EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52016DC0127

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Einleitung einer Konsultation über eine europäische Säule sozialer Rechte

COM/2016/0127 final

Straßburg, den 8.3.2016

COM(2016) 127 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Einleitung einer Konsultation über eine europäische Säule sozialer Rechte

{SWD(2016) 50 final}
{SWD(2016) 51 final}


1. Einleitung

In seiner Rede vor dem Europäischen Parlament zur Lage der Union am 9. September 2015 kündigte Präsident Juncker die Einführung einer europäischen Säule sozialer Rechte an. Diese Initiative ist Teil der Arbeiten der Kommission an einer vertieften und faireren Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) 1 sowie Teil des Arbeitsprogramms 2016 der Kommission.

In seiner Rede hielt Präsident Juncker Folgendes fest: „[Wir müssen] die Arbeiten an einem fairen und wahrhaft europäischen Arbeitsmarkt vorantreiben. [...] In diesem Zusammenhang möchte ich eine europäische Säule sozialer Rechte entwickeln, die die sich verändernden Realitäten in den europäischen Gesellschaften und in der Arbeitswelt widerspiegelt. Und die uns als Kompass für eine erneute Konvergenz innerhalb des Euro-Raums dienen kann. Die[se] europäische Säule sozialer Rechte sollte das ergänzen, was wir gemeinsam zum Schutze der Arbeitnehmer in der EU erreicht haben. Ich erwarte, dass die Sozialpartner in diesem Prozess eine zentrale Rolle einnehmen. Ich glaube, wir tun gut daran, mit dieser Initiative innerhalb des Euro-Raums zu beginnen und anderen EU-Mitgliedstaaten anzubieten, sich anzuschließen, wenn sie es wünschen.“

Die vorliegende Mitteilung beschreibt das weitere Vorgehen in Zusammenhang mit der europäischen Säule sozialer Rechte. Sie skizziert die Gründe für die Initiative, erläutert deren Rolle, Umfang und Art und leitet eine umfassende Konsultation ein, mit der Feedback eingeholt werden soll. Ein erster, vorläufiger Entwurf der Säule ist dieser Mitteilung beigefügt. Er soll die Diskussion erleichtern. Der Mitteilung sind außerdem zwei Arbeitsunterlagen der Kommissionsdienststellen beigefügt: Die erste beschreibt die wichtigsten Trends in der Wirtschaft, in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt, die die Grundlage der Säule bilden und die es aufzugreifen gilt, die zweite gibt einen Überblick über den rechtlichen Besitzstand („acquis“) auf EU-Ebene, der in diesem Zusammenhang von Belang ist. 2

2. Warum eine europäische Säule sozialer Rechte?

2.1 Eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft

Das Handeln auf EU-Ebene spiegelt die Gründungsprinzipien der Union wider und basiert auf der Überzeugung, dass wirtschaftliche Entwicklungen in wachsenden sozialen Fortschritt und größeren sozialen Zusammenhalt münden sollten und dass die Sozialpolitik nicht nur angemessene Sicherheitsnetze in Einklang mit den europäischen Werten gewährleisten, sondern auch als produktiver Faktor betrachtet werden sollte, der Ungleichheiten abbaut, die Schaffung von Arbeitsplätzen maximiert und die Entfaltung des europäischen Humankapitals ermöglicht. Diese Überzeugung lässt sich durch Daten zur Leistung im Beschäftigungs- und Sozialbereich untermauern. Die Mitgliedstaaten mit den besten wirtschaftlichen Ergebnissen haben ehrgeizigere und effizientere sozialpolitische Strategien entwickelt, nicht nur im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung, sondern als ein Kernelement ihres Wachstumsmodells. Der Schlüssel hierfür liegt in der Ausgestaltung von Wohlfahrtssystemen und Arbeitsmarktstrukturen, die ihren Aufgaben gerecht werden und die Schaffung von Arbeitsplätzen unterstützen.

Dieser Ansatz ist auch ein zentraler Aspekt der allgemeinen wirtschaftspolitischen Agenda dieser Kommission, wie der Jahreswachstumsbericht der Kommission 2016 belegt. Mit ihrer Ausrichtung auf die Förderung von Strukturreformen, Investitionen und einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik hat die Kommission den Schwerpunkt unmissverständlich auf soziale Erwägungen und soziale Fairness gelegt.

Entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip sind in erster Linie die Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Beschäftigungs- und Sozialpolitik zuständig. Dazu gehören das Arbeitsrecht und die Wohlfahrtssysteme. Diese Zuständigkeit ist in den EU-Verträgen niedergelegt; im Übrigen ist seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vorgesehen, dass die EU die Maßnahmen der Mitgliedstaaten ergänzen kann. Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union spiegelt dieses allgemeine Ziel wider, indem er festhält, dass die Union „auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität“ hinwirkt.

Deshalb ist die Schaffung und Vertiefung des europäischen Binnenmarkts Hand in Hand mit der Entwicklung eines rechtlichen Besitzstands im Sozialbereich auf EU-Ebene gegangen, mit dem Ziel, gleiche Ausgangsbedingungen zu gewährleisten, das Risiko von Sozialdumping oder eines Wettlaufs „nach unten“ zu vermeiden und die wirtschaftliche und soziale Integration zu erleichtern. Dies ist auch der Grund, warum seit den 1990er Jahren beschäftigungs- und sozialpolitische Erwägungen ein wesentliches Merkmal des Prozesses der wirtschaftspolitischen Koordinierung auf EU-Ebene sind, der nunmehr als Europäisches Semester bekannt ist. Die Gründe für eine europäische Säule sozialer Rechte folgen dieser Logik und greifen eine zweifache Notwendigkeit auf: Überwindung der Krise mit Blick auf die Zukunft und Übergang zu einer vertieften und faireren WWU.

2.2 Überwindung der Krise mit Blick auf die Zukunft

Europa erholt sich allmählich von seiner schwersten Krise seit Jahrzehnten: Die einzelnen Mitgliedstaaten und die EU als Ganzes haben mit den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen zu kämpfen und versuchen gleichzeitig, künftige Entwicklungen zu antizipieren. Die Krise hatte gravierende und sichtbare Auswirkungen auf die europäische Gesellschaft und Wirtschaft. Die Wohlfahrtssysteme haben zwar einige Auswirkungen abgefedert, aber die Arbeitslosigkeit ist angestiegen, ein erheblicher Anteil der Bevölkerung ist von Armut bedroht, die öffentlichen Haushalte stoßen an ihre Grenzen und die Leistungen der einzelnen Länder haben sich sehr unterschiedlich entwickelt. Vor allem die Arbeitslosigkeit fordert seit Jahren ihren Tribut von den Bürgerinnen und Bürgern und der Gesellschaft insgesamt: noch immer sind nahezu 22 Millionen Menschen arbeitslos und auf Arbeitsuche (fast 17 Millionen im Euro-Raum), 10 Millionen von ihnen seit mehr als einem Jahr.

Überdies hat die Krise einige grundlegendere Langzeitrends verschleiert, andere dagegen verstärkt. Dazu gehören z. B. Veränderungen in den Gesellschafts- und Familienstrukturen sowie den Arbeitsmustern; ein längeres und vielfältigeres Erwerbsleben; eine stärker diversifizierte Erwerbsbevölkerung und die Verbreitung neuer Arbeitsformen; das Paradox von steigendem Bildungsniveau einerseits und weit verbreitetem Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und –nachfrage andererseits; zunehmende Ungleichheiten; neue Bedürfnisse und Möglichkeiten im Zuge der höheren Lebenserwartung und der Alterung der Bevölkerung; der technologische Wandel und die Digitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft.

Art und Umfang der Herausforderungen für die Arbeitswelt und die Gesellschaft im Allgemeinen haben sich im Vergleich zum 20. Jahrhundert grundlegend geändert, und es zeichnen sich viele neue oder künftige Entwicklungen ab, an die Europa sich anpassen muss. Die Ziele der Sozialpolitik und ihre Fähigkeit, Ergebnisse zu erzielen, stehen auf dem Prüfstand. Europas Vermögen, gut funktionierende und faire Arbeitsmärkte zu schaffen, ist entscheidend für seine Fähigkeit, die Produktivität zu steigern, im weltweiten Wettbewerb zu bestehen, den sozialen Zusammenhalt zu verstärken und den Lebensstandard seiner Bürgerinnen und Bürger weiterhin zu erhöhen.

Solche Überlegungen gewinnen auf internationaler Ebene und in den einzelnen Mitgliedstaaten zunehmend an Bedeutung. 3 Wie in den im September 2015 von den Vereinten Nationen angenommenen Zielen für eine nachhaltige Entwicklung und in Schlussfolgerungen der G20 wiederholt zum Ausdruck gebracht, setzen sich ungeachtet der Ungewissheit über die Zukunft immer stärker die Erkenntnis und der weltweite Konsens durch, dass Verknüpfungen zwischen wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Entwicklung notwendig sind, dass Ungleichheiten die Wirtschaftsentwicklung hemmen und dass es eines stärker inklusiven Wachstumsmodells bedarf. Diese globale Agenda stützt sich weitgehend auf die zahlreichen Untersuchungen internationaler Organisationen, wie z. B. der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der Weltbank, der Internationalen Arbeitsorganisation und des Internationalen Währungsfonds.

Diese Veröffentlichungen verdeutlichen, dass Investitionen in das Humankapital ein wichtiger Mechanismus der Transmission zwischen langfristigem Wachstum, Gleichstellung und sozialem Fortschritt sind. Sie bestätigen ferner, dass sich Lohn- und Einkommensungleichheit langfristig negativ auf das potenzielle Wachstum auswirken könnte, indem sie bestehende Chancenungleichheiten verfestigt und verstärkt, die Entwicklung von Kompetenzen einschränkt und die soziale und berufliche Mobilität beeinträchtigt. In den Industrieländern, die ihren Wohlstand auf Produktivitätszuwachs und Innovationsfähigkeit gründen, sind Sozialleistungen und Wirtschaftsleistungen zwei Seiten derselben Medaille.

Eine moderne Sozialpolitik sollte auf Investitionen in das Humankapital beruhen, basierend auf Chancengleichheit, der Verhinderung von und dem Schutz vor sozialen Risiken, wirksamen Sicherheitsnetzen und Anreizen für den Zugang zum Arbeitsmarkt, um es den Menschen zu ermöglichen, ein Leben in Würde zu führen, den persönlichen und beruflichen Status im Laufe des Lebens zu ändern und ihre Talente bestmöglich zu nutzen.

2.3 Auf dem Weg zu einer vertieften und faireren Wirtschafts- und Währungsunion

Der Euro-Raum zieht die Lehren aus der Krise der vergangenen Jahre und hat einen Prozess zur weiteren Integration und Konsolidierung eingeleitet. Dazu gehört unbedingt eine soziale Dimension. Im Bericht der fünf Präsidenten über die Vollendung der WWU Europas 4 heißt es: „Europas Ambition sollte es sein, im sozialen Bereich ein ‚soziales AAA‘-Rating zu verdienen“ und weiter „Damit die WWU ein Erfolg wird, müssen die Arbeitsmärkte und Sozialsysteme aller Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets gut und fair funktionieren“. Auch wird darauf hingewiesen, dass es kein Patentrezept gibt, die Herausforderungen für die Mitgliedstaaten jedoch oftmals ähnlich sind. Im Bericht wird ferner eine stärkere Fokussierung auf Beschäftigung und Soziales im Rahmen eines breiter angelegten Prozesses der Aufwärtskonvergenz zu widerstandsfähigeren wirtschaftlichen Strukturen im Euro-Raum gefordert.

Es handelt sich hierbei nicht nur um ein politisches oder gesellschaftliches Erfordernis, sondern auch um eine wirtschaftliche Notwendigkeit: Die Erfahrung der letzten 15 Jahre hat gezeigt, dass anhaltende Ungleichgewichte in einem oder mehreren Mitgliedstaaten die Stabilität des gesamten Euro-Raums gefährden können, und dass das Unvermögen, diese zu korrigieren, zu weiteren kostspieligen Divergenzen führen kann. Nach der Krise der Jahre 2007/2008 ist der Euro-Raum heterogener geworden, wobei einige Länder besonders hart getroffen wurden. Um diese Heterogenität abzubauen, braucht es Zeit. Es liegt auf der Hand, dass der künftige Erfolg des Euro-Raums in nicht geringem Maße von der Effizienz der nationalen Arbeitsmärkte und Wohlfahrtssysteme sowie der Fähigkeit der Wirtschaft, sich an Schocks anzupassen und sie abzufedern, abhängt.

Leistungsfähige und inklusive Arbeitsmärkte müssen Elemente der Flexibilität und Sicherheit, die zu mehr Beschäftigung und Anpassungsfähigkeit führen können, effektiv kombinieren. Das entsprechende Konzept der „Flexicurity“ ist nicht neu, doch nach der Krise und angesichts einer sich verändernden Arbeitswelt ist es an der Zeit festzulegen, wie es am besten in die Praxis umgesetzt werden kann. Unternehmen haben Interesse an vorhersehbaren und rechtlich abgesicherten Rahmenbedingungen, nicht nur um qualifizierte und produktive Arbeitskräfte anwerben zu können, sondern auch um sich schnell wandelnden Marktgegebenheiten anpassen zu können. Arbeitskräfte haben Interesse an Beschäftigungs- und Einkommenssicherheit, um ihr Berufs- und Privatleben miteinander vereinbaren zu können, aber auch um sich neuen Herausforderungen zu stellen und sich während ihres Berufslebens anpassen und ständig weiterqualifizieren zu können, dies alles in einer lebenslangen Perspektive. Arbeitslose und Nichterwerbstätige suchen häufig nach Möglichkeiten des Zugangs zur Arbeitswelt, bei denen sie nicht in geringwertigen Stellen mit geringer Entlohnung landen oder keinen Anspruch auf grundlegende soziale Rechte haben. Wirtschaft und Gesellschaft, insbesondere im Euro-Raum, haben Interesse an einer besseren Entwicklung und Nutzung der Kompetenzen, einer größeren Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit, am sozialen Zusammenhalt und an einer gerechten und effektiven Verteilung von Rechten, Pflichten und Einkommen, auch zwischen den Generationen.

Gleichzeitig haben die hohe Arbeitslosigkeit und die zunehmende Alterung der Bevölkerung, verbunden mit der angespannten öffentlichen Haushaltslage und der Notwendigkeit, die sich aus makroökonomischen Ungleichgewichten ergebenden Übertragungseffekte zwischen Ländern zu minimieren, die Frage der Leistungsfähigkeit der nationalen Wohlfahrtssysteme in mehrfacher Hinsicht in den Vordergrund gerückt: erstens hinsichtlich ihrer Angemessenheit und finanziellen Tragfähigkeit im Licht neuer sozialer Bedürfnisse, einschließlich der Notwendigkeit, die Armut zu bekämpfen; zweitens hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, sowohl aus Sicht der Arbeitgeber als auch aus Sicht der Arbeitsuchenden, einschließlich ihrer Fähigkeit sicherzustellen, dass Arbeit sich lohnt, und ihrer Fähigkeit, die Fertigkeiten und Kompetenzen der Menschen zur umfassenden gesellschaftlichen Teilhabe zu stärken, und drittens – und dies ist ein für den Euro-Raum besonders wichtiger Aspekt – hinsichtlich ihrer Fähigkeit, makroökonomische Schocks abzufedern und eine automatische Stabilisierungsfunktion zu übernehmen. Hohe Beschäftigungsquoten, niedrige Arbeitslosigkeit und gut konzipierte Wohlfahrtssysteme sind für gesunde öffentliche Finanzen entscheidend; zu starke Divergenzen auf dem Arbeitsmarkt und im sozialen Bereich gefährden das Funktionieren des Euro-Raums. Im Rahmen der Maßnahmen zur Verbesserung der haushaltspolitischen Überwachung auf EU-Ebene haben die Überlegungen über die Qualität der öffentlichen Finanzen, von denen die Wohlfahrtssysteme einen großen Anteil ausmachen, dazu geführt, dass Fragen in Zusammenhang mit der Gerechtigkeit und Effizienz öffentlicher Einnahmen und Ausgaben vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt wird.

2.4 Nutzung eines reichen Erfahrungsschatzes

Die europäische Säule sozialer Rechte kann sich auf wertvolle Erfahrungen und zahlreiche bewährte Verfahren stützen: in vielen Bereichen sind die weltweit Besten in Europa zu finden, und Lösungen sind hinreichend bekannt. Angesichts des Ausmaßes der aktuellen Herausforderungen sind allerdings Selbstgefälligkeit und ein Verharren beim Status quo keine Option. Zudem kann auch aus den sich weltweit rasch wandelnden Realitäten viel gelernt werden.

Zwar ist die Situation in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich, doch die Säule kann auch auf den gemeinsamen Werten und Grundsätzen aufbauen, die auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene gelten. In Referenzdokumenten wie z. B. dem Vertrag über die Europäische Union (EUV), dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie in internationalen Instrumenten wie der Sozialcharta des Europarates und den ILO-Empfehlungen werden diese Werte und Grundsätze besonders hervorgehoben.

Solche Rahmendokumente decken häufig ein breites Spektrum von Bereichen ab, für die sie allgemeine Grundsätze und Mindeststandards festlegen, die auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene zu ergänzen sind. Die zentrale Frage, die sich in Europa stellt, betrifft somit nicht unbedingt die Anerkennung der Rechte, sondern vielmehr ihre tatsächliche Inanspruchnahme und Umsetzung angesichts der raschen Veränderungen im sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Umfeld.

Im Laufe der Jahre hat die Kommission Initiativen ergriffen, um die Bemühungen um die dringlichsten Prioritäten zu intensivieren und den rechtlichen Besitzstand der EU zu aktualisieren. Diese Bemühungen folgen der Logik einer besseren Rechtsetzung: es geht nicht um weniger Rechtsetzung, sondern um ein Rechtsetzungskonzept, bei dem den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen vor Ort in vollem Umfang Rechnung getragen wird, um zu gewährleisten, dass jede Initiative ihr Ziel in bestmöglicher Weise erreicht. Im Laufe dieses Mandats hat die Kommission die europäischen Struktur- und Investitionsfonds für den Zeitraum 2014-2020 auf den Weg gebracht, wobei nahezu 20 % der Fondsmittel aus dem Europäischen Sozialfonds bereitgestellt werden. Sie ist außerdem in verschiedenen Bereichen tätig gewesen; nachstehend einige Beispiele:

Stärkere Berücksichtigung sozialer Erwägungen im Europäischen Semester für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik, Verwendung von Sozialindikatoren im so genannten Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten, Förderung des „sozialen Benchmarkings“ sowie Bewertung der sozialen Auswirkungen des neuen Stabilitätshilfeprogramms für Griechenland;

durchgängige Berücksichtigung sozialer Ziele bei den Leitinitiativen, wie etwa der Investitionsoffensive für Europa, der Energieunion und dem digitalen Binnenmarkt;

Vorstellung eines strategischen Engagements für die Gleichstellung der Geschlechter für den Zeitraum 2016–2019;

Vorziehen der finanziellen Unterstützung für die Mitgliedstaaten zur Einführung einer Jugendgarantie, die vorsieht, dass alle jungen Menschen unter 25 Jahren binnen vier Monaten nachdem sie arbeitslos geworden sind oder die Schule verlassen haben, ein hochwertiges, konkretes Angebot erhalten;

Veröffentlichung von Leitlinien für die Mitgliedstaaten zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt;

Vorschlag für einen europäischen Rechtsakt zur Barrierefreiheit, der den Zugang zu essenzielen Gütern und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen im Binnenmarkt erleichtern soll;

Vorschlag für eine Überarbeitung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern zwecks Durchsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit am gleichen Arbeitsort.

Parallel zur Konsultation über die Säule laufen 2016 überdies weitere Arbeiten zu verschiedenen zusätzlichen Aspekten, die auf Folgendes abzielen: einen neuen Start zur Förderung der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben für berufstätige Eltern; eine europäische Kompetenzagenda sowei eine eingehende Evaluierung der 24 Arbeitsschutz-Richtlinien, die dazu beitragen soll, ihre Relevanz, Wirksamkeit und Kohärenz zu bewerten mit dem Ziel, angesichts neuer Risiken ein hohes Maß an Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitskräfte aufrechtzuerhalten, die geltenden Rechtsvorschriften zu vereinfachen und zu modernisieren sowie die Akzeptanz durch KMU zu erleichtern. Diese Beispiele veranschaulichen, welche Rolle die EU bei der Unterstützung, Orientierung und Rahmengebung im sozialen Bereich übernehmen kann und welche weiteren Maßnahmen sich aus der Einrichtung der Säule ergeben können.

Oberste Priorität räumt diese Kommission auch der Förderung des sozialen Dialogs auf allen Ebenen ein. Im Anschluss an eine hochrangige Konferenz zum Thema „Ein Neubeginn für den sozialen Dialog der EU“, die im März 2015 stattfand, haben sich die Sozialpartner auf branchenübergreifender Ebene auf eine eingehende gemeinsame Beschäftigungsanalyse und ein gemeinsames Arbeitsprogramm für den Zeitraum 2015-2017 geeinigt. Es wurden Verhandlungen über eine autonome Rahmenvereinbarung über aktives Altern aufgenommen; derzeit werden gemeinsame Schlussfolgerungen zum Thema der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben ausgearbeitet; zudem befasst sich eine Arbeitsgruppe mit der Umsetzung der bereits geschlossenen autonomen Rahmenvereinbarungen durch ihre Mitglieder. Die Sozialpartner auf sektoraler Ebene, die in 43 Branchen vertreten sind und 75 % der Arbeitskräfte vertreten, haben ebenfalls die Durchführung ihrer jeweiligen gemeinsamen Arbeitsprogramme fortgesetzt.

3. Die europäische Säule sozialer Rechte: Rolle, Umfang und Rechtscharakter

Mit der Säule soll eine Reihe wesentlicher Grundsätze zur Unterstützung gut funktionierender und fairer Arbeitsmärkte und Wohlfahrtssysteme festgelegt werden. Wie von Präsident Juncker angekündigt, wird die Säule innerhalb des Euro-Raums entwickelt, wobei anderen EU-Mitgliedstaaten angeboten wird, sich anzuschließen, wenn sie es wünschen.

Die Säule wird somit auf dem sozialen Besitzstand der EU aufbauen und ihn ergänzen. Die entsprechenden Grundsätze werden schwerpunktmäßig auf die Bedürfnisse und Herausforderungen des Euro-Raums ausgerichtet. Die fertige Säule sollte als Bezugsrahmen für das Leistungsscreening der teilnehmenden Mitgliedstaaten im Beschäftigungs- und Sozialbereich fungieren, sie soll Reformen auf nationaler Ebene vorantreiben und insbesondere als Kompass für eine erneute Konvergenz innerhalb des Euro-Raums dienen.

3.1 Festlegung von Grundsätzen, die den Realitäten von heute und morgen gerecht werden

Der Anhang dieser Mitteilung enthält einen ersten, vorläufigen Entwurf der Säule als Diskussionsgrundlage. Die Grundsätze wurden aufgrund ihrer wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung für die Leistungsfähigkeit der teilnehmenden Mitgliedstaaten ausgewählt.

Der Entwurf gliedert sich in drei Hauptbereiche:

Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang, auch Entwicklung von Kompetenzen und lebenslanges Lernen sowie aktive Unterstützung der Beschäftigung zwecks Erhöhung der Beschäftigungschancen, Erleichterung des Übergangs in einen anderen Erwerbsstatus und Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit.

Faire Arbeitsbedingungen zur Herstellung eines ausgewogenen und verlässlichen Verhältnisses zwischen Rechten und Pflichten der Arbeitnehmer/-innen und der Arbeitgeber sowie zwischen Flexibilitäts- und Sicherheitselementen zwecks Erleichterung der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Aufnahme einer Beschäftigung und der Anpassungsfähigkeit der Unternehmen sowie zwecks Förderung des sozialen Dialogs.

Angemessener und nachhaltiger Sozialschutz sowie Zugang zu hochwertigen essenziellen Leistungen, u. a. Kinderbetreuung, Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege, zwecks Gewährleistung eines würdigen Lebens und des Schutzes vor Risiken und zwecks Ermöglichung einer uneingeschränkten Teilhabe am Arbeitsleben und generell am Leben in der Gesellschaft.

Es wird eine Reihe von Politikfeldern mit den entsprechend zugeordneten Grundsätzen dargelegt. Als Ausgangspunkte der Grundsätze dienen verschiedene Rechte, die bereits in Rechtsquellen der EU und sonstigen relevanten Rechtsquellen niedergelegt sind, und es wird ausgeführt, wie sie in die Praxis umgesetzt werden könnten. Die Formulierungen orientieren sich u. a. an Leitlinien, die auf EU-Ebene vorhanden sind, etwa im Kontext der Koordinierung der Wirtschaftspolitik, versuchen jedoch auch jüngste Trends aufzugreifen.

Für jeden dieser Grundsätze stellt sich die Situation europaweit sehr unterschiedlich dar, und es gibt zahlreiche praktische Probleme, kleine und große, die angegangen werden müssen. Dazu gehören generell die unterschiedlichen Interessen von Einzelpersonen, Unternehmen und der Gesellschaft, mögliche Kompromisse zwischen kurzfristigen und langfristigen Lösungen, das Vorhandensein von „Grauzonen“, u. a. infolge des unscharfen Begriffs „Arbeit“, sowie die Frage „Wer zahlt wofür?“, je nachdem ob private oder öffentliche Mittel eine Rolle spielen sollen. Ferner gilt es, neue Standards und Verfahren so zu konzipieren, dass sie den Bedürfnissen einer dynamischen Wirtschaft gerecht werden, damit der Prozess der Aufwärtskonvergenz in den Regionen und Mitgliedstaaten unterstützt wird.

Die Logik der Säule und der zu ihrer Einrichtung führenden Debatte besteht nicht darin, diese Unterschiede und Spannungen zu verschleiern, vielmehr geht es darum, sie in einem neuen Licht zu betrachten und gegenüberzustellen und dabei dem Wandel in der Arbeitswelt und den unterschiedlichen Rahmenbedingungen in Europa Rechnung zu tragen. Mit der Säule sollte dazu beigetragen werden, die für das Arbeitsleben und das Leben in der Gesellschaft geltenden sozialen Rechte zu modernisieren, auszuweiten und zu vertiefen, indem ihre Akzeptanz erleichtert wird und Verfahren gefördert werden, die für die Bürgerinnen und Bürger, für Unternehmen und für die Gesellschaft von Nutzen sein können.

3.2 Ein Mehrwert für den Euro-Raum und die gesamte EU

Im Rahmen der Säule wird der Besitzstand der EU nicht wiederholt oder umschrieben, vielmehr werden die Grundsätze und Verpflichtungen ausführlicher dargelegt, die richtungsweisend für eine größere Konvergenz innerhalb des Euro-Raums sein können. Auch soll die Säule nicht an die Stelle des Besitzstands der EU treten, und die hier vorgeschlagenen Grundsätze ersetzen keineswegs die bestehenden Rechte: sie bieten eine Möglichkeit, die Leistung der Beschäftigungs- und Sozialpolitik der Mitgliedstaaten zu bewerten und sie in Zukunft – zum Positiven hin – anzugleichen.

Der Prozess, der zur Säule führt, sollte allerdings auch die Gelegenheit bieten, den Besitzstand zu überprüfen. Der derzeitige Besitzstand wurde Schritt für Schritt zu verschiedenen Zeitpunkten aufgebaut, wobei bestimmte Bereiche besser abgedeckt sind als andere. Die Konsultation zur Säule bietet die Möglichkeit, den Besitzstand ganzheitlich zu betrachten, seine Relevanz im Licht neuer Trends zu prüfen und mögliche Bereiche für künftige Maßnahmen auf geeigneter Ebene zu ermitteln.

Bei dieser Bestandsaufnahme sollten insbesondere folgende Fragen beantwortet werden: Gibt es Defizite bei der Umsetzung des Besitzstands? Gibt es wesentliche Lücken in den auf EU-Ebene festgelegten sozialen Rechten? Wie kann solchen Defiziten und/oder Lücken Rechnung getragen werden? Dies ist auch der Grund, weshalb die Konsultation im Vorfeld der Einrichtung der Säule allen Mitgliedstaaten offen steht und außerdem den nicht dem Euro-Raum angehörenden Mitgliedstaaten bei der Entscheidung, ob sie sich an der Säule beteiligen, Hilfestellung geben soll.

Die Arbeit an der Säule ergänzt andere laufende Bemühungen zur Vertiefung der WWU 5 und soll einen Beitrag zu den Arbeiten am Weißbuch über die Zukunft der WWU Europas liefern, das für Frühjahr 2017 geplant ist. Im Bericht der fünf Präsidenten über die Vollendung der WWU Europas wird hervorgehoben, dass der Prozess der Konvergenz zu widerstandsfähigeren wirtschaftlichen Strukturen fortgesetzt werden und mittelfristig einen verbindlicheren Charakter erhalten sollte. Dies würde durch gemeinsame strenge Standards erreicht, die sich u. a. auf die Arbeitsmärkte konzentrieren sollten.

Schließlich muss der Rechtscharakter der Säule selbst den begrenzten Geltungsbereich und die rechtlichen Beschränkungen auf Ebene der EU und des Euro-Raums berücksichtigen. So räumt z. B. Artikel 153 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union dieser eindeutig keine Zuständigkeit im Bereich der Entlohnung ein.

Für die Einrichtung der Säule kommen verschiedene Instrumente in Betracht, etwa eine Empfehlung, gleichwohl erachtet die Kommission es für wesentlich, das Parlament und den Rat sowie andere Organe und Einrichtungen der EU einzubeziehen und breite Unterstützung für die Umsetzung zu finden.

4. Ziele der Konsultation

Die Einrichtung der Säule bietet die Gelegenheit für Denkanstöße zu den bestehenden sozialen Rechten, den besonderen Bedürfnissen des Euro-Raums, dem Wandel in der Arbeitswelt und den auf allen Ebenen erforderlichen Reformen. Die Konsultation sollte daher möglichst breit angelegt sein.

4.1 Angestrebte Ergebnisse

Die Konsultation hat drei Hauptziele:

Erstens soll der gegenwärtige EU-Besitzstand bewertet werden. Insbesondere soll die Konsultation dazu beitragen, festzustellen, inwieweit bestehende Rechte angewandt und den aktuellen und künftigen Herausforderungen nach wie vor gerecht werden, und/oder ob in diesem Zusammenhang neue Wege in Erwägung gezogen werden sollten.

Zweitens sollen Überlegungen zu neuen Trends bei den Arbeitsmustern und in der Gesellschaft angestellt werden, die durch die Auswirkungen demografischer Entwicklungen, neuer Technologien und anderer Faktoren, die für die Arbeitswelt und die sozialen Bedingungen von Belang sind, ausgelöst werden. Die Ermittlung bewährter Verfahren und von Lehren aus sozialen Innovationen sollte aktiv angeregt werden.

Drittens sollen Meinungen und Feedback zu dem Entwurf der europäischen Säule sozialer Rechte eingeholt werden. Die Konsultation soll dazu dienen, über Umfang und Inhalt der Säule und ihre Rolle im Rahmen der sozialen Dimension der WWU zu diskutieren, Überlegungen zu den besonderen Bedürfnissen des Euro-Raums anzustellen, die Spezifität der unterbreiteten Grundsätze zu erörtern und die mit ihnen zusammenhängenden Herausforderungen aufzuzeigen. Die Konsultation soll außerdem den nicht dem Euro-Raum angehörenden Mitgliedstaaten bei der Entscheidung, ob sie sich an der Säule beteiligen, Hilfestellung geben.

Der Konsultationsprozess soll bis zum 31. Dezember 2016 abgeschlossen sein, damit die Ergebnisse in einen endgültigen Kommissionsvorschlag für die Säule fließen können, der Anfang 2017 unterbreitet werden soll.

4.2 Mobilisierung für die Debatte

In den kommenden Monaten wird die Kommission sich aktiv mit anderen Organen und Einrichtungen der EU, nationalen Behörden und Parlamenten, Gewerkschaften, Unternehmensverbänden, NRO, Anbietern von sozialen Dienstleistungen, Experten aus der Wissenschaft sowie der Öffentlichkeit austauschen. Auf nationaler Ebene wird die Kommission die Diskussionen durch ihre Vertretungen in den Mitgliedstaaten fördern.

Die EU-Sozialpartner werden aufgefordert, eine aktive Rolle bei der Ausgestaltung der Säule zu übernehmen. Überdies wird die Kommission die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen einholen.

4.3 Strukturiertes Feedback

Als Beitrag zur Debatte werden zusätzlich zur öffentlichen Konsultation drei Arbeitsschwerpunkte festgelegt, für jedes der oben genannten angestrebten Ergebnisse einer:

Sozialer Besitzstand der EU: Bestandsaufnahme

Die Zukunft der Arbeit und der Wohlfahrtssysteme: Herausforderungen und Möglichkeiten

Die Rolle der europäischen Säule sozialer Rechte im Rahmen einer vertieften und faireren WWU

Die Kommission wird Ende 2016 eine europäische Konferenz abhalten, um Feedback zu erhalten.

4.4 Informationen zur Debatte

Für die Konsultation wird eine spezielle Webseite eingerichtet unter: http://ec.europa.eu/priorities/deeper-and-fairer-economic-and-monetary-union/european-pillar-social-rights

Diese wird Folgendes umfassen:

Die vorliegende Mitteilung und die zugehörigen Arbeitsunterlagen der Kommissionsdienststellen

Eine Reihe von Informationsblättern, die von den Kommissionsdienststellen ausgearbeitet wurden und in denen die wirtschaftliche und rechtliche Argumentation ausführlicher dargelegt wird, die den im Entwurf der Säule erläuterten Bereichen (siehe Anhang der Mitteilung) zugrunde liegt

Die im Rahmen der einzelnen oben erwähnten Arbeitsschwerpunkte geplanten Aktivitäten

Eine Liste der Sitzungen und Veranstaltungen, die auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten in den kommenden Monaten stattfinden sollen

5. Fragen für die Konsultation

Die Kommission ersucht alle interessierten Kreise, die Fragen in dieser Mitteilung zu beantworten und die Antworten zusammen mit etwaigen zusätzlichen Anmerkungen bis zum 31. Dezember 2016 zu übermitteln.

Die Fragen können auf einem Online-Fragebogen beantwortet werden, der auf der oben genannten Webseite zu finden ist. Die Beiträge können auch per E-Mail an die folgende E-Mail-Adresse geschickt werden:

EMPL-EUROPEAN-PILLAR-OF-SOCIAL-RIGHTS@ec.europa.eu

Für die Übermittlung auf dem Postweg gilt folgende Anschrift:

EUROPÄISCHE KOMMISSION

Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration

Rue Joseph II, 27 – 00/120

1049 BRÜSSEL

BELGIEN 6

Nachstehend die Fragen, zu denen die Europäische Kommission um Stellungnahme bittet:

Zur sozialen Lage und zum sozialen Besitzstand der EU

1.Welches sind Ihrer Ansicht nach die dringendsten Prioritäten in den Bereichen Beschäftigung und Soziales?

2.Wie können wir den unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den Bereichen Beschäftigung und Soziales in Europa Rechnung tragen?

3.Ist der Besitzstand der EU auf dem neuesten Stand, und sehen Sie Spielraum für weitere Maßnahmen auf EU-Ebene?

Zur Zukunft der Arbeit und der Wohlfahrtssysteme

4.Welche Trends haben Ihrer Meinung nach die größte umgestaltende Wirkung?

5.Was wären die wichtigsten Risiken und Chancen im Zusammenhang mit solchen Trends?

6.Gibt es Strategien, Einrichtungen oder Unternehmenspraktiken – bestehende oder sich neu entwickelnde –, die Sie als Referenz empfehlen würden?

Zur europäischen Säule sozialer Rechte

7.Stimmen Sie dem hier beschriebenen Konzept für eine europäische Säule sozialer Rechte zu?

8.Stimmen Sie dem Geltungsbereich der Säule und den hier vorgeschlagenen Politikfeldern und Grundsätzen zu? Gibt es Aspekte, die noch nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht oder abgedeckt worden sind?

9.Welche Politikfelder und Grundsätze wären im Rahmen einer erneuten Konvergenz innerhalb des Euro-Raums am wichtigsten?

10.Wie sollten diese zum Ausdruck gebracht und konkretisiert werden? Könnten Ihrer Meinung nach Mindeststandards oder Referenzkriterien für bestimmte Bereiche angewandt werden und einen Mehrwert darstellen, und wenn ja, welche?

Es ist auch möglich, zu jedem einzelnen Politikfeld und jedem einzelnen Grundsatz der vorgeschlagenen Säule Stellung zu nehmen; hierzu steht auf der Konsultations-Webseite ein besonderer Online-Fragebogen zur Verfügung.

(1)

Politische Leitlinien für die nächste Europäische Kommission, 15. Juli 2014, „Ein neuer Start für Europa: Meine Agenda für Jobs, Wachstum, Fairness und demokratischen Wandel“.

(2)

 Arbeitsunterlagen der Kommissionsdienststellen „Key economic, employment and social trends behind the European Pillar of Social Rights“ (SWD(2016) 51) und „The EU social acquis“ (SWD(2016) 50) vom 8. März 2016.

(3)

 Siehe u. a. ILO (2015), „The future of work centenary initiative“ (Die Jahrhundertinitiative zur Zukunft der Arbeit); OECD (2016), „Policy forum on the future of work“ (Politik-Forum über die Zukunft der Arbeit); Bertelsmann Stiftung (2015), „Redesigning European welfare states – Ways forward“ (Europäische Wohlfahrtsstaaten neu konzipieren: mögliche Vorgehensweisen); Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2015), „Grünbuch – Arbeiten weiter denken. Arbeiten 4.0“; Weltwirtschaftsforum (2016), „The Future of Jobs: Employment, Skills and Workforce Strategy for the Fourth Industrial Revolution“ (Die Zukunft der Arbeitsplätze: Beschäftigungs-, Qualifikations- und Arbeitskräftestrategie für die vierte industrielle Revolution); OECD, IWF, Weltbank, IAO (2015), „Income inequality and labour income share in G20 countries: Trends, Impacts and Causes“ (Einkommensungleichheit und Lohnquoten in den G20-Staaten: Tendenzen, Auswirkungen und Ursachen).

(4)

„Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vollenden“, vorgelegt von Jean-Claude Juncker in Zusammenarbeit mit Donald Tusk, Jeroen Dijsselbloem, Mario Draghi und Martin Schulz, Juni 2015. In ihrem gemeinsamen Beitrag zum Bericht betonten Frankreich und Deutschland zum Beispiel die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit und gemeinsamer Leitlinien in bestimmten Bereichen, wie aktive Arbeitsmarktstrategien und Systeme der sozialen Sicherheit. Siehe auch: Europäisches Zentrum für politische Strategie (2015), „The Social Dimension of Economic and Monetary Union“ (Die soziale Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion).

(5)

Schritte zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion (COM(2015) 600 vom 21. Oktober 2015).

(6)

Bitte beachten Sie, dass alle eingegangenen Beiträge unter Angabe des Namens im Internet veröffentlicht werden, es sei denn die/der Betreffende erhebt Einwände gegen die Veröffentlichung ihrer/seiner personenbezogenen Daten und macht geltend, dass dies ihren/seinen berechtigten Interessen zuwiderlaufen würde. In diesem Fall kann der Beitrag anonym veröffentlicht werden. Ansonsten wird von einer Veröffentlichung abgesehen und der Inhalt im Prinzip nicht berücksichtigt.

Top

Straßburg, den 8.3.2016

COM(2016) 127 final

ANHANG

Erster vorläufiger Entwurf einer europäischen Säule sozialer Rechte

im Anhang der

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Einleitung einer Konsultation über eine europäische Säule sozialer Rechte

{SWD(2016) 50 final}
{SWD(2016) 51 final}


Inhaltsverzeichnis

KAPITEL I: CHANCENGLEICHHEIT UND ARBEITSMARKTZUGANG

1.Fertigkeiten, Bildung und lebenslanges Lernen

2.Flexible und sichere Arbeitsverträge

3.Sichere Berufsübergänge

4.Aktive Unterstützung für Beschäftigung

5.Geschlechtergleichstellung und Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

6.Chancengleichheit

KAPITEL II: FAIRE ARBEITSBEDINGUNGEN

7.Beschäftigungsbedingungen

8.Löhne und Gehälter

9.Arbeitsschutz

10.Sozialer Dialog und Einbeziehung der Beschäftigten

KAPITEL III: ANGEMESSENER UND NACHHALTIGER SOZIALSCHUTZ

11.Integrierte soziale Leistungen und Dienste

12.Gesundheitsversorgung und Krankenleistungen

13.Renten und Pensionen

14.Arbeitslosenleistungen

15.Mindesteinkommen

16.Menschen mit Behinderung

17.Langzeitpflege

18.Kinderbetreuung

19.Wohnraum

20.Zugang zu essenziellen Dienstleistungen



Erläuterungen



Dieser Anhang enthält einen ersten, vorläufigen Entwurf der europäischen Säule sozialer Rechte für die Konsultation der breiten Öffentlichkeit. Die Säule soll zunächst innerhalb des Euro-Raums errichtet werden; andere Mitgliedstaaten können sich jedoch auf freiwilliger Basis anschließen.

Das Fundament der Säule bilden die sozialen Ziele und Rechte, die im EU-Primärrecht – dem Vertrag über die Europäische Union (EUV), dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union – verankert sind. Um eine ausreichend breite Konsultationsbasis zu gewährleisten, umfasst die Säule sowohl Bereiche, in denen die EU Rechtsetzungskompetenz hat, als auch Bereiche, für die primär die Mitgliedstaaten zuständig sind und in denen der EU eine eher unterstützende und ergänzende Rolle zukommt. Die Säule ist auch von der Praxis in den Mitgliedstaaten und von internationalen Rechtsquellen inspiriert.

Im Rahmen der geplanten Säule bleiben bestehende Rechte gültig – sie werden weder erneu niedergelegt noch geändert. Die Säule ergänzt diese jedoch durch die detaillierte Darstellung einer Reihe wesentlicher Grundsätze, die ein gemeinsames Charakteristikum der Beschäftigungs- und Sozialpolitik der Teilnahmestaaten werden sollten, wobei ein Schwerpunkt auf den Bedürfnissen und Herausforderungen des Euro-Raumes liegt. Die fertige Säule sollte zu einem Bezugsrahmen für das Leistungsscreening der Teilnahmestaaten im Bereich Beschäftigung und Soziales werden, sie sollte nationale Reformen vorantreiben und vor allem als Kompass für eine erneuerte Konvergenz innerhalb des Euro-Raums dienen.

Die im Folgenden dargelegten Grundsätze sind in 20 Politikfelder untergliedert, die als unverzichtbar für gut funktionierende und faire Arbeitsmärkte sowie Wohlfahrtssysteme gelten. Sie tragen wirtschaftlichen und sozialen Überlegungen, den unterschiedlichen Rahmenbedingungen in Europa und den sich ändernden Realitäten vor Ort Rechnung. Sie behandeln Aspekte, die für eine vertiefte und fairere Wirtschafts- und Währungsunion wichtig sind, wie die Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen, angemessene Mindestniveaus für den Sozialschutz auszuarbeiten, das Potenzial der Menschen optimal zu nutzen, die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten und die Anpassungsfähigkeit sowie die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaftsstrukturen zu stärken.

Die im Folgenden dargelegten Grundsätze gelten sowohl für EU-Bürgerinnen und Bürger als auch für legal aufhaltige Drittstaatsangehörige, ob erwerbstätig oder nicht erwerbstätig, jeweils gemäß der Formulierung der einzelnen Grundsätze. Für die Zwecke dieser Konsultation wird vorläufig jede Person als „beschäftigte Person“ bezeichnet, die für einen bestimmten Zeitraum Dienstleistungen für eine andere Person erbringt, dafür ein Entgelt erhält und – vor allem bezüglich Dauer, Ort und Inhalt der Tätigkeit – auf Weisung dieser Person handelt.

„Selbständig erwerbstätig“ sind alle Personen, die eine Erwerbstätigkeit auf eigene Rechnung ausüben. „Erwerbstätige Personen“ bezieht sich sowohl auf Beschäftigte wie auch auf selbständig Erwerbstätige. Im Laufe der Konsultation könnte es nötig sein, den Geltungsbereich dieser Begriffe noch genauer abzugrenzen.

Auswahl und Ausformulierung der Grundsätze beruhen unter anderem auf im Europäischen Semester für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik bereits vorhandenen Leitlinien, auf EU-Sekundärrecht und – wo vorhanden – auf Soft-Law-Leitlinien. Um die einzelnen Grundsätze in einen Kontext zu setzen, werden im Entwurf die drängendsten Herausforderungen skizziert, es wird auf den potenziellen Mehrwert jedes Grundsatzes verwiesen und – wo zutreffend – sind in Textkästchen die entsprechenden Rechte laut Primärrecht angeführt. Die Grundsätze sollten im Rahmen des Konsultationsprozesses möglichst breit diskutiert und verfeinert werden mit dem Ziel, 2017 einen Vorschlag für die europäische Säule sozialer Rechte fertigzustellen.



KAPITEL I: CHANCENGLEICHHEIT UND

ARBEITSMARKTZUGANG

1.Fertigkeiten, Bildung und lebenslanges Lernen

Grundfertigkeiten im sprachlichen Bereich, in Lesen, Schreiben, Rechnen und IKT, auf denen Lernprozesse aufbauen, stellen für einen signifikanten Teil der Bevölkerung (Kinder wie Erwachsene) nach wie vor eine Herausforderung dar. Um Bildungsergebnisse von höherer Qualität und Relevanz zu erzielen, müssen die Bildungssysteme effektiver und gerechter werden sowie stärker auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes und der Gesellschaft reagieren. Der gleichberechtigte, von ökonomischen Mitteln unabhängige Zugang zu Bildung, um Grundfertigkeiten und Schlüsselkompetenzen zu erwerben, muss durch qualitätsvolle Möglichkeiten für Erwachsene ergänzt werden, sich während des gesamten Lebens Grundfertigkeiten und Schlüsselkompetenzen anzueignen. Entwicklungen wie die Bevölkerungsalterung, der längere Verbleib im Berufsleben und die verstärkte Zuwanderung Drittstaatsangehöriger erfordern zusätzliche Maßnahmen für Weiterqualifizierung und lebenslanges Lernen, um die Anpassung an einschneidende technologische Entwicklungen und sich rasch verändernde Arbeitsmärkte erfolgreich zu bewältigen.

 

a.Jede Person hat lebenslang Zugang zu qualitätsvoller (Berufs)bildung, um sich Grundfertigkeiten und Schlüsselkompetenzen für eine aktive Teilhabe an der Gesellschaft und der Arbeitswelt anzueignen. Geringqualifizierte junge Menschen und Erwachsene im erwerbsfähigen Alter werden angehalten, sich weiterzuqualifizieren.

In Artikel 14 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist Folgendes niedergelegt: Jede Person hat das Recht auf Bildung sowie auf Zugang zur beruflichen Ausbildung und Weiterbildung. Dieses Recht umfasst die Möglichkeit, unentgeltlich am Pflichtschulunterricht teilzunehmen.

In den Artikeln 165 und 166 AEUV ist festgelegt, dass die Union eine Politik der beruflichen Bildung durchführt und zur Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung dadurch beiträgt, dass sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und deren Maßnahmen unterstützt und ergänzt.

2.Flexible und sichere Arbeitsverträge

Flexible Verträge können den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern und berufliche Veränderung fördern sowie gleichzeitig Arbeitgebern die Möglichkeit bieten, auf Veränderungen in der Nachfrage zu reagieren. Die digitale Wirtschaft verändert die Arbeitsmodelle und führt zu neuen Arbeitsformen wie der selbständigen Erwerbstätigkeit. Dies erlaubt unter Umständen vielfältigere Zugänge zum Arbeitsmarkt und kann dazu beitragen, Menschen in der Erwerbstätigkeit zu halten. Die Bandbreite der Arbeitsverträge zeichnet sich jedoch nach wie vor durch große Unterschiede in den Beschäftigungsbedingungen aus.

Darüber hinaus gibt es „Grauzonen“ wie „abhängige Selbständigkeit“ und „Scheinselbständigkeit“, die zu unklaren Rechtssituationen führen und den Zugang zum Sozialschutz blockieren. Derartige Phänomene bergen die Gefahr, dass prekäre Arbeitsverhältnisse und/oder zweigeteilte oder segmentierte Arbeitsmärkte entstehen, die die Produktivität bremsen und zu Ausgrenzung führen. Befristete Arbeitsverträge können – aufgrund des geringeren Kündigungsschutzes, des niedrigeren Entgelts, des eingeschränkten Zugangs zu Sozialschutz und Fortbildung – die Präkarisierungsrisiken erhöhen. Eine Entwicklung hin zu Vertragsarten mit vergleichbaren Garantien und Kosten birgt die Möglichkeit, ein befristetes Arbeitsverhältnis als Sprungbrett für eine stabile und sichere Beschäftigung zu nutzen, während gleichzeitig die Arbeitsmärkte schockresistenter werden.

a.Die Gleichbehandlung wird unabhängig vom Arbeitsvertrag gewährleistet, es sei denn, eine unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Die falsche Anwendung oder der Missbrauch prekärer und befristeter Arbeitsverhältnisse wird verhindert.

b.Flexible Beschäftigungsbedingungen können als Türöffner für den Arbeitsmarkt dienen und Arbeitgebern weiterhin die Möglichkeit bieten, rasch auf Veränderungen in der Nachfrage zu reagieren; der Übergang zu unbefristeten Verträgen wird jedoch gewährleistet.

In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union Mindestvorschriften erlässt und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten im Bereich der Arbeitsbedingungen unterstützt und ergänzt.

3.Sichere Berufsübergänge

Der berufliche Werdegang der Menschen wird immer vielfältiger und schließt mehrere aufeinanderfolgende Arbeitsstellen sowie verschiedene Beschäftigungs–formen, Unterbrechungen der Berufstätigkeit, erhöhte Mobilität und berufliche Veränderungen im Laufe des Lebens ein. Der technologische Wandel und die sich rasch verändernden Arbeitsmärkte können nur dann optimal genutzt werden, wenn die Unterstützung beim Arbeitsplatzwechsel und bei Berufsübergängen schneller und besser funktioniert und die regelmäßige Weiterqualifizierung während des gesamten Berufslebens gefördert wird.

Die Weiterqualifizierung erfordert Investitionen sowohl seitens der Beschäftigten als auch der Unternehmen und der Gesellschaft. Einige Sozialschutzansprüche, wie betriebliche Altersvorsorge, Arbeitslosenleistungen, Krankenversicherung oder Fortbildung, können bei einem Stellenwechsel nicht immer problemlos übertragen und bei einem Wechsel in die Selbständigkeit auch nicht valorisiert oder mitgenommen werden. Umgekehrt sollten einige der Ansprüche arbeitsuchender oder nichterwerbstätiger Personen nicht zu Negativanreizen für die Wiederaufnahme einer Beschäftigung oder die Gründung eines eigenen Unternehmens werden.

a.Jede Person im erwerbsfähigen Alter hat Zugang zu individueller Unterstützung bei der Arbeitssuche und wird angehalten, sich fortzubilden oder weiterzuqualifizieren, um so bessere Chancen am Arbeitsmarkt zu haben bzw. ihre Aussichten auf eine erfolgreiche Unternehmensgründung zu erhöhen und um einen Arbeitsplatzwechsel sowie Berufsübergänge zu beschleunigen.

b.Die Wahrung und Portabilität der im Laufe des Berufslebens erworbenen Sozialleistungs- und Fortbildungsansprüche wird gewährleistet, um einen Arbeitsplatzwechsel sowie Berufsübergänge zu erleichtern.

In Artikel 151 AEUV ist festgelegt, dass die Union und die Mitgliedstaaten das Ziel verfolgen, die Beschäftigung zu fördern. In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf den Gebieten der sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer, der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung, sowie der Modernisierung der Systeme des sozialen Schutzes unterstützt und ergänzt.

4.Aktive Unterstützung für Beschäftigung

Das Problem der dauerhaften, wiederkehrenden sowie langfristigen Arbeitslosigkeit erfordert gerade bei jungen Menschen und geringqualifizierten Personen geeignete und gezielte Unterstützung für den (Wieder)einstieg ins Berufsleben sowie Maßnahmen zur Entwicklung von Fertigkeiten und Qualifikationen oder Arbeitserfahrung, damit sie in neue Berufe einsteigen können. Der rasche und wirksame Zugang zu derartigen Maßnahmen kann den sozialen Ausschluss sowie den Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt verhindern.

a.Alle jungen Menschen unter 25 Jahren erhalten binnen vier Monaten, nachdem sie arbeitslos geworden sind oder die Schule verlassen haben, eine hochwertige Arbeitsstelle, eine Weiterbildungsmaßnahme, eine Lehrstelle oder einen Praktikumsplatz.

b.Gewährleistet wird auch, dass gemeldeten langzeitarbeitslosen Personen spätestens nach 18-monatiger Arbeitslosigkeit eine umfassende individuelle Bestandsaufnahme und eine Wiedereinstiegsvereinbarung angeboten werden, die ein individuelles Dienstleistungsangebot sowie die Angabe einer zentralen Anlaufstelle umfasst.

In Artikel 151 AEUV ist festgelegt, dass die Union und die Mitgliedstaaten das Ziel verfolgen, die Beschäftigung zu fördern. In Artikel 153 AEUV ist auch festgelegt, dass die Union Mindestvorschriften erlässt und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten zur Förderung der Wiedereingliederung der aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personen unterstützt und ergänzt.

5.Geschlechtergleichstellung und Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

Frauen sind nach wie vor im Erwerbsleben unterrepräsentiert, dafür im Bereich der Teilzeitarbeit und in Branchen mit geringerer Bezahlung überrepräsentiert; sie erhalten niedrigere Stundensätze, obwohl sie die Männer bei den Bildungsabschlüssen bereits überholt haben. Die Förderung der Erwerbsbeteiligung von Frauen ist eine grundlegende Voraussetzung für Chancengleichheit und angesichts der Bevölkerungsalterung eine wirtschaftliche Notwendigkeit.

Das Fehlen angemessener Urlaubs- und Betreuungsregelungen kann Personen mit Betreuungs- oder Pflegepflichten (für Kinder und andere abhängige Familienangehörige) – überwiegend Frauen – davon abhalten, erwerbstätig zu bleiben oder wieder in den Beruf einzusteigen. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen stößt u. a. auf folgende Barrieren: keine angemessenen Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben; steuerliche Negativanreize für Zweitverdiener/innen oder übermäßige Besteuerung der Arbeit; Geschlechterstereotypen im Hinblick auf Fachbereiche und Berufe.

Selbständig Erwerbstätige sowie Beschäftigte, die nicht Vollzeit und nur befristetet beschäftigt sind, haben nach wie vor keinen gleichberechtigten Zugang zu bezahltem Urlaub aus familiären Gründen oder zu Versicherungssystemen. Unzureichende Möglichkeiten und fehlende Anreize für Männer, Urlaube zu nehmen, zementieren außerdem die Rolle der Frauen als primär für Pflege und Betreuung Verantwortliche – mit negativen Auswirkungen auf die Frauenerwerbsquote.

Auch die Möglichkeiten flexibler Arbeitsorganisation haben sich zum Teil durch digitale Umgebungen und die Kombination mehrerer Berufe im Rahmen der Sharing Economy oder der partizipativen Wirtschaft verbessert. Flexible Arbeitsverhältnisse können auch dazu beitragen, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu erleichtern, indem sowohl die Beschäftigten als auch die Unternehmen Arbeitspläne und Arbeitsmuster an ihre Bedürfnisse anpassen können.

a.Die Geschlechtergleichstellung am Arbeitsmarkt und im Bildungsbereich wird gefördert, indem die Gleichbehandlung in allen Bereichen, einschließlich Bezahlung, gewährleistet wird, Hindernisse für die Erwerbsbeteiligung von Frauen abgebaut werden und die Segregation der Arbeitsmärkte verhindert wird.

b.Alle Eltern und Menschen mit Betreuungs- oder Pflegepflichten für Kinder und andere abhängige Familienangehörige erhalten Zugang zu angemessenen Urlaubsregelungen sowie Zugang zu Betreuungs- und Pflegediensten. 1 Eine ausgewogene Inanspruchnahme von Urlaubsregelungen seitens beider Geschlechter wird durch Maßnahmen wie das Angebot bezahlten Elternurlaubs – sowohl für Männer als auch Frauen – gefördert.

c.Auf Basis von Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten werden flexible Arbeitsregelungen – auch für den Bereich der Arbeitszeit – ermöglicht und gefördert, wobei sowohl die Bedürfnisse der Beschäftigten als auch die der Arbeitgeber berücksichtigt werden.

In Artikel 33 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist Folgendes niedergelegt: Um Familien- und Berufsleben miteinander in Einklang bringen zu können, hat jeder Mensch das Recht auf Schutz vor Entlassung aus einem mit der Mutterschaft zusammenhängenden Grund sowie den Anspruch auf einen bezahlten Mutterschaftsurlaub und auf einen Elternurlaub nach der Geburt oder Adoption eines Kindes.

In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union Mindestvorschriften erlässt sowie die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf den Gebieten der Arbeitsumwelt, der Arbeitsbedingungen sowie der Chancengleichheit von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt und Gleichbehandlung am Arbeitsplatz unterstützt und ergänzt.

In Artikel 24 der Charta der Grundrechte ist darüber hinaus Folgendes niedergelegt: Die Gleichheit von Frauen und Männern ist in allen Bereichen, einschließlich der Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitsentgelts, sicherzustellen. Der Grundsatz der Gleichheit steht der Beibehaltung oder der Einführung spezifischer Vergünstigungen für das unterrepräsentierte Geschlecht nicht entgegen.

In Artikel 3 EUV ist festgelegt, dass die Union soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen bekämpft. Darüber hinaus ist in Artikel 8 AEUV festgelegt, dass die Union darauf hinwirkt, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern. In Artikel 19 AEUV ist festgelegt, dass die Union geeignete Vorkehrungen treffen kann, um Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung zu bekämpfen. In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union Mindestvorschriften erlässt sowie die Tätigkeit der Mitgliedstaaten im Bereich der Wiedereingliederung der aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personen sowie der Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt und der Gleichbehandlung am Arbeitsplatz unterstützt und ergänzt.

6.Chancengleichheit

In der gesamten Union gilt ein Diskriminierungsverbot im Hinblick auf Geschlecht, Rasse oder ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Orientierung. Trotzdem sind bestimmte Personengruppen mit Problemen beim Zugang zur Arbeitswelt konfrontiert. In Beschäftigungsverhältnissen unterrepräsentiert sind vor allem Drittstaatsangehörige und ethnische Minderheiten; sie haben ein höheres Armutsrisiko und leiden stärker unter sozialer Ausgrenzung. Es ist wichtig, Hürden abzubauen, die diese Personen an der Teilhabe hindern; das können Sprachbarrieren oder Lücken in der Anerkennung von Fertigkeiten und Qualifikationen sein. Was Diskriminierung aufgrund der Nationalität oder der ethnischen Herkunft betrifft, zeigt die Erfahrung in den Unternehmen, dass sowohl die Arbeitgeber zu wenig über nichtdiskriminierende Einstellungsverfahren wissen als auch die von Diskriminierung betroffenen Personen ihre Rechte nicht ausreichend kennen.

Die Förderung ihrer Erwerbsbeteiligung ist eine grundlegende Voraussetzung für Chancengleichheit und angesichts der Bevölkerungsalterung eine wirtschaftliche Notwendigkeit.

a. Die Erwerbsbeteiligung unterrepräsentierter Bevölkerungsgruppen wird erhöht, wobei Gleichbehandlung in allen Bereichen gewährleistet wird, u. a. durch Sensibilisierung und das Vorgehen gegen Diskriminierung.

In Artikel 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist Folgendes niedergelegt: Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.

In Artikel 3 EUV ist festgelegt, dass die Union soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen bekämpft. Darüber hinaus ist in Artikel 8 AEUV festgelegt, dass die Union darauf hinwirkt, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern. In Artikel 19 AEUV ist festgelegt, dass die Union geeignete Vorkehrungen treffen kann, um Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung zu bekämpfen. In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union Mindestvorschriften erlässt sowie die Tätigkeit der Mitgliedstaaten im Bereich der Wiedereingliederung der aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personen sowie der Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt und der Gleichbehandlung am Arbeitsplatz unterstützt und ergänzt.


KAPITEL II: FAIRE ARBEITSBEDINGUNGEN

7.Beschäftigungsbedingungen

Neue Formen flexibler Beschäftigung erfordern besondere Sorgfalt bei der Festlegung der Art, des Umfangs und der Dauer der Beschäftigung, bei der Ermittlung der Arbeitgeber sowie des damit verbundenen Sozialschutzes, und wenn es darum geht, missbräuchlichen Einsatz in der Probezeit zu verhindern. Dezentrale, selbstorganisierte Arbeitsformen können die Autonomie der Beschäftigten stärken und die Unternehmensentwicklung fördern, gleichzeitig aber auch dazu führen, dass die Beschäftigten ihre Rechte weniger gut kennen und die Informationspflichten für Arbeitgeber unklar sind. EU-Rechtsvorschriften zur Pflicht, Beschäftigte über die Beschäftigungsbedingungen zu informieren, gelten nicht ab Beschäftigungsbeginn und ihre Anwendung gestaltet sich in zunehmend transnationalen, mobilen, digitalen und ortsungebundenen Unternehmensorganisationsmodellen immer schwieriger. Komplexe, kostspielige und unsichere Regelungen für die Beendigung unbefristeter Arbeitsverhältnisse lassen Unternehmen zögern, Arbeitskräfte einzustellen, und führen auch zu uneinheitlicher Durchsetzung der geltenden Bestimmungen.

a.Jede beschäftigte Person wird vor Beschäftigungsbeginn schriftlich über die Rechte und Pflichten informiert, die sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergeben.

b.Eine etwaige Probezeit erstreckt sich auf einen vernünftigen Zeitraum; die Beschäftigten erhalten Informationen zu den Bedingungen für die Probezeit, bevor diese beginnt.

c.Die Kündigung einer beschäftigten Person ist zu begründen, ihr geht eine angemessene Kündigungsfrist voraus und sie ist mit einer angemessenen Abfindung bzw. Abfertigung verbunden sowie dem Zugang zu einem unparteiischen Streitbeilegungssystem, bei dem rasch und wirksam ein Rechtsbehelf eingelegt werden kann.

In Artikel 30 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist Folgendes niedergelegt: Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten Anspruch auf Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung.

In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union durch Richtlinien Mindestvorschriften erlässt und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Arbeitsbedingungen und des Schutzes der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrags unterstützt und ergänzt.


8.Löhne und Gehälter

Entsprechende Mindestlöhne und gehälter gewährleisten den Beschäftigten und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard und tragen dazu bei, dem Problem der Armut trotz Erwerbstätigkeit zu begegnen. Eine möglichst breite Erfassung verhindert Verzerrungen, die zu einem zweigeteilten Arbeitsmarkt führen. Eine prognostizierbare Entwicklung bei Löhnen und Gehältern ist wichtig für ein stabiles Unternehmensumfeld. Die Höhe der Mindestlöhne und gehälter muss so gewählt werden, dass geringqualifizierte Personen weiterhin eine Chance auf Beschäftigung haben und sich eine Erwerbstätigkeit für arbeits- und erwerbslose Personen lohnt. Für die Wettbewerbsfähigkeit, vor allem im Euro-Raum, hat es sich als wichtig erwiesen, die Entwicklung der Löhne und Gehälter an die Produktivität zu koppeln.

a.Jede Beschäftigung wird fair entlohnt und ermöglicht einen angemessenen Lebensstandard. Mindestlöhne und gehälter werden mit einem transparenten und vorhersehbaren Mechanismus in einer Weise festgelegt, die den Zugang zu Beschäftigung und die Motivation, sich Arbeit zu suchen, gewährleistet. Die Entwicklung der Löhne und Gehälter folgt den Produktivitätsentwicklungen; dabei werden die Sozialpartner konsultiert und die jeweilige nationale Praxis berücksichtigt.

9.Arbeitsschutz

Weniger stabile Beschäftigungsverhältnisse, neue Arbeitsmuster und die Alterung der Arbeitskräfte haben zu neuen Herausforderungen für den Arbeitsschutz, also für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, geführt. Ein wirksamer Schutz vor Arbeitsunfällen und berufsbedingten Erkrankungen, und zwar unabhängig von der Art des Beschäftigungsverhältnisses und unter Berücksichtigung von „Grauzonen“ mit unklarer Rechtslage (z. B. „abhängige Selbständigkeit“ und „Scheinselbständigkeit“), spielt eine wichtige Rolle bei der Eindämmung von Prekarität, der Verringerung sozialer Kosten und der Steigerung der Produktivität der Unternehmen. Die Arbeitgeber müssen intensiver in Umschulungen und die Anpassung von Arbeitsplätzen eingebunden werden, um die Bemühungen um Wiedereingliederung und Rehabilitation zu verstärken. Allerdings ist die Durchsetzung von Präventiv- und Abhilfemaßnahmen in kleinen Unternehmen nach wie vor sehr schwierig.

a.Es wird ein angemessenes Maß an Schutz vor allen potenziellen Risiken am Arbeitsplatz gewährleistet, und die Umsetzung in der Praxis, insbesondere in Klein- und Kleinstunternehmen, wird hinreichend unterstützt.

In Artikel 31 der Charta der Grundrechte ist Folgendes niedergelegt: Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen.

In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union durch Richtlinien Mindestvorschriften erlassen kann und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Verbesserung der Arbeitsumwelt zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer unterstützt und ergänzt.

10.Sozialer Dialog und Einbeziehung der Beschäftigten

Entscheidend für einen gut funktionierenden sozialen Dialog sind autonome und repräsentative Sozialpartner, die in der Lage sind, Kollektivverträge abzuschließen. Die Organisationsdichte und Repräsentativität der Sozialpartner ist jedoch rückläufig, weshalb sie weitere Kapazitäten aufbauen müssen, um einen besser funktionierenden, wirksamen sozialen Dialog zu führen. Für eine erfolgreiche Konzeption und Umsetzung der Wirtschafts- und Sozialpolitik, einschließlich Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung in Phasen des Wirtschaftsabschwungs, ist die Einbindung der Sozialpartner auf Ebene der EU und der Mitgliedstaaten unerlässlich. Neue Formen der Arbeitsorganisation, beispielsweise im Dienstleistungssektor und in der digitalen Wirtschaft, führen zudem zu einer uneinheitlichen Einbeziehung der Beschäftigten, und ihre Unterrichtung und Anhörung wird komplexer.

a.Die Sozialpartner werden bei der Konzeption und Umsetzung beschäftigungs- und sozialpolitischer Maßnahmen konsultiert. Sie werden ermutigt, Kollektivverträge über sie betreffende Fragen zu schließen, und zwar unter Wahrung nationaler Gepflogenheiten, der Autonomie der Sozialpartner und des Rechts auf Kollektivmaßnahmen.

b.Die rechtzeitige Unterrichtung und Anhörung aller Beschäftigten, einschließlich digital und/oder in anderen Ländern tätiger Personen, wird sichergestellt, insbesondere im Falle von Massenentlassungen sowie des Übergangs, der Umstrukturierung und der Fusion von Unternehmen.

In den Artikeln 12 und 27 der Charta der Grundrechte ist Folgendes niedergelegt: Jede Person hat das Recht, sich insbesondere im politischen, gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Bereich auf allen Ebenen frei und friedlich mit anderen zu versammeln und frei mit anderen zusammenzuschließen, was das Recht jeder Person umfasst, zum Schutz ihrer Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten. Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder ihre Vertreter muss auf den geeigneten Ebenen eine rechtzeitige Unterrichtung und Anhörung in den Fällen und unter den Voraussetzungen gewährleistet sein, die nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten vorgesehen sind.

In Artikel 28 der Charta der Grundrechte ist Folgendes niedergelegt: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber oder ihre jeweiligen Organisationen haben nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten das Recht, Tarifverträge auf den geeigneten Ebenen auszuhandeln und zu schließen sowie bei Interessenkonflikten kollektive Maßnahmen zur Verteidigung ihrer Interessen, einschließlich Streiks, zu ergreifen.

In Artikel 151 AEUV ist festgelegt, dass die Union und die Mitgliedstaaten das Ziel verfolgen, den sozialen Dialog zu fördern. In Artikel 152 AEUV ist festgelegt, dass die Union die Rolle der Sozialpartner anerkennt und fördert und den sozialen Dialog unterstützt. In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union Mindestvorschriften erlässt sowie die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf den Gebieten der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer sowie der Vertretung und kollektiven Wahrnehmung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen unterstützt und ergänzt. In den Artikeln 154 und 155 AEUV ist festgelegt, dass die Sozialpartner eine Rolle im Gesetzgebungsverfahren spielen.



KAPITEL III: ANGEMESSENER UND NACHHALTIGER SOZIALSCHUTZ

11.Integrierte soziale Leistungen und Dienste

In manchen Fällen erschwert die Vielfalt der Leistungen, Dienste, Agenturen und Antragsverfahren den Menschen den Zugang zu der von ihnen benötigten Unterstützung. Durch mangelnde Integration von Leistungen und Diensten sinkt auch deren Effizienz bei der Bekämpfung von Armut und bei der Förderung der sozialen Integration und der Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Sozialleistungen, aktive Unterstützung und soziale Dienste – diese drei Komponenten müssen aufeinander abgestimmt sein, damit die Unterstützung Wirkung zeigt. Diese Abstimmung sollte die Aspekte Berechtigung und Abdeckung, koordinierte Unterstützungsangebote und Beibehaltung bestimmter Ansprüche bei Wiederaufnahme einer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit umfassen. Durch eine bessere Integration von Leistungen und Diensten kann die Kosteneffizienz des Sozialschutzes verbessert werden.

a.Sozialschutzleistungen und soziale Dienste werden so weit wie möglich integriert, um die Kohärenz und die Wirksamkeit dieser Maßnahmen zu verstärken und die soziale Integration sowie die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen.

In Artikel 34 der Charta der Grundrechte ist Folgendes niedergelegt: Die Union anerkennt und achtet das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit und zu den sozialen Diensten [...].

In Artikel 151 AEUV ist festgelegt, dass die Union und die Mitgliedstaaten das Ziel verfolgen, für einen angemessenen sozialen Schutz zu sorgen und Ausgrenzungen zu bekämpfen. In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf den Gebieten der sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer, der Modernisierung der Systeme des sozialen Schutzes und der Eingliederung ausgegrenzter Personen in den Arbeitsmarkt unterstützt und ergänzt.

12.Gesundheitsversorgung und Krankenleistungen

Aufgrund der Alterung der Bevölkerung und der hohen Behandlungskosten geraten die finanzielle Tragfähigkeit der Gesundheitssysteme und deren Fähigkeit, eine angemessene Versorgung aller Menschen zu gewährleisten, unter Druck. Es hat sich gezeigt, dass im Verhältnis zum Einkommen hohe Behandlungskosten und zu lange Wartezeiten eine maßgebliche Rolle dafür spielen, dass Menschen keinen Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten. Um einen allgemeinen Zugang zu hochwertiger Versorgung zu gewährleisten und zugleich die finanzielle Tragfähigkeit der Gesundheitssysteme zu wahren, eine kosteneffiziente Versorgung anzustreben und Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention zu betreiben, müssen die Anstrengungen zur Verbesserung von Widerstandsfähigkeit, Effizienz und Wirksamkeit der Gesundheitssysteme verstärkt werden; so können die Systeme die anstehenden Herausforderungen besser bewältigen. Ein allgemeiner Zugang zur Gesundheitsversorgung und die Beseitigung von Benachteiligungen in diesem Bereich stärken den sozialen Zusammenhalt und wirken sich positiv auf die Wirtschaftsleistung aus.

Die Regelungen für Sach- und/oder Geldleistungen bei Krankheit weichen in puncto Wartezeiten, Dauer, Höhe der Ersatzleistungen und Kontrollmechanismen stark voneinander ab. Es ist nach wie vor eine Herausforderung, ein Mindestniveau für Ersatzleistungen im Krankheitsfall sicherzustellen und die Wiedereingliederung und Rehabilitation zu fördern, ohne die finanzielle Tragfähigkeit solcher Regelungen zu gefährden.

a.Jeder Mensch erhält rechtzeitigen Zugang zu hochwertiger Gesundheitsvorsorge und Heilbehandlung; medizinischer Versorgungsbedarf darf nicht zu Armut oder finanziellen Zwängen führen. 

b.Um die Widerstandsfähigkeit der Gesundheitssysteme und ihre finanzielle Tragfähigkeit zu gewährleisten, unterstützen die Systeme eine kosteneffiziente Versorgung und stärken zugleich Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention.

c.Unabhängig von der Art ihres Vertrags erhalten alle Beschäftigten im Krankheitsfall eine Geldleistung in angemessener Höhe; die Einbeziehung selbständig Erwerbstätiger in die Krankenversicherung wird gefördert. Um eine schnelle Rückkehr an den Arbeitsplatz zu ermöglichen, wird die wirksame Wiedereingliederung und Rehabilitation unterstützt.

In Artikel 35 der Charta der Grundrechte ist Folgendes niedergelegt: Jeder Mensch hat das Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und auf ärztliche Versorgung nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten. Bei der Festlegung und Durchführung der Politik und Maßnahmen der Union in allen Bereichen wird ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt. In Artikel 34 der Charta der Grundrechte ist Folgendes niedergelegt: Die Union anerkennt und achtet das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit [...] in Fällen wie [...] Krankheit [...].

In Artikel 151 AEUV ist festgelegt, dass die Union und die Mitgliedstaaten das Ziel verfolgen, für einen angemessenen sozialen Schutz zu sorgen. In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf den Gebieten der sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer sowie der Modernisierung der Systeme des sozialen Schutzes unterstützt und ergänzt.

In Artikel 168 AEUV ist festgelegt, dass bei der Festlegung und Durchführung aller Unionspolitiken und -maßnahmen ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt wird.

13.Renten und Pensionen

Aufgrund der steigenden Lebenserwartung und des Rückgangs der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter entsteht eine doppelte Herausforderung: Gewährleistung der finanziellen Tragfähigkeit der Renten und Pensionen bei gleichzeitiger Sicherstellung eines angemessenen Einkommens im Ruhestand. Um die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu sichern und Generationengerechtigkeit zu wahren ist es angezeigt, das gesetzliche Ruhestandsalter an die Lebenserwartung zu binden und die Lücke zwischen dem gesetzlichen und dem tatsächlichen Renten- bzw. Pensionseintrittsalter durch Vermeidung des frühen Ausscheidens aus dem Arbeitsmarkt zu verringern.

In mehreren Mitgliedstaaten sind zu niedrige Renten und Pensionen eine zusätzliche Herausforderung. In den meisten Ländern besteht auch ein großes geschlechterbedingtes Vorsorgegefälle: Geringere Einkünfte und Beschäftigungslücken führen bei Frauen zu niedrigeren Renten- und Pensionsbeiträgen und somit letztlich zu geringeren Ansprüchen.

Auch selbständig Erwerbstätige und Personen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen sind größeren Risiken aufgrund unzureichender Altersversorgung und geringerer Abdeckung durch betriebliche Altersvorsorge ausgesetzt.

a.Mit Eintritt in den Ruhestand erhalten alle Menschen eine Altersversorgung, die einen angemessenen Lebensstandard gewährleistet. Es werden Maßnahmen ergriffen, um das geschlechterbedingte Vorsorgegefälle zu verringern, beispielsweise durch angemessene Anrechnung von Betreuungszeiten. Je nach nationalen Gegebenheiten wird die Einbeziehung selbständig Erwerbstätiger in die Renten- bzw. Pensionsversicherung gefördert.

b.Die Vorsorgesysteme werden darauf ausgerichtet, die Tragfähigkeit und künftige Angemessenheit der Renten und Pensionen zu wahren, und zwar durch Gewährleistung einer umfassenden Beitragsbasis, durch die Bindung des gesetzlichen Rentenalters an die Lebenserwartung und durch die Verringerung der Lücke zwischen dem gesetzlichen und dem tatsächlichen Renten- bzw. Pensionseintrittsalter durch Vermeidung des frühen Ausscheidens aus dem Arbeitsmarkt.

In Artikel 34 der Charta der Grundrechte ist Folgendes niedergelegt: Die Union anerkennt und achtet das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit [...] im Alter sowie [...] das Recht auf eine soziale Unterstützung [...] [für diejenigen], die nicht über ausreichende Mittel verfügen [...].

In Artikel 151 AEUV ist festgelegt, dass die Union und die Mitgliedstaaten das Ziel verfolgen, für einen angemessenen sozialen Schutz zu sorgen und Ausgrenzungen zu bekämpfen. In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf den Gebieten der sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer, der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie der Modernisierung der Systeme des sozialen Schutzes unterstützt und ergänzt.

14.Arbeitslosenleistungen

Arbeitslosenleistungen sind dann wirksam, wenn sie die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz ermöglichen, dazu beitragen, Kompetenzangebot und bedarf besser aufeinander abzustimmen, für wirtschaftliche Absicherung in Phasen der Arbeitslosigkeit sorgen, ein Abgleiten in die Armut vermeiden und bei einem Wirtschaftsabschwung eine automatische Stabilisierung ermöglichen. In manchen Fällen ist der Kreis derjenigen, die Arbeitslosenleistungen erhalten, aufgrund strenger Anspruchsregelungen sehr klein. Anlass zur Sorge geben die Dauer der Leistungsgewährung in manchen Mitgliedstaaten sowie die Durchsetzung der Auflagen für die Arbeitsuche und die Teilnahme an aktiven Unterstützungsmaßnahmen.

a.Die Unterstützungsmaßnahmen für Arbeitslosen umfassen angemessene Arbeitslosenleistungen in Verbindung mit Auflagen für die aktive Arbeitsplatzsuche und für die Teilnahme an aktiven Unterstützungsangeboten. Durch die Dauer der Leistungsgewährung wird sichergestellt, dass ausreichend Zeit für die Arbeitsuche bleibt, ohne dass negative Anreize für eine schnelle Rückkehr in die Beschäftigung entstehen. 2

In Artikel 34 der Charta der Grundrechte ist Folgendes niedergelegt: Die Union anerkennt und achtet das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit [...] bei Verlust des Arbeitsplatzes [...].

In Artikel 151 AEUV ist festgelegt, dass die Union und die Mitgliedstaaten das Ziel verfolgen, für einen angemessenen sozialen Schutz zu sorgen und Ausgrenzungen zu bekämpfen. In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf den Gebieten der sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer, der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie der Modernisierung der Systeme des sozialen Schutzes unterstützt und ergänzt.

15.Mindesteinkommen

In den meisten, aber nicht allen Mitgliedstaaten gibt es ein Mindesteinkommen für armutsgefährdete Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht auf andere Weise sichern können. Derzeit bestehen hier jedoch einige Herausforderungen, beispielsweise die zu geringe Höhe der Leistungen, so dass die Empfänger der Armut nicht entkommen, sowie die geringe Abdeckung und Nichtinanspruchnahme des Mindesteinkommens aufgrund komplexer Zugangsmodalitäten. Bei Personen im erwerbsfähigen Alter können durch die schwache Anbindung an aktive Unterstützungsangebote und soziale Dienste sowie durch Nichtkürzung der Leistungen bei Wiederaufnahme einer Beschäftigung „Leistungsfallen“ und negative Anreize für die Arbeitsaufnahme entstehen. Der Aspekt der Einkommenssicherheit deckt diejenigen, deren Anspruch auf Arbeitslosenleistungen ausgelaufen ist nur unzureichend ab, da Arbeitslosen- und Mindesteinkommensleistungen oft nicht ausreichend koordiniert sind. Für ältere Menschen ohne jedwede sonstigen Einkünfte sind die Mindesteinkommensregelungen in den meisten Mitgliedstaaten nicht ausreichend, um sie aus der Armut zu befreien.

a.Denjenigen, die nicht über ausreichende Mittel für die Sicherung eines angemessenen Lebensstandards verfügen, wird ein Mindesteinkommen in geeigneter Höhe gewährt. Bei Personen im erwerbsfähigen Alter ist die Gewährung dieser Leistung an Auflagen zur Teilnahme an aktiven Unterstützungsmaßnahmen zwecks (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt geknüpft.

In Artikel 34 der Charta der Grundrechte ist Folgendes niedergelegt: Um die soziale Ausgrenzung und die Armut zu bekämpfen, anerkennt und achtet die Union das Recht auf eine soziale Unterstützung und eine Unterstützung für die Wohnung, die allen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, ein menschenwürdiges Dasein sicherstellen sollen [...].

In Artikel 151 AEUV ist festgelegt, dass die Union und die Mitgliedstaaten das Ziel verfolgen, Ausgrenzungen zu bekämpfen.

In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf den Gebieten der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung und der Eingliederung ausgegrenzter Personen in den Arbeitsmarkt unterstützt und ergänzt.

16.Menschen mit Behinderung

Menschen mit Behinderung sind weitaus stärker von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht als die Gesamtbevölkerung. Es fehlt ihnen an barrierefreien Arbeitsplätzen, und sie sind mit Diskriminierungen und negativen steuerlichen Anreizen konfrontiert. Schlecht konzipierte Leistungen für Menschen mit Behinderung können zu „Leistungsfallen“ führen, beispielsweise wenn den Betroffenen Zahlungen vollständig gestrichen werden, sobald sie (wieder) ins Erwerbsleben eintreten. Die Verfügbarkeit von Unterstützungsleistungen kann auch die Fähigkeit zur Teilnahme am Arbeitsmarkt und am Gemeinschaftsleben beeinflussen.

a.Es wird gewährleistet, dass Menschen mit Behinderung grundlegende Unterstützungsdienste zur Verfügung stehen und dass sie ein gesichertes Grundeinkommen erhalten, das ihnen einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. Die Bedingungen für den Leistungsbezug sind so gestaltet, dass sich daraus keine Beschäftigungshindernisse ergeben.



In Artikel 26 der Charta der Grundrechte ist Folgendes niedergelegt: Die Union anerkennt und achtet den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft.

In Artikel 151 AEUV ist festgelegt, dass die Union und die Mitgliedstaaten das Ziel verfolgen, für einen angemessenen sozialen Schutz zu sorgen und Ausgrenzungen zu bekämpfen. In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf den Gebieten der sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer, der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie der Modernisierung der Systeme des sozialen Schutzes unterstützt und ergänzt.

17.Langzeitpflege

Die Alterung der Bevölkerung, sich wandelnde Familienstrukturen und eine höhere Frauenerwerbsquote sorgen für eine wachsende Nachfrage nach Langzeitpflegeleistungen. Lücken aufgrund nicht verfügbarer oder teurer Pflegeeinrichtungen werden oft von betreuenden Angehörigen, meist Frauen, geschlossen. Die reguläre häusliche Pflege wird zwar von vielen Pflegebedürftigen und ihren Familienangehörigen bevorzugt, ist jedoch nach wie vor unterentwickelt, so dass die informelle Pflege zu Hause für viele Familien die einzige Möglichkeit bleibt und dadurch hohe finanzielle Belastungen für die Betroffenen entstehen. Um den Zugang zu angemessenen Langzeitpflegeleistungen zu gewährleisten und zugleich die finanzielle Tragfähigkeit der Pflegesysteme sicherzustellen, müssen verstärkte Anstrengungen unternommen werden, um die Erbringung und Finanzierung der Langzeitpflege zu verbessern.

a.Der Zugang zu hochwertigen, erschwinglichen und von angemessen qualifizierten Fachkräften erbrachten Langzeitpflegeleistungen, einschließlich der häuslichen Pflege, wird sichergestellt.

b.Die Erbringung und Finanzierung von Langzeitpflegeleistungen wird verstärkt und verbessert, um einen angemessen Zugang zur Pflege zu finanziell tragfähigen Bedingungen zu gewährleisten.

In Artikel 34 der Charta der Grundrechte ist Folgendes niedergelegt: Die Union anerkennt und achtet das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit und zu den sozialen Diensten, die in Fällen wie [...] Pflegebedürftigkeit [...] Schutz gewährleisten [...].

In Artikel 151 AEUV ist festgelegt, dass die Union und die Mitgliedstaaten das Ziel verfolgen, für einen angemessenen sozialen Schutz zu sorgen. In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf den Gebieten der sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer sowie der Modernisierung der Systeme des sozialen Schutzes unterstützt und ergänzt.

18.Kinderbetreuung

Durch Kinderbetreuung wird die kognitive und soziale Entwicklung von Kindern, insbesondere aus benachteiligten Familien, verbessert, und ihre Bildungs- und Arbeitsmarktchancen im späteren Leben werden gesteigert. Die formale Kinderbetreuung ist außerdem ein wichtiges Instrument, um Eltern und vor allem Frauen die Teilnahme am Erwerbsleben zu ermöglichen. Es gibt jedoch nach wie vor Probleme durch Einschränkungen in puncto Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Erschwinglichkeit und Qualität, die die Entwicklung der Kinder beeinträchtigen. Auch der Zugang von Kindern aus benachteiligten Bevölkerungsgruppen zu diesem Dienst ist weiterhin eine Herausforderung.

a.Alle Kinder erhalten Zugang zu hochwertiger, erschwinglicher Kinderbetreuung, die von angemessen qualifizierten Fachkräften geleistet wird.

b.Es werden frühzeitig Maßnahmen ergriffen und präventive Strategien verfolgt, um Kinderarmut zu bekämpfen, einschließlich spezifischer Maßnahmen, um die Teilnahme von Kindern aus benachteiligten Verhältnissen an der Kinderbetreuung zu verstärken.

In Artikel 24 der Charta der Grundrechte ist Folgendes niedergelegt: Kinder haben Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind.

In Artikel 151 AEUV ist festgelegt, dass die Union und die Mitgliedstaaten das Ziel verfolgen, für einen angemessenen sozialen Schutz zu sorgen. In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf den Gebieten der sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer, der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie der Modernisierung der Systeme des sozialen Schutzes unterstützt und ergänzt.

19.Wohnraum

Der Mangel an angemessenem Wohnraum und unsichere Wohnverhältnisse geben in der gesamten EU weiterhin Anlass zur Sorge. Bei den Menschen führt diese Situation zu einer verstärkten finanziellen Risikobereitschaft, mehr Zwangsräumungen, Zahlungsrückständen bei der Miete bzw. der Tilgung von Hypothekendarlehen und in extremen Fällen zu Obdachlosigkeit. Das beschränkte Angebot im Wohnungssektor und Verzerrungen auf dem Mietwohnungsmarkt tragen dazu bei, dass Wohnraum knapp ist. Der Mangel an angemessenem Wohnraum behindert zudem nach wie vor die Arbeitskräftemobilität, den Eintritt junger Menschen in den Arbeitsmarkt, die Verwirklichung der Lebensplanung und die selbständige Lebensführung.

a.Hilfsbedürftige Menschen erhalten Zugang zu Sozialwohnungen oder Unterstützung bei der Wohnraumbeschaffung. Sozial schwache Personen erhalten Schutz vor Zwangsräumungen, und der Zugang von Haushalten mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu Wohneigentum wird gefördert.

b.Obdachlosen Personen werden Unterkünfte bereitgestellt; zugleich werden sie mit anderen sozialen Diensten in Kontakt gebracht, um ihre soziale Eingliederung zu fördern.

In Artikel 34 der Charta der Grundrechte ist Folgendes niedergelegt: Um die soziale Ausgrenzung und die Armut zu bekämpfen, anerkennt und achtet die Union das Recht auf [...] eine Unterstützung für die Wohnung, die allen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, ein menschenwürdiges Dasein sicherstellen sollen [...].

In Artikel 151 AEUV ist festgelegt, dass die Union und die Mitgliedstaaten das Ziel verfolgen, Ausgrenzungen zu bekämpfen. In Artikel 153 AEUV ist festgelegt, dass die Union die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung unterstützt und ergänzt.

20.Zugang zu essenziellen Dienstleistungen

Essenzielle Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, wie elektronische Kommunikationsdienste, Verkehr, Energie (Strom, Wärme), und grundlegende Finanzdienstleistungen (z. B. Bankkonten) sind eine Voraussetzung für die umfassende Inklusion der Menschen in die Gesellschaft und gewährleisten zugleich Chancengleichheit beim Zugang zur Beschäftigung; allerdings stehen sie denjenigen, die sie benötigen, nicht immer zur Verfügung. Zugangshindernisse sind unter anderem mangelnde Erschwinglichkeit, fehlende Infrastruktur oder Nichterfüllung von Barrierefreiheitsanforderungen für Menschen mit Behinderung.

a.Der Zugang zu erschwinglichen essenziellen Dienstleistungen der Grundversorgung, unter anderem elektronischen Kommunikationsdiensten, Energie, Verkehr und Finanzdienstleistungen, wird für alle Menschen gewährleistet. Hilfsbedürftige Menschen werden durch Maßnahmen unterstützt, die ihren Zugang zu diesen Dienstleistungen erleichtern.

In Artikel 151 AEUV ist festgelegt, dass die Union und die Mitgliedstaaten das Ziel verfolgen, für einen angemessenen sozialen Schutz zu sorgen und Ausgrenzungen zu bekämpfen.

(1) Vgl. Grundsätze 17-18.
(2) Vgl. Grundsatz 3.
Top