URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

12. Oktober 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen — Verordnung (EG) Nr. 44/2001 — Art. 6 Nr. 3 — Begriff der Widerklage — Auf eine bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützte Klage — Zahlung eines aufgrund einer aufgehobenen Entscheidung geschuldeten Betrags — Zeitliche Anwendung“

In der Rechtssache C‑185/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vrhovno sodišče (Oberster Gerichtshof, Slowenien) mit Entscheidung vom 15. Januar 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 22. April 2015, in dem Verfahren

Marjan Kostanjevec

gegen

F&S Leasing GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský, M. Safjan (Berichterstatter) und D. Šváby,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der F&S Leasing GmbH, vertreten durch M. Rihtar und B. Potočan, odvetnika,

der slowenischen Regierung, vertreten durch T. Mihelič Žitko als Bevollmächtigte,

der spanischen Regierung, vertreten durch J. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und M. Žebre als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 2. Juni 2016

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 5 Nr. 1, 6 Nr. 3 und 15 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Marjan Kostanjevec mit Wohnsitz in Slowenien und der F&S Leasing GmbH (im Folgenden: F&S) mit Gesellschaftssitz in Österreich über die Nichterfüllung eines Finanzierungsleasingvertrags.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 zufolge bezweckt die Verordnung, im Interesse eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts „Bestimmungen [einzuführen], um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen“.

4

In den Erwägungsgründen 11 bis 13 und 15 dieser Verordnung heißt es:

„(11)

Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.

(12)

Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.

(13)

Bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.

(15)

Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. …“

5

Die Zuständigkeitsregeln nach dieser Verordnung befinden sich unter ihrem Kapitel II. Dieses Kapitel umfasst u. a. die Abschnitte 1, 2 und 4 mit den jeweiligen Überschriften „Allgemeine Vorschriften“, „Besondere Zuständigkeiten“ und „Zuständigkeit bei Verbrauchersachen“.

6

Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001, der zu Abschnitt 1 dieses Kapitels gehört, lautet wie folgt:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“

7

Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung, der auch in diesem Abschnitt steht, sieht vor:

„Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, können vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß den Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 dieses Kapitels verklagt werden.“

8

Art. 5 dieser Verordnung, der in Abschnitt 2 dieses Kapitels II steht, bestimmt:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

1.

a)

wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;

b)

im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung:

für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen;

für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;

c)

ist Buchstabe b) nicht anwendbar, so gilt Buchstabe a);

…“

9

Nach Art. 6 Nr. 3 dieser Verordnung, der ebenfalls zu diesem Abschnitt 2 gehört, kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, auch verklagt werden, „wenn es sich um eine Widerklage handelt, die auf denselben Vertrag oder Sachverhalt wie die Klage selbst gestützt wird, vor dem Gericht, bei dem die Klage selbst anhängig ist“.

10

Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001, der in Abschnitt 4 dieses Kapitels II steht, sieht vor:

„Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,

c)

in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.“

11

Art. 16 dieser Verordnung bestimmt:

„(1)   Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.

(2)   Die Klage des anderen Vertragspartners gegen den Verbraucher kann nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat.

(3)   Die Vorschriften dieses Artikels lassen das Recht unberührt, eine Widerklage vor dem Gericht zu erheben, bei dem die Klage selbst gemäß den Bestimmungen dieses Abschnitts anhängig ist.“

12

Art. 30 dieser Verordnung lautet:

„Für die Zwecke dieses Abschnitts gilt ein Gericht als angerufen:

1.

zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist, vorausgesetzt, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Beklagten zu bewirken, oder

2.

falls die Zustellung an den Beklagten vor Einreichung des Schriftstücks bei Gericht zu bewirken ist, zu dem Zeitpunkt, zu dem die für die Zustellung verantwortliche Stelle das Schriftstück erhalten hat, vorausgesetzt, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um das Schriftstück bei Gericht einzureichen.“

13

Art. 66 dieser Verordnung, der zu deren Kapitel VI („Übergangsvorschriften“) gehört, sieht vor:

„(1)   Die Vorschriften dieser Verordnung sind nur auf solche Klagen und öffentliche Urkunden anzuwenden, die erhoben bzw. aufgenommen worden sind, nachdem diese Verordnung in Kraft getreten ist.

(2)   Ist die Klage im Ursprungsmitgliedstaat vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung erhoben worden, so werden nach diesem Zeitpunkt erlassene Entscheidungen nach Maßgabe des Kapitels III anerkannt und zur Vollstreckung zugelassen,

a)

wenn die Klage im Ursprungsmitgliedstaat erhoben wurde, nachdem das Brüsseler Übereinkommen oder das Übereinkommen von Lugano sowohl im Ursprungsmitgliedstaat als auch in dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, in Kraft getreten war;

b)

in allen anderen Fällen, wenn das Gericht aufgrund von Vorschriften zuständig war, die mit den Zuständigkeitsvorschriften des Kapitels II oder eines Abkommens übereinstimmen, das im Zeitpunkt der Klageerhebung zwischen dem Ursprungsmitgliedstaat und dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, in Kraft war.“

Slowenisches Recht

14

Art. 183 des Zakon o pravdnem postopku (Zivilprozessordnung), der die Widerklage betrifft, sieht vor:

„Der Beklagte kann bis zum Ende der Hauptverhandlung bei demselben Gericht eine Widerklage erheben,

1.

wenn der Anspruch aus der Widerklage im Zusammenhang mit dem Klageanspruch steht oder

2.

wenn der Anspruch aus der Klage und der aus der Widerklage gegeneinander aufgerechnet werden können oder

3.

wenn mit der Widerklage die Feststellung eines Rechts oder Rechtsverhältnisses begehrt wird, von dessen Bestehen oder Nichtvorliegen die Entscheidung über den Klageanspruch zur Gänze oder teilweise abhängt.

Eine Widerklage kann nicht eingebracht werden, wenn für den Anspruch aus der Widerklage ein anderes Gericht sachlich zuständig ist oder wenn für die Entscheidung über den Anspruch aus der Widerklage eine andere Verfahrensart vorgeschrieben ist.

Eine Widerklage kann auch dann eingebracht werden, wenn über den Anspruch aus der Widerklage dasselbe Gericht in einem anderen Spruchkörper entscheiden muss.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

15

F&S, die ihren Gesellschaftssitz in Österreich hat, schloss am 14. Januar 1994 einen Finanzierungsleasingvertrag mit Herrn Kostanjevec. Aufgrund der Nichtzahlung der nach diesem Vertrag fälligen Raten machte F&S gegenüber diesem am 26. Oktober 1995 mit einem Vollstreckungsantrag auf der Grundlage einer glaubhaften Urkunde die Zahlung eines Betrags von 16692,22 Euro geltend. Nach nationalem Recht hatte der von Herrn Kostanjevec gegen diesen Vollstreckungsantrag eingelegte Einspruch zur Folge, dass das Okrožno sodišče v Ptuju (Kreisgericht Ptuj, Slowenien) befasst und auf der Grundlage dieses Vollstreckungsantrags ein Gerichtsverfahren eingeleitet wurde.

16

Letzteres Gericht verurteilte Herrn Kostanjevec mit Urteil vom 28. April 2004 zur Zahlung eines Betrags von 16692,22 Euro zuzüglich der vertraglich vereinbarten Zinsen und der Verfahrenskosten.

17

Mit dem Urteil des Višje sodišče v Mariboru (Obergericht Maribor, Slowenien) vom 11. April 2006, mit dem die Berufung von Herrn Kostanjevec zurückgewiesen wurde, wurde das erstinstanzliche Urteil vom 28. April 2004 rechtskräftig und vollstreckbar.

18

Herr Kostanjevec legte gegen dieses Urteil beim vorlegenden Gericht, dem Vrhovno sodišče (Oberster Gerichtshof, Slowenien), Revision ein. Bevor dieses Gericht über die Revision entschieden hatte, schlossen F&S und Herr Kostanjevec am 31. Juli 2006 einen außergerichtlichen Vergleich und vereinbarten hierin, dass Letzterer spätestens bis zum 30. August 2006 die Hauptforderung von 16692,22 Euro sowie die Prozess- und Vollstreckungskosten zahlt.

19

Das vorlegende Gericht hob durch Beschluss vom 9. Juli 2008 das Urteil des Okrožno sodišče v Ptuju (Kreisgericht Ptuj) vom 28. April 2004 und das Urteil des Višje sodišče v Mariboru (Obergericht Maribor) vom 11. April 2006 auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht zurück.

20

Nachdem die Sache zurückverwiesen worden war, erhob Herr Kostanjevec beim Okrožno sodišče v Ptuju (Kreisgericht Ptuj) eine Widerklage, mit der er von F&S die Rückerstattung des Betrags von 18678,45 Euro begehrte, der dem Betrag, den er am 30. August 2006 in Durchführung des am 31. Juli 2006 mit dieser Gesellschaft geschlossenen Vergleichs gezahlt hatte, zuzüglich Verzugszinsen entsprach.

21

Im erneuten Verfahren wies das Okrožno sodišče v Ptuju (Kreisgericht Ptuj) mit Urteil vom 4. November 2009 die Zahlungsklage von F&S ab und gab der Widerklage von Herrn Kostanjevec mit der Begründung statt, dass Letzterer den Leasinggegenstand nicht erhalten habe, so dass F&S ihre vertragliche Verpflichtung zur Übergabe des Leasinggegenstands nicht erfüllt habe.

22

F&S legte gegen diese Entscheidung Berufung beim Višje sodišče v Mariboru (Obergericht Maribor) ein, das mit Urteil vom 31. März 2010 befand, dass die Widerklage von Herrn Kostanjevec nicht statthaft sei, da „die Klageansprüche in einer solchen gegenseitigen Abhängigkeit stehen, dass sie sich gegenseitig ausschließen“. Dieses Gericht war jedoch der Ansicht, dass nach Art. 15 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 die slowenischen Gerichte zuständig seien.

23

Dieses letztere Urteil, aufgrund dessen das erstinstanzliche Urteil Rechtskraft erlangte, war erneut Gegenstand einer Revision vor dem vorlegenden Gericht über die Frage der Zuständigkeit der slowenischen Gerichte für die Entscheidung über die Widerklage. Nach Ansicht von F&S liegen weder die Voraussetzungen für eine Widerklage noch für die Anwendung der Bestimmungen vor, die Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Verbraucherverträgen beträfen, da der konkrete Rechtsstreit seine Grundlage nicht in einem Finanzierungsleasingvertrag bzw. Verbrauchervertrag habe, sondern ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend gemacht werde.

24

Unter diesen Umständen hat der Vrhovno sodišče (Oberster Gerichtshof) das Verfahren ausgesetzt und folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

25

In ihren schriftlichen Erklärungen hält die Europäische Kommission das Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig. Sie erinnert daran, dass die Bestimmungen der Verordnung Nr. 44/2001 nach ihrem Art. 66 Abs. 1 nur auf solche Klagen anzuwenden sind, die nach Inkrafttreten der Verordnung erhoben worden sind. Im Fall der Republik Slowenien wären diese Bestimmungen somit auf deren Hoheitsgebiet erst nach ihrem Beitritt zur Europäischen Union, d. h. ab dem 1. Mai 2004, anwendbar.

26

Nach Ansicht der Kommission ginge das im Ausgangsverfahren anhängige Verfahren, falls es als Verlängerung des Verfahrens anzusehen wäre, das infolge des Vollstreckungsantrags von F&S vom 26. Oktober 1995 eingeleitet worden sei, offensichtlich auf einen Zeitpunkt zurück, der deutlich vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 44/2001 in Slowenien liege. Diese Verordnung könnte nur dann anwendbar sein, wenn die Klage von Herrn Kostanjevec auf Rückerstattung des Betrags, den er aufgrund des mit F&S am 31. Juli 2006 geschlossenen Vergleichs auf der Grundlage des später aufgehobenen Urteils gezahlt habe, selbst eine „Klage“ im Sinne von Art. 66 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 darstellen würde.

27

Wie aber die Generalanwältin in Nr. 34 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist eine Klage auf Rückerstattung, die im Rahmen einer neuerlichen Prüfung einer ursprünglichen Klage infolge der Aufhebung der rechtskräftigen Entscheidung, zu der diese Klage geführt hat, erhoben wird, als „Klage“ im Sinne von Art. 66 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 einzustufen.

28

Denn auch wenn die einzelnen Lösungen nach dem innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Art und Weise der Umsetzung des Grundsatzes der Rechtskraft unterschiedlich ausfallen können, reicht der Umstand, dass eine solche Entscheidung nach den einschlägigen nationalen Verfahrensregeln Rechtskraft erlangt hat, für die Annahme aus, dass eine spätere Klage, mit der ein bereicherungsrechtlicher Anspruch gegen die Gegenpartei gerichtlich geltend gemacht werden soll, unter den Begriff der „Klage“ im Sinne dieser Bestimmung fällt.

29

Überdies ist hinsichtlich der zeitlichen Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 44/2001 auf die Rechtssache des Ausgangsverfahrens der dem Gerichtshof vorliegenden Akte zu entnehmen, dass alle zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen die auf eine bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützte Klage betreffen, die Herr Kostanjevec im Laufe des Jahres 2008 eingereicht hat, so dass eine solche Klage in den zeitlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 fällt.

30

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das Vorabentscheidungsersuchen zulässig ist.

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

31

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass der in dieser Vorschrift für die Widerklage festgelegte Gerichtsstand für eine auf eine bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützte Widerklage auf Rückerstattung eines Betrags gilt, der dem im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs vereinbarten Betrag entspricht, wenn diese Klage anlässlich eines erneuten Gerichtsverfahrens zwischen denselben Parteien infolge der Aufhebung der Entscheidung, zu der die ursprüngliche Klage zwischen diesen Parteien geführt hatte und deren Durchführung Anlass zu diesem außergerichtlichen Vergleich gegeben hatte, erhoben wurde.

32

Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Rn. 12 des Urteils vom 13. Juli 1995, Danvaern Production (C‑341/93, EU:C:1995:239), den Begriff der Widerklage im Sinne von Art. 6 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 bereits dahin ausgelegt hat, dass er im Wesentlichen für Anträge auf gesonderte Verurteilung zulasten des Klägers gilt, mit denen gegebenenfalls auch ein höherer als der vom Kläger geforderte Betrag verlangt und selbst dann weiterverlangt werden kann, wenn die Klage des Klägers abgewiesen wird.

33

Wie die Generalanwältin in Nr. 39 ihrer Schlussanträge ausführt, muss mit der Widerklage mithin ein vom klägerischen Begehren abgrenzbarer Antrag verfolgt werden, der auf gesonderte Verurteilung gerichtet ist.

34

Unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens handelt es sich bei dem Begehren auf Rückerstattung der in Durchführung der ursprünglichen Entscheidung vor deren Aufhebung geleisteten Zahlung um einen eigenständigen Antrag des Leasingnehmers, der auf gesonderte Verurteilung des Leasinggebers, und zwar auf die Rückerstattung des rechtsgrundlos Geleisteten, gerichtet ist. Ein solcher Antrag stellt somit nicht ein bloßes Verteidigungsmittel gegen die Zahlungsklage des Prozessgegners dar.

35

Zum anderen verlangt Art. 6 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 darüber hinaus, dass die Widerklage „auf denselben Vertrag oder Sachverhalt wie die Klage selbst gestützt wird“.

36

Wie die Generalanwältin in Nr. 43 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist diese Wendung autonom unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Verordnung Nr. 44/2001 auszulegen.

37

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es der geordneten Rechtspflege dienen soll, wenn der Sondergerichtsstand für die Widerklage die Parteien ihre sämtlichen auf einer gemeinsamen Grundlage beruhenden wechselseitigen Ansprüche im Laufe desselben Verfahrens und vor demselben Richter klären lässt. Auf diese Weise werden überflüssige und mehrfache Verfahren vermieden.

38

Unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens stellt es sich so dar, dass die Widerklage auf Rückerstattung aus dem Titel der ungerechtfertigten Bereicherung auf den Leasingvertrag gestützt wird, auf dem die ursprüngliche Klage des Leasinggebers beruhte. Die behauptete Bereicherung in Höhe des Betrags, der in Durchführung des zwischenzeitlich aufgehobenen Urteils gezahlt worden war, wäre nämlich ohne diesen Vertrag nicht eingetreten.

39

Daher ist davon auszugehen, dass unter diesen Umständen eine Widerklage auf Rückerstattung aus dem Titel der ungerechtfertigten Bereicherung im Sinne von Art. 6 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 auf den zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens geschlossenen Leasingvertrag gestützt wird.

40

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 6 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass der in dieser Vorschrift für die Widerklage festgelegte Gerichtsstand für eine auf eine bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützte Widerklage auf Rückerstattung eines Betrags gilt, der dem im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs vereinbarten Betrag entspricht, wenn diese Klage anlässlich eines neuerlichen Gerichtsverfahrens zwischen denselben Parteien infolge der Aufhebung der Entscheidung, zu der die ursprüngliche Klage zwischen diesen Parteien geführt hatte und deren Durchführung Anlass zu diesem außergerichtlichen Vergleich gegeben hatte, erhoben wurde.

Zur zweiten und dritten Frage

41

Da gemäß der Beantwortung der ersten Frage der von Art. 6 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 für die Widerklage festgelegte Gerichtsstand unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens gilt und das vorlegende Gericht anhand dieser Antwort die gerichtliche Zuständigkeit feststellen kann, brauchen die zweite und die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.

Kosten

42

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 6 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass der in dieser Vorschrift für die Widerklage festgelegte Gerichtsstand für eine auf eine bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützte Widerklage auf Rückerstattung eines Betrags gilt, der dem im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs vereinbarten Betrag entspricht, wenn diese Klage anlässlich eines neuerlichen Gerichtsverfahrens zwischen denselben Parteien infolge der Aufhebung der Entscheidung, zu der die ursprüngliche Klage zwischen diesen Parteien geführt hatte und deren Durchführung Anlass zu diesem außergerichtlichen Vergleich gegeben hatte, erhoben wurde.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Slowenisch.