Verbundene Rechtssachen C‑338/08 und C‑339/08

P. Ferrero e C. SpA

gegen

Agenzia delle Entrate – Ufficio di Alba

und

General Beverage Europe BV

gegen

Agenzia delle Entrate – Ufficio di Torino 1

(Vorabentscheidungsersuchen der Commissione tributaria regionale di Torino)

„Vorabentscheidungsersuchen – Richtlinie 90/435/EWG – Begriff des Steuerabzugs an der Quelle – Anwendung einer Abgabe von 5 % bei der Ausschüttung von Dividenden und der ‚Erstattung des Ausgleichszuschlags‘ durch eine italienische Tochtergesellschaft an ihre in den Niederlanden niedergelassene Muttergesellschaft nach einem bilateralen Abkommen“

Leitsätze des Urteils

1.        Rechtsangleichung – Gemeinsames Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten – Richtlinie 90/435 – Befreiung der an die Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne vom Steuerabzug an der Quelle im Mitgliedstaat der Tochtergesellschaft – Steuerabzug an der Quelle

(Richtlinie 90/435 des Rates, Art. 5 Abs. 1)

2.        Rechtsangleichung – Gemeinsames Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten – Richtlinie 90/435 – Befreiung der an die Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne vom Steuerabzug an der Quelle im Mitgliedstaat der Tochtergesellschaft – Ausnahme für einzelstaatliche oder vertragliche Bestimmungen, die die Beseitigung oder Minderung der Doppelbesteuerung der Dividenden bezwecken

(Richtlinie 90/435 des Rates, Art. 5 Abs. 1 und 7 Abs. 2)

1.        Eine Abgabe auf die „Erstattung“ eines „Ausgleichszuschlags“ durch eine ausschüttende Gesellschaft an ihre Muttergesellschaft nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung stellt keine Quellensteuer auf die ausgeschütteten Gewinne dar, die nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten grundsätzlich verboten ist, da diese Ausgleichszuschlag eine Ergänzung der von der ausschüttenden Gesellschaft zu tragenden Körperschaftsteuer ist und da folglich die Erstattung des Betrags dieses Ausgleichszuschlags an die Muttergesellschaft als Übertragung eines Teils der Steuereinnahmen anzusehen ist, die sich aus dem Verzicht der endgültigen Einziehung dieser Steuern seitens des Niederlassungsstaats der ausschüttenden Gesellschaft ergibt, mit dem von beiden Abkommensstaaten gewünschten Ziel, die wirtschaftliche Doppelbesteuerung von Dividenden zu beschränken, die an eine Muttergesellschaft von ihrer Tochtergesellschaft ausgeschüttet werden.

Dies gilt vorbehaltlich der Prüfung diverser einschlägiger Aspekte und insbesondere der Frage, ob die Finanzverwaltung des Mitgliedstaats der ausschüttenden Gesellschaft im Fall der Dividendenausschüttung durch eine in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassene Gesellschaft an eine in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Gesellschaft praktisch systematisch auf Steuereinnahmen verzichtet, die in dem Ausgleichszuschlag bestehen, vor allem, wenn die diesem Ausgleichszuschlag entsprechenden Summen unmittelbar durch die ausschüttende Gesellschaft an die empfangende Gesellschaft übertragen werden. Falls ein solcher Verzicht festgestellt würde, könnte diese Übertragung als Gewinnausschüttung betrachtet werden. In diesem Fall wäre daher davon auszugehen, dass die Bedingung hinsichtlich der Besteuerungsgrundlage, die zur Einstufung einer Steuer als Quellensteuer – wonach die Besteuerungsgrundlage die Erträge der Wertpapiere der ausschüttenden Gesellschaft sein müssen – erforderlich ist, erfüllt wäre. Da die beiden anderen Bedingungen, die für die Einstufung einer Steuer als Quellensteuer erforderlich sind, nämlich der auslösende Tatbestand für die Steuer und die Bestimmung des Steuerpflichtigen, im Hinblick auf den streitigen Steuerabzug ebenfalls erfüllt sind, wäre dieser Steuerabzug demnach eine Gewinnbesteuerung an der Quelle, die nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 grundsätzlich verboten ist.

(vgl. Randnrn. 26, 35-36, 38-39, 42, Tenor 1)

2.        Eine nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten grundsätzlich verbotene Besteuerung von Gewinnausschüttungen einer ansässigen ausschüttenden Gesellschaft an ihre nichtansässige Muttergesellschaft an der Quelle nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung könnte nur dann als in den Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie fallend angesehen werden, wenn zum einen das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Vorschriften zur Beseitigung oder Minderung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Dividendenausschüttungen enthielte und wenn zum anderen die Anwendung des streitigen Steuerabzugs die Wirkungen dieser Vorschriften nicht beseitigen würde; dies zu beurteilen obliegt dem nationalen Gericht.

(vgl. Randnr. 47, Tenor 2)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

24. Juni 2010(*)

„Vorabentscheidungsersuchen – Richtlinie 90/435/EWG – Begriff des Steuerabzugs an der Quelle – Anwendung einer Abgabe von 5 % bei der Ausschüttung von Dividenden und der ‚Erstattung des Ausgleichszuschlags‘ durch eine italienische Tochtergesellschaft an ihre in den Niederlanden niedergelassene Muttergesellschaft nach einem bilateralen Abkommen“

In den verbundenen Rechtssachen C‑338/08 und C‑339/08

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Commissione tributaria regionale di Torino (Italien) mit Entscheidungen vom 17. September 2007 und vom 17. Dezember 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Juli 2008, in den Verfahren

P. Ferrero e C. SpA

gegen

Agenzia delle Entrate – Ufficio di Alba (C‑338/08)

und

General Beverage Europe BV

gegen

Agenzia delle Entrate – Ufficio di Torino 1 (C‑339/08)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot (Berichterstatter), der Richterin C. Toader sowie der Richter K. Schiemann, P. Kūris und L. Bay Larsen,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der P. Ferrero e C. SpA, vertreten durch M. Cerrato und G. Maisto, avvocati,

–        der General Beverage Europe BV, vertreten durch G. Maisto, avvocato,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Aresu und R. Lyal als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 5 Abs. 1 und 7 Abs. 2 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6) in der für die Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung (im Folgenden: Richtlinie).

2        Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen der P. Ferrero e C. SpA (im Folgenden: Ferrero) und der General Beverage Europe BV (im Folgenden: GBE) einerseits und der italienischen Finanzverwaltung andererseits wegen Steuerabzügen, die diese anlässlich von Finanztransfers vornahm, die als Dividendenausschüttungen angesehen wurden. Der erste Rechtsstreit betrifft Steuerabzüge, die bei der Ausschüttung von Dividenden und der Erstattung des „Ausgleichszuschlags“ durch Ferrero an die niederländische Muttergesellschaft Ferrero International BV (im Folgenden: Ferrero International) vorgenommen wurden. Der zweite Rechtsstreit betrifft Steuerabzüge, die bei der Ausschüttung von Dividenden und der Erstattung des „Ausgleichszuschlags“ an GBE durch ihre italienische Tochtergesellschaft Martini e Rossi SpA (im Folgenden: Martini) erfolgten.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie lautet:

„Die für die Beziehungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten geltenden Steuerbestimmungen weisen von einem Staat zum anderen erhebliche Unterschiede auf und sind im allgemeinen weniger günstig als die auf die Beziehung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften desselben Mitgliedstaats anwendbaren Bestimmungen. Die Zusammenarbeit von Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten wird auf diese Weise gegenüber der Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften desselben Mitgliedstaats benachteiligt. Diese Benachteiligung ist durch Schaffung eines gemeinsamen Steuersystems zu beseitigen, wodurch Zusammenschlüsse von Gesellschaften auf Gemeinschaftsebene erleichtert werden.“

4        Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie begrenzt ihren Anwendungsbereich:

„Jeder Mitgliedstaat wendet diese Richtlinie an

–        auf Gewinnausschüttungen, die Gesellschaften dieses Staates von Tochtergesellschaften eines anderen Mitgliedstaats zufließen;

–        auf Gewinnausschüttungen von Tochtergesellschaften dieses Staates an Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten.“

5        Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie definiert die Begriffe „Muttergesellschaft“ und „Tochtergesellschaft“:

„Im Sinne dieser Richtlinie gilt als

a)      ‚Muttergesellschaft‘ wenigstens jede Gesellschaft eines Mitgliedstaats, die die Bedingungen des Artikels 2 erfüllt und die einen Anteil von wenigstens 25 % am Kapital einer Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaats, die die gleichen Bedingungen erfüllt, besitzt;

b)      ‚Tochtergesellschaft‘ die Gesellschaft, an deren Kapital eine andere Gesellschaft den unter Buchstabe a) genannten Anteil besitzt.“

6        Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie enthält den Grundsatz des Verbots des Steuerabzugs an der Quelle:

„Die von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne sind, zumindest wenn diese einen Anteil am Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft von wenigstens 25 % besitzt, vom Steuerabzug an der Quelle befreit.“

7        Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie bestimmt jedoch:

„Diese Richtlinie berührt nicht die Anwendung einzelstaatlicher oder vertraglicher Bestimmungen, die die Beseitigung oder Minderung der Doppelbesteuerung der Dividenden bezwecken, und insbesondere nicht die Bestimmungen, die die Auszahlung von Steuerkrediten an die Dividendenempfänger betreffen.“

 Nationales Recht

8        Das zum maßgeblichen Zeitpunkt geltende italienische Recht sah vor, dass eine italienische Gesellschaft, die Dividenden bezieht, eine Steuergutschrift in Höhe von 9/16 der ausgeschütteten Dividenden erhält. Da der italienische Körperschaftsteuersatz 36 % betrug, erhielt das empfangende Unternehmen somit eine Steuergutschrift, die dem Betrag der bei der ausschüttenden Gesellschaft erhobenen Steuer entsprach.

9        Der italienische Gesetzgeber hatte unter bestimmten Umständen auch die Anwendung einer „maggiorazione di conguaglio“ (Ausgleichszuschlag) auf die Körperschaftsteuer der Dividenden ausschüttenden Unternehmen vorgesehen. Art. 105 Abs. 1 des mit Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 917 vom 22. Dezember 1986 (GURI Nr. 302 vom 31. Dezember 1986) genehmigten Testo unico über die Einkommensteuer in der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung bestimmte, dass dieser Ausgleichszuschlag angewandt wird, wenn die ausgeschütteten Dividenden mehr als 64 % der von der Tochtergesellschaft erklärten Einkünfte ausmachten, und dass die Höhe des Ausgleichszuschlags 9/16 der Differenz betrug.

 Das bilaterale Abkommen zwischen Italien und den Niederlanden

10      Das am 8. Mai 1990 in Den Haag abgeschlossene Abkommen zwischen der Italienischen Republik und dem Königreich der Niederlande (mit Zusatzprotokoll) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen und zur Vermeidung der Steuerflucht (im Folgenden: bilaterales Abkommen) enthält in Art. 10 Abs. 1 den Grundsatz, dass Dividenden in dem Staat der Gesellschaft zu besteuern sind, die sie bezieht.

11      Abweichend von diesem Grundsatz ermöglicht Art. 10 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i des bilateralen Abkommens die Besteuerung von Dividenden in dem Staat der ausschüttenden Gesellschaft unter folgenden Bedingungen:

„Diese Dividenden können jedoch auch in dem Staat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, nach dem Recht dieses Staats besteuert werden; wenn der Empfänger der Dividenden aber der Nutzungsberechtigte ist, darf die Steuer nicht überschreiten

a)      (i)   5 % des Bruttobetrags der Dividenden, wenn der Nutzungsberechtigte eine Gesellschaft ist, die innerhalb von 12 Monaten vor dem Beschluss auf Dividendenausschüttung mehr als 50 % der Stimmrechtsaktien der Gesellschaft besessen hat, die die Dividenden auszahlt“.

12      Art. 10 Abs. 3 des bilateralen Abkommens bestimmt, dass der oben in Randnr. 9 dargestellte Ausgleichszuschlag einer niederländischen Gesellschaft erstattet werden kann:

„Eine Person, die in den Niederlanden ansässig ist und Dividenden bezieht, die von einer in Italien ansässigen Gesellschaft ausgeschüttet werden, hat vorbehaltlich des Abzugs der in Abs. 2 genannten Steuer Anspruch auf Erstattung eines Betrags in Höhe des [Ausgleichszuschlags], der auf diese Dividenden entfällt und von dieser Gesellschaft gegebenenfalls geschuldet wird. Diese Erstattung ist innerhalb der nach italienischem Recht vorgesehenen Fristen über diese Gesellschaft zu beantragen, die in diesem Fall namens und für Rechnung dieser in den Niederlanden ansässigen Person handelt.

Diese Bestimmung findet Anwendung auf die Dividenden, deren Ausschüttung ab dem Datum des Inkrafttretens dieses Abkommens beschlossen worden ist.

Die ausschüttende Gesellschaft kann den Erstattungsbetrag an eine in den Niederlanden ansässige Person gleichzeitig mit den der letztgenannten Gesellschaft zustehenden Dividenden auszahlen und in der ersten auf die Zahlung folgenden Einkommenserklärung den Betrag von der geschuldeten Steuer abziehen. …“

13      Art. 10 Abs. 5 Buchst. a und b des bilateralen Abkommens bestimmen:

„a)      Der in diesem Artikel verwendete Ausdruck ‚Dividende‘ bezeichnet Einkünfte aus Aktien …

b)      Als von einer in Italien ansässigen Gesellschaft gezahlte Dividenden werden auch die Bruttobeträge angesehen, die als [Ausgleichszuschlag] nach Abs. 3 erstattet werden und im Zusammenhang mit den von dieser Gesellschaft gezahlten Dividenden stehen.“

14      Art. 24 Abs. 3 des bilateralen Abkommens sieht im Übrigen vor:

„Weiter gewähren die Niederlande einen Abzug von der auf diese Weise berechneten niederländischen Steuer auf Einkünfte, die nach Art. 10 Abs. 2 … des vorliegenden Abkommens in Italien besteuert werden können, soweit diese Einkünfte in der in Abs. 1 genannten Bemessungsgrundlage enthalten sind. Der Betrag dieses Abzugs entspricht der in Italien für diese Einkünfte gezahlten Steuer, überschreitet aber nicht die Höhe der Ermäßigung, die erteilt würde, wenn diese in der Bemessungsgrundlage enthaltenen Einkünfte die einzigen nach niederländischem Recht zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der niederländischen Steuer befreiten Einkünfte wären.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

15      Ferrero und Martini, deren Kapital zu 100 % von ihrer jeweiligen Muttergesellschaft gehalten wird, nämlich Ferrero International und GBE, haben diesen Dividenden ausgezahlt und den Ausgleichszuschlag nach Art. 10 Abs. 3 des bilateralen Abkommens „erstattet“, Ferrero im Jahr 1997, Martini im Jahr 1998.

16      Die italienische Finanzverwaltung nahm von diesen vier Transfers nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i des bilateralen Abkommens einen Steuerabzug von 5 % vor. Ferrero International und GBE beantragten jeweils die Erstattung der vorgenommenen Abzüge. Auf die ablehnenden Entscheidungen der Finanzverwaltung wandten sich die Klägerinnen der Ausgangsverfahren an die Commissione tributaria regionale di Cuneo bzw. an die Commissione tributaria regionale di Torino. Die Corte suprema di cassazione, die schließlich mit beiden Rechtsstreitigkeiten befasst wurde, war zum einen der Ansicht, dass ein solcher Abzug auf Dividenden mit der Richtlinie vereinbar sei, dass dies zum anderen aber für einen Abzug auf die Erstattung des Ausgleichszuschlags nicht gelte. Dann verwies dieses Gericht die beiden Rechtssachen an die Commissione tributaria regionale di Torino zurück.

17      In diesem Zusammenhang hat die Commissione tributaria regionale di Torino in der Rechtssache C‑338/08 beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Stellt der Steuerabzug vom Ausgleichszuschlag einen nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie verbotenen Steuerabzug von Gewinnen an der Quelle dar (im vorliegenden Fall hatte die Tochtergesellschaft die Anwendung des Abkommens gewählt)?

2.      Falls die erste Frage bejaht wird: Ist die Schutzklausel des Art. 7 Abs. 2 der genannten Richtlinie anzuwenden?

18      Die Commissione tributaria regionale di Torino hat in der Rechtssache C‑339/08 ebenfalls beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Stellt der Steuerabzug vom Ausgleichszuschlag einen nach Art. 5 der Richtlinie verbotenen Steuerabzug von Gewinnen an der Quelle dar?

2.      Ist die Schutzklausel des Art. 7 Abs. 2 der genannten Richtlinie anzuwenden? Ist insbesondere Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie in dem Sinn auszulegen, dass ein Mitgliedstaat von der Anwendung der Befreiung in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie in dem Fall absehen kann, wenn der Staat, in dem die Muttergesellschaft ansässig ist, dieser einen Steuerkredit aufgrund eines bilateralen Abkommens gewährt?

19      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 16. September 2008 sind die Rechtssachen C‑338/08 und C‑339/08 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

 Zu den Vorlagefragen

20      Zunächst ist festzustellen, dass aus den Vorlagefragen ausdrücklich hervorgeht, dass diese nur die Vereinbarkeit des von der italienischen Finanzverwaltung nach dem bilateralen Abkommen vorgenommenen Abzugs von 5 % auf die Erstattung des Ausgleichszuschlags, die durch italienische Gesellschaften an ihre niederländischen Muttergesellschaften erfolgt ist, mit dem Unionsrecht betreffen.

21      Die Fragen beziehen sich demnach nicht auf die Vereinbarkeit des von Dividenden, die von italienischen Gesellschaften an ihre niederländischen Muttergesellschaften gezahlt worden sind, vorgenommenen Steuerabzugs mit dem Unionsrecht, und erst recht nicht auf die Vereinbarkeit der Steuerregelung, die auf diese Dividenden nach dem in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Recht angewendet wird, mit dem Unionsrecht.

 Zur ersten Frage

22      Mit seiner ersten Frage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof im Wesentlichen, klarzustellen, ob der von der italienischen Finanzverwaltung nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i des bilateralen Abkommens vorgenommene Abzug von 5 % von der nach Art. 10 Abs. 3 dieses Abkommens erfolgten Erstattung des Ausgleichszuschlags durch italienische Gesellschaften zugunsten ihrer niederländischen Muttergesellschaften einen nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie verbotenen Steuerabzug an der Quelle darstellt.

23      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie, wie sich insbesondere aus ihrem dritten Erwägungsgrund ergibt, bezweckt, durch Schaffung eines gemeinsamen Steuersystems jede Benachteiligung der Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten gegenüber der Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften desselben Mitgliedstaats zu beseitigen und damit den Zusammenschluss von Gesellschaften auf Gemeinschaftsebene zu erleichtern. So sieht Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vor, dass im Staat der Tochtergesellschaft bei der Gewinnausschüttung an die Muttergesellschaft eine Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle gewährt wird, wenn diese eine Mindestbeteiligung von 25 % am Kapital der Tochtergesellschaft hält (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. September 2003, Océ van der Grinten, C‑58/01, Slg. 2003, I‑9809, Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Es ist in den Ausgangsverfahren unstreitig, dass die fraglichen niederländischen Gesellschaften, Ferrero International und GBE, im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie Muttergesellschaften von Ferrero bzw. Martini sind.

25      Im Übrigen ist der Begriff „Steuerabzug an der Quelle“ in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie nicht auf bestimmte feststehende Arten innerstaatlicher Besteuerung beschränkt (vgl. Urteil Océ van der Grinten, Randnr. 46). Außerdem ist die Qualifizierung einer Steuer, Abgabe oder Gebühr nach Gemeinschaftsrecht vom Gerichtshof nach den objektiven Merkmalen der Steuer unabhängig von ihrer Qualifizierung im nationalen Recht vorzunehmen (vgl. Urteil Océ van der Grinten, Randnr. 46).

26      Nach ständiger Rechtsprechung stellt eine Abgabe auf die in dem Staat, in dem die Dividenden ausgeschüttet werden, erzielten Einkünfte, deren auslösender Tatbestand die Zahlung von Dividenden oder anderen Erträgen von Wertpapieren ist, eine Quellensteuer auf die ausgeschütteten Gewinne im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie dar, wenn die Besteuerungsgrundlage dieser Steuer die Erträge dieser Wertpapiere sind und der Steuerpflichtige der Inhaber dieser Wertpapiere ist (vgl. insbesondere Urteile Océ van der Grinten, Randnr. 47, und vom 26. Juni 2008, Burda, C‑284/06, Slg. 2008, I‑4571, Randnr. 52).

27      Für die Prüfung, ob die zweite von der Rechtsprechung aufgestellte Bedingung betreffend die Besteuerungsgrundlage der streitigen Steuer erfüllt ist, ist zu fragen, ob die Besteuerungsgrundlage in den Ausgangsverfahren, d. h. die Erstattung des Ausgleichszuschlags, die mit 5 % besteuert wurde, als Gewinnausschüttung betrachtet werden kann. Der Umstand, dass das bilaterale Abkommen in Art. 10 Abs. 5 die Erstattung des Ausgleichszuschlags ausdrücklich als „Dividende“ bezeichnet, ist kein zwingender Hinweis auf die Einstufung des Ausgleichszuschlags im Gemeinschaftsrecht.

28      Die Frage führt dagegen zu der Vorfrage, wie der Ausgleichszuschlag selbst einzustufen ist.

29      Dazu ist festzustellen, dass sich aus den Akten, insbesondere aus der Antwort der Italienischen Republik auf die Fragen des Gerichtshofs ergibt, dass der Ausgleichszuschlag vom italienischen Gesetzgeber eingeführt wurde, um zu verhindern, dass die Gesellschaft, die Dividendenausschüttungen erhält, zum Zeitpunkt der Ausschüttung der Dividenden eine Steuergutschrift für einen Steuerbetrag erhält, der aus welchen Gründen auch immer von der ausschüttenden Gesellschaft nicht gezahlt würde.

30      Dieser Vorgang würde also durch die Besteuerung von Gewinnen der ausschüttenden Gesellschaft zum Ausdruck kommen, die zuvor noch nicht besteuert worden waren oder die bei der ausschüttenden Gesellschaft nur beschränkt besteuert worden wären.

31      Vorbehaltlich der Prüfung dieser verschiedenen Erwägungen durch das nationale Gericht stellt der Ausgleichszuschlag daher eine zusätzliche Steuer zulasten der ausschüttenden Gesellschaft dar, die verhindern soll, dass eine italienische Gesellschaft bei der Dividendenausschüttung ein Steuerguthaben für Steuern erhält, die die ausschüttende Gesellschaft nicht bezahlt hätte.

32      Es ist festzustellen, dass diese Steuer unterschiedslos angewandt wird, sei es, dass Gewinne an ansässige Gesellschaften ausgezahlt werden oder an nichtansässige Gesellschaften, wie eine niederländische Gesellschaft, die keine Steuergutschrift nach italienischem Recht erhalten.

33      Der Gerichtshof hat befunden, dass ein System, wonach die Besteuerung der Gewinne, die von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschüttet werden, unabhängig davon, ob die Muttergesellschaft in demselben oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, ein und demselben Berichtigungsmechanismus zur Vermeidung der Erteilung einer Steuergutschrift für eine nicht gezahlte Steuer unterliegt, auch wenn einer gebietsfremden Muttergesellschaft im Gegensatz zu einer gebietsansässigen Muttergesellschaft vom Mitgliedstaat der Ansässigkeit ihrer Tochtergesellschaft keine Steuergutschrift gewährt wird, nicht gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt (vgl. Urteil Burda, Randnr. 96).

34      Weiter kann der Ausgleichszuschlag als solcher nicht als ein nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie verbotener Steuerabzug an der Quelle angesehen werden, da nicht der Inhaber der Wertpapiere der Steuerpflichtige ist, sondern die ausschüttende Gesellschaft (vgl. in diesem Sinne Urteil Burda, Randnrn. 55 und 56).

35      Vorbehaltlich der Prüfungen, die das vorlegende Gericht zu diesem Punkt vorzunehmen hat, ist daher davon auszugehen, dass der Ausgleichszuschlag eine Ergänzung der von der ausschüttenden Gesellschaft zu tragenden Körperschaftsteuer ist, der die Richtlinie nicht entgegensteht.

36      Daraus folgt, dass die „Erstattung“ des „Betrags“ dieses Ausgleichszuschlags, die den niederländischen Gesellschaften nach Art. 10 Abs. 3 des bilateralen Abkommens zusteht, als Übertragung eines Teils der Steuereinnahmen anzusehen ist, die sich aus dem Verzicht der endgültigen Einziehung dieser Steuern seitens des italienischen Staates ergibt, mit dem von beiden Abkommensstaaten gewünschten Ziel, die wirtschaftliche Doppelbesteuerung von Dividenden zu beschränken, die an eine niederländische Gesellschaft von ihrer italienischen Tochtergesellschaft ausgeschüttet werden.

37      Art. 10 Abs. 3 des bilateralen Abkommens, wonach die ausschüttende Gesellschaft, wenn dieser Finanztransfer unmittelbar von ihr durchgeführt wird, den Betrag danach von der der italienischen Finanzverwaltung geschuldeten Steuer abziehen kann, bestärkt diese Einstufung ebenfalls. Denn die Anrechnung der von der Gesellschaft an die Muttergesellschaft übertragenen Summe auf die dem italienischen Fiskus geschuldete Steuer kann angesichts der Regelung des Ausgleichszuschlags selbst nur mit der Eigenschaft dieses Zuschlags und demnach des Rechts auf Erstattung, das damit nach dem bilateralen Abkommen verbunden ist, als Steuer erklärt werden.

38      Nichtsdestoweniger hat das nationale Gericht diese verschiedenen Aspekte zu beurteilen und insbesondere zu prüfen, ob die italienische Finanzverwaltung im Fall der Dividendenausschüttung durch eine italienische Gesellschaft an eine niederländische Gesellschaft praktisch systematisch auf Steuereinnahmen verzichtet, die in dem Ausgleichszuschlag bestehen, vor allem, wenn der Ausgleichszuschlag nicht von der Finanzverwaltung erhoben wird, sondern wenn die diesem Ausgleichszuschlag entsprechenden Summen unmittelbar durch die italienische Gesellschaft an die niederländische Gesellschaft übertragen werden. Falls ein solcher Verzicht festgestellt würde, könnte diese Übertragung nämlich, wenn sie erfolgt ist, als Gewinnausschüttung betrachtet werden.

39      In diesem Fall wäre daher davon auszugehen, dass die in Randnr. 26 des vorliegenden Urteils genannte und im Hinblick auf die Einstufung als Quellensteuer auf die ausgeschütteten Gewinne im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie geprüfte Bedingung hinsichtlich der Besteuerungsgrundlage erfüllt wäre. Da die beiden anderen ebenfalls in Randnr. 26 erwähnten Bedingungen, die für die Einstufung einer Steuer als Quellensteuer erforderlich sind, nämlich der auslösende Tatbestand für die geprüfte Steuer und die Bestimmung des Steuerpflichtigen, im Hinblick auf einen Steuerabzug wie den in den Ausgangsverfahren streitigen ebenfalls erfüllt sind, wäre die Schlussfolgerung zu ziehen, dass ein solcher Steuerabzug eine Gewinnbesteuerung an der Quelle im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie ist.

40      Unter diesen verschiedenen Vorbehalten ist davon auszugehen, dass die in den Ausgangsverfahren streitige Erstattung des Ausgleichszuschlags der Übertragung von Steuereinnahmen der italienischen Verwaltung an eine niederländische Gesellschaft entspricht und dass sie folglich kein Einkommen aus Wertpapieren darstellt (vgl. entsprechend Urteil Océ van der Grinten, Randnr. 56).

41      In diesem Fall besteht die Besteuerungsgrundlage eines Steuerabzugs wie des in den Ausgangsverfahren streitigen nicht im Einkommen aus Wertpapieren, und diese Feststellung genügt für die Schlussfolgerung, dass dieser Steuerabzug, solange er auf die Erstattung des Ausgleichszuschlags anzuwenden ist, keine nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie grundsätzlich verbotene Besteuerung von Gewinnausschüttungen an der Quelle ist.

42      In Anbetracht des Vorstehenden ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass vorbehaltlich insbesondere der vom vorlegenden Gericht entsprechend den Ausführungen in Randnr. 38 des vorliegenden Urteils vorgenommenen Prüfung der Art der „Erstattung“ des in den Ausgangsverfahren streitigen „Ausgleichszuschlags“ durch eine italienische Gesellschaft an eine niederländische Gesellschaft nach Art. 10 Abs. 3 des bilateralen Abkommens davon auszugehen ist, dass ein Steuerabzug wie der in den Ausgangsverfahren streitige, soweit er auf diese Erstattung angewandt wird, keine nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie grundsätzlich verbotene Besteuerung von Gewinnausschüttungen an der Quelle ist. Sollte das vorlegende Gericht jedoch die Auffassung vertreten, diese „Erstattung“ des Ausgleichszuschlags sei nicht steuerlicher Art, würde ein Steuerabzug wie der in den Ausgangsverfahren streitige eine nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie grundsätzlich verbotene Besteuerung von Gewinnausschüttungen an der Quelle darstellen.

 Zur zweiten Frage

43      Mit seiner zweiten Frage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof, klarzustellen, ob ein Steuerabzug wie der in den Ausgangsverfahren streitige, wenn er eine Besteuerung von Gewinnausschüttungen an der Quelle nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie darstellt, trotzdem in den Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 2 dieser Richtlinie fallen könnte.

44      Sollte die Prüfung der Art der Erstattung des Ausgleichszuschlags durch das vorlegende Gericht, insbesondere entsprechend den Ausführungen in Randnr. 38 des vorliegenden Urteils, dieses zu der Einschätzung führen, der in Rede stehende Steuerabzug stelle eine Besteuerung von Gewinnausschüttungen an der Quelle im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie dar, ist festzustellen, ob er in den Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie fällt.

45      Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie als Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz des in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie genannten Verbots, Gewinnausschüttungen an der Quelle zu besteuern, eng auszulegen ist (vgl. Urteil Océ van der Grinten, Randnr. 86).

46      Sodann ist festzustellen, dass der in den Ausgangsverfahren streitige Steuerabzug – obwohl das bilaterale Abkommen, wie sich aus seinem Titel ergibt, den Zweck verfolgt, die Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen zu vermeiden – nur in den Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie fallen könnte, wenn zum einen das bilaterale Abkommen Vorschriften zur Beseitigung oder Minderung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Dividenden enthielte und wenn zum anderen die Anwendung dieses Steuerabzugs die Wirkungen dieser Vorschriften nicht beseitigen könnte (vgl. u. a. zu dieser letzten Bedingung Urteil Océ van der Grinten, Randnr. 87); dies zu beurteilen obliegt dem nationalen Gericht.

47      Unter diesen Umständen ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass – falls das vorlegende Gericht den in den Ausgangsverfahren streitigen Steuerabzug als Besteuerung von Gewinnausschüttungen an der Quelle im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie betrachten sollte – dieser Steuerabzug nur dann als in den Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie fallend angesehen werden könnte, wenn zum einen das bilaterale Abkommen Vorschriften zur Beseitigung oder Minderung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Dividendenausschüttungen enthielte und wenn zum anderen die Anwendung dieses Steuerabzugs die Wirkungen dieser Vorschriften nicht beseitigen würde; dies zu beurteilen obläge dem nationalen Gericht.

 Kosten

48      Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Vorbehaltlich insbesondere der vom vorlegenden Gericht entsprechend den Ausführungen in Randnr. 38 des vorliegenden Urteils vorgenommenen Prüfung der Art der „Erstattung“ des in den Ausgangsverfahren streitigen „Ausgleichszuschlags“ durch eine italienische Gesellschaft an eine niederländische Gesellschaft nach Art. 10 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Italienischen Republik und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen und zur Vermeidung der Steuerflucht, das am 8. Mai 1990 in Den Haag mit Zusatzprotokoll abgeschlossen wurde, ist davon auszugehen, dass ein Steuerabzug wie der in den Ausgangsverfahren streitige, soweit er auf diese Erstattung angewendet wird, keine nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten in der für die Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung grundsätzlich verbotene Besteuerung von Gewinnausschüttungen an der Quelle ist. Sollte das vorlegende Gericht jedoch die Auffassung vertreten, diese „Erstattung“ des Ausgleichszuschlags sei nicht steuerlicher Art, würde ein Steuerabzug wie der in den Ausgangsverfahren streitige hingegen eine nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 grundsätzlich verbotene Besteuerung von Gewinnausschüttungen an der Quelle darstellen.

2.      Sollte das vorlegende Gericht den in den Ausgangsverfahren streitigen Steuerabzug als Besteuerung von Gewinnausschüttungen an der Quelle im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435 in der für die Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung betrachten, könnte dieser Steuerabzug nur dann als in den Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie fallend angesehen werden, wenn zum einen das bilaterale Abkommen Vorschriften zur Beseitigung oder Minderung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Dividendenausschüttungen enthielte und wenn zum anderen die Anwendung dieses Steuerabzugs die Wirkungen dieser Vorschriften nicht beseitigen würde; dies zu beurteilen obläge dem nationalen Gericht.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Italienisch.