mitgliedstaaten in Bezug auf mehr als zwei Drittel der Empfehlungen zumindest „einige Fortschritte“ erzielt.

In einigen Schlüsselbereichen wurden die Reformen solide umgesetzt. Seit Beginn des Europäischen Semesters im Jahr 2011 haben die Mitgliedstaaten die größten Fortschritte bei den Finanzdienstleistungen sowie der Haushaltspolitik und der fiskalpolitischen Steuerung erzielt. Dies spiegelt die Priorität wider, die nach der Wirtschafts- und Finanzkrise der Stabilisierung der öffentlichen Haushalte und des Finanzsektors eingeräumt wurde. Bedeutende Fortschritte wurden auch bei der Verbesserung des Zugangs zu Finanzmitteln, bei den Arbeitsschutzvorschriften und den rechtlichen Rahmenbedingungen für Arbeitsverträge erzielt. In Bereichen wie der Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlagen oder dem Verkehr fielen die Fortschritte jedoch bescheidener aus. In vielen Mitgliedstaaten sind bei der Bewältigung der großen Herausforderungen im Zusammenhang mit der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, einschließlich der Renten, nur langsame Fortschritte zu verzeichnen. Durch Reformen im Regulierungsbereich wurden die Rahmenbedingungen für Unternehmen vor allem in den Mitgliedstaaten verbessert, in denen dies am dringendsten erforderlich war. Durch diese Reformen wurden die administrativen Hindernisse für die Gründung neuer Unternehmen abgebaut. In vielen Mitgliedstaaten ist das Unternehmertum jedoch nach wie vor schwach ausgeprägt. Der Zugang zu Bankkrediten und -darlehen hat sich für KMU verbessert, doch ist in vielen Teilen der Union noch immer nicht ausreichend Risikokapital verfügbar. Erhebliche Fortschritte sind auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu verzeichnen. Leider vollzieht sich die Reform auf den Dienstleistungsmärkten nur langsam, vor allem in den Bereichen Unternehmensdienstleistungen, Baugewerbe und Immobilien.

Die Mitgliedstaaten machen Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele, die sie vor acht Jahren in der Strategie Europa 2020 5 gesetzt haben. Insgesamt nähert sich die EU ihren Zielvorgaben in den Bereichen Bildung, Energie, Klima und Beschäftigung an. 14 Mitgliedstaaten haben ihre nationalen Ziele zur Verringerung der Zahl der frühen Schulabgänger und zur Erhöhung des Anteils der Hochschulabsolventen bereits erreicht. 11 Mitgliedstaaten haben ihre Ziele im Bereich der erneuerbaren Energien erreicht. Das EU-Ziel einer Beschäftigungsquote von 75 % im Jahr 2020 liegt in Reichweite, vorausgesetzt, dass der derzeitige Trend anhält. Sieben Mitgliedstaaten haben ihre nationalen Ziele bereits erreicht. Angesichts der schweren Auswirkungen der Krise auf die Beschäftigung ist das bemerkenswert. Allerdings erreichte die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen ihren Höchststand im Jahr 2012 und ist mittlerweile ungefähr auf das Vorkrisenniveau zurückgegangen. Daher kann das Ziel, 20 Millionen Menschen aus der Armut herauszuführen, bis 2020 wahrscheinlich nicht erreicht werden. Auch vom Ziel, 3 % des BIP in FuE zu investieren, ist man noch weit entfernt, und es sollten keine Anstrengungen gescheut werden, um es bald zu erreichen 6 . Anhang 2 enthält einen Überblick über die Fortschritte im Hinblick auf die Europa-2020-Ziele.

Die EU verfügt über eine Reihe von Instrumenten zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung ihrer Reformen. Das Programm zur Unterstützung von Strukturreformen (SRSP) bietet allen EU-Mitgliedstaaten auf deren Ersuchen praktische Hilfestellung bei der Gestaltung und Umsetzung von Reformen, insbesondere hinsichtlich der Folgemaßnahmen zu den Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters 7 . Der EU-Haushalt erweist sich auch durch die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds als wirksames Instrument zur Förderung von Investitionen in den Bereichen Kohäsion, allgemeine und berufliche Bildung, Konnektivität (Verkehr, Energie und digitale Infrastruktur – auch im Rahmen der Fazilität „Connecting Europe“), Innovation, Umwelt und Unterstützung für KMU. Diese Mittel haben auch entscheidend zur Verbesserung des Investitionsumfelds durch Ex-ante-Konditionalitäten beigetragen. Im Jahr 2017 hat die Kommission die einschlägige Bewertung abgeschlossen. Einige wenige Fälle, in denen sie nicht erfüllt wurden, werden weiterverfolgt. Der Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) spielt eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung privater Investitionen und zeigt damit, wie der EU-Haushalt rasch auf Herausforderungen reagieren und erhebliche Hebelwirkung erzielen kann 8 . 

Als Teil des am 6. Dezember 2017 vorgelegten Pakets zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion hat die Europäische Kommission ein Reforminstrument vorgeschlagen, durch das die nationalen Reformen nach 2020 noch intensiver unterstützt werden sollen.  9 Außerdem schlug sie eine Pilotphase bis 2020 vor. Die Kommission beabsichtigt, im Rahmen ihrer Vorschläge für den mehrjährigen Finanzrahmen für die Zeit nach 2020 ihre Überlegungen zum neuen Reforminstrument ausführlicher dazulegen.

3.    Behebung makroökonomischer Ungleichgewichte

Durch das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht soll verhindert werden, dass potenziell schädliche makroökonomische Ungleichgewichte entstehen, und, wo solche Ungleichgewichte festgestellt worden sind, dafür gesorgt werden, dass die betreffenden Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen treffen, um sie zu korrigieren. Schädliche makroökonomische Ungleichgewichte können die wirtschaftliche Stabilität in einem bestimmten Mitgliedstaat, im Euro-Währungsgebiet oder in der EU insgesamt beeinträchtigen. Deshalb ist ihre rechtzeitige und wirksame Korrektur so wichtig. Die eingehenden Überprüfungen beinhalten eine umfassende Analyse der in den Mitgliedstaaten auftretenden Ungleichgewichte, die es ermöglicht, verbleibende Schwachstellen und, im umfassenderen Kontext des Europäischen Semesters, die Bereiche zu ermitteln, in denen noch Handlungsbedarf besteht.

Im Warnmechanismus-Bericht 2018 wurde festgestellt, dass die makroökonomischen Ungleichgewichte von 12 Mitgliedstaaten einer eingehenden Überprüfung unterzogen werden sollten. Im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht wurde festgestellt, dass alle diese Länder 2017 ein Ungleichgewicht oder ein übermäßiges Ungleichgewicht aufwiesen. Der Rat hat diese Einstufung in seinen Schlussfolgerungen zum Warnmechanismus-Bericht bestätigt 10 . Wie jedes Jahr werden in den Länderberichten die makroökonomischen Entwicklungen, die Korrektur von Ungleichgewichten und die Fortschritte bei der Reaktion auf einschlägige politische Empfehlungen analysiert 11 ‚ wobei auch den grenzüberschreitenden Auswirkungen Rechnung getragen wird. 

Die im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht durchgeführten Strukturreformen haben den Weg für die Wiederherstellung des Gleichgewichts geebnet. Die derzeitige günstige wirtschaftliche Dynamik sollte dazu genutzt werden, sie energisch weiterzuverfolgen. Die wirtschaftliche Erholung kann nur zum nachhaltigen Abbau der Ungleichgewichte beitragen, wenn die Reformen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, der Widerstandsfähigkeit und des Wachstumspotenzials fortgesetzt werden. In Anbetracht der positiven Konjunktur sollten alle Mitgliedstaaten vorrangig Reformen verfolgen, die ihr Wachstumspotenzial steigern, das institutionelle Umfeld und die Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern, Investitionsengpässe beseitigen, die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze unterstützen und Ungleichheiten abbauen.

3.1.    Abbau von Ungleichgewichten in der EU und im Euro-Währungsgebiet

Die Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte wird fortgeführt und durch Reformen und die gute Konjunktur unterstützt. Dennoch gibt es nach wie vor einige Schwachstellen und es entstehen neue Risiken. Die Fortschritte beim Abbau der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte waren uneinheitlich: die hohen Leistungsbilanzdefizite wurden korrigiert, hohe Leistungsbilanzüberschüsse blieben jedoch bestehen. Ungleichgewichte in Bestandsgrößen – insbesondere die private und öffentliche Verschuldung – werden dank des nominalen Wachstums angepasst, aber die Fortschritte sind uneinheitlich. In einer Reihe von Ländern sind die Nettoauslandsverbindlichkeiten nach wie vor hoch. Da die internen und externen Ungleichgewichte bei den Bestandsgrößen trotz Verbesserungen der Finanzströme in jüngster Zeit nur eine langsame Anpassung erfahren, sind sie in vielen Mitgliedstaaten nach wie vor eine Quelle für Risiken. Vor allem in Ländern, in denen derzeit keine Ungleichgewichte bestehen, gibt es Anzeichen für eine mögliche Überhitzung der Wohnimmobilienpreise.

Der Leistungsbilanzüberschuss für das Euro-Währungsgebiet als Ganzes ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Die Leistungsbilanz des Euro-Währungsgebiets hat sich stabilisiert und wird voraussichtlich bis 2019 bei rund 3 % des BIP liegen. Dieser hohe Überschuss spiegelt die schwächelnde Gesamtnachfrage und das schleppende Lohnwachstum wider, was auch damit zusammenhängt, dass seit 2009 das wirtschaftliche Potenzial nicht vollständig ausgeschöpft wird. Für 2018 wird zwar die Schließung der Produktionslücke im Euro-Währungsgebiet prognostiziert, die wirtschaftliche Unterauslastung des gesamten Euro-Währungsgebiets hat jedoch die Inflation verstetigt, die unterhalb des Zielwerts der Währungsbehörden bleibt, was sich auch im verhaltenen Lohnwachstum trotz angespannter Arbeitsmärkte widerspiegelt. Die Evolution des Leistungsbilanzüberschusses im Euro-Währungsgebiet hängt auch mit der Exportdynamik im Euro-Währungsgebiet zusammen, der die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hersteller und die weltweite Nachfrage nach europäischen Waren und Dienstleistungen zuträglich sind.

Der Abbau der Verschuldung des privaten Sektors schreitet in unterschiedlichem Tempo voran. Die anhaltend hohe private Verschuldung in einer Reihe von Ländern, zu der oftmals noch eine erhebliche Staatsverschuldung hinzukommt, schränkt Investitionen ein und verringert den Spielraum für die Bewältigung möglicher künftiger Schocks. Dem Rückgang der Schuldenquoten einschließlich der staatlichen Schuldenquoten kommt in zunehmendem Maße das höhere nominale Wachstum zugute, während private Haushalte und nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften verstärkt Kredite aufnehmen. In den meisten Mitgliedstaaten kommt der Schuldenabbau im Unternehmenssektor rascher voran als bei den Privathaushalten. Einige hoch verschuldete Länder bauen ihre Verbindlichkeiten langsamer ab als Länder mit niedriger Verschuldung. Darüber hinaus ist der gesamtstaatliche Schuldenstand in den meisten hoch verschuldeten Ländern erst seit Kurzem rückläufig.

Die Lage bei den Banken hat sich erheblich verbessert, der Sektor steht jedoch weiterhin vor Herausforderungen. Die meisten Mitgliedstaaten verzeichneten in letzter Zeit deutliche Verbesserungen bei den Eigenkapitalquoten und den Beständen an notleidenden Krediten 12 . Auch die Rentabilität und die Marktbewertung der Banken haben sich in den meisten Mitgliedstaaten erholt, ebenso die Kreditflüsse. In einigen wenigen Ländern sind jedoch die Bestände an notleidenden Krediten weiterhin hoch, wodurch der Spielraum der Banken bei der Darlehensvergabe eingeengt wird, und die niedrige Rentabilität behindert die Bildung von Rücklagen sowie die interne Kapitalbildung und erschwert die Kapitalaufnahme am Markt.

Das Wachstum der Wohnimmobilienpreise beschleunigt sich in den meisten Mitgliedstaaten. Die Risiken einer möglichen Überhitzung müssen im Auge behalten werden. Nach der Abwärtskorrektur nach der Krise liegen die Bewertungen unter den früheren Spitzenwerten, in einigen Fällen deuten die Indikatoren jedoch auf eine Überbewertung hin. Es gibt Anzeichen für eine mögliche Überhitzung, und die Preisdynamik beschleunigt sich in einer wachsenden Zahl von Ländern, darunter auch Länder, in denen keine Ungleichgewichte festgestellt wurden und in denen diese Risiken nicht unmittelbar Anlass zur Besorgnis geben. Zudem geben die sozialen Auswirkungen der steigenden Wohnimmobilienpreise in einigen Ländern Anlass zur Sorge, was die Notwendigkeit von Investitionen in eine angemessene Versorgung mit sozialem Wohnraum und andere Wohnbeihilfen unterstreicht.

Die Beschäftigung nimmt in Europa stetig zu, wenngleich in einigen Mitgliedstaaten noch immer Schwächen zu verzeichnen sind. Die Lage an den Arbeitsmärkten hat sich weiter verbessert. Obwohl die Arbeitslosigkeit allenthalben rückläufig ist, ist die Arbeitslosigkeit in einigen Ländern nach wie vor hoch, insbesondere unter jungen Menschen und Langzeitarbeitslosen. Das Arbeitskräftepotenzial wird zunehmend besser ausgeschöpft, jedoch selbst in Ländern mit niedriger Arbeitslosigkeit besteht weiterhin beträchtlicher Handlungsbedarf. In den meisten Ländern und Sektoren setzt sich die moderate Lohnentwicklung fort. Das generell rückläufige Armutsrisiko bleibt in einigen Ländern weiterhin hoch.

3.2.    Durchführung des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht

Die Kommission hat die wirtschaftliche Entwicklung und die getroffenen Maßnahmen aller Länder, die ein Ungleichgewicht oder ein übermäßiges Ungleichgewicht aufweisen, im Rahmen eines spezifischen Monitoring überprüft. Der Rat hat die in den Berichten über das spezifische Monitoring gezogenen Schlussfolgerungen bestätigt. Umfang und Format der eingehenden Überprüfungen und die Kategorisierung der Ungleichgewichte im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht sind gleich geblieben.

Die Zahl der Mitgliedstaaten, die ein Ungleichgewicht oder ein übermäßiges Ungleichgewicht aufweisen, ist rückläufig. 2017 wiesen sechs Mitgliedstaaten ein Ungleichgewicht und sechs weitere ein übermäßiges Ungleichgewicht auf. Diese zwölf Mitgliedstaaten wurden auch im Jahr 2018 einer weiteren Analyse unterzogen. Wie die eingehende Überprüfung ergab, weist ein Mitgliedstaat kein Ungleichgewicht auf, acht Mitgliedstaaten weisen ein Ungleichgewicht und drei ein übermäßiges Ungleichgewicht auf. Die Ergebnisse der eingehenden Überprüfungen nach Mitgliedstaaten sind Anhang 3 zu entnehmen. 13  

Tabelle 1: Ergebnisse der eingehenden Überprüfungen 2017-2018

Ergebnisse der eingehenden Überprüfungen 2017

Ergebnisse der eingehenden Überprüfungen 2018

Kein Ungleichgewicht

FI

SI

Ungleichgewicht

DE, IE, ES, NL, SI, SE

BG, DE, IE, ES, FR, NL, PT, SE

Übermäßiges Ungleichgewicht

BG, FR, HR, IT, PT, CY

CY, HR, IT

Die eingehenden Überprüfungen deuten darauf hin, dass die Risiken in einer Reihe von Ländern zurückgehen, weshalb ihre Kategorisierung im Rahmen des Verfahrens bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht geändert werden muss.

·Slowenien, für das 2017 ein Ungleichgewicht festgestellt wurde, weist kein Ungleichgewicht auf. Die Stabilitätsrisiken sind gesunken und bei der noch laufenden Umsetzung der politischen Empfehlungen wurden in den vergangenen Jahren zufriedenstellende Fortschritte erzielt.

·Frankreich, für das 2017 ein übermäßiges Ungleichgewicht festgestellt wurde, weist ein Ungleichgewicht auf. Die wirtschaftliche Entwicklung und verstärktes politisches Handeln haben zu einer allmählichen Korrektur in bestehenden Problembereichen beigetragen, sodass das Land auf ein „verringertes Risiko“ herabgestuft werden konnte.

·Bulgarien, für das 2017 ein übermäßiges Ungleichgewicht festgestellt wurde, weist ein Ungleichgewicht auf, da politische Maßnahmen und ein günstiges makroökonomisches Umfeld zur Verringerung (vor allem) des außenwirtschaftlichen Ungleichgewichts beitragen. Allerdings sind weitere Anstrengungen erforderlich, um eine nachhaltige Korrektur dieser Ungleichgewichte zu erzielen. Die Kommission wird die Selbstverpflichtungen, insbesondere das nächste nationale Reformprogramm, und die Entwicklung des Ungleichgewichts im Rahmen des spezifischen Monitoring aufmerksam beobachten.

·Portugal, für das 2017 ein übermäßiges Ungleichgewicht festgestellt wurde, weist ein Ungleichgewicht auf, da sich dank politischer Maßnahmen sowie günstiger makroökonomischer und finanzieller Bedingungen die Risikenbilanz in Bezug auf die Verschuldung des öffentlichen und des privaten Sektors sowie die Auslandsverschuldung verbessert. Vor allem die Arbeitslosenquote ist erheblich gesunken und liegt nun auf Vorkrisenniveau. Allerdings sind weitere Anstrengungen erforderlich, um eine nachhaltige Korrektur dieser Ungleichgewichte zu erzielen. Die Kommission wird die Selbstverpflichtungen, insbesondere das nächste nationale Reformprogramm, und die Entwicklung des Ungleichgewichts im Rahmen des spezifischen Monitoring aufmerksam beobachten.

In den übrigen Ländern, die im Rahmen der eingehenden Überprüfung analysiert wurden, ist die Entwicklung allgemein günstig.

·Deutschland, Irland, Spanien, die Niederlande und Schweden wiesen 2017 ein Ungleichgewicht auf. Dabei trägt in Irland und Spanien ein günstiges makroökonomisches Umfeld zu einer Verringerung der Ungleichgewichte in Bestandsgrößen bei, wenngleich die Weiterentwicklung der Maßnahmen in Spanien in jüngster Zeit moderat und uneinheitlich verlief. In den Niederlanden hat sich die Regierung zur energischen Bekämpfung des Ungleichgewichts verpflichtet, diese Verpflichtungen müssen aber noch umgesetzt werden. Deutschland macht bei der Korrektur des Ungleichgewichts nur begrenzte Fortschritte. Die privaten und öffentlichen Investitionen nehmen zwar zu, doch besteht noch Spielraum für eine weitere Erhöhung. Auch in Schweden sind die Fortschritte begrenzt, obgleich es erste Anzeichen für ein nur noch gedämpftes Wachstum der Wohnimmobilienpreise gibt.

·Zypern, Kroatien und Italien wiesen 2017 ein übermäßiges Ungleichgewicht auf. Das Ungleichgewicht geht in Kroatien und Italien dank einer Kombination aus Reformen, günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und einer Verringerung der Risiken im Bankensektor zurück. Es besteht jedoch Bedarf an einer entschlosseneren Umsetzung der Maßnahmen, vor allem in Kroatien. Keine greifbaren Verbesserungen sind in Zypern zu verzeichnen, wo die Maßnahmen nur in recht begrenztem Umfang umgesetzt wurden.

4.    Die politischen Strategien der Mitgliedstaaten

Die aktuelle Wirtschaftslage spiegelt die positiven Ergebnisse der in jüngster Zeit unternommenen Reformen wider und bietet die Möglichkeit, die noch erforderlichen Reformen in Angriff zu nehmen. Die positive Wirkung der Strukturreformen, die die Mitgliedstaaten in den letzten Jahren unternommen haben, ist in ganz Europa zu beobachten. Wie stark sich dies – in Form rückläufiger Arbeitslosenzahlen, höherer Einkommen und erneuter Konvergenz – bemerkbar macht, wird durch die Unterschiede bei der jüngsten Reformtätigkeit bestimmt. Weitere Impulse für Reformen von Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung und Wohlfahrtssystemen würden dazu beitragen, die Volkswirtschaften und Gesellschaften in Europa stabiler zu machen, sodass sie künftige makroökonomische Schocks besser bewältigen können. Durch die Anpassung an den laufenden Strukturwandel könnten Produktivitätsunterschiede abgebaut und die sozialen Ergebnisse verbessert werden. Außerdem helfen Reformen unseren Wirtschaften, die derzeitige Expansion weiter voranzutreiben, indem sie angebotsseitige Hemmnisse beseitigen. Die derzeit günstigen Wirtschaftsaussichten dürfen nicht zur Selbstzufriedenheit verführen.

Es kann einige Zeit dauern, bis Reformen ihre positive Wirkung voll entfalten, die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass Reformen wirksam sind und dass die derzeit günstigen Bedingungen den richtigen Rahmen dafür bieten. Für viele Reformen fallen keine wesentlichen Kosten an. Durch das Niedrighalten der kurzfristigen wirtschaftlichen Kosten und deren gerechte Verteilung können Reformen mehr Effizienz entfalten und Rückhalt bei der Bevölkerung finden. Dies setzt auch voraus, dass die Abfolge von Maßnahmen sorgfältig geplant und diese gebündelt werden. Arbeits- und Produktmarktreformen können beispielsweise mit kurzfristigen Kosten gemessen an den langfristigen Vorteilen einhergehen, und sie verstärken in der Regel gegenseitig ihre Wirkung. Unterstützt werden können sie darüber hinaus durch Reformen, die die Qualität und Zusammensetzung der öffentlichen Finanzen verbessern, sowie – in einigen Ländern – durch die Ausschöpfung des fiskalpolitischen Spielraums. In der Regel sind die politischen Kosten von Reformen in Zeiten guter Konjunktur eher gering. Auch dies spricht dafür, die Chance, die die derzeitige Wirtschaftslage bietet, nicht ungenutzt zu lassen.

Reformen bedürfen einer soliden Vorbereitung und adäquater administrativer und technischer Kapazitäten. Reformen zur Steigerung der Kapazität, Effizienz und Qualität der Verwaltung schaffen die Grundlage für weitere Reformen. Verwaltungsreformen haben begrenzte kurzfristige Kosten und können an jedem Punkt des Zyklus wirksam sein. Sie können durch ihre Wechselwirkung andere durchdachte Reformen flankieren, die eine wichtige positive Wirkung erzielen, indem sie – auch auf kurze Sicht – Vertrauen schaffen. Durch solide Vorbereitungsarbeiten seitens einer adäquaten Verwaltung wird es einfacher, das Bewusstsein für den Sinn von Reformen zu wecken, bei divergierenden Interessen der Beteiligten eine gemeinsame Grundlage zu schaffen und das Gemeinwohl in den Mittelpunkt zu stellen. Die rechtzeitige Durchführung einiger Reformen kann davon abhängen, dass die geeigneten rechtlichen und technischen (z. B. IT-Ausstattung) Bedingungen vorliegen. Es müssen erreichbare und messbare Reformergebnisse festgelegt, kontrolliert und kommuniziert werden. Das Programm der Kommission zur Unterstützung von Strukturreformen bietet den Mitgliedstaaten umfangreiche technische Unterstützung, um die geeignete Grundlage für erfolgreiche Reformen zu schaffen (siehe Abschnitt 2).

Die Mitwirkung nationaler Interessenträger, auch der Sozialpartner, ist für erfolgreiche, tragfähige Reformen unverzichtbar. Die Mitverantwortung der Interessenträger für Reformen verbessert die Aussicht auf deren Durchführung und trägt dazu bei, angemessene Ergebnisse auch unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu erzielen. Auch wenn diesbezüglich noch Spielraum besteht, haben Mitgliedstaaten Schritte unternommen, um die Sozialpartner enger in die Planung und Durchführung von Reformen einzubeziehen. Estland, Lettland, Litauen und die Slowakei haben die Finanzmittel aus dem Europäischen Sozialfonds dafür verwendet, die Fähigkeit der Sozialpartner, an der Gestaltung wichtiger Reformen mitzuwirken, zu verbessern. Die französische Regierung hat die Sozialpartner zu Verhandlungen über eine Reform der Arbeitslosenversicherung eingeladen. Die italienischen Sozialpartner haben eine neue Übereinkunft betreffend die Repräsentativität von Gewerkschaften unterzeichnet. In Dänemark soll eine Drei-Parteien-Übereinkunft über Erwachsenenbildung und -berufsbildung das Qualifikationsniveau verbessern. Nach Veröffentlichung eines Grünbuchs über Arbeitsbeziehungen nahm die Regierung Portugals mit den Sozialpartnern Gespräche über Maßnahmen zur Desegmentierung des Arbeitsmarktes auf. In den Niederlanden sind die Sozialpartner eng in die Reform des Rentensystems eingebunden. Einige Mitgliedstaaten beziehen auch Organisationen der Zivilgesellschaft in die Konzeption von Reformen ein.

4.1    Verantwortungsvolle Haushaltspolitik, wirksame und gerechte Besteuerung, Finanzstabilität

EU-weit sind die Haushaltsdefizite rückläufig und Schulden werden abgebaut, was vor allem auf ein beschleunigtes Wachstum und niedrige Zinsraten zurückzuführen ist. Vor dem Hintergrund weiter gefestigter wirtschaftlicher Aussichten erwartet die Kommission, dass sich der gesamtstaatliche Haushaltssaldo in der EU weiter verbessert und in den kommenden Jahren mit einer entsprechenden Verringerung der Schuldenquote praktisch aller Mitgliedstaaten einhergeht. Das derzeit günstige wirtschaftliche Umfeld bietet die Chance, die Haushaltspolster aufzubauen, die für eine größere Widerstandskraft gegenüber Schocks nötig sind.

Eine Reihe von Mitgliedstaaten hat ihre Haushaltssteuerung verbessert; weitere Verbesserungen würden dazu beitragen, die öffentlichen Finanzen tragfähiger und berechenbarer zu machen. Das bulgarische Haushaltsgesetz wurde vor Kurzem geändert, damit es vollständig den Anforderungen der EU genügt. In der Tschechischen Republik hat ein neues Gesetz über eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik das Haushaltsgebaren erheblich verbessert. Litauen hat die Anwendung seiner nationalen Ausgabenregeln und die Rechenschaftspflicht für die Verwirklichung haushaltspolitischer Ziele verfeinert. Malta führt die Periodenrechnung in allen staatlichen Behörden ein. Unabhängige Finanzräte wurden in allen Mitgliedstaaten außer Polen und der Tschechischen Republik eingesetzt, und in letzterer muss lediglich das Parlament noch dessen Mitglieder billigen. Einige Herausforderungen für die nationale Haushaltssteuerung bestehen jedoch nach wie vor. In einigen Mitgliedstaaten könnte die Finanzautonomie unabhängiger haushaltspolitischer Instanzen gestärkt werden. In Mitgliedstaaten mit föderaler Verfassung muss die Haushaltsplanung über die verschiedenen Regierungsebenen hinweg besser koordiniert werden.

Rigorose Ausgabenüberprüfungen sind einer effizienten Verwendung von Steuergeldern zuträglich. Sie haben das Potenzial, die Ergebnisse staatlicher Politik und die Zuweisung öffentlicher Mittel für politische Prioritäten zu verbessern und gleichzeitig die haushaltspolitische Verantwortung zu wahren. Ausgabenüberprüfungen werden derzeit in vielen Mitgliedstaaten durchgeführt. 14 So hat Spanien seine unabhängige haushaltspolitische Instanz (AIReF) damit beauftragt, eine Überprüfung über die verschiedenen Regierungsebenen hinweg vorzunehmen. Auch außerhalb des Euro-Währungsgebiets laufen einige Initiativen, beispielsweise in Bulgarien, wo in mehreren Ministerien und Gemeindeverwaltungen Ausgabenüberprüfungen durchgeführt werden, deren Schwerpunkt auf den Ausgaben für Instandhaltung und Personal liegt.

Sowohl öffentliche als auch private Investitionen müssen abgesichert werden, um das Wachstumspotenzial im Euro-Währungsgebiet zu stärken. Bei öffentlichen Ausgaben lässt sich dies durch die richtige Zusammensetzung von Einnahmen und Ausgaben und durch die Verbesserung der Qualität der öffentlichen Finanzen erreichen. Einige Mitgliedstaaten haben Mehrjahrespläne verabschiedet, um die Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand zu steigern. Frankreich hat für den Zeitraum 2018-2022 ein Investitionsprogramm verabschiedet, das die Wirtschaft auf künftige Herausforderungen vorbereiten soll. Irland hat einen Kapitalinvestitionsplan für den Zeitraum 2018-2021 erarbeitet, um Infrastrukturengpässe zu beseitigen, die durch krisenbedingte Kürzungen der öffentlichen Investitionen in Bereichen wie Wohnungsbau, Verkehr und Wasserinfrastruktur entstanden sind. Deutschland machte Fortschritte bei der Beseitigung von Kapazitäts- und Planungsengpässen bei Infrastrukturinvestitionen in bestimmten Sektoren wie beispielsweise Verkehr. Weitere Anstrengungen sollten unternommen werden, um unter anderem durch öffentlich-privater Partnerschaften private Investitionen zu mobilisieren.

Reformen des Gesundheitswesens und des Rentensystems sind erforderlich, um ihre Tragfähigkeit, Zugänglichkeit und Qualität zu erhalten und ihre angemessene Ausstattung zu gewährleisten. Durch das überproportionale Wachstum der Bevölkerungsgruppen der über Sechzigjährigen und durch die technischen Fortschritte in der Medizin gehören das Gesundheits- und das Rentensystem zu den Bereichen mit den höchsten und am schnellsten steigenden öffentlichen Ausgaben. Ein Problem stellen in vielen Mitgliedstaaten nach wie vor informelle Zahlungen zum Erlangen einer differenzierten Behandlung und eines differenzierten Zugangs zu medizinischer Versorgung dar, die sich äußerst negativ auf den allgemeinen Zugang zur Gesundheitsfürsorge und die Tragfähigkeit des Gesundheitswesens auswirken. Die meisten Mitgliedstaaten haben in den letzten Jahren Maßnahmen in Bezug auf das Renten- und das Gesundheitssystem getroffen, doch sind die Fortschritte von einem Jahr zum nächsten eher bescheiden. Die Slowakei hat in jüngster Zeit die Kostenwirksamkeit des Gesundheitssystems unter anderem durch die Anwendung des Preis-Leistungs-Prinzips verbessert, das einige positive, greifbare Veränderungen bewirkte, die zu Einsparungen führten. Dänemark hat neue Anreize dafür geschaffen, auf eine Frühverrentung zu verzichten, um das Renteneintrittsalter anzuheben, und auch Litauen und Portugal haben Reformen durchgeführt, um die negativen Auswirkungen einiger Aspekte ihrer Rentensysteme auf die langfristige finanzielle Tragbarkeit zu begrenzen. Diese vorbildlichen Verfahren müssen mehr Nachahmer finden, damit– auch im Interesse der Generationengerechtigkeit – die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen erhalten bleibt und dadurch die Gesundheits- und Rentenversorgung der Bürgerinnen und Bürger gewährleistet ist.

Gerechte, wachstumsfreundliche Steuersysteme können dazu beitragen, die private Investitionstätigkeit zu unterstützen und die Rahmenbedingungen für Unternehmen zu verbessern, die Beschäftigung zu begünstigen, Ungleichheiten abzubauen und eine ökologisch widerstandsfähige Wirtschaft zu fördern. Belgien vermindert schrittweise die Besteuerung von Arbeit. In Frankreich sollen die Steuergutschriften für Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit in dauerhafte Senkungen der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber umgewandelt werden, während gleichzeitig Niedriglöhne weniger besteuert werden. Lettland und Ungarn haben ihre relativ hohe Steuerbelastung für Arbeitnehmer mit geringem Einkommen leicht verringert. Schweden fördert durch steuerliche Maßnahmen eine ökologischere, nachhaltigere Wirtschaft.

Eine aggressive Steuerplanung zieht für die europäischen Steuerzahler erhebliche Einbußen nach sich; die Umsetzung von EU-Recht in innerstaatliches Recht trägt dazu bei, solche Praktiken zu unterbinden. Allein die durch Gewinnverlagerung innerhalb der EU verursachten Einnahmenverluste werden mit 50-70 Mrd. EUR veranschlagt. Eine aggressive Steuerplanung führt zu ungleichen Ausgangsbedingungen für Unternehmen und zieht auf unfaire Weise Mittel von staatlichen Ausgabenzielen ab. Steuermissbrauch kann durch eine Verschärfung des nationalen Steuerrechts, durch mehr Transparenz und durch die Zusammenarbeit zwischen Regierungen eingedämmt werden. Belgien, Zypern, Malta und die Niederlande ändern diejenigen Bestimmungen ihres Steuerrechts, die einer aggressiven Steuerplanung Vorschub geleistet haben. In Irland wurde die Öffentlichkeit zu den Empfehlungen konsultiert, die im Rahmen einer unabhängigen Überprüfung des Gesellschaftssteuerrechts abgegeben wurden. Die Mitgliedstaaten müssen die Bestimmungen der Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidung (Anti-Tax Avoidance Directive – ATAD) bis Ende 2018 in ihr Recht umsetzen.

Die Maßnahmen, die zur Konsolidierung des Bankensektors und zur Verringerung der hohen Zahl notleidender Kredite getroffen wurden, zeigen Erfolge und müssen weiter verstärkt werden. Im Juli 2017 einigte sich der Rat auf einen Aktionsplan der EU für den Abbau der Bestände notleidender Kredite im Bankensektor und die Vermeidung ihres weiteren Aufkommens 15 . Die Maßnahmen zur Bankenaufsicht, die Reformierung des Rahmens für Insolvenzen, die Entwicklung von Sekundärmärkten für notleidende Vermögenswerte und die Umstrukturierung des Bankensystems müssen mit Nachdruck vorangetrieben werden, um die Rentabilität der Banken, die Transmission der Geldpolitik und die Finanzierung der Wirtschaftstätigkeit zu verbessern. Die Maßnahmen Italiens, darunter die Einführung einer Verbriefungsregelung für notleidende Kredite, zeigen Wirkung. Die slowenische Zentralbank stellte Hilfsmittel für die Verhinderung, Erkennung und Bewältigung von notleidenden Krediten bereit. Auch Irland und Kroatien unterstützten den Abbau notleidender Kredite, beispielsweise durch Änderungen im Steuerrecht. In einigen Mitgliedstaaten ist der Bestand an notleidenden Krediten nach wie vor hoch und belastet die Rentabilität vor allem kleiner Banken.

4.2    Widerstandsfähige, inklusive Arbeitsmärkte, Bildungssysteme und Sozialpolitiken

Auch wenn die Beschäftigungsquote in Europa ihren bislang höchsten Stand erreicht hat und Armut und soziale Ausgrenzung rückläufig sind, müssen nach wie vor wichtige Herausforderungen bewältigt werden. Noch immer gibt es zu viele Arbeitslose und armutsgefährdete Menschen, was deutlich macht, dass der Aufschwung noch nicht in allen Teilen der Gesellschaft und der Wirtschaft angekommen ist. Die Arbeitsmärkte und die Sozial- und Bildungssysteme müssen sich nicht nur von ihren Altlasten befreien, sie müssen sich auch anpassen, um sich den Herausforderungen der Globalisierung und des technologischen Fortschritts stellen zu können.

Tragfähige, inklusive Systeme der sozialen Sicherung tragen entscheidend dazu bei, die Auswirkungen von Wirtschaftsschocks abzufedern. Im Einklang mit den Grundsätzen der europäischen Säule sozialer Rechte sollten alle Arbeitnehmer Zugang zu Sozialschutz haben, unabhängig von der Art und Dauer ihres Arbeitsverhältnisses. Die wachsende Mobilität von Arbeitskräften und neue Beschäftigungsmodelle sind Entwicklungen, auf die sich die Systeme der sozialen Sicherung nicht einfach einstellen können. Dänemark, Frankreich, Italien, Polen und Portugal haben auf diesem Gebiet Reformen eingeleitet, wie eine Ausdehnung von sozialen Rechten und Arbeitslosenleistungen auf Menschen, die sich in einem untypischen Arbeitsverhältnis befinden oder selbstständig sind. In Portugal umfasst dies Pläne für die stärkere Aktivierung der Fähigkeiten der Leistungsempfänger, beispielsweise durch eine bessere Zusammenarbeit zwischen Arbeitsvermittlungs- und Sozialdiensten. Belgien leistet zusätzliche Unterstützung für den Erwerb von Rentenansprüchen durch Selbstständige und senkt den Sozialversicherungsbeitrag für selbstständige Berufseinsteiger. In Schweden können sich Selbstständige zusätzlich zur obligatorischen Arbeitslosenversicherung für eine staatlich geförderte Zusatzzahlung entscheiden. Frankreich kündigte eine Reform des Systems der Arbeitslosenunterstützung an, die Unternehmen Anreize dafür gibt, länger laufende Arbeitsverträge zu schließen.

Kasten 1: Tragfähige, angemessene und wirksame soziale Sicherungsnetze in Europa

Mehrere Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte, insbesondere die Grundsätze 12 und 14 16 , unterstreichen, welche Bedeutung einem angemessenen Sozialschutz zukommt. Die Angemessenheit des sozialen Schutzes, einschließlich Alterseinkünfte, Gesundheitswesen, Arbeitslosenunterstützung und Sozialhilfe, ist von wesentlicher Bedeutung, damit für Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren oder denen ein anderes Unglück widerfährt, und für deren Familien die dadurch entstehenden Härten gemildert werden. In einer Welt, in der sich durch Bevölkerungsalterung, Technologiefortschritt und Globalisierung ein rapider Umbruch vollzieht, ist dies besonders wichtig, um die Menschen in beruflichen Übergangsphasen zu unterstützen und ihnen zu helfen, die Chancen, die die sich rasch wandelnde Wirtschaft bietet, vollständig auszuschöpfen und die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen. Generell ist ein angemessener, wirksamer Sozialschutz eine Voraussetzung für eine gesunde Wirtschaft und gut funktionierende Arbeitsmärkte, die hochwertige Arbeitsplätze und nachhaltiges Wachstum schaffen. Die langfristige finanzielle Tragfähigkeit der sozialen Netze kann nur dann sichergestellt werden, wenn die Sozialschutzsystemen inhärente Risikoverteilung möglichst breit gestreut ist.

Viele Mitgliedstaaten modernisieren ihre Sozialschutzsysteme durch eine Verbesserung des Anwendungsbereichs und der Angemessenheit von Leistungen und Diensten, insbesondere für Arbeitnehmer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen, und fördern aktiv die Teilhabe am Arbeitsmarkt. Mehrere Mitgliedstaaten (z. B. Italien, Dänemark, Lettland, Portugal und Frankreich) haben im Jahr 2017 den sozialen Schutz für Selbstständige erweitert. Außerdem unternehmen die Mitgliedstaaten Schritte, um die Teilhabe am Arbeitsmarkt aktiver zu unterstützen, wobei häufig bestimmte Gruppen im Mittelpunkt stehen. Die Slowakei führt ihren ehrgeizigen Plan zur Unterstützung von Langzeitarbeitslosen aus, um maßgeschneiderte Dienste anzubieten. In Spanien wurde ein Netz für soziale Inklusion geschaffen, das die Koordination von Sozial- und Arbeitsvermittlungsdiensten sicherstellen soll.

Allerdings ist insgesamt ein umfassenderer, kohärenterer Ansatz nötig, um die gemeinsamen Herausforderungen der Mitgliedstaaten zu bewältigen. Hierzu hat allein schon die beachtliche Schaffung von Arbeitsplätzen in den letzten Jahren beigetragen. Auch wenn ein Arbeitsplatz nach wie vor die beste Versicherung gegen Armut ist, fallen beinahe 10 % der Erwerbstätigen unter die „Erwerbsarmut“, und dieser Anteil nimmt vor dem Hintergrund des Wandels der Arbeitsmärkte langsam zu.

Schließlich vertieft und verstetigt sich die Armut in einigen Mitgliedstaaten, ein Hinweis auf Lücken in Gestaltung und Funktionsweise der sozialen Sicherung. Italien beispielsweise hat im März 2017 ein System zur allgemeinen Mindesteinkommensunterstützung eingeführt, und weitere Mittel werden mit dem Haushaltsgesetz 2018 strukturell zugewiesen. Portugal hat seine Mindesteinkommensregelung erheblich geändert, damit sie besser dazu beitragen kann, in Armut lebende Menschen ohne Diskriminierung aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit zu integrieren und zu schützen. Sozialhilfe ist zwar unverzichtbar, um sicherzustellen, dass jede Person, die nicht über ausreichende Mittel verfügt, ein würdevolles Leben führen kann, doch sollte dies das letzte Mittel sein. Die Menschen sollten vielmehr die Fähigkeit erhalten, in eine aktive Gesellschaft zurückzukehren, und dabei unterstützt werden. Eine bessere Gestaltung der Steuer- und der Sozialleistungssysteme, die Förderung von Chancengleichheit bei der allgemeinen und beruflichen Bildung, die Sicherstellung des Zugangs zu hochwertigen Sozial- und Gesundheitsdiensten und die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter können dazu beitragen, soziales Gefälle und Armut und deren Weitergabe an die nachfolgenden Generationen zu verringern.

Die Entstehung neuer Arbeitsmodelle macht eine Anpassung der Arbeitsmarktverwaltungen erforderlich. Die Flexibilität, die notwendig ist, um einer schwankenden Nachfrage nach Arbeitskräften gerecht zu werden, muss mit dem Sicherheitsbedürfnis der Arbeitnehmer und ihrer Familien in Einklang gebracht wurden, um eine Segmentierung des Arbeitsmarkts zu verhindern. Litauen beispielsweise hat sein Arbeitsrecht umfassend mit dem Ziel reformiert, die Vorschriften für die Beendigung einer Beschäftigung zu vereinheitlichen, und gleichzeitig die maximale Dauer von befristeten Arbeitsverträgen verkürzt, die Arbeitslosenunterstützung angehoben und zu Tarifverhandlungen ermutigt.

Durch die Alterung der Bevölkerung wird das Arbeitskräfteangebot geringer, und der erwerbstätigen Bevölkerung werden zusätzliche Lasten auferlegt, um die Tragfähigkeit und Angemessenheit des Rentensystems sicherzustellen. In den nächsten Jahren dürften umfangreiche Kohorten in den Ruhestand treten. Vor diesem Hintergrund ist es unerlässlich, die Teilhabe am Arbeitsmarkt und die Produktivität zu steigern. Die Beschäftigungsquote von Frauen, älteren oder gering qualifizierten Arbeitskräften, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Migrationshintergrund kann noch erheblich gesteigert werden. Es muss einfacher werden, Angehörige dieser Gruppen zu beschäftigen, beispielsweise durch die Verringerung der Anreize, nicht zu arbeiten, ein maßgeschneidertes Schul- und Berufsbildungsangebot, die Möglichkeit flexibler Arbeitszeitregelungen und die Gewährleistung des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung und anderen Betreuungsdiensten, die erschwinglich und von hoher Qualität sind. Maßnahmen zur Förderung flexibler Arbeitszeitregelungen oder des Zugangs zu Betreuungsdiensten haben unter anderem die Tschechische Republik, Luxemburg, Rumänien und die Slowakei getroffen. Deutschland und Österreich fördern eine längere Lebensarbeitszeit, indem sie älteren Arbeitskräften einen flexiblen Übergang in den Ruhestand gestatten. Mehrere Länder haben Maßnahmen getroffen, um Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt zu integrieren, darunter Deutschland, Dänemark, Finnland und Schweden. 

Der Kompetenzstand der Arbeitskräfte sollte während ihres gesamten Arbeitslebens dem aktuellen Bedarf des Arbeitsmarkts entsprechen. Die Grundkompetenzen der jungen Europäerinnen und Europäer haben sich in mehreren Mitgliedstaaten verschlechtert, und oft herrscht beim Bildungszugang keine Chancengleichheit. Die Bildungssysteme müssen weiter modernisiert und noch mehr für benachteiligte Gruppen geöffnet werden, damit jede und jeder Einzelne als Bürgerin bzw. Bürger aktiv werden und im Einklang mit den Erfordernissen des Arbeitsmarkts das Beste aus dem Arbeitsleben machen kann. Die Anstrengungen zur Verbesserung der Bildungssysteme auf allen Stufen müssen breit angelegt sein, um Chancen sowohl für die Jüngeren als auch für die Älteren zu eröffnen. Zusammen mit kontinuierlicher Weiter- und Neuqualifizierung würde dies verhindern, dass Qualifikationslücken und -diskrepanzen entstehen, die besonders kleinen und mittleren Unternehmen schaden. Einige Mitgliedstaaten haben begonnen, sich der Herausforderung zu stellen. In Irland haben die öffentlichen Bildungsausgaben ihr Vorkrisenniveau wieder erreicht, und das Bildungssystem wird ausgebaut. In Dänemark sollen breit angelegte Bildungsreformen für bessere Schul- und Hochschulabschlüsse sorgen. In Kroatien läuft ein Pilotprojekt zur Digitalisierung von Schulen. Zusätzlich zu den Maßnahmen, die in den letzten Jahren bereits ergriffen wurden, hat Portugal vor Kurzem ein Programm eingeleitet, das die Kompetenzen und Qualifikationen der erwachsenen Bevölkerung stärken soll.

Kasten 2: Stärkung der Position von Arbeitnehmern durch bessere Kompetenzen in Europa

Mehrere Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte und besonders der Grundsatz 1 17 unterstreichen, welche Bedeutung der Schul- und Berufsbildung und lebenslangem Lernen zukommt. Europa ist in hohem Maße auf die Kompetenzen seiner Arbeitskräfte angewiesen. Allgemeine und berufliche Bildung sind Triebfedern für Wachstum, Beschäftigung und Resilienz. Europa ist im Begriff, die für 2020 gesetzten Ziele sowohl in Bezug auf die geringere Zahl von Frühabgängern als auch auf die höhere Zahl von Hochschulabsolventen zu erreichen. Die Mitgliedstaaten sind dabei, ihre allgemeine und berufliche Bildung zu modernisieren, unter anderem, um gegen die mangelhafte Beherrschung von Grundfertigkeiten vorzugehen, den Arbeitsmarktbezug der theoretischen und praktischen Berufsbildung und der Hochschulbildung zu verbessern, die Lehrlingsausbildung auszuweiten und ihre Qualität zu steigern sowie die außerhalb des formalen Systems erworbenen Kompetenzen zu validieren. Im Einklang mit der Empfehlung des Rates für Weiterbildungspfade sollen die Mitgliedstaaten bis Mitte 2018 geeignete Maßnahmen vorstellen. Die Kommission schlägt vor, dies im Rahmen der im Frühjahr vorzulegenden nationalen Reformprogramme zu tun; sie wird die Vorschläge nach den geltenden Berichterstattungsverfahren prüfen. 18

Eine ganze Reihe von Herausforderungen bleibt jedoch bestehen. Die Arbeitgeber haben Probleme, Arbeitnehmer mit den richtigen Kompetenzen zu finden. Arbeitskräfte mit geringen Kompetenzen oder Qualifikationen sind Risiken wie Arbeitslosigkeit, Armut, Gesundheitsproblemen, sozialer Ausgrenzung und Ausschluss vom demokratischen Leben ausgesetzt. Nur 50 % von ihnen sind erwerbstätig, gegenüber 80 % der Hochqualifizierten; dies wirkt sich negativ auf das Arbeitskräfteangebot und die Produktivität aus. Ein schwacher sozioökonomischer Hintergrund ist nach wie vor der wichtigste Faktor für einen geringen Bildungsstand. Der technologische Wandel und die Alterung der Bevölkerung machen Investitionen in die Neu- und Weiterqualifizierung erforderlich, aber nur jeder zehnte Erwachsene schöpft Weiterbildungsmöglichkeiten aus; viele unterlassen es, die Kompetenzen zu erwerben, die notwendig sind, um die Vorteile der Digitalisierung nutzen zu können. Deswegen sieht der erste Grundsatz der Europäischen Säule sozialer Rechte den Anspruch auf allgemeine und berufliche Bildung von hoher Qualität mit dem Ziel des lebenslangen Lernens vor, damit die Menschen vollständig am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Der Schlüssel für die Beachtung dieses Grundsatzes ist die vollständige Umsetzung der 2016 eingeleiteten neuen europäischen Agenda für Kompetenzen. Die wichtigsten Herausforderungen sollen durch die zehn Maßnahmen dieser Agenda angegangen werden, unter anderem Förderung des Erwerbs von Grundfertigkeiten durch geringqualifizierte Erwachsene (Initiative „Weiterbildungspfade“), Förderung von Investitionen in digitale Kompetenzen (nationale Koalitionen für digitale Kompetenzen und Arbeitsplätze), Verringerung des Missverhältnisses zwischen den vermittelten und den im Dienstleistungssektor und im verarbeitenden Gewerbe verlangten Kompetenzen (Blaupause zur Branchenzusammenarbeit für Kompetenzen), Verbesserung der Transparenz von Kompetenzen und Qualifikationen (Europäischer Qualifikationsrahmen, Europass), Modernisierung der beruflichen Aus- und Weiterbildung, Steigerung ihrer Attraktivität und Bekämpfung der Abwanderung hochqualifizierter Fachkräfte („Brain Drain“) in ganz Europa sowie Förderung der Schlüsselkompetenzen der europäischen Bürgerinnen und Bürger. Die Kommission will auch im Jahr 2018 mit der OECD zusammenarbeiten, um Kompetenz-Strategien in den jeweiligen Mitgliedstaaten und verschiedene Maßnahmen der theoretischen und praktischen Berufsbildung zur Deckung des Bedarfs des Arbeitsmarkts an konkreten Kompetenzen zu unterstützen. Im November 2017 stellte die Kommission die Schaffung eines Europäischen Bildungsraums in Aussicht, in dem eine engere grenzübergreifende Zusammenarbeit und mehr Mobilität dazu beitragen, die Lehr- und Lernqualität zu steigern und die Kompetenzen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen und somit ihre Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern. Am 17. Januar 2018 hat die Kommission einen Aktionsplan für digitale Bildung vorgelegt.

4.3    Hochwertige Investitionen, gesteigerte Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit

Angesichts günstiger Finanzierungsbedingungen und einer besseren wirtschaftlichen Stimmung, die zum Teil auf die Beseitigung von Investitionshemmnissen zurückzuführen ist, nimmt die Investitionstätigkeit zu. Dank der geringeren Unsicherheit, des nachlassenden Entschuldungsdrucks für Unternehmen, der günstigen Finanzierungsbedingungen und der besseren Prognose für die Gesamtnachfrage haben sich die Rahmenbedingungen für Investitionen gebessert. Gleichzeitig ist der Anteil der Gesamtinvestitionen und besonders der öffentlichen Investitionen am BIP nach wie vor relativ gering. Die Investitionen in immaterielle Vermögenswerte steigen, allerdings von einem niedrigen Ausgangsniveau.

Im Einklang mit der Investitionsoffensive für Europa werden derzeit strukturelle Investitionshemmnisse abgebaut. Mit der dritten Säule der Investitionsoffensive soll dafür gesorgt werden, dass Investitionshemmnisse vermehrt abgebaut werden und die Regulierungstätigkeit berechenbarer wird, damit Europa für Investitionen attraktiv bleibt. Zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften sind umfangreichere Produktmarktreformen und mehr Reformen zur Innovationsförderung unverzichtbar. Die hohen Kosten des Regulierungs- und Verwaltungsaufwands belasten das Geschäftsumfeld, auch wenn sie in jüngster Zeit etwas gesenkt wurden. Zu den zu beseitigenden institutionellen Mängeln gehören die Ineffizienz der öffentlichen Verwaltung, der Regulierungsaufwand, Korruption sowie Probleme hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit und der Leistungsfähigkeit der Justizsysteme. Der Wettbewerb im Dienstleistungssektor nimmt weiter zu und ermöglicht so die Ausnutzung der Vorteile der Digitalisierung, effizientere Wertschöpfungsketten, mehr Wahlmöglichkeiten und geringere Preise. Vor allem Finnland machte erhebliche Fortschritte bei der Verbesserung des Regulierungsrahmens und des Abbaus von Verwaltungsaufwand, um den Wettbewerb im Dienstleistungssektor weiter zu verbessern. Dies umfasst auch Fortschritte beim Rechtsrahmen für Dienstleistungserbringer der kollaborativen Wirtschaft. In der Slowakei wurde ein Bündel von Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen und zur Förderung von Investitionen erlassen, das bis 2019 umgesetzt werden soll, und Frankreich hat seinerseits gehandelt und die hohe Steuerlast für Unternehmen gesenkt.

Schwächen bei der Verwaltungskapazität treten zu den Mängeln in den Rahmenbedingungen für Unternehmen hinzu. In Spanien, Ungarn und Rumänien wurde der Rechtsrahmen für die Vergabe öffentlicher Aufträge verbessert. Portugal unternahm Schritte, um die Funktionsweise und Effizienz von Insolvenz- und Steuerverfahren zu verbessern. Zypern und die Tschechische Republik machen Fortschritte bei der Einrichtung von E-Verwaltungsdiensten, und Slowenien erließ Vorschriften, die das Bauantragsverfahren beschleunigen und die Rechtssicherheit für Investoren stärken sollen, um Investitionsanreize zu geben.

Korruption ist und bleibt in Teilen Europas ein Wachstumshemmnis; sie schafft Unsicherheit für Unternehmen, verlängert Verwaltungsverfahren und bürdet Gesellschaft und Wirtschaft zusätzliche Kosten auf. Europaweit nennen 37 % der Unternehmen Korruption als Problem bei ihrer Geschäftstätigkeit; in einigen Mitgliedstaaten ist das Thema besonders akut. 19 Auf nationaler Ebene wurde einiges unternommen, um diesem Problem ein Ende zu bereiten. Italien hat Anstrengungen unternommen, seine öffentliche Verwaltung zu verbessern, und wichtige Rechtsvorschriften zur Korruptionsbekämpfung erlassen. Auch Spanien hat Fortschritte bei der Umsetzung seines Rechtsrahmens für Transparenz und Korruptionsbekämpfung erzielt. In Litauen und in Italien wurden neue Rechtsvorschriften zum Schutz von Hinweisgebern erlassen; weitere Mitgliedstaaten fassen dies ins Auge.

Der Zugang zu Finanzmitteln, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen, verbessert sich allmählich in ganz Europa. Eine bankenunabhängige Finanzierung ist für Unternehmensgründungen und die Expansion erfolgreicher Unternehmen sehr wichtig. Die Finanzierung durch Risiko- und Expansionskapital ist in kleineren Ländern, aber auch außerhalb der Finanzzentren großer Länder erst im Entstehen begriffen. Die Maßnahmen, die Portugal ergriffen hat, um den Zugang zu solchem Kapital zu verbessern (z. B. Einführung neuer Finanzinstrumente), zeigen beispielhaft auf, wie solche Anstrengungen unterstützt werden können. Auch Slowenien führt neue finanzielle Maßnahmen für seine KMU ein, um ihren Zugang zu alternativen Finanzierungsquellen zu verbessern. Zypern setzt seinen Aktionsplan für Wachstum um, der ein Rahmenwerk vorsieht, mit dem sich Großinvestitionen anziehen und erleichtern lassen.

Positive Beispiele zur Förderung des Produktivitätswachstums müssen nachgeahmt werden. Die in den Mitgliedstaaten getroffenen, ermutigenden Maßnahmen richten sich gegen Herausforderungen, die – zumindest zum Teil – länderspezifisch sind. Luxemburg trieb die Diversifizierung der Wirtschaft voran, unter anderem durch die Beseitigung von Investitions- und Innovationshemmnissen. In Belgien unterstützen zahlreiche Maßnahmen Investitionen in wissensbasiertes Kapital, insbesondere Maßnahmen zum stärkeren Einsatz digitaler Technologien und zur Verbreitung von Innovationen. Spanien hat erste Schritte unternommen, um sein Forschungs- und Innovationssystem zu verbessern. Dänemark legte ein Programm zur Produktivitätssteigerung und zur Verbesserung der unternehmerischen Rahmenbedingungen auf, und Polen und Lettland senkten Steuern, um die Investitionstätigkeit zu fördern. In Deutschland unterstützt ein Netz von Kompetenzzentren die Digitalisierung von kleinen und mittleren Unternehmen; digitale Knotenpunkte fördern die Zusammenarbeit zwischen Start-up-Unternehmen, KMU, Industrie, Wissenschaft und Verwaltung. Zur Unterstützung der Start-up-Szene hat die estnische Regierung für Unternehmer aus Nicht-EU-Ländern, die in Estland ein Start-up-Unternehmen gründen wollen, ein neues Visumprogramm ins Leben gerufen. In den Niederlanden fördern mehrere Maßnahmen den Übergang zur Kreislaufwirtschaft, u. a. durch die Vergabe öffentlicher Aufträge.

5.    Nächste Schritte

Das Europäische Semester bietet die Gelegenheit für einen konstanten, ganzjährigen Dialog zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten, den Sozialpartnern und den Interessenträgern auf allen Ebenen. Die heute veröffentlichten Länderberichte stützen sich auf einen intensiven Informationsaustausch mit den Regierungen, nationalen Behörden und Interessenträgern auf fachlicher und politischer Ebene, u. a. in hochrangigen bilateralen Treffen im Dezember 2017. Die Ergebnisse werden in den Vertretungen der Kommission in den Hauptstädten der Mitgliedstaaten vorgestellt und außerdem in bilateralen Zusammenkünften weiterverfolgt. Die Kommissionsvizepräsidenten und -mitglieder werden die Mitgliedstaaten aufsuchen, um die Standpunkte von Sozialpartnern, nationalen Parlamenten, Regierungsvertretern und anderen Interessenträgern zur Analyse der Länderberichte einzuholen. Die Kommission wird die Zusammenfassung der Ergebnisse der Länderberichte mit dem Europäischen Parlament erörtern.

Als nächsten Schritt müssen die Mitgliedstaaten bis Mitte April ihre nationalen Reformprogramme mit den wirtschaftlichen und sozialen Prioritäten vorlegen, die sie im Lichte der ermittelten Herausforderungen beschlossen haben. Damit angemessene, dauerhafte Schritte in Bezug auf die Herausforderungen unternommen werden, empfiehlt die Kommission, die Programme mit der Unterstützung aller wichtigen Interessenträger (Sozialpartner, regionale und kommunale Behörden sowie Organisationen der Zivilgesellschaft) aufzustellen.

Anhang 1 – Integrierte Überwachung von makroökonomischen Ungleichgewichten und Haushaltsungleichgewichten

Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten 20  

Stabilitäts- und Wachstumspakt
 

Anmerkungen

AT

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel noch nicht erreicht; unterliegt der Schuldenregel 21

BE

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel noch nicht erreicht; unterliegt der Schuldenregel

BG

Ungleichgewichte

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel übertroffen

CY

Übermäßige Ungleichgewichte

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel erreicht; unterliegt der Übergangsregelung für den Schuldenabbau

CZ

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel übertroffen

DE

Ungleichgewichte

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel übertroffen; unterliegt der Schuldenregel

DK

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel erreicht;

EE

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel noch nicht erreicht

EL

Nimmt ein Finanzhilfeprogramm in Anspruch

IE

Ungleichgewichte

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel erreicht; unterliegt der Übergangsregelung für den Schuldenabbau

ES

Ungleichgewichte

Korrektive Komponente

Übermäßiges Defizit, Frist für die Korrektur:

2018

FR

Ungleichgewichte

Korrektive Komponente

Übermäßiges Defizit, Frist für die Korrektur:

2017

Mittelfristiges Ziel noch nicht erreicht; unterliegt der Übergangsregelung für den Schuldenabbau 22

HR

Übermäßige Ungleichgewichte

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel noch nicht erreicht; unterliegt der Schuldenregel

HU

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel noch nicht erreicht; unterliegt der Schuldenregel

IT

Übermäßige Ungleichgewichte

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel noch nicht erreicht; unterliegt der Schuldenregel

LT

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel erreicht

LU

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel übertroffen

LV

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel noch nicht erreicht

MT

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel erreicht

NL

Ungleichgewichte

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel übertroffen

PL

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel noch nicht erreicht

PT

Ungleichgewichte

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel noch nicht erreicht; unterliegt der Übergangsregelung für den Schuldenabbau

SI

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel noch nicht erreicht; unterliegt der Übergangsregelung für den Schuldenabbau

SE

Ungleichgewichte

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel übertroffen

SK

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel noch nicht erreicht

RO

Präventive Komponente

unterliegt dem Verfahren wegen erheblicher Abweichung

FI

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel noch nicht erreicht; unterliegt der Schuldenregel

UK

Präventive Komponente

Mittelfristiges Ziel noch nicht erreicht; unterliegt der Übergangsregelung für den Schuldenabbau

(*) Die Empfehlungen auf der Grundlage des „Zweierpakets“ (Verordnung (EU) Nr. 473/2013) zu Maßnahmen, die eine zeitnahe Korrektur des übermäßigen öffentlichen Defizits gewährleisten sollen, betreffen nur die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets.



Anhang 2 — Fortschritte bei der Verwirklichung der Europa-2020-Ziele

Europa-2020-Ziele
für die EU

Daten von 2010

Jüngste verfügbare Daten

2020 (unter Zugrundelegung der jüngsten Trends)

1. Erhöhung der Beschäftigungsquote der 20-64-jährigen auf mindestens 75 %,

68,6 %

72,3 %(Q3-2017)

Ziel wird voraussichtlich erreicht

2. Anhebung der öffentlichen und privaten Investitionen in Forschung und Entwicklung auf 3 % des BIP

1,93 %

2,03 % (2016)

Ziel wird voraussichtlich nicht erreicht

3a. Verringerung der Treibhausgasemissionen um mindestens 20 % gegenüber 1990

Verringerung um 14 %

Verringerung um 23 % (2016)

Ziel wird voraussichtlich erreicht

3b. Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien am Energieendverbrauch auf 20 %

12,5 %

17,04 %

(2016)

Ziel wird voraussichtlich erreicht

3c. Verwirklichung des Ziels einer Steigerung der Energieeffizienz um 20 %

5,7 % (Primärenergieverbrauch)

16,0 % (2016)

(Primärenergieverbrauch)

Ziel wird voraussichtlich erreicht

4a. Reduzierung der Schulabbrecherquote auf weniger als 10 %

13,9 %

10,7 % (2016)

Ziel wird voraussichtlich erreicht

4b. Erhöhung des Anteils der 30-34-jährigen mit Hochschulabschluss auf mindestens 40 %

33,8 %

39,1 % (2016)

Ziel wird voraussichtlich erreicht

5. Verringerung der Anzahl der Menschen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, um mindestens 20 Millionen

Anstieg um 0,5 Millionen (im Vergleich zum Basisjahr 2008)

Anstieg um 1 Million (im Vergleich zum Basisjahr 2008)

Ziel wird voraussichtlich nicht erreicht



Anhang 3  Ergebnisse der eingehenden Überprüfungen nach Mitgliedstaaten

Bulgarien weist übermäßige Ungleichgewichte auf. Die Schwachstellen im Finanzsektor gehen mit einer hohen Verschuldung und notleidenden Krediten im Unternehmenssektor vor dem Hintergrund einer unvollständigen Arbeitsmarktanpassung einher. Unterdessen hat sich die Nettoauslandsposition vor allem aufgrund des derzeitigen Leistungsbilanzüberschusses verbessert. Die Behörden haben Fortschritte bei der Umsetzung der Empfehlungen gemacht, die im Anschluss an die Überprüfung der Qualität der Bankenaktiva und die Bilanzprüfungen abgegeben wurden. Die Altlasten im Zusammenhang mit schwacher Steuerung, Aktiva-Qualität und Aufsicht sind aber noch nicht vollständig aufgearbeitet. Das starke Wachstum hat den kontinuierlichen privaten Schuldenabbau und die Reduzierung der Forderungsausfallraten begünstigt, die Unternehmen weisen jedoch weiterhin hohe Bestände an notleidenden Krediten auf. Die Verbesserungen am Arbeitsmarkt setzen sich fort, auch wenn Strukturprobleme (hoher Anteil junger Menschen, die sich weder in Ausbildung noch in Beschäftigung befinden, sowie Mangel an Arbeitskräften und Fachkräften) fortbestehen. Es wurden einige Maßnahmen getroffen, um die wichtigsten Ursachen für das Ungleichgewicht anzugehen, weitere Fortschritte sind jedoch erforderlich, um die verbleibenden Schwachstellen im Finanzsektor zu beseitigen, u. a. durch die weitere Verbesserung der Finanzaufsicht über Banken und Nichtbanken, die Erarbeitung von Lösungen für schwer zu bewertende Vermögenswerte und die Aufsicht auf Konzernebene sowie den Abschluss der Reform des Insolvenzrechts.

Kroatien weist übermäßige Ungleichgewichte auf. Vor dem Hintergrund niedrigen Potenzialwachstums ergeben sich die Schwachstellen aus der hohen öffentlichen, privaten und Auslandsverschuldung, die zu einem Großteil auf Fremdwährungen lautet. Ein kräftiges, über das veranschlagte Potenzial hinausgehendes Wachstum trägt zur Verringerung der Ungleichgewichte in Bestandsgrößen bei: Die privaten und öffentlichen Schuldenquoten und die Auslandsschuldenquote sind stark rückläufig. Die negative Nettoauslandsposition ist weiter hoch, hat sich jedoch dank eines Leistungsbilanzüberschusses gebessert. Das starke Wachstum ist dem weiteren Schuldenabbau förderlich, dürfte sich aber verlangsamen, da die Kreditflüsse an private Haushalte und Unternehmen nicht länger ab, sondern wieder zunehmen. Der gesamtstaatliche Schuldenstand erreichte im Jahr 2014 seinen Höhepunkt und ist derzeit rückläufig, was sowohl auf ein kräftiges BIP-Wachstum als auch auf eine Verringerung des Gesamtdefizits zurückzuführen ist. Der Bankensektor ist zunehmend rentabel, und der Bestand notleidender Kredite ging weiter zurück. Das Fremdwährungsrisiko (vor allem Euro) von Unternehmen und privaten Haushalten ist nach wie vor eine Schwachstelle. Während sich das wirtschaftliche Umfeld verbessert, ist die Verabschiedung von politischen Maßnahmen zur Beseitigung von makroökonomischen Ungleichgewichten, u. a. durch die Anhebung des weiter niedrigen Wachstumspotenzials, kaum vorangekommen.

Zypern weist übermäßige Ungleichgewichte auf. Der sehr hohe Anteil an notleidenden Krediten belastet den Finanzsektor, und die Wirtschaft weist vor dem Hintergrund einer zwar rückläufigen, aber nach wie vor relativ hohen Arbeitslosigkeit und eines schwachen Potenzialwachstums umfangreiche private, öffentliche und Auslandsschulden auf. Der Leistungsbilanzsaldo ist nach wie vor negativ mit steigender Tendenz und nicht geeignet, eine nachhaltige Entwicklung des erheblichen Nettobestands an Auslandsverbindlichkeiten zu gewährleisten. Die private Verschuldung geht nur langsam zurück, und die Kreditflüsse an den Privatsektor nehmen trotz des bereits sehr hohen privaten Schuldenstands zu. Durch die Umschuldungsanstrengungen der Banken, die starke konjunkturelle Erholung und die Durchführung der bisherigen Reformen konnten notleidende Kredite abgebaut werden, die Bestände sind und bleiben jedoch sehr hoch. Eine schwache Vertragsdurchsetzung, Ineffizienzen im Justizsystem, Engpässe bei der Umsetzung der Vorschriften in den Bereichen Zwangsvollstreckung und Insolvenzen sowie eine geringe Rückzahlungsdisziplin behindern den Schuldenabbau im privaten Sektor und den Abbau der notleidenden Kredite. Ein vorsichtiger haushaltspolitischer Kurs und eine aktive Politik der Schuldenverwaltung haben den Abbau der öffentlichen Schulden beschleunigt. Die Reformdynamik muss neuen Schwung erhalten, damit vor allem die Schulden der öffentlichen Hand weiter abgebaut, die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert, der Abbau notleidender Kredite beschleunigt und das Potenzialwachstum angehoben werden können.

Frankreich weist Ungleichgewichte auf. Schwachstellen werden durch den hohen öffentlichen Schuldenstand und eine geringe Dynamik der Wettbewerbsfähigkeit vor dem Hintergrund eines langsamen Produktivitätswachstums verursacht; ihre Bedeutung reicht über die Grenzen hinaus. Der moderate Lohnanstieg trägt zu den laufenden Verbesserungen bei der Kostenwettbewerbsfähigkeit bei, vom schwachen Produktivitätswachstum geht hingegen eine Bremswirkung aus. Die geringe Reaktionsfähigkeit des Arbeitsmarkts gegenüber den im Wandel befindlichen Angebots- und Nachfragebedingungen und einige Aspekte der Rahmenbedingungen für Unternehmen beeinträchtigen weiter die kostenunabhängige Wettbewerbsfähigkeit. Die gesamtstaatliche Schuldenquote ist im Jahr 2017 weiter angestiegen, wird sich jedoch voraussichtlich in den Jahren 2018 und 2019 stabilisieren. Die bisherigen negativen Entwicklungen sind somit zum Stillstand gelangt, die Wirtschaftsbedingungen bessern sich und die Reformanstrengungen nehmen Tempo auf. Die vor Kurzem angekündigten und eingeleiteten politischen Maßnahmen können mittelfristig in Frankreich und über die Grenzen hinaus positive Wirkungen erzielen. Auf mehreren Gebieten, darunter Arbeitsmärkte und Besteuerung, wurden Fortschritte erzielt; gleichzeitig wurden Initiativen zur Verbesserung des Unternehmensumfelds, der theoretischen und praktischen Berufsbildung, der Arbeitslosenunterstützung und der Altersversorgung angekündigt, die noch konkrete Form annehmen müssen. Weitere Maßnahmen sind erforderlich, um Arbeitssuchenden den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, das Steuersystem zu vereinfachen und die Staatsausgaben zu überprüfen, um die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten und das Potenzialwachstum zu steigern.

Deutschland weist Ungleichgewichte auf. Der anhaltend hohe Leistungsbilanzüberschuss ist von grenzübergreifender Bedeutung und spiegelt die im Vergleich zu Sparquote verhaltene Investitionstätigkeit sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor wider. Der überwiegend mit Nicht-EU-Staaten bestehende Leistungsbilanzüberschuss ist seit 2016 leicht zurückgegangen und dürfte wegen der stärkeren Inlandsnachfrage in den kommenden Jahren allmählich weiter sinken, wird allerdings innerhalb des Prognosezeitraums auf historisch hohem Niveau bleiben. Auch wenn das Wachstum zunehmend durch die Inlandsnachfrage getragen wird, bleibt der BIP-Anteil von privatem Verbrauch und Investitionen gedämpft, obwohl die konjunkturellen und finanziellen Bedingungen günstig sind und Bedarf an Infrastrukturinvestitionen besteht, für die haushaltspolitischer Spielraum vorhanden ist. Während eine Reihe von Maßnahmen zur Anhebung der Infrastrukturinvestitionen ergriffen wurde, haben diese Anstrengungen bis jetzt noch keinen klaren Aufwärtstrend bei der öffentlichen Investitionsquote bewirkt. Auch bei der Umsetzung der Empfehlungen in anderen Bereichen wurden nur geringe Fortschritte erzielt.

Irland weist Ungleichgewichte auf. Die hohe öffentliche und private Verschuldung sowie die umfangreichen Nettoauslandsverbindlichkeiten stellen Schwachstellen dar, allerdings wurden erhebliche Verbesserungen erzielt. Das starke Produktivitätswachstum der letzten Jahre hat die Wettbewerbsfähigkeit verbessert und für eine positive Leistungsbilanz gesorgt, sodass die hohen Bestände an Nettoauslandsverbindlichkeiten schnell abgebaut werden konnten. Das starke Wirtschaftswachstum begünstigt den privaten Schuldenabbau, doch bleibt die private Verschuldung weiterhin hoch; bei der Bewertung der Unternehmensverschuldung muss allerdings der Tätigkeit multinationaler Unternehmen Rechnung getragen werden. Die Verschuldung der privaten Haushalte dürfte im Großen und Ganzen mit den Fundamentaldaten im Einklang stehen. Den Prognosen zufolge bleibt die gesamtstaatliche Verschuldung rückläufig, und das Defizit nähert sich einer ausgeglichenen Position an. Die Wohnimmobilienpreise ziehen rasch an – waren zuvor jedoch vermutlich unterbewertet –, was auch den Vermögensbilanzen der Haushalte zugutekommt. Die Banken sind gut mit Eigenkapital ausgestattet, und ihre Rentabilität steigt allmählich. Der Bestand an notleidenden Krediten ist zwar noch immer hoch, wird aber stetig geringer. Die politischen Maßnahmen zur Beseitigung dieser Schwachstellen wurden getroffen, einige Maßnahmen werden jedoch erst auf längere Sicht die erwartete Wirkung erreichen.

Italien weist übermäßige Ungleichgewichte auf. Angesichts der nach wie vor umfangreichen notleidenden Kredite und einer hohen Arbeitslosigkeit bergen die hohe Staatsverschuldung und die anhaltend schwache Produktivitätsdynamik für die Zukunft Risiken von grenzübergreifender Bedeutung. Die gesamtstaatliche Schuldenquote dürfte sich stabilisieren, verzeichnet jedoch aufgrund der Verschlechterung des strukturellen Primärsaldos noch keinen Abwärtstrend. Die externe Wettbewerbsfähigkeit hat sich zwar gebessert, durch das schwache Produktivitätswachstum infolge struktureller Hemmnisse, die weiterhin eine effiziente Allokation von Produktionsfaktoren innerhalb der Wirtschaft behindern, durch steigende Lohnstückkosten und durch die allgemein niedrige Inflation wird es jedoch schwierig, die starken Wettbewerbsverluste der Vergangenheit wettzumachen. Unter anderem aufgrund der Unterstützung einiger weniger notleidender Banken durch die Regierung hat der Druck der Märkte auf den Bankensektor nachgelassen. Die Bestände notleidender Kredite sind erst seit Kurzem rückläufig und belasten nach wie vor den Kapitalbedarf, die Gewinne und die Kreditvergabepolitik der Banken. Die Reformdynamik hat etwas nachgelassen, doch wurden bei der Umsetzung der Empfehlungen einige Fortschritte erzielt. Derzeit werden mehrere Maßnahmen, vor allem in den Bereich Arbeits- und Sozialpolitik, Ziviljustiz und Rahmenbedingungen für Unternehmen, ausgearbeitet.

Die Niederlande weisen Ungleichgewichte auf. Der hohe Stand der privaten Verschuldung und der hohe Leistungsbilanzüberschuss führen zu Ungleichgewichten von grenzübergreifender Bedeutung. Der hohe Leistungsbilanzüberschuss, der im Wesentlichen strukturelle Merkmale der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen für nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften widerspiegelt und zum Teil auf die Notwendigkeit des Schuldenabbaus zurückzuführen ist, ist vor Kurzem weiter gestiegen, dürfte jedoch etwas zurückgehen. Die private Schuldenquote ist in den letzten Jahren nur sehr langsam zurückgegangen, wozu das Wirtschaftswachstum einen Beitrag geleistet hat. Gleichzeitig steigt die nominale Verschuldung der privaten Haushalte wieder an, da die laufende Erholung des Wohnungsmarkts die nominale Hypothekenverschuldung nach oben treibt. Die jüngst angekündigten Reformen wie die schnellere Reduzierung der Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen und Steueranreize dürften dazu beitragen, die Gesamtnachfrage zu stützen.

Portugal weist übermäßige Ungleichgewichte auf. Umfangreiche Nettoauslandsverbindlichkeiten, die private und öffentliche Verschuldung und ein hoher Anteil notleidender Kredite stellen vor dem Hintergrund des geringen Produktivitätswachstums Schwachstellen dar. Die Anpassung der Nettoauslandsverbindlichkeiten setzt einen vertretbaren Leistungsbilanzsaldo und anhaltende Zugewinne an Wettbewerbsfähigkeit voraus. Das wieder anziehende nominale Wachstum und leicht negative Kreditflüsse bewirken einen Rückgang der hohen privaten Schuldenquote, und die gesamtstaatliche Schuldenquote ist vor dem Hintergrund des nach wie vor erforderlichen Schuldenabbaus den Prognosen zufolge rückläufig. Maßnahmen im Finanzsektor trugen dazu bei, die Stabilitätsrisiken zu mindern, auch wenn die Banken weiterhin unter geringer Rentabilität und hohen Beständen notleidender Kredite leiden, doch sind diese nun rückläufig. Ein höheres Produktivitätswachstum ist der Schlüssel für bessere Aussichten auf den Gebieten Wettbewerbsfähigkeit, Schuldenabbau und Potenzialwachstum. Über mehrere Jahre hinweg ist die Arbeitslosigkeit zügig zurückgegangen. Noch bestehen Politikdefizite, vor allem bei der Durchführung der geplanten Maßnahmen zum Abbau notleidender Kredite und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen. Die Annahme und Durchführung mehrere Reformpläne mit Maßnahmen zur Desegmentierung des Arbeitsmarkts oder haushaltspolitischer Strukturreformen müssen überwacht werden.

Slowenien weist keine Ungleichgewichte auf. Die Risiken aufgrund der Schwäche des Bankensektors, der Unternehmensverschuldung und der kurzfristigen Haushaltslage sind geringer geworden. Die Staatsverschuldung hat im Jahr 2015 ihren Höchststand erreicht und ist seither rückläufig. Der Unternehmenssektor hat in erheblichem Umfang Schulden abgebaut, wodurch die Investitionstätigkeit und das Potenzialwachstum geschwächt wurden. Nun hat sich die Investitionstätigkeit allerdings beschleunigt, und die ausländischen Direktinvestitionen haben in den jüngsten Jahren beträchtlich zugenommen. Die Umstrukturierung des Bankensektors fiel mit einem rasch rückläufigen Anteil an notleidenden Krediten zusammen. Es wurden politische Maßnahmen getroffen, die zum Abbau von Ungleichgewichten beigetragen haben; absolute Priorität haben jedoch nach wie vor Maßnahmen, die die Tragfähigkeit der Renten-, Gesundheits- und Langzeitpflegesysteme verbessern.

Spanien weist Ungleichgewichte auf. Hohe Bestände öffentlicher und privater Auslands- und Inlandsverbindlichkeiten stellen vor dem Hintergrund hoher Arbeitslosigkeit Schwachstellen von grenzübergreifender Bedeutung dar. Beim Abbau der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte werden dank der seit 2013 verzeichneten Leistungsbilanzüberschüsse Fortschritte verzeichnet. Wegen der weiterhin hohen Nettoauslandsverbindlichkeiten muss Spanien allerdings über einen längeren Zeitraum anhaltend hohe Leistungsbilanzüberschüsse verzeichnen, bevor die Nettoauslandsverbindlichkeiten ein vertretbares Niveau erreichen. Gestützt durch günstige Wachstumsbedingungen schreitet der Schuldenabbau im Privatsektor ebenfalls voran, ein zusätzlicher Schuldenabbau ist allerdings weiterhin erforderlich. Ein soliderer Finanzsektor stützt die Wirtschaftstätigkeit, und der Anteil der notleidenden Kredite ging weiter zurück. Trotz des kräftigen nominalen BIP-Wachstums hat der Anteil der gesamtstaatlichen Verschuldung am BIP gerade erst begonnen, langsam zurückzugehen; dabei wird ein mit der Zeit rückläufiges Defizit erwartet. Die Arbeitslosigkeit geht weiter rapide zurück, verbleibt aber dennoch auf einem sehr hohen Niveau, wobei die starke Segmentierung des Arbeitsmarkts ein rasches Produktivitätswachstum verhindert. Politische Fortschritte wurden vor allem in den Jahren 2012 und 2015 erzielt, während in jüngster Zeit bei der Umsetzung der Empfehlungen nur geringe Fortschritte zu verzeichnen waren. Einige Herausforderungen bestehen fort, namentlich in den Bereichen Haushaltssteuerung, aktive Arbeitsmarktpolitik sowie Verbesserung von Innovation und Kompetenzen, um die kostenunabhängige Wettbewerbsfähigkeit zu fördern.

Schweden weist Ungleichgewichte auf. Überbewertete Preise für Wohnimmobilien in Verbindung mit dem weiteren Anstieg der Verschuldung der privaten Haushalte gehen mit dem Risiko einer ungeordneten Korrektur einher. Die bereits hohe Verschuldung der privaten Haushalte nimmt weiter zu. Über einen Zeitraum von 20 Jahren sind die Preise für Wohnimmobilien schnell und praktisch ununterbrochen gestiegen. Im letzten Quartal 2017 war dieser Anstieg rückläufig. Den Bewertungsindikatoren zufolge dürften die Preise für Wohnimmobilien gemessen an den Fundamentaldaten sehr hoch bleiben. Wenngleich die Banken über eine angemessene Kapitalausstattung zu verfügen scheinen, könnte eine ungeordnete Korrektur auch den Finanzsektor in Mitleidenschaft ziehen, denn die Exponiertheit der Banken im Bereich der Hypothekenkredite an private Haushalte nimmt zu. Angesichts der systemischen Finanzverflechtungen könnten in diesem Fall auch benachbarte Länder betroffen sein. Die Behörden sind sich der zunehmenden Risiken bewusst, und in den letzten Jahren sind Maßnahmen ergriffen worden, um das Wachstum der Hypothekenschulden im Zaum zu halten und den Wohnungsbau anzukurbeln. Die bisher unternommenen politischen Schritte reichten jedoch nicht aus, um die Überbewertung im Wohnungssektor zu korrigieren, und wesentliche Politikdefizite bleiben bestehen, namentlich in Bezug auf Steueranreize für Wohneigentum sowie das Wohnangebot und den Mietwohnungsmarkt.

(1) Siehe EU-Wirtschaftsprognose, Winter 2018.
(2) Die Empfehlung zum Euro-Währungsgebiet wurde am 23. Januar 2018 vom Rat angenommen. Sie dient der allgemeinen Orientierung in Bezug auf die wichtigsten wirtschaftlichen und finanziellen Herausforderungen für das Euro-Währungsgebiet und seine Mitgliedstaaten und damit als Richtschnur für den Prozess, der zur Abgabe länderspezifischer Empfehlungen an die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets führt.
(3) Für Griechenland, das einem Stabilitätshilfeprogramm im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus unterliegt, wird kein Länderbericht vorgelegt.
(4) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank Europäisches Semester 2017: Länderspezifische Empfehlungen COM(2017) 500 final.
(5) Zu diesen Zielen zählen die Erhöhung der Beschäftigungsquote der 20- bis 64-Jährigen auf 75 %, die Steigerung der Investitionen in FuE auf 3 % des BIP, die Verringerung der Treibhausgasemissionen um 20 %, die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch um 20 % und die Steigerung der Energieeffizienz um 20 %, die Senkung der Schulabbrecherquote auf unter 10 %, die Erhöhung des Anteils der Bevölkerung im Alter von 30 bis 34 Jahren mit Hochschulabschluss auf 40 % und die Verringerung der Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen um mindestens 20 Millionen.
(6) Bezugsjahr der Daten ist 2016.
(7) Die Nachfrage nach technischer Unterstützung aus dem SRSP überstieg die für 2017 und 2018 verfügbaren Mittel bei weitem. Im Rahmen des SRSP 2017 wurden über 150 Projekte aus mehr als zehn Mitgliedstaaten zur Unterstützung ausgewählt. Heute wurde ein Finanzierungsbeschluss für das SRSP 2018 angenommen, in dessen Rahmen der Dienst zur Unterstützung von Strukturreformen über 140 Projekte fördern wird, die die Durchführung von für das Europäische Semester relevanten Reformen oder anderer unionsweiter politischer Initiativen unterstützen, beispielsweise der Binnenmarktstrategie, des digitalen Binnenmarkts, der Energieunion, der Kapitalmarktunion und der europäischen Säule sozialer Rechte.
(8) Im Februar 2018 hat der Europäische Fonds für strategische Investitionen insgesamt 264,3 Mrd. EUR an Investitionen mobilisiert.
(9) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat und die Europäische Zentralbank Neue Haushaltsinstrumente für ein stabiles Euro-Währungsgebiet innerhalb des Unionsrahmens (COM(2017) 822.
(10) Schlussfolgerungen des Rates 5542/18 vom 23. Januar 2018.
(11) Gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 gelten als „Ungleichgewichte“ „alle Trends, die zu makroökonomischen Entwicklungen führen, die sich nachteilig auf das ordnungsgemäße Funktionieren der Wirtschaft eines Mitgliedstaats oder der Wirtschafts- und Währungsunion oder der Union insgesamt auswirken oder potenziell auswirken könnten“.
(12) Siehe Mitteilung der Kommission: Erster Fortschrittsbericht über den Abbau notleidender Kredite in Europa, COM(2018) 37 final. EU-weit liegen die notleidenden Kredite mit einem Gesamtvolumen von 950 Mrd. EUR immer noch deutlich über dem Vorkrisenniveau. Der rückläufige Trend hält jedoch unvermindert an, und die durchschnittliche Quote notleidender Kredite ist seit 2014 um ein Drittel gesunken.
(13) Für Griechenland erfolgten die Überwachung von Ungleichgewichten und das Monitoring der Korrekturmaßnahmen im Rahmen des Hilfsprogramms aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM).
(14) Quelle: Vermerk der Kommission an die Euro-Gruppe auf der Grundlage einer Erhebung zum Euro-Währungsgebiet, Juni 2017, http://www.consilium.europa.eu/media/23582/eg-15-june-2017_note-on-spending-reviews.pdf
(15) Siehe Schlussfolgerungen des Rates zu dem Aktionsplan für den Abbau notleidender Kredite in Europa vom 11. Juli 2017 und Mitteilung der Kommission: Erster Fortschrittsbericht über den Abbau notleidender Kredite in Europa, COM(2018) 37 final.
(16)  Jede Person, die nicht über ausreichende Mittel verfügt, hat in jedem Lebensabschnitt Recht auf angemessene Mindesteinkommensleistungen, die ein würdevolles Leben ermöglichen, und einen wirksamen Zugang zu dafür erforderlichen Gütern und Dienstleistungen. Für diejenigen, die in der Lage sind zu arbeiten, sollten Mindesteinkommensleistungen mit Anreizen zur (Wieder-)eingliederung in den Arbeitsmarkt kombiniert werden.
(17) Jede Person hat Recht auf allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen von hoher Qualität und in inklusiver Form, damit sie Kompetenzen bewahren und erwerben kann, die es ihr ermöglichen, vollständig am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und Übergänge auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu bewältigen.
(18) Empfehlung des Rates vom 19. Dezember 2016 für Weiterbildungspfade: Neue Chancen für Erwachsene (ABl. C 484 vom 24.12.2016).
(19) In allen Mitgliedstaaten werden derzeit die Politik auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung und die getroffenen Maßnahmen bewertet. Die Kommission hat die wichtigsten Herausforderungen in den Länderberichten zu mehreren Mitgliedstaaten untersucht, in denen besonders hohe Risiken und große Lücken bestehen, die Investitionen, eine effiziente Ressourcenallokation, Wirtschaftsleistung und Wirtschaftswachstum behindern.
(20)

Eine Einstufung in die Kategorien „Ungleichgewichte“ oder „Übermäßige Ungleichgewichte“ zieht eine spezielle Überwachung nach sich, deren Intensität vom Ausmaß der Schwierigkeiten abhängt.

(21)

Schuldenregel: Wird bei der Schuldenquote der Referenzwert von 60 % des BIP überschritten, so wird nach Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren und der Auswirkungen des Konjunkturzyklus gegen den betreffenden Mitgliedstaat ein Defizitverfahren eingeleitet, wenn der Abstand zwischen dem Schuldenstand und dem Referenzwert von 60 % des BIP (im Dreijahresdurchschnitt) nicht um 1/20 jährlich verringert wird. Übergangsregelung für den Schuldenabbau: Jedem Mitgliedstaat, der sich im Defizitverfahren befindet, werden nach Korrektur dieses Defizits für die Einhaltung der Schuldenregel drei Jahre Zeit eingeräumt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Schuldenregel in diesem Zeitraum keine Gültigkeit besäße, denn die Mitgliedstaaten sollten in diesem Übergangszeitraum ausreichende Fortschritte in diese Richtung erzielen. Werden die Fortschritte, die während des Übergangszeitraums bei der Erreichung des Richtwerts für den Schuldenabbau erzielt werden, als unzureichend betrachtet, könnte dies die erneute Einleitung eines Defizitverfahrens nach sich ziehen.

(22) Vorausgesetzt, der Beschluss zur Einleitung eines Defizitverfahrens wird aufgrund validierter Haushaltsdaten für 2017 aufgehoben.
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