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Document 52016AE3894

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Halbzeitbewertung des LIFE-Programms“ (Sondierungsstellungnahme)

OJ C 173, 31.5.2017, p. 7–14 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

31.5.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 173/7


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Halbzeitbewertung des LIFE-Programms“

(Sondierungsstellungnahme)

(2017/C 173/02)

Berichterstatter:

Lutz RIBBE

Befassung

25.8.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Beschluss des Präsidiums

15.3.2016

 

 

Zuständige Fachgruppe

Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

Annahme in der Fachgruppe

6.2.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung am

23.2.2017

Plenartagung Nr.

523

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

169/25/18

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der EWSA plädiert erneut (1) und mit Nachdruck für die Beibehaltung und Fortentwicklung eines eigenständigen EU-Finanzierungsprogramms für Umwelt, Schutz und Verbesserung der Biodiversität, Ressourceneffizienz, nachhaltige Entwicklung, Kommunikation und Information sowie die Förderung nichtstaatlicher Umweltorganisationen.

1.2.

In den vergangenen 25 Jahren war LIFE von maßgeblicher Bedeutung für die europäische Umwelt- und zunehmend auch für die Nachhaltigkeitspolitik. Es kann mittlerweile zu Recht als ein unverzichtbares Element der EU-Umweltpolitik bezeichnet werden, welche durch LIFE in hohem Maße gestärkt wurde.

1.3.

Dies ist im doppelten Sinne geschehen. LIFE-Projekte haben

a)

unmittelbar dazu beigetragen, direkte und wahrnehmbare Erfolge zu erzielen; so konnten z. B. bestimmte gefährdete Arten, die nach EU-Recht geschützt sind, durch LIFE finanzierte Projekte vor dem direkten Aussterben bewahrt werden;

b)

vor Ort der Bevölkerung veranschaulicht, welche positiven Ansätze hinter der EU-Umweltpolitik stehen und welchen Nutzen diese Politik für Mensch, Umwelt und Natur schafft. LIFE ist somit zu einem „Vermittler“ zwischen der EU-Politik und dem „Europa der Bürger und der Regionen“ geworden — dies ist in Zeiten, in denen immer häufiger die Frage gestellt wird, welchen Mehrwert Europa überhaupt hat, von besonderer Bedeutung.

1.4.

Das LIFE-Programm, dessen stetige Anpassung an neue Herausforderungen besonders gewürdigt wird, hat auch aufgezeigt, dass innerhalb der Zivilgesellschaft ein hohes Potenzial und eine große Bereitschaft bestehen, sich für die Umsetzung und die Fortentwicklung der EU-Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik zu engagieren. Die Umsetzung des EU-Rechtes ist weit mehr als nur ein legislativer Akt, den Mitgliedstaaten vollziehen müssen. Die Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik steht und fällt mit der Akzeptanz der Bürger, sie muss transparent gemacht und vermittelt werden, und auch hier leistet LIFE wertvollste Beiträge.

1.5.

LIFE-Projekte zeigen aber häufig auch direkt oder indirekt die Widersprüchlichkeiten politischer Entscheidungen, auch auf EU-Ebene, auf. Auch wenn dies für manche Entscheidungsträger unangenehm sein mag, so ist dies als wertvoller Beitrag zu werten, der letztlich zur stärkeren Integration des Umweltschutzes in andere Politikbereiche führen kann.

1.6.

Die Umsetzung der UN-Agenda 2030 (der sogenannten SDGs) in europäische Politik ist eine der großen Herausforderungen, vor denen die EU in den kommenden Jahren steht. LIFE wird hier unterstützend wirken müssen. Es geht nicht nur darum, in einem engen Dialog mit den Sozialpartnern und zivilgesellschaftlichen Gruppen die effektivsten Wege der Umsetzung zu suchen; vielmehr müssen auch viele Kommissionsdienststellen und — übertragen auf die Ebene der Mitgliedstaaten — viele Ministerien, Behörden und Ämter, für die Nachhaltigkeitspolitik bisher eher ein Randthema war, umdenken, damit die viel diskutierte Integration des Natur- und Umweltschutzes in andere Politikbereiche Realität wird.

1.7.

Der EWSA empfiehlt einige Veränderungen:

Das LIFE-Programm sollte zum zentralen Instrument der Finanzierung des Natura-2000-Netzes werden. Der einst gewählte Ansatz, die Finanzierung des Natura-2000-Netzes vorrangig über die EU-Fonds für regionale Entwicklung sowie über die 2. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik zu organisieren, muss als unzulänglich angesehen werden. Der Ausschuss verweist in diesem Zusammenhang auf seine Stellungnahme (2) und spricht sich für eine entsprechende zweckgebundene Aufstockung des LIFE-Programms aus. Dabei ist auf die Kohärenz aller Fördermaßnahmen zu achten, also entgegengesetzte bzw. doppelte Förderungen zu anderen EU-Fonds müssen unterbleiben.

Es sollte geprüft werden, wie es noch besser gelingen kann, LIFE geförderte Projekt zu wirklichen „Modellprojekten“ zu machen, sie also — möglichst ohne weitere Förderungen — an anderen Orten in Europa zu replizieren.

Klassische Forschungsprojekte sollten nicht aus LIFE gefördert werden, auch um eine noch schärfere Abgrenzung zu Horizont 2020 zu gewährleisten.

1.8.

Der klimapolitische Teil sollte weiter ausgebaut werden, und zwar vorrangig hinsichtlich möglicher Anpassungsmaßnahmen, die besonders betroffene Bürger, Landwirte, Städte/Gemeinden und Regionen ergreifen können.

2.   Hintergrund

2.1.

Das 1992 geschaffene Programm LIFE ist das wichtigste Umweltförderprogramm der EU. Es dient dem Schutz der Biodiversität und der Lebensräume (insbesondere durch das Netz Natura 2000) sowie der Ressourceneffizienz, dem Klimaschutz, der Kommunikation und der Information. LIFE ist im Zeitraum 2014-2020 mit Mitteln in Höhe von ca. 3,456 Mrd. EUR ausgestattet, während im vorigen Siebenjahreszeitraum rund 2 Mrd. EUR zur Verfügung standen.

2.2.

Mit dem Programm werden folgende Hauptziele verfolgt:

Beitrag zum Aufbau einer ressourceneffizienten, kohlenstoffarmen und klimaresistenten Wirtschaft sowie zum Umweltschutz und zur Erhaltung der biologischen Vielfalt;

bessere Umweltpolitik, bessere Umsetzung und Kontrolle des EU-Umweltrechts sowie stärkere Berücksichtigung umwelt- und klimapolitischer Ziele in anderen Politikbereichen sowie in den Praktiken öffentlicher und privater Organisationen;

Förderung einer besseren Verwaltungspraxis im Umwelt- und Klimabereich auf allen Ebenen, vor allem durch die Einbeziehung von Zivilgesellschaft, nichtstaatlichen Organisationen und örtlichen Akteuren;

Unterstützung der Umsetzung des 7. Umweltaktionsprogramms sowie — zukünftig — der Umsetzung der UN-Agenda 2030 in europäische Politik.

2.3.

Im Vergleich zum Förderzeitraum 2007-2013 weist das LIFE-Programm nun etliche neue Merkmale auf:

Schaffung des Teilprogramms „Klimapolitik“;

Einführung der neuen Projektkategorie „integrierte Projekte“ neben den „traditionellen“ Projekten, Kapazitätsaufbauprojekten und vorbereitenden Projekten;

Einführung von Finanzinstrumenten, namentlich die Finanzierungsfazilität für Naturkapital (NCFF) mit Schwerpunkt auf Ökosystem-Leistungen und dem Schutz des Naturkapitals sowie das Instrument für private Finanzierungen im Bereich Energieeffizienz (PF4EE);

die nationale Zuweisung für Projekte wird schrittweise aufgegeben: Ab 2018 werden die Projekte einzig nach ihrer Eignung und ungeachtet der geografischen Verteilung ausgewählt (dies gilt für traditionelle Projekte);

die Kommission führt das Programm nunmehr über die Exekutivagentur für kleine und mittlere Unternehmen (EASME) durch.

2.4.

Im Förderzeitraum 2014-2020 hat LIFE die folgende Ausgestaltung:

das Teilprogramm „Umwelt“ mit den Schwerpunktbereichen „Umwelt und Ressourceneffizienz“, „Natur und Biodiversität“ sowie „Verwaltungspraxis und Information“, auf das etwa 75 % der Haushaltsmittel (2 592 Mio. EUR) entfallen;

das Teilprogramm „Klimapolitik“ mit den Schwerpunktbereichen „Klimaschutz“, „Anpassung an den Klimawandel“ sowie „Verwaltungspraxis und Information“, das mit etwa 25 % der Haushaltsmittel (864 Mio. EUR) ausgestattet ist.

2.5.

Die Europäische Kommission nimmt bis zum 30. Juni 2017 eine Halbzeitbewertung des LIFE-Programms vor, sie hat den EWSA und den Ausschuss der Regionen ersucht, sich vor der Veröffentlichung der Halbzeitbewertung unter Berücksichtigung der 2014 eingeführten Neuerungen zu der neuen Form von LIFE zu äußern.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Für eine qualifizierte „Halbzeitbewertung“ der jetzigen Programmphase ist es nach Auffassung des EWSA noch zu früh, da die ersten Projekte der neuen Programmphase erst im Jahr 2015 vergeben wurden und der absolut überwiegende Teil dieser Projekte noch nicht abgeschlossen, geschweige denn bereits evaluierbar ist. Dennoch möchte er im Lichte der Bewertung der bisherigen Programmphasen einen ersten Beitrag für die Ausgestaltung von LIFE in der Förderperiode 2021-2028 leisten.

Bisherige Erfolgsbilanz und Mehrwert, aber auch die Grenzen von LIFE

3.2.

In den vergangenen 25 Jahren war LIFE von maßgeblicher Bedeutung für die europäische Umwelt- und zunehmend auch für die Nachhaltigkeitspolitik. Für den Schutz der Biodiversität hat LIFE extrem wichtige Beiträge geleistet. Es kann mittlerweile zu Recht als ein unverzichtbares Element der EU-Umweltpolitik bezeichnet werden, welche durch LIFE in hohem Maße gestärkt wurde.

3.3.

Dies ist im doppelten Sinne geschehen. LIFE-Projekte haben

a)

unmittelbar dazu beigetragen, direkte und wahrnehmbare Erfolge zu erzielen. So konnten z. B. bestimmte gefährdete Arten, die nach EU-Recht geschützt sind, durch LIFE finanzierte Projekte vorm direkten Aussterben bewahrt werden — als Beispiel können die Projekte zum Schutz des Waldrapps bzw. der Großtrappe angeführt werden. LIFE war und ist oftmals die einzige Finanzierungsmöglichkeit, da die Mitgliedstaaten häufig keine entsprechenden Schutzprogramme aufgelegt haben bzw. kein Interesse daran zeigen;

b)

vor Ort der Bevölkerung veranschaulicht, welche positiven Ansätze hinter der EU-Umweltpolitik stehen und welchen Nutzen diese Politik für Mensch, Umwelt und Natur schafft. LIFE ist somit zu einem „Vermittler“ zwischen der EU-Politik und dem „Europa der Bürger und der Regionen“ geworden; dies ist in Zeiten, in denen immer häufiger die Frage gestellt wird, welchen Mehrwert Europa überhaupt hat, von besonderer Bedeutung.

3.4.

LIFE hat mit vielen der bislang geförderten Projekte aufgezeigt, dass innerhalb der Zivilgesellschaft ein hohes Potenzial und eine große Bereitschaft bestehen, sich für die Umsetzung und die Fortentwicklung der EU-Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik zu engagieren. Die Umsetzung des EU-Rechtes ist weit mehr als nur ein legislativer Akt, den Mitgliedstaaten vollziehen müssen. Die Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik steht und fällt mit der Akzeptanz der Bürger, sie muss transparent gemacht und vermittelt werden, und auch hier leistet das LIFE-Programm wertvollste und unverzichtbare Beiträge.

3.5.

LIFE-Projekte zeigen aber häufig auch direkt oder indirekt die Widersprüchlichkeiten politischer Entscheidungen, auch auf EU-Ebene, auf. Auch wenn dies für manche Entscheidungsträger unangenehm sein mag, so ist dies als wertvoller Beitrag zu werten, der letztlich zur stärkeren Integration des Umweltschutzes in andere Politikbereiche führen kann.

3.6.

Damit ist man auch direkt bei den Grenzen des LIFE-Programms: LIFE kann und sollte auch nicht den Anspruch erheben die Defizite ausgleichen zu können, die sich aus einer mangelnden Umsetzung des bestehenden Umweltrechtes bzw. aus einer mangelnden Berücksichtigung der Umweltbelange durch andere Politikbereiche ergeben. Das soll an drei Beispielen beschrieben werden:

3.6.1.

LIFE kann z. B. dazu beitragen, öffentlich deutlich zu machen, dass die Luftreinhaltepolitik der EU primär darauf abzielt, die Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung durch Schadstoffe zu reduzieren. LIFE kann aber Konflikte, wie sie z. B. in Deutschland zwischen Umwelt- und Verkehrspolitikern existieren und bei denen es im Kern um die Frage geht, welches „Schutzgut“ höher einzustufen ist (der „Schutz der Gesundheit der Stadtbevölkerung vor Feinstaub“ oder das „Recht des Autofahrers auf freie Mobilität“), nicht lösen.

3.6.2.

LIFE hat z. B. mit dem Projekt „Urban Bees“ (3) breiten Bevölkerungsschichten die Bedeutung, die Gefährdungsursachen, aber auch die Handlungsoptionen zum Schutz von Bestäubern in herausragender Weise veranschaulicht. Die Gefährdungen, die z. B. von bestimmten landwirtschaftlichen Praktiken oder der Zulassung von Spritzmitteln, die potenziell bienengefährdend sind, ausgehen, können aber nur abgestellt werden, wenn sich andere Dienststellen der EU ausreichend darum kümmern und das geltende Vorsorgeprinzip auch konsequent angewendet wird.

3.6.3.

Seit 1999 wurde in Österreich mit öffentlichen Finanzmitteln in Höhe von mittlerweile insgesamt 45 Mio. EUR — ein Teil davon stammt aus dem LIFE-Programm — ein erfolgreiches Programm zum Schutz einer global bedrohten Fischart, des „Huchen“ (4), finanziert. Eine aktuelle Studie zeigt, dass im Huchen-Verbreitungsgebiet der Bau von rund 600 Wasserkraftwerken geplant ist; die Experten gehen davon aus, dass der Huchen-Bestand durch diese Eingriffe um bis zu 70 % zurückgehen wird. Der Bau einiger Wasserkraftwerke soll auch mit EU-Mitteln unterstützt werden.

3.7.

Deshalb wird auch begrüßt, dass LIFE sich mittlerweile verstärkt um eine verbesserte Umsetzung der Gesetzgebung kümmert, nicht nur bei den betroffenen Behörden, sondern auch im Bereich der Kontrollorgane.

Die Entwicklung des LIFE-Programms

3.8.

Der EWSA begrüßt das hohe Maß an Flexibilität und die Anpassungsfähigkeit an neue Herausforderungen sowie an gemachte Erfahrungen, durch das sich das LIFE-Programm in den letzten Jahren stets auszeichnete. Das spiegelt sich auch in der neuen Finanzperiode 2014-2020 wider:

Schwerpunkt auf den Ländern mit größeren Umsetzungsdefiziten;

Abschaffung nationaler Quoten;

bessere Beteiligungsmöglichkeiten für Unternehmen;

stärkere Gewichtung von Innovation;

mehr Synergien mit anderen Programmen, angefangen bei den neuen integrierten Projekten, die 2014 eingeführt wurden. Der EWSA begrüßt in diesem Zusammenhang, dass seine Empfehlung (5) einer klaren Aufteilung der Haushaltsmittel für „traditionelle“ und „integrierte“ Projekte berücksichtigt wurde;

Einsatz von gänzlich neuen Umweltfinanzinstrumenten (PF4EE, NCFF);

Schaffung einer Klimadimension.

4.   Empfehlungen des EWSA

LIFE beibehalten und stärken

4.1.

Kein Programm ist so gut, dass es nicht besser werden könnte. Dennoch bekräftigt (6) der EWSA zunächst seine nachdrückliche Unterstützung für die Fortführung dieses haushaltstechnisch separaten Finanzierungsprogramms über die laufende Finanzperiode hinaus. Dies ist notwendig, denn trotz vieler ermutigender Fortschritte und trotz richtungsweisender Beschlüsse (u. a. UN-Agenda 2030, Klimabeschlüsse von Paris, EU-Biodiversitätsstrategie) sind die Umweltprobleme bei Weitem noch nicht gelöst und die Transformation hin zu einer ressourcenschonenden, emissionsarmen und biodiversitätserhaltenden EU-Politik noch nicht erfolgreich auf den Weg gebracht. Im Gegenteil: Die EU-Kommission und die Europäische Umweltagentur stellen selbst in diversen Berichten dar, dass die Belastungen z. T. sogar noch zunehmen (7).

4.2.

Die Analysen im Rahmen des REFIT-Prozesses für die Naturschutz-Richtlinien haben klar gezeigt, dass der gesetzliche Rahmen angemessen gestaltet ist, dass aber die finanziellen Mittel für ein zielorientiertes Management des Natura-2000-Netzwerks bei Weitem nicht ausreichen. Diese elementare Aufgabe des Biodiversitätsschutzes in Europa benötigt dringend eine angemessene Finanzierung.

4.3.

Die Stetigkeit des LIFE-Programms ist maßgeblich für die Wirksamkeit und die Glaubwürdigkeit der EU-Umweltpolitik, was durch die horizontale Integration des 7. Umweltaktionsprogramms, der UN-Nachhaltigkeitsagenda und der Klimabeschlüsse von Paris in alle anderen europäischen Politikbereiche und Finanzierungsprogramme abgesichert werden muss. Der EWSA erinnert daran, dass er sich zudem mehrfach für ein umweltorientierteres und gerechteres Europäisches Semester ausgesprochen hat.

Auswirkungen der Änderungen von 2014

4.4.

Die Einführung zweier neuer Finanzierungsinstrumente in das LIFE-Programm als Pilotprojekte war eine Neuerung, die der EWSA begrüßt. Für eine Bewertung dieses Ansatzes ist es viel zu früh, da die ersten Projekte aus beiden Fazilitäten (der Finanzierungsfazilität für Naturkapital (NCFF) sowie aus dem Instrument für private Finanzierungen im Bereich Energieeffizienz (PF4EE)) gerade erst beschlossen, aber noch nicht umgesetzt wurden.

4.5.

Mit diesem Ansatz wird ein völlig neuer Weg beschritten, um innovative Finanzierungsmöglichkeiten für Naturschutzprojekte und Energieeffizienzprojekte bei privaten Kleininvestoren zu schaffen. Dies ist notwendig, denn vielfach sind entsprechende Projekte an den klassischen Finanzierungen gescheitert.

4.6.

Wie erfolgreich dieser Programmteil letztlich sein wird, ob die eingegangene Zusammenarbeit mit der EIB sich als zielführend erweist, ob die Beantragungsmodalitäten einfach genug und die Finanzierungsbedingungen, inkl. Risikokapitaleinsatz, passend sein werden, lässt sich derzeit nur schwer abschätzen; deshalb bittet der EWSA, gerade diesen Teil des neuen LIFE-Programms später sehr genau zu evaluieren.

4.7.

In ihrer eigenen Evaluierung möge die Kommission auch prüfen, wie es ggf. noch besser gelingen kann, LIFE geförderte Projekte zu wirklichen „Modellprojekten“ zu machen, sie also — möglichst ohne weitere Förderungen — an anderen Orten in Europa unter Hervorhebung von Know-how-Transfer und wirtschaftlicher Machbarkeit zu replizieren. Ein Schritt könnte darin bestehen, Projektträger besonders erfolgreicher Projekte in einem vertiefenden Projektschritt mit der Beantwortung dieser Fragestellung zu beauftragen.

4.8.

LIFE wird vom EWSA als eine Finanzierungsfazilität zur Umsetzung von EU-Maßnahmen und Politiken gesehen und nicht als Programm, um primär Projekte im nationalen Interesse zu finanzieren. Es kann aber durchaus der Fall eintreten, dass z. B. von zivilgesellschaftlichen Organisationen beantragte LIFE-Projekte zwar im europäischen, aber weniger im nationalen Interesse liegen. Die Kofinanzierungsfrage muss deshalb künftig so gestaltet werden, dass entsprechende Projekte nicht daran scheitern, dass nationale Kofinanzierungen verweigert werden (dem EWSA sind entsprechende Fälle bekannt). Zudem fordert der EWSA die Kommission dazu auf, zu prüfen, inwieweit besonders für NGO noch höhere Ko-Finanzierungssätze angewendet werden können; die Eigenanteile stellen insbesondere für NGO oft eine schwer zu überspringende Hürde dar. Hinzu kommt, dass diese häufig aus öffentlichen Haushalten stammen und die Kofinanzierungsgeber damit klar erkennbar eine „Auswahlpolitik“ betreiben.

Integrierte Projekte/Komplementarität mit anderen Politikbereichen der EU

4.9.

Eine besondere Form stellen die sogenannten „integrierten Projekte“ dar, die innerhalb von LIFE entwickelt wurden und deren Bedeutung der EWSA besonders würdigt. Ein herausragendes Beispiel ist das „Belgian Nature Integrated Project (BNIP)“, das die gesamte Fläche Belgiens umfasst, 28 Stakeholder integriert, 18 spezielle Schutzprojekte, 48 klar abgegrenzte Aktionen und insgesamt über 300 Managementpläne (z. B. für Natura-2000-Gebiete) fördert. Durch das Projekt wurden 52 Mitarbeiter in sieben unterschiedlichen Teams zusammengebracht; es hat erfolgreich Brücken zwischen den verschiedenen zur Verfügung stehenden EU-Finanztöpfen, aber auch nationalen Ressourcen gebaut.

Genau solche inhaltlichen und strukturellen Verknüpfungen sollten künftig noch weiter gestärkt werden, beispielsweise potenzielle Synergien zwischen LIFE und einer umweltfreundlicheren GAP geschaffen werden.

Neue Aufgaben für LIFE

4.10.

Doch nicht nur die inhaltliche Verknüpfung von LIFE und GAP ist verbesserungsfähig, es sollte in jedem Fall eine wichtige administrative bzw. budgettechnische Neuerung erfolgen.

4.11.

Bislang sind die EU-Fonds für regionale Entwicklung sowie die 2. Säule der GAP das zentrale Instrument zur Finanzierung des Natura-2000-Netzes; dies geht auf einen Vorschlag der Kommission aus dem Jahr 2004 zurück (8). Der EWSA hatte diesen Vorschlag damals unter der Maßgabe unterstützt, dass innerhalb der genannten Fonds entsprechend zweckgebundene Mittel auch in ausreichender Höhe bereitgestellt würden. Dies ist nicht erfolgt, der damalige Ansatz wird deshalb nun vom EWSA als unzulänglich angesehen (9).

4.12.

Die bislang bereitgestellten Mittel decken nicht einmal ansatzweise die für die Kompensation von Naturschutzauflagen sowie die für die Erarbeitung von Managementplänen und die Umsetzung von erforderlichen Maßnahmen notwendigen Beträge ab. Natura 2000 ist ein klassischer Aufgabenbereich in der Verantwortung der EU, weshalb der Haushalt hier auch Klarheit schaffen muss.

4.13.

Der Ausschuss schlägt stattdessen vor, ab der nächsten Finanzperiode alle mit der Umsetzung und Aufrechterhaltung des „Natura-2000-Netzes“ benötigten Mittel aus dem LIFE-Programm zu finanzieren und die entsprechenden benötigten Haushaltsmittel zusätzlich einzuplanen. Er bittet die Kommission zudem intern zu klären, ob LIFE nicht auch das geeignete Instrument für die Umsetzung der „Transeuropäischen Netze Grüne Infrastruktur“ wäre (10). Die entsprechenden Mittel müssten ermittelt und zusätzlich bereitgestellt werden. Dabei ist auf die Kohärenz aller Fördermaßnahmen zu achten, also entgegengesetzte bzw. doppelte Förderungen zu anderen EU-Fonds müssen unterbleiben.

4.14.

Der EWSA betont, dass es sich bei der Finanzierung des Natura-2000-Netzwerks um eine elementare Investition in einen wichtigen Teil der grünen Infrastruktur Europas handelt, die sich nicht nur in Form von gesteigerter Lebensqualität und einer höheren Umweltqualität, sondern auch in einer Steigerung lokaler Einkommen auszahlt.

4.15.

Die Umsetzung der SDGs, sprich der UN-Agenda 2030 in europäische Politik, wird viele sehr grundlegende Veränderungen in europäischen Politikansätzen nötig machen (11). Dies erfordert auch

a)

ein zum Teil radikales Umdenken besonders in jenen Kommissionsdienststellen, die bisher wenig zielführend im Bereich der Nachhaltigkeitspolitik aktiv waren;

b)

einen völlig neuen Governance-Ansatz dahin gehend, dass eine viel intensivere Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure und viel mehr Bottom-up-Ansätze notwendig werden.

4.16.

Der EWSA empfiehlt der Kommission, in der neuen LIFE-Phase nach 2020 zur Stärkung der unter 4.15 genannten Erfordernisse neue Aktivitäten und Projektmöglichkeiten zu schaffen.

4.17.

Klassische Forschungsprojekte, wie sie in der Vergangenheit z. T. aus LIFE finanziert wurden, sollten dahin gehend hinterfragt werden, ob sich künftig hierfür nicht besser die klassischen Forschungstitel der Kommission eignen. Damit wäre eine klare Abgrenzung zu Horizont 2020 gegeben.

4.18.

Der Teil des LIFE-Programms, der sich mit Klimafragen befasst, sollte zukünftig noch stärker ausgebaut werden, und zwar besonders mögliche Anpassungsmaßnahmen, die die besonders betroffenen Bürger, Landwirte, Städte/Gemeinden und Regionen ergreifen können.

Brüssel, den 23. Februar 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Stellungnahme des EWSA in ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 111.

(2)  Siehe EWSA-Stellungnahme „Die Biodiversitätspolitik der EU“ (ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 14).

(3)  http://urbanbees.eu/.

(4)  Geschützt nach Anhang II der FFH-Richtlinie.

(5)  Stellungnahme des EWSA, ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 111.

(6)  Stellungnahme des EWSA, ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 111.

(7)  The European environment — state and outlook 2015: synthesis report, Europäische Umweltagentur, Kopenhagen, 2015.

(8)  COM(2004) 431 vom 15.7.2004 zur „Finanzierung von Natura 2000“.

(9)  Siehe die EWSA-Stellungnahme in ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 14.

(10)  http://ec.europa.eu/environment/nature/ecosystems/strategy/index_en.htm.

(11)  Siehe die EWSA-Stellungnahme in ABl. C 117 vom 30.4.2004, S. 22, und die EWSA-Stellungnahme in ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 41.


ANHANG

zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgender abgelehnter Änderungsantrag erhielt mindestens ein Viertel der Stimmen:

Ziffer 3.6.2

Ändern:

 

LIFE hat z. B. mit dem Projekt „Urban Bees“  (12) breiten Bevölkerungsschichten die Bedeutung, die Gefährdungsursachen, aber auch die Handlungsoptionen zum Schutz von Bestäubern in herausragender Weise veranschaulicht. Die Gefährdungen, die z. B. von bestimmten ungeeigneten landwirtschaftlichen Praktiken oder der Zulassung von Spritzmitteln, die potenziellbienengefährdend sind, ausgehen, können aber nurabgestellt werden, wenn sich andere Dienststellen der EU ausreichenddarum kümmern und das geltendeVorsorgeprinzip auch angemessen konsequentangewendet wird.

Begründung

Die europäische Landwirtschaft ist ohne jeden Zweifel die strengste, was die Einhaltung von Vorschriften für Umweltschutz, Tiergesundheit und Bewirtschaftung von Böden und Gewässern anbelangt. Sie ist den weltweit höchsten Standards unterworfen und unterliegt der „Konditionalität“, d. h. die Beachtung dieser Kriterien ist für alle europäischen Landwirte obligatorisch.

Andererseits unterliegt auch die Genehmigung von Pflanzenschutzmitteln Prüfungs- und Kontrollverfahren vonseiten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, wofür wissenschaftliche Kriterien, die auf der Analyse der Wahrscheinlichkeit der Schadensverursachung beruhen, zu gelten haben. Dies ist die Grundlage, die als Leitschnur für die korrekte Anwendung des Vorsorgeprinzips dienen muss.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen

75

Nein-Stimmen

95

Enthaltungen

33


(12)  http://urbanbees.eu/.


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