URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)
12. Dezember 2013 ( *1 )
„Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor — Richtlinie 93/38/EWG — Fehlende Umsetzung in innerstaatliches Recht — Für den Staat bestehende Möglichkeit, sich gegenüber einem Konzessionär einer öffentlichen Dienstleistung auf diese Richtlinie zu berufen, wenn diese nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt wurde“
In der Rechtssache C‑425/12
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Administrativo e Fiscal do Porto (Portugal) mit Entscheidung vom 26. Juni 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 18. September 2012, in dem Verfahren
Portgás – Sociedade de Produção e Distribuição de Gás SA
gegen
Ministério da Agricultura, do Mar, do Ambiente e do Ordenamento do Território
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz (Berichterstatter) sowie der Richter E. Juhász, A. Rosas, D. Šváby und C. Vajda,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
— |
der Portgás – Sociedade de Produção e Distribuição de Gás SA, vertreten durch J. Vieira Peres, advogado, |
— |
des Ministério da Agricultura, do Mar, do Ambiente e do Ordenamento do Território, vertreten durch M. Ferreira da Costa und M. Pires da Fonseca als Bevollmächtigte, |
— |
der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Afonso und A. Tokár als Bevollmächtigte, |
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. September 2013
folgendes
Urteil
1 |
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 199, S. 84) in der durch die Richtlinie 98/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 (ABl. L 101, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 93/38). |
2 |
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Portgás – Sociedade de Produção e Distribuição de Gás SA (im Folgenden: Portgás) und dem Ministério da Agricultura, do Mar, do Ambiente e do Ordenamento do Território (Ministerium für Landwirtschaft, Meer, Umwelt und Raumplanung, im Folgenden: Ministério) wegen einer Entscheidung, mit der die Rückzahlung der diesem Unternehmen im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gewährten finanziellen Beihilfe angeordnet wurde, weil Portgás beim Kauf von Gaszählern von einem anderen Unternehmen die unionsrechtlichen Vorschriften über öffentliche Aufträge nicht beachtet hatte. |
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 |
Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 93/38 bestimmt: „Diese Richtlinie gilt für Auftraggeber, die
|
4 |
Zu den in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 93/38 genannten Tätigkeiten gehört die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Produktion, dem Transport oder der Verteilung von Gas. |
5 |
Art. 4 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie lautet: „(1) Die Auftraggeber wenden bei der Vergabe ihrer Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge oder der Durchführung ihrer Wettbewerbe Verfahren an, die den Vorschriften dieser Richtlinie entsprechen. (2) Die Auftraggeber sorgen dafür, dass keine Diskriminierung von Lieferanten, Unternehmen oder Dienstleistungserbringern stattfindet.“ |
6 |
Art. 14 Abs. 1 Buchst. c Ziff. i der genannten Richtlinie bestimmt, dass diese für Aufträge von Auftraggebern gilt, die Tätigkeiten im Bereich der Fortleitung oder Verteilung von Gas ausüben, vorausgesetzt, dass der geschätzte Wert ohne Mehrwertsteuer sich mindestens auf 400000 Euro beläuft. |
7 |
Gemäß Art. 15 der Richtlinie 93/38 werden Aufträge, deren Gegenstand Lieferungen und Bauarbeiten sind, sowie Aufträge, deren Gegenstand in Anhang XVI Teil A dieser Richtlinie genannte Dienstleistungen sind, nach den Vorschriften der Abschnitte III, IV und V dieser Richtlinie vergeben. |
8 |
Gemäß Art. 45 Abs. 2 der Richtlinie 93/38 musste die Portugiesische Republik die erforderlichen Maßnahmen treffen, um den Bestimmungen dieser Richtlinie nachzukommen, und diese Maßnahmen spätestens ab dem 1. Januar 1998 anwenden. Die mit der Richtlinie 98/4 vorgenommenen Änderungen der Richtlinie 93/38 mussten spätestens bis zum 16. Februar 2000 in innerstaatliches portugiesisches Recht umgesetzt werden. |
Portugiesisches Recht
9 |
Die Richtlinie 93/38 wurde durch das Decreto-Lei Nr. 223/2001 vom 9. August 2001 (Diário da República I, Serie A, Nr. 184, vom 9. August 2001, S. 5002) in portugiesisches Recht umgesetzt. Das Decreto-Lei Nr. 223/2001 ist gemäß seinem Art. 53 Abs. 1 120 Tage nach dem Tag seiner Veröffentlichung in Kraft getreten. |
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
10 |
Portgás ist eine Aktiengesellschaft portugiesischen Rechts, die im Bereich der Gewinnung und Verteilung von Erdgas tätig ist. |
11 |
Am 7. Juli 2001 schloss Portgás mit der Soporgás – Sociedade Portuguesa de Gás Lda einen Vertrag über die Lieferung von Gaszählern. Der Wert dieses Auftrags betrug 532736,92 Euro. |
12 |
Am 21. Dezember 2001 stellte Portgás einen Antrag auf gemeinschaftliche Kofinanzierung im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, dem stattgegeben wurde. Der Vertrag über die Zuteilung der finanziellen Beihilfen zur Deckung der beihilfefähigen Ausgaben des Projekts POR/3.2/007/DREN, das den Erwerb dieser Gaszähler umfasste, wurde am 11. Oktober 2002 unterzeichnet. |
13 |
Nach einer Prüfung durch die Inspecção-Geral das Finanças (Finanzinspektion) am 29. Oktober 2009 ordnete der Verwalter des Programa Operacional Norte (Operationelles Programm Nord) die Rückzahlung des Portgás im Rahmen dieses Projekts gewährten finanziellen Zuschusses an, weil Portgás beim Kauf dieser Gaszähler gegen die unionsrechtlichen Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge verstoßen habe, so dass die gesamten Ausgaben, die Gegenstand der öffentlichen Kofinanzierung seien, nicht beihilfefähig seien. |
14 |
Portgás erhob eine besondere Verwaltungsklage beim Tribunal Administrativo e Fiscal do Porto, mit der sie die Nichtigerklärung der Entscheidung über die Anordnung dieser Rückzahlung begehrte. Sie machte vor diesem Gericht geltend, dass der portugiesische Staat von ihr als einem privaten Unternehmen nicht verlangen könne, dass sie sich an die Bestimmungen der Richtlinie 93/38 halte. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags mit der Soporgás – Sociedade Portuguesa de Gás Lda seien die Bestimmungen dieser Richtlinie nämlich noch nicht in portugiesisches Recht umgesetzt gewesen und hätten daher ihr gegenüber keine unmittelbare Wirkung entfalten können. |
15 |
Das Ministério führte vor dem vorlegenden Gericht aus, dass die Richtlinie 93/38 sich nicht nur an die Mitgliedstaaten, sondern auch an alle in dieser Richtlinie bezeichneten Auftraggeber richte. Als Inhaberin einer ausschließlichen Konzession für eine öffentliche Dienstleistung im von der Konzession erfassten Gebiet habe Portgás den in dieser Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen unterlegen. |
16 |
Da das Tribunal Administrativo e Fiscal do Porto Zweifel hinsichtlich der Auslegung der im Ausgangsverfahren angeführten unionsrechtlichen Bestimmungen hat, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen: Können die Art. 4 Abs. 1 und 14 Abs. 1 Buchst. c Ziff. i der Richtlinie 93/38 sowie die übrigen Bestimmungen dieser Richtlinie oder die anwendbaren allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie für private Einrichtungen (insbesondere eine Einrichtung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 93/38), die eine Konzession zur Erbringung öffentlicher Dienstleistungen besitzen, Verpflichtungen schaffen, solange diese Richtlinie vom portugiesischen Staat noch nicht in internes Recht umgesetzt wurde, und dass der portugiesische Staat sich durch einen Rechtsakt seiner Ministerien gegenüber dieser privaten Konzessionärin auf die Nichterfüllung dieser Verpflichtungen berufen kann? |
Zur Vorlagefrage
17 |
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 4 Abs. 1, 14 Abs. 1 Buchst. c Ziff. i und 15 der Richtlinie 93/38 einem privaten Unternehmen aus dem alleinigen Grund entgegengehalten werden können, dass es Inhaber einer ausschließlichen Konzession für eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse ist und damit in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, und ob sich, falls dies zu bejahen ist, die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats auf diese Bestimmungen berufen können, auch wenn die genannte Richtlinie noch nicht in das innerstaatliche Recht dieses Mitgliedstaats umgesetzt worden ist. |
18 |
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich der Einzelne nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen kann, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat (vgl. u. a. Urteile vom 19. Januar 1982, Becker, 8/81, Slg. 1982, 53, Randnr. 25, und vom 24. Januar 2012, Dominguez, C‑282/10, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
19 |
Die Art. 4 Abs. 1, 14 Abs. 1 Buchst. c Ziff. i und 15 der Richtlinie 93/38 schreiben Auftraggebern, die namentlich im Bereich der Fortleitung und Verteilung von Gas tätig sind, unbedingt und genau vor, dass sie Lieferaufträge, deren geschätzter Wert ohne Mehrwertsteuer sich mindestens auf 400000 Euro beläuft, gemäß den Bestimmungen der Abschnitte III, IV und V dieser Richtlinie zu vergeben und dafür zu sorgen haben, dass keine Diskriminierung von Lieferanten, Unternehmen oder Dienstleistungserbringern stattfindet. |
20 |
Diese Bestimmungen der Richtlinie 93/38 sind somit unbedingt und hinreichend genau, um sich vor nationalen Gerichten auf sie berufen zu können. |
21 |
Somit ist nun zu prüfen, ob diese Bestimmungen einem privaten Unternehmen wie Portgás als Inhaber einer ausschließlichen Konzession für eine öffentliche Dienstleistung vor nationalen Gerichten entgegengehalten werden können. |
22 |
Gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV besteht die Verbindlichkeit einer Richtlinie, aufgrund deren eine Berufung auf sie möglich ist, nur in Bezug auf „jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird“. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Richtlinie folglich nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass diesem gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche vor nationalen Gerichten nicht möglich ist (Urteile vom 8. Oktober 1987, Kolpinghuis Nijmegen, 80/86, Slg. 1987, 3969, Randnr. 9, vom 14. Juli 1994, Faccini Dori, C-91/92, Slg. 1994, I-3325, Randnr. 20, und Dominguez, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
23 |
Was die Einrichtungen betrifft, denen die Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können, so ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass es möglich ist, sich einem Staat gegenüber auf diese Bestimmungen zu berufen, unabhängig davon, in welcher Eigenschaft – als Arbeitgeber oder als Hoheitsträger – er handelt. In dem einen wie dem anderen Fall muss nämlich verhindert werden, dass der Staat aus der Nichtbeachtung des Unionsrechts Nutzen ziehen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Februar 1986, Marshall, 152/84, Slg. 1986, 723, Randnr. 49, vom 12. Juli 1990, Foster u. a., C-188/89, Slg. 1990, I-3313, Randnr. 17, und Dominguez, Randnr. 38). |
24 |
Nach ständiger Rechtsprechung gehört somit eine Einrichtung, die unabhängig von ihrer Rechtsform kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat und die hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgehen, zu den Rechtssubjekten, denen die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können (Urteile Foster u. a., Randnr. 20, vom 14. September 2000, Collino und Chiappero, C-343/98, Slg. 2000, I-6659, Randnr. 23, vom 5. Februar 2004, Rieser Internationale Transporte, C-157/02, Slg. 2004, I-1477, Randnr. 24, vom 19. April 2007, Farrell, C-356/05, Slg. 2007, I-3067, Randnr. 40, und Dominguez, Randnr. 39). |
25 |
Nach dieser Rechtsprechung ist es, selbst wenn eine Privatperson in den persönlichen Anwendungsbereich einer Richtlinie fällt, nicht möglich, sich gegenüber dieser Person vor nationalen Gerichten auf die Bestimmungen dieser Richtlinie als solche zu berufen. Der alleinige Umstand, dass ein privates Unternehmen, das Inhaber einer ausschließlichen Konzession für eine öffentliche Dienstleistung ist, zu den ausdrücklich vom persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 93/38 erfassten Einrichtungen gehört, hat somit, wie der Generalanwalt in Nr. 41 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht zur Folge, dass diesem Unternehmen die Bestimmungen dieser Richtlinie entgegengehalten werden können. |
26 |
Die genannte im öffentlichen Interesse liegende Dienstleistung muss nämlich unter staatlicher Aufsicht erbracht worden und das fragliche Unternehmen mit besonderen Rechten ausgestattet sein, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgehen (vgl. in diesem Sinne Urteil Rieser Internationale Transporte, Randnrn. 25 bis 27). |
27 |
Was Portgás betrifft, ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss, dass diese vom portugiesischen Staat als Inhaberin einer ausschließlichen Konzession beauftragt worden war, eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen, nämlich das Gasverteilungsnetz in der Region Nord in Portugal zu betreiben. |
28 |
Die Angaben des vorlegenden Gerichts ermöglichen es dem Gerichtshof jedoch nicht, festzustellen, ob diese im öffentlichen Interesse liegende Dienstleistung zum für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt unter staatlicher Aufsicht erbracht wurde und ob Portgás mit besonderen Rechten ausgestattet war, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgingen. |
29 |
Zu der Frage, ob die genannte im öffentlichen Interesse liegende Dienstleistung unter der Aufsicht der portugiesischen Behörden erbracht wurde, hat Portgás, ohne dass die portugiesische Regierung dem widersprochen hätte, geltend gemacht, dass ihr Gesellschaftskapital nicht überwiegend oder ausschließlich vom portugiesischen Staat gehalten werde und dass dieser weder Mitglieder ihrer Verwaltungs- und Kontrollorgane benennen noch Anweisungen hinsichtlich der Verwaltung ihrer öffentlichen Dienstleistungstätigkeit erteilen könne. Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte geht jedoch nicht eindeutig hervor, ob diese Umstände auch zum für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt vorlagen. |
30 |
Zu der Frage, ob Portgás mit besonderen Rechten ausgestattet war, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgingen, ist festzustellen, dass, wenn dieses Unternehmen nach dem Konzessionsvertrag über besondere und ausschließliche Rechte verfügte, dies, wie der Generalanwalt in Nr. 39 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht notwendigerweise bedeutet, dass es mit solchen außerordentlichen Rechten ausgestattet war. Der Umstand, dass Portgás beantragen konnte, die für die Errichtung und das Betreiben der Infrastruktur erforderlichen Enteignungen vorzunehmen, ohne diese jedoch selbst durchführen zu können, reicht als solcher nicht aus, um annehmen zu können, dass Portgás über besondere Rechte verfügte, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgingen. |
31 |
Unter diesen Umständen ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob Portgás zum für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt eine Einrichtung war, die unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hatte, und ob sie hierzu mit solchen außerordentlichen Rechten ausgestattet war. |
32 |
Sollte Portgás zu den Einrichtungen gehört haben, denen eine Privatperson nach der in Randnr. 24 angeführten Rechtsprechung die Bestimmungen der Richtlinie 93/38 entgegenhalten konnte, ist zu prüfen, ob auch die portugiesischen Behörden Portgás diese Bestimmungen entgegenhalten konnten. |
33 |
Insoweit hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie von Privatpersonen gegenüber einer Einrichtung, die unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat und hierzu mit außerordentlichen Rechten ausgestattet ist, geltend gemacht werden können (vgl. in diesem Sinne Urteile Foster u. a., Randnrn. 18 und 20, sowie Dominguez, Randnrn. 38 und 39 und die dort angeführte Rechtsprechung); der vorliegende Ausgangsrechtsstreit steht jedoch in einem anderen Kontext als diese Rechtsprechung. |
34 |
In Bezug auf die vorliegende Rechtssache ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Pflicht eines Mitgliedstaats, alle zur Erreichung des durch eine Richtlinie vorgeschriebenen Ziels erforderlichen Maßnahmen zu treffen, eine durch Art. 288 Abs. 3 AEUV und durch die Richtlinie selbst auferlegte zwingende Pflicht ist. Diese Pflicht, alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, obliegt allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten (vgl. Urteil vom 18. Dezember 1997, Inter-Environnement Wallonie, C-129/96, Slg. 1997, I-7411, Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung) sowie den Einrichtungen, die unter der Kontrolle dieser Träger öffentlicher Gewalt eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen haben und hierzu mit außerordentlichen Rechten ausgestattet sind. Die Behörden der Mitgliedstaaten müssen daher in der Lage sein, durchzusetzen, dass diese Einrichtungen die Bestimmungen der Richtlinie 93/38 einhalten. |
35 |
Es wäre nämlich widersprüchlich, wenn entschieden würde, dass staatliche Behörden sowie Einrichtungen, die die in Randnr. 24 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen erfüllen, die Richtlinie 93/38 anwenden müssen, und gleichzeitig diesen staatlichen Behörden die Möglichkeit zu verwehren, gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten durchzusetzen, dass eine solche Einrichtung die Bestimmungen dieser Richtlinie einhält, obwohl diese Einrichtung ebenfalls die genannte Richtlinie beachten muss. |
36 |
Im Übrigen könnten die Mitgliedstaaten, die eine Richtlinie nicht korrekt in innerstaatliches Recht umsetzen, Vorteile aus ihrer Missachtung des Unionsrechts ziehen, wenn eine staatliche Behörde nicht dafür sorgen könnte, dass solche Einrichtungen die Bestimmungen der Richtlinie 93/38 einhalten. |
37 |
Schließlich hätte diese Lösung zur Folge, dass sich ein privater Wettbewerber gegenüber einem Auftraggeber, der die in Randnr. 24 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen erfüllt, auf die Bestimmungen der Richtlinie 93/38 berufen könnte, während staatliche Behörden diesem die Verpflichtungen aus dieser Richtlinie nicht entgegenhalten könnte. Ob ein solcher Auftraggeber die Bestimmungen der Richtlinie 93/38 einzuhalten hätte, hinge somit davon ab, welche Personen oder Einrichtungen ihm die Richtlinie entgegenhalten. Unter diesen Umständen würde diese Richtlinie in der innerstaatlichen Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats jedoch nicht mehr einheitlich angewandt. |
38 |
Folglich muss ein privates Unternehmen, das kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat und hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgehen, die Bestimmungen der Richtlinie 93/38 einhalten. Die Behörden eines Mitgliedstaats können einem solchen Unternehmen daher diese Bestimmungen entgegenhalten. |
39 |
Nach alledem ist die vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:
|
Kosten
40 |
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt: |
Die Art. 4 Abs. 1, 14 Abs. 1 Buchst. c Ziff. i und 15 der Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor in der durch die Richtlinie 98/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einem privaten Unternehmen nicht aus dem alleinigen Grund entgegengehalten werden können, dass es Inhaber einer ausschließlichen Konzession für eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse ist und damit in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, auch wenn die genannte Richtlinie noch nicht in das innerstaatliche Recht des betroffenen Mitgliedstaats umgesetzt wurde. |
Ein solches Unternehmen, das kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat und hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgehen, muss die Bestimmungen der Richtlinie 93/38 in der durch die Richtlinie 98/4 geänderten Fassung einhalten. Die Behörden eines Mitgliedstaats können einem solchen Unternehmen daher diese Bestimmungen entgegenhalten. |
Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Portugiesisch.