SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 25. Juli 2018 ( 1 )

Rechtssache C‑193/17

Cresco Investigation GmbH

gegen

Markus Achatzi

(Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs [Österreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Nationale Regelung, die einer begrenzten Gruppe von Arbeitnehmern bestimmte Rechte gewährt – Vergleichbarkeit – Unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion – Rechtfertigung – Positive und spezifische Maßnahme – Horizontale Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Horizontale unmittelbare Wirkung der Grundrechtecharta – Verpflichtungen der Arbeitgeber und der nationalen Gerichte bei Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit Art. 21 Abs. 1 der Grundrechtecharta und Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG“

I. Einleitung

1.

Nach österreichischem Recht ist der Karfreitag nur für Angehörige von vier Kirchen ein (bezahlter) Feiertag. Arbeiten jedoch Angehörige dieser Kirchen an diesem Tag, haben sie Anspruch auf doppelten Arbeitslohn. Herr Markus Achatzi (im Folgenden: Kläger) ist bei Cresco Investigations GmbH (im Folgenden: Beklagte) beschäftigt. Der Kläger gehört keiner dieser vier Kirchen an. Demzufolge erhielt er von der Beklagten keinen bezahlten Feiertag und kein Feiertagsentgelt für die am Karfreitag 2015 geleistete Arbeit.

2.

Der Kläger erhob gegen die Beklagte Klage auf das zusätzliche Entgelt, das ihm seiner Meinung nach für die an Karfreitag geleistete Arbeit zusteht, mit der Begründung, dass die nationale Regelung aufgrund der Religion und der Weltanschauung bei den Arbeitsbedingungen und beim Entgelt diskriminiere. In diesem Zusammenhang möchte der Oberste Gerichtshof (Österreich) vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, ob eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren unionsrechtlich eine Diskriminierung darstellt und, wenn ja, welche Folgen eine solche Feststellung in der Zeit vor der Verabschiedung einer neuen diskriminierungsfreien Regelung durch den nationalen Gesetzgeber hat: Sollten die für Karfreitag geltende Feiertagsregelung und das (vom Arbeitgeber gezahlte) zusätzliche Entgelt am Karfreitag allen Arbeitnehmern oder keinem von ihnen zugutekommen?

3.

In seinen Fragen führt das vorlegende Gericht „Artikel 21 Grundrechtecharta in Verbindung mit“ der Richtlinie 2000/78/EG ( 2 ) an. Ein gewisser De-facto-Inhalts- und Anwendungsparallelismus einer Bestimmung der Charta und des maßgeblichen Teils des Sekundärrechts, der dieser Bestimmung Ausdruck verleiht, ist sicherlich nichts Neues in der Rechtsprechung dieses Gerichtshofs. Bei der Behandlung der Frage der abstrakten Vereinbarkeit einer Bestimmung des nationalen Rechts mit der Charta und einer Unionsrichtlinie ( 3 ) ist die Frage, was in der konkreten Rechtssache genau angewandt wird, unter Umständen zweitrangig. In der hier vorliegenden Rechtssache ist der Gerichtshof jedoch aufgefordert, die Folgen einer solchen Unvereinbarkeit für eine spezifische (horizontale) Art eines Rechtsverhältnisses zu erläutern, was wiederum erfordert, konkret anzugeben, womit genau eine solche nationale Regelung bei dieser Art von Rechtsverhältnis unvereinbar wäre.

II. Rechtlicher Rahmen

A. Unionsrecht

1.   Grundrechtecharta

4.

Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sieht vor: „Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sind verboten.“

5.

Art. 52 Abs. 1 der Charta bestimmt: „Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.“

2.   Richtlinie 2000/78

6.

Die Art. 1, 2 und 7 der Richtlinie 2000/78 sehen vor:

„Artikel 1

Zweck

Der Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.

Artikel 2

Der Begriff ‚Diskriminierung‘

(1)   Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2)   Im Sinne des Absatzes 1

a)

liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b)

liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

(5)   Diese Richtlinie berührt nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen, die in einer demokratischen Gesellschaft für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die Verteidigung der Ordnung und die Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind.

Artikel 7

Positive und spezifische Maßnahmen

(1)   Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährleistung der völligen Gleichstellung im Berufsleben spezifische Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, mit denen Benachteiligungen wegen eines in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgrunds verhindert oder ausgeglichen werden.

…“

B. Nationales Recht

7.

§ 7 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 3. Februar 1983 über die wöchentliche Ruhezeit und die Arbeitsruhe an Feiertagen (Arbeitsruhegesetz – ARG), BGBl 1983/44, in geänderter Fassung zählt 13 nationale Feiertage auf, die für alle Arbeitnehmer gelten. § 7 Abs. 3 sieht vor, dass für die Angehörigen der evangelischen Kirchen des Augsburger und Helvetischen Bekenntnisses, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche auch Karfreitag ein Feiertag ist.

8.

§ 9 ARG sieht im Wesentlichen vor, dass ein Arbeitnehmer, der an einem Feiertag nicht arbeitet, seinen Anspruch auf das volle Arbeitsentgelt für diesen Tag behält (§ 9 Abs. 1) und, wenn er doch arbeitet, den doppelten Arbeitslohn erhält (§ 9 Abs. 5).

III. Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9.

Jeder, der an einem der 13 bezahlten Feiertage in Österreich arbeitet, erhält über sein normales Entgelt hinaus ein zusätzliches Feiertagsentgelt in derselben Höhe (im Folgenden: Feiertagsentgelt), das praktisch zur Folge hat, dass er für seine Arbeit an diesen Tagen doppelt bezahlt wird. Da Karfreitag jedoch nur für die Angehörigen der vier Kirchen ein bezahlter Feiertag ist, steht nur diesen Angehörigen am Karfreitag ein bezahlter Feiertag oder, wenn sie an diesem Tag arbeiten, ein Feiertagsentgelt zusätzlich zu ihrem normalen Entgelt zu.

10.

Der Kläger ist bei der Beklagten beschäftigt. Er gehört keiner der vier Kirchen an. Folglich erhielt er von der Beklagten weder einen bezahlten Feiertag noch ein Feiertagsentgelt für die am Karfreitag, dem 3. April 2015, geleistete Arbeit.

11.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger einen Betrag von 109,09 Euro brutto zuzüglich Zinsen. Die gesetzliche Regelung, nach der Karfreitag nur für Angehörige der vier Kirchen ein Feiertag ist, verbunden mit einem Feiertagsentgelt, falls sie an diesem Tag tatsächlich arbeiten, begründet seines Erachtens eine Diskriminierung wegen der Religion und der Weltanschauung bei den Arbeitsbedingungen und beim Entgelt.

12.

Die Beklagte tritt dem entgegen und beantragt, die Klage kostenpflichtig abzuweisen. Von einer Diskriminierung sei nicht auszugehen.

13.

Das erstinstanzliche Gericht hat das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, dass bei der Karfreitagsregelung eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung ungleicher Situationen vorliege.

14.

Das Berufungsgericht hat der Berufung des Klägers Folge gegeben und das Ersturteil dahin abgeändert, dass dem Klagebegehren stattgegeben wurde. Es ging davon aus, dass die innerstaatlichen Regeln, die die Ungleichbehandlung beim Karfreitag vorsehen, gegen Art. 21 der Charta verstießen, der unmittelbar anwendbar sei. Es liege eine unmittelbare Diskriminierung der betroffenen Arbeitnehmer aufgrund der Religion vor, die nicht gerechtfertigt sei. Der Karfreitag als Feiertag dürfe daher nicht auf bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern beschränkt werden, weshalb auch der Kläger, der am Karfreitag, dem 3. April 2015, gearbeitet habe, Anspruch auf Feiertagsentgelt habe.

15.

Der Oberste Gerichtshof hat nunmehr über die gegen die Berufungsentscheidung erhobene Revision der Beklagten zu entscheiden, die die Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils anstrebt. Er hat entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 21 Grundrechtecharta in Verbindung mit Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78, dahin auszulegen, dass es in einem Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Zusammenhang mit einem privaten Arbeitsverhältnis einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der nur für Angehörige der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche auch der Karfreitag ein Feiertag mit einer ununterbrochenen Ruhezeit von mindestens 24 Stunden ist und im Fall der Beschäftigung des Arbeitnehmers trotz Feiertagsruhe neben dem Anspruch auf Entgelt für die infolge des Feiertags ausgefallene Arbeit auch ein Anspruch auf das Entgelt für die geleistete Arbeit gebührt, anderen Arbeitnehmern, die diesen Kirchen nicht angehören, jedoch nicht?

2.

Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 21 Grundrechtecharta in Verbindung mit Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78, dahin auszulegen, dass die in der ersten Frage dargelegte nationale Regelung, die – gemessen an der Gesamtzahl der Bevölkerung und der Zugehörigkeit der Mehrzahl zur römisch-katholischen Kirche – nur einer verhältnismäßig kleinen Gruppe von Angehörigen bestimmter (anderer) Kirchen Rechte und Ansprüche einräumt, durch diese Richtlinie deshalb nicht berührt wird, weil es sich um eine Maßnahme handelt, die in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, insbesondere des Rechts auf Freiheit der Religionsausübung, notwendig ist?

3.

Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 21 Grundrechtecharta in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78, dahin auszulegen, dass die in der ersten Frage dargelegte nationale Regelung eine positive und spezifische Maßnahme zugunsten der Angehörigen der in der ersten Frage genannten Kirchen zur Gewährleistung deren völliger Gleichstellung im Berufsleben ist, um Benachteiligungen dieser Angehörigen wegen der Religion zu verhindern oder auszugleichen, wenn ihnen damit das gleiche Recht auf Religionsausübung während der Arbeitszeit an einem für diese Religion hohen Feiertag eingeräumt wird, wie es sonst für die Mehrheit der Arbeitnehmer nach einer anderen nationalen Regelung dadurch besteht, dass an den Feiertagen der Religion, zu der sich die Mehrheit der Arbeitnehmer bekennt, generell arbeitsfrei ist?

Bei Bejahung einer Diskriminierung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78:

4.

Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 21 Grundrechtecharta in Verbindung mit Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78, dahin auszulegen, dass der private Arbeitgeber, solange vom Gesetzgeber keine diskriminierungsfreie Rechtslage geschaffen wurde, allen Arbeitnehmern, ungeachtet ihrer Religionsangehörigkeit, die in der ersten Frage dargelegten Rechte und Ansprüche in Bezug auf den Karfreitag zu gewähren hat, oder hat die in der ersten Frage dargelegte nationale Regelung insgesamt unangewendet zu bleiben, so dass die in der ersten Frage dargelegten Rechte und Ansprüche am Karfreitag keinem Arbeitnehmer zuzugestehen sind?

16.

Der Kläger und die Beklagte, die österreichische, die italienische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben. Diese Beteiligten haben sich auch in der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2018 geäußert.

IV. Würdigung

A. Einleitung

17.

Meines Erachtens stellt die Gewährung eines bezahlten Feiertags nur für die Angehörigen der vier Kirchen, verbunden mit einem Feiertagsentgelt, falls sie an diesem Tag arbeiten, eine Diskriminierung wegen der Religion im Sinne von Art. 21 Abs. 1 der Charta und eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 dar (Frage 1 des vorlegenden Gerichts, auf die unten in Abschnitt C eingegangen wird). Es scheint keine gültige Rechtfertigung für diese Diskriminierung vorzuliegen (Frage 2, Abschnitt D). Es scheint auch nicht möglich zu sein, diese Behandlung als „positive und spezifische Maßnahme“ zu qualifizieren (Frage 3, Abschnitt E).

18.

Meiner Ansicht nach ist die komplexere Frage in der vorliegenden Rechtssache diejenige, welche rechtlichen Folgen in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen diese (abstrakte) Feststellung einer Diskriminierung hat, die auf eine Richtlinie (die keine horizontale unmittelbare Wirkung zwischen Privatpersonen entfaltet) und eine Bestimmung der Charta gestützt wird. Der Grundsatz des Vorrangs verlangt, dass die nationale Regelung unangewendet bleibt. Lässt sich aus diesem Grundsatz oder einer möglichen horizontalen unmittelbaren Wirkung von Art. 21 Abs. 1 der Charta jedoch außerdem ableiten, dass ein (privatrechtlicher) Arbeitgeber unionsrechtlich verpflichtet ist, das Feiertagsentgelt zusätzlich zum normalen Arbeitslohn jedem, unabhängig von dessen religiösen Überzeugungen, zu zahlen, der am Karfreitag arbeitet? Meiner Ansicht nach ist dies nicht der Fall. Das Unionsrecht verlangt gleichwohl einen wirksamen Rechtsbehelf, der die Möglichkeit einer Schadensersatzklage gegen den Mitgliedstaat einschließen mag (Frage 4, siehe unten Abschnitt F).

19.

Bevor ich mich den Fragen des vorlegenden Gerichts in der genannten Reihenfolge zuwende, werde ich auf die Zuständigkeitsfrage eingehen, die die italienische und die polnische Regierung in Zusammenhang mit Art. 17 AEUV aufgeworfen haben.

B. Zuständigkeit des Gerichtshofs

20.

In ihren schriftlichen und mündlichen Vorträgen hat die polnische Regierung geltend gemacht, dass es sich in der vorliegenden Rechtssache bei der Karfreitagsregelung um Vorschriften handele, die die Beziehungen zwischen den vier Kirchen und dem österreichischen Staat regelten. Als solche fielen sie unter den Begriff des „Status, den Kirchen oder religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften … genießen“, auf den Art. 17 Abs. 1 AEUV verweise. Der Gerichtshof sei daher für die Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts nicht zuständig. In der mündlichen Verhandlung trug die italienische Regierung eine ähnliche Argumentation zu Art. 17 AEUV vor. Sie kam zu dem Ergebnis, der Gerichtshof solle auf die ihm vorgelegten Fragen mit der Bestätigung antworten, dass die Entscheidung über die Gewährung von Feiertagen oder eines Feiertagsentgelts für bestimmte religiöse Gruppen in die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle.

21.

Meines Erachtens sind diese Argumente zurückzuweisen.

22.

In seinem Urteil Egenberger hat der Gerichtshof entschieden, „dass Art. 17 AEUV die Neutralität der Union demgegenüber, wie die Mitgliedstaaten ihre Beziehungen zu den Kirchen und religiösen Vereinigungen oder Gemeinschaften gestalten, zum Ausdruck bringt“ ( 4 ). In seinen Schlussanträgen in derselben Rechtssache hat Generalanwalt Tanchev außerdem ausgeführt, dass das Erfordernis der Neutralität nicht bedeute, dass die Beziehungen zwischen Kirche und Staat „unter allen Umständen“ gänzlich der Überprüfung der Vereinbarkeit mit den Unionsgrundrechten oder generell mit dem Unionsrecht entzogen seien ( 5 ). Im Urteil Egenberger hat der Gerichtshof in der Tat ausdrücklich bestätigt, dass Art. 17 AEUV nicht bewirken kann, dass die Einhaltung der in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 genannten Kriterien einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle entzogen wird ( 6 ).

23.

Ganz allgemein haben die Generalanwälte in den Rechtssachen, in denen die Urteile Achbita und Egenberger ergangen sind, darauf hingewiesen, dass Art. 17 AEUV „Art. 4 Abs. 2 EUV ergänzt und konkretisiert“. Doch lasse sich aus der letztgenannten Bestimmung „nicht schließen, dass bestimmte Sachgebiete oder Tätigkeitsbereiche gänzlich dem Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 entzogen wären“ ( 7 ).

24.

Auf ähnliche Weise scheint im Urteil Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania ( 8 ) Art. 17 Abs. 1 AEUV die Anwendung des Beihilferechts der Union auf das Einkommen der Kirchen in keiner Weise verhindert zu haben. Der Gerichtshof hat die Frage des Art. 17 Abs. 1 AEUV im Urteil nicht einmal erörtert ( 9 ), obwohl der Gegenstand der Rechtssache unter einem bestimmten Blickwinkel dahin ausgelegt werden könnte, dass er die finanziellen Beziehungen zwischen Staat und Kirche betrifft oder erhebliche Auswirkungen auf den finanziellen Status der Kirchen hat.

25.

Das Bild, das sich aus dieser Rechtsprechung ergibt, scheint recht eindeutig zu sein: Art. 17 Abs. 1 AEUV bestätigt die Neutralität des Unionsrechts im Hinblick auf den Status der Kirchen und verlangt, dass es diesen Status nicht beeinträchtigt. Nach meinem Verständnis erklärt sich die Europäische Union für vollkommen neutral, ja agnostisch, im Hinblick auf die Absprachen zwischen Mitgliedstaaten und Kirchen im engeren Sinne, wie z. B. im Hinblick darauf, ob sich ein Mitgliedstaat selbst als streng neutral in Bezug auf Religionen definiert oder ob ein Mitgliedstaat eine Staatskirche hat. Eine solche Neutralitätserklärung stellt eine wichtige Grundsatzaussage dar. Jenseits dieses engeren Verständnisses mag sie als querschnittsartig anwendbare Auslegungshilfe dienen, wie dies für andere in Titel II („Allgemein geltende Bestimmungen“) des Ersten Teils des AEUV erfasste Werte und Interessen in anderen Bereichen des Unionsrechts der Fall ist: Unter ansonsten gleichen Umständen ist der Auslegung des Unionsrechts der Vorzug zu geben, die die in diesen Vorschriften genannten Werte oder Interessen zur größtmöglichen Geltung bringt.

26.

Jenseits dieser zwei Dimensionen kann Art. 17 Abs. 1 AEUV jedoch meines Erachtens nicht dahin verstanden werden, dass er zur Folge hat, dass jede nationale Regelung zum Umgang des Staates mit den Kirchen oder zu ihrem Status einfach außerhalb des Geltungsbereichs des Unionsrechts liegt. Ähnlich wie Steuerbefreiungen nicht schon deshalb aus dem Geltungsbereich unionsrechtlicher Vorschriften über staatliche Beihilfen herausfallen, weil sie eine Kirche betreffen, oder Wein nicht schon deshalb nicht unter die den Warenverkehr betreffenden Vorschriften des Vertrags fallen, weil es sich um Messwein handelt. Vereinfacht ausgedrückt, kann die „Achtung des Status“ nicht als generelle Ausnahme für jeden Gegenstand, der eine Kirche oder eine Religionsgemeinschaft berührt, verstanden werden.

27.

Daher sehe ich nicht, wie eine Regelung, die allen Arbeitgebern (unabhängig von ihrem Glauben oder dessen Fehlen) die Pflicht auferlegt, Arbeitnehmern, die Angehörige der vier Kirchen sind, einen bezahlten Feiertag zu gewähren (oder denjenigen unter ihnen, die an diesem Tag arbeiten, ein Feiertagsentgelt zu zahlen) kraft Art. 17 Abs. 1 AEUV der Überprüfung unter Berücksichtigung der Charta oder der Richtlinie 2000/78 vollkommen entzogen wäre.

28.

Dieses Verständnis von Art. 17 Abs. 1 AEUV wird auch dadurch gestützt, dass Art. 17 Abs. 2 AEUV eine analoge Neutralitätsgarantie im Hinblick auf den Status weltanschaulicher Gemeinschaften gewährt. Da sich die Union in Art. 17 Abs. 2 AEUV dazu verpflichtet, „in gleicher Weise“ den Status solcher Gemeinschaften zu schützen, wäre jede hypothetisch den Kirchen und religiösen Vereinigungen oder Gemeinschaften gewährte „Ausnahme“ sofort auf weltanschauliche Gemeinschaften anwendbar (die im Wesentlichen undefiniert und dem Recht der Mitgliedstaaten überlassen sind). Art. 17 Abs. 2 unterstreicht somit zusätzlich, dass die Absicht offensichtlich nicht gewesen sein kann, jeglichen direkten oder indirekten Umgang zwischen den Mitgliedstaaten und solchen Organisationen vom Geltungsbereich des Unionsrechts auszunehmen.

29.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Argumente der italienischen und der polnischen Regierungen, der Gerichtshof sei entweder nicht für die Beantwortung der Vorlagefragen zuständig oder der Gegenstand falle nicht in die Zuständigkeit der Union, zurückzuweisen.

C. Frage 1

30.

Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 21 Abs. 1 der Charta und Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 einer Regelung des nationalen Rechts entgegenstehen, die nur den Angehörigen der vier Kirchen einen bezahlten Feiertag und, für den Fall dass ein Angehöriger an diesem Tag arbeitet, ein Feiertagsentgelt gewährt.

31.

Meines Erachtens stellt eine solche Regelung eine Diskriminierung im Sinne dieser Bestimmungen dar.

32.

Im Allgemeinen liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person (a) auf eine weniger günstige Weise behandelt wird (b) als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, (c) dies wegen eines geschützten Grundes (in der vorliegenden Rechtssache der Religion) geschieht und (d) für eine solche unterschiedliche Behandlung keine mögliche objektive Rechtfertigung vorliegt ( 10 ).

33.

Die Frage der möglichen Rechtfertigungen nach (d) ist Gegenstand der Frage 2 des vorlegenden Gerichts (siehe unten, Abschnitt D).

34.

Was (a) und (c) betrifft, so ist es meiner Ansicht nach eindeutig, dass eine weniger günstige Behandlung vorliegt. Diese weniger günstige Behandlung besteht darin, dass Arbeitnehmer, die nicht Angehörige der vier Kirchen sind, einen normalen oder „einfachen“ Arbeitslohn für die Arbeit am Karfreitag erhalten, während Angehörige der vier Kirchen faktisch einen doppelten Arbeitslohn erhalten. Obwohl der Kläger meines Erachtens dies nicht geltend macht, liegt in der Verweigerung eines bezahlten Feiertags an Karfreitag für jeden, der keiner der vier Kirchen angehört, ebenfalls eine weniger günstige Behandlung wegen der Religion ( 11 ).

35.

Das letzte Element der Untersuchung der Diskriminierung, die Vergleichbarkeit, ist in dieser Rechtssache die komplexere Frage. Sie erfordert eine zweifache Klärung: Erstens, wer wird verglichen: einzelne Personen oder Personengruppen (siehe unter 2)? Zweitens, was sind dann die maßgeblichen Vergleichsmerkmale? Auf welcher Abstraktionsebene sollte der Vergleich stattfinden (siehe unter 3)?

36.

Bevor ich auf diese Punkte ausführlich eingehe, sind einige einleitende Klarstellungen zu den Parametern der Untersuchung erforderlich.

1.   Die Parameter der Untersuchung: Art der Prüfung, anwendbares Recht und das genaue Wesen der betreffenden Leistung

37.

Erstens haben die erste und die vierte Frage zwei Ebenen. Die erste Ebene betrifft die abstrakte Beurteilung der Vereinbarkeit, wobei das vorlegende Gericht um Prüfung der Vereinbarkeit einer Regelung des nationalen Rechts mit Art. 21 Abs. 1 der Charta in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 ersucht. Die zweite Ebene, auf die das vorlegende Gericht in der ersten Frage anspielt und die es in der vierten Frage deutlich ausspricht, ist die Tatsache, dass es im Ausgangsverfahren um eine Klage zwischen privaten Parteien geht. Welche konkrete Folge hätte eine potenzielle Feststellung, dass mitgliedstaatliches Recht, wie es im Vorlagebeschluss beschrieben ist, mit dem Unionsrecht unvereinbar ist?

38.

In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich diese beiden Ebenen getrennt behandeln. Die Tatsache, dass sie tatsächlich miteinander verknüpft sind, hat in dem vorliegenden Verfahren für einige Verwirrung gesorgt, und zwar sowohl auf der Ebene der Rechtsbehelfe als auch bei der Erörterung der Vergleichbarkeit. Daher ist meine vorgeschlagene Antwort auf Frage 1 des vorlegenden Gerichts, die in diesem Abschnitt enthalten ist, allgemeiner Natur und betrifft nur die – abstrakte – Prüfung der Vereinbarkeit der Regelungen. Welche Folgen eine solche potenzielle Feststellung für die spezifische, individuelle Rechtssache hat, wird in Frage 4 erörtert (Abschnitt F).

39.

Zweitens ist mit diesem Punkt die Frage nach dem anwendbaren Recht verbunden. Wenn die Frage aufgeworfen wurde, ob Art. 21 Abs. 1 der Charta und Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 einer Bestimmung des nationalen Rechts entgegenstehen, hat der Gerichtshof in der Vergangenheit die materielle Vereinbarkeit mit dieser Richtlinienvorschrift beurteilt und praktisch die gleiche Untersuchung auf Art. 21 Abs. 1 der Charta erstreckt ( 12 ). In der Tat sind für die Frage der abstrakten Prüfung der Vereinbarkeit eindeutig beide Unionsrechtsquellen anwendbar ( 13 ). Aus diesen Gründen werden für die Beantwortung der Fragen 1 bis 3 des vorlegenden Gerichts beide parallel berücksichtigt. Dagegen gewinnt die Situation im Zusammenhang mit der Antwort auf Frage 4 etwas an Komplexität.

40.

Drittens muss die Untersuchung der Diskriminierung „für die betreffende Leistung erfolgen“ ( 14 ). In der vorliegenden Rechtssache werden den Angehörigen der vier Kirchen verschiedene Leistungen gewährt (und denen vorenthalten, die nicht zu dieser Gruppe gehören), nämlich (a) ein bezahlter Feiertag und (b) ein Feiertagsentgelt, falls ein Angehöriger dieser Kirchen an diesem Tag arbeitet.

41.

Meines Erachtens ist es für die Entscheidung in dieser Rechtssache nur erforderlich, auf die Frage einzugehen, ob das Feiertagsentgelt diskriminierend ist. Aus der Sachverhaltsdarstellung im Vorabentscheidungsersuchen ergibt sich nämlich, dass der Kläger vor den nationalen Gerichten keinen bezahlten Feiertag am Karfreitag geltend macht. Er macht vielmehr das Feiertagsentgelt für die an diesem Tag geleistete Arbeit geltend.

42.

Daher besteht die beanstandete nachteilige Behandlung ( 15 ), auf die die Untersuchung der Diskriminierung zu richten ist, spezifisch in der Nicht-Zahlung des Feiertagsentgelts. In diesem Sinne verstehe ich auch die erste Frage des vorlegenden Gerichts, das spezifisch auf § 7 Abs. 3 und § 9 Abs. 5 ARG (die ein doppeltes Arbeitsentgelt für solche Arbeitnehmer vorsehen, die an einem Feiertag arbeiten) und nicht auf § 7 Abs. 3 und § 9 Abs. 1 ARG verweist (die den Anspruch auf Arbeitsentgelt selbst dann vorsehen, wenn an einem Feiertag nicht gearbeitet wird).

43.

Ich verstehe vollkommen, dass alle diese Bestimmungen im nationalen Recht zusammenhängen. Sobald ein Tag nach nationalem Recht zum Feiertag erklärt worden ist, kommt das gesamte Feiertagsregime zur Anwendung, das sowohl den Anspruch auf Arbeitsentgelt für diesen Tag, selbst wenn an ihm nicht gearbeitet wird, als auch den Anspruch auf doppeltes Arbeitsentgelt für an diesem Tag geleistete Arbeit (das Feiertagsentgelt) umfasst. Dies genau ist allerdings Teil des Problems: Werden bestimmte Leistungen oder Ansprüche – mit derselben Rechtfertigung – durch die Anwendung des nationalen Rechts miteinander verbunden, wird es recht schwer, sie später wieder zu trennen und die Gesamtheit der Konsequenzen außer Acht zu lassen, die das nationale Recht mit ihrer Anwendung verbindet.

44.

Der Vollständigkeit halber werde ich dennoch am Ende dieses Abschnitts auf die Frage des bezahlten Feiertags zurückkommen ( 16 ).

2.   Wer soll verglichen werden: Einzelne oder Gruppen?

45.

Der Kläger, die Beklagte, die österreichische Regierung und die Kommission haben alle vorgeschlagen, dieselben Gruppen zu vergleichen, nämlich (a) die Angehörigen der vier Kirchen und (b) den Kläger als jemanden, der nicht Angehöriger einer der vier Kirchen ist.

46.

Jenseits dieser grundsätzlichen Übereinstimmung treten jedoch Unterschiede hervor. Insbesondere wurden unterschiedliche Standpunkte dazu geäußert, ob der einzelne Kläger als Einzelner oder der Kläger als Repräsentant einer Gruppe verglichen werden sollte.

47.

In ihren schriftlichen Erklärungen vergleicht die Kommission zunächst den Kläger mit den Angehörigen der vier Kirchen. Sie vergleicht sodann hypothetische Gruppen anderer Arbeitnehmer mit Angehörigen der vier Kirchen und führt aus, es sei Aufgabe des nationalen Gerichts, festzustellen, ob die nationale Gesetzgebung in diesen Fällen zu einer Diskriminierung führt. Auch andere Beteiligte erweitern den Vergleich über den Kläger hinaus. So vergleicht die Beklagte die Angehörigen der vier Kirchen mit der „Mehrheit“ der Arbeitnehmer, die in der Lage sind, ihre Religion (wenn sie einer angehören) im Rahmen der bereits gewährten Feiertage auszuüben.

48.

Die Kommission hat ferner die Gewährung eines bezahlten Feiertags für die Angehörigen der vier Kirchen nicht als Diskriminierung des Klägers angesehen, von dem die Kommission annahm, er sei Atheist. Über die Angabe, der Kläger sei nicht Angehöriger der vier Kirchen, hinaus wurde der Glaube des Klägers vor dem Gerichtshof tatsächlich nie ausdrücklich bestätigt.

49.

Der Gedankengang der Kommission unterstreicht einen interessanten Punkt. Die Kommission schweift von der Prüfung der Vereinbarkeit nationaler Maßnahmen, wie sie im Vorlagebeschluss beschrieben sind, mit dem Unionsrecht ab und betrachtet den spezifischen Fall des Klägers. Dadurch trägt sie dazu bei, einen zuvor angedeuteten Punkt zu unterstreichen ( 17 ): Die Frage des Bestehens einer diskriminierenden Maßnahme, der das Unionsrecht entgegensteht (die Gegenstand der ersten Frage des vorlegenden Gerichts und Gegenstand einer allgemeinen, abstrakten Vereinbarkeitsprüfung ist), sollte am besten von den Folgen einer solchen gesetzlichen Diskriminierung in der konkreten Rechtssache (die Gegenstand der vierten Frage sind) getrennt werden ( 18 ).

50.

Diese Logik findet ihre systematische Stütze in Rechtssachen, in denen der Gerichtshof angerufen wurde, um Fälle gesetzlicher Diskriminierung zu beurteilen. Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen Diskriminierungen, „die ihren Ursprung unmittelbar in Rechtsvorschriften oder in Kollektivverträgen haben“, und Diskriminierung durch einen Arbeitgeber „in ein und demselben … Betrieb“. Mit anderen Worten, Diskriminierung, die einerseits vom Gesetzgeber und andererseits vom Arbeitgeber ausgeht ( 19 ).

51.

In der vorliegenden Rechtssache beruht die geltend gemachte Diskriminierung auf den Rechtsvorschriften, und der Gerichtshof wird ersucht, die Vereinbarkeit dieser Bestimmungen mit dem Unionsrecht zu beurteilen. In einer Situation dieser Art verwendet der vom Gerichtshof durchgeführte Vergleich als Ausgangspunkt der Untersuchung tatsächlich in der Gesetzgebung definierte Gruppen. Dass der jeweilige Kläger einer solchen Gruppe angehört, ist natürlich für die Bestimmung einer der Vergleichsgruppen maßgeblich. Die individuelle Situation eines solchen Klägers kann auch die tatsächliche Wirkung der in den Einzelfällen bewerteten allgemeinen Vorschriften veranschaulichen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es im Fall der gesetzlichen Diskriminierung Personengruppen und nicht Einzelne sind, die in einer solchen abstrakten Prüfung verglichen werden und die den Rahmen für die Vergleichbarkeitsuntersuchung bilden.

52.

Dies war z. B. in den Urteilen Mangold und Kücükdeveci zur Diskriminierung wegen des Alters der Fall ( 20 ). In diesen Rechtssachen behaupteten die Kläger, wegen ihres Alters diskriminiert worden zu sein. Nationales Arbeitsrecht ließ es zu, dass Personen ihrer Altersgruppen geringeren Schutz erhielten als denjenigen, der anderen Altersgruppen gewährt wurde. Ihre Arbeitgeber hatten diesen niedrigeren Standard auf die Kläger angewandt. Der Gerichtshof gelangte zu dem Ergebnis, dass ein solches nationales Recht diskriminierend ist und das Unionsrecht ihm entgegensteht. Dabei verglich er nicht die Situation der jeweiligen Kläger mit der ihrer Kollegen. Vielmehr wurde verglichen, wie die weniger begünstigte Altersgruppe und die mehr begünstigten Altersgruppen, mit anderen Worten abstrakt durch die angefochtene Gesetzgebung definierte Gruppen, behandelt wurden ( 21 ).

53.

Die Herangehensweise des Gerichtshofs in diesen Rechtssachen unterstreicht die Tatsache, dass die rechtliche Untersuchung eindeutig das Wesen einer abstrakten, allgemeinen Prüfung der Vereinbarkeit der nationalen Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht hat und nicht einer Untersuchung der spezifischen Diskriminierung des Klägers gegenüber seinen Arbeitskollegen durch den einzelnen beklagten Arbeitgeber ( 22 ).

54.

Meiner Ansicht nach ist es wichtig, diese Punkte in der vorliegenden Rechtssache im Auge zu behalten, und zwar deshalb, weil das vorlegende Gericht in Ergänzung zur Frage nach der Vereinbarkeit in seiner vierten Frage speziell danach fragt, wie der Diskriminierung konkret und praktisch abgeholfen werden soll. Mit ihr wird die Frage sowohl nach der „Quelle“ der Diskriminierung als auch nach der Einheit, die „für die Ungleichbehandlung verantwortlich ist und die die Gleichbehandlung wiederherstellen könnte“ ( 23 ), in den Mittelpunkt gerückt.

3.   Welche Gruppen: Merkmale als Vergleichsbasis

55.

Wie erwähnt, hat die Mehrzahl der Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, danach gefragt, ob sich der Kläger in einer vergleichbaren Situation wie die Angehörigen der vier Kirchen befindet. Dieser Vergleich wurde jedoch jeweils anhand unterschiedlicher Merkmale und mit Bezug auf einen anderen Vergleichspunkt vorgenommen. Diese Differenzierung bringt wiederum jeweils unterschiedliche Vergleichsgruppen hervor.

56.

In groben Zügen haben die Parteien in Abhängigkeit von der gewählten Abstraktionsebene drei Alternativen vorgeschlagen:

a)

Arbeitnehmer, für die Karfreitag das wichtigste religiöse Fest des Jahres ist (im Folgenden: enger Vergleichsrahmen; dies ist im Wesentlichen die Position der österreichischen Regierung und der Beklagten). Geht man von diesem engen Vergleichsrahmen und den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung aus, befände dieser sich nicht in einer den Angehörigen der vier Kirchen vergleichbaren Situation. Dies würde eine Vergleichbarkeit ausschließen und bedeuten, dass keine Diskriminierung vorliegt;

b)

Arbeitnehmer, für die es ein „ganz besonderes“ (religiöses) Fest gibt, das nicht mit einem anderen nach nationalem Recht anerkannten Feiertag zusammenfällt (im Folgenden: mittlerer Vergleichsrahmen; dies ist im Wesentlichen die Position der Kommission). Es ist unklar, ob sich der Kläger bei Heranziehung dieses Vergleichsrahmens in einer mit den Angehörigen der vier Kirchen vergleichbaren Situation befindet, da seine religiösen Überzeugungen nicht bekannt sind. Dies wäre letzten Endes eine Tatsachenfrage für das nationale Gericht;

c)

Arbeitnehmer, die am Karfreitag arbeiten und im Hinblick auf die Vergütung für diesen Tag wegen der Religion von anderen Arbeitnehmern unterschieden werden (im Folgenden: weiter Vergleichsrahmen; dies ist im Wesentlichen die Position des Klägers). Auf der Basis dieses Vergleichsrahmens befände sich der Kläger in einer vergleichbaren Situation wie die Angehörigen der vier Kirchen. Dies würde grundsätzlich bedeuten, dass Diskriminierung vorliegt.

57.

Vor der Erörterung der Frage, welcher Vergleichsrahmen in der vorliegenden Rechtssache angemessen ist, ist auf einen allgemeineren Punkt einzugehen. In seinen schriftlichen Fragen an die Beteiligten in dieser Rechtssache hat der Gerichtshof gefragt, ob es grundsätzlich möglich sei, die Vergleichbarkeit ausdrücklich auf der Basis eines Verdachtsgrundes, der spezifisch in Art. 21 Abs. 1 der Charta und Art. 1 der Richtlinie 2000/78 aufgeführt ist (d. h. in der vorliegenden Rechtssache der Religion), abzulehnen.

58.

In Rechtssachen, in denen die Ungleichbehandlung unmittelbar mit dem Verdachtsgrund selbst verknüpft ist, geht der Gerichtshof regelmäßig davon aus, dass Diskriminierung vorliegt ( 24 ). In solchen Zusammenhängen werden Argumente für die mangelnde Vergleichbarkeit vom Gerichtshof, wenn er überhaupt darauf eingeht, in aller Kürze zurückgewiesen ( 25 ).

59.

Allerdings halte ich es nicht für möglich, auf abstrakte Weise zu bestätigen, dass eine auf einem Verdachtsgrund beruhende Ungleichbehandlung in jedem Fall einer unmittelbaren Diskriminierung gleichzusetzen ist ( 26 ). Die Möglichkeit, dass ein Verdachtsgrund selbst geeignet ist, die Vergleichbarkeit zu verneinen, kann nicht vollkommen ausgeschlossen werden ( 27 ).

60.

Ich nehme an, dass – wie in vielen anderen Rechtssachen – der Teufel im Detail steckt, d. h. in der Frage, wie detailliert der Differenzierungsgrund formuliert ist. Der Verdachtsgrund ist immer abstrakt (z. B. keine Diskriminierung wegen der Religion). Die Regelungen allerdings, die im Einzelfall einen Vergleichsrahmen bilden, sind zwangsläufig detaillierter und berücksichtigen oft andere Interessen und Überlegungen (wie z. B. die Regelungen für Feiertage und Vergütung). Daher wird es unter praktischen Gesichtspunkten selten vorkommen, dass sowohl der Verdachtsgrund als auch der Vergleichsrahmen mit dem genau gleichen Abstraktionsgrad und Geltungsbereich formuliert sind.

61.

Gleichwohl bestätigt die oben angeführte Rechtsprechung eindeutig, dass die sprichwörtliche rote Lampe aufleuchtet, wenn ein Verdachtsgrund auf diese Weise angeführt wird. Dass die Vergleichbarkeit verneint wird, stellt eine Ausnahme dar. Sofern es sich nicht um einen klaren und zwingenden Fall handelt, in dem die betreffenden Gruppen so grundsätzlich verschieden sind, dass eine Erörterung der Notwendigkeit oder Verhältnismäßigkeit der Maßnahme überflüssig ist, müssen die Ungleichbehandlungen auf der Ebene der „Rechtfertigungen“ und nicht der „(mangelnden) Vergleichbarkeit“ behandelt werden.

62.

Diese Überschneidung zwischen der Frage der Vergleichbarkeit und der Frage der Rechtfertigung, die den gegenwärtigen Rahmen für eine Untersuchung der Diskriminierung innerlich transitiv macht, ist auch in der vorliegenden Rechtssache klar ersichtlich. Die Untersuchung der Diskriminierung gliedert sich formal in verschiedene Schritte: eine Prüfung, ob vergleichbare Situationen vorliegen; Ungleichbehandlung dieser Gruppen; wenn Diskriminierung (Ungleichbehandlung vergleichbarer Situationen) festgestellt wird, eine Prüfung, ob eine Rechtfertigung besteht. Alle diese Schritte beinhalten allerdings ähnliche Fragen zu Umfang und Bedeutung der Unterschiede bei der Situation und der Behandlung. Sind die Unterschiede bei der Situation (in Anbetracht der Art und des Ausmaßes der konkreten Ungleichbehandlung) als erheblich genug anzusehen, liegt keine Vergleichbarkeit vor. Sind die Unterschiede bei der Situation dagegen nicht als erheblich genug anzusehen (eine Schlussfolgerung, die sich eher aufdrängt, wenn die Ungleichbehandlung auf den ersten Blick als ein wenig „übertrieben“ erscheint), sind Vergleichbarkeit und Ungleichbehandlung gegeben und die Untersuchung wendet sich den Rechtfertigungen zu. Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Rechtfertigungen stellt sich im Wesentlichen die Frage, ob die Unterschiede bei der Behandlung, obwohl rechtlich vergleichbare Situationen vorliegen, tatsächliche Unterschiede zwischen diesen Situationen angemessen und fair widerspiegeln.

63.

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen wende ich mich nun dem in der vorliegenden Rechtssache angemessenen Vergleichsrahmen zu.

4.   Angemessener Vergleichsrahmen in der vorliegenden Rechtssache

64.

Nach ständiger Rechtsprechung „ist das Erfordernis der Vergleichbarkeit der Situationen zur Ermittlung des Vorliegens eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung anhand aller diese Situationen kennzeichnenden Merkmale zu beurteilen“ ( 28 ). Ferner muss die Beurteilung dieser Vergleichbarkeit unter Berücksichtigung des mit den streitigen nationalen Bestimmungen verfolgten Ziels erfolgen ( 29 ).

65.

In der vorliegenden Rechtssache hat die österreichische Regierung dargelegt, dass der Karfreitag für die Angehörigen der vier Kirchen der wichtigste religiöse Feiertag sei. Das Ziel der streitigen nationalen Regelung ist es, diesen Personen an diesem Tag die Teilnahme an religiösen Festen zu erlauben und so ihre Religionsfreiheit zu achten.

66.

Nach der Rechtsprechung darf die Untersuchung der Vergleichbarkeit nicht allgemein und abstrakt sein, sondern muss spezifisch „für die betreffende Leistung erfolgen“ ( 30 ).

67.

Wie bereits ausgeführt ( 31 ), ist die betreffende Leistung in der vorliegenden Rechtssache nicht der Feiertag am Karfreitag, sondern das Feiertagsentgelt. In Anbetracht dieser Leistung halte ich den weiten Vergleichsrahmen für den richtigen.

68.

Als Ergebnis der Leistung des Feiertagsentgelts erhält eine ausgewählte Personengruppe, die am Karfreitag arbeitet, gerade wegen ihrer Religion ein doppeltes Arbeitsentgelt. Andere Personen, die an diesem Tag arbeiten, erhalten das normale Arbeitsentgelt, auch wenn sie unter Umständen genau die gleiche Arbeit verrichten. In Anbetracht dieser Leistung liegt kein relevantes Unterscheidungsmerkmal zwischen diesen Gruppen vor. Zwischen Vergütungshöhe und Glaube besteht grundsätzlich kein Zusammenhang.

69.

Meiner Auffassung nach wird dieses Ergebnis nicht durch das angeführte Ziel der nationalen Regelung, die Freiheit der Religion und der Religionsausübung zu schützen, in Frage gestellt. Ich kann einfach nicht erkennen, was die Zahlung des doppelten Arbeitsentgelts an eine spezifische, religiös definierte Gruppe von Arbeitnehmern mit diesem Ziel zu tun hat. Es lässt sich sogar – zugegebenermaßen nicht ohne eine Spur Zynismus – vertreten, dass der Anspruch auf doppeltes Arbeitsentgelt für die am Karfreitag arbeitenden Angehörigen der vier Kirchen einen wirtschaftlichen Anreiz darstellt, diesen Tag nicht zu nutzen, um die Religion auszuüben.

70.

Dagegen könnte man einwenden, dass sich die Angehörigen der vier Kirchen, die am Karfreitag arbeiten, tatsächlich in einer anderen Situation befinden, da sie durch die Arbeit an diesem Tag besonders beeinträchtigt werden. Es gibt offenbar einige spezifische Sektoren, in denen Arbeitgeber sogar von Angehörigen der vier Kirchen verlangen können, am Karfreitag zu arbeiten. Wie oben erwähnt, lautet allerdings nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die hier maßgebliche Frage, ob die Situationen in Anbetracht des Ziels des nationalen Rechts (das im Schutz der Religionsfreiheit und nicht im Ausgleich für einen vermeintlich unterlassenen Schutz liegen soll) und der spezifischen Leistung vergleichbar sind. Darüber hinaus erinnere ich daran, dass § 9 Abs. 5 ARG für diejenigen, die an einem Feiertag arbeiten, ein Feiertagsentgelt unabhängig davon vorsieht, ob der Feiertag aus religiösen Gründen gewährt wird.

71.

Aus den vorstehenden Gründen halte ich unter Berücksichtigung der Leistung des Feiertagsentgelts und des Ziels der einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts alle am Karfreitag arbeitenden Arbeitnehmer, die in Bezug auf die Vergütung für diesen Tag nach der Religion unterschieden werden, für vergleichbar.

72.

Ich möchte einige weitere Bemerkungen zur Vergleichbarkeit hinzufügen.

73.

Erstens möchte ich klarstellen, dass ich offensichtlich nicht die besondere Bedeutung des Karfreitags für die Angehörigen der vier Kirchen in Frage stelle. Im Hinblick auf dieses spezifische Merkmal können sie klar von den Personen unterschieden werden, für die Karfreitag keine solche Bedeutung hat. Allerdings hat dieses Merkmal meines Erachtens unterschiedliche Bedeutung bei verschiedenen Arten von Maßnahmen: Gewährung von Freizeit an diesem Tag; Gewährung eines freien Tages, aber unter Abzug vom Jahresurlaub; Gewährung eines bezahlten freien Tages; eine zusätzliche Vergütung für jemanden, der an diesem Tag arbeitet. In der vorliegenden Rechtssache besteht die streitige Leistung in der Zahlung des Feiertagsentgelts. Im Hinblick auf diese Leistung mögen sich die Angehörigen der vier Kirchen nicht in einer Situation befinden, die mit derjenigen der anderen Arbeitnehmer identisch ist, doch ist die Bedeutung ihrer Religion sicherlich nicht so groß, dass ihre Situationen nicht vergleichbar wären ( 32 ).

74.

Zweitens geht die Beurteilung der Vergleichbarkeit nach Unionsrecht von den Zielen des nationalen Rechts und den von ihm geschaffenen Kategorien aus. Diese Ziele und Kategorien können jedoch nicht als solche entscheidend und maßgebend sein. Wie ich anderweitig vorgetragen habe ( 33 ), würden andernfalls, wenn die Frage der Vergleichbarkeit intellektuell durch die in den nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Kategorien vorbestimmt wäre, diese Rechtsvorschriften durch ihren Anwendungsbereich selbst definieren, welche Vergleiche möglich sind. Eine solche Beurteilung würde sich zwangsläufig im Kreis drehen, und eine Prüfung wäre faktisch unmöglich.

75.

In der vorliegenden Rechtssache wird meines Erachtens im Rahmen der Vergleichbarkeitsuntersuchung das Gewicht der Ziele des nationalen Rechts und der von ihm geschaffenen Kategorien vor allem durch die Dissonanz zwischen dem angeführten Ziel, das Recht auf Religionsausübung am Karfreitag zu schützen, und der erhöhten wirtschaftlichen Belohnung für die an diesem Tag geleistete Arbeit massiv gemindert.

76.

Drittens sind die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften wohl speziell maßgeschneidert. Sie setzen Ziele und definieren Kategorien, die Personen für eine bestimmte Behandlung auswählen, die spezifischen (und gemessen an der Gesamtbevölkerung Österreichs offenbar eher kleinen ( 34 )) christlichen Gruppen angehören. Das allein ist Grund zur Vorsicht. Wollte man allerdings annehmen, dass diese ganz besonderen Merkmale tatsächlich von solcher Bedeutung und Tragweite wären, dass sie die Situation der Angehörigen der vier Kirchen unvergleichbar machen, würde dies einschließen, dass Angehörige anderer religiöser Gruppen wahrscheinlich ebenso maßgebliche Merkmale aufweisen, die sie von allen anderen unterscheiden.

77.

Diskriminierung besteht nicht nur darin, gleiche Situationen unterschiedlich zu behandeln, sondern auch darin, unterschiedliche Situationen gleich zu behandeln. Werden Angehörige der vier Kirchen angesehen, als wiesen sie maßgebliche Unterscheidungsmerkmale auf, muss grundsätzlich jeder Religion einzeln Beachtung geschenkt werden, um zu bestimmen, wie die Angehörigen dieser Religion im Hinblick auf zusätzliche (bezahlte) Feiertage und Feiertagsentgelt unterschiedlich behandelt werden sollten ( 35 ). Dies ist jedoch gerade nicht der vom österreichischen Staat gewählte Ansatz. In den schriftlichen Erklärungen und den mündlichen Ausführungen der österreichischen Regierung wurde bestätigt, dass ein Kollektivvertrag besteht, der Angehörigen des jüdischen Glaubens an Jom Kippur einen Feiertag gewährt, aber offensichtlich nur in einigen Sektoren der nationalen Wirtschaft Anwendung findet. Jedenfalls ist dies die einzige andere Religion, die für eine solche Behandlung ausgewählt wird ( 36 ).

78.

Letzterer Grund ist schließlich auch ein weiteres Argument dafür, dass nicht auf den von der österreichischen Regierung und der Beklagten vorgeschlagenen engen Vergleichsrahmen abgestellt werden kann. Selbst wenn man akzeptiert, dass nur die Angehörigen der vier Kirchen ein objektives Bedürfnis für die Religionsausübung am Karfreitag haben, so dass sie nicht mit irgendwelchen anderen religiösen Gruppen verglichen werden können (da vermutlich keine von ihnen das gleiche Bedürfnis für die Religionsausübung an diesem spezifischen Tag hat), und außer Acht lässt, dass das Feiertagsentgelt von diesem Brauch eher abhält als zu ihm ermutigt, stellt sich eindeutig die Frage nach der Selektivität der Maßnahme, was die Frage der Diskriminierung auf eine höhere Ebene hebt. Was ist mit anderen religiösen Gruppen oder Gemeinschaften, die ebenso hohe religiöse Feste haben, die nicht in die Liste der bestehenden Feiertage des § 7 Abs. 1 ARG aufgenommen sind?

79.

Folgte man dieser Logik der (mangelnden) Vergleichbarkeit in ihrer ganzen Tragweite, wäre keine dieser Gruppen mit einer anderen vergleichbar, da sie ein objektives Bedürfnis haben, verschiedene religiöse Feste zu feiern. Würde dies auch bedeuten, dass der nationale Gesetzgeber Feiertage (vermutlich auch mit unterschiedlicher Dauer) nur für einige vorsehen kann, während er sie anderen vorenthält, möglicherweise verbunden mit unterschiedlich hohen Arbeitsentgelten?

80.

Aus all diesen Gründen komme ich zu dem Ergebnis, dass die Anwendung von Bestimmungen wie § 7 Abs. 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 5 ARG bewirkt, dass der Kläger weniger günstig behandelt wird als die Angehörigen der vier Kirchen, die ein doppeltes Arbeitsentgelt erhalten, wenn sie am Karfreitag arbeiten. Die zugrunde liegende Ungleichbehandlung knüpft direkt an die Religion an ( 37 ).

81.

Es ist meines Erachtens unerheblich, dass der Wortlaut von § 9 Abs. 5 ARG tatsächlich dem Anschein nach neutral ist, da aus dem Vorabentscheidungsersuchen eindeutig hervorgeht, dass der Anspruch auf eine Vergütung nach dieser Vorschrift von § 7 Abs. 3 ARG ausgelöst wird. Letztere Bestimmung ist nicht neutral, sondern differenziert ausdrücklich nach der Religion. Die daraus folgende Ungleichbehandlung stellt eine Diskriminierung im Sinne von Art. 21 Abs. 1 der Charta und eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 dar.

5.   Die Leistung des bezahlten Feiertags

82.

Die vorstehende Untersuchung konzentriert sich auf die Frage der Diskriminierung im Hinblick auf die Leistung des Feiertagsentgelts. Im vorausgehenden Abschnitt der vorliegenden Schussanträge habe ich mich bemüht, zu erklären, warum bei der Prüfung der Vergleichbarkeit auf diese Leistung, um die es im Ausgangsverfahren letztlich geht, abzustellen ist. Der Vollständigkeit halber werde ich kurz auf die Leistung des bezahlten Feiertags und die Frage eingehen, wie sich der Vergleichbarkeitsrahmen ändern würde, wenn man auf diese Leistung abstellen würde.

83.

Ich habe bereits ausgeführt, dass der Bedeutung des Karfreitags für Angehörige der vier Kirchen im Zusammenhang mit der Vergleichbarkeitsuntersuchung unterschiedliches Gewicht zukommt, je nachdem, welche Leistung berücksichtigt wird ( 38 ). Die Gewährung von (unbezahlter) Freizeit an diesem Tag entspricht eindeutig besser dem genannten Ziel des Schutzes der Religionsfreiheit als das Feiertagsentgelt. Das Erfordernis, die am Karfreitag zum Zweck der Religionsausübung abwesenden Arbeitnehmer zu bezahlen, entfernt sich zwar etwas von dem genauen Ziel, das die österreichische Regierung angeführt hat, weist aber wohl doch einen viel engeren Bezug zu diesem ursprünglichen Ziel auf als das Feiertagsentgelt ( 39 ).

84.

Diese Überlegungen lassen mich zu dem Schluss gelangen, dass, wenn es nur um die Leistung des bezahlten Feiertags ginge, schlüssige Rechtfertigungsgründe dafür vorlägen, auf den mittleren Vergleichsrahmen zurückzugreifen, wofür sich die Kommission tatsächlich auch ausspricht.

85.

Auch dies kann jedoch nichts daran ändern, dass der Kläger im Ausgangsverfahren nicht begehrt, am Karfreitag einen bezahlten Feiertag zu erhalten. Es geht auch nicht darum, einen anderen besonderen Tag als unter das gleiche Regime fallend anzuerkennen und so seinem spezifischen und anderen religiösen Glauben Rechnung zu tragen. Was begehrt wird, ist das Feiertagsentgelt für die am Karfreitag geleistete Arbeit und somit die Beseitigung der religiös begründeten Gehaltsdiskriminierung.

86.

Daher kann, auch wenn man den Gesamtzweck der Maßnahme und die Tatsache berücksichtigt, dass bezahlter Feiertag und Feiertagsentgelt im Wesentlichen zwei Seiten einer Medaille sind, der von der Kommission vorgeschlagene mittlere Vergleichsrahmen ( 40 ) nicht für die vorliegende Rechtssache bestimmend sein. Darüber hinaus halte ich aus denselben, oben in Bezug auf das Feiertagsentgelt angeführten Gründen ( 41 ) den Rückgriff auf den engen Vergleichsrahmen, wie er von Österreich und der Beklagten vertreten wird, im Hinblick auf die Leistung des bezahlten Feiertags auf jeden Fall ebenfalls für ausgeschlossen.

6.   Ergebnis zur ersten Frage

87.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen, schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste Frage des vorlegenden Gerichts wie folgt zu beantworten:

Art. 21 Abs. 1 der Charta in Verbindung mit Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Karfreitag nur für Angehörige der Evangelischen Kirchen des Augsburger und Helvetischen Glaubensbekenntnisses, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche ein Feiertag mit einer ununterbrochenen Ruhezeit von mindestens 24 Stunden ist und ein Angehöriger einer dieser Kirchen, wenn er arbeitet, obwohl dieser Tag ein Feiertag ist, zusätzlich zu dem Anspruch auf Entgelt für die Arbeit, die nicht geleistet werden muss, weil dieser Tag ein Feiertag ist, auch einen Anspruch auf Entgelt für die tatsächlich geleistete Arbeit hat, während andere Arbeitnehmer, die nicht Angehörige dieser Kirchen sind, keinen solchen Anspruch haben.

D. Frage 2

88.

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Maßnahmen zugunsten der Angehörigen der vier Kirchen, soweit sie als diskriminierend angesehen werden, nach Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78 gerechtfertigt werden können.

89.

Meiner Ansicht nach ist dies nicht der Fall.

90.

Einleitend sei erwähnt, dass, soweit zu Frage 1 festgestellt wird, dass Art. 21 Abs. 1 der Charta in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 den gegenständlichen Maßnahmen entgegenstehen, jede Rechtfertigung anhand Art. 52 Abs. 1 der Charta bzw. Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie zu beurteilen ist. Abgesehen von dem formalen Aspekt, dass eine Richtlinienvorschrift keine Abweichung von einer Vorschrift der Charta vorsehen kann, ist zu berücksichtigen, dass die beiden Vorschriften etwas unterschiedlich formuliert sind.

91.

Für die Zwecke der vorliegenden Rechtssache fällt die inhaltliche Analyse der beiden Vorschriften jedoch ähnlich aus. Der in beiden Vorschriften angeführte Rechtfertigungsgrund ist der „Schutz der Rechte und Freiheiten anderer“. Im Übrigen sind beide Vorschriften als Ausnahmen vom Verbot der Diskriminierung eng auszulegen ( 42 ) und unterliegen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung ( 43 ).

92.

Es sind insbesondere drei Gründe, die mich zu dem Schluss gelangen lassen, dass die Gewährung der Leistung des Feiertagsentgelts weder nach Art. 52 Abs. 1 der Charta noch nach Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie gerechtfertigt werden kann.

93.

Erstens ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass der „Schutz der Rechte und Freiheiten anderer“ das Angebot eines Feiertagsentgelts für den Fall der Beschränkungen dieser Freiheiten umfasst. Dies scheint mir nicht Schutz, sondern Entschädigung für fehlenden Schutz zu sein.

94.

Gleichwohl, soweit dieses Angebot grundsätzlich erfasst sein könnte, verweisen die Bestimmungen spezifisch auf den „Schutz der Rechte und Freiheiten anderer“. Art. 2 Abs. 5 wurde offenbar im letzten Moment auf Drängen des Vereinigten Königreichs in die Richtlinie eingefügt ( 44 ), und einiges spricht dafür, dass mit dieser Bestimmung die Allgemeinheit vor dem schändlichen Verhalten gewisser Gruppen geschützt werden sollte ( 45 ).

95.

Mein Verständnis einer solchen Bestimmung geht in dieselbe Richtung: Sie erlaubt eine Abweichung im Namen der Rechte und Freiheiten anderer – in einem horizontalen und querschnittartigen Sinne verstanden –, d. h. der Rechte und Freiheiten des Restes der Gesellschaft insgesamt. Dies würde der logischen Struktur einer Abweichung folgen: Eine Belastung oder ein Nachteil, der einer spezifischen Gruppe auferlegt wird, mag berechtigterweise von dieser Gruppe getragen werden, wenn es im Hinblick auf die Gesamtinteressen der Allgemeinheit erforderlich und verhältnismäßig ist. In diesem Stadium kann eine gewisse Abwägung zwischen dem spezifischen (Nachteil) und dem allgemeinen (Interesse) stattfinden.

96.

Folgte man der Auffassung, dass „die anderen“ in der Wendung „Schutz der Rechte und Freiheiten anderer“ tatsächlich die Angehörigen der Gruppe sind, der die betreffende Regelung einige Vorteile gewährt, würde diese Logik auf den Kopf gestellt. Das gesamte Argument würde zu einem Zirkelschluss, und jedes spezifische Regime wäre durch die Tatsache seiner bloßen Existenz gerechtfertigt.

97.

Zweitens ist die Selektivität von § 7 Abs. 3 und § 9 Abs. 5 ARG jedenfalls vom Standpunkt der Verhältnismäßigkeit aus problematisch, und zwar insbesondere in seiner ersten Dimension, der Angemessenheit. Obwohl das angeführte Ziel der Maßnahmen im Schutz der Religionsfreiheit besteht, finden sie nur auf bestimmte Gruppen Anwendung. Andere Minderheiten werden nicht erwähnt. Ich erinnere daran, dass der Gerichtshof im Zusammenhang mit der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer diskriminierenden nationalen Maßnahme deren Widerspruchsfreiheit im Hinblick auf das angeführte Ziel berücksichtigt. Daher hat er entschieden, dass „Rechtsvorschriften … nur dann geeignet [sind], die Verwirklichung des geltend gemachten Zieles zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht werden, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen; Ausnahmen von den Bestimmungen eines Gesetzes können in bestimmten Fällen dessen Kohärenz beeinträchtigen“ ( 46 ). Zwar enthalten die einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts in dieser Rechtssache keine Ausnahmen, die bestimmte Gruppen ausschließen; die sehr enge Fassung der Anspruchsvoraussetzungen hat jedoch faktisch die gleiche Wirkung. Sie schließt alle außer den Angehörigen der vier Kirchen aus.

98.

Dieses Selektivitätsproblem kann dadurch gelöst werden, dass Freizeit aus religiösen Gründen nach anderen Regelungen gewährt wird. Insoweit trifft es zu, dass es in Österreich z. B. einen Kollektivvertrag gibt, der Angehörigen des jüdischen Glaubens an Jom Kippur einen Feiertag gewährt, ebenso wie eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern ( 47 ).

99.

Allerdings hat die österreichische Regierung in ihren schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichtshofs bestätigt, dass der Kollektivvertrag nicht in allen Sektoren und auch wiederum nur auf Angehörige einer bestimmten religiösen Gruppe Anwendung findet. Was die Fürsorgepflicht angeht, lässt sich der Anspruch eines Arbeitnehmers, proaktiv einige freie Stunden für die Zwecke der Religionsausübung zu beantragen, meines Erachtens einfach nicht mit dem Anspruch auf einen bezahlten Feiertag vergleichen, der im nationalen Recht oder einem Kollektivvertrag schriftlich verankert ist. Und allgemeiner ist festzustellen, dass selbst dann, wenn Angehörige anderer Glaubensrichtungen auf Antrag und unter der Voraussetzung des Einverständnisses des Arbeitgebers Freizeit für Zwecke der Religionsausübung erhalten können, kein allgemeiner automatischer Anspruch auf ein finanzielles Feiertagsentgelt besteht, wenn diese freie Zeit nicht tatsächlich genommen wird.

100.

Drittens gibt es keinen ersichtlichen Bezug zwischen dem Schutz der Religionsfreiheit und dem Anspruch auf ein Feiertagsentgelt, wenn man am Karfreitag arbeitet. Aus den gleichen Gründen erachte ich die Gewährung eines Feiertagsentgelts für die Angehörigen der vier Kirchen, die am Karfreitag arbeiten, selbst wenn sie auf eine solche selektive Art angewandt wird, für unverhältnismäßig in dem Sinne, dass sie ungeeignet ist, das Ziel des Schutzes der Religionsfreiheit nach Art. 52 Abs. 1 der Charta und Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78 zu erreichen. Es ist, wie schon gesagt, schwer nachvollziehbar, wie der Erhalt eines doppelten Arbeitsentgelts dafür, dass am Karfreitag die Religion nicht ausgeübt wird, geeignet sein soll, das Ziel des Schutzes der (selbst selektiv gewährten) Religionsfreiheit und Religionsausübung zu erreichen.

101.

Abschließend weise ich darauf hin, dass sich die vorstehenden Überlegungen zwar auf das Feiertagsentgelt konzentrieren, dass die Erwägungen in den Nrn. 97 und 98 zur Selektivität der Maßnahme im Hinblick auf die Leistung des bezahlten Feiertags jedoch ebenso für die Rechtfertigung der diskriminierenden Natur dieser Leistung gelten und sie ausschließen.

102.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die zweite Frage des vorlegenden Gerichts wie folgt zu beantworten:

Unter Umständen wie denen der vorliegenden Rechtssache stellen nationale Rechtsvorschriften, die ein Feiertagsentgelt der in der ersten Frage beschriebenen Art nur den Angehörigen bestimmter Kirchen, die am Karfreitag arbeiten, gewähren, keine Maßnahme dar, die in einer demokratischen Gesellschaft zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer im Sinne der Richtlinie 2000/78 erforderlich ist.

E. Frage 3

103.

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Maßnahmen zugunsten der Angehörigen der vier Kirchen unter den Begriff der positiven und spezifischen Maßnahmen nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 der Charta fallen.

104.

Meiner Auffassung nach ist dies nicht der Fall.

105.

Einleitend weise ich darauf hin, dass das genaue Verhältnis zwischen Art. 21 Abs. 1 der Charta und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 nicht ohne Weiteres klar ist. Insbesondere ist die Debatte, ob eine positive und spezifische Maßnahme eine (vorübergehende) Abweichung vom Gleichheitsgrundsatz oder aber einen Bestandteil einer wirklich materiellen Vision der Gleichheit darstellt, keineswegs beendet. Allerdings erachte ich es für die vorliegenden Schlussanträge nicht als notwendig, solch tiefgründige Fragen zu untersuchen.

106.

Im Rahmen der vorliegenden Rechtssache hat die österreichische Regierung vorgetragen, die Maßnahmen könnten insoweit unter den Begriff der positiven und spezifischen Maßnahme subsumiert werden, als sie verabschiedet wurden, um eine weniger günstige Behandlung in der Vergangenheit auszugleichen. Nach den schriftlichen Erklärungen der österreichischen Regierung hatten Angehörige der vier Kirchen im Gegensatz zur katholischen Mehrheit keinen Anspruch auf einen freien Tag, um ihr wichtigstes religiöses Fest des Jahres zu feiern, und litten viele Jahre lang unter dieser Situation, bevor dieser Tag in den 1950er Jahren verlangt und gewährt wurde.

107.

Es trifft zu, dass es weder in den Rechtsvorschriften noch in der Rechtsprechung eine klare Definition der positiven und spezifischen Maßnahme gibt. Daher besteht weder materiell noch zeitlich eine Prima-facie-Beschränkung für das, was unter diesen Begriff fallen könnte. Insoweit ließe sich in der Tat vertreten, dass die Absicht, „Benachteiligungen wegen eines in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgrunds“ auszugleichen, auch den Wunsch umfassen kann, religiöse Verfolgung in der Vergangenheit (womöglich über Jahrhunderte hinweg) auszugleichen.

108.

Ich muss allerdings gestehen, dass es schon in zeitlicher Hinsicht recht fragwürdig erscheint, ob eine in den 1950er Jahren verabschiedete Maßnahme wirklich als positive und spezifische Maßnahme im Sinne eines viel jüngeren Begriffs konzipiert wurde, der jedenfalls im Unionsrecht erst Jahrzehnte später erstmals verwendet wird. Eine solche Voraussicht grenzt an ein Wunder.

109.

Lässt man das Fehlen einer spezifischen Definition und die zeitliche Abfolge außer Acht, gibt es jedoch zwei zwingende Gründe, aus denen ich der Auffassung bin, dass das Feiertagsentgelt auf keinen Fall eine positive und spezifische Maßnahme darstellen kann.

110.

Erstens zielt die Maßnahme auf eine sehr spezifische Gruppe ab, was wieder die bereits erörterte Frage ihrer Selektivität und Diskriminierung auf der zweiten Ebene aufwirft ( 48 ). Es wurden keine Maßnahmen verabschiedet, um die volle Gleichheit aller Gruppen sicherzustellen, die in der Vergangenheit generell benachteiligt wurden oder, konkreter, im Gegensatz zur katholischen Mehrheit an einem wichtigen Fest keinen Feiertag haben.

111.

Zweitens muss eine Maßnahme, die eine positive und spezifische Maßnahme sein soll, jedenfalls mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang stehen. Dies ist kürzlich als allgemeiner Grundsatz in Bezug auf die Religionsfreiheit einschränkende Maßnahmen, die anhand der Charta und der Richtlinie 2000/78 geprüft werden, bestätigt worden ( 49 ). Obwohl die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Anwendung des Konzepts der positiven und spezifischen Maßnahme im Zusammenhang mit Sekundärrecht diese Prüfung nicht unter der Überschrift der Verhältnismäßigkeit durchführt, ist klar, dass der Gerichtshof die Maßnahmen prüft, um festzustellen, ob sie erforderlich sind, um den vermeintlichen Nachteil zu neutralisieren ( 50 ). Aus den gleichen Gründen wie denen, die in Bezug auf die zweite Frage dargelegt wurden ( 51 ), bin ich der Auffassung, dass die einschlägigen Maßnahmen des nationalen Rechts auf keinen Fall als verhältnismäßig angesehen werden und daher nicht unter das Konzept der positiven und spezifischen Maßnahme im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 fallen können.

112.

Abschließend weise ich darauf hin, dass sich die vorstehenden Erwägungen zwar wieder auf das Feiertagsentgelt konzentrieren, dass die Erwägungen in den Nrn. 97, 98 und 101 zur Selektivität der Maßnahme im Hinblick auf die Leistung des bezahlten Feiertags jedoch ebenso für die Behandlung dieser Leistung als positive und spezifische Maßnahme gelten und sie ausschließen.

113.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die dritte Frage des vorlegenden Gerichts wie folgt zu beantworten:

Nationale Rechtsvorschriften, die ein Feiertagsentgelt der in der ersten Frage beschriebenen Art gewähren, stellen keine positive und spezifische Maßnahme im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 dar.

F. Frage 4

114.

Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Kern wissen, wie der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot geheilt werden sollte, insbesondere wenn er sich in einer Rechtsbeziehung zwischen Privatparteien ereignet? Bevor auf die Frage eingegangen wird, ob die Lösung ist, den Feiertag und das Feiertagsentgelt allen zu verweigern oder auf alle auszudehnen, lautet die – die Antwort teilweise vorwegnehmende – Vorfrage, was auf eine solche horizontale Rechtsbeziehung angewandt werden soll und welche Folgen dies hat.

115.

Mehrere Grundsätze, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits aufgestellt hat, geben Orientierung.

116.

Erstens scheidet gegenüber einem Einzelnen (wie z. B. einem Arbeitgeber der Privatwirtschaft) eine Berufung auf eine Richtlinie aus ( 52 ). In solchen Fällen besteht der Rechtsbehelf grundsätzlich in einer Schadensersatzklage gegen den Staat ( 53 ).

117.

Zweitens mag es zumindest in einigen Rechtssachen möglich sein, sich gegenüber einem Einzelnen auf das Verbot der Diskriminierung wegen der Religion nach Art. 21 Abs. 1 der Charta in Verbindung mit der Richtlinie 2000/78 mit dem Ergebnis zu berufen, dass das nationale Gericht Rechtsvorschriften, die als mit diesem Verbot unvereinbar erachtet wurden, unangewendet lassen muss. In diesem Sinne gewährt die Verbindung von Art. 21 Abs. 1 der Charta mit der Richtlinie das Recht, keine Diskriminierung zu erleiden, und eine Berufung darauf ist vor den nationalen Gerichten sogar in einem horizontalen Zusammenhang möglich. Jedoch ist die Klarstellung wichtig, dass dies die Folgen des Vorrangs des Unionsrechts und nicht der unmittelbaren Wirkung sind (siehe unten, Abschnitt 1).

118.

Drittens entfaltet Art. 21 Abs. 1 der Charta meines Erachtens keine „horizontale unmittelbare Wirkung“ in dem Sinne, dass er für sich genommen eine konkrete Verpflichtung für einen privaten Arbeitgeber entstehen lässt, die von den nationalen Gerichten direkt gegen diesen Arbeitgeber durchgesetzt werden kann, wenn, wie in der vorliegenden Rechtssache, die Diskriminierung auf nationales Recht zurückgeht (Abschnitt 2). Das Opfer muss jedoch die Möglichkeit einer Schadensersatzklage gegen den Staat haben, um einer solchen Diskriminierung abzuhelfen (Abschnitt 3).

1.   Vorrang

a)   Verbindung von Richtlinien mit Bestimmungen der Charta

119.

Der Gerichtshof hat die oben erwähnte Weigerung, Richtlinien horizontale unmittelbare Wirkung zuzuerkennen, auf unterschiedliche Art und Weise kompensiert. Häufig geschah dies durch die Pflicht zu konformer Auslegung ( 54 ). Nach ständiger Rechtsprechung verlangt diese Pflicht von dem nationalen Gericht jedoch nicht, das nationale Recht contra legem auszulegen. In der vorliegenden Rechtssache hat das nationale Gericht klar zum Ausdruck gebracht, dass eine konforme Auslegung des nationalen Rechts nicht möglich ist.

120.

Angesichts dieser Grenzen der konformen Auslegung hat der Gerichtshof seine Auslegung der allgemeinen Rechtsgrundsätze ( 55 ) oder der Charta ( 56 ) mit der Richtlinie 2000/78 „verbunden“, um zu entscheiden, dass sich ein Einzelner in einem Streit mit einem anderen Privaten auf das berufen darf, was praktisch der materielle Gehalt einer Richtlinie ist, um das kollidierende nationale Recht unangewendet zu lassen.

121.

In den Urteilen Mangold, Kücükdeveci und DI ( 57 ) hat der Gerichtshof entschieden, dass die maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Rechts mit den spezifisch maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie unvereinbar waren. Er hat ferner bestätigt, dass das Unionsrecht diesen Bestimmungen des nationalen Rechts, soweit sie mit dem allgemeinen Grundsatz kollidieren, „entgegensteht“ (und zwar mit der Folge, dass es dem nationalen Gericht obliegt, sie „unangewendet zu lassen“). Daher mussten die nationalen Gerichte die Bestimmungen des nationalen Rechts so auslegen, „dass sie im Einklang mit dieser Richtlinie angewandt werden können, oder, falls eine solche richtlinienkonforme Auslegung unmöglich ist, erforderlichenfalls alle Vorschriften des nationalen Rechts, die gegen das allgemeine Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstoßen, unangewendet lassen“ ( 58 ). Der maßgebliche Inhalt der Richtlinie wurde so faktisch in den allgemeinen Grundsatz eingebracht, bevor der so konkretisierte Grundsatz in einem privaten Rechtsstreit angewandt wurde, um die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts festzustellen.

122.

Im Urteil Egenberger hat der Gerichtshof entschieden, dass das Verbot der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung nach Art. 21 Abs. 1 der Charta „schon für sich allein dem Einzelnen ein Recht [verleiht], das er in einem Rechtsstreit, der einen vom Unionsrecht erfassten Bereich betrifft, als solches geltend machen kann“ ( 59 ). Bei der Anwendung dieses Verbots obliegt es dem nationalen Gericht, „den durch den Unionsgesetzgeber in der Richtlinie 2000/78 geschaffenen Ausgleich zwischen diesen Interessen zu berücksichtigen, um zu klären, welche Verpflichtungen sich … aus der Charta ergeben“ ( 60 ). Mit anderen Worten wurde praktisch entschieden, dass der Inhalt der maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie in Art. 21 der Charta inbegriffen ist. Das nationale Gericht muss die volle Wirksamkeit dieser Vorschrift gewährleisten, „indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet lässt“ ( 61 ). Der gleiche Gedankengang fand mutatis mutandis auf Art. 47 der Charta Anwendung.

123.

In der Rechtssache AMS ( 62 ) hat der Gerichtshof gleichwohl anerkannt, dass es für diese Art des Imports des Inhalts von Richtlinien in allgemeine Grundsätze und Bestimmungen der Charta im Hinblick auf eine Anwendung in horizontalen Situationen Grenzen gibt. Diese Rechtssache betraf die Richtlinie 2002/14/EG, nach der in Unternehmen mit mindestens 50 Arbeitnehmern eine Arbeitnehmervertretung erforderlich ist ( 63 ). Die Schwelle der „50 Arbeitnehmer“ ist in Art. 3 Abs. 1 festgelegt, und die Rechtssache betraf, soweit hier relevant, im Wesentlichen die Definition des Arbeitnehmers für diesen Zweck. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die einschlägige nationale Bestimmung nicht mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie vereinbar war, da sie bestimmte Arten von Arbeitnehmern bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl unberücksichtigt ließ.

124.

Der Gerichtshof hat jedoch außerdem festgestellt, „dass sich die Umstände des Ausgangsverfahrens von denen unterscheiden, die zum Urteil Kücükdeveci geführt haben, da das in Art. 21 Abs. 1 der Charta niedergelegte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, um das es in jener Rechtssache ging, schon für sich allein dem Einzelnen ein Recht verleiht, das er als solches geltend machen kann“ ( 64 ). Im Gegensatz dazu reicht Art. 27 der Charta „für sich allein nicht [aus], um dem Einzelnen ein Recht zu verleihen, das dieser als solches geltend machen kann“ ( 65 ). Der Gerichtshof hat somit die Regelung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2002/14 als zu detailliert erachtet, um sie als in der einschlägigen Bestimmung der Charta inbegriffen anzusehen.

b)   Rechtsfolgen nach der bisherigen Rechtsprechung

125.

Nach dem Urteil Egenberger steht fest, dass Art. 21 Abs. 1 der Charta in Verbindung mit der Richtlinie 2000/78 im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit zwischen Einzelnen sowohl als Instrument für die konforme Auslegung als auch als Maßstab für die Infragestellung der Wirksamkeit des Unionsrechts und der Vereinbarkeit des nationalen Rechts (innerhalb des Geltungsbereichs des Unionsrechts) „geltend gemacht“ werden kann. Somit können sich Einzelne gegenüber anderen Einzelnen auf diese Bestimmung berufen, um feststellen zu lassen, dass sie einer kollidierenden Vorschrift des nationalen Rechts „entgegensteht“, oder damit das nationale Gericht sie „unangewendet lässt“.

126.

Das Urteil Egenberger bestätigt daher den Vorrang des primären Unionsrechts in Form des Art. 21 Abs. 1 der Charta im spezifischen Kontext eines horizontalen Rechtsstreits, in dem das sekundärrechtliche Instrument eine Richtlinie und eine konforme Auslegung nicht möglich ist.

127.

Allerdings geht der Gerichtshof im Urteil Egenberger nicht näher darauf ein, welche weiteren Folgen die Geltendmachung in solchen Rechtssachen hat. Insbesondere enthält dieses Urteil (oder auch ein anderes der im vorstehenden Abschnitt angeführten Urteile) nichts, was bestätigen würde, dass Art. 21 Abs. 1 der Charta „horizontale unmittelbare Wirkung“ in dem Sinne entfaltet, dass er für sich allein seinem Wesen nach geeignet ist, eine eigenständige Quelle von Rechten zu sein, die in einem privaten Rechtsstreit korrelierende Verpflichtungen für einen anderen Einzelnen erzeugt. Ebenso wenig lassen dieses Urteil und die weitere angeführte Rechtsprechung den Schluss zu, dass die Geltendmachung von Art. 21 Abs. 1 und die Feststellung der Unvereinbarkeit notwendigerweise zu einer bestimmten Abhilfemaßnahme führen.

128.

Stattdessen wird in diesen Urteilen die allgemeine Formel wiederholt, nach der es den nationalen Gerichten obliegt, „den Rechtsschutz sicherzustellen, der sich für den Einzelnen aus den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt, und deren volle Wirkung zu gewährleisten“ (indem es das unvereinbare nationale Recht unangewendet lässt) ( 66 ), oder festgestellt, dass es dem nationalen Gericht obliegt, „die Beachtung des Verbots der Diskriminierung … zu gewährleisten“ ( 67 ), oder dass dem Einzelnen der Vorteil nicht versagt werden darf, der ihm aus der Auslegung, dass das Unionsrecht der streitigen nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, entsteht ( 68 ).

129.

Vereinfacht ausgedrückt, steht inzwischen eindeutig fest, dass eine abstrakte Prüfung der Vereinbarkeit anhand Art. 21 Abs. 1 der Charta in Verbindung mit der Richtlinie 2000/78, wie sie in Beantwortung der vom vorlegenden Gericht gestellten Frage 1 durchgeführt wurde, dazu führen kann, dass das unvereinbare nationale Recht unangewendet zu lassen ist. Dies ist die Folge des Vorrangs des Unionsrechts, die auch im Kontext eines Rechtsstreits zwischen Privaten eintreten kann.

130.

Aus den im nächsten Abschnitt dargelegten Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, dass es sinnvoll wäre, bei dieser Herangehensweise zu bleiben. Auf die ausdrückliche Frage nach den konkreten praktischen Folgen für die Parteien, sollte das nationale Recht tatsächlich unangewendet bleiben, wäre mein weiterer Vorschlag, nicht die horizontale unmittelbare Wirkung der Bestimmungen der Charta zu erwägen (2), sondern sich vielmehr auf die Frage der Rechtsbehelfe zu konzentrieren (3).

2.   „Horizontale unmittelbare Wirkung“

131.

Erklärte man Art. 21 Abs. 1 der Charta für horizontal unmittelbar anwendbar, würde dies bedeuten, dass Einzelne unmittelbar aus dieser Bestimmung ein Recht und eine korrelierende Pflicht der anderen (nicht staatlichen) Partei ableiten könnten, und zwar unabhängig davon, ob Sekundärrecht besteht und/oder auf dessen Inhalt verwiesen wird. In diesem Sinne ist eine mit unmittelbarer Wirkung ausgestattete Regelung für sich allein hinreichend bestimmt, genau und unbedingt, um in einer horizontalen Rechtsbeziehung einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich zu sein.

132.

Ich kann nicht wirklich erkennen, dass die Bestimmung des Art. 21 Abs. 1 der Charta im Kontext der vorliegenden Rechtssache (a) oder im Übrigen eine Reihe von Bestimmungen der Charta allgemein (b) diese Anforderungen erfüllt. Dies schließt jedoch, wie gesagt, nicht aus, dass die Bestimmungen der Charta in Rechtssachen wie der vorliegenden tatsächlich anwendbar und in hohem Maße relevant sind, wenn auch auf eine andere Weise (c).

a)   Horizontale unmittelbare Wirkung von Art. 21 Abs. 1 der Charta

133.

In gewisser Hinsicht ließe sich gewiss vertreten, dass die Vorschrift, die eine Diskriminierung wegen der Religion verbietet, auf dieser Abstraktionsebene in der Tat hinreichend bestimmt, genau und unbedingt ist. Es soll unbedingt und bestimmt keine Diskriminierung wegen der Religion geben.

134.

Auf einer solchen Abstraktionsebene betrachtet, könnte dann allerdings im Grunde jede unionsrechtliche Bestimmung unmittelbar anwendbar sein. Deshalb wird bei der traditionellen Prüfung der unmittelbaren Wirkung ein anderer Prüfmaßstab angelegt: Ist der Inhalt der spezifischen Regelung hinreichend bestimmt und genau, um im Kontext einer bestimmten Rechtssache einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich zu sein?

135.

Die vorliegende Rechtssache ist selbst ein gutes Beispiel für die Komplexität dieser Frage und dafür, weshalb es keine „bestimmte, genaue und unbedingte“ Regel für die Beantwortung gibt. Würde aus Art. 21 Abs. 1 der Charta ein Anspruch auf einen bezahlen Feiertag (und eine Verpflichtung zu seiner Gewährung) folgen? Würde es sich um einen Feiertag am Karfreitag oder an einem anderen spezifischen Tag handeln? Oder ginge der Anspruch nur auf Geld, in der Form eines Anspruchs auf zusätzliches Arbeitsentgelt oder ein Feiertagsentgelt oder eine Entschädigung oder Schadensersatz (mit einer korrespondierenden Leistungspflicht des Arbeitgebers)?

136.

Meines Erachtens kann der knapp formulierte Art. 21 Abs. 1 der Charta unmöglich dahin ausgelegt werden, dass er solche Fragen beantwortet. Gleichwohl wird der nationale Richter, der die beanstandete nationale Rechtsvorschrift „unangewendet lässt“, wie in dieser Rechtssache unweigerlich mit diesen Fragen konfrontiert sein.

137.

Ich erkenne bereitwillig an, dass „bestimmt, genau und unbedingt“ nicht bedeutet, dass jeder Aspekt dieses Rechts ausdrücklich im Vorhinein in Rechtsvorschriften festgelegt ist. Dieses Szenario ist einfach nicht realistisch. Jedoch muss das, was unentschieden bleibt, wenigstens einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sein ( 69 ). Meines Erachtens ist allein schon das Wesen des in Rede stehenden Anspruchs (ein Feiertag am Karfreitag, ein undefinierter Tag als bezahlter Feiertag, Feiertagsentgelt, wenn der betreffende Feiertag nicht genommen wird) nicht etwas, das in diesem Sinne einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist.

138.

Unter einem grundsätzlicheren Blickwinkel halte ich die vorliegende Frage nicht für eine der horizontalen unmittelbaren Wirkung der Charta (in Verbindung mit einer Richtlinie). Wie gesagt, auf einer bestimmten Abstraktionsebene mag Art. 21 Abs. 1 der Charta ein „bestimmtes, genaues und unbedingtes“ Verbot der Diskriminierung enthalten, doch folgt daraus kein „bestimmtes, genaues und unbedingtes“ praktisches Erfordernis. Meines Erachtens sollte die vierte Frage des nationalen Gerichts nicht unter dem Aspekt der horizontalen unmittelbaren Wirkung behandelt werden. Es fehlt ganz eindeutig an einer horizontalen unmittelbaren Wirkung im oben beschriebenen Sinne, die spezifische Ansprüche (auf Geld, Leistungen usw.) und korrespondierende Verpflichtungen entstehen lässt.

b)   Horizontale unmittelbare Wirkung der Charta im Allgemeinen

139.

Jenseits des spezifischen Kontexts der vorliegenden Rechtssache und der Anwendung der traditionellen Direktwirkungsprüfung auf Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie gibt es weitere grundlegende Argumente dafür, dass die horizontale Wirkung der Bestimmungen der Charta problematisch wäre.

140.

Erstens richtet sich die Charta nach Art. 51 Abs. 1, ebenso wie Richtlinien nach Art. 288 AEUV, ganz einfach nicht an Einzelne, sondern an die Mitgliedstaaten und die Organe und Einrichtungen der Union. Es ließe sich vertreten, dass dieses auf dem Wortlaut basierende Argument nicht sehr stark sei, da die Charta tatsächlich schon bedeutende horizontale Wirkungen entfaltet, wie oben detailliert dargestellt ( 70 ). Es besteht jedoch ein erheblicher qualitativer Unterschied zwischen, einerseits, der Feststellung, dass eine Grundrechteerklärung für eine Vereinbarkeitsprüfung und das potenzielle Unangewendetlassen kollidierender Rechtsvorschriften genutzt werden und Quelle einer konformen Auslegung sein kann, die sich auch auf horizontale Situationen erstreckt, und, andererseits, der Feststellung, dass die Vorschriften dieser Grundrechteerklärung Quelle unmittelbarer Verpflichtungen für Private sind, und zwar unabhängig von gesetzlichen Bestimmungen und/oder in deren Abwesenheit. Dies ist auch der Grund dafür, dass nach meiner Kenntnis in einer Reihe von Rechtssystemen die nationale Grundrechteerklärung genau diese zwei Funktionen erfüllt, womöglich zusammen mit positiven Verpflichtungen, die der Staat erfüllen muss. Allerdings werden die Grundrechte, selbst wenn sie auf diese Weise in privatrechtliche Rechtsbeziehungen hineinwirken, gleichwohl wohlweislich nicht mit horizontaler unmittelbarer Anwendbarkeit ausgestattet.

141.

Zweitens liegt der Grund für diese Zurückhaltung sicher nicht im Fehlen des Wunsches, die Grundrechte wirksam zu schützen. Es ist vielmehr das Erfordernis der Vorhersehbarkeit, Rechtssicherheit und, auf der Verfassungsebene, der Gewaltenteilung. Grundrechteerklärungen sind gewöhnlich recht abstrakt und damit vage, wie die Charta. Sie bedürfen im Allgemeinen weiterer gesetzgeberischer Maßnahmen, um ihnen einen der gerichtlichen Überprüfung zugänglichen Inhalt zu geben. Solche Bestimmungen für sich allein mit horizontaler unmittelbarer Wirkung, mit Rechten und Pflichten für Private, auszustatten, würde bedeuten, extremen Formen richterlicher Kreativität Tür und Tor zu öffnen ( 71 ).

142.

Drittens könnte, da der Inhalt der aus der Charta folgenden Rechte und Pflichten unbestimmt ist, die Versuchung bestehen, im einschlägigen Sekundärrecht nach Antworten zu suchen. Wenn der Gerichtshof die Vereinbarkeit nationalen Rechts mit Bestimmungen der Charta beurteilt (Grundsatz des Vorrangs), verweist er in der Tat auf die Anwendung dieser Bestimmungen und allgemeiner Grundsätze „unter Berücksichtigung von“ oder „in Verbindung mit“ Sekundärrecht ( 72 ). Es scheint eine wachsende Anzahl von Urteilen des Gerichtshofs zu geben, bei denen der (oft recht komplexe) Inhalt von Richtlinien faktisch in Vorschriften der Charta eingebracht wird, bevor diese horizontal angewendet werden ( 73 ).

143.

Es besteht kein Zweifel daran, dass sich manchmal nur anhand des Sekundärrechts bestimmen lässt, was der (akzeptable) Inhalt eines Rechts oder allgemeinen Grundsatzes zu einem gegebenen Zeitpunkt ist ( 74 ). Es besteht jedoch ein Unterschied zwischen einer kritischen vergleichenden Prüfung (einer Reihe) von Quellen des Sekundärrechts zur Feststellung einer möglichen allgemeinen Entwicklung und der tatsächlich unkritischen und unmittelbaren „Transliteration“ des Inhalts einer Richtlinie in eine Bestimmung der Charta.

144.

Die letztere Herangehensweise ist mit zahlreichen verfassungsrechtlichen und praktischen Problemen verbunden ( 75 ). Soll die unmittelbare Wirkung von Bestimmungen der Charta tatsächlich davon abhängen, ob und welche sekundären Rechtsvorschriften in einem bestimmten Bereich erlassen wurden? Wird über das (Nicht‑)Bestehen der unmittelbaren Wirkung der Charta daher indirekt vom Unionsgesetzgeber entschieden? Sollte die Charta auf diese Weise „entkonstitutionalisiert“ werden? Sollte sie vom Sekundärrecht bestimmt und beherrscht werden, anstatt dessen Prüfmaßstab zu sein? Wenn nicht oder, sicherlich, wenn nicht immer, wann sollte dies der Fall sein und wann nicht?

145.

Letztlich ist es dieses Problem der Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit, das mich – zugegebenermaßen verbunden mit einem ausgeprägten Beigeschmack der Umgehung der zuvor von mir selbst gesetzten Grenzen – zum letzten Punkt bringt: Sollte dies in der Tat die zukünftige Herangehensweise des Gerichtshofs sein, wäre es möglicherweise ratsam, die Frage der horizontalen unmittelbaren Wirkung von Richtlinien neu zu überdenken. Die Beharrlichkeit, mit der formal die horizontale unmittelbare Wirkung von Richtlinien bestritten wird, während gleichzeitig Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt werden, damit diese Beschränkung in der Praxis keine wie auch immer gearteten praktischen Folgen hat, wie z. B. durch Einbringung des Inhalts einer Richtlinie in eine Bestimmung der Charta, erscheint zunehmend fragwürdig.

c)   Keine horizontale unmittelbare Wirkung, aber immerhin (erhebliche) Wirkungen

146.

Das Fehlen einer horizontalen unmittelbaren Wirkung von Art. 21 Abs. 1 (und im Übrigen auch anderer Bestimmungen) der Charta heißt nicht, dass diese Bestimmungen keine horizontalen Wirkungen entfalten. Ganz im Gegenteil. Aber diese Wirkungen sind anders geartet. In Bezug auf nationales Recht, dient die Charta als (a) Auslegungshilfe für eine konforme Auslegung des nationalen Rechts; (b) Maßstab für die Vereinbarkeit von Unionsrecht und nationalem Recht, mit der möglichen Folge, dass der nationale Richter nationale Rechtsvorschriften (die in einem Zusammenhang angewandt werden, in dem der Mittgliedstaat innerhalb des Geltungsbereichs des Unionsrechts handelt), wenn sie nicht mit der Charta vereinbar sind, sogar in Streitigkeiten zwischen Privaten unangewendet lassen muss. Letzteres ist jedoch eine Folge des Vorrangs des Unionsrechts und nicht der horizontalen unmittelbaren Wirkung der Bestimmungen der Charta. Neue eigenständige Pflichten für Private können nicht allein auf der Grundlage der Charta begründet werden.

147.

Zugegebenermaßen mag die Nichtanwendung unvereinbaren nationalen Rechts für sich allein den Parteien keinen sofortigen Schutz gewähren. Das ist in der vorliegenden Rechtssache eindeutig der Fall. Nichtanwendung bedeutet Streichung der beanstandeten nationalen Rechtsvorschriften. Wollte man nicht eine einzigartige, um nicht zu sagen gewundene und gefährliche Herangehensweise im Hinblick auf den Begriff der „Nichtanwendung“ wählen (z. B. die selektive Streichung bestimmter Wörter in der beanstandeten Bestimmung) ( 76 ), würde Nichtanwendung oder Unangewendetlassen der verstoßenden Bestimmung in der vorliegenden Rechtssache bedeuten, den gesamten § 7 Abs. 3 ARG unangewendet zu lassen. Das würde bedeuten, dass vom Zeitpunkt dieser richterlichen Erklärung der Unvereinbarkeit an niemand am Karfreitag einen Feiertag hätte.

148.

Eine alternative Herangehensweise wäre, zu erwägen, dass ein horizontal unmittelbar wirkendes Recht besteht, frei von Diskriminierung zu sein, und dass dieses Recht ein Recht umfasst, die gleichen Ansprüche und Leistungen zu erhalten wie die bevorzugte Gruppe (im Folgenden: Anpassung nach oben) oder die Kollegen gleich schlecht behandelt zu sehen (im Folgenden: Anpassung nach unten). Dies kommt in der Tat in der vierten Frage des nationalen Gerichts zum Ausdruck. Allerdings wäre, wenn die Lösung der Anpassung nach oben gewählt würde (ich werde unten auf diesen Punkt zurückkommen), keine der vorstehenden Fragen zu Art und Umfang dieser Rechte beantwortet.

149.

Stattdessen sollte meiner Ansicht nach die Frage dahin verstanden werden, dass Klarheit über die genauen Rechtsbehelfe gesucht wird, die in einer Rechtssache wie der vorliegenden verfügbar sein müssen, und nicht über eine schwer fassbare Reihe spezifischer Ansprüche (auf Feiertage, Feiertagsentgelte usw.). Diese Herangehensweise findet sich tatsächlich bereits in den Urteilen Mangold, Kücükdeveci, DI und Egenberger, in denen jeweils die Nichtanwendung der beanstandeten nationalen Bestimmung und das Bestehen eines Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf (nicht auf horizontale unmittelbare Wirkung der Charta) bestätigt wurde. Der in der vorliegenden Rechtssache auf den praktischen Folgen einer Nichtanwendung liegende Schwerpunkt bedeutet jedoch, dass sich der Gerichtshof eindeutig zu diesem Unterschied äußern muss. Ich wende mich nun dieser Frage zu.

3.   Rechtsbehelfe

150.

Art. 21 Abs. 1 der Charta begründet keine spezifische Reihe korrespondierender Ansprüche und Verpflichtungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Gleichwohl obliegt es insbesondere den nationalen Gerichten, den Rechtsschutz zu gewährleisten, der sich für den Einzelnen aus den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt, und deren volle Wirkung sicherzustellen ( 77 ). Gemäß dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes muss ein Rechtsbehelf gegen die Diskriminierung zur Verfügung stehen ( 78 ).

151.

Fehlen entsprechende Unionsvorschriften, ist es Sache der Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, zu bestimmen, welches Gericht zuständig ist, und die detaillierten Verfahrensregeln festzulegen, die auf die Rechtsbehelfe zur Wahrung der Rechte anwendbar sind, die sich für den Einzelnen aus dem Unionsrecht ergeben. Jedoch sind die Mitgliedstaaten dafür verantwortlich, dass diese Rechte in jedem Einzelfall wirksam geschützt ( 79 ) und dabei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität gewahrt werden ( 80 ).

152.

Der Gerichtshof kann gleichwohl Hinweise dazu geben, was das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf in einer Rechtssache wie der vorliegenden beinhaltet. Es gibt zwei Fragen, bei denen der Gerichtshof das vorlegende Gericht unterstützen kann, und zwar erstens bei der Frage, ob der Rechtsbehelf auf Anpassung nach oben oder nach unten gerichtet ist (a), und zweitens bei der Frage, gegen wen dieser Rechtsbehelf gerichtet werden sollte (b).

153.

Meines Erachtens verlangt das Unionsrecht in einer Rechtssache wie der vorliegenden, der ein Rechtsstreit zwischen Privaten zugrunde liegt und in der die Quelle der Diskriminierung in nationalen Rechtsvorschriften liegt und auf der Grundlage von Art. 21 Abs. 1 der Charta (im Rahmen einer abstrakten Prüfung wie bei Frage 1, in Verbindung mit der Richtlinie 2000/78) festgestellt worden ist, keinen Rechtsbehelf, der gegen den Arbeitgeber gerichtet ist. Es verlangt jedoch, dass das Opfer zur Behebung des Verstoßes eine Schadensersatzklage gegen den Staat erheben kann.

154.

Bevor ich auf diese Punkte detaillierter eingehe, werde ich die Frage der „Anpassung nach oben“ und „Anpassung nach unten“ behandeln.

a)   Anpassung nach oben und Anpassung nach unten

155.

Die vierte Frage des vorlegenden Gerichts fasst zwei Lösungen für das Problem der Diskriminierung in der vorliegenden Rechtssache ins Auge: die Anpassung nach oben oder die Anpassung nach unten.

156.

Ich möchte klarstellen, dass ich verstehe, dass die Frage des vorlegenden Gerichts nur die „Übergangszeit“ betrifft, d. h. die Zeit zwischen der Erklärung der Unvereinbarkeit und der Einführung eines neuen Systems durch den nationalen Gesetzgeber. Für diesen Zeitraum ist die Frage der Anpassung nach oben oder unten in der Tat offen.

157.

Im Gegensatz dazu stellt sich diese Frage nicht wirklich für die Vergangenheit, d. h. für die vergangenen Jahre, in denen das Feiertagsentgelt nur einer ausgesuchten Gruppe, nicht aber den anderen gewährt wurde, und für die noch keine Verjährung nach nationalem Recht eingetreten ist. Für diese Zeiträume liegt praktisch der einzige Weg, die frühere Diskriminierung zu beheben, in der „Anpassung nach oben“. Wegen des berechtigten Vertrauens oder vielmehr der bereits erworbenen Ansprüche können der privilegierten Gruppe ihre Vorteile nicht im Nachhinein entzogen werden. Daher besteht die einzige echte Möglichkeit einer Behebung der Diskriminierung für diesen Zeitraum darin, jedem die gleichen Leistungen zu gewähren (jedoch nach Maßgabe der im folgenden Abschnitt behandelten Frage, wer diese Zahlungen zu leisten hat und warum).

158.

Wendet man sich nun nur der Übergangszeit zu, so hat die Kommission insoweit auch ausgeführt, dass die angemessene Antwort in der Anpassung nach oben liege. Sowohl der Kläger als auch die Kommission stützen sich dabei auf die Rechtsprechung einschließlich der Urteile Milkova, Specht u. a. und Landtová ( 81 ).

159.

Es ist in der Tat richtig, dass der Gerichtshof in diesen Urteilen allgemein festgestellt hat, „dass die Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung, wenn eine unionsrechtswidrige Diskriminierung festgestellt worden ist und solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen worden sind, nur dadurch gewährleistet werden kann, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden wie die, die den Angehörigen der privilegierten Gruppe zugutekommen, wobei diese Regelung, solange das Unionsrecht nicht richtig durchgeführt ist, das einzig gültige Bezugssystem bleibt“ ( 82 ).

160.

Dies bedeutet, dass dann, wenn sich das nationale Gericht mit einer auf Rechtsvorschriften beruhenden Diskriminierung konfrontiert sieht, die unausweichliche Folge der Nichtanwendung der kollidierenden Bestimmung des nationalen Rechts in der Tat in der „Anpassung nach oben“ besteht, solange keine diskriminierungsfreien Rechtsvorschriften erlassen worden sind (die möglicherweise eine Anpassung nach unten vorsehen) ( 83 ).

161.

Hierzu möchte ich Folgendes bemerken.

162.

Erstens verlangt der Vorrang, einschließlich des Vorrangs der Charta, dass die nationale Rechtsvorschrift, die mit dem Unionsrecht unvereinbar ist, nicht angewendet wird. Dies bedeutet, dass die beanstandete Vorschrift in Situationen, in denen sie mit dem Unionsrecht kollidiert, im Grunde als aus der nationalen Rechtsordnung verschwunden gilt. Daraus folgt logischerweise, dass das, was verschwunden ist, auf niemanden mehr Anwendung finden kann. Wie durch ein Wunder ersteht die gleiche Vorschrift, die entfernt wurde, als sie Anwendung auf einige fand, jedoch wieder auf, um auf alle angewendet zu werden. Dieses Paradoxon, das der Anpassung nach oben innewohnt, muss anerkannt werden, bevor man darauf eingehen kann.

163.

Zweitens erscheint – als ein allgemeiner Vorschlag – die Lösung der Anpassung nach oben als einer vorübergehenden Standardabhilfemaßnahme (anstatt eines horizontalen unmittelbar wirkenden Rechts) insbesondere unter dem Gesichtspunkt des berechtigten Vertrauens der bevorzugten Gruppe vorzugswürdig. Aber der Teufel steckt auch hier wieder im Detail (oder zumindest in der praktischen Anwendung). Die komplexeren Rechtssachen betreffen nicht in Geld bestehende Leistungen. In der vorliegenden Rechtssache hat die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen geltend gemacht, dass § 7 Abs. 3 ARG dadurch diskriminieren könnte, dass einigen religiösen Gruppen, jedoch nicht allen, am Karfreitag ein freier Tag gewährt werde. Allerdings besteht die von der Kommission vorgeschlagene Lösung nicht darin, den Karfreitag als Feiertag auf alle auszuweiten. Vielmehr hat sie vorgeschlagen, die Vorschrift richterlich so umzuschreiben, dass die Leistung des bezahlten freien Tages auf alle Arbeitnehmer ausgedehnt wird, um ein von jedem einzelnen Arbeitnehmer zu bestimmendes „besonders wichtiges“ religiöses Ereignis zu feiern. „Anpassung nach oben“ ist zwar ein einprägsamer Ausdruck (zumindest trifft dies auf den englischen Ausdruck „levelling up“ zu), kaschiert jedoch eine potenziell erhebliche Komplexität, ja sogar Willkür, in seiner praktischen Anwendung, die derjenigen nicht unähnlich ist, die bereits im Zusammenhang mit der Frage der horizontalen unmittelbaren Wirkung festgestellt wurde.

164.

Drittens gibt es mehrere Urteile des Gerichtshofs, in denen dieser sich für eine Variante des Grundsatzes der „Anpassung nach oben“ ausgesprochen hat. Allerdings unterscheiden sich diese Rechtssachen in einigen Merkmalen. Dabei sind zwei von besonderer Bedeutung, nämlich die Quelle der Diskriminierung und die Identität des Beklagten.

165.

Insoweit weise ich darauf hin, dass in allen von den Parteien zur Stützung der Lösung der Anpassung nach oben angeführten Rechtssachen ( 84 ) das nationale Recht die Quelle der Diskriminierung und der Staat der Beklagte war (und es in dem Rechtsstreit um Geld ging ( 85 )). Das ist meines Erachtens die einfachste der möglichen Konstellationen (und in der Rechtsprechung des Gerichtshofs in der Tat die häufigste) ( 86 ). Letzten Endes muss der Mitgliedstaat die Rechnung für die gesetzliche Diskriminierung bezahlen. Das ist das eindeutige Ergebnis des Urteils Francovich u. a. und seiner Nachkommen. Die Staatshaftung muss grundsätzlich ein Sicherheitsnetz bereitstellen.

166.

Es gibt auch Rechtssachen, in denen der Gerichtshof im Kontext eines Rechtsstreits zwischen Privaten auf den Grundsatz der Anpassung nach oben verwiesen hat. Allerdings handelt es sich dabei um eine begrenzte Anzahl von Rechtssachen, in denen es um Diskriminierungen hinsichtlich Renten ( 87 ) oder Gehalt ( 88 ) ging, die allgemein dem Arbeitgeber zuzurechnen waren (und nicht auf dem Gesetz beruhten). Im Zusammenhang mit privaten Rechtsstreitigkeiten, in denen eine Diskriminierung geltend gemacht wurde, hat der Gerichtshof nicht die Anpassung nach oben als generelle Lösung vorgeschlagen, sondern den Schwerpunkt auf das allgemeine Erfordernis wirksamer Rechtsbehelfe und Sanktionen gelegt ( 89 ).

167.

Viertens vermag ich in Ermangelung spezifischer zusätzlicher Gründe, wie z. B. der Menschenwürde oder des Vertrauensschutzes, die eine Anpassung nach unten für die Übergangszeit in einer konkreten Rechtssache verhindern, keinerlei grundsätzliches Argument dafür zu erkennen, dass eine Anpassung nach unten systematisch und in jedem Fall der Diskriminierung per se ausgeschlossen sein sollte. Dies gilt erst recht für Rechtssachen, in denen die der bevorzugten Gruppe gewährte Leistung nicht wiederkehrend ist oder, wenn sie wiederkehrend ist, kein Abhängigkeitsverhältnis geschaffen wurde (wie z. B. wiederkehrende Sozialversicherungsleistungen).

168.

Zurück zur vorliegenden Rechtssache: Was wäre der spezifische (zusätzliche) Grund, sich über das Ergebnis, dass die beanstandete Vorschrift „unangewendet bleiben“ muss, hinwegzusetzen und es durch das Ergebnis zu ersetzen, dass ihr persönlicher Geltungsbereich 50-fach erweitert werden muss ( 90 )?

169.

Die Großherzigkeit der Verkündung, jeder solle es besser haben, mag zwar persönlich befriedigend sein, doch ist sie ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit rechtlich kaum angemessen ( 91 ). Ich möchte betonen, dass wirtschaftliche Argumente natürlich keine Rechtfertigung für eine Diskriminierung darstellen. Diese Feststellung allein bildet jedoch keine positive Rechtfertigung für eine Anpassung nach oben.

170.

Auf den Schutz der Religionsfreiheit der Angehörigen der vier Kirchen abzustellen, hilft ebenso wenig weiter. Ich weise insoweit darauf hin, dass § 8 ARG dem Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht auferlegt, die effektiv von ihm verlangt, der Notwendigkeit der Religionsausübung seiner Arbeitnehmer in vernünftiger Weise Rechnung zu tragen. Wenn dies für die besonderen religiösen Feste der anderen Minderheitsreligionen in Österreich ausreicht, warum genügt es dann nicht für die Angehörigen der vier Kirchen? Umgekehrt ist unklar, wie eine „Anpassung nach oben“, vielleicht durch die Zahlung eines doppelten Arbeitsentgelts oder die Gewährung eines freien Tages am Karfreitag für alle österreichischen Arbeitnehmer, die Religionsfreiheit in irgendeiner Weise fördern würde.

171.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen halte ich es in der vorliegenden Rechtssache für unmöglich, dem vorlegenden Gericht einfach mit der Bestätigung zu antworten, dass die „Anpassung nach oben“ der einzig richtige Weg ist. Dies ist eine Lösung, die der Gerichtshof im Zusammenhang mit Klagen gegen den Staat vor allem in Bezug auf Leistungen der Sozialversicherung entwickelt hat und die sich nicht generell auf horizontale Rechtsstreitigkeiten übertragen lässt. Darüber hinaus würde es sich unter den vorliegenden Umständen um eine allzu simple Antwort handeln, die bestimmte Komplexitäten kaschiert, die von großer praktischer Bedeutung sind. Stattdessen sollte in der vorliegenden Rechtssache meines Erachtens die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu wirksamen Rechtsbehelfen als Ausgangspunkt dienen.

b)   Wirksame Rechtsbehelfe (und Identität des Beklagten)

172.

Obwohl Art. 21 Abs. 1 der Charta keine horizontale unmittelbare Wirkung entfaltet, muss die problematische nationale Bestimmung unangewendet bleiben (Frage 1). Auf die Frage der Anpassung nach oben oder unten wurde oben eingegangen. In diesem Schlussabschnitt wende ich mich der Frage zu, wer den Schaden beheben muss. Es gibt im Wesentlichen zwei Optionen: (a) der Arbeitgeber (der sich dann gegen den Staat wenden kann) oder (b) der Staat (der von dem Arbeitnehmer direkt verklagt werden sollte). Meines Erachtens ist letztere Antwort die richtige: der Staat.

i) Rechtsbehelfe gegen den Arbeitgeber

173.

Verlangt das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf in einer Rechtssache wie der vorliegenden, in der der Kläger das Opfer diskriminierender nationaler Rechtsvorschriften ist, die der Arbeitgeber anwendet, dass der Arbeitnehmer einen Rechtsbehelf gegen diesen Arbeitgeber hat?

174.

Generalanwalt Cruz Villalón hat diese Option in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache AMS ausdrücklich befürwortet. Seines Erachtens ist es „vernünftig, dass die Last der Haftungsklage auf den zurückfällt, dem die rechtswidrige Handlung zugutegekommen ist, und nicht auf den Inhaber des aus der Konkretisierung des Inhalts des ‚Grundsatzes‘ entstandenen Rechts“ ( 92 ). Der haftbar gemachte Arbeitgeber könnte sich dann gegen den Staat wenden.

175.

Wenn ich mich nicht irre, ist der Gerichtshof nie direkt auf diesen Punkt eingegangen. Allerdings könnte das Urteil DI auch so verstanden werden, als stelle es ein solches Erfordernis auf ( 93 ).

176.

Eine solche Herangehensweise könnte in der Tat durch Effektivität (des Schutzes des Arbeitnehmers) gerechtfertigt sein. Es kann billiger und schneller (und weniger abschreckend) für den Arbeitnehmer sein, den Arbeitgeber zu verklagen als den Staat. Moralisch gesprochen wird der Arbeitnehmer durch das diskriminierende Recht geschädigt und verdient Schutz. Wie mein gelehrte Kollege Generalanwalt Cruz Villalón festgestellt hat, hat der Arbeitgeber als Folge der Diskriminierung wahrscheinlich einen unrechtmäßigen Vorteil erlangt, der ausgeglichen werden muss. Insgesamt gesehen, hat der Arbeitgeber wahrscheinlich eine relative Machtposition inne.

177.

Daher tendieren die Argumente, die dafür sprechen, dass es gegen Diskriminierung bei den Arbeitsbedingungen immer einen direkten Rechtsbehelf gegen den Arbeitgeber geben muss, im Wesentlichen dazu, sich um drei Merkmale zu drehen: Quelle, Fehler und Vorteil, potenziell verbunden mit dem Argument der Stärke und der (inhärenten) Ungleichheit.

178.

Auf einer allgemeinen Ebene sind diese Argumente sicherlich für eine bestimmte Art der Diskriminierung stichhaltig, nämlich diejenige, die zumindest zum Teil dem Arbeitgeber zugeordnet werden kann. Allerdings treffen sie in einer Rechtssache wie der vorliegenden, der ein Rechtsstreit zwischen Privaten zugrunde liegt, in dem eine Diskriminierung wegen der Religion geltend gemacht wird, die direkt auf den nationalen Rechtsvorschriften beruht, auf eine Reihe logischer Schwierigkeiten.

179.

Erstens ist die Quelle des Verstoßes in der vorliegenden Rechtssache das nationale Recht. Es liegt kein eigenes Ermessen oder eine unabhängige Entscheidung des Arbeitgebers vor. Er hat einfach das verbindliche nationale Recht angewandt. Eine solche Situation unterscheidet sich stark von denjenigen Situationen für die der Gerichtshof die Einräumung eines Rechtsbehelfs gegen den Arbeitgeber verlangte, in denen die Diskriminierung auch von den eigenen Entscheidungen des Arbeitgebers herrührte ( 94 ).

180.

Damit wird, zweitens, ein Bezug zum Merkmal des Fehlers hergestellt. Für welchen Fehler soll der Arbeitgeber zahlen? Für die Anwendung des nationalen Rechts? In Rechtssachen, in denen der Gerichtshof vermeintliche, gegen das Unionsrecht verstoßende Diskriminierungen durch den Arbeitgeber geprüft hat, hat er oft festgestellt, dass eine für den Verstoß verhängte Sanktion wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein muss ( 95 ). Sofern man nicht von Arbeitgebern verlangt, dass sie als Verfassungspolizisten handeln, die einer positiven Verpflichtung unterliegen, nationale Rechtsvorschriften, die ihrer Ansicht nach gegen Bestimmungen der Charta verstoßen könnten, zu identifizieren und aktiv gegen sie vorzugehen, entfällt dieser Grund der Abschreckung. Oder liegt der Fehler des Arbeitgebers darin, dass er die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit Art. 21 Abs. 1 der Charta und der Richtlinie 2000/78 nicht in Frage gestellt hat? Wird daher in praktischer Hinsicht vom Arbeitgeber erwartet, dass er voraussieht, was sich nach Abschluss mehrjähriger Verfahren unter Beteiligung des Obersten Gerichtshofs eines Mitgliedstaats, der Großen Kammer des Gerichtshofs und vieler anderer gelehrter Anwälte und Richter, die ihren Beitrag in vielen verschiedenen Phasen geleistet haben, herausstellt?

181.

Drittens kann ich auch nicht erkennen, wie ein Arbeitgeber davon profitieren sollte, dass er bestimmten Arbeitnehmern ein doppeltes Gehalt zu zahlen hat, oder auch daraus, dass er verpflichtet ist, ihnen am Karfreitag einen bezahlten Feiertag zu gewähren. Will man nicht, gestützt auf eine sehr fragwürdige Auslegung, die Tatsache, dass der Arbeitgeber davon absieht, den anderen 98 % seiner Arbeitnehmer das Gleiche zu zahlen, als unrechtmäßigen, von den Arbeitgebern ergaunerten Vorteil einstufen, sehe ich nur Lasten, die dem Arbeitgeber auferlegt werden.

182.

Viertens wird das Argument der relativen Schwäche angeführt. Im Gegensatz zu den drei anderen Argumenten hat dieses zumindest ein wenig Zugkraft. Es ließe sich sogar vertreten, dass es Vorrang vor allen anderen Erwägungen hat: Wegen der einem Beschäftigungsverhältnis innewohnenden Ungleichheit soll es, unabhängig von den konkreten Umständen, immer dem Arbeitgeber zufallen, die Zeche zu zahlen.

183.

Dieses Argument verdeckt eine zutiefst ideologische Entscheidung über die Zuordnung von Risiken und Kosten ( 96 ). Darüber hinaus kann wohl sicher angenommen werden, dass nicht alle Arbeitgeber in Österreich oder anderswo in der Europäischen Union sprichwörtliche gesichtslose multinationale Unternehmen sind. Viele Unternehmen werden von Einzelnen oder einer kleinen Zahl von Personen betrieben. Warum sollten sie die Kosten der Anwendung fehlerhaften nationalen Rechts tragen?

184.

Allerdings trifft sicherlich zu, dass solche Fragen irrelevant werden, wenn der Arbeitgeber im Wesentlichen aufgefordert würde, die Rechnung einfach deshalb zu zahlen, weil er Arbeitgeber ist. Dabei handelt es sich um ein axiomatisches Argument, aber auch, so würde ich meinen, um eines, dem nicht blind gefolgt werden sollte.

185.

Fasst man die oben dargelegten Gründe zusammen, so verlangt meines Erachtens das Unionsrecht nicht, dass in Rechtssachen wie der vorliegenden, in denen der Arbeitgeber im Einklang mit nationalem Recht gehandelt hat, dieses jedoch als gegen Art. 21 Abs. 1 der Charta (in Verbindung mit der Richtlinie 2000/78) verstoßend angesehen wird, ein Rechtsbehelf gegen den Arbeitgeber besteht. Zur Klarstellung: Dieses Ergebnis gilt für Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten, nicht aber, wenn der Beklagte der Staat ist (der als Arbeitgeber handelt). Allerdings steht das Unionsrecht einem solchen Rechtsbehelf sogar gegen private Arbeitgeber nicht entgegen, sollten solche Rechtsbehelfe nach nationalem Recht verfügbar sein.

ii) Schadensersatzklage gegen den Staat

186.

Es besteht ein in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannter Unterschied zwischen einer Diskriminierung, deren ursprüngliche Quelle (wie im Ausgangsverfahren) der Gesetzgeber ist, und einer Diskriminierung, bei der dies der Arbeitgeber ist ( 97 ). Lassen wir uns von den überzeugenden Argumenten der Kommission in der Rechtssache Dekker inspirieren ( 98 ): „Unter diesen Umständen stellt sich die Frage, ob von dem Arbeitgeber berechtigterweise erwartet werden kann, entweder die diskriminierende nationale Regelung insgesamt zu ignorieren oder sie vor den Gerichten wegen Unvereinbarkeit mit der Richtlinie oder mit dem Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen [in der Rechtssache Dekker] anzufechten. Das Ergebnis eines solchen Verfahrens wäre allerdings weitgehend ungewiss; auf jeden Fall würde ein solches Erfordernis darauf hinauslaufen, dass dem Arbeitgeber eine Verpflichtung auferlegt würde, die vom Staat getragen werden sollte.“

187.

Es bestehen weitere Gründe, die dagegen sprechen, dass das Unionsrecht unter solchen Umständen einen Rechtsbehelf gegen einen privaten Arbeitgeber verlangt, und dafür sprechen, dass ein wirksamer Rechtsschutz in der Praxis in einer Schadensersatzklage gegen den Staat besteht. Die meisten spiegeln Argumente wider, die bereits im vorstehenden Abschnitt angesprochen wurden.

188.

Erstens gibt es ein einfaches, schon unter den Überschriften Quelle und Fehler untersuchtes moralisches Argument. Der Hauptverantwortliche für die Diskriminierung ist der Staat. Unter ansonsten gleichen Umständen ist es unklar, warum die Kosten für diesen Fehler zunächst von den Arbeitgebern getragen werden sollen.

189.

Das moralische Argument stimmt mit einem strukturellen Argument überein. Wenn als Folge des Vorrangs und der abstrakten Vereinbarkeitsprüfung die beanstandete nationale Bestimmung unangewendet bleibt, sind sowohl der Fehler als auch die sich daraus ergebende Regelungslücke klar dem Mitgliedstaat zuzurechnen.

190.

Zweitens wird es für den einzelnen Arbeitgeber nicht abschreckend wirken, wenn man ihn zunächst haftbar macht ( 99 ); dies kann sogar den Abschreckungseffekt gegenüber dem wirklich Verantwortlichen, dem Staat, abmildern. Für Gesetzesänderungen muss Druck auf den Staat ausgeübt werden.

191.

Drittens bedeutet es eine Verdoppelung der Gerichtsverfahren, wenn Arbeitnehmer ihre Ansprüche dadurch befriedigen können, dass sie gegen ihren Arbeitgeber klagen, dass er das Gesetz angewandt hat, und die Arbeitgeber ihrerseits gegen den Staat klagen. Wendet sich der Geschädigte dagegen direkt gegen den Schuldigen und nicht gegen den Mittelsmann, dem nichts vorzuwerfen ist, wird eine Reihe von Prozessen vermieden.

192.

Viertens hat der Gerichtshof im Kontext eines privaten Rechtsstreits, in dem eine konforme Auslegung nicht möglich ist, in ständiger Rechtsprechung verneint, dass sich ein Einzelner gegenüber einem anderen Einzelnen unmittelbar auf die Richtlinie berufen kann. Es muss einen Rechtsbehelf geben, aber dieser liegt in einer Schadensersatzklage gegen den Staat ( 100 ). Es ist nicht ersichtlich, warum dies grundsätzlich anders sein sollte, wenn parallel Bestimmungen der Charta geltend gemacht werden. Auf diese Weise sollten die Rechtsbehelfsstrukturen in privaten Rechtsstreitigkeiten bei Berufung auf Unionsrechtsquellen, denen keine horizontale unmittelbare Wirkung zukommt, konsistent sein.

193.

Fünftens und letztens spricht ein weiterer Aspekt der Gesamtkonsistenz für die hier befürwortete Herangehensweise bei den Rechtsbehelfen. Er schlägt den Bogen zurück zum Vergleichsrahmen. Ich habe vorgeschlagen, dass in Rechtssachen, in denen eine abstrakte Vereinbarkeitsprüfung stattfindet, Gruppen den Vergleichsrahmen bilden sollten ( 101 ). Dies steht vollkommen im Einklang mit der Tatsache, dass die Quelle der Differenzierung im nationalen Recht und nicht in irgendeiner Entscheidung des Arbeitgebers liegt. Deshalb kam es nicht darauf an, wer die anderen Arbeitnehmer des Arbeitgebers (Cresco Investigation) waren und ob der Kläger im Vergleich zu ihnen anders behandelt wurde.

194.

Diese Frage würde aber recht bedeutsam werden, und die damit verbundene Erörterung der Vergleichbarkeit würde vollkommen neu eröffnet, wenn vom Kläger verlangt würde, sich mit der Behauptung gegen den Arbeitgeber zu wenden, dieser habe ihn diskriminiert ( 102 ). Angenommen, dieser konkrete Arbeitgeber hätte keine Angehörigen der vier Kirchen unter seinen Angestellten ( 103 ), lautete seine logische Verteidigung natürlich, er habe niemanden diskriminiert, da er alle seine Arbeitnehmer genau gleich behandelt habe. Wie soll ein solcher Arbeitgeber dann für eine Diskriminierung haftbar gemacht werden können, die zu begehen ihm vollkommen unmöglich war?

195.

Die beiden letzten Punkte unterstreichen das Erfordernis der logischen Kohärenz, egal welche Herangehensweise der Gerichtshof letztlich wählt, und zwar auf zwei Ebenen: erstens innerhalb der vorliegenden Rechtssache (die Art der Prüfung steht in Beziehung zum Vergleichbarkeitsrahmen, der wiederum Einfluss auf die Rechtsbehelfe hat) und zweitens horizontal in Bezug auf die für Verstöße gegen bestimmte Unionsrechtsquellen zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe.

196.

Aus den in diesem und den vorstehenden Abschnitten dargestellten Gründen bin ich der Auffassung, dass Einzelne Art. 21 Abs. 1 der Charta (in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78) geltend machen können, damit unvereinbare Vorschriften des nationalen Rechts unangewendet bleiben. Das Unionsrecht verlangt aber nicht, dass die Kosten des Versäumnisses des Staates, die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit der Charta zu gewährleisten, zunächst von den privaten Arbeitgebern zu tragen sind, die dieses nationale Recht anwenden.

4.   Ergebnis zur vierten Frage

197.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vierte Frage des vorlegenden Gerichts wie folgt zu beantworten:

Unter Umständen wie denen der vorliegenden Rechtssache, der ein Verfahren zwischen Privaten zugrunde liegt,

müssen die nationalen Rechtsvorschriften, die als mit Art. 21 Abs. 1 der Charta in Verbindung mit Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 unvereinbar angesehen werden, unangewendet bleiben, solange der Gesetzgeber keine diskriminierungsfreie Rechtslage geschaffen hat;

kann Art. 21 Abs. 1 der Charta in Verbindung mit Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 für sich allein dem Arbeitgeber keine Verpflichtungen auferlegen;

kann sich ein durch eine solche Anwendung des nationalen Rechts Geschädigter gleichwohl auf das Urteil vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428), berufen, um gegebenenfalls Ersatz des entstandenen Schadens zu erlangen.

V. Ergebnis

198.

Daher schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die Fragen des Obersten Gerichtshofs (Österreich) zu antworten:

1.

Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Verbindung mit Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Karfreitag nur für Angehörige der Evangelischen Kirchen des Augsburger und Helvetischen Glaubensbekenntnisses, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche ein Feiertag mit einer ununterbrochenen Ruhezeit von mindestens 24 Stunden ist und ein Angehöriger einer dieser Kirchen, wenn er arbeitet, obwohl dieser Tag ein Feiertag ist, zusätzlich zu dem Anspruch auf Entgelt für die Arbeit, die nicht geleistet werden muss, weil dieser Tag ein Feiertag ist, auch einen Anspruch auf Entgelt für die tatsächlich geleistete Arbeit hat, während andere Arbeitnehmer, die nicht Angehörige dieser Kirchen sind, keinen solchen Anspruch haben.

2.

Unter Umständen wie denen der vorliegenden Rechtssache stellen nationale Rechtsvorschriften, die ein Feiertagsentgelt der in der ersten Frage beschriebenen Art nur den Angehörigen bestimmter Kirchen, die am Karfreitag arbeiten, gewähren, keine Maßnahme dar, die in einer demokratischen Gesellschaft zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer im Sinne der Richtlinie 2000/78 erforderlich ist.

3.

Nationale Rechtsvorschriften, die ein Feiertagsentgelt der in der ersten Frage beschriebenen Art gewähren, stellen keine positive und spezifische Maßnahme im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 dar.

4.

Unter Umständen wie denen der vorliegenden Rechtssache, der ein Verfahren zwischen Privaten zugrunde liegt,

müssen die nationalen Rechtsvorschriften, die als mit Art. 21 Abs. 1 der Grundrechtecharta in Verbindung mit Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 unvereinbar angesehen werden, unangewendet bleiben, solange der Gesetzgeber keine diskriminierungsfreie Rechtslage geschaffen hat;

kann Art. 21 Abs. 1 der Grundrechtecharta in Verbindung mit Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 für sich allein dem Arbeitgeber keine Verpflichtungen auferlegen;

kann sich ein durch eine solche Anwendung des nationalen Rechts Geschädigter gleichwohl auf das Urteil vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428), berufen, um gegebenenfalls Ersatz des entstandenen Schadens zu erlangen.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Richtlinie des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).

( 3 ) Zur Frage, ob eine Bestimmung des nationalen Rechts mit diesen oder jenen Merkmalen generell und im Wesentlichen unabhängig von der Natur des Rechtsverhältnisses, auf das sie auf nationaler Ebene angewandt wurde, mit dem Unionsrecht vereinbar ist, vgl. kürzlich z. B. Urteil vom 19. Juli 2017, Abercrombie & Fitch Italia (C‑143/16, EU:C:2017:566).

( 4 ) Vgl. Urteil vom 17. April 2018, Egenberger (C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 58).

( 5 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Tanchev in der Rechtssache Egenberger (C‑414/16, EU:C:2017:851, Nr. 93, vgl. auch Nr. 88).

( 6 ) Vgl. Urteil vom 17. April 2018, Egenberger (C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 58).

( 7 ) Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache G4S Secure Solutions (C‑157/15, EU:C:2016:382, Nr. 32); Schlussanträge des Generalanwalts Tanchev in der Rechtssache Egenberger (C‑414/16, EU:C:2017:851, Nr. 95).

( 8 ) Vgl. Urteil vom 27. Juni 2017 (C‑74/16, EU:C:2017:496).

( 9 ) Vgl. jedoch Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in dieser Rechtssache (C‑74/16, EU:C:2017:135, Nrn. 29 bis 33).

( 10 ) Vgl. kürzlich z. B. Urteile vom 5. Juli 2017, Fries (C‑190/16, EU:C:2017:513, Rn. 29 bis 31), und vom 12. Dezember 2013, Hay (C‑267/12, EU:C:2013:823, Rn. 31), natürlich mit dem Unterschied, dass im Zusammenhang mit der Charta jede Rechtfertigung mit ihrem Art. 52 Abs. 1 vereinbar sein muss, während sie im Kontext der Richtlinie 2000/78 mit deren Art. 2 Abs. 5 vereinbar sein muss.

( 11 ) Der Unterschied zwischen diesen beiden Leistungen wird von mir in den Nrn. 40 bis 44 und 82 bis 86 der vorliegenden Schlussanträge erörtert.

( 12 ) Vgl. kürzlich z. B. Urteil vom 19. Juli 2017, Abercrombie & Fitch Italia (C‑143/16, EU:C:2017:566, Rn. 16 bis 18 und 47).

( 13 ) Vgl. genauer meine Schlussanträge in der Rechtssache Abercrombie & Fitch Italia (C‑143/16, EU:C:2017:235, Nrn. 20 bis 36).

( 14 ) Vgl. Urteil vom 19. Juli 2017, Abercrombie & Fitch Italia (C‑143/16, EU:C:2017:566, Rn. 25). Vgl. auch Urteil vom 1. Oktober 2015, O (C‑432/14, EU:C:2015:643, Rn. 32).

( 15 ) Im Sinne des Schrittes (a) der oben in Nr. 32 skizzierten Diskriminierungsprüfung.

( 16 ) Vgl. unten, Nrn. 82 bis 86.

( 17 ) Siehe oben, Nrn. 37 und 38 dieser Schlussanträge.

( 18 ) Vgl. in dieser Hinsicht Rechtssache Feryn, in der die Quelle der Diskriminierung die gegen Immigranten gerichtete Einstellungspolitik eines Arbeitgebers war und es als unnötig angesehen wurde, ein Opfer zu identifizieren, um das Bestehen einer Diskriminierung festzustellen (Urteil vom 10. Juli 2008, C‑54/07, EU:C:2008:397, Rn. 40).

( 19 ) Vgl. z. B. Urteile vom 8. April 1976, Defrenne (43/75, EU:C:1976:56, Rn. 40), und vom 17. September 2002, Lawrence u. a. (C‑320/00, EU:C:2002:498, Rn. 17).

( 20 ) Vgl. Urteile vom 22. November 2005, Mangold (C‑144/04, EU:C:2005:709), und vom 19. Januar 2010, Kücükdeveci (C‑555/07, EU:C:2010:21).

( 21 ) Sowohl in der Rechtssache Mangold als auch in der Rechtssache Kücükdeveci (und in der vorliegenden Rechtssache) war der Kläger Angehöriger der weniger begünstigten Gruppe. Für eine ähnliche Herangehensweise, jedoch bei geringerer Sicherheit bezüglich der Frage, ob die gegenständliche Maßnahme für eine bestimmte Gruppe eigentlich (nur) günstig oder (nur) ungünstig ist, vgl. Urteil vom 19. Juli 2017, Abercrombie & Fitch Italia (C‑143/16, EU:C:2017:566).

( 22 ) Dies unterscheidet sich von der Herangehensweise in Rechtssachen, in denen die Diskriminierung auf das Verhalten des Arbeitgebers zurückgeht, und häufig besteht die Notwendigkeit, spezifische Gruppen von Arbeitskollegen zu bestimmen, die eine günstigere Behandlung erfahren, um überhaupt einen Vergleich vornehmen zu können. Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. September 2002, Lawrence u. a. (C‑320/00, EU:C:2002:498), und vom 13. Januar 2004, Allonby (C‑256/01, EU:C:2004:18).

( 23 ) Vgl. Urteile vom 17. September 2002, Lawrence u. a. (C‑320/00, EU:C:2002:498, Rn. 17 und 18), und vom 13. Januar 2004, Allonby (C‑256/01, EU:C:2004:18, Rn. 45 und 46). Diese Unterscheidung hat eindeutig Einfluss auf die Frage der verfügbaren Rechtsbehelfe, die unten in Nrn. 172 bis 196 im Detail erörtert werden.

( 24 ) Vgl. Urteile vom 8. November 1990, Dekker (C‑177/88, EU:C:1990:383, Rn. 12 und 17), vom 8. November 1990, Handels- og Kontorfunktionærernes Forbund (C‑179/88, EU:C:1990:384, Rn. 13), vom 27. Februar 2003, Busch (C‑320/01, EU:C:2003:114, Rn. 39), und vom 1. April 2008, Maruko (C‑267/06, EU:C:2008:179, Rn. 72). Dies trifft eindeutig zu, wo die Ungleichbehandlung ausdrücklich auf dem Verdachtsgrund beruht (vgl. z. B. Urteil vom 5. Juli 2017, Fries, C‑190/16, EU:C:2017:513, Rn. 32 bis 34). Allerdings reicht ein reiner Verweis einer Maßnahme auf den Verdachtsgrund für sich allein nicht für die Folgerung aus, unmittelbare Diskriminierung liege vor (vgl. Urteile vom 14. März 2017, Bougnaoui und ADDH, C‑188/15, EU:C:2017:204, Rn. 32, und vom 14. März 2017, G4S Secure Solutions, C‑157/15, EU:C:2017:203, Rn. 30). Der Gerichtshof ist ähnlich vorgegangen, wo der Verdachtsgrund die der Ungleichbehandlung zugrunde liegende Motivation darstellt (vgl. z. B. Urteil vom 16. Juli 2015, CHEZ Razpredelenie Bulgaria, C‑83/14, EU:C:2015:480, Rn. 91) oder praktisch nur eine Gruppe berührt, die durch den Verdachtsgrund identifiziert werden kann (vgl. z. B. Urteil vom 20. September 2007, Kiiski, C‑116/06, EU:C:2007:536, Rn. 55).

( 25 ) Vgl. z. B. Urteil vom 19. Juli 2017, Abercrombie & Fitch Italia (C‑143/16, EU:C:2017:566, Rn. 25 bis 28). Vgl. jedoch als Beispiel für eine Verneinung der Vergleichbarkeit Urteil vom 1. Oktober 2015, O (C‑432/14, EU:C:2015:643).

( 26 ) Vgl. zu einer anderen Auffassung Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Bressol u. a. (C‑73/08, EU:C:2009:396, Nr. 55).

( 27 ) Vgl. Urteil vom 1. Oktober 2015, O (C‑432/14, EU:C:2015:643, Rn. 40).

( 28 ) Vgl. Urteil vom 1. Oktober 2015, O (C‑432/14, EU:C:2015:643, Rn. 31).

( 29 ) Vgl. Urteil vom 1. Oktober 2015, O (C‑432/14, EU:C:2015:643, Rn. 33).

( 30 ) Vgl. Urteile vom 1. April 2008, Maruko (C‑267/06, EU:C:2008:179, Rn. 42), vom 10. Mai 2011, Römer (C 147/08, EU:C:2011:286, Rn. 42), vom 12. Dezember 2013, Hay (C 267/12, EU:C:2013:823, Rn. 33), und vom 1. Oktober 2015, O (C‑432/14, EU:C:2015:643, Rn. 32).

( 31 ) Siehe oben, Nrn. 40 bis 43.

( 32 ) Vgl. Urteil vom 19. Juli 2017, Abercrombie & Fitch Italia (C‑143/16, EU:C:2017:566, Rn. 25).

( 33 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache MB (C‑451/16, EU:C:2017:937, Nr. 47).

( 34 ) In ihren schriftlichen Erklärungen und mündlichen Ausführungen hat die österreichische Regierung erläutert, dass die Angehörigen der vier Kirchen in Österreich historisch eine Minderheit darstellten, die, anders als die katholische Mehrheit, an ihrem bedeutendsten religiösen Tag keinen Feiertag hatten. Es mag sein, dass zu dem Zeitpunkt, als § 7 Abs. 3 in das Gesetz eingefügt wurde, die Angehörigen der vier Kirchen die Mehrheit der nicht katholischen Bevölkerung stellten. Allerdings stellen sie, wie im Vorabentscheidungsersuchen bestätigt, nicht die gesamte nicht katholische Bevölkerung in Österreich, die andere Glaubensrichtungen einschließt.

( 35 ) Vgl. zu einem Beispiel für die gleiche Behandlung von Situationen, die gleichwohl aus religiösen Gründen unterschieden werden können, Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Große Kammer) vom 6. April 2000, Thlimmenos/Griechenland (CE:ECHR:2000:0406JUD003436997).

( 36 ) Vgl. z. B. Urteil vom 1. Oktober 2015, O (C‑432/14, EU:C:2015:643, Rn. 38). In dieser Rechtssache hat der Gerichtshof die Vergleichbarkeit „junger Personen“, die die Universität oder Schule besuchen, mit anderen Arbeitnehmern geprüft. Er hat entschieden, dass die Gruppen nicht vergleichbar sind. Dabei hat er die Ziele der nationalen Rechtsvorschriften berücksichtigt, aber eindeutig auch die Kohärenz der Argumentation und die Behandlung anderer Gruppen im Blick behalten.

( 37 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache G4S Secure Solutions (C‑157/15, EU:C:2016:382, Nr. 43).

( 38 ) Siehe oben, Nrn. 40 bis 43 und 73.

( 39 ) Besonders für diejenigen Arbeitnehmer, für die es finanziell schwer ist, einen zusätzlichen unbezahlten freien Tag zu nehmen.

( 40 ) Dementsprechend gehe ich gar nicht erst auf die Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung des mittleren Vergleichsrahmens ein, die zu erörtern und sicher nicht einfach zu beantworten wären: Was macht einen „besonderen“ Tag aus? Gibt es eine rechtliche Schwelle für die spirituelle oder religiöse Bedeutung? Welche Religionen wären zu berücksichtigen, und lässt sich dies auch auf andere Glaubenssysteme übertragen, die mehrere Tage von großer Bedeutung haben? Was ist z. B. mit Atheisten, für die es auch Tage gibt, die für sie von großer Bedeutung sind? Sollte Christen ein zusätzlicher Tag verweigert werden, da aus historischen Gründen einige ihrer besonderen Tage schon von den anderen 13 Feiertagen erfasst werden? Darüber hinaus wurde in der mündlichen Verhandlung erörtert, wie heikel es ist, dem Arbeitgeber die Einzelheiten des eigenen (religiösen) Glaubens offenbaren zu müssen, was aber eine logische Folge der Anwendung des mittleren Vergleichsrahmens wäre.

( 41 ) Siehe oben, Nrn. 76 bis 79.

( 42 ) Vgl. Urteile vom 13. September 2011, Prigge u. a. (C‑447/09, EU:C:2011:573, Rn. 55 und 56), und vom 12. Dezember 2013, Hay (C‑267/12, EU:C:2013:823, Rn. 46).

( 43 ) Vgl. den Wortlaut von Art. 21 Abs. 1 der Charta und den 23. Erwägungsgrund der Richtlinie. Vgl. auch Urteil vom 5. Juli 2017, Fries (C‑190/16, EU:C:2017:513, Rn. 44).

( 44 ) Vgl. z. B. Ellis, E., und Watson, P., EU Anti-Discrimination Law, 2. Aufl., Oxford EU Law Library, 2012, S. 403.

( 45 ) Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Bougnaoui und ADDH (C‑188/15, EU:C:2016:553, Fn. 99).

( 46 ) Vgl. Urteil vom 5. Juli 2017, Fries (C‑190/16, EU:C:2017:513, Rn. 48).

( 47 ) Enthalten in § 8 ARG.

( 48 ) Wie oben in den Nrn. 76 bis 79 und 97 bis 98.

( 49 ) Vgl. Urteil vom 17. April 2018, Egenberger (C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 68).

( 50 ) Vgl. in diesem Sinne z. B. Urteil vom 11. November 1997, Marschall (C‑409/95, EU:C:1997:533, Rn. 31).

( 51 ) Siehe oben, Nr. 100.

( 52 ) Vgl. Urteile vom 14. Juli 1994, Faccini Dori (C‑91/92, EU:C:1994:292, Rn. 20), vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 108), und vom 19. Januar 2010, Kücükdeveci (C‑555/07, EU:C:2010:21, Rn. 46).

( 53 ) Vgl. Urteil vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428). Im Zusammenhang mit Art. 21 Abs. 1 der Charta in Verbindung mit der Richtlinie 2000/78 vgl. Urteil vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale (C‑176/12, EU:C:2014:2, Rn. 50).

( 54 ) Vgl. Urteile vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584), und vom 17. April 2018, Egenberger (C‑414/16, EU:C:2018:257).

( 55 ) Vgl. Urteile vom 22. November 2005, Mangold (C‑144/04, EU:C:2005:709), und vom 19. Januar 2010, Kücükdeveci (C‑555/07, EU:C:2010:21).

( 56 ) Vgl. Urteil vom 17. April 2018, Egenberger (C‑414/16, EU:C:2018:257).

( 57 ) Vgl. Urteile vom 22. November 2005, Mangold (C‑144/04, EU:C:2005:709, Rn. 77 und 78), vom 19. Januar 2010, Kücükdeveci (C‑555/07, EU:C:2010:21, Rn. 43 und 51), und vom 19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 27 und 35).

( 58 ) Vgl. Urteil vom 19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 43).

( 59 ) Vgl. Urteil vom 17. April 2018 (C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 76).

( 60 ) Vgl. Urteil vom 17. April 2018, Egenberger (C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 81).

( 61 ) Vgl. Urteil vom 17. April 2018, Egenberger (C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 79).

( 62 ) Urteil vom 1. Januar 2014, Association de médiation sociale (C‑176/12, EU:C:2014:2).

( 63 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft (ABl. 2002, L 80, S. 29).

( 64 ) Vgl. Urteil vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale (C‑176/12, EU:C:2014:2, Rn. 47). Hervorhebung nur hier.

( 65 ) Vgl. Urteil vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale (C‑176/12, EU:C:2014:2, Rn. 49).

( 66 ) Vgl. Urteil vom 19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 29 oder 35).

( 67 ) Vgl. Urteile vom 19. Januar 2010, Kücükdeveci (C‑555/07, EU:C:2010:21, Rn. 56), und vom 19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 35 bis 37).

( 68 ) Vgl. Urteil vom 19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 41).

( 69 ) So wird zugelassen, dass auch Regelungen, die zwar relativ abstrakt formuliert sind (wie z. B. die Regelung, nach der Überprüfungsverfahren, mit denen bestimmte Entscheidungen im Geltungsbereich der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung [Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 1985, L 175, S. 40)] angefochten werden können, nicht übermäßig teuer sein dürfen), aber in ihrem Zweck und Anwendungsbereich und den zu erreichenden praktischen Ergebnissen durch die Struktur des Sekundärrechtsinstruments, dessen Teil sie sind, klar umschrieben sind, unmittelbar anwendbar sind. Vgl. meine jüngsten Schlussanträge in der Rechtssache Klohn (C‑167/17, EU:C:2018:387, Nrn. 33 bis 55).

( 70 ) Vgl. Nrn. 125 bis 129 im vorstehenden Abschnitt dieser Schlussanträge.

( 71 ) Dies ist auch der Grund dafür, dass schon im Jahr 1929 Hans Kelsen, der oft als der „Vater“ der modernen Verfassungsgerichtsbarkeit angeführt wird, der aber wahrscheinlich recht erstaunt wäre, wenn er ihre gegenwärtige Reichweite sähe, die unmittelbare Anwendbarkeit „überpositiver Normen“, zu denen er auch die Grundrechte zählte, ausschließen wollte und warnend darauf hinwies, dass Verfassungsgerichten damit ein faktisches Machtmonopol innerhalb der Staatsstrukturen verliehen würde. Vgl. Kelsen, H., Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit. Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 5, Berlin und Leipzig, de Gruyter & Co., 1929, S. 69 und 70.

( 72 ) Vgl. Urteil vom 17. April 2018, Egenberger (C‑414/16, EU:C:2018:257), in diesem Zusammenhang oben in Nr. 122 erörtert. Vgl. auch Urteil vom 19. Januar 2010, Kücükdeveci (C‑555/07, EU:C:2010:21), unter Hinweis auf das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters wie es in der Richtlinie 2000/78 Ausdruck gefunden hat.

( 73 ) Kürzlich hat z. B. mein gelehrter Kollege, Generalanwalt Bot, dem Gerichtshof vorgeschlagen, den maßgeblichen Inhalt der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9) in Art. 31 Abs. 2 der Charta einzubringen. Dies wurde mit dem Verweis auf die Erläuterungen zur Charta gerechtfertigt, nach denen Art. 31 Abs. 2 auf der Richtlinie 93/104/EG (kodifiziert durch die Richtlinie 2003/88) beruht. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bot in den verbundenen Rechtssachen Bauer und Broßonn (C‑569/16 und C‑570/16, EU:C:2018:337, Nr. 86).

( 74 ) Als Beispiel für eine solch vorsichtige und ausgewogene Untersuchung vgl. Urteil vom 15. Oktober 2009, Audiolux u. a. (C‑101/08, EU:C:2009:626).

( 75 ) Für eine detaillierte Erörterung dieses Themas vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Dominguez (C‑282/10, EU:C:2011:559).

( 76 ) § 7 Abs. 3 ARG lautet gegenwärtig wie folgt: „Für Angehörige der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche ist auch der Karfreitag ein Feiertag.“ Wollte man die Nichtanwendung auf die Ebene der einzelnen Wörter dieser Vorschrift verlagern, könnte dies z. B. darauf hinauslaufen, das Objekt dieses Satzes zu streichen, d. h. den Bezug auf die Angehörigen der vier Kirchen (mit der Folge, dass jeder am Karfreitag einen Feiertag oder ein Feiertagsentgelt erhält) oder den Bezug auf die Angehörigen der vier Kirchen und auf den Karfreitag zu streichen (mit der Folge, dass es einen Feiertag mit unbestimmtem Datum gibt – was praktisch dem Vorschlag der Kommission entspricht). Allerdings sollte vielleicht doch weiterhin unterschieden werden zwischen dem Unangewendetlassen des beanstandeten nationalen Rechts und einem richterlichen Scrabble-Spiel, bei dem durch eine neue Kombination einzelner, aus bestehenden Rechtsvorschriften herausgelöster Wörter irgendeine neue Regelung gebildet werden kann.

( 77 ) Vgl. Urteil vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 111). Vgl. auch Urteil vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 42).

( 78 ) Vgl. Urteil vom 13. März 2007, Unibet (C‑432/05, EU:C:2007:163, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 79 ) Vgl. insbesondere Urteile vom 9. Juli 1985, Bozzetti (179/84, EU:C:1985:306, Rn. 17), vom 18. Januar 1996, SEIM (C‑446/93, EU:C:1996:10, Rn. 32), und vom 17. September 1997, Dorsch Consult (C‑54/96, EU:C:1997:413, Rn. 40).

( 80 ) Vgl. insbesondere Urteile vom 16. Dezember 1976, Rewe-Zentralfinanz und Rewe-Zentral (33/76, EU:C:1976:188, Rn. 5), vom 16. Dezember 1976, Comet (45/76, EU:C:1976:191, Rn. 13 bis 16), vom 14. Dezember 1995, Peterbroeck (C‑312/93, EU:C:1995:437, Rn. 12), vom 13. März 2007, Unibet (C‑432/05, EU:C:2007:163, Rn. 43), und vom 7. Juni 2007, van der Weerd u. a. (C‑222/05 bis C‑225/05, EU:C:2007:318, Rn. 28).

( 81 ) Vgl. Urteile vom 22. Juni 2011, Landtová (C‑399/09, EU:C:2011:415), vom 19. Juni 2014, Specht u. a. (C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12, EU:C:2014:2005), und vom 9. März 2017, Milkova (C‑406/15, EU:C:2017:198).

( 82 ) Vgl. Urteile vom 22. Juni 2011, Landtová (C‑399/09, EU:C:2011:415, Rn. 51), vom 19. Juni 2014, Specht u. a. (C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12, EU:C:2014:2005, Rn. 95), und vom 9. März 2017, Milkova (C‑406/15, EU:C:2017:198, Rn. 67). Hervorhebung nur hier.

( 83 ) Vgl. Urteil vom 9. Februar 1999, Seymour-Smith und Perez (C‑167/97, EU:C:1999:60).

( 84 ) Siehe oben, Fn. 81.

( 85 ) Die ersetzbare Leistung schlechthin, anders als z. B. das Recht auf einen Feiertag oder auf Beschäftigung.

( 86 ) Auch andere Urteile, die die „Landtová-, Specht- und Milkova-Variante“ der Anpassung nach oben aufnehmen, ergingen in Rechtssachen, in denen der Staat der Beklagte war. Vgl. Urteile vom 12. Dezember 2002, Rodríguez Caballero (C‑442/00, EU:C:2002:752, Rn. 42), vom 21. Juni 2007, Jonkman u. a. (C‑231/06 bis C‑233/06, EU:C:2007:373, Rn. 39), vom 28. Januar 2015, Starjakob (C‑417/13, EU:C:2015:38, Rn. 46), und vom 14. März 2018, Stollwitzer (C‑482/16, EU:C:2018:180, Rn. 30). Vgl. zu enger formulierten Varianten, die sich z. B. auf Diskriminierung beim Arbeitsentgelt beziehen, auch Urteile vom 7. Februar 1991, Nimz (C‑184/89, EU:C:1991:50, Rn. 18), und vom 17. April 1997, Evrenopoulos (C‑147/95, EU:C:1997:201, Rn. 42). Diskriminierung, die auf Kollektivverträgen beruht, kommt auch häufig vor und wird praktisch der gesetzlichen Diskriminierung gleichgestellt; der Gerichtshof verwendet in diesem Zusammenhang eine offener formulierte Variation des Grundsatzes der Anpassung nach oben. Vgl. z. B. Urteil vom 20. März 2003, Kutz-Bauer (C‑187/00, EU:C:2003:168, Rn. 72).

( 87 ) Vgl. Urteile vom 28. September 1994, van den Akker (C‑28/93, EU:C:1994:351), vom 28. September 1994, Coloroll Pension Trustees (C‑200/91, EU:C:1994:348), und vom 28. September 1994, Avdel Systems (C‑408/92, EU:C:1994:349), das auch in technischer Hinsicht ein nicht staatliches Rentensystem betraf, bei dem es sich jedoch um ein an die Stelle des staatlichen Rentensystems getretenes betriebliches System handelte, bei dem die geleisteten Beiträge an die Stelle der Beiträge zum staatlichen Rentensystem traten.

( 88 ) Vgl. Urteil vom 8. April 1976, Defrenne (43/75, EU:C:1976:56).

( 89 ) Vgl. Urteile vom 10. April 1984, Harz (79/83, EU:C:1984:155), und vom 8. November 1990, Dekker (C‑177/88, EU:C:1990:383).

( 90 ) Ich weise darauf hin, dass sich die Kommission in ihren mündlichen Ausführungen dafür ausgesprochen hat, den Karfreitag-Feiertag/Feiertagszuschlag, der den Angehörigen der vier Kirchen (rund 2 % der Bevölkerung) gewährt wird, auf die gesamte arbeitende Bevölkerung Österreichs auszudehnen, und das Gleiche für Jom Kippur befürwortet hat.

( 91 ) In der mündlichen Verhandlung wurden die Kosten einer Ausdehnung des Feiertagsentgelts für Karfreitag auf alle Arbeitnehmer mit 600 Mio. Euro jährlich veranschlagt (für Yom Kippur würde vermutlich eine ähnliche Zahl gelten).

( 92 ) Vgl. Schlussanträge in der Rechtssache Association de médiation sociale (C‑176/12, EU:C:2013:491, Nr. 79).

( 93 ) Vgl. Urteil vom 19. April 2016 (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 42).

( 94 ) Vgl. z. B. Urteil vom 8. November 1990, Dekker (C‑177/88, EU:C:1990:383); dort wurde die Bewerbung der Klägerin zurückgewiesen, weil sie im dritten Monat schwanger war. Ihr freudiger Zustand wurde gleichwohl nach der nationalen Gesetzgebung als „Krankheit“ eingestuft. Da sich der zukünftige Arbeitgeber ihrer „Krankheit“ völlig bewusst war, hätte er, wenn er ihr die Stelle gegeben hätte, ihren Mutterschaftsurlaub ohne staatliche Unterstützung finanzieren müssen, was er nicht wollte. Daher enthielt die nationale Gesetzgebung einen (erheblichen) negativen finanziellen Anreiz, eine schwangere Frau einzustellen. Es war aber ebenso eindeutig, dass die endgültige Entscheidung, ob und wie die diskriminierende nationale Regelung im Einzelfall Anwendung fand, beim Arbeitgeber lag.

( 95 ) Vgl. Urteil vom 10. April 1984, von Colson und Kamann (14/83, EU:C:1984:153). Wenn der Gerichtshof entschieden hat, dass das Unionsrecht es erfordert, dass im nationalen Recht eine Schadensersatzklage gegen Privatparteien wegen Verstoßes gegen Unionsrecht möglich sein muss, hat er auf den Zielen des finanziellen Ausgleichs und der Abschreckung eines solchen Rechtsbehelfs bestanden. Vgl. Urteil vom 20. September 2001, Courage und Crehan (C‑453/99, EU:C:2001:465, Rn. 27).

( 96 ) Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Arbeitgeber, alle oder auch nur die meisten Arbeitgeber eine erfolgreiche Schadensersatzklage gegen den Staat erheben werden. Daher ist es nur recht und billig, anzuerkennen, dass die Entscheidung, wer der Beklagte in einer Rechtssache wie der vorliegenden sein soll, in Wahrheit eine Entscheidung darüber bedeutet, wer die Kosten tragen soll.

( 97 ) Siehe oben, Nrn. 50 bis 52.

( 98 ) Wie im Sitzungsbericht zusammengefasst. Vgl. Ward, A., Judicial Review and the Rights of Private Parties in EU Law, 2. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2007, S. 57.

( 99 ) Siehe oben, Nr. 180.

( 100 ) Vgl. Urteile vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428, Rn. 45), und vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale (C‑176/12, EU:C:2014:2, Rn. 50).

( 101 ) Siehe oben, Nrn. 45 bis 54.

( 102 ) Ich nehme an, dies war teilweise für die Verwirrung bei der Frage der Vergleichbarkeit verantwortlich (siehe oben, Nrn. 46 bis 48).

( 103 ) Was statistisch gesehen nicht nur für Cresco Investigation, sondern auch für zahlreiche andere österreichische Arbeitgeber eher wahrscheinlich erscheint. Es wurde bestätigt, dass die Angehörigen der vier Kirchen in etwa 2 % der österreichischen Arbeitnehmer ausmachen.