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Document 52006DC0331

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Umsetzung des Haager Programms : Weitere Schritte

/* KOM/2006/0331 endg. */

52006DC0331

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Umsetzung des Haager Programms : Weitere Schritte /* KOM/2006/0331 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 28.6.2006

KOM(2006) 331 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

Umsetzung des Haager Programms: Weitere Schritte

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

Umsetzung des Haager Programms: Weitere Schritte (Text mit Bedeutung für den EWR)

1. EINLEITUNG

Das Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union wurde im November 2004 vom Rat verabschiedet. Mit dem Programm wird bekräftigt, welche Bedeutung die Europäische Union seit dem Europäischen Rat von Tampere 1999 dem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beimisst, dem eine hohe Priorität zugewiesen wird – nicht nur, weil er zu den grundlegenden Zielen der EU zählt, sondern auch, und vor allem, weil er ein zentrales Anliegen der EU-Bürger darstellt. In ihrer Mitteilung an den Europäischen Rat „Eine bürgernahe Agenda” vom 10. Mai 2006 bestätigte die Kommission nachdrücklich diese Priorität[1].

Seit Ende 2004 unternehmen die Mitgliedstaaten und die EU-Institutionen Anstrengungen, um die Umsetzung des Programms gemäß dem Aktionsplan des Rates und der Kommission vom Juni 2005 sicherzustellen.

Der Europäische Rat erklärte im Dezember 2004 Folgendes: „ Da das Programm einen Zeitraum abdeckt, in dem der Verfassungsvertrag in Kraft treten wird, dürfte eine Überprüfung seiner Durchführung nützlich sein.“ Zu diesem Zweck sollte die Kommission 2006 dem Europäischen Rat über „die erzielten Fortschritte“ Bericht erstatten und "die notwendigen Ergänzungen zum Programm vorschlagen“ .

Auch wenn das Inkrafttreten des Verfassungsvertrags vorerst nicht in Sicht ist, bedarf es einer ersten politischen Bewertung der bei der Umsetzung des Haager Programms erzielten Fortschritte und Vorschlägen für notwendige Anpassungen. Mit dieser Mitteilung und den gleichzeitig vorgelegten Mitteilungen "Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union: Bericht über die Umsetzung des Haager Programms im Jahr 2005" (nachstehend "Fortschrittsanzeiger plus" genannt) und "Bewertung der EU-Maßnahmen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht" kommt die Kommission der Aufforderung des Europäischen Rates nach.

Dieses umfassende Paket dient also nicht dazu, neue, nicht im Haager Programm festgelegte Prioritäten zu ermitteln, sondern vor allem 1) eine Bestandsaufnahme der erzielten Fortschritte vorzunehmen, 2) den Grad der Umsetzung auf EU- und einzelstaatlicher Ebene zu messen und 3) eine gründliche Evaluierung der Ergebnisse vorzuschlagen.

Ausgehend von den in ihrer Mitteilung vom 10. März 2005[2] mit Blick auf die Umsetzung des Haager Programms ermittelten politischen Prioritäten hat die Kommission jene Bereiche identifiziert, in denen ihrer Auffassung nach die politische Agenda der Europäischen Union auf der Grundlage des Haager Programms weiterentwickelt werden muss.

Die Kommission stellt fest, dass als Teil einer ehrgeizigen politikorientierten und bürgernahen Agenda im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht dringend neue Anstöße vonnöten sind.

Mit dem vorgelegten Maßnahmenpaket will die Kommission die Diskussion mit den Mitgliedstaaten und den übrigen Institutionen während des finnischen Ratsvorsitzes (Juli- Dezember 2006) anstoßen und strukturieren . Als Diskussionspunkte sind vorgesehen:

1. neue politische Initiativen , die ihrer Ansicht nach zusätzlich zu den bereits im Rahmen des Haager Programms umgesetzten Initiativen erforderlich sind (siehe Abschnitt 2) und

2. gemäß der Aufforderung des Europäischen Rates vom Juni 2006[3] die Möglichkeiten zur Verbesserung des Funktionierens der Maßnahmen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht durch Nutzung der durch die geltenden Verträge gebotenen Möglichkeiten, wobei dem Verfassungsvertrag nicht vorgegriffen werden soll (siehe Abschnitt 3).

Eine effektivere, transparentere und verantwortlichere Beschlussfassung ist die Voraussetzung für weitere Fortschritte beim Aufbau des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Der „Fortschrittsanzeiger plus“, mit dem erstmals die Umsetzung der EU-Vorschriften auf nationaler Ebene bewertet wird, hat gezeigt, dass bis zur Annahme von Legislativvorschlägen auf EU-Ebene außerordentlich viel Zeit vergeht; noch dazu gelingt in bestimmten Bereichen nur mit Mühe eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner , und die ursprünglichen Ziele werden teilweise verfehlt.

2. UMSETZUNG DES HAAGER PROGRAMMS: NEUE ANSTÖSSE ZUR STÄRKUNG DES RAUMS DER FREIHEIT, DER SICHERHEIT UND DES RECHTS

Eine erste Bewertung der Umsetzung des Haager Programms und des dazugehörigen Aktionsplans im Rahmen des „Fortschrittsanzeigers plus", auf den in der vorstehend angeführten Mitteilung Bezug genommen wird, ermöglicht es der Kommission, diejenigen Bereiche zu ermitteln, die die Aufmerksamkeit der Union verdienen und in denen weitere Anstrengungen erforderlich sind.

Auf dieser Grundlage unterbreitet die Kommission folgende Vorschläge für Maßnahmen, die vor dem Auslaufen des Haager Programms (2009) umzusetzen sind.

2.1. Grundrechte und Unionsbürgerschaft

Die Grundrechte gehören zum Kernbestand der Werte der Union. Die Kommission wird sich bei ihrem Handeln vom Gebot der Achtung und Förderung der Grundrechte des Einzelnen leiten lassen und das Konzept der Unionsbürgerschaft weiterentwickeln.

Die Unionsbürgerschaft ist mit einer Reihe grundlegender Rechte, einschließlich des freien Personenverkehrs bzw. der Freizügigkeit innerhalb der EU und des diplomatischen und konsularischen Schutzes verbunden.

Folgende Maßnahmen sind vorgesehen:

- Immer häufiger wird die Kommission ersucht, gegen mutmaßliche Grundrechtsverletzungen durch die Mitgliedstaaten vorzugehen. Die Kommission wird weiterhin gemäß dem EU-Vertrag und ihrer Mitteilung von 2002 zu Artikel 7 EUV[4] Anstrengungen zur Überwachung und Förderung der Grundrechte unternehmen. Aufgrund des genannten Artikels sind die EU-Institutionen in der Lage sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten die gemeinsamen Werte achten.

- Die Kommission wird der Gewährleistung der ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, oberste Priorität einräumen. Die Richtlinie ist am 30. April 2006 in Kraft getreten.

- Es ist wichtig, dass ein gemeinsames EU-Wissen und gemeinsame Normen für die Gewährung von Schutz für EU-Bürger in Drittländern, in denen ihr Heimatstaat nicht vertreten ist, entwickelt werden. Die Kommission ist bereit, zu Schulungsmaßnahmen für Bedienstete der Mitgliedstaaten beizutragen. Dies könnten u. a. Schulungen über Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem konsularischen Schutz von EU-Bürgern sein.

- Parallel dazu werden derzeit Maßnahmen für auf die EU-Bürger ausgerichtete Kommunikations- und Informationskampagnen zum Recht auf diplomatischen und konsularischen Schutz durch die EU vorbereitet.

- In der überarbeiteten Gemeinsamen Konsularischen Instruktion für die Vertretungen der EU-Mitgliedstaaten in Drittländern wird den Kommissionsdelegationen zum ersten Mal eine pragmatische Unterstützungsrolle zugewiesen, indem sie bei konsularischen Krisen Logistik und Personal bereitstellen sollen[5]. Dies stärkt die vorhandenen Fähigkeiten der EU-Mitgliedstaaten, Bürgern in Not zu helfen, und wird weiter entwickelt werden. Ein gemeinsamer Bericht des Generalsekretärs/Hohen Vertreters und der Kommission über engere konsularische Zusammenarbeit zwischen EU-Mitgliedstaaten, auch konsularische Amtshilfestellen in im Vorhinein identifizierten Regionen betreffend, ist für die die zweite Jahreshälfte 2006 vorgesehen.

- Entsprechend den von einigen Mitgliedstaaten bei der Annahme des Haager Programms geäußerten Wünschen wird die Kommission prüfen, wie sich folgende Ideen weiterentwickeln lassen: 1) Entwicklung von Tätigkeiten so genannter Euro-Konsulate, die auch zugunsten der EU-Bürger konsularische Funktionen gemeinsam wahrnehmen würden; 2) Einführung eines Europäischen Konsular-Kodexes.

2.2. Entwicklung der zweiten Phase des Gemeinsamen Asylsystems

In den nächsten Jahren müssen große Anstrengungen unternommen werden, damit ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem mit wirksamen, harmonisierten Verfahren eingeführt werden kann , das der humanitären Tradition Europas und den internationalen Verpflichtungen der EU Rechnung trägt.

Folgende Maßnahmen sind vorgesehen:

- Bewertung des bestehenden Rechtsrahmens . Ende 2006 wird die Kommission eine Bewertung der Dublin-Verordnung und der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen vorlegen; die Richtlinie über den Flüchtlingsstatus („Anerkennungsrichtlinie“) wird 2008 evaluiert.

- Ein Grünbuch zur Asylpolitik, dem 2007 ein strategischer Plan für die Asylpolitik folgen soll, wird eingehend beschreiben, welche Schritte in der zweiten Phase des Aufbaus des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems unternommen werden müssen.

- Im Nachgang zu der Mitteilung vom Februar 2006[6] sind weitere Maßnahmen im Bereich der konkreten Zusammenarbeit der Behörden vorgesehen, um die Konvergenz der einzelstaatlichen Asylsysteme zu erreichen; dazu soll insbesondere eine noch einzurichtende EU-weite Datenbank für Informationen über Herkunftsländer beitragen.

2.3. Steuerung der Migrationsströme

Voraussetzung für ein globales Konzept zur Migrationssteuerung ist die Entwicklung einer gemeinsamen Einwanderungspolitik, die der Lage der legalen Zuwanderer Rechnung trägt. Parallel dazu sind Maßnahmen zur wirkungsvolleren Bekämpfung der illegalen Zuwanderung und zur Verstärkung des Kampfes gegen Schleusung und Menschenhandel, insbesondere Frauen- und Kinderhandel, erforderlich.

Folgende Maßnahmen sind vorgesehen:

- Ergänzend zum strategischen Plan zur legalen Zuwanderung beabsichtigt die Kommission, eine Rahmenrichtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates sowie vier Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates für bestimmte Gruppen von Arbeitsmigranten (hoch qualifizierte Arbeitnehmer, Saisonarbeiter, innerbetrieblich versetzte Arbeitnehmer und bezahlte Auszubildende) vorzuschlagen.

- Als Reaktion auf die Zunahme der illegalen Einwanderung aus West- und Nordafrika, die in erster Linie Auswirkungen auf Italien, Spanien, Malta, Griechenland und den Mittelmeerraum hat, koordiniert die Kommission die Umsetzung der auf dem informellen Treffen der Staats- und Regierungschefs in Hampton Court und vom Europäischen Rat im Dezember 2005 ermittelten prioritären Maßnahmen mit den Mitgliedstaaten, Europol, der Außengrenzagentur (FRONTEX) und der Gemeinsamen Forschungsstelle. Ein Zwischenbericht soll Ende 2006 veröffentlicht werden.

- Die Maßnahmen im Zusammenhang mit der externen Dimension der Migration werden weiter verstärkt werden. Die Migrationsproblematik muss einen festen Platz in den Außenbeziehungen der EU mit Herkunfts- und Transitländern haben und Teil eines globalen Migrationskonzepts sein. Die Arbeiten im Bereich Migration und Entwicklung haben u. a. die Stärkung der positiven Verbindungen zwischen beiden zum Ziel; die wichtigsten Aspekte sind die Überweisungen von Migranten, die Rolle der Diaspora, die Mobilität von Intelligenz und die zirkuläre Migration; außerdem gilt es, die Auswirkungen der Abwanderung von Fachkräften aus den Herkunftsländern zu begrenzen.

- Im Juli dieses Jahres wird die Kommission eine Mitteilung zur illegalen Einwanderung vorlegen. Hauptthemen werden sein: die Stärkung des gegenseitigen Vertrauens und der Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten u. a. über die nachträgliche Legalisierung illegaler Einwanderer, eine verbesserte Kontrolle des Zugangs zum Hoheitsgebiet und die Bekämpfung der Beschäftigung illegaler Drittstaatsangehöriger.

- Nachhaltige Maßnahmen zur legalen Einwanderung erfordern koordinierte Integrationsmaßnahmen , die auf kurzfristige Aufenthalte zugeschnitten sind, ebenso aber auch auf Fragen der längerfristigen Niederlassung und diesbezügliche in der zweiten und dritten Generation auftretende Probleme. Gemäß der Mitteilung der Kommission vom 1. September 2005 und den Schlussfolgerungen des Rates vom Dezember 2005 wird die Umsetzung der Integrationsmaßnahmen fortgesetzt.

2.4. Integrierter Grenzschutz an den Außengrenzen und Interoperabilität von Informationssystemen

Der Zugang zum Hoheitsgebiet der EU, in dem die Freiheit des Personenverkehrs gilt, muss mithilfe eines integrierten Systems für den Außengrenzschutz, einer gemeinsamen Visumpolitik und durch intelligente Nutzung neuer Techniken, einschließlich der Biometrie, überwacht werden.

Folgende Maßnahmen sind vorgesehen:

- Prüfung der Rolle der Außengrenzagentur bei der Koordinierung von Verbindungsoperationen im Bereich der Migration zwischen bestehenden Verbindungsnetzen in den Herkunfts- und Transitdrittländern.

- Die Kommission wird im Juli dieses Jahres einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung, die Befugnisse und die Finanzierung von „Krisenreaktionsteams“ aus nationalen Sachverständigen vorlegen, die unter der Federführung der Außengrenzagentur den Mitgliedstaaten technische und operative Hilfe bei der Sicherung und Überwachung der Außengrenzen leisten werden.

- Vor allem biometrische Daten würden es ermöglichen, Informationen über die Ein- und Ausreise von Drittstaatsangehörigen in den bzw. aus dem Schengen-Raum zu sammeln und zu speichern. Die Kommission leitet gegenwärtig eine Studie über die Durchführbarkeit eines EU-Informationssystems über Ein- und Ausreisen ein, deren Ergebnisse im Juni 2007 vorliegen werden; außerdem wird mit der Umsetzung eines Programms („Trusted Traveller Programme“) begonnen, das Bona-fide- Reisenden den Grenzübertritt erleichtern wird.

- Die Idee, ein europäisches Verzeichnis der EU-Bürgern ausgestellten Reisedokumente und Personalausweise anzulegen, könnte weiterentwickelt werden.

- Die Kommission wird mit dem Europäischen Parlament und dem Rat erörtern, wie sich die Vorschläge in ihrer Mitteilung vom November 2005 über die Verbesserung der Effizienz der europäischen Datenbanken im Bereich Justiz und Inneres und die Steigerung ihrer Interoperabilität sowie der Synergien zwischen ihnen weiterentwickeln lassen. Auf der Grundlage dieser Diskussionen wird 2007 ein Aktionsplan vorgelegt.

2.5. Folgemaßnahmen zu den Programmen zur gegenseitigen Anerkennung (in Zivil- und Strafsachen)

Im Zivil- und im Strafrecht wird der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung auch künftig den Eckstein der EU-Maßnahmen bilden. Die gegenseitige Anerkennung erfordert gegenseitiges Vertrauen in die jeweiligen Rechts- und Gerichtssysteme.

Folgende Maßnahmen sind vorgesehen:

- Nach der Vorlage ihrer Mitteilung vom Mai 2005 hat die Kommission mehrere Legislativvorschläge unterbreitet, um die Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung in Strafsachen sowohl in der vorgerichtlichen Phase als auch in der Phase nach dem Strafverfahren voranzubringen. All diese Initiativen müssen jetzt zügig angenommen und umgesetzt werden . Zur Stärkung des gegenseitigen Vertrauens gilt es zum einen, EU-weit geltende Regeln zur gerichtlichen Zuständigkeit, für Verfahrensgarantien, die Unschuldsvermutung und zu Mindestnormen für die Beweiserhebung festzulegen; zum anderen bedarf es konkreter Maßnahmen zur Verbesserung der juristischen Ausbildung und der Effizienz der Gerichtssysteme.

- 2007 wird eine Studie vorgelegt, die die bei den Verhandlungen über den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und dessen Anwendung aufgetretenen horizontalen Probleme sowie die Defizite des derzeitigen Systems der Zusammenarbeit in Strafsachen, die durch neue Instrumente beseitigt werden könnten, behandelt.

- Mittelfristig sollen Überlegungen darüber angestellt werden, wie die derzeitigen Rechtshilfeverfahren schrittweise in Instrumenten konsolidiert werden könnten, die insbesondere die Beweiserhebung im Strafrecht regeln.

- Ein einheitlicher Rechtsraum in Zivilsachen ist sowohl für Unternehmen als auch für die Bürger unerlässlich. Dem Programm zur gegenseitigen Anerkennung in Zivilsachen aus dem Jahre 2000 müssen neue politische Anstöße gegeben werden, damit der seit dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags gewonnene Schwung erhalten bleibt und das Programm, wie im Haager Aktionsplan vorgesehen, vollständig umgesetzt werden kann. Insbesondere wird die Kommission die erforderlichen Legislativmaßnahmen für die endgültige vollständige Abschaffung der Exequaturverfahren in zivil- und handelsrechtlichen Entscheidungen vorschlagen und außerdem Grünbücher über die wirksamere Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vorlegen. Darüber hinaus wird die Kommission mehrere neue Rechtsinstrumente im Bereich des Familienrechts vorschlagen, das im Alltag der Bürger von Bedeutung ist, z. B. zum Erbrecht und zu den Eigentumsrechten verheirateter und nicht verheirateter Paare.

- Eine große Herausforderung für die Konsolidierung des Europäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist es, den Bürgern den Zugang zur Justiz zu erleichtern. In einem ersten Schritt wird die Kommission die Änderung des Ratsbeschlusses zur Schaffung eines Europäischen Justiziellen Netzes für Zivilsachen vorschlagen, womit sie seine Zugänglichkeit für Bürger und Angehörige der Rechtsberufe zu verbessern und seine Wirkung zu erhöhen sucht.

2.6. Zugang zu den für die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität erforderlichen Informationen

Bei der Weitergabe der für die Bekämpfung von Terrorismus und Schwerkriminalität benötigten Informationen über die EU-Binnengrenzen hinweg darf es keine Hindernisse geben. Die EU-weite Verarbeitung relevanter Informationen durch die zuständigen Behörden wird die Mitgliedstaaten und die Union bei ihren Anstrengungen, die Kapazitäten der EU insgesamt zur Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus und Schwerkriminalität zu verstärken, unterstützen.

Im Haager Programm wurde der Kommission aufgetragen, bis Ende 2005 Legislativvorschläge zur Umsetzung des „Verfügbarkeitsgrundsatzes” vorzulegen, damit dieser ab 1. Januar 2008[7] angewandt werden kann. Im Oktober 2005 hat die Kommission einen Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zum Verfügbarkeitsgrundsatz unterbreitet.

Der Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich des Strafrechts muss auf die Strafregister ausgedehnt werden. Das gegenwärtige System, das auf das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen von 1959 zurückgeht, weist gravierende Mängel auf. Die Kommission hat bereits Legislativvorschläge vorgelegt, die auf die Einführung eines europäischen Systems für den elektronischen Austausch von Strafregisterdaten abstellen, das zum gegenseitigen Verständnis beitragen und den Kenntnisstand bezüglich der in der EU ergangenen Verurteilungen verbessern würde. Durch eine finanzielle Unterstützung soll den Mitgliedstaaten die Vernetzung ihrer einzelstaatlichen Strafregister erleichtert werden.

In dieser Phase sind wahrscheinlich keine neuen Initiativen nötig. Von größter Wichtigkeit ist jetzt die rasche Annahme und Umsetzung bestehender (und in Vorbereitung befindlicher) Legislativvorschläge der Kommission; auf diese Weise sollen die umfassende Anwendung des Verfügbarkeitsgrundsatzes und die effektive Entwicklung und Umsetzung des EU-weiten Strafregistersystems sichergestellt werden.

Die Kommission ist fest davon überzeugt, dass parallel zu Fortschritten beim Informationsaustausch der Datenschutz im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit weiterentwickelt werden muss. Nach Ansicht der Kommission müssen die vorstehend angeführten Initiativen durch verbindliche Datenschutzvorschriften abgestützt werden, die ein hohes Schutzniveau für personenbezogene Daten in allen Mitgliedstaaten sicherstellen. Die Kommission bedauert den Mangel an Fortschritt in Bezug auf ihren im Oktober 2005 unterbreiteten Vorschlag und hält dessen rasche Annahme durch den Rat für unerlässlich.

2.7. Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität - Zukunft von Europol

Terrorismus und organisierte Kriminalität werden auch in den nächsten Jahren eine ständige Bedrohung darstellen. Die Union muss weiterhin alles daransetzen, um ihre einzigartige Fähigkeit, diesbezügliche Maßnahmen auf europäischer Ebene voranzubringen, unter Beweis zu stellen; dazu muss sie Wissen zusammentragen, enge Kontakte zu allen Beteiligten knüpfen und die Mitgliedstaaten und die Strafverfolgungsbehörden in ihrem alltäglichen Kampf unterstützen.

Da die operative Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten zunehmen, ist es nach Ansicht der Kommission an der Zeit, auf der Grundlage der laufenden interinstitutionellen Beratungen über Terrorismusbekämpfung und den Schutz kritischer Infrastrukturen eine interne Sicherheitsstrategie zu entwickeln.

Folgende Maßnahmen sind vorgesehen:

- In Kürze Vorlage eines Vorschlags für ein Programm für den Schutz kritischer Infrastrukturen , in dem die Ergebnisse der seit 2005 laufenden umfassenden Konsultation berücksichtigt werden; noch vor Jahresende Vorlage eines Vorschlags für einen Ratsbeschluss zum Warn- und Informationsnetz für kritische Infrastrukturen; die Kommission wird sich dabei auf die ersten Ergebnisse einer diesbezüglichen Durchführbarkeitsstudie stützen.

- Gegebenenfalls Änderung des Ratsbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung, um die Definition des Begriffs Anstiftung zum Terrorismus zu verbessern und die Weitergabe von Spezialkenntnissen in der Bombenherstellung unter Strafe zu stellen.

- Bis Ende des Jahres Vorlage einer Mitteilung zum Thema Bioterrorismus .

2.7.1. Die Zukunft von Europol

Aufgabe von Europol ist es, die Effizienz und Zusammenarbeit der einzelstaatlichen Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität durch die Erleichterung des Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten sowie die Erhebung und Analyse der betreffenden Daten zu verbessern. Europol wird auch künftig insofern einen zusätzlichen Nutzen bewirken, als es hochwertige Intelligence-Analysen erstellen und so die Ermittlungen unterstützen kann.

Nach Auffassung der Kommission benötigt Europol eine flexiblere Rechtsgrundlage , damit politische Entscheidungen zur Verbesserung seines Funktionierens ohne unnötige Verzögerung umgesetzt werden können. Im Interesse größerer Transparenz und demokratischer Rechenschaftspflicht muss auch eine bessere Aufsicht und Kontrolle der Tätigkeiten von Europol durch das Europäische Parlament gewährleistet sein; die Vertraulichkeit operativer Informationen und Abläufe darf dabei allerdings nicht gefährdet werden .

Folgende Maßnahme ist vorgesehen:

- Vorschlag für einen Beschluss des Rates zum Ersatz des Europol-Übereinkommens, der auf die Verbesserung der operativen Leistungsfähigkeit des Amtes zielt.

2.8. Finanzielle Vorausschau für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts

Die im Haager Programm festgeschriebenen politischen Ziele lassen sich nur verwirklichen, wenn ausreichende finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Die unlängst erzielte Einigung über die Finanzielle Vorausschau trägt dieser Notwendigkeit Rechnung; für Maßnahmen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht werden mehr Mittel bereitgestellt . 2007 laufen die neuen Rahmenförderprogramme an, die maßgeblich zur Unterstützung der EU und der Mitgliedstaaten beitragen werden.

Dank einer verstärkten finanziellen Unterstützung aus dem Gemeinschaftshaushalt sollen in einem Raum ohne Grenzen in Angelegenheiten betreffend Asyl, Einwanderung, Außengrenzen und operative Zusammenarbeit (insbesondere gemeinsame Patrouillen und gemeinsame Rückführungen auf dem Luftweg) die gemeinsamen Lasten gerechter geteilt werden. Die von der EU bereitgestellten Finanzmittel werden zur Entwicklung gemeinsamer Konzepte für die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität sowie für die Bewahrung eines Raums des Rechts beitragen. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, die durch den neuen Finanzrahmen gebotenen Möglichkeiten voll auszuschöpfen und ehrgeizige, genaue Vorschläge für Projekte zu unterbreiten, die den Mehrwert eines Tätigwerdens auf EU-Ebene aufzeigen.

2.9. Die Außendimension von Freiheit, Sicherheit und Recht

Im Dezember 2005 billigte der Rat Justiz und Inneres die erste Strategie betreffend die Außendimension von Freiheit, Sicherheit und Recht[8]. In der Strategie werden eine Reihe von Themenschwerpunkten und die Mechanismen für die Verwirklichung der Ziele dargelegt. Die Kommission setzt nunmehr deren Schlüsselelemente um, z. B. durch den Gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts mit Russland, den überarbeiteten Aktionsplan im Bereich Justiz und Inneres mit der Ukraine sowie die Aktionspläne im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik mit anderen Staaten und nicht zuletzt durch eine kontinuierlich an Tiefe gewinnende Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten .

Fortschritte bei der Rechtsstaatlichkeit in unserer Zusammenarbeit mit Drittstaaten brauchen Zeit. Die Kommission und die Mitgliedstaaten müssen sich deshalb stärker auf die Umsetzung als auf die Erneuerung oder Aktualisierung der EU-Strategie konzentrieren. Da die thematischen und geografischen Prioritäten eindeutig feststehen, geht es nunmehr darum, die Strategie wirksam anzuwenden, um zu Ergebnissen zu gelangen. Im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht sind Fortschritte nur zu erreichen, wenn sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Kommission einen aktiven Beitrag leisten und ihr Handeln abstimmen. Die Vorbereitung der maßnahmenorientierten Papiere über den Westbalkan oder den Drogenschmuggel aus Afghanistan belegen den Nutzen einer solchen Zusammenarbeit. Auf der Grundlage der seit Ende 2005 unternommenen Arbeiten wird die Kommission im Dezember 2006 einen Zwischenbericht über die Anwendung der Strategie vorlegen. Andere wichtige Instrumente im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht mit Außendimension sind Abkommen über Rückübernahme und Visumerleichterungen, die bis jetzt erfolgreich mit Staaten, die Schlüsselpartner der EU sind, abgeschlossen wurden, wie zum Beispiel mit Russland. Die Kommission wird die Arbeit in diesem Bereich fortsetzen.

2.10. Umsetzung und Bewertung von Maßnahmen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht

Angesichts des Mandats, das der Kommission durch das Haager Programm und den dazugehörigen Aktionsplan erteilt wurde, der Uneinheitlichkeit bei den bestehenden Überwachungs- und Bewertungsmechanismen und der Notwendigkeit einer umfassenden Information aller Beteiligten über die Umsetzung von Maßnahmen und deren Ergebnisse ist es nach Ansicht der Kommission Zeit für einen kohärenten und umfassenden Mechanismus zur Evaluierung von EU-Maßnahmen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht im Geiste der Partnerschaft mit den Mitgliedstaaten und den EU-Institutionen.

Ein solcher Mechanismus, der auf die jährliche Überwachung der Umsetzung [9] und Evaluierung der Ergebnisse der Maßnahmen ausgerichtet ist, wird in der gleichzeitig vorgelegten Mitteilung „Evaluierung der EU-Maßnahmen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht“ vorgestellt.

3. VERBESSERUNG DER BESCHLUSSFASSUNG IM RAUM DER FREIHEIT, DER SICHERHEIT UND DES RECHTS

3.1. Immer wiederkehrende Schwierigkeiten im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts

Wie die Debatten im Rahmen von Plan D (für Demokratie, Dialog und Diskussion) unlängst gezeigt und zudem Meinungsumfragen ergeben haben, entsprechen die Maßnahmen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht echten Anliegen unserer Mitbürger, die diesen Maßnahmen große Bedeutung beimessen. Die europäischen Bürger wollen, dass die EU insbesondere im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus, aber auch bei der Migrationssteuerung und dem Außengrenzschutz mehr Wirkung erzielt.

Trotz dieses ausgeprägten Interesses ergeben sich nur schleppend Fortschritte, und bei der Entwicklung von Maßnahmen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht auf EU-Ebene treten immer wieder Schwierigkeiten auf , die zu zahlreichen Blockaden führen. Der erste jährliche Bericht über die Umsetzung des Haager Programms, der Gegenstand einer gleichzeitig vorgelegten Mitteilung ist, hat gezeigt, dass diese Schwierigkeiten in erster Linie auf die besondere Natur des Entscheidungsprozesses zurückzuführen sind.

Insbesondere bei Beschlüssen im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen ist immer noch die Zustimmung sämtlicher Mitgliedstaaten erforderlich. Diese Angelegenheiten werden in einem besonderen Rahmen (Titel VI EUV) behandelt, in dem das so genannte Verfahren der „dritten Säule“ Anwendung findet, das durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist:

- spezielle Rechtsinstrumente (gemeinsame Standpunkte, Rahmenbeschlüsse, Beschlüsse und Übereinkommen), die die Umsetzung zusätzlich erschweren;

- unzureichende Befugnisse des Europäischen Parlaments im Legislativprozess ;

- Erfordernis der Einstimmigkeit , das häufig Vereinbarungen auf der Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners zur Folge hat;

- ein mit den 25 Mitgliedstaaten geteiltes Initiativrecht, das weder eine echte „europäische Dimension“ noch die Verantwortlichkeit bei der Vorlage von Gesetzgebungsvorschlägen der Mitgliedstaaten begünstigt, die keiner Ex-ante-Folgenabschätzung unterzogen werden;

- eine begrenzte Rolle des Gerichtshofs (Ausschluss von Vertragsverletzungsverfahren, „Opt-in“-Regelung, der zufolge die Mitgliedstaaten die Zuständigkeit des Gerichtshofs für Vorabentscheidungen anerkennen können – bislang haben 14 der 25 Mitgliedstaaten eine entsprechende Erklärung abgegeben – und Möglichkeit der Beschränkung auf die obersten nationalen Gerichte);

- das Fehlen förmlicher Vertragsverletzungsverfahren, die eine ordnungsgemäße Umsetzung und Durchführung gewährleisten.

So haben die Erörterungen im Rat denn auch unlängst gezeigt, dass auf EU-Ebene Fortschritte in Bereichen wie der gegenseitigen Anerkennung in Strafsachen und der polizeilichen Zusammenarbeit nur sehr schwer zu erreichen sind.

Im vergangenen Juni gelang dem Rat Justiz und Inneres erst nach außerordentlich langwierigen Verhandlungen und nur auf der Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners eine Einigung über den Vorschlag der Kommission zu einer Europäischen Beweisanordnung ; diese Einigung ist nicht allein für die Kommission, sondern auch für die meisten Mitgliedstaaten unbefriedigend und wirkt sich nachteilig auf die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung aus , der gemäß dem Programm von Tampere und dem Haager Programm den Eckstein der EU-Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit darstellt.

In den letzten drei Jahren waren auch keine Fortschritte bei den EU-weit anzuwendenden grundlegenden Mindestnormen für Verfahrensrechte , z. B. dem Recht auf einen Dolmetscher im Falle der Festnahme, zu verzeichnen. Beinahe zwei Jahre auf Eis lag ferner die völlig festgefahrene Diskussion über eine Vorlage, die EU-weit dieselbe Definition und Sanktionierung von rassistischen und fremdenfeindlichen Straftaten vorsieht; seit kurzem gibt es Anzeichen dafür, dass die Beratungen wieder aufgenommen werden könnten.

Schließlich sind auch die Beratungen über einen Vorschlag der Kommission nicht vorangekommen, der die Genehmigung weiterer grenzüberschreitender Ermittlungs- und Strafverfolgungsaktivitäten zum Ziel hat.

Einige dieser immer wiederkehrenden Schwierigkeiten werden auch bei den „vergemeinschafteten“ Maßnahmen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht (Titel IV EGV) sichtbar, wo weiterhin Besonderheiten bezüglich der Zuständigkeit des Gerichtshofs für Vorabentscheidungen (Artikel 68 EGV) bestehen und Aspekte der legalen Zuwanderung und des Familienrechts immer noch einstimmig entschieden werden. So endeten beispielsweise die Diskussionen über den Vorschlag für eine Richtlinie zur Einreise und zum Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen für die Zwecke der Beschäftigung wegen des Einstimmigkeitsgebots ergebnislos. Die Kommission hat das Thema mit einem Grünbuch und einem daraufhin erstellten Aktionsplan, den sie im Dezember 2005 vorgestellt hat, wieder aufgegriffen, doch ist zurzeit nicht absehbar, wohin diese Debatte führen wird, solange in diesem Bereich die Einstimmigkeit gilt.

Was die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs anbelangt, besteht die Gefahr, dass sehr wichtige und heikle Angelegenheiten wie der Zugang zur Justiz oder zu Asylrechten EU-weit nicht derselben gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden oder einheitliche Anwendung finden.

3.2. Immer wiederkehrende Schwierigkeiten: "Brückenklauseln“

Nach Ansicht der Kommission bietet die erste Überprüfung der Umsetzung des Haager Programms eine gute Gelegenheit, um die Überlegungen über Möglichkeiten zur besseren Gestaltung der Beschlussfassung in der EU neu zu beleben und zu fördern und für eine effizientere Bewertung und Umsetzung der Vorschriften im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht zu sorgen. Dazu müssen die durch die geltenden Verträge gebotenen Möglichkeiten so gut wie irgend möglich genutzt werden.

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die vollständige Anwendung der derzeitigen Verträge ein höheres Maß an Effizienz und Kohärenz in den Bereichen erlauben würde, in denen der Mehrwert der Maßnahmen auf EU-Ebene weithin anerkannt und von unseren Bürgern ausdrücklich gefordert wird, die, wie jüngste Eurobarometer-Umfragen bestätigt haben, mehr Schutz und Sicherheit wünschen.

Ferner, wie in ihrer Mitteilung vom 10. Mai 2006 festgehalten, ist die Kommission der Ansicht, dass die größtmögliche Nutzung der derzeitigen Verträge die Voraussetzungen für die Verwirklichung der im Haager Programm niedergelegten ehrgeizigen Ziele schaffen und die vollständige Umsetzung des Programms ermöglichen wird. Die geltenden Verträge bieten die Möglichkeit, die in Abschnitt 3.1 dargelegten Schwierigkeiten zu überwinden, indem auf Artikel 42 EUV und Artikel 67 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich EGV („Brückenklauseln“) zurückgegriffen wird.

Gemäß 42 EUV kann die Kommission (oder ein Mitgliedstaat) vorschlagen, dass Maßnahmen in den in Artikel 29 EUV genannten Bereichen (Bekämpfung des Terrorismus und der Kriminalität durch Maßnahmen auf dem Gebiet der Strafverfolgung) unter Titel IV EGV fallen und denselben institutionellen Regeln wie die anderen „vergemeinschafteten“ Bereiche der Politik auf dem Gebiet “Freiheit, Sicherheit und Recht” unterliegen; der Rat beschließt den Rückgriff auf Artikel 42 EUV einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments und nach der Annahme des Beschlusses durch die Mitgliedstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften .

Artikel 67 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich EGV sieht vor, dass der Rat einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments beschließen kann, dass die Materie der legalen Einwanderung dem Mitentscheidungsverfahren unterliegen soll, das eine ordnungsgemäße demokratische Kontrolle durch das Europäische Parlament garantiert.

Der gleiche Artikel sieht vor, dass der Rat einstimmig und nach Anhörung des Europäischen Parlaments Artikel 68 EGV über die Zuständigkeit des Gerichtshofs anpasst; dazu müsste er beschließen, die Vorabentscheidungskompetenz des Gerichtshofs bei den „vergemeinschafteten“ Bereichen der Politik auf dem Gebiet “Freiheit, Sicherheit und Recht” der für andere Bereiche der EG-Politik vorgesehenen Befugnis anzugleichen, womit die Rolle des Gerichtshofs gestärkt würde[10].

Nach der Meinung der Kommission sind Brückenklauseln für die EU und die Mitgliedstaaten ein geeignetes Instrument, um das ehrgeizige Ziel der besseren Gestaltung der Beschlussfassung im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu verwirklichen.

Der eigentliche Mehrwert der Brückenklauseln bestünde darin, dass die „ Gemeinschaftsmethode “, die nachweislich ein höheres Maß an Effizienz, Transparenz und Verantwortlichkeit gewährleistet, auf die Maßnahmen in diesem Bereich angewandt würde. Das beste Beispiel für die Vorzüge der „Gemeinschaftsmethode“ ist die unlängst erfolgte Annahme des Kommissionsvorschlags für eine Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten durch das Europäische Parlament und den Rat nur drei Monate nach dessen Vorlage.

Die Anwendung der „Gemeinschaftsmethode“ hätte folgende Vorteile:

- mehr Effizienz, Transparenz und Verantwortlichkeit in den Rechtsetzungsverfahren;

- alle Materien würden durch Gemeinschaftsrechtsakte (Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse auf der Grundlage der bestehenden Verträge) geregelt;

- die Mitentscheidungsbefugnis des Europäischen Parlaments, d. h. der demokratisch gewählten Vertreter der EU-Bürger, im Rechtsetzungsverfahren würde anerkannt;

- eine "europäische Dimension" der Legislativvorschläge würde durch das Initiativrecht der Kommission, die Anwendung wirksamer Folgenabschätzungsinstrumente und die volle Einbindung des Europäischen Parlaments garantiert werden;

- Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit würden den Konsens fördern und Ergebnisse von hoher Qualität ermöglichen;

- im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens und der Überwachung der Umsetzung der Rechtsvorschriften durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Vertragsverletzungsverfahren ließe sich ein angemessener justizieller Dialog mit den einzelstaatlichen Gerichtsbarkeiten gestalten.

Darüber hinaus wäre der Rückgriff auf die Brückenklauseln für Angelegenheiten der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit sicher von entscheidender Bedeutung in Bezug auf die Frage, wo die Grenze zwischen der ersten und der dritten Säule verläuft; diese Frage ist keineswegs hypothetisch, wie kürzlich erlassene Urteile des Gerichtshofs (zur Umweltkriminalität und zur Übermittlung von Fluggastdatensätzen ) deutlich machen. Würden diese Materien in einem einzigen Rechtsrahmen geregelt, würde dies zweifellos die Rechtssicherheit und Effizienz erhöhen.

Insbesondere Artikel 42 EUV erlaubt eine gewisse Flexibilität , namentlich bei der Festlegung des Abstimmungsverfahrens, das auf die von Titel VI EUV in Titel IV EGV überführten Bereiche anzuwenden ist. Nach Ansicht der Kommission sollte eine Reflexion und Diskussion mit den Mitgliedstaaten und den EU-Institutionen darüber eingeleitet werden, wie die durch Artikel 42 gebotenen Optionen am besten genutzt werden können.

4. SCHLUSSFOLGERUNGEN

Die europäischen Bürger drängen die EU, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, damit sie in Europa in Sicherheit leben können. Die Union muss in der Lage sein, rasch zu reagieren, und gleichzeitig gewährleisten, dass die europäischen Bürger ihre persönlichen Freiheitsrechte ausüben können.

Die Union und die Mitgliedstaaten müssen diese Herausforderung gemeinsam angehen, denn Terrorismus und organisierte Kriminalität kennen keine Vorschriften oder Grenzen. Die Umsetzung und Weiterentwicklung des Haager Programms ist ein gemeinsames Ziel, dessen Verwirklichung eine effiziente Beschlussfassung und klare politische Prioritäten voraussetzt.

Parallel dazu gilt es festzulegen, wie die europäische Integration in Freiheit, Sicherheit und Recht vorangebracht und die Entscheidungsverfahren gestrafft werden können. Nach Ansicht der Kommission bietet dies die einzige Möglichkeit für echte Fortschritte in diesem Politikbereich.

Die Kommission beabsichtigt, auf der Grundlage ihrer Bewertung des Stands der Umsetzung des Haager Programms eine partnerschaftliche Diskussion mit den anderen EU-Institutionen und den Mitgliedstaaten darüber einzuleiten , wie sich die politische Agenda so weiterentwickeln ließe, dass den Erwartungen der EU-Bürger Rechnung getragen und das Funktionieren des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts verbessert wird.

Auf der Grundlage der Ergebnisse der Reflexion und Diskussion während des kommenden finnischen Ratsvorsitzes über die Vorzüge der Anwendung der derzeitigen Verträge ist die Kommission bereit, Vorschläge im Rahmen von Artikel 42 EUV und Artikel 67 Absatz 2 zweiter Gedankenstriche EGV zu unterbreiten [11].

[1] KOM(2006) 211.

[2] Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: „Umsetzung des Haager Programms: Zehn Prioritäten für die nächsten fünf Jahre. Die Partnerschaft zur Erneuerung Europas im Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ - KOM(2005) 184.

[3] Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Juni 2006, Nummer 10: „Im Hinblick auf die Überarbeitung des Haager Programms ruft der Europäische Rat den künftigen finnischen Vorsitz auf, in enger Zusammenarbeit mit der Kommission zu prüfen, wie die Beschlussfassung und die Durchführung von Maßnahmen in Bezug auf den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts auf der Grundlage der bestehenden Verträge verbessert werden könnten.“

[4] KOM(2003) 606.

[5] Bericht des Vorsitzes über "Stärkung der Fähigkeiten der Europäischen Union zur Reaktion in Notfällen und Krisen", gebilligt durch den Europäischen Rat vom Dezember 2006.

[6] KOM(2006) 67.

[7] Nach dem Haager Programm besagt das Verfügbarkeitsprinzip, dass Informationen, die die Behörden eines Mitgliedstaats zu Strafverfolgungszwecken benötigen, vorbehaltlich bestimmter Bedingungen von den Behörden eines anderen Mitgliedstaats bereitgestellt werden.

[8] „Strategie für die externe Dimension der JI-Politik: Freiheit, Sicherheit und Recht im globalen Maßstab“, gestützt auf die Mitteilung der Kommission KOM(2005) 491 vom 12.10.2005.

[9] Wie in der gleichzeitig vorgelegten Mitteilung "Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union: Bericht über die Umsetzung des Haager Programms im Jahr 2005" dargelegt.

[10] Da der Rat trotz des Auslaufens der Übergangszeit am 1. Mai 2004 noch nichts unternommen hat, um seiner Verpflichtung zur Anpassung der Bestimmungen von Artikel 68 EGV nachzukommen, richtet die Kommission gleichzeitig mit der vorliegenden Mitteilung eine diesbezügliche Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat.

[11] Unbeschadet der besonderen Initiative der Kommission in ihrer in Fußnote 6 genannten Mitteilung.

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