Urteil des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 11. Juni 2015 –

McCullough/Cedefop

(Rechtssache T‑496/13)

„Zugang zu Dokumenten — Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 — Dokumente betreffend die Vergabe öffentlicher Aufträge und den Abschluss sich daraus ergebender Verträge — Antrag auf Zurverfügungstellung der Dokumente im Rahmen eines Strafverfahrens — Verweigerung des Zugangs — Ausnahme zum Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen — Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses“

1. 

Nichtigkeitsklage — Zuständigkeit des Unionsrichters — Antrag auf Erlass einer Anordnung an ein Organ — Unzulässigkeit — Verletzung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz — Fehlen (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV und 19 Abs. 1 EUV; Art. 263 Abs. 4 AEUV, 264 AEUV, 267 AEUV und 277 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47 und 52 Abs. 7) (vgl. Rn. 16, 18‑22)

2. 

Nichtigkeitsklage — Nichtigkeitsurteil — Wirkungen — Verpflichtung, Durchführungsmaßnahmen zu erlassen — Umfang (Art. 263 AEUV, 265 AEUV und 266 AEUV) (vgl. Rn. 23, 27)

3. 

Nichtigkeitsklage — Zuständigkeit des Unionsrichters — Prüfung der Rechtmäßigkeit des Strafverfahrens vor dem Gericht eines Mitgliedstaats — Fehlen (Art. 256 und 263 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 48 Abs. 2) (vgl. Rn. 26)

4. 

Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union — Antrag auf Ermächtigung zur Pfändung bei einem Gemeinschaftsorgan — Erfordernis einer Ermächtigung des Gerichtshofs — Antrag, einem Dritten Zugang zu den betreffenden Räumen und Gebäuden zu gewähren — Unzulässigkeit (Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften, Art. 1) (vgl. Rn. 31‑33)

5. 

Organe der Europäischen Union — Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten — Verordnung Nr. 1049/2001 — Zweck — Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten — Enge Auslegung und Anwendung — Begründungspflicht — Umfang (Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Erwägungsgründe 4 und 11 und Art. 1 und 4) (vgl. Rn. 36‑40, 82)

6. 

Organe der Europäischen Union — Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten — Verordnung Nr. 1049/2001 — Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten — Umfang — Pflicht zur Beurteilung unter Beachtung der Rechtsvorschriften der Union zum Schutz personenbezogener Daten — Volle Anwendung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 45/2001 auf alle Anträge auf Zugang zu Dokumenten, die personenbezogene Daten enthalten (Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 45/2001, Art. 8, und Nr. 1049/2001, Art. 4 Abs. 1 Buchst. b) (vgl. Rn. 41‑44)

7. 

Organe der Europäischen Union — Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten — Verordnung Nr. 1049/2001 — Ablehnung des Zugangs zu einem Dokument mit der Begründung, dass es nicht existiert oder sich nicht im Besitz des betreffenden Organs befindet — Existenz der Dokumente, zu denen der Zugang beantragt wird — Vermutung der Nichtexistenz aufgrund der entsprechenden Behauptung des betroffenen Organs — Einfache Vermutung, die aufgrund schlüssiger und übereinstimmender Indizien widerlegt werden kann (Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 2 Abs. 3 und 4) (vgl. Rn. 49, 50)

8. 

Organe der Europäischen Union — Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten — Verordnung Nr. 45/2001 — Begriff der personenbezogenen Daten — Sitzungsprotokoll mit den Namen der Teilnehmer — Einbeziehung — Antrag auf Zugang zu dem Protokoll nach der Verordnung Nr. 1049/2001 — Pflicht des Antragstellers, die Notwendigkeit der Weitergabe der in Rede stehenden personenbezogenen Daten nachzuweisen (Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 45/2001, Art. 5 und 8 Buchst. a und b, und Nr. 1049/2001, Art. 4 Abs. 1 Buchst. b) (vgl. Rn. 66‑68)

9. 

Gerichtliches Verfahren — Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens — Voraussetzungen — Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das auf Gründe gestützt wird, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind (Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 48 § 2) (vgl. Rn. 76)

10. 

Organe der Europäischen Union — Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten — Verordnung Nr. 1049/2001 — Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten — Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen — Verpflichtung des Organs zu einer konkreten und individuellen Prüfung der Dokumente — Begründungspflicht — Umfang — Möglichkeit, sich auf allgemeine Vermutungen zu stützen, die für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten — Grenzen (Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 1 Buchst. b) (vgl. Rn. 83, 84, 86, 88, 90, 91)

11. 

Organe der Europäischen Union — Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten — Verordnung Nr. 1049/2001 — Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten — Schutz des Entscheidungsprozesses — Schutz von Dokumenten, die im Rahmen eines bereits abgeschlossenen Verfahrens erstellt wurden — Zugangsverweigerung — Begründungspflicht — Umfang (Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2) (vgl. Rn. 99‑102, 107, 109, 111, 112)

Gegenstand

Nichtigerklärung der Entscheidung des Cedefop vom 15. Juli 2013, mit der der Zugang zu den für den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2005 erstellten Protokollen seines Verwaltungsrats, seines Büros und der „Knowledge Management System“ Steering Group verweigert wurde, Anordnung gegenüber dem Cedefop, die verlangten Dokumente zur Verfügung zu stellen, und Ermächtigung der nationalen griechischen Behörden gemäß Art. 16 der Verordnung (EWG) Nr. 337/75 des Rates vom 10. Februar 1975 über die Errichtung eines Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung (ABl. L 39, S. 1) und Art. 1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union, nach den anwendbaren griechischen Gesetzen die Räumlichkeiten und Gebäude des Cedefop zu betreten, dort Ermittlungen, Durchsuchungen und Beschlagnahmen vorzunehmen, um sich die beantragten Dokumente zu beschaffen sowie Ermittlungen zu möglicherweise begangenen Straftaten durchzuführen

Tenor

1. 

Die Entscheidung des Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung (Cedefop) vom 15. Juli 2013, mit der der Zugang zu den für den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2005 erstellten Protokollen seines Verwaltungsrats, seines Büros und der „Knowledge Management System“ Steering Group verweigert wurde, wird für nichtig erklärt, soweit darin der Zugang zu den Protokollen des Verwaltungsrats und des Büros, mit Ausnahme des Zugangs zu den Namen ihrer Mitglieder, verweigert wurde.

2. 

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. 

Das Cedefop trägt seine eigenen Kosten sowie drei Viertel der Kosten von Herrn Colin Boyd McCullough.

4. 

Herr McCullough trägt ein Viertel seiner eigenen Kosten.