URTEIL DES GERICHTS (Rechtsmittelkammer)

3. Juni 2015

BP

gegen

Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA)

„Rechtsmittel — Öffentlicher Dienst — Vertragsbediensteter — Beschäftigte der Agentur der Union für Grundrechte — Keine unbefristete Verlängerung eines befristeten Vertrags — Anspruch auf rechtliches Gehör — Versetzung in eine andere Dienststelle bis zum Ablauf des Vertrags — Würdigung des Sachverhalts — Verfälschung von Beweisen — Begründungspflicht“

Gegenstand:

Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Zweite Kammer) vom 30. September 2013, BP/FRA (F-38/12, SlgÖD, EU:F:2013:138), gerichtet auf Aufhebung dieses Urteils

Entscheidung:

Das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Zweite Kammer) vom 30. September 2013, BP/FRA (F-38/12, SlgÖD, EU:F:2013:138), wird aufgehoben, soweit dadurch die Klage gegen die in einem Schreiben vom 27. Februar 2012 enthaltene Entscheidung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), den Einstellungsvertrag von BP als Vertragsbedienstete nicht zu verlängern, abgewiesen wurde. Die in einem Schreiben vom 27. Februar 2012 enthaltene Entscheidung der FRA, den Einstellungsvertrag von BP als Vertragsbedienstete nicht zu verlängern, wird aufgehoben. Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen. BP und die FRA tragen die ihnen im Verfahren vor dem Gericht für den öffentlichen Dienst und im vorliegenden Verfahren entstandenen Kosten.

Leitsätze

Beamte – Vertragsbedienstete – Einstellung – Nichtverlängerung eines befristeten Vertrags – Erlass der Entscheidung, ohne dem Betroffenen zuvor Gelegenheit zu geben, sich zu allen der Verwaltung zur Verfügung stehenden Angaben zu äußern – Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

(Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten, Art. 85 Abs. 1; Verordnung Nr. 168/2007 des Rates, Art. 24 Abs. 1)

Die Wahrung der Verteidigungsrechte in einem Verfahren, das zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen kann, ist ein fundamentaler Grundsatz des Unionsrechts und muss auch dann sichergestellt werden, wenn es keine einschlägigen Verfahrensregeln gibt. Dieser Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte ist insbesondere bei einer Entscheidung über die Nichtverlängerung des Einstellungsvertrags eines Vertragsbediensteten zu beachten, die vor dem Hintergrund zwischenmenschlicher Schwierigkeiten getroffen wird.

Da dieser Grundsatz es nämlich gebietet, dass der Betroffene in die Lage versetzt wird, zu den Umständen sachgerecht Stellung zu nehmen, auf die in der zu erlassenden Maßnahme zu seinen Lasten abgestellt werden könnte, darf eine Entscheidung über die Nichtverlängerung eines Einstellungsvertrags erst erlassen werden, nachdem dem Betroffenen im Rahmen eines schriftlichen oder mündlichen Austauschs, der von der Anstellungsbehörde eingeleitet wurde und dessen Nachweis ihr obliegt, Gelegenheit gegeben worden ist, zu dem Entscheidungsentwurf sachgerecht Stellung zu nehmen. Der Betroffene muss insoweit in der Lage sein, sich in vollständiger Kenntnis aller Angaben, über die die Anstellungsbehörde verfügt, zu äußern, insbesondere auch zum Inhalt einer der Anstellungsbehörde übermittelten Stellungnahme seines Vorgesetzten zur Vertragsverlängerung. Dass diese Stellungnahme eine vorbereitende Handlung und damit keine beschwerende Maßnahme darstellt, steht nicht der Annahme entgegen, dass sie gerade als vorbereitende Handlung zu den Maßnahmen gehört, auf deren Grundlage die Anstellungsbehörde ihre Entscheidung über die Nichtverlängerung des Einstellungsvertrags trifft. Der Betroffene ist daher von der Anstellungsbehörde zu den Erwägungen in der Stellungnahme zu hören, bevor sie ihren Standpunkt festlegt.

(vgl. Rn. 51, 52, 56, 57 und 61)

Verweisung auf:

Gerichtshof: Urteile vom 24. Oktober 1996, Kommission/Lisrestal u. a., C-32/95 P, Slg, EU:C:1996:402, Rn. 21; vom 9. November 2006, Kommission/De Bry, C-344/05 P, Slg, EU:C:2006:710, Rn. 37 und 38 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 6. Dezember 2007, Marcuccio/Kommission, C-59/06 P, SlgÖD, EU:C:2007:756, Rn. 46 und 47

Gericht: Urteil vom 9. Juli 2002, Aimone/Gerichtshof, T-70/01, SlgÖD, EU:T:2002:178, Rn. 36


URTEIL DES GERICHTS (Rechtsmittelkammer)

3. Juni 2015

BP

gegen

Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA)

„Rechtsmittel — Öffentlicher Dienst — Vertragsbediensteter — Beschäftigte der Agentur der Union für Grundrechte — Keine unbefristete Verlängerung eines befristeten Vertrags — Anspruch auf rechtliches Gehör — Versetzung in eine andere Dienststelle bis zum Ablauf des Vertrags — Würdigung des Sachverhalts — Verfälschung von Beweisen — Begründungspflicht“

Gegenstand:

Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Zweite Kammer) vom 30. September 2013, BP/FRA (F-38/12, SlgÖD, EU:F:2013:138), gerichtet auf Aufhebung dieses Urteils

Entscheidung:

Das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Zweite Kammer) vom 30. September 2013, BP/FRA (F-38/12, SlgÖD, EU:F:2013:138), wird aufgehoben, soweit dadurch die Klage gegen die in einem Schreiben vom 27. Februar 2012 enthaltene Entscheidung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), den Einstellungsvertrag von BP als Vertragsbedienstete nicht zu verlängern, abgewiesen wurde. Die in einem Schreiben vom 27. Februar 2012 enthaltene Entscheidung der FRA, den Einstellungsvertrag von BP als Vertragsbedienstete nicht zu verlängern, wird aufgehoben. Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen. BP und die FRA tragen die ihnen im Verfahren vor dem Gericht für den öffentlichen Dienst und im vorliegenden Verfahren entstandenen Kosten.

Leitsätze

Beamte – Vertragsbedienstete – Einstellung – Nichtverlängerung eines befristeten Vertrags – Erlass der Entscheidung, ohne dem Betroffenen zuvor Gelegenheit zu geben, sich zu allen der Verwaltung zur Verfügung stehenden Angaben zu äußern – Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

(Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten, Art. 85 Abs. 1; Verordnung Nr. 168/2007 des Rates, Art. 24 Abs. 1)

Die Wahrung der Verteidigungsrechte in einem Verfahren, das zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen kann, ist ein fundamentaler Grundsatz des Unionsrechts und muss auch dann sichergestellt werden, wenn es keine einschlägigen Verfahrensregeln gibt. Dieser Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte ist insbesondere bei einer Entscheidung über die Nichtverlängerung des Einstellungsvertrags eines Vertragsbediensteten zu beachten, die vor dem Hintergrund zwischenmenschlicher Schwierigkeiten getroffen wird.

Da dieser Grundsatz es nämlich gebietet, dass der Betroffene in die Lage versetzt wird, zu den Umständen sachgerecht Stellung zu nehmen, auf die in der zu erlassenden Maßnahme zu seinen Lasten abgestellt werden könnte, darf eine Entscheidung über die Nichtverlängerung eines Einstellungsvertrags erst erlassen werden, nachdem dem Betroffenen im Rahmen eines schriftlichen oder mündlichen Austauschs, der von der Anstellungsbehörde eingeleitet wurde und dessen Nachweis ihr obliegt, Gelegenheit gegeben worden ist, zu dem Entscheidungsentwurf sachgerecht Stellung zu nehmen. Der Betroffene muss insoweit in der Lage sein, sich in vollständiger Kenntnis aller Angaben, über die die Anstellungsbehörde verfügt, zu äußern, insbesondere auch zum Inhalt einer der Anstellungsbehörde übermittelten Stellungnahme seines Vorgesetzten zur Vertragsverlängerung. Dass diese Stellungnahme eine vorbereitende Handlung und damit keine beschwerende Maßnahme darstellt, steht nicht der Annahme entgegen, dass sie gerade als vorbereitende Handlung zu den Maßnahmen gehört, auf deren Grundlage die Anstellungsbehörde ihre Entscheidung über die Nichtverlängerung des Einstellungsvertrags trifft. Der Betroffene ist daher von der Anstellungsbehörde zu den Erwägungen in der Stellungnahme zu hören, bevor sie ihren Standpunkt festlegt.

(vgl. Rn. 51, 52, 56, 57 und 61)

Verweisung auf:

Gerichtshof: Urteile vom 24. Oktober 1996, Kommission/Lisrestal u. a., C-32/95 P, Slg, EU:C:1996:402, Rn. 21; vom 9. November 2006, Kommission/De Bry, C-344/05 P, Slg, EU:C:2006:710, Rn. 37 und 38 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 6. Dezember 2007, Marcuccio/Kommission, C-59/06 P, SlgÖD, EU:C:2007:756, Rn. 46 und 47

Gericht: Urteil vom 9. Juli 2002, Aimone/Gerichtshof, T-70/01, SlgÖD, EU:T:2002:178, Rn. 36