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Document 52006XX1007(02)

Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten (KOM(2005) 649 endg.)

OJ C 242, 7.10.2006, p. 20–26 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

7.10.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 242/20


Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten (KOM(2005) 649 endg.)

(2006/C 242/14)

DER EUROPÄISCHE DATENSCHUTZBEAUFTRAGTE —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 286,

gestützt auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 8,

gestützt auf die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr, insbesondere auf Artikel 41,

gestützt auf das am 29. März 2006 eingegangene Ersuchen der Kommission um Stellungnahme nach Artikel 28 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 —

HAT FOLGENDE STELLUNGNAHME ANGENOMMEN:

I.   Einleitung

Konsultation des Europäischen Datenschutzbeauftratgen (im Folgenden „EDPS“)

1.

Der Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten wurde dem EDPS von der Kommission mit Schreiben vom 29. März 2006 übermittelt. Dem EDPS zufolge sollte die vorliegende Stellungnahme in der Präambel der Verordnung erwähnt werden.

Hintergrund des Vorschlags

2.

Der EDPS begrüßt diesen Vorschlag insofern, als dass mit ihm die Beitreibung grenzüberschreitender Unterhaltsforderungen in der EU erleichtert werden soll. Der Vorschlag hat einen weitgefassten Geltungsbereich, denn er regelt Fragen der Zuständigkeit, des anwendbaren Rechts, der Anerkennung, der Vollstreckung und der Zusammenarbeit. Diese Stellungnahme beschränkt sich auf die Bestimmungen, die Auswirkungen auf den Schutz personenbezogener Daten haben, und dabei insbesondere auf diejenigen, die die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch betreffen und die die Voraussetzungen schaffen, den Unterhaltspflichtigen ausfindig zu machen und sein Vermögen festzustellen, sowie auf diejenigen, die sich auf den Unterhaltsberechtigten beziehen (Kapitel VIII und Anhang V).

3.

Der Vorschlag sieht insbesondere die Benennung zentraler Behörden in den einzelnen Mitgliedstaaten vor, um die Beitreibung von Unterhaltsforderungen durch Austausch sachdienlicher Informationen zu erleichtern. Der EDPS räumt ein, dass der Austausch personenbezogener Daten in dem Maße erlaubt werden sollte, wie es für die Feststellung des Aufenthalts der Unterhaltspflichtigen sowie ihrer Vermögenswerte und Einkünfte nötig ist, wobei sämtliche Auflagen der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu berücksichtigen sind (Erwägungsgrund 21). Deshalb begrüßt der EDPS den Verweis (Erwägungsgrund 22) auf die Achtung des Privat- und Familienlebens und den Schutz personenbezogener Daten im Sinne der Artikel 7 und 8 der Grundrechtscharta der Europäischen Union.

4.

Insbesondere sieht der Vorschlag die Einführung einer Regelung für den Informationsaustausch über Unterhaltspflichtige und -berechtigte vor, mit der die Festsetzung und Beitreibung von Unterhaltsforderungen erleichtert werden sollen. Zu diesem Zweck sollen von den Mitgliedstaaten zentrale Behörden benannt werden, die Auskunftersuchen nationaler Justizbehörden (anderer Mitgliedstaaten) bearbeiten, und zur Erledigung dieser Ersuchen personenbezogene Daten verschiedener nationaler Behörden und Stellen erheben. Üblicherweise wird dabei wie folgt vorgegangen: Ein Unterhaltsberechtigter stellt bei Gericht einen Antrag. Die zentrale Behörde des eigenen Mitgliedstaats sendet auf Ersuchen des Gerichts einen Antrag an die zentrale Behörde des ersuchten Mitgliedstaats (unter Verwendung eines in Anlage V enthaltenen speziellen Formblatts); die letztgenannte zentrale Behörde holt die angeforderten Informationen ein und antwortet der ersuchenden zentralen Behörde, die daraufhin die Auskünfte an das ersuchende Gericht weiterleitet.

5.

Der EDPS tritt in dieser Stellungnahme für die Achtung des Grundrechts auf Schutz personenbezogener Daten ein, wobei zugleich die effiziente Nutzung der vorgeschlagenen Regelungen für die Beitreibung grenzüberschreitender Unterhaltsforderungen sichergestellt werden soll.

6.

In diesem Zusammenhang muss zuallererst der Hintergrund des Vorschlags beleuchtet werden, indem die Spezifik der Unterhaltspflichten analysiert wird. Zunächst ist festzuhalten, dass die Problematik der Unterhaltspflichten sehr komplex ist, da hier eine breite Palette unterschiedlicher Fälle hineinspielt: Sie können Ansprüche von Kindern, von Ehegatten oder geschiedenen Ehegatten, ja sogar von Eltern oder Großeltern betreffen. Hinzu kommt, dass Unterhaltsansprüche auf aktuellen, sich verändernden Verhältnissen basieren, und dass sie sowohl von privaten Parteien als auch von öffentlichen Stellen geregelt werden können. (1)

7.

Die Problematik — dies bestätigt auch die Folgenabschätzung der Kommission (2) — wird noch komplizierter, betrachtet man die enormen Unterschiede, die in dieser Hinsicht zwischen den 25 Mitgliedstaaten bestehen. Hier gibt es nämlich erhebliche Abweichungen in den materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften, was die Feststellung der Unterhaltsverpflichtungen, ihre Bemessung und Dauer, die Ermittlungsbefugnisse der Behörden usw. anbelangt.

8.

Die Vielfalt der Unterhaltsverpflichtungen kommt bereits in einigen Bestimmungen des Vorschlags zum Ausdruck. Beispielsweise wird im Erwägungsgrund 11 und in Artkel 4 Absatz 4 auf den speziellen Fall der Unterhaltszahlungen für ein minderjähriges Kind eingegangen, während im Erwägungsgrund 17 und in Artkel 15 eine Unterscheidung zwischen Unterhaltspflichten gegenüber Kindern, unterstützungsbedürftigen Erwachsenen, Ehegatten bzw. ehemaligen Ehegatten und anderen Arten von Unterhaltspflichten gemacht wird.

9.

Den vorstehenden Erwägungen ist auch gebührend Rechnung zu tragen, wenn es um Fragen des Schutzes personenbezogener Daten und insbesondere um die Verhältnismäßigkeit des Austauschs von Informationen geht. Denn die Befugnisse innerstaatlicher Gerichte in Bezug auf Auskunftsersuchen können unterschiedlich sein, je nachdem, um welche Arten von Unterhaltspflichten es sich handelt. Nach diesen Arten richtet sich dann auch, welche personenbezogenen Daten in einem konkreten Fall verarbeitet und ausgetauscht werden können. Dies ist umso wichtiger, wenn man bedenkt, dass der Vorschlag in seiner vorliegenden Form keine Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich der Unterhaltspflichten bezweckt.

Wahl eines zentralen Systems

10.

Wie bereits erwähnt, sieht der Vorschlag eine Regelung vor, bei der die Informationen nicht direkt zwischen den Gerichten, sondern indirekt über die zentralen Behörden der Mitgliedstaaten ausgetauscht werden. Die Wahl einer solchen Regelung ist aus Sicht des Datenschutzes nicht ganz unproblematisch und sollte daher entsprechend begründet werden, denn die Weiterleitung von Informationen zwischen Gerichten und zentralen Behörden sowie die befristete Speicherung von Informationen bei diesen Behörden dürfte zu erhöhten Risiken für den Schutz personenbezogener Daten führen.

11.

Der EDPS ist der Auffassung, dass sich die Kommission bei der Bewertung der einzelnen politischen Optionen sowohl in ihrer ersten Folgenabschätzung als auch bei der Ausarbeitung des Vorschlags besonders eingehend der Frage widmen sollte, welche Auswirkungen jede dieser möglichen Optionen auf den Schutz personenbezogener Daten hat, und welche Garantien gegebenenfalls nötig sind. Bei diesem Vorschlag kommt es insbesondere darauf an, dass in den Bestimmungen, die die Tätigkeiten der zentralen Behörden regeln, die Aufgaben dieser Behörden eindeutig abgegrenzt werden und die Funktionsweise des Systems klar festgelegt wird.

II.   Bezug zum geltenden Rechtsrahmen für den Datenschutz

12.

Der EDPS weist darauf hin, dass der vorliegende Vorschlag nicht nur der Komplexität der einzelstaatlichen Bestimmungen zu den Unterhaltsverpflichtungen Rechnung trägt, sondern auch die vollständige Einhaltung der geltenden einzelstaatlichen Datenschutzvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 95/46/EG sicherstellen sollte.

13.

Der Vorschlag regelt den Zugang der zentralen Behörden der Mitgliedstaaten zu den personenbezogenen Daten, über die die einzelnen nationalen Behörden und Stellen verfügen. Diese personenbezogenen Daten, die von den einzelnen Stellen zu anderen Zwecken als der Beitreibung von Unterhaltsforderungen erhoben wurden, werden von den zentralen Behörden der Mitgliedstaaten zusammengetragen, und anschließend der ersuchenden Justizbehörde eines Mitgliedstaats über die von letzterem benannte zentrale Behörde übermittelt. Dies wirft aus Sicht des Datenschutzes eine Reihe von Fragen auf; sie betreffen die Änderung des Verarbeitungszwecks, die rechtlichen Gründe für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zentralen Behörden der Mitgliedstaaten und die Festlegung von Datenschutzvorschriften für die weitere Verarbeitung durch die Justizbehörden.

Änderung des Verarbeitungszwecks

14.

Ein elementares Prinzip des Schutzes personenbezogener Daten ist der Grundsatz der Zweckbeschränkung. Diesem Grundsatz zufolge werden personenbezogene Daten „für festgelegte eindeutige und rechtmäßige Zwecke erhoben und nicht in einer mit diesen Zweckbestimmungen nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet“ (Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 95/46/EG).

15.

Jedoch ließe sich die Änderung des Zwecks, zu dem personenbezogene Daten verarbeitet werden, anhand von Artikel 13 der Richtlinie 95/46/EG begründen, in dem einige Ausnahmen von diesem allgemeinen Grundsatz genannt werden. Insbesondere könnte Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe f — Ausübung öffentlicher Gewalt — oder Buchstabe g — Schutz der betroffenen Person und der Rechte und Freiheiten anderer Personen — herangezogen werden, um für diesen Fall eine Ausnahme vom Grundsatz der Zweckbeschränkung zu rechtfertigen. Gestützt auf diesen Artikel könnten die nationalen Behörden oder Stellen die angeforderten personenbezogenen Daten an die zentrale Behörde des jeweiligen Mitgliedstaats übermitteln.

16.

Gleichwohl schreibt Artikel 13 der vorgenannten Richtlinie vor, dass diese Ausnahmen notwendig sind und auf Rechtsvorschriften gestützt sein müssen. Das bedeutet entweder, dass die vorgeschlagene Verordnung aufgrund ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit als mit Artikel 13 vereinbar gilt, oder dass die Mitgliedstaaten spezielle Rechtsvorschriften erlassen müssen. In jedem Falle empfiehlt der EDPS dringend, im Vorschlag ausdrücklich und eindeutig vorzuschreiben, dass die betreffenden nationalen Behörden oder Stellen verpflichtet sind, den zentralen Behörden der Mitgliedstaaten die angeforderten Auskünfte bereitzustellen. So wäre sichergestellt, dass die Übermittlung personenbezogener Daten durch die nationalen Behörden an die zentralen Behörden der Mitgliedstaaten für die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung der die betreffenden nationalen Behörden unterliegen, erforderlich, und damit auf Artikel 7 Buchstabe c der Richtlinie 95/46/EG gestützt ist.

Rechtliche Gründe für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zentralen Behörden der Mitgliedstaaten

17.

Ähnliche Überlegungen sind hinsichtlich der rechtlichen Gründe anzustellen, auf die sich die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zentralen Behörden der Mitgliedstaaten stützt. Die Benennung oder Einrichtung dieser Behörden nach Maßgabe des Vorschlags hat nämlich zur Folge, dass sie personenbezogene Daten erheben, aufbereiten und weiterleiten.

18.

Als Grundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zentralen Behörden der Mitgliedstaaten könnte Artikel 7 Buchstabe c oder e der Richtlinie 95/46/EG dienen, da eine solche Verarbeitung für die Erfüllung (im Vorschlag festgelegter) rechtlicher Verpflichtungen, denen die betreffenden nationalen Behörden unterliegen, oder für die Wahrnehmung einer ihnen im öffentlichen Interesse übertragenen Aufgabe erforderlich ist.

Verarbeitung durch Justizbehörden und Anwendbarkeit der Richtlinie 95/46/EG

19.

Was die Weiterverarbeitung durch Justizbehörden angeht, so ist die Rechtsgrundlage der Verordnung zu berücksichtigen. Im Vertrag von Amsterdam wurden nämlich die Artikel 61 und 67 EGV in den Geltungsbereich des EG-Vertrags einbezogen. Das heißt, der Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46/EG, von dem nicht unter das Gemeinschaftsrecht fallende Tätigkeiten ausgenommen waren, hat diesen Bereich erst seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam erfasst. Da dieser Bereich von der Richtlinie nicht erfasst war als diese erlassen wurde, ist kaum anzunehmen, dass alle Mitgliedstaaten die Datenschutzvorschriften in Bezug auf die Tätigkeiten der für Zivilsachen zuständigen Justizbehörden vollständig umgesetzt haben. Die Angleichung des innerstaatlichen Datenschutzrechts ist — insbesondere was diesen Bereich angeht — noch lange nicht abgeschlossen. Inzwischen hat der Gerichtshof in der Rechtssache Österreichischer Rundfunk   (3) bestätigt, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46/EG weit gefasst ist, und dass nur spezifische Ausnahmen von ihren Grundprinzipien zulässig sind. Darüber hinaus stellte der Gerichtshof eine Liste von Kriterien auf, die für diesen Vorschlag von Belang sind. Insbesondere entschied der Gerichtshof, dass Eingriffe in die Privatsphäre (wie z.B. Ausnahmen von den Datenschutzgrundsätzen), die sich auf ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel stützen, dem Zweck angemessen, notwendig, gesetzlich geregelt und vorhersehbar sein müssen.

20.

Der EDPS stellt fest, dass ein eindeutiger Verweis auf die uneingeschränkte Anwendbarkeit der sich aus der Richtlinie 95/46/EG ergebenden Datenschutzvorschriften äußerst wünschenswert wäre. Dazu könnte ein spezieller Absatz in Artikel 48, der zwar in seiner derzeitigen Fassung das Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten der Gemeinschaft und etwaige Kollisionen mit diesen Rechtsinstrumenten behandelt, die Richtlinie 95/46/EG aber unerwähnt lässt, aufgenommen werden.

Rechtsgrundlage des Vorschlags

21.

Die vorgeschlagene Rechtsgrundlage bietet Gelegenheit, erneut auf einige Bemerkungen aus früheren Stellungnahmen (4) einzugehen.

22.

Erstens: Diese Rechtsgrundlage gibt dem Rat die Möglichkeit festzulegen, dass für diesen Bereich anstelle der einstimmigen Beschlussfassung das Mitentscheidungsverfahren zur Anwendung kommt. Auch hier erklärt der EDPS, dass er das letztgenannte Verfahren vorzieht, da mit diesem besser gewährleisten werden kann, dass alle Organe umfassend einbezogen werden und das dem Grundrecht auf Schutz der personenbezogenen Daten uneingeschränkt Rechnung getragen wird.

23.

Zweitens: In diesem Bereich hat der Gerichtshof gemäß Artikel 68 EUV nach wie vor nur begrenzte Befugnisse, insbesondere was Vorabentscheidungen angeht. Daher müssen die Bestimmungen dieses Vorschlags — auch in Bezug auf Fragen des Schutzes personenbezogener Daten — entschieden klarer formuliert werden, damit eine einheitliche Anwendung der vorgeschlagenen Verordnung sichergestellt werden kann.

Möglicher künftiger Austausch personenbezogener Daten mit Drittländern

24.

Im derzeitigen Vorschlag ist der Austausch personenbezogener Daten mit Drittländern nicht geregelt. Dagegen ist in der Begründung des Vorschlags eine internationale Zusammenarbeit ausdrücklich vorgesehen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass derzeit Verhandlungen über ein neues umfassendes Übereinkommen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht über die grenzüberschreitende Geltendmachung von Unterhaltsverpflichtungen stattfinden.

25.

Natürlich ist davon auszugehen, dass im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit auch Regelungen für den Austausch personenbezogener Daten mit Drittländern geschaffen werden. Diesbezüglich möchte der EDPS erneut darauf hinweisen, dass ein solcher Austausch nur erlaubt werden sollte, wenn das Drittland einen angemessenen Schutz der personenbezogenen Daten gewährleistet oder wenn die Weitergabe durch eine der in der Richtlinie 95/46/EG aufgeführten Ausnahmen gedeckt ist.

III.   Zweckbeschränkung

26.

Im Rahmen dieses Vorschlags sollte dem Grundprinzip der Zweckbeschränkung besonderes Augenmerk gewidmet werden.

27.

Zwar sollen die zentralen Behörden der Mitgliedstaaten und die nationalen Gerichte befugt sein, einschlägige Informationen zum Zwecke der Vollstreckung von Unterhaltsansprüchen zu verarbeiten, um ihre Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen, jedoch dürfen diese Informationen nicht für damit unvereinbare Zwecke genutzt werden.

28.

In der derzeitigen Textfassung sind Zweckbestimmung und Zweckbeschränkung in Artikel 44 bzw. 46 geregelt.

29.

In Artikel 44 sind die konkreten Zwecke festgelegt, zu denen die Information von den nationalen Behörden und Stellen an die betreffenden zentralen Behörden zu übermitteln sind, nämlich Ermittlung des Aufenthalts des Unterhaltspflichtigen, Feststellung der Vermögensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen, Ermittlung des Arbeitgebers des Unterhaltspflichtigen und Feststellung der Bankverbindungen des Unterhaltspflichtigen.

30.

Der EDPS betont, dass die vollständige und genaue Bestimmung der Zwecke, zu denen eine Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt, unerlässlich ist. Deshalb muss der Zweck der „Feststellung des Aufenthaltsortes des Unterhaltspflichtigen“ genauer definiert werden. Als Aufenthaltsort des Unterhaltspflichtigen, der wegen Unterhaltsverpflichtungen ausfindig gemacht werden soll, ist nicht der Ort an dem sich der Unterhaltspflichtige zu einem bestimmten Zeitpunkt befindet (z.B. Standortbestimmung durch Geolokalisation oder über GPRS-Daten), sondern ein mehr oder weniger ständiger Aufenthalt (d.h. Wohnort, Lebensmittelpunkt, Niederlassungsort, Arbeitsstelle) im Sinne von Anhang V zu verstehen, der sich auf die Anschrift des Unterhaltspflichtigen bezieht. Die Verwendung von Standortangaben muss ausgeschlossen sein. Zudem könnte eine eindeutige Aussage zum Ortsbegriff für die Begrenzung der Arten von personenbezogenen Daten, die gemäß diesem Vorschlag verarbeitet werden dürfen, von Nutzen sein (siehe nachstehende Nrn. 35-37).

31.

Darüber hinaus verweist der EDPS darauf, dass der Vorschlag auch die Möglichkeit bietet, personenbezogene Daten über den Unterhaltsberechtigten auszutauschen (vgl. Artikel 41 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer i). Der EDPS geht davon aus, dass derartige Informationen eingeholt und verarbeitet werden, um die finanziellen Verhältnisse des Unterhaltsberechtigten zu beurteilen, was in manchen Fällen für die Bemessung der Unterhaltsforderung von Bedeutung sein kann. Wichtig ist in jedem Falle, dass auch die Zwecke der Verarbeitung von Daten über Unterhaltsberechtigte im Vorschlag ausdrücklich erwähnt und genau definiert werden.

32.

Der EDPS begrüßt Artikel 46 und insbesondere dessen Absatz 2, der die weitere Verwendung der erhobenen Informationen durch die zentralen Behörden der Mitgliedstaaten betrifft. In dieser Bestimmung ist eindeutig festgestellt, dass von zentralen Behörden an Gerichte übermittelte Informationen ausschließlich von einem Gericht zu dem alleinigen Zweck der Beitreibung von Unerhaltsforderungen verwendet werden dürfen. Die Möglichkeit, diese Daten an Behörden weiterzuleiten, die für die Zustellung von Schriftstücken oder für die Vollstreckung von Entscheidungen zuständig sind, ist ebenfalls dem Zweck angemessen.

IV.   Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten

33.

Personenbezogene Daten müssen gemäß der Richtlinie 95/46/EG den Zwecken entsprechen, für die sie erhoben und/oder weiterverarbeitet werden, und dafür erheblich sein und dürfen nicht darüber hinausgehen (Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c). Zudem muss ihre Verarbeitung unter anderem für die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung oder für die Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, erforderlich sein (Artikel 7 Buchstaben c und e).

34.

Im Gegensatz dazu werden in dem vorliegenden Vorschlag Mindestinformationen festgelegt, die den zentralen Behörden über nationale Behörden und Stellen, die in einer nicht erschöpfenden Aufzählung aufgeführt sind, zugänglich zu machen sind. Gemäß Artikel 44 Absatz 2 sind „mindestens“ Informationen von Behörden und Stellen nötig, die in den Mitgliedstaaten für die Bereiche Steuern und Abgaben, Sozialversicherung, Einwohnermelderegister, Grundbücher, Kfz-Zulassungen und Zentralbanken zuständig sind.

35.

Der EDPS verweist darauf, dass sowohl die Art der personenbezogenen Daten, die gemäß dieser Verordnung verarbeitet werden dürfen, als auch die Behörden, auf deren Datenbanken zugegriffen werden darf, genauer spezifiziert werden müssen.

36.

Zuallererst sollten die Arten von personenbezogenen Daten, zu denen gemäß der vorgeschlagenen Verordnung der Zugang ermöglicht wird, beschränkt werden. Artikel 44 Absatz 2 sollte nicht ein Mindestmaß, sondern ein genau definiertes Höchstmaß an Daten nennen, zu denen der Zugang gewährt wird. Deshalb empfiehlt der EDPS, Artikel 44 Absatz 2 dahin gehend zu ändern, dass entweder das Wort „mindestens“ gestrichen wird oder dass die Informationen, die gemäß der vorgeschlagenen Verordnung übermittelt werden dürfen, anderweitig beschränkt werden.

37.

Eine Beschränkung sollte nicht nur für die Behörden, sondern auch für die Arten von Daten, die verarbeitet werden dürfen, gelten. Die in der derzeitigen Fassung des Vorschlags aufgelisteten personenbezogenen Daten, über die die Behörden verfügen, können erhebliche Unterschiede von einem Mitgliedstaat zum anderen aufweisen. In einigen Mitgliedstaaten können Einwohnermelderegister beispielsweise auch Fingerabdrücke erfassen. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass öffentliche Behörden aufgrund der zunehmenden Verknüpfung von Datenbanken über eine stetig wachsende Zahl von personenbezogenen Daten verfügen, die zum Teil aus Datenbanken stammen, die von anderen Behörden oder privaten Stellen verwaltet werden. (5)

38.

Ein weiteres wichtiges Problem betrifft die Verarbeitung besonderer Datenkategorien, denn nach dem derzeitigen Vorschlag ist die Erhebung sensibler Daten durchaus möglich. Beispielsweise könnte aus den Angaben von Sozialversicherungseinrichtungen bisweilen die Gewerkschaftszugehörigkeit oder der Gesundheitszustand hervorgehen. Solche personenbezogenen Daten sind nicht nur sensibel, sie sind für die Vollstreckung von Unterhaltsforderungen meistens auch unnötig. Deshalb sollte, wie in Artikel 8 der Richtlinie 95/46/EG vorgesehen, die Verarbeitung sensibler Daten grundsätzlich ausgeschlossen sein. In Fällen, in denen die Verarbeitung sensibler Daten aus Gründen eines wichtigen öffentlichen Interesses erforderlich ist, könnten vorbehaltlich angemessener Garantien jedoch Ausnahmen vom allgemeinen Verbot im Wege einer nationalen Rechtsvorschrift oder im Wege einer Entscheidung der zuständigen Kontrollstelle vorgesehen werden (Artikel 8 Absatz 4 der Richtlinie 95/46/EG).

39.

Die derzeitige Definition der Arten von personenbezogenen Daten auf die die zentralen Behörden zugreifen können, ist so allgemein gehalten, dass sie sogar die Möglichkeit für die Verarbeitung biometrischer Daten wie Fingerabdrücke oder DNS-Daten bieten würde, soweit sich diese Daten im Besitz der in Artikel 44 Absatz 2 aufgelisteten nationalen Behörden befinden. Wie vom EDPS bereits in anderen Stellungnahmen (6) dargelegt, kann die Verarbeitung solcher Datenkategorien, die durchaus zur Ermittlung des Aufenthalts oder der Identifizierung von Personen herangezogen werden können, spezielle Risiken bergen und bisweilen sogar zur Offenlegung sensibler Daten über die betroffene Person führen. Daher vertritt der EDPS die Auffassung, dass die Verarbeitung biometrischer Daten beispielsweise für einen Verwandschaftsnachweis wohl zu vertreten wäre, für den Zweck der Vollstreckung von Unterhaltsforderungen aber unangemessen wäre, und daher nicht zugelassen werden sollte.

40.

Zweitens sollte nach dem Grundsatz der Verhältnismäßgkeit von Fall zu Fall geklärt werden, welche von den potenziell verfügbaren personenbezogenen Daten konkret zu verarbeiten sind. Den zentralen Behörden der Mitgliedstaaten und den einzelstaatlichen Gerichten sollte die Verarbeitung personenbezogener Daten nämlich nur insofern erlaubt werden, wie dies für den speziellen Fall der Vollstreckung von Unterhaltsforderungen erforderlich ist. (7)

41.

Deshalb würde der EDPS empfehlen, dem Grundsatz der Verhältnismäßgkeit mehr Geltung zu verschaffen, indem in Artikel 44 Absatz 1 die Formulierung „Informationen, die die Beitreibung der Unterhaltsforderungen erleichtern“ durch den Passus „Informationen, die in einem konkreten Fall notwendig sind, um die Beitreibung der Unterhaltsforderungen zu erleichtern“ zu ersetzen.

42.

In anderen Bestimmungen wurde der Grundsatz der Verhältnismäßgkeit bereits ausreichend berücksichtigt. Als Beispiel sei Artikel 45 genannt. Danach kann ein Gericht jederzeit Informationen über den Aufenthalt des Unterhaltspflichtigen, d.h. Angaben, die für die Einleitung eines Gerichtsverfahrens unbedingt benötigt werden, anfordern, während andere personenbezogene Daten nur auf der Grundlage einer Entscheidung in Unterhaltssachen angefordert werden können.

43.

Der EDPS möchte den Gesetzgeber ferner darauf hinweisen, dass die vorgeschlagene Verordnung — wie bereits erwähnt — nicht auf die Beitreibung von Unterhaltsforderungen für Kinder beschränkt ist, sondern auch für Unterhaltsforderungen von Ehegatten oder geschiedenen Ehegatten sowie für den Unterhalt von Eltern und Großeltern gilt.

44.

Hierzu betont der EDPS, dass bei jeder Art von Unterhaltsverpflichtung die unterschiedlichen Interessen abgewogen werden müssen. Daraus ergibt sich dann im konkreten Fall das jeweilige Ausmaß der Verarbeitung personenbezogener Daten.

V.   Verhältnismäßgkeit in Bezug auf die Aufbewahrungsdauer

45.

Gemäß Artikel 6 Buchstabe e der Richtlinie 95/46/EG dürfen personenbezogene Daten nicht länger als es für die Realisierung der Zwecke für die sie erhoben oder weiterverarbeitet werden erforderlich ist, aufbewahrt werden. Deshalb ist der Grundsatz der Verhältnismäßgkeit auch dann wichtig, wenn es darum geht, die Aufbewahrungsfrist für personenbezogene Daten festzulegen.

46.

Hinsichtlich der Dauer der Aufbewahrung durch die zentralen Behörden begrüßt der EDPS die Festlegung in Artikel 46 Absatz 1, dass die ersuchende zentrale Behörde die Information nach ihrer Weiterleitung an das Gericht vernichtet.

47.

Was die Aufbewahrung durch die für die Zustellung von Schriftstücken oder die Vollstreckung von Entscheidungen zuständigen Behörden (Artikel 46 Absatz 2) angeht, so schlägt der EDPS vor, die Formulierung „nach ihrer Verwendung“ durch die Angabe eines Zeitraums zu ersetzen, den die zuständigen Behörden benötigen, um die Aufgaben im Zusammenhang mit der Realisierung der Zwecke, für die die Daten erhoben wurden, zu erfüllen.

48.

Auch in Bezug auf die Aufbewahrung durch Justizbehörden spricht sich der EDPS dafür aus, die Daten nur solange bereitzuhalten, wie es für die Realisierung der Zwecke, für die sie erhoben oder weiterverarbeitet wurden, erforderlich ist. Im Falle von Unterhaltsverpflichtungen kann es durchaus vorkommen, dass Angaben über einen längeren Zeitraum benötigt werden, damit der Richter in regelmäßigen Abständen das Fortbestehen der rechtlichen Gründe für die Gewährung von Unterhaltsleistungen überprüfen, und die Höhe der Leistungen korrekt festlegen kann. Nach Angaben der Kommission werden in der EU Unterhaltsleistungen im Durchschnitt 8 Jahre lang gezahlt. (8)

49.

Aus diesen Gründen plädiert der EDPS für eine flexible, aber verhältnismäßige Aufbewahrungsdauer, anstatt (wie in Artikel 46 Absatz 3 des derzeitigen Vorschlags) von vornherein eine starre Frist von einem Jahr festzulegen, die sich bisweilen für die beabsichtigten Verarbeitungszwecke als zu kurz erweisen könnte. Deshalb schlägt der EDPS vor, die Aufbewahrungsfrist von höchstens einem Jahr zu streichen: Die Justizbehörden sollten berechtigt sein, die personenbezogenen Daten solange zu verarbeiten, wie dies zur Beitreibung der jeweiligen Unterhaltsforderungen erforderlich ist.

VI.   Benachrichtigung des Unterhaltspflichtigen und des Unterhaltsberechtigten

50.

Mit der Verpflichtung, den Betroffenen zu benachrichtigen, wird den in den Artikeln 10 und 11 der Richtlinie 95/46/EG verankerten Grundprinzipien des Datenschutzes Rechnung getragen. Hier ist die Unterrichtung des Betroffenen umso wichtiger, als dass der Vorschlag eine Regelung vorsieht, auf deren Grundlage personenbezogene Daten für unterschiedliche Zwecke erhoben werden, und mittels eines Netzwerkes, in das nationale Behörden, zentrale Behörden verschiedener Mitgliedstaaten und einzelstaatliche Gerichte eingebunden sind, weitergeleitet und verarbeitet werden. Deshalb weist der EDPS auf die Notwendigkeit einer rechtzeitigen, umfassenden und detaillierten Unterrichtung hin, durch die der Betroffene über jede einzelne Übermittlung und Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten angemessen in Kenntnis gesetzt wird.

51.

In diesem Zusammenhang begrüßt der EDPS die Verpflichtung zur Benachrichtigung des Unterhaltspflichtigen gemäß Artikel 47 des Vorschlags. Jedoch sollte ein zeitlicher Rahmen für die Benachrichtigung in Artikel 47 aufgenommen werden. Des Weiteren verweist der EDPS auf die Notwendigkeit, auch den Unterhaltsberechtigten angemessen zu benachrichtigen, wenn ein Austausch ihn betreffender personenbezogener Daten erfolgt.

52.

Die Ausnahmeregelung, der zufolge die Benachrichtigung des Unterhaltspflichtigen unterbleiben kann, wenn sie die Beitreibung der Unterhaltsforderung erschweren könnte, ist — auch im Hinblick auf die in Artikel 47 festgelegte Höchstdauer des Zeitraums, in dem die Benachrichtigung unterbleiben kann (nicht länger als 60 Tage) — dem Zweck angemessen.

53.

Eine letzte Bemerkung betrifft Anhang V, der das Formblatt für das Informationsgesuch enthält. Beim derzeitigen Formblatt wird für die Benachrichtigung des Unterhaltspflichtigen eine Auswahlmöglichkeit durch Ankreuzen des zutreffenden Kästchens geboten. Hier müsste jedoch die Benachrichtigung als Standardoption vorgegeben werden, und eine konkrete Maßnahme (z.B. durch Ankreuzen des Kästchens „keine Benachrichtigung“) sollte nur in solchen Ausnahmefällen erforderlich sein, in denen die Benachrichtigung vorübergehend nicht möglich ist.

VII.   Fazit

54.

Der EDPS begrüßt diesen Vorschlag insofern, als mit ihm die Beitreibung grenzüberschreitender Unterhaltsforderungen in der EU erleichtert werden soll. Der Vorschlag hat einen weit gefassten Geltungsbereich und ist in seinem spezifischen Kontext zu sehen. Der EDPS empfiehlt insbesondere, der Komplexität und Vielfalt der Unterhaltsverpflichtungen sowie den großen Unterschieden in den diesbezüglichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten und den Datenschutzauflagen der Richtlinie 95/46/EG gebührend Rechnung zu tragen.

55.

Darüber hinaus hält es der EDPS für unerlässlich, einige Aspekte in der Funktionsweise der Regelung zu präzisieren; dazu gehören die Änderung des Verarbeitungszwecks, die rechtlichen Gründe für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zentralen Behörden der Mitgliedstaaten und die Festlegung von Datenschutzvorschriften für die Weiterverarbeitung durch die Justizbehörden. Mit dem Vorschlag sollte insbesondere sichergestellt werden, dass die Weitergabe personenbezogener Daten von nationalen Behörden an zentrale Behörden der Mitgliedstaaten und deren Verarbeitung durch letztgenannte Behörden und einzelstaatliche Gerichte nach den in den Datenschutzvorschriften festgeschriebenen und durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs ergänzten Kriterien nur erfolgen, wenn sie erforderlich, eindeutig abgegrenzt und gesetzlich geregelt sind.

56.

Ferner ersucht der EDPS den Gesetzgeber, sich insbesondere mit den folgenden inhaltlichen Fragen zu befassen:

Zweckbeschränkung: Es ist unerlässlich, die Zwecke, zu denen personenbezogene Daten verarbeitet werden, vollständig und eindeutig zu definieren. Ferner sollten im Vorschlag die Zwecke, zu denen Angaben über Unterhaltsberechtige verarbeitet werden, klar und deutlich angegeben werden.

Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten: Es ist erforderlich, sowohl die Art der personenbezogenen Daten, die gemäß dieser Verordnung verarbeitet werden dürfen, als auch die Behörden, auf deren Datenbanken zugegriffen werden darf, genauer zu spezifizieren. Einschränkungen sollte es nicht nur in Bezug auf die Behörden, sondern auch für die Datenarten, die verarbeitet werden dürfen, geben. Der Vorschlag sollte sicherstellen, dass den zentralen Behörden der Mitgliedstaaten und den einzelstaatlichen Gerichten die Verarbeitung personenbezogener Daten nur insoweit erlaubt wird, wie dies für den speziellen Zweck der Vollstreckung von Unterhaltsforderungen erforderlich ist. Darüber hinaus sei darauf verwiesen, dass bei jeder Art von Unterhaltsverpflichtung die Interessen gegebenenfalls unterschiedlich abgewogen werden müßten, und dass sich daraus ergibt, wie weit die Verarbeitung personenbezogener Daten dem Zweck in einem konkreten Fall angemessen ist.

Besondere Datenkategorien: Die Verarbeitung sensibler Daten zum Zwecke der Vollstreckung von Unterhaltsforderungen sollte grundsätzlich ausgeschlossen werden, sofern sie nicht im Einklang mit Artikel 8 der Richtlinie 95/46/EG erfolgt. Die Verarbeitung biometrischer Daten zum Zwecke der Vollstreckung von Unterhaltsforderungen wäre unverhältnismäßig und sollte daher nicht zugelassen werden.

Aufbewahrungsdauer: Der EDPS plädiert für eine flexible, aber angemessene Aufbewahrungsdauer, anstatt von vornherein eine starre Frist von einem Jahr festzulegen, die sich bisweilen für die beabsichtigten Verarbeitungszwecke als zu kurz erweisen könnte.

Benachrichtigung des Unterhaltspflichtigen und des Unterhaltsberechtigten: Durch eine rechtzeitige, umfassende und detaillierte Unterrichtung soll der Betroffene über jede einzelne Übermittlung und Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten angemessen in Kenntnis gesetzt werden. Es ist unerlässlich, dass auch der Unterhaltsberechtigte angemessen benachrichtigt wird, sofern ein Austausch ihn betreffender personenbezogener Daten erfolgt.

Geschehen zu Brüssel am 15. Mai 2006

Peter HUSTINX

Europäischer Datenschutzbeauftragter


(1)  Ein Verweis auf Unterhaltszahlungen durch öffentliche Stellen findet sich in Artikel 16 des Vorschlags.

(2)  Siehe Arbeitsdokument der Kommission vom 15. Dezember 2005 — Folgenabschätzung, S. 4-5.

(3)  Urteil vom 20. Mai 2003 in den verbundenen Rechtssachen C-465/00, C-138/01 und C-139/01.

(4)  Stellungnahme vom 26. September 2005 über die Vorratsspeicherung von Daten, Nummer 42; Stellungnahme vom 19. Dezember 2005 über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der dritten Säule verarbeitet werden, Nummer 11; Stellungnahme vom 19. Oktober 2005 zum Schengener Informationssystem der zweiten Generation, Nummer 9.

(5)  Siehe Stellungnahme des EDPS vom 28. Februar 2006 zum Austausch von Informationen nach dem Grundsatz der Verfügbarkeit, Nr. 23-27.

(6)  Stellungnahme vom 19. Oktober 2005 zum Schengener Informationssystem der zweiten Generation, Punkt 4.1; Stellungnahme vom 23. März 2005 über den Zugang zum Visa-Informationssystem, Punkt 3.4.

(7)  Die gilt auch für personenbezogene Daten, die vom ersuchenden Gericht zwecks Identifizierung des Unterhaltspflichtigen gemäß Anhang V Punkt 4.1 beschafft werden. Beispielsweise ist die Beschaffung der Anschrift von Familienangehörigen des Unterhaltspflichtigen streng auf Einzelfälle und bestimmte Arten von Unterhaltsverpflichtungen zu begrenzen.

(8)  Siehe Arbeitsdokument der Kommission vom 15. Dezember 2005 — Folgenabschätzung, S. 10.


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