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Document 52016DC0153

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT über das Funktionieren der Verordnung (EU) Nr. 267/2010 der Kommission über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und abgestimmten Verhaltensweisen im Versicherungssektor

COM/2016/0153 final

Brüssel, den 17.3.2016

COM(2016) 153 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

über das Funktionieren der Verordnung (EU) Nr. 267/2010 der Kommission über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und abgestimmten Verhaltensweisen im Versicherungssektor

{SWD(2016) 62 final}
{SWD(2016) 63 final}


BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

über das Funktionieren der Verordnung (EU) Nr. 267/2010 der Kommission über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und abgestimmten Verhaltensweisen im Versicherungssektor

1.    EINLEITUNG

1.Nach Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) können Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die den Wettbewerb im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 AEUV einschränken, für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden, wenn sie unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, sofern die Beschränkungen nicht über das absolut Notwendige hinausgehen (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) und nicht den Wettbewerb für einen wesentlichen Teil des betreffenden sachlich relevanten Markts ausschalten.

2.Der Rat ermächtigte die Kommission mit der Verordnung (EWG) Nr. 1534/91 1 (Ermächtigungsverordnung), Verordnungen über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 AEUV auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Bereich der Versicherungswirtschaft zu erlassen. Am 24. März 2010 erließ die Kommission auf der Grundlage dieser Ermächtigungsverordnung die Verordnung (EU) Nr. 267/2010 2 (Gruppenfreistellungsverordnung (oder GVO) für den Versicherungssektor) zur Freistellung zweier Gruppen von Vereinbarungen im Versicherungssektor.

3.Nach der GVO für den Versicherungssektor sind Vereinbarungen zwischen (Rück)Versicherern über den Informationsaustausch in Form gemeinsamer Erhebungen, Tabellen und Studien und über die gemeinsame Deckung bestimmter Arten von Risiken über Mit(Rück)versicherungsgemeinschaften unter bestimmten Voraussetzungen freigestellt. Diese GVO ist am 1. April 2010 in Kraft getreten und gilt bis zum 31. März 2017. Sie soll den wirksamen Schutz des Wettbewerbs gewährleisten und gleichzeitig nutzbringend für die Verbraucher sein und den Unternehmen ausreichende Rechtssicherheit bieten.

4.Nach Artikel 8 der Ermächtigungsverordnung muss die Kommission spätestens sechs Jahre nach dem Inkrafttreten der GVO für den Versicherungssektor einen Bericht über das Funktionieren und die Perspektiven dieser Verordnung vorlegen.

5.Der Versicherungssektor gehört (neben der Seeschifffahrt und dem Kfz-Vertrieb) zu den drei Sektoren, für die noch eine sektorspezifische Gruppenfreistellungsverordnung gilt. In anderen Sektoren (namentlich im See- und Luftverkehr) ist die einschlägige GVO nicht erneuert worden. Die erste GVO für den Versicherungssektor wurde 1992 erlassen und zweimal mit Änderungen verlängert (2003 und 2010). Insbesondere hat die Kommission im Jahr 2010 die Zahl der Gruppen freigestellter Vereinbarungen von vier auf derzeit zwei verringert und eine Mitteilung über die Anwendung der GVO für den Versicherungssektor 3 veröffentlicht.

6.Die Kommission nimmt vor dem Auslaufen der geltenden GVO für den Versicherungssektor eine umfassende Folgenabschätzung der Optionen für das weitere Vorgehen vor. Diese bestehen darin, die GVO zu verlängern, sie teilweise zu verlängern (Freistellung nur einer Gruppe und/oder Verlängerung mit Änderungen) oder sie nicht zu verlängern. 4

7.Eine förmliche Überprüfung der Anwendung und des Funktionierens der GVO für den Versicherungssektor wurde im Februar 2014 durch Übermittlung eines Fragebogens an die nationalen Wettbewerbsbehörden 5 eingeleitet. Im Mai 2014 folgte die Veröffentlichung eines Fahrplans. Im Juni 2014 fand ein Treffen mit den nationalen Wettbewerbsbehörden statt. Im Zeitraum von August bis November 2014 wurde eine öffentliche Konsultation durchgeführt und im Dezember 2014 wurden ergänzend gezielte Fragebögen an Versicherungsgemeinschaften, Kunden, Vermittlerverbände/Makler und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit übermittelt. Ab November 2014 fanden bilaterale Treffen und Telefonkonferenzen mit bestimmten Interessenträgern, insbesondere mit nationalen Versicherungsverbänden und Versicherungsgemeinschaften, statt.

8.Mit dem vorliegenden Bericht stellt die Kommission ihre derzeitige vorläufige Auffassung zum Funktionieren und den Perspektiven der GVO für den Versicherungssektor vor, die in keiner Weise der endgültigen Entscheidung der Kommission nach Abschluss der Folgenabschätzung vorgreift. Der Bericht ist einer der Schritte im Rahmen eines umfassenden Konsultationsprozesses, zu dem alle Interessenträger beitragen können und sollen. Er sollte in Verbindung mit der begleitenden Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen gesehen werden, in der die Ansichten der Kommissionsdienststellen zu den hier angesprochenen Punkten genauer dargelegt werden.

9.Die Überprüfung wird bis Anfang 2017 dauern, wenn die Folgenabschätzung abgeschlossen ist. Die Kommission hat zwei Studien zu Fragen im Zusammenhang mit dem Funktionieren der GVO für den Versicherungssektor, die von Interessenträgern im Rahmen der Konsultation aufgeworfen wurden, in Auftrag gegeben, so zur angebotsseitigen Substituierbarkeit im Versicherungssektor und zu den Auswirkungen der verschiedenen auf dem Markt verfügbaren Formen von Mit-(Rück-)Versicherungen 6 . Die Studien werden dazu beitragen, dass die Kommission einen umfassenden Überblick über den Markt erlangen und anschließend endgültige Vorschläge zur Zukunft der GVO für den Versicherungssektor vorlegen kann.

2.    WICHTIGSTE ERGEBNISSE UND BEWERTUNG

10.Um das Funktionieren der GVO für den Versicherungssektor zu bewerten und dann zu klären, ob bzw. inwiefern diese Verordnung verlängert bzw. geändert werden sollte, hat die Kommission sich mit den beiden nachstehenden grundlegenden Fragen befasst:

Frage 1: Weist der Versicherungssektor nach wie vor besondere Merkmale auf, die für die Bereiche, in denen die verbleibenden Gruppenfreistellungen im Versicherungssektor gelten, zu einem erhöhten Bedarf an Zusammenarbeit führen?

Frage 2: Wenn ja, ist ein besonderes Instrument wie eine GVO noch erforderlich, um diesen erhöhten Bedarf an Zusammenarbeit zu schützen?

11.Die öffentliche Konsultation im Jahr 2014 und die anschließende Erhebung von Nachweisen waren darauf ausgerichtet, Antworten auf diese Fragen zu erhalten und eine Grundlage für die anstehende Folgenabschätzung der verschiedenen Optionen für das weitere Vorgehen in Bezug auf die GVO für den Versicherungssektor zu schaffen.

12.Im Mai 2015 nahm die Europäische Kommission ein neues Konzept für eine bessere Rechtsetzung an, das auf systematischere und transparentere Konsultationen von Interessenträgern, bessere Folgenabschätzungen und die Einbeziehung der Erfahrungen aus der Vergangenheit abzielt. Da mit der Überprüfung der GVO für den Versicherungssektor bereits Anfang 2014 begonnen wurde, hat das Verfahren nicht alle in den neuen Leitlinien für eine bessere Rechtsetzung vorgesehenen Stufen durchlaufen. Die Überprüfung erfolgt aber in offener und transparenter Weise unter Beachtung der wichtigsten Kriterien retrospektiver Bewertungen. Die Analyse des erhöhten Bedarfs an Zusammenarbeit hat der Kommission Aufschluss über die Relevanz einer GVO gegeben, und im Rahmen der Analyse der Erforderlichkeit einer GVO wurden die Kohärenz, Effizienz und Wirksamkeit eines solchen Ansatzes untersucht.

13.Im Folgenden werden die bisher erzielten wichtigsten Ergebnisse dargelegt und bewertet.

(a)Erhöhter Bedarf an Zusammenarbeit

Informationsaustausch: Erhebungen, Tabellen und Studien

14.Nach Artikel 2 Buchstabe a der GVO für den Versicherungssektor sind unter bestimmten Voraussetzungen Vereinbarungen zwischen Unternehmen im Versicherungssektor freigestellt, die „die gemeinsame Erhebung und Verbreitung von Daten [betreffen], die für folgende Zwecke erforderlich sind: i) Berechnung von Durchschnittskosten für die Deckung eines genau beschriebenen Risikos in der Vergangenheit (nachstehend „Erhebungen“ genannt), und ii) Erstellung von Sterbetafeln und Tafeln über die Häufigkeit von Krankheiten, Unfällen und Invalidität im Bereich der Versicherungen, die ein Kapitalisierungselement beinhalten“. Nach Artikel 2 Buchstabe b ist, ebenfalls unter bestimmten Voraussetzungen, „die gemeinsame Durchführung von Studien zu den wahrscheinlichen Auswirkungen allgemeiner Umstände, die außerhalb des Einflussbereichs der betreffenden Unternehmen liegen, auf die Häufigkeit oder das Ausmaß von künftigen Forderungen bei einem bestimmten Risiko oder einer bestimmten Risikosparte oder auf den Ertrag verschiedener Anlageformen ... sowie die Verbreitung der Ergebnisse solcher Studien“ freigestellt.

15.Um die Kosten von Risiken zu kalkulieren, sind die Versicherer in der Regel bestrebt, Unterschiede zwischen dem tatsächlichen Wert der Forderungen einerseits und den von den Versicherten gezahlten Prämien andererseits zu verringern. Versicherungen sind ein Produkt, das künftige Risiken abdeckt, deren Kosten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags noch unbekannt sind. Folglich ist die Verfügbarkeit zweckdienlicher und genauer empirischer Daten zu den tatsächlichen Kosten von Risikoklassen entscheidend für die Geschäftstätigkeit in verschiedenen Bereichen des Versicherungssektors. Auch gibt es offenbar keine Versicherungsgesellschaft, die für sich genommen über ausreichende statistische Risikodaten verfügt, um bei solchen Berechnungen zuverlässige Ergebnisse zu erzielen.

16.Durch den Austausch von Informationen in Form von gemeinsamen Erhebungen, Tabellen und Studien sind Versicherer in der Lage, zuverlässigere Statistiken zu erstellen und die versicherten Risiken besser zu verstehen. So können sie Risiken anschließend besser einstufen und damit Aufschläge bzw. letztlich die Verbraucherpreise senken. Der Austausch empirischer statistischer Daten fördert so das effiziente Funktionieren des Versicherungssektors. Indem solche Studien gemeinsam durchgeführt werden, verschaffen sich die Versicherer ferner ein genaueres Bild von der zu erwartenden künftigen Entwicklung der betreffenden Risiken. Derartige Argumente können in Bezug auf die gemeinsame Durchführung von Studien über den Ertrag verschiedener Anlageformen nicht angeführt werden. Zum einen fällt diese Kategorie nicht unter die Ermächtigungsverordnung von 1991, und zum anderen hängt der Ertrag einer Anlage nicht mit der Kenntnis eines versicherten Risikos oder der Festlegung von Risikoprämien zusammen. Alternative Anlageentscheidungen werden nicht nur im Versicherungssektor analysiert, sondern in Unternehmen in allen Wirtschaftszweigen.

17.Die Richtlinie betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit 7 (Solvabilität II), die zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist, enthält strengere Risikokapitalanforderungen und verpflichtet (Rück-)Versicherer zur Berechnung des „besten Schätzwerts“ für Verbindlichkeiten. Für Versicherer wird es dadurch umso wichtiger, über genauere und zuverlässigere Informationen zu Risiken zu verfügen, um in der Bilanz entsprechend kalkulierte Rückstellungen vornehmen zu können.

Gemeinsame Deckung bestimmter Arten von Risiken (Versicherungsgemeinschaften)

18.Nach Artikel 5 der GVO für den Versicherungssektor sind Vereinbarungen über die Bildung und die Tätigkeit von Gemeinschaften von Versicherungsunternehmen (Mitversicherungsgemeinschaften) oder Gemeinschaften von Versicherungsunternehmen und Rückversicherungsunternehmen (Mit-Rückversicherungsgemeinschaften) mit dem Ziel der gemeinsamen Abdeckung von Risiken unter bestimmten Voraussetzungen freigestellt. So darf insbesondere eine bestimmte Marktanteilsschwelle nicht überschritten werden (20 % bei Mitversicherungsgemeinschaften und 25 % bei Mit-Rückversicherungsgemeinschaften). Nach Artikel 6 sind ferner Mit(Rück)versicherungsgemeinschaften zur Deckung neuartiger Risiken ab dem Tag ihrer erstmaligen Gründung für eine Dauer von drei Jahren freigestellt.

19.So weit geht aus den bei der Überprüfung zusammengetragenen Angaben und Informationen hervor, dass Versicherer häufig zusammenarbeiten müssen, um bestimmte große ungewöhnliche Risiken z. B. im Zusammenhang mit Terrorismus, Atomkraft und Umweltschutz zu decken, wenn der Umfang und die Risikomischung die Abdeckung durch einen Einzelversicherer schwieriger machen. Bei kleineren und üblicheren Risikoklassen, wie Kfz und Lebensversicherungen hingegen übernehmen Versicherer die Risiken unabhängig voneinander. Wenn das Risiko aufgrund seiner Natur nicht von einem Versicherer allein gedeckt werden kann, da die Kapazitäten eines Einzelversicherers nicht ausreichen, wird es für die Versicherer durch Mit(Rück)versicherungen möglich, eine ausreichende Zahl an Risiken zu decken, so dass das Risikoprofil des Portfolios der einschlägigen Risikosparte insgesamt entspricht.

20.Wie es aussieht, hat der Versicherungsmarkt im Laufe des letzten Jahrzehnts wettbewerbsfähigere Formen der Mit(Rück)versicherung von Risiken entwickelt, wie die Mit(Rück)versicherung über einen federführenden Makler oder sog. Line-Slips (Deckungszusagen für bestimmte Sparten). Dabei handelt es sich um praktikable Alternativen zu den nach der GVO für den Versicherungssektor freigestellten institutionalisierten Mit(Rück)Versicherungsgemeinschaften. Der Versicherungsbereich ist ferner nicht der einzige, in dem Unternehmen bei bestimmten Großprojekten zur Zusammenarbeit tendieren, um die damit verbundenen Kosten und Risiken zu streuen (auch bei großen Bauvorhaben z. B. wird so vorgegangen).

21.Jedoch schließt diese Feststellung unter Umständen nicht völlig aus, dass im Versicherungssektor ein erhöhter Bedarf an Zusammenarbeit zur Deckung großer ungewöhnlicher Risiken besteht.

Schlussfolgerung

22.Die Kommission vertritt beim derzeitigen Sachstand daher die Auffassung, dass die beiden von der GVO für den Versicherungssektor abgedeckten Formen der Zusammenarbeit – mit Ausnahme der Studien über den Ertrag ihrer verschiedenen Anlageformen – eine Besonderheit des Versicherungssektors zu sein scheinen. Ob es objektiv gesehen gerechtfertigt ist, die in Kapitel II und III der geltenden GVO für den Versicherungssektor dargelegten Bestimmungen beizubehalten, hängt daher letztlich davon ab, ob es erforderlich ist, eine oder beide der Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und abgestimmten Verhaltensweisen, um die es darin geht, durch ein spezielles Rechtsinstrument wie eine GVO zu schützen, oder ob angemessene Erläuterungen ausreichen würden.

(b)Erforderlichkeit einer GVO

Informationsaustausch: Erhebungen, Tabellen und Studien

23.Um die Auswirkungen einer etwaigen Nichtverlängerung der GVO für den Versicherungssektor sorgfältig abzuschätzen, hat die Kommission im Rahmen der öffentlichen Konsultation die Interessenträger aufgefordert, potenzielle konkrete Veränderungen ihres Geschäftsgebarens genau zu beschreiben und die zusätzlichen Kosten, die ihnen daraus entstehen würden, sowie die letztendliche Auswirkung auf die Prämien zu quantifizieren oder zumindest ein Ranking dafür zu erstellen. Die überwiegende Mehrheit der Interessenträger hat jedoch keine Quantifizierung der erwarteten Auswirkungen einer Nichtverlängerung der GVO vorgenommen, sondern lediglich Anmerkungen allgemeiner Art zu den potenziellen Folgen einer weniger umfassenden Zusammenarbeit übermittelt.

24.Diejenigen Interessenträger (insbesondere Versicherungsgesellschaften und verbände), die sich zum künftigen Vorgehen in Bezug auf die Freistellung für gemeinsame Erhebungen, Tabellen und Studien geäußert haben, sprachen sich für eine Beibehaltung aus, führten jedoch lediglich allgemeine Argumente an. So gaben einige von ihnen an, die Nichtverlängerung würde in Bezug auf die Zulässigkeit einer Zusammenarbeit zu Rechtsunsicherheit führen und die geltenden horizontalen Leitlinien der Kommission 8 seien als Orientierungshilfe nicht ausreichend, um die Zulässigkeit selbst zu prüfen (da die Besonderheiten des Versicherungssektor nicht ausreichend berücksichtigt würden).

25.Den Antworten der Konsultationsteilnehmer zufolge würde sich diese angeblich mangelnde Rechtssicherheit in mehrfacher Hinsicht nachteilig auswirken, so beispielsweise durch höhere Befolgungskosten und möglicherweise eine weniger umfassende Zusammenarbeit. Diese Interessenträger weisen ferner darauf hin, dass die größeren etablierten Unternehmen, die zur präzisen Einstufung von Risiken unter Umständen keine zusätzlichen statistischen Daten benötigen, davon abgehalten werden könnten, diese Informationen mit kleineren Versicherern und potenziellen neuen Marktteilnehmern zu teilen, für die die Risikobewertung aufgrund ihrer geringen bzw. fehlenden Marktpräsenz schwieriger ist. Dies könnte den Wettbewerb beschränken und den Interessen der Verbraucher schaden. Nach Auffassung dieser Interessenträger nach sorgt die Bestimmung in der GVO für den Versicherungssektor, nach der anonymisierte, aggregierte statistische Risikodaten zu angemessenen und diskriminierungsfreien Konditionen und erschwinglichen Preisen verfügbar gemacht werden müssen, für gleiche Ausgangsbedingungen für kleinere und größere Versicherer und erleichtert Markteintritte.

26.Diese Interessenträger geben ferner an, dass bei Verfügbarkeit von weniger Risikoinformationen das Vertrauen in die für die Versicherer obligatorische Berechnung des „besten Schätzwerts“ für ihre Verbindlichkeiten abnehmen und die Rückstellungen zunehmen könnten, um für Unsicherheitsfaktoren und Eventualverbindlichkeiten vorzusorgen.

27.Die Kommission vertritt jedoch die Auffassung, dass die existierenden Orientierungshilfen ausreichen, um die Vorteile des Informationsaustauschs zu gewährleisten.

28.Die horizontalen Leitlinien der Kommission, die nach Inkrafttreten der GVO für den Versicherungssektor veröffentlicht wurden, enthalten ein Kapitel speziell zu Vereinbarungen über den Informationsaustausch. Darin werden Grundsätze vorgestellt, die für den Versicherungssektor in vollem Umfang gelten und eine gute Grundlage bilden, um die Zulässigkeit der gemeinsamen Erstellung und Verbreitung von Erhebungen, Tabellen und Studien selbst zu prüfen.

29.So heißt es in den Leitlinien ausdrücklich: „Im Falle des Austauschs echter aggregierter Daten, d. h. von Daten, die nur mit hinreichender Schwierigkeit Rückschlüsse auf individuelle unternehmensspezifische Daten zulassen, sind wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen viel weniger wahrscheinlich als beim Austausch unternehmensspezifischer Daten.“ 9  Und weiter: „Die Sammlung und Veröffentlichung von aggregierten Marktdaten (wie Verkaufsdaten, Daten über Mengen oder über Kosten der Vorleistungen und Komponenten) durch Berufsverbände und Unternehmen, die Marktdaten liefern, kann sowohl für Anbieter als auch für Kunden gewinnbringend sein, da sie ihnen erlaubt, sich ein deutlicheres Bild der Wirtschaftslage in einem Bereich zu machen. Diese Datensammlung und Veröffentlichung kann Marktteilnehmern ermöglichen, in besserer Kenntnis individuelle Entscheidungen zu treffen, um ihre Strategie in effizienter Weise den Marktbedingungen anzupassen. Im Allgemeinen ist es wenig wahrscheinlich, dass der Austausch aggregierter Daten zu wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen führt, außer im Falle eines solchen Austauschs in einem engen Oligopol.“ 10  

30.Ferner steht in den Leitlinien: „Auch der Austausch von Verbraucherdaten zwischen Unternehmen auf Märkten mit asymmetrischen Informationen über Verbraucher kann Effizienzgewinne erzeugen. So ist die Aufzeichnung vergangenen Verbraucherverhaltens bei Unfällen oder Kreditausfällen für Verbraucher ein Anreiz, ihre Risikoexposition in Grenzen zu halten. Zudem ermöglicht ein solcher Austausch den Unternehmen festzustellen, welche Verbraucher geringere Risiken tragen und in den Genuss niedrigerer Preise kommen sollten. In diesem Zusammenhang kann ein Informationsaustausch auch ein Kunden-Lock-In lockern und damit den Wettbewerb fördern. Schließlich ist zu bedenken, dass die Informationen grundsätzlich je nach vertraglicher Beziehung variieren und die Verbraucher im Falle eines Wechsels zu einem anderen Wettbewerber die mit diesen Informationen verbundenen Vorteile verlieren würden. Beispiele für derartige Effizienzgewinne finden sich im Banken- und Versicherungssektor, in dem häufig Informationen über Kundenverzug und Risikomerkmale ausgetauscht werden.“ 11  

31.Die Leitlinien schützen diese Art von Zusammenarbeit im Versicherungssektor. Die Grundsätze spiegeln diejenigen in der GVO für den Versicherungssektor wider und stellen den Informationsaustausch zwischen Versicherern frei. Würde die GVO für den Versicherungssektor nicht verlängert, wären gleichwertige Orientierungshilfen der Kommission bereits vorhanden, anhand derer die Versicherer die Zulässigkeit ihrer Zusammenarbeit selbst prüfen könnten. Eine Vereinbarkeitsprüfung durch nationale Versicherungsverbände, den derzeit wichtigsten Vermittlern für die Erhebung und Verbreitung von Risikodaten, dürfte aus diesem Grund nicht zu einer erheblichen Veränderung bei den Befolgungskosten nach den horizontalen Leitlinien führen. Die einschlägigen Verbände und Vermittler sind im Rahmen der GVO für den Versicherungssektor und der Verordnung 1/2003 12 verpflichtet zu gewährleisten, dass die Sammlung und Verbreitung von Risikodaten in der Form von Erhebungen, Tabellen und Studien mit diesen inhaltlichen Bestimmungen im Einklang stehen.

32.Auch in Bezug auf die Anreize erscheint die Gefahr, dass die Zusammenarbeit bei gemeinsamen Erhebungen, Tabellen und Studien im Falle der Nichterneuerung des einschlägigen Kapitels der GVO im Versicherungssektor abnimmt, sehr gering. Wenn die Zusammenarbeit in diesem Bereich für die Versicherungswirtschaft so unerlässlich ist, wie von Versicherungsgesellschaften im Rahmen der öffentlichen Konsultation angegeben, dürfte der Bedarf an Zusammenarbeit mit größter Wahrscheinlichkeit schwerer wiegen als die Verringerung der Rechtssicherheit, die aus dem Auslaufen der Freistellung entstehen könnte.

33.Daher ist derzeit fraglich, ob die Beibehaltung der GVO für den Versicherungssektor in Bezug auf gemeinsame Erhebungen, Tabellen und Studien erforderlich ist, besonders angesichts der alternativen Orientierungshilfen (darunter eine Mitteilung), die gegebenenfalls als Ergänzung zu den einschlägigen Bestimmungen in den horizontalen Leitlinien herangezogen werden könnten. Zusammenfassend ist die Kommission der Auffassung, dass fraglich ist, ob eine besondere GVO für den Versicherungssektor erforderlich ist, um das ordnungsgemäße Funktionieren des Sektors und bestimmte Formen des Informationsaustauschs zu gewährleisten.

Gemeinsame Deckung bestimmter Arten von Risiken (Versicherungsgemeinschaften)

34.Die Interessenträger, die an der öffentlichen Konsultation teilgenommen haben (in erster Linie Versicherungsunternehmen und ihre Verbände), führten generell an, dass der Wegfall der Freistellung von Versicherungsgemeinschaften zu geringerer Rechtssicherheit in Bezug auf die Zulässigkeit der Zusammenarbeit in Form von Versicherungsgemeinschaften und damit wiederum zu höheren Befolgungskosten für die Versicherer führen würde. Versicherer würden in Bezug auf den Abschluss bestimmter Vereinbarungen über Mitversicherungsgemeinschaften dann übermäßig zögern. Ferner würden Versicherer deshalb möglicherweise höhere Prämien verlangen und in einigen Fällen käme es gar zur Auflösung bestehender Versicherungsgemeinschaften, so insbesondere im Bereich der erhöhten Risiken und der Katastrophenrisiken. Zum Nachteil der Verbraucher würden bestimmte Mitversicherungsprodukte dann vielleicht nicht mehr angeboten.

35.Die Konsultationsteilnehmer haben diese allgemeinen Aussagen zu den angeblichen negativen Auswirkungen der potenziellen Nichtverlängerung der Freistellung von Versicherungsgemeinschaften jedoch nicht durch konkrete Belege untermauert. In bestimmten Abschnitten des Fragebogens wurde um eine ausführliche Erläuterung der Veränderungen im Geschäftsgebaren gebeten, die sich aus der Nichtverlängerung der Freistellung ergeben würden; zudem sollten die Auswirkungen auf Kosten und Preise quantifiziert und ein Rating vorgenommen werden. Diese Abschnitte haben die meisten Teilnehmer jedoch gar nicht ausgefüllt.

36.Vor der Einleitung der öffentlichen Konsultation veröffentlichte die Kommission eine Studie über Mit(Rück)versicherungsgemeinschaften und Ad-hoc-Mit(Rück)versicherungen auf dem Zeichnungsmarkt 13 , die sich auf Befragungen in der gesamten EU-27 stützte. Auf der Grundlage der Begriffsbestimmung in der GVO für den Versicherungssektor wurden in der gesamten EU lediglich 46 14 aktive Versicherungsgemeinschaften gezählt. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass viele Versicherungsgemeinschaften zur Deckung von Katastrophenrisiken eingerichtet werden (z. B. für Risiken in den Bereichen Atomkraft, Umwelt und Terrorismus), jedoch nicht alternativlos sind, da Versicherungsmärkte und andere Mechanismen, z. B. staatliche Garantien für Versicherer, ebenfalls einige dieser Risiken abdecken. Neben solchen Versicherungsgemeinschaften für große Risiken gebe es andere Vereinbarungen zwischen Versicherern zur Deckung von Risiken, die der Versicherungsmarkt nicht decken möchte, oder um eine Marktnische zu nutzen; dabei schlössen sich Versicherer zusammen, um auf dem Zeichnungsmarkt Kapazität anzubieten. 15  

37.Die Zahl der Versicherungsgemeinschaften war somit deutlich niedriger als ursprünglich erwartet. Von 100 angeblich als unter die GVO für den Versicherungssektor fallenden Vereinbarungen zwischen Versicherern wurde nach Befragungen festgestellt, dass 39 nicht unter den Gegenstand der Studie fielen. 16 Die verbleibenden 61 Versicherungsgemeinschaften wurden als potenziell unter die Begriffsbestimmung fallend angesehen, allerdings waren 15 von ihnen nicht mehr aktiv, sondern wurden abgewickelt. 17 Fast ein Viertel der unter die GVO-Begriffsbestimmung fallenden Versicherungsgemeinschaften hatte demnach beschlossen, aus dem Markt auszuscheiden, wodurch die Zahl der Gemeinschaften, die der Begriffsbestimmung entspricht, weiter abgenommen hat.

38.In Bezug auf die Nutzung der Freistellung für Versicherungsgemeinschaften heißt es in der Studie 18 ferner, dass die Antwortquoten auf Fragen zur Selbstprüfung, dem relevanten Markt und Marktanteilen enttäuschend ausgefallen sind. Einige Gemeinschaften hätten keine vollständige Selbstprüfung vorgenommen, da sie die Freistellung für die Deckung neuartiger Risiken für anwendbar hielten oder sehr zuversichtlich waren, dass ihr Marktanteil unter dem Schwellenwert von 20 % lag. Insgesamt sei die Kenntnis der GVO für den Versicherungssektor sehr gemischt, auch wenn die Versicherungsgemeinschaften, die ihre Stellung seit Erlass der neuen GVO neu bewertet hatten, keine Änderung in Bezug auf ihren Compliance-Status meldeten.

39.Wie die Studie zeigt 19 , bestehen Unsicherheiten in Bezug auf die Begriffsbestimmung, was die Gefahr birgt, dass die Versicherungswirtschaft unter Versicherungsgemeinschaften nicht genau das versteht, was mit der GVO beabsichtigt war, so dass Klärungsbedarf bestünde: sowohl hinsichtlich der Zuordnung als Versicherungsgemeinschaft an sich als auch der Begriffsbestimmung, wenn Vereinbarungen, die Versicherungsgemeinschaften ähneln, auf Initiative von anderen Akteuren als Versicherern, insbesondere Vermittlern, organisiert werden. In diesem Zusammenhang könnte eine weitergehende Studie erforderlich sein.

40.In der Studie wurde auch festgestellt, dass die Funktionsweise von Versicherungsgemeinschaften nicht einheitlich ist und jede solche Gemeinschaft eine separate Prüfung erfordert.

41.Die Ergebnisse der Studie wurden im März 2013 bei einem Workshop mit Interessenträgern erörtert. Folgende Feststellungen bestätigten sich:

Auf dem Mit(Rück)versicherungsmarkt gibt es bereits Formen der Zusammenarbeit, die sich von Versicherungsgemeinschaften unterscheiden, aber eine ähnliche Rolle spielen

auf dem Markt besteht Klärungsbedarf in Bezug auf die Frage, welche dieser Kooperationsformen Mit(Rück)versicherungsgemeinschaften im Sinne der GVO für den Versicherungssektor darstellen und folglich unter die entsprechende Freistellung fallen könnten;

möglicherweise ist nicht allen Marktteilnehmern klar, wie der sachlich und der räumlich relevante Markt, auf denen die Versicherungsgemeinschaften tätig sind, abzugrenzen sind und was unter einem „neuartigen Risiko“ im Sinne der GVO für den Versicherungssektor zu verstehen ist

obgleich Marktteilnehmer der Auffassung sind, dass Versicherungsgemeinschaften für bestimmte Risiken noch erforderlich sind, räumen sie ein, dass die Entwicklung auf dem Markt hin zu flexibleren und wettbewerbsfreundlicheren Mit(Rück)versicherungslösungen gehen könnte.

42.Nach Artikel 5 der GVO für den Versicherungssektor sind Vereinbarungen über Versicherungsgemeinschaften in Bezug auf die Bildung und die Tätigkeit von Versicherungspools freigestellt. Die Kommission unterscheidet in ihrer Entscheidungspraxis 20 zwischen der „Bildung“ und der „Tätigkeit“ (Funktionsweise). Was die Bildung von Versicherungsgemeinschaften angeht, bedeutet die Tatsache allein, dass eine Versicherungsgemeinschaft erforderlich sein könnte, nicht unbedingt, dass sie den Wettbewerb nicht verfälscht. Die Kommission muss erst die Funktionsweise der Gemeinschaft prüfen, indem sie untersucht, ob etwaige zusätzliche Vereinbarungen zwischen den Mitgliedern in Bezug auf die Tätigkeit tatsächlich vollständig auf das Funktionieren der Versicherungsgemeinschaft ausgerichtet und damit erforderlich ist. In mehreren Fällen 21 hat die Kommission die Auffassung vertreten, dass die Vereinbarkeit einer Versicherungsgemeinschaft insgesamt nicht gegeben sein kann, wenn sie auch unter weniger wettbewerbsbeschränkenden Bedingungen rentabel sein könnte; diese Regel für die Vereinbarkeit gilt bis heute.

43.Die im Rahmen der Überprüfung gemachten Eingaben zu Markttrends deuten darauf hin, dass die Zusammenarbeit zwischen (Rück-)Versicherern zur Mit(Rück)versicherung von Risiken derzeit sehr heterogen ist und keineswegs auf die institutionalisierten und nach der GVO für den Versicherungssektor freigestellten Versicherungsgemeinschaften angewiesen ist. Die Überprüfung zeigt eine deutliche und sich weiter verstärkende Entwicklung auf dem Markt, die weg geht von institutionalisierten Versicherungsgemeinschaften, die auf Initiative der Versicherer selbst gegründet werden, und hin zu wettbewerbsfreundlicheren Formen der Zusammenarbeit zwischen (Rück-)Versicherern.

44.Diese alternativen Mit(Rück)versicherungsvereinbarungen werden häufig von Vermittlern/Maklern auf den Weg gebracht, die auf eigene Initiative oder auf Wunsch eines Kunden oder Versicherers, häufig über Ausschreibungen, maßgeschneidert Produktlinien oder Versicherungspakete bilden. Im Gegensatz zu den herkömmlichen institutionalisierten Versicherungsgemeinschaften fallen diese wettbewerbsfreundlicheren Formen der Mit(Rück)versicherung nicht unter die GVO für den Versicherungssektor, obgleich sie angesichts ihrer Eigenschaften möglicherweise besser geeignet sind, Effizienzgewinne für beide Seiten zu erzeugen. Solche alternativen Mit(Rück)versicherungsvereinbarungen führen zu Wettbewerb unter den Versicherern, dessen Intensität sich nach dem im Rahmen der Verhandlungen vom Vermittler/Makler zugelassenen Umfang der Abstimmung zwischen Versicherern richtet. Da es demnach offensichtlich Alternativen zu den nach der GVO für den Versicherungssektor freigestellten Versicherungsgemeinschaften in Form von weniger wettbewerbsbeschränkenden Formen der Mit(Rück)versicherung gibt, erscheint zweifelhaft, dass die geltende GVO für den Versicherungssektor den wirksamen Wettbewerb in diesem Bereich hinreichend schützt und gleichzeitig Verbrauchern Vorteile bietet.

45.Die im Zuge der Überprüfung eingegangenen Rückmeldungen zur Wettbewerbssituation waren nicht einheitlich. Mehrheitlich vertreten die Versicherer und Versicherungsverbände die Auffassung, dass die Märkte vom Wettbewerb bestimmt sind. Der einzige Kunde jedoch, der sich im Rahmen der öffentlichen Konsultation zu Wort meldete, vertrat die Auffassung, dass der Markt für Versicherungen für Atomrisiken nicht vom Wettbewerb bestimmt sei, weil es Versicherungsgemeinschaften gebe. Diesen Standpunkt teilten die Kunden im Energiesektor, denen nach der öffentlichen Konsultation ein gezielter Fragebogen übermittelt wurde: Alle vertraten die Meinung, dass sich die GVO für den Versicherungssektor negativ auswirke, wenn es um die Aushandlung von Prämien gehe.

46.Nach einer eingehenden Analyse der im Rahmen der Überprüfung zusammengetragenen Informationen vertritt die Kommission beim derzeitigen Stand die Auffassung, dass die allgemeine Freistellung von Versicherungsgemeinschaften unter Umständen die strengen Voraussetzungen für die Schaffung eines solchen speziellen Rechtsinstruments wie einer GVO nicht erfüllt. Eine GVO für eine bestimmte Gruppe von Vereinbarungen ist nur dann gerechtfertigt, wenn mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass aus der freigestellten Gruppe von Vereinbarungen tatsächlich ein Nutzen entsteht, der zu einem angemessenen Teil auch den Verbrauchern zugute kommt. Außerdem müssen die freigestellten Wettbewerbsbeschränkungen unerlässlich sein, d. h. es wäre nicht möglich, die mit der Zusammenarbeit verfolgten Ziele mit weniger wettbewerbsbeschränkenden Mitteln zu erreichen. Diese Beurteilung der Angemessenheit ist schwierig und kann nur durch eine individuelle Selbstprüfung der Funktionsweise der Versicherungsgemeinschaft und ihrer Auswirkungen erfolgen.

47.Unter den derzeitigen Marktbedingungen und im Lichte der verfügbaren Informationen zur Verwendung und zum Funktionieren der GVO für den Versicherungssektor vertritt die Kommission beim derzeitigen Stand die Auffassung, dass nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass die nach der GVO freigestellten wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen über Versicherungsgemeinschaften die vier Voraussetzungen für die Vereinbarkeit nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV 22 erfüllen.

48.Hinzu kommt, dass die derzeitige Freistellung für Versicherungsgemeinschaften auf dem Mit(Rück)versicherungsmarkt kaum genutzt und daher nur am Rande relevant ist. Aus den im Rahmen der Überprüfung zusammengetragenen Informationen geht hervor, dass die Freistellung ohnehin lediglich für einen begrenzten Teil des Mit(Rück)versicherungsmarktes gilt, nämlich für Katastrophenrisiken und erhöhte Risiken. Der Studie der Kommission zu Mit(Rück)versicherungsgemeinschaften zufolge könnten relativ wenige (nur 46) institutionalisierte Versicherungsgemeinschaften unter die Freistellung nach der GVO für den Versicherungssektor fallen. Außerdem deutet die Überprüfung beim derzeitigen Stand darauf hin, dass die geltende Freistellung kaum genutzt wird, da ein erheblicher Teil der potenziellen Begünstigten erklärte, ihre diesbezügliche Tätigkeit falle nicht in den Anwendungsbereich der GVO für den Versicherungssektor. So führten zwei der vier Versicherungsgemeinschaften, die an der öffentlichen Konsultation teilnahmen, und 20 (also zwei Drittel) der Versicherungsgemeinschaften, die auf später an eine breitere Auswahl von Versicherungsgemeinschaften übermittelte Fragebögen reagierten, an, sie benötigten die Freistellung nach der GVO nicht, da ihre Zusammenarbeit den Wettbewerb ohnehin nicht beschränke.

49.Ferner ergab die Überprüfung, dass ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit einer GVO für Versicherungsgemeinschaften bestehen. Im Versicherungssektor sind die Bedingungen für die Mit(Rück)versicherung von Risiken sehr heterogen und komplex geworden, und die Abgrenzung der relevanten Märkte und die Berechnung von Marktanteilen ist mit Schwierigkeiten verbunden, so dass kaum festgestellt werden kann, ob die restriktiven und klar formulierten rechtlichen Voraussetzungen für die Schaffung einer GVO erfüllt sind. Aus den Stellungnahmen einiger Interessenträger geht hervor, dass die Bestimmung des Begriffs der Versicherungsgemeinschaft nicht eindeutig und präzise ist, bzw. dass unklar ist, wie die relevanten Märkte im Versicherungssektor abzugrenzen sind. Ist eine Freistellung schwer anzuwenden, weil im Zusammenhang mit den beiden Elementen, die dafür entscheidend sind, Unsicherheit besteht, ist sehr fraglich, ob sie zweckmäßig und gerechtfertigt ist.

3.    SCHLUSSFOLGERUNGEN UND VORSCHLÄGE

50.Aus den oben dargelegten Gründen vertritt die Kommission die Auffassung, dass zwar Hinweise auf einen erhöhten Bedarf an Zusammenarbeit im Versicherungssektor in Bezug auf die Erhebung und Verbreitung von gemeinsamen Berechnungen, Tabellen und Studien und die Mit(Rück)versicherung bestimmter Arten von Risiken vorliegen, die strengen Voraussetzungen für die Schaffung einer sektorspezifischen GVO für diese Gruppen von Vereinbarungen jedoch nicht länger gegeben zu sein scheinen.

51.Für die Erhebung und Verbreitung von gemeinsamen Berechnungen, Tabellen und Studien ist der Mehrwert einer spezifischen Gruppenfreistellung fraglich. Die Kommission ist beim derzeitigen Stand der Auffassung, dass die Arbeitsweise der Versicherungswirtschaft keine GVO für den Versicherungssektor mehr erforderlich macht. Die horizontalen Leitlinien bieten bereits Orientierung dafür, wie die Zulässigkeit dieser Form der Zusammenarbeit von der Versicherungswirtschaft selbst geprüft werden kann. Erforderlichenfalls kann die Kommission weitere konkrete Orientierungshilfen geben; ein solches alternatives und weit flexibleres Instrument kann leichter an sich wandelnde Verhältnisse angepasst werden.

52.Was Mit(Rück)versicherungsgemeinschaften angeht, vertritt die Kommission beim derzeitigen Stand vorläufig die Auffassung, dass eine Verlängerung der GVO für den Versicherungssektor nicht gerechtfertigt ist, da sie nur begrenzt genutzt wird, dadurch auch nur begrenzt relevant ist und die konkrete Gefahr der Fehlanwendung besteht. Um eine solche Ausnahme von den Wettbewerbsvorschriften vorzusehen, muss die Kommission mit hinreichender Sicherheit annehmen können, dass die betreffende Form der Zusammenarbeit – insbesondere in Bezug auf Wirksamkeit und Effizienz – alle erforderlichen Voraussetzungen für die Feststellung der Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt erfüllt, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Versicherungsmarkt für die Zwecke der Mit(Rück)versicherung von Risiken derzeit eine Reihe heterogener und weniger restriktiver Alternativen zu Versicherungsgemeinschaften bietet, die potenziell wettbewerbsfreundlicher sind.

53.Das Auslaufen der Freistellung für Versicherungsgemeinschaften würde nicht bedeuten, dass sie verboten wären, sondern dass die Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt auf der Grundlage derselben Wettbewerbsvorschriften erfolgen würde wie in anderen Wirtschaftszweigen.

54.Daher ist die Kommission beim derzeitigen Stand der Auffassung, dass eine Selbstprüfung in jedem Einzelfall auf der Grundlage der horizontalen Leitlinien der Kommission im Endeffekt positive Auswirkungen für die Verbraucher und den Wettbewerb im Sinne des Artikels 101 Absatz 3 AEUV gewährleisten wird.

55.Alle in diesem Bericht getroffenen Feststellungen und Schlussfolgerungen sind vorläufig und greifen den Ergebnissen der weiteren Prüfung durch die Kommission und der Gespräche mit Interessenträgern nicht vor. Abgeschlossen wird die Prüfung mit der Vorlage eines Folgenabschätzungsberichts Anfang des Jahres 2017.

56.Werden die Freistellungen nach der GVO für den Versicherungssektor nicht verlängert, kann die Kommission beschließen, (als Ersatz für die derzeitige Mitteilung zur GVO für den Versicherungssektor, die mit dem Auslaufen der entsprechenden GVO hinfällig wird) weitere Orientierungshilfen zu den Grundsätzen für die Selbstprüfung von nicht mehr freigestellten Vereinbarungen zu veröffentlichen.

57.Im Anschluss an die Veröffentlichung dieses Berichts plant die Kommission im Rahmen des Folgenabschätzungsverfahrens eine Gesprächsrunde mit Interessenträgern über ihre vorläufigen Schlussfolgerungen.

58.Die Kommission beabsichtigt ferner, die Schlussfolgerungen der beiden laufenden Studien zu Themen im Zusammenhang mit dem Funktionieren der GVO für den Versicherungssektor zu veröffentlichen und, sofern erforderlich, mit Interessenträgern zu erörtern.

(1)  ABl. L 143 vom 7.6.1991, S. 1.
(2)  ABl. L 83 vom 30.3.2010, S. 1.
(3)  Mitteilung der Kommission über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Versicherungssektor (ABl. L 82 vom 30.3.2010, S. 2).
(4)  Einzelheiten zu diesem Verfahren sind dem Datenblatt „Inception Impact Assessment“ (Folgenabschätzung in der Anfangsphase) zu entnehmen:
http://ec.europa.eu/smart-regulation/roadmaps/docs/2016_comp_001_review_iber_en.pdf .
(5)  Nationale Wettbewerbsbehörden der 28 EU-Mitgliedstaaten und EFTA- Überwachungsbehörde.
(6)   http://ec.europa.eu/competition/calls/tenders_open.html .
(7) Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (ABl. L 335 vom 17.12.2009, S. 1).
(8)  Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, Mitteilung der Kommission (ABl. C 11 vom 14.1.2011, S. 1).
(9)  Randnr. 89.
(10)  Randnr. 89.
(11)  Randnr. 97.
(12)  Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln.
(13)  „Study on co(re)insurance pools and on ad hoc co(re)insurance agreements on the subscription market“ (Studie über Mit(Rück)versicherungsgemeinschaften und Ad-hoc-Mit(Rück)versicherungen auf dem Zeichnungsmarkt),
http://ec.europa.eu/competition/sectors/financial_services/KD0414707ENN.pdf .
(14)  47 auf der Ebene der EU-28.
(15)  Siehe Zusammenfassung der Studie, S. ii.
(16) Siehe S. 13, Randnr. 59, und S. 309, Tabelle 2.
(17)  Siehe Zusammenfassung (S. ii), S. 41, Randnr. 162 und Tabelle 13.
(18)  Siehe Zusammenfassung, S. iii.
(19)  Siehe Zusammenfassung, S. iii.
(20)  Entscheidung P&I Clubs von 1985 (Sachen 30373 und 37143); Entscheidung Assurpol; Entscheidung TEKO; Entscheidung Lloyd’s/ILU; vier Patronatserklärungen für Versicherungsgemeinschaften im Bereich Atomenergie, Svenska Atomförsäkringspoolen (Sache COMP/37.363), Versicherungsgemeinschaft Italiano Rischi Atomici (Sache COMP/34.985) und Aseguradores Riesgos Nucleares (Sache COMP/34.558), siehe XXXI. Bericht über die Wettbewerbspolitik 2001, Randnr. 203, und Deutsche Kernreaktorversicherungsgemeinschaft (DKVG) (Sache COMP/36.053), siehe XXXII. Bericht über die Wettbewerbspolitik 2002, S. 218. Siehe auch Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen zum Bericht über die GVO für den Versicherungssektor von 2009 (SEC(2009) 364), Randnr. 125.
(21)  Beispielsweise Assurpol (ABl. L 37 vom 14.2.1992, S. 16) und P&I Clubs (ABl. L 125 vom 19.5.1999, S. 12).
(22)  Siehe Randnummer 1.
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