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Document 52012AE2363

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 98/70/EG über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und zur Änderung der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen — COM(2012) 595 final — 2012/0288 (COD)

ABl. C 198 vom 10.7.2013, p. 56–66 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

10.7.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 198/56


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 98/70/EG über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und zur Änderung der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen

COM(2012) 595 final — 2012/0288 (COD)

2013/C 198/09

Berichterstatter: Lutz RIBBE

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 19. November 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 98/70/EG über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und zur Änderung der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen

COM(2012) 595 final – 2012/0288 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 3. April 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 489. Plenartagung am 17./18. April 2013 (Sitzung vom 17. April) mit 147 gegen 26 Stimmen bei 23 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA hat sich stets für einen verstärkten Einsatz von Erneuerbaren Energien – auch in Form von Bioenergien – ausgesprochen. Er hat sich aber bereits in seiner Stellungnahme zur Erneuerbare-Energien-Richtlinie kritisch zum Einsatz von Agrokraftstoffen im Mobilitätsbereich geäußert. Er begrüßt insofern die jetzt von der Kommission geplante Begrenzung der "konventionellen Biokraftstoffe" auf 5 %.

1.2

Die Kommission will nun verstärkt die energetische Nutzung von Rest-, Neben- bzw. Abfallprodukten zur Kraftstoffproduktion fördern. Das wird vom EWSA im Prinzip positiv gesehen, allerdings muss auch hierbei streng darauf geachtet werden, dass eine kohärente Politik betrieben und keine neuen Probleme verursacht werden. Genau hier sieht der EWSA jedoch im Kommissionsentwurf Gefahren.

1.3

Biomasse ist zwar erneuerbar, die Fläche aber, auf der diese angebaut wird, ist begrenzt. Deshalb ist es nachvollziehbar, indirekte Landnutzungsänderungen (ILUC) – insoweit sie Flächenkonkurrenzen meinen – in die politisch-strategischen Überlegungen einzubeziehen. Solche Änderungen bzw. Konkurrenzen ergeben sich aber nur, wenn die bisherige Nahrungs- bzw. Futtermittelproduktion z.B. durch die Bioenergieproduktion abgelöst wird, nicht aber, wenn es nur regionale Verschiebungen im Anbau gibt.

1.4

Der von der Kommission gewählte ILUC-Ansatz ist Teil einer vergleichenden Bewertung von fossilen und biogenen Energieträgern, die einseitig auf Treibhausgasbilanzen ausgerichtet ist. Fragen wie z.B. die der Versorgungssicherheit oder der Endlichkeit der fossilen Rohstoffe passen in dieses mathematische Schema nicht hinein, sie werden ausgeklammert. Damit verliert ILUC den Anspruch, einer Nachhaltigkeitspolitik gerecht zu werden.

1.5

Der von der Kommission gewählte ILUC-Ansatz ist auch insofern fragwürdig, als dieser zwar für flüssige, nicht jedoch für gasförmige bzw. feste Energieträger gelten soll. Der EWSA ist damit nicht einverstanden.

1.6

Mit dem vorgelegten Vorschlag wird die europäische Eiweißproduktion und damit die in bestimmten Bereichen durchaus sehr sinnvolle direkte energetische Nutzung von Pflanzenölen in Frage gestellt, weil Pflanzenöle von der Kommission mit einem ILUC-Faktor belegt und so begrenzt werden sollen. Dies ist nicht gerechtfertigt. Pflanzenöle sind keine "Hauptprodukte", sondern fallen als Nebenprodukt im Rahmen eines wünschenswerten Anbaus von Eiweißpflanzen in Europa an. Der Anbau von Ölpflanzen in Europa, die gleichzeitig Eiweißfutter und Pflanzenöle liefern (und somit Sojaimporte ersetzen) sollte im Rahmen nachhaltiger landwirtschaftlicher Anbaumethoden gefördert und nicht beschränkt werden.

1.7

Bei den als "fortschrittlich" beschriebenen Biokraftstoffen, die die EU Kommission nun fördern will, sieht der EWSA die Gefahr, dass wertvolle potenzielle Kohlenstoffsenken (wie Holz, Stroh, Laub) als Basis von Kraftstoffen genutzt werden sollen, was zur Erhöhung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre führen würde (vgl. Ziffer 4).

1.8

In der vorgelegten Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie erkennt der EWSA keine erfolgversprechende Basis für eine Strategie, um den Einsatz fossiler Kraftstoffe wirklich zu minimieren, die Versorgungssicherheit Europas zu verbessern und Beiträge zum Klimaschutz zu leisten.

1.9

Biokraftstoffe jeglicher Art sind kein dauerhaftes Mittel gegen den verbreiteten übermäßigen Energieverbrauch. Allein von der Verfügbarkeit her werden sie die fossilen Kraftstoffe nicht ersetzen können. Somit handelt es sich hierbei – besonders hinsichtlich des PKW-Verkehrs, bei dem sich Alternativen zu flüssigen Kraftstoffen abzeichnen – maximal um eine Übergangslösung, die zudem mit erheblichen unerwünschten Nebenwirkungen behaftet sein kann und keinesfalls davon ablenken darf, dass die Verminderung unseres Energieverbrauchs als solches unverzichtbar ist, unabhängig von einzelnen Energiequellen.

1.10

Der EWSA ist sich bewusst, dass es in einigen Bereichen der Mobilität und in der Land- und Forstwirtschaft derzeit noch keine praktikablen Alternativen zum Einsatz flüssiger Kraftstoffe gibt. Reine Pflanzenöle können hier eine praktische Alternative sein, allerdings ist auch ihr Produktionsvolumen begrenzt, weshalb ihr Verwendungsbereich sehr strategisch geplant werden muss.

1.11

Auch die Kommissionsmitteilung "Saubere Energie für den Verkehr: Eine europäische Strategie für alternative Kraftstoffe" (1), die in einem strategischen Zusammenhang mit der Biokraftstoffpolitik steht, bietet keine ausreichenden Ansätze (2).

1.12

Insgesamt erkennt der EWSA erhebliche Inkohärenzen zwischen verschiedenen Politikansätzen der Kommission, die dringend behoben werden müssen. Der Ausschuss ruft die Kommission auf, ihre Bioenergiepolitik – besonders im Verkehrsbereich – insgesamt zu überdenken. Dabei sind die Endlichkeit der Ressource "Fläche" (und somit von Biomasse), die Energiebilanz und -effizienz der jeweiligen Bioenergien (und somit die unterschiedlichen THG-Reduktionspotentiale) sowie die Wirtschaftlichkeit zu beachten. Den Energieverlusten bei den Konversionsprozessen sollte weitaus mehr Aufmerksamkeit geschenkt, Alternativen zum Verbrennungsmotor im Verkehrssektor (wie Elektromobilität, Wasserstofftechnologie) sollten entwickelt und gefördert und eine eigenständige europäische Strategie für eine nachhaltige europäische Gewinnung von Eiweiß und Pflanzenölen sowie deren Verwendung erarbeitet werden.

2.   Einleitung: politischer Hintergrund und Vorstellung der Kommissionsvorschläge

2.1

Mit der Richtlinie 2009/28/EG (die "Erneuerbare-Energien-Richtlinie") wurden verbindliche Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien (im Folgenden als "EE" abgekürzt) festgelegt; ihr Anteil soll bis 2020 20 % des Energieverbrauchs ausmachen. Den Mitgliedsstaaten wurde bei der Umsetzung insofern ein hohes Maß an Flexibilität eingeräumt, als sie selbst entscheiden können, in welchem Sektor (Strom, Wärme/Kälte bzw. Verkehr) sie hauptsächlich aktiv werden wollen.

2.2

Von dieser Flexibilität wurde allerdings im Verkehrssektor abgewichen; dort wurde ein verbindlicher Mindestanteil von 10 % am Energieverbrauch festgeschrieben. Geplant war zunächst, diesen Anteil in Form von Biokraftstoffen (3) vorzuschreiben, nach Kritik des EWSA und des EP einigte man sich darauf, auch andere Formen erneuerbarer Energien (z.B. Strom aus erneuerbaren Quellen zum Betrieb von Autos und Bahnen, Biogas etc.) anzurechnen.

2.3

Die jetzt vorgelegten Änderungsvorschläge sind Konsequenz des 2010 von der Kommission veröffentlichten "Berichts über indirekte Landnutzungsänderungen in Zusammenhang mit Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen" (4), in dem man zur Erkenntnis kam, dass "gegen indirekte Landnutzungsänderungen infolge des gestiegenen Bedarfs an Biokraftstoffen […] anzugehen" ist.

2.4

Im Prinzip wird an dem vom EWSA kritisierten Einsatz von Kraftstoffen aus pflanzlichem Material im Verkehrsbereich festgehalten, jedoch soll jetzt eine Begrenzung von "konventionellen Agrokraftstoffen" vollzogen und ein Übergang zu so genannten "fortschrittlichen" Biokraftstoffen eingeleitet werden, bei denen die Gefahr indirekter Landnutzungsänderungen nicht bestehen soll. Bei diesen von der Kommission als "fortschrittlich" definierten Biokraftstoffen handelt es sich um flüssige Kraftstoffe, die z.B. aus biogenen Abfällen/Reststoffen oder Algen hergestellt werden. Ihre Produktion soll nach den Vorstellungen der Kommission gefördert werden, da sie derzeit nicht in großen Mengen kommerziell erhältlich sind. Anreize sollen dadurch geschaffen werden, dass "fortschrittliche Biokraftstoffe" bei der Anrechnung auf das in der Richtlinie 2009/28/EG festgelegte 10 %-Ziel im Verkehrssektor gegenüber konventionellen Agrokraftstoffen stärker gewichtet werden.

2.5

Mit ihren Vorschlägen verfolgt die Kommission zusammengefasst folgende Ziele:

Begrenzung des Beitrags konventioneller Biokraftstoffe zur Erfüllung der Ziele der Erneuerbare-Energien-Richtlinie auf max. 5 % des Energieeinsatzes im Verkehrsbereich, also auf maximal die Hälfte der gesetzten 10 % Zielmarke;

Förderung sog. "fortschrittlicher Biokraftstoffe" (mit keinen bzw. geringen indirekten Landnutzungsänderungen), indem u.a. zugelassen wird, dass solche Kraftstoffe rein rechnerisch einen größeren Beitrag zur Erfüllung der Ziele der Erneuerbare-Energien-Richtlinie leisten als konventionelle Agrokraftstoffe;

Verbesserung der Treibhausgasbilanz der Biokraftstoff-Herstellungsverfahren (Verringerung der damit verbundenen Emissionen) durch die Anhebung der bei neuen Anlagen zu erzielenden Treibhausgasemissionseinsparungen;

Verbesserung der Meldung von Treibhausgasemissionen dadurch, dass die Mitgliedstaaten und Kraftstoffanbieter verpflichtet werden, die auf indirekte Landnutzungsänderungen von Biokraftstoffen zurückgehenden Emissionen zu melden.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der EWSA hatte in seiner Stellungnahme (5) zum damaligen Richtlinienentwurf "Erneuerbare Energien" die generelle Zielrichtung der Richtlinie begrüßt und unterstützt, den Einsatz von Bioenergien im Verkehrssektor aber kritisch gesehen.

3.2

Europa benötigt einen konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien, aber parallel dazu konsequentes Energiesparen, effektive und umfassende Energieeffizienzverbesserungen sowie strukturelle Veränderungen in verschiedenen Bereichen (wie z.B. der Verkehrspolitik).

3.3

Der EWSA allerdings hat die Sonderbehandlung des Verkehrssektors und die Fokussierung dort auf Agrokraftstoffe u.a. mit der Begründung abgelehnt, dass "die strategische Festlegung auf den teilweisen Ersatz von Diesel bzw. Benzin durch Agro-Kraftstoffe eine der am wenigsten effektiven und teuersten Klimaschutzmaßnahmen ist und derzeit eine extreme Fehlallokation von Finanzmitteln bedeutet. Weshalb gerade die teuersten Maßnahmen politisch am intensivsten gefördert werden sollen, zumal neben wirtschaftlichen noch eine Unmenge ökologischer und sozialer Fragen völlig unbeantwortet ist […] kann der EWSA nicht nachvollziehen. Er lehnt deshalb das separate 10%-Ziel für Agro-Kraftstoffe ab" (6). An dieser Position hat sich nichts geändert.

3.4

Der Kommission sollte es allerdings nicht um die politisch gesetzte 10%-Zielmarke gehen. Ihr Ziel sollte es vielmehr sein, eine kohärente Politik zu entwickeln, die zum Ziel hat, langfristig möglichst 100% der heute eingesetzten fossilen Kraftstoffe substituieren zu können.

3.5

Dies wird beim jetzigen Verkehrsaufkommen nur zu einem sehr marginalen Teil mit Agrokraftstoffen geschehen können. Die FAO hat errechnet, dass man 2/3 der derzeit weltweit verfügbaren Ackerfläche für die Agrokraftstoffherstellung nutzen müsste, wollte man den heutigen weltweiten Energiebedarf des Verkehrssektors mit Agrokraftstoffen decken.

3.6

Die sich aus einer solchen Politik ergebenden Auswirkungen hinsichtlich indirekter Landnutzungsänderungen liegen auf der Hand.

3.7

Biokraftstoffe jeglicher Art sind also kein dauerhaftes Mittel gegen den verbreiteten übermäßigen Energieverbrauch. Allein von der Verfügbarkeit her werden sie die fossilen Kraftstoffe nur sehr begrenzt ersetzen können. Somit handelt es sich hierbei – besonders bezogen auf den PKW-Verkehr, bei dem sich Alternativen zu flüssigen Kraftstoffen abzeichnen – maximal um eine Übergangslösung, die zudem mit erheblichen unerwünschten Nebenwirkungen behaftet sein kann und keinesfalls davon ablenken darf, dass die Verminderung unseres Energieverbrauchs als solches unverzichtbar ist, unabhängig von einzelnen Energiequellen.

3.8

Ein Grund für die kritisch-distanzierte Haltung des EWSA zum Kommissionsvorschlag von 2008 lag in der Frage der indirekten Landnutzungsänderungen. Der Ausschuss begrüßt daher den jetzigen Ansatz, der zum Ziel hat, den Einsatz konventioneller Agrokraftstoffe zu begrenzen.

Der ILUC-Ansatz ist nachvollziehbar, hat aber gravierende Schwächen

3.9

Der gedankliche Ansatz der Kommission zu ILUC ist nachvollziehbar: wenn immer auf einer landwirtschaftlichen Nutzfläche, auf der bisher Nahrungs- oder Futtermittel angebaut wurden, Nutzungen für neue Anwendungsbereiche (wie z.B. Agrokraftstoffe, aber auch die stoffliche Verwertung von Pflanzen usw.) erfolgen, muss die bisherige Nahrungs- oder Futtermittelproduktion auf anderen Flächen stattfinden, was zu negativen ökologischen und sozialen Folgen führen kann.

3.10

Deshalb ist es nachvollziehbar, diese "indirekten Landnutzungsänderungen" in die politisch-strategischen Überlegungen mit einzubeziehen.

3.11

Eine Studie im Auftrag der Kommission beziffert diese indirekten Landnutzungsänderungen auf 1,4 Mio. ha allein dadurch dass der Einsatz von Agrokraftstoffen von heute EU-weit unter 5% auf 10% steigen würde.

3.12

Der Ausschuss weist die Kommission, das EP und den Rat darauf hin, dass sich indirekte Landnutzungsänderungen nicht nur bei der Nutzung flüssiger Kraftstoffe ergeben. Sie sind vielmehr bei der Nutzung von Biomasse, so es sich nicht um Reststoffe handelt, systemimmanent.

3.13

Das würde bedeuten: Ein ähnlicher Ansatz wie jetzt bei flüssigen Kraftstoffen müsste folgerichtig auch bei gasförmigen und festen Energieträgern vollzogen werden. In Deutschland beispielsweise wurden 2011 neben den 1,2 Mio. ha Ackerfläche, auf denen Pflanzen für die Herstellung konventioneller Agrokraftstoffe angebaut wurden, mittlerweile ca. 1 Mio. ha für den Anbau von Pflanzen (vornehmlich Mais) zur Herstellung von Biogas genutzt. Werden Pflanzen zu Kraftstoff, soll ein ILUC-Faktor angerechnet werden, werden sie verstromt, jedoch nicht. Das ist unlogisch und inkonsequent.

3.14

Der EWSA hält es für sehr sinnvoll, Energieträger wie Biomasse, für die separat Flächen in Anspruch genommen werden, im Verkehrsbereich nur dann zu nutzen, wenn keine praktikablen Alternativen zur Verfügung stehen. Biomasse ist zwar regenerativ, aber wegen des Flächenbedarfs nicht unbegrenzt verfügbar.

3.15

Oft stehen Alternativen zur Verfügung oder können entwickelt werden, z.B. im Rahmen der Elektromobilität, wo mit Wind- und Solarstrom Energie viel flächenschonender erzeugt werden kann: Zur Stromerzeugung von 10 GWh/Jahr ist beispielsweise ein Flächenbedarf von 400 ha Maisanbau, aber von nur 8 ha Dachflächen (besetzt mit Photovoltaikanlagen) bzw. von 0,3 ha (wenn Windkraftanlagen genutzt werden) notwendig. Anders ausgedrückt: dort, wo z.B. Elektromobilität denkbar und auch wirtschaftlich sinnvoll bzw. in der Praxis umsetzbar ist, sollte diese weiter entwickelt und genutzt werden, um Flächenkonkurrenzen möglichst zu vermeiden bzw. gering zu halten.

3.16

Der EWSA erkennt in dem nun von der Kommission vorgelegten Vorschlag kein schlüssiges Gesamtkonzept, weder bei den Bioenergien, noch zur Lösung der von der Kommission im Verkehrsbereich immer wieder vorgetragenen Problematik, dass nämlich dort

a)

die Abhängigkeit von Energieimporten extrem hoch ist und

b)

die THG ganz besonders aus dem Ruder laufen.

Klimaschutz und Versorgungssicherheit werden durch den neuen Ansatz kaum verbessert

3.17

Der Kommission ist bewusst, dass die sogenannten "fortschrittlichen" Biokraftstoffe, die aus Reststoffen bzw. Algen hergestellt werden, wesentlich teurer sein werden als die "konventionellen Agrokraftstoffe" aus Nahrungsmittelpflanzen. Da die Kommission davon ausgeht, dass solche "fortschrittlichen" Kraftstoffe zur Erreichung des 10%-Ziels benötigt werden, wird ein rechnerischer Trick zur Erreichung dieser Zielmarke angewendet. Jeder Liter "fortschrittlicher Kraftstoff", der aus Rohstoffen nach Anhang IX Teil A des Richtlinienentwurfs hergestellt wird (also z.B. aus Algen, Stroh, Tierdung oder Klärschlamm, Nussschalen oder Rinde, Sägespäne und -mehl oder Laub) wird mit dem Faktor 4 versehen, also so berechnet wie 4 Liter "konventioneller Agrokraftstoffe". Bei Kraftstoffen, die z.B. aus gebrauchten Speiseölen, tierischen Fetten, zellulosehaltiges Non-Food-Material (Anhang IX Teil B) hergestellt werden, soll ein Faktor 2 angesetzt werden.

3.18

Das bedeutet: schon mit einem 2,5 % igem Anteil "fortschrittlicher Kraftstoffen", der mit dem Faktor 4 aufgewertet wird, gilt das eigentliche "10 %-Ziel" als erreicht. Geht man davon aus, dass diese "fortschrittlichen Kraftstoffe" gegenüber fossilen Kraftstoffen eine 60 %ige Treibhausgasreduktion erbringen, würden sich folglich die Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors um ca. 1,5 % reduzieren. Da die Verkehrsemissionen rund 25 % der Gesamtemissionen der EU ausmachen würde damit eine errechnete Gesamttreibhausgasreduktion in der EU von weniger als einem halben Prozent erreicht!

3.19

Egal, ob das gesetzte Ziel von 10 % nun mit 2,5 % "moderner" Biokraftstoffe oder einer Mischung aus dem maximalen Anteil von 5 % konventionellen und beispielsweise 1,25 % "fortschrittlichen" Biokraftstoffen erzielt wird: als substantieller Beitrag zur Erhöhung der Versorgungssicherheit in der EU und zum Klimaschutz kann dies nicht angesehen werden.

3.20

Langfristig ist ein Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrsbereich notwendig, der weit über die jetzige Zielmarke von 10% hinausgehen muss. Die Kommission selbst plant bis zum Jahr 2050 eine Reduktion der THG-Emissionen im Verkehrsbereich von bis zu 67%. Der vorgelegte Vorschlag bietet keinen Ansatz für eine erfolgversprechende Strategie, um dieses Ziel zu erreichen.

Der Kommissionsansatz konterkariert eine europäische Eiweißstrategie

3.21

Der EWSA betont, dass ein ILUC-Ansatz nur dann in Betracht gezogen werden kann, wenn es sich um neue Nutzungsformen handelt; nicht aber, wenn es um eine regionale Verschiebung bisheriger Nutzungen geht. Und genau an dieser Stelle beinhaltet der Kommissionsentwurf einen entscheidenden Denkfehler.

3.22

Bei ihren ILUC-Berechnungen stellt die Kommission dar, dass bei der Herstellung von Pflanzenölen als Nebenprodukt der sog. Öl- bzw. Eiweißkuchen anfällt, dessen "Wert" allerdings allein klimapolitisch bewertet wird, indem man nur seinen Brennwert in die THG-Vergleichsberechnungen einbezieht.

3.23

Niemand in Europa käme aber auf die Idee, Ölkuchen zu verbrennen. Fakt ist vielmehr: der Anbau von Ölpflanzen in Europa ist höchst sinnvoll. Raps z.B. wurde in den letzten Jahrzehnten züchterisch deshalb entwickelt, um seinen Anbau zu Futterzwecken zu fördern, um so die extrem schlechte Eiweißversorgung Europas zu verbessern. Der EWSA hat häufig darauf hingewiesen, dass dies zwingend notwendig ist, denn rund 75 % der verfütterten Eiweißfuttermengen müssen heute importiert werden. Mit einem europäischen Anbau von Eiweißkulturen kann der Import von Eiweißpflanzen wie Soja verringert werden; und damit auch die negativen ökologischen und sozialen Effekte, die mit dem industriell betriebenen Sojaanbau in Übersee z.T. einhergehen.

3.24

Das Pflanzenöl ist somit nicht das primäre Ziel des Ölpflanzenanbaus. Ca. 2/3 der Erntemenge ist der Eiweißkuchen, nur 1/3 ist ausgepresstes Öl. Das Öl ist somit ebenso wie das Stroh, das bei der Produktion anfällt (7), das Neben- bzw. Abfallprodukt.

3.25

Die Kommission gibt auf der einen Seite vor, Neben- bzw. Abfallprodukte fördern zu wollen, mit dem vorgelegtem Vorschlag wird aber die europäische Eiweißproduktion und damit auch die hoch sinnvolle direkte Nutzung von Pflanzenölen in Frage gestellt. Das ist alles andere als eine kohärente Politik.

ILUC ist nur ein Kriterium, Bioenergien sind mehr als nur eine Frage von Flächenbedarf und Treibhausgasemissionen

3.26

Die Kommission reduziert mit ihren Vorschlägen die Diskussion um Bioenergien auf eine Vergleichsberechnung von THG-Emissionen aus fossilen und regenerativen Energieträgern. Ihr Ansatz ist, dass biogene Kraftstoffe nur noch dann auf die EE-Richtlinie angerechnet werden, wenn diese gegenüber fossilen Kraftstoffen einen bestimmten THG-Reduktionsgrad erreichen.

3.27

Der EWSA betont, dass eine solche Politik viel zu kurz greift, denn sie klammert andere wichtige Fragen wie die der Versorgungssicherheit (inkl. der Entwicklung regionaler Versorgungsstrukturen) aus. Auch die Frage der Endlichkeit der fossilen Energien/Rohstoffe, soziale Aspekte wie die Verdrängung von Kleinbauern oder indigenen Gruppen in überseeischen Anbaugebieten sowie Preisentwicklungen auf den Lebensmittelmärkten werden ebenfalls nicht berücksichtigt. Denn diese lassen sich nicht – wie ILUC – in ein mathematisches Raster von "THG-Äquivalent" umrechnen.

3.28

Bei den THG-Vergleichszahlen wird ferner nicht stringent genug zwischen dem fossilen, endlichen Erdöl (als Grundlage von Benzin, Diesel und Kerosin) und z.B. dem regenerativen, immer wieder erzeugbaren Pflanzenöl (als Abfallprodukt einer europäischen Eiweißstrategie) unterschieden. Die THG-Vergleichszahl muss – wenn sie adäquat eingesetzt werden soll – diesem fossil/regenerativen Sachverhalt unbedingt Rechnung tragen. Das heißt: Erdöl-Derivate sollten – je nach ihrer konkreten Auswirkung – vorab einen kräftigen Malus erhalten, überdies sind neue, (klima)schädlichere Abbaumethoden in die Klimabilanz fossiler Energieträger einzuberechnen (z.B. Sand- oder Schieferöl); hier muss die Kommission nachbessern.

3.29

Zu beachten ist außerdem dass es bei den einzelnen biogenen Kraftstoffen extreme Unterschiede gibt. THG-Emissionen bei Biotreibstoffen resultieren a) aus der Art des Anbaus der Pflanzen und b) durch den Aufwand bei der technischen Herstellung des Biotreibstoffs, inkl. des Transports der Rohstoffe und der Endprodukte.

3.30

Biokraftstoffe, die aus einem natur- und ressourcenschonendem Anbauverfahren (wie dem ökologischen Landbau) stammen, müssten also unterschieden werden von solchen, die unter Einsatz von viel Agrochemikalien hergestellt werden (was die THG-Bilanz verschlechtert), lokal hergestellte Kraftstoffe wiederum von solchen aus zentralen, großtechnischen Anlagen usw. Eine solche Differenzierung wird von der Kommission nicht vorgenommen.

3.31

Vielmehr werden mit den vorgeschlagenen Berechnungsmethoden der Kommission kurioserweise sogar "fortschrittliche" Kraftstoffe, die mit hohem Energie- und Transportaufwand hergestellt werden, rechnerisch besser gestellt als z.B. das von der Natur quasi zum "Nulltarif" gelieferten Ausgangsprodukts (wie reines Pflanzenöl) (vgl. Ziffer 4). Dies hält der EWSA für inakzeptabel.

4.   Besondere Anmerkungen

4.1   Die Kommission stellt dar, dass bei den "fortschrittlichen" Kraftstoffen keine Gefahr indirekter Landnutzungsänderungen auftreten soll. Dem EWSA ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass dies keinesfalls mit deren klimapolitischen Undenklichkeit gleichzusetzen ist. Anhand vier konkreter Beispielen aus der Liste der von der Kommission vorgeschlagenen "Reststoffe" möchte der Ausschuss seine kritische Haltung zum jetzt geplanten Ansatz im Folgenden deutlich machen.

4.2   Glycerin

4.2.1

Die Kommission setzt bei den "fortschrittlichen" Biokraftstoffen nun u.a. auf Glyzerin statt auf den "konventionellen" Biodiesel, den man begrenzen will. Nun sind allerdings gerade die europäischen Biodieselproduzenten in den letzten Jahren zum größten Glycerinlieferanten in Europa geworden, 80 % der europäischen Glycerinproduktion entstammen der Biodieselproduktion (8). Der EWSA fragt sich, woher zukünftig der "Rohstoff Glycerin" stammen soll, der verstärkt eingesetzt werden soll, wenn man die Herstellung des entsprechenden Ausgangsstoffes (Biodiesel) begrenzen will. Das ist ein Widerspruch in sich.

4.2.2

Die Kommission hat selbst klar gemacht, dass es klimapolitisch und energetisch sowieso sinnvoller wäre, Pflanzenöle naturbelassen direkt zu nutzen und nicht zu Biodiesel umzuestern (siehe Anlage V Teil A der Richtlinie 2009/28/EG). Bei dieser klimapolitisch sinnvollen Vorgehensweise entstünde überhaupt kein Glyzerin. Der jetzige Vorschlag der Kommission führt allerdings zu einer erheblichen und fatalen "Wettbewerbsverzerrung" im Ranking bei Treibhausgasemissionen (THG). Das industrielle Restprodukt Glycerin, das aus einem energieintensiven Produktionsvorgang stammt (nämlich der Umesterung von Pflanzenöl zu Biodiesel) erhält durch die Vervierfachung ihres Abfallwertes einem fiktiv besseren THG-Wert als das Ausgangsprodukt Pflanzenöl. Auf dem Papier wird ein rechnerischer THG-Einsparungsvorteil erzeugt, den es in der Wirklichkeit nicht gibt (vgl. auch Ziffer 4.4.3.).

4.3   Holz ("Biomass to liquid")

4.3.1

Technisch ist es zweifellos möglich, den Weg "Biomass to liquid" zu gehen, wie es die Kommission z.B. mit dem Einsatz von Holz vorschlägt. Das entsprechende "Fischer-Tropsch-Verfahren" ist seit Jahrzehnten bekannt. Dies besteht darin, dass die Ligninmoleküle des Holzes total zerlegt werden und das verbleibende CO meist mit fremdeingespeistem H2 zu CH-Molekülen aufgebaut wird.

4.3.2

Der Prozess ist nicht (!) aus Restholz oder Rinde herstellbar, er erfordert Holz mit bester Qualität (Konkurrenz zu Möbel und Furnierholz), da Fremdmoleküle, die gerade im Restholz und in der Rinde vorhanden sind, den Fischer-Tropsch-Prozess stören.

4.3.3

Dieser Prozess ist extrem energieaufwändig! Aus 1 000 kg bestem Stammholz (mit 60 Gew % organischer Substanz) können 135 kg Dieselkraftstoff erzeugt werden. Über 85 % der in Form von Holz eingesetzten Energie geht bei diesem Prozess verloren, gerade einmal ca. 15 % werden zu "fortschrittlichem Biokraftstoff". D.h.: aus einem Wald von 1 000 Bäumen werden über 850 als Prozessenergie verfeuert, um aus weniger als 150 Bäumen Kraftstoff zu erhalten. Bei der nachfolgenden Verbrennung des BtL-Kraftstoffs in den Motoren der Autos wird dann das gesamte durch die Photosynthese gebundene CO2 aller 1 000 eingesetzten Bäume freigesetzt.

4.3.4

Das ist energetisch ein inakzeptabel schlechter Wirkungsgrad und weit entfernt von Energieeffizienz, wie sie von der Kommission immer wieder gefordert wird. Im Einklang mit den Zielen der Energieeffizienz sollte auf Prozesse gesetzt werden, durch die ein zufriedenstellender Wirkungsgrad bei der Energienutzung erreicht werden kann.

4.3.5

Dennoch wird dieser Prozess im Rahmen der EE-Politik der EU als weitgehend CO2-neutral dargestellt, eben weil man Holz als Prozessenergie nutzen will. Allerdings plant die EU auf der anderen Seite, CO2-Speicher einzurichten. Was bietet sich dafür mehr an, als CO2 in Holz umzuwandeln und dieses dort auch langfristig gebunden zu halten, also nicht gleich wieder – z.B. für die Herstellung von "fortschrittlichen Biokraftstoffen" – zu verfeuern?

4.3.6

Der EWSA betont: natürlich kann und soll Holz aus einer nachhaltigen Forstwirtschaft auch zu energetischen Zwecken eingesetzt werden, um z.B. fossile Energieträger wie Öl oder Kohle zu substituieren. Er hat aber bereits früher darauf hingewiesen (9), dass man sich an die Empfehlungen der Gemeinsamen Forschungsstelle halten und die klimapolitisch effektivsten und wirtschaftlich sinnvollsten Maßnahmen zuerst angehen sollte. Diese bestehen zu aller erst in der Wärmenutzung von Holz (z.B. in Nahwärmesystemen, optimal in Verbindung mit Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen), und nicht in den energieaufwendigen chemischen Konversionsprozessen von Holz zu flüssigen Kraftstoffen für den Verkehrssektor (10).

4.4   Stroh

4.4.1

Aus ökologischer und klimapolitischer Sicht ist es mehr als problematisch, dass die Kommission Stroh schlichtweg zum "Reststoff" (im Sinne von nutzlosem Abfall) erklärt. Über Jahrhunderte hinweg war Stroh der zentrale Stoff im Prozess einer bäuerlichen Kreislaufwirtschaft. Unter einem Hektar gesundem Ackerboden leben ca. 10 Tonnen Lebewesen, die ernährt werden wollen. Man muss dazu wissen, dass Humus über viele Jahrhunderte eben durch Stroh, Laub oder verwelktes Gras etc. von Bodenlebewesen aufgebaut wurde. Humus bedeutet Bodenqualität, Fruchtbarkeit und CO2-Senke.

4.4.2

Dem EWSA ist unklar, was die Kommission nun eigentlich will: CO2-Senken auf- und ausbauen oder potenziellen Senken mit der privilegierten Nutzung von Stroh zur Kraftstoffproduktion eine der entscheidenden Quellen entziehen?

4.4.3

Die EU fördert letzteres, in dem Stroh als "Abfall" angesehen wird und daraus – mit hohem Energieaufwand – ein "fortschrittlicher" Kraftstoff gemacht wird, der auf das Klimaziel im Verkehrssektor vierfach positiv angerechnet wird. Der entsprechende "Gegenverlust" der CO2-Senke wird hingegen nicht berechnet!

4.4.4

Ein weiterer, nicht bedachter Sachverhalt: Wenn Stroh im Bodensystem fehlt, bekommen nicht nur die Bodenstruktur und die Mikroorganismen Probleme. Auch die damit entzogenen Nährstoffe müssen in Form von mineralischen Düngern, deren Herstellung sowohl Geld als auch viel Energie kostet, ersetzt werden.

4.4.5

Für Landwirte ist es lukrativ, wenn durch politische Rahmenbedingungen Stroh zu einem Wirtschaftsgut wird, für das sie Geld bekommen. Für den Humusaufbau und die Kohlenstoffspeicherung im Boden sowie für die Energieeinsparung, die mit der Verwendung von Stroh im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft verbunden ist, bekommen sie hingegen nichts. Hier werden eindeutig falsche marktwirtschaftliche Anreize geschaffen.

4.4.6

Der Ausschuss erinnert an seine Stellungnahme vom 19. September 2012 zu dem "Vorschlag über Anrechnungsvorschriften und Aktionspläne für die Emissionen und den Abbau von Treibhausgasen infolge von Tätigkeiten im Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft" (11). Darin führte er aus, dass die geplanten Aktionspläne z.B. zur Schaffung von entsprechenden CO2-Speichern durch die Landwirtschaft "zwingend mit anderen politischen Maßnahmen flankiert bzw. mit bestehenden kombiniert werden (müssen), damit Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es den Grundeigentümern und Bewirtschaftern ermöglichen, entsprechend wirksame LULUCF-Maßnahmen in wirtschaftlich sinnvoller Weise – und nicht allein zu deren Lasten – umzusetzen". Es ist bedauerlich, dass nicht einmal zwei Monate, nachdem der Ausschuss diesen Grundsatz formuliert hat, die Kommission mit ihrem jetzigen Vorschlag auftritt, Stroh in "fortschrittliche" Kraftstoffe umzuwandeln und somit wieder völlig gegenläufige Impulse setzt.

4.5   Laub

4.5.1

Laub undifferenziert als "Abfall" bzw. als Rohstoff für die Herstellung "fortschrittlicher" Biokraftstoffe zu erklären, ist ökologisch inakzeptabel. Laub spielt z.B. im ökologischen Kreislauf des Waldes und für dessen Produktivität eine zentrale Rolle. Der Laubentzug aus einigen Wäldern Europas im Mittelalter z.B. hat zu deren nachhaltiger Degradierung geführt. Nach den jetzigen Vorschlägen der Kommission wäre es denkbar, das Laub des Waldes zur privilegierten Kraftstoffproduktion zu nutzen, ein Vorgehen, das mit Mühe vor wenigen Jahrzehnten im Sinne der Gesundung der Wälder endlich abgeschafft werden konnte. Lediglich ökonomische Gründe mögen derzeit dagegen sprechen, die Vorschläge der Kommission zu realisieren.

5.   Vorschläge des EWSA

5.1

Die Kommission wird vom EWSA aufgerufen, ihre Bioenergiepolitik – besonders bei den Biokraftstoffen – völlig neu zu überdenken. Dabei sind die Endlichkeit der Ressource "Fläche" (und somit von Biomasse), die Energiebilanz und -effizienz der jeweiligen Bioenergien (und somit die unterschiedlichen THG-Reduktionspotentiale) sowie die Wirtschaftlichkeit zu beachten. Der Kommission wird empfohlen, dabei sowohl die wichtigen Aussagen der Gemeinsamen Forschungsstelle als auch die Hauptthesen aus dem Positionspapier des Umweltbundesamtes (12), das anlässlich des Side-Events des EWSA im Rahmen der Klimakonferenz in Durban präsentiert wurde, zu berücksichtigen.

5.2

Dem Energieaufwand der Konversionsprozesse muss weit mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, er wird häufig unterschätzt. Eingriffe in die Molekularstruktur von Ausgangsprodukten sind in vielen Bereichen unseres Lebens (etwa für Medikamente) etwas Essenzielles, nicht aber unbedingt für den Energiebereich. Dort muss es um höchste energetische Effizienz gehen, man will Energie gewinnen! Alle Energieprodukte, die einer chemischen Konversion unterzogen wurden, sind immer dann in Frage zu stellen, wenn es Alternativen dazu gibt.

5.3

Statt Holz energieaufwändig umzuwandeln und dann im Auto zu verbrennen, sollte es entweder als Kohlenstoffspeicher genutzt oder direkt verbrannt werden, um fossile Energieträger im Bereich "Wärme" zu ersetzen.

5.4

Die Kommission sollte eine Strategie entwickeln, die wie im Falle der geplanten europäischen Eiweißstrategie die Notwendigkeit der Bereitstellung von Energie energieeffizient mit natürlichen Prozessen z.B. im Land- und forstwirtschaftlichem Bereich verbindet. Das bedeutet: Der Anbau von Ölpflanzen in Europa, die gleichzeitig Eiweißfutter und Pflanzenöle liefern (und somit Sojaimporte ersetzen), sollte im Rahmen nachhaltiger landwirtschaftlicher Anbaumethoden gefördert und nicht beschränkt werden.

5.5

Die Kommission sollte den begrenzt möglichen Einsatz von Biokraftstoffen strategisch eindeutig auf jene Bereiche ausrichten, in denen – anders als beim PKW – noch keine wirklich durchgängig erfolgversprechenden Alternativen zu fossilen Kraftstoffen absehbar sind. Das ist z.B. der Bereich Luft- und Schiffsverkehr, aber auch die Land- und Forstwirtschaft (also: off road) selbst.

5.6

Sie sollte aber auch den selbst formulierten Grundsatz ernst nehmen, dass Bioenergien dort eingesetzt werden, wo mit dem wirtschaftlich geringstem Aufwand der energetisch und klimapolitisch größte Effekt erreicht werden kann. Das ist eindeutig im Bereich "Wärmenutzung" der Fall, nicht im Bereich flüssiger Brennstoffe.

5.7

Zu erneuerbaren Energien in der Landwirtschaft hat sich der EWSA bereits mehrfach geäußert und u.a. darauf verwiesen, dass dort mit der Nutzung reiner Pflanzenöle interessante Nutzungsalternativen vorhanden sind. Österreich beispielsweise greift entsprechende Ergebnisse eines von der Kommission im Rahmen des 7. FP geförderten Projektes zur Nutzung von reinen, chemisch nicht veränderten Pflanzenölen auf und wird von deren Nutzung in der Landwirtschaft verstärkt Gebrauch machen. Es ist bedauerlich, dass die Kommission an keiner Stelle hierzu Ausführungen macht bzw. selbst entsprechende Initiativen ergreift.

5.8

Der EWSA möchte sich zukünftig noch intensiver in die gesellschaftliche Auseinandersetzung zu Themen wie Landnutzung und Flächenkonkurrenz sowie dem zunehmenden Problem der Bodenversiegelung einbringen.

Brüssel, den 17. April 2013

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  COM(2013) 17 final.

(2)  Siehe EWSA-Stellungnahme "Paket "Saubere Energie für den Verkehr"" (noch nicht verabschiedet).

(3)  Im Richtlinienvorschlag wird offiziell der Begriff "Biokraftstoffe" verwendet. Der EWSA hat in verschiedenen Stellungnahmen auf viele ökologische Probleme hingewiesen, die von diesen "Bio"Kraftstoffen ausgehen. Da die Silbe "Bio" suggeriert, es handele sich um ein ökologisch einwandfreies Produkt (vgl. "Bio"logischer Landbau), verwendet der EWSA in seiner Stellungnahme anstelle des Begriffs Biokraftstoff den Begriff Agro-Kraftstoff.

(4)  COM(2010) 811 final vom 22.12.2010.

(5)  ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 43.

(6)  ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 43.

(7)  Beim Raps sind dies immerhin ca. 9 t pro Hektar, der energetische Wert dieses Strohs wird kurioserweise bei der THG-Berechnung nicht berücksichtigt!

(8)  Siehe Jahresbericht 2009 der ADM, http://www.oelag.de/images_beitraege/downloads/ADM%20GB%202009%20final.pdf.

(9)  ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 43.

(10)  Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission: "Biofuels in the European Context: Facts, Uncertainties and Recommendations", 2008, http://ec.europa.eu/dgs/jrc/downloads/jrc_biofuels_report.pdf (nur auf Englisch verfügbar).

(11)  ABl. C 351 vom 15.11.2012, S. 85.

(12)  "Globale Landflächen und Biomasse nachhaltig und ressourcenschonend nutzen", Umweltbundesamt, 2012; http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-medien/4321.html.


ANHANG

Zu der stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgende abgelehnte Änderungsanträge erhielten mindestens ein Viertel der Stimmen:

Ziffer 3.16 (Änderungsantrag 8)

Ändern:

Der EWSA erkennt in dem nun von der Kommission vorgelegten Vorschlag kein schlüssiges Gesamtkonzept, weder bei den Bioenergien, noch zur Lösung der von der Kommission im Verkehrsbereich immer wieder vorgetragenen Problematik, dass nämlich dort

a)

die Abhängigkeit von Energieimporten extrem hoch ist und

b)

die THG ganz besonders aus dem Ruder laufen.

Im Übrigen sei darauf verwiesen, dass die von der Kommission anvisierte Meldepflicht über Treibhausgasemissionen aufgrund von Landnutzungsänderungen in praktischer und technischer Hinsicht kaum machbar ist und jedenfalls einen erheblichen Mehraufwand für Verwaltung und die betroffenen Unternehmen bewirken würde.

Begründung

Wurde mündlich vorgetragen.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen

:

63

Nein-Stimmen

:

79

Simmenthaltungen

:

34

Ziffer 4.3.1 (Änderungsantrag 11)

Ändern:

Technisch ist es zweifellos möglich, den Weg "Biomass to liquid" zu gehen, wie es die Kommission z.B. mit dem Einsatz von Holz vorschlägt. Das entsprechende "Fischer-Tropsch-Verfahren" ist seit Jahrzehnten bekannt. Dies besteht darin, dass die Ligninmoleküle des Holzes total zerlegt werden und das verbleibende CO meist mit fremdeingespeistem H 2 zu CH-Molekülen aufgebaut wird). Unter Einsatz neuer Verfahren ist es technisch möglich, den Weg "Biomass to liquid" zu gehen, wie es die Kommission z.B. mit der Verwendung von Holz vorschlägt. Das Fischer-Tropsch-Verfahren z.B. (bei dem die Ligninmoleküle des Holzes total zerlegt werden und das verbleibende CO meist mit fremdeingespeistem H2 zu CH-Molekülen aufgebaut wird) ist seit Jahrzehnten bekannt. Darüber hinaus wurden weitere neue Verfahren entwickelt.

Begründung

Es ist irreführend, wenn nur ein Verfahren als Beispiel angegeben wird, auch wenn das Fischer-Tropsch-Verfahren gut bekannt ist.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen

:

53

Nein-Stimmen

:

89

Simmenthaltungen

:

30

Ziffer 4.3.2 (Änderungsantrag 12)

Ändern:

Der Prozess ist nicht (!) aus Restholz oder Rinde herstellbar, er erfordert Holz mit bester Qualität (Konkurrenz zu Möbel und Furnierholz), da Fremdmoleküle, die gerade im Restholz und in der Rinde vorhanden sind, den Fischer-Tropsch-Prozess stören.

Gemäß dem Grundsatz der Ressourceneffizienz können diese Prozesse auf Hackgut, im großen Maßstab anfallende industrielle Nebenprodukte und ausgedünntes Schwachholz angewandt werden. Dies ermöglicht eine effizientere Verwertung des Holzes, ohne dass hochwertiges Rundholz zur Energieerzeugung verwendet wird.

Begründung

Die frühere Formulierung ist unzutreffend. Die Prozesse ermöglichen ausdrücklich eine effizientere Verwertung von Holz.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen

:

54

Nein-Stimmen

:

96

Simmenthaltungen

:

27

Ziffer 4.3.3 (Änderungsantrag 13)

Ändern:

Dieser Prozess ist extrem energieaufwändig! Aus 1 000 kg bestem Stammholz (mit 60 Gew % organischer Substanz) können 135 kg Dieselkraftstoff erzeugt werden. Über 85 % der in Form von Holz eingesetzten Energie geht bei diesem Prozess verloren, gerade einmal ca. 15 % werden zu "fortschrittlichem Biokraftstoff". D.h.: aus einem Wald von 1 000 Bäumen werden über 850 als Prozessenergie verfeuert, um aus weniger als 150 Bäumen Kraftstoff zu erhalten. Bei der nachfolgenden Verbrennung des BtL-Kraftstoffs in den Motoren der Autos wird dann das gesamte durch die Photosynthese gebundene CO2 aller 1 000 eingesetzten Bäume freigesetzt. Beim Einsatz des richtigen Verfahrens ist der Prozess besonders energieeffizient und rohstoffschonend. Das beste Rundholz wird nach wie vor von den Sägewerken verarbeitet bzw. für die Herstellung sonstiger Produkte verwendet, während Nebenprodukte wie Rinde, Sägemehl und Restholz der Gewinnung von Kraftstoffen, Elektrizität und Wärmeenergie zugeführt werden. Aus 1 000 kg trockener Holzmasse können 526 kg Methanol bzw. 205 kg FT-Diesel gewonnen werden. Dies bedeutet, dass ca. 60 % des Energiegehalts des Holzes in Methanol bzw. etwa 50 % in Dieselkraftstoff umgewandelt werden kann, und dies mit einer bereits heute industriell erprobten Technologie. In der Entwicklung sind Verfahren, mit denen der Wirkungsgrad um ca. zusätzliche 5 Prozentpunkte angehoben werden kann. Wenn die Erzeugung von Kraftstoff mit der Forstwirtschaft oder wärmenutzenden Industrien verzahnt wird, kann auch die Abwärme genutzt werden, sodass der Gesamtnutzungsgrad des Holzes bis auf 70-80 % gesteigert werden kann.

Begründung

Die ursprüngliche Formulierung ist nicht zutreffend und gibt ein vollkommen falsches Bild davon, wie heute Biokraftstoffe hergestellt werden.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen

:

66

Nein-Stimmen

:

99

Simmenthaltungen

:

24

Ziffer 4.3.5 (Änderungsantrag 15)

Ändern:

Dennoch wird dieser Prozess im Rahmen der EE-Politik der EU als weitgehend CO2-neutral dargestellt, eben weil man Holz als Prozessenergie nutzen will. Allerdings plant die EU auf der anderen Seite, CO2-Speicher einzurichten. Was bietet sich dafür mehr an, als CO2 in Holz umzuwandeln und dieses dort auch langfristig gebunden zu halten, also nicht gleich wieder– z.B. für die Herstellung von "fortschrittlichen Biokraftstoffen" zu verfeuern? In Anbetracht der bis zum Heranwachsen der Bäume vergehenden Zeit gilt Holz als bewährter kohlenstoffneutraler Energieträger. Die Verwendung von Biomasse hat positive Klimaauswirkungen gezeitigt, da sie die Wachstumskapazität des Waldes verbessert, die Kohlenstoffbindung steigert und an die Stelle fossiler Brennstoffe und anderer nicht erneuerbarer Rohstoffe tritt.

Begründung

Nachhaltige Forstwirtschaft und die verstärkte Verwendung von Holz erhöhen nachweislich das Kohlenstoffbindungsvermögen des Holzes, das als Ersatz für nicht erneuerbare Rohstoffe fungiert. Die Aussage, dass die Wälder, wenn man sie aus der Nutzung ausschlösse, effizientere Kohlenstoffsenken wären, ist irreführend.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen

:

60

Nein-Stimmen

:

96

Simmenthaltungen

:

25

Ziffer 1.5 (Änderungsantrag 1)

Streichen:

Der von der Kommission gewählte ILUC-Ansatz ist auch insofern fragwürdig, als dieser zwar für flüssige, nicht jedoch für gasförmige bzw. feste Energieträger gelten soll. Der EWSA ist damit nicht einverstanden.

Begründung

Da der iLUC-Ansatz insgesamt problematisch erscheint, sollte nicht gleichzeitig eine Ausdehnung auf weitere Energieträger gefordert werden. Für gasförmige und feste Energieträger werden derzeit eigene Nachhaltigkeitskriterien entwickelt. Bevor der iLUC-Ansatz weiter empfohlen wird, sollten die in dieser Stellungnahme erwähnten Kritikpunkte geklärt werden.

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen

:

56

Nein-Stimmen

:

93

Simmenthaltungen

:

36

Ziffer 1.7 (Änderungsantrag 9)

Streichen:

Bei den als "fortschrittlich" beschriebenen Biokraftstoffen, die die EU Kommission nun fördern will, sieht der EWSA die Gefahr, dass wertvolle potenzielle Kohlenstoffsenken (wie Holz, Stroh, Laub) als Basis von Kraftstoffen genutzt werden sollen, was zur Erhöhung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre führen würde (vgl. Ziffer 4).

Begründung

Nicht Europas Laub- oder Nadelwälder sollen für die Produktion fortschrittlicher Kraftstoffe eingesetzt werden, sondern ausgedünntes Schwachholz und Altholz. Dank der heutigen Technologien haben Biokraftstoffe einen höheren Wirkungsgrad als es im ursprünglichen Text zum Ausdruck kommt (siehe Änderungsantrag zu Ziffer 4.3.3).

Abstimmungsergebnis:

Ja-Stimmen

:

47

Nein-Stimmen

:

121

Simmenthaltungen

:

18


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