URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

5. März 2015 ( *1 )

„Rechtsmittel — Restriktive Maßnahmen gegenüber bestimmten Personen angesichts der Lage in Ägypten — Einfrieren von Geldern von Personen, gegen die gerichtliche Verfahren wegen rechtswidriger Verwendung staatlicher Gelder eingeleitet wurden — Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption“

In der Rechtssache C‑220/14 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 5. Mai 2014,

Ahmed Abdelaziz Ezz, wohnhaft in Giseh (Ägypten),

Abla Mohammed Fawzi Ali Ahmed, wohnhaft in London (Vereinigtes Königreich),

Khadiga Ahmed Ahmed Kamel Yassin, wohnhaft in London,

Shahinaz Abdel Azizabdel Wahab Al Naggar, wohnhaft in Giseh,

Prozessbevollmächtigte: J. Lewis, QC, B. Kennelly, Barrister, J. Pobjoy, Barrister, und J. Binns, Solicitor,

Rechtsmittelführer,

andere Parteien des Verfahrens:

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bishop und I. Gurov als Bevollmächtigte,

Beklagter im ersten Rechtszug,

Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre und D. Gauci als Bevollmächtigte,

Streithelferin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Vajda, A. Rosas (Berichterstatter), E. Juhász und D. Šváby,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Herr Ahmed Abdelaziz Ezz u. a. haben ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts der Europäischen Union (Dritte Kammer) vom 27. Februar 2014 (T‑256/11, EU:T:2014:93, im Folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2011/172/GASP des Rates vom 21. März 2011 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in Ägypten (ABl. L 76, S. 63) sowie der Verordnung (EU) Nr. 270/2011 des Rates vom 21. März 2011 über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in Ägypten (ABl. L 76, S. 4), soweit diese Rechtsakte die Rechtsmittelführer betreffen, abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen und Vorgeschichte des Rechtsstreits

Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption

2

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption wurde durch die Resolution 58/4 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 31. Oktober 2003 angenommen. Es trat am 14. Dezember 2005 in Kraft. Es wurde von allen Mitgliedstaaten ratifiziert und von der Europäischen Union mit dem Beschluss 2008/801/EG des Rates vom 25. September 2008 (ABl. L 287, S. 1) genehmigt.

3

In Art. 2 des Übereinkommens heißt es:

„Im Sinne dieses Übereinkommens:

f)

bezeichnet der Ausdruck ‚Einfrieren‘ oder ‚Beschlagnahme‘ das vorübergehende Verbot der Übertragung, Umwandlung oder Bewegung von Vermögensgegenständen oder der Verfügung darüber oder die vorübergehende Verwahrung oder Kontrolle von Vermögensgegenständen aufgrund einer von einem Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde getroffenen Entscheidung;

g)

bezeichnet der Ausdruck ‚Einziehung‘, der gegebenenfalls den Verfall umfasst, die dauernde Entziehung von Vermögensgegenständen aufgrund einer von einem Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde getroffenen Entscheidung;

…“

4

Kapitel III des Übereinkommens, das die Art. 15 bis 42 enthält, betrifft die Kriminalisierung und Strafverfolgung von Zuwiderhandlungen. In den Art. 15 bis 27 dieses Kapitels wird eine große Vielfalt an Bestechungshandlungen aufgezählt, die die Staaten als Straftaten einzustufen haben. Da das Ziel dieses Übereinkommens darin besteht, eine wachsende Zahl an Bestechungshandlungen angesichts der Bedrohungen für die Stabilität und Sicherheit der Gesellschaften, die sie verursachen, kriminalisieren zu können, erfasst das Übereinkommen nicht nur das Angebot ungerechtfertigter Vorteile an Personen oder die Unterschlagung von öffentlichen Geldmitteln, sondern auch die missbräuchliche Einflussnahme und die Verheimlichung oder das Waschen der Erträge aus Bestechung.

5

Art. 31 Abs. 1 und 2 des Übereinkommens lautet:

„(1)   Jeder Vertragsstaat trifft im größtmöglichen Umfang, den seine innerstaatliche Rechtsordnung zulässt, die erforderlichen Maßnahmen, um die Einziehung

a)

der Erträge aus Straftaten, die in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen umschrieben sind, oder von Vermögensgegenständen, deren Wert demjenigen solcher Erträge entspricht,

b)

von Vermögensgegenständen, Geräten oder anderen Tatwerkzeugen, die zur Begehung von in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten verwendet wurden oder bestimmt waren,

zu ermöglichen.

(2)   Jeder Vertragsstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um die Ermittlung, das Einfrieren oder die Beschlagnahme der in Absatz 1 genannten Gegenstände zu ermöglichen, damit sie letztlich eingezogen werden können.“

6

Art. 55 Abs. 2 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption lautet:

„Auf Ersuchen eines anderen Vertragsstaats, der über eine in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen umschriebene Straftat Gerichtsbarkeit hat, trifft der ersuchte Vertragsstaat Maßnahmen, um die Erträge aus Straftaten, Vermögensgegenstände, Geräte oder sonstigen Tatwerkzeuge nach Artikel 31 Absatz 1 zu ermitteln, einzufrieren oder zu beschlagnahmen, damit sie entweder aufgrund einer Entscheidung des ersuchenden Vertragsstaats oder, im Fall eines nach Absatz 1 gestellten Ersuchens, aufgrund einer Entscheidung des ersuchten Vertragsstaats letztlich eingezogen werden können.“

Unionsrecht

7

Im Anschluss an die seit Januar 2011 in Ägypten eingetretenen politischen Ereignisse erließ der Rat der Europäischen Union gestützt auf Art. 29 EUV am 21. März 2011 den Beschluss 2011/172.

8

In der ursprünglichen Fassung des Beschlusses 2011/172 lauten die Erwägungsgründe 1 und 2:

„(1)

Am 21. Februar 2011 hat die Europäische Union ihre Bereitschaft erklärt, den friedlichen und geordneten Übergang zu einer zivilen und demokratischen Regierung in Ägypten, die auf Rechtsstaatlichkeit beruht, unter uneingeschränkter Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten ebenso zu unterstützen wie die Bemühungen um Schaffung einer Wirtschaft, die den sozialen Zusammenhalt verstärkt und das Wachstum fördert.

(2)

In diesem Zusammenhang sollten gegen Personen, die als für die rechtswidrige Verwendung staatlicher Gelder Ägyptens verantwortlich ermittelt worden sind und damit das ägyptische Volk um den Ertrag der nachhaltigen Entwicklung seiner Wirtschaft und Gesellschaft bringen und die Entwicklung der Demokratie im Land untergraben, restriktive Maßnahmen verhängt werden.“

9

In der ursprünglichen Fassung des Beschlusses 2011/172 lautet Art. 1 Abs. 1:

„Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum der – im Anhang aufgeführten – als für die rechtswidrige Verwendung staatlicher Gelder Ägyptens verantwortlich ermittelten Personen und der mit ihnen verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren.“

10

Während in der französischen Fassung dieses zweiten Erwägungsgrundes und dieses Art. 1 Abs. 1 die Wendung „personnes reconnues comme responsables“ (als für verantwortlich befundene Personen) verwendet wurde, wird in der englischen Fassung dieser Bestimmungen die Wendung „persons having been identified as responsible“ (als verantwortlich ermittelte Personen) verwendet.

11

Am 11. Juli 2014, d. h. nach der Verkündung des angefochtenen Urteils, wurde für die Fassungen in bulgarischer, spanischer, tschechischer, estnischer, französischer, ungarischer und niederländischer Sprache eine Berichtigung dieses Beschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (ABl. 2014, L 203, S. 113). Nach dieser Berichtigung sind die genannten Bestimmungen dahin zu verstehen, dass sie die als verantwortlich „ermittelten“ Personen erfassen und nicht die als für verantwortlich „befundenen“ Personen.

12

Dem Beschluss 2011/172 ist als Anhang eine „Liste der natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen nach Artikel 1“ beigefügt. Diese Liste enthält drei Arten von Informationen. In der ersten Spalte steht der „Name (und ggf. Aliasnamen)“ der betroffenen Rechtssubjekte, die zweite Spalte enthält „Angaben zur Identität“ der Rechtssubjekte, und in der dritten Spalte sind die „Gründe“ für die Aufnahme in die Liste genannt.

13

Herr Ahmed Abdelaziz Ezz steht an siebter Stelle der Liste. Die zweite Spalte enthält folgende Informationen: „Ehemaliges Mitglied des Parlaments Geburtsdatum: 12.1.1959 Männlich“. Die in der dritten Spalte dargelegten Gründe für die Aufnahme in die Liste, die für alle 19 in die Liste aufgenommenen Personen dieselben sind, lauten: „Die ägyptischen Behörden haben gerichtliche Verfahren gegen diese Person wegen rechtswidriger Verwendung staatlicher Gelder auf der Grundlage des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption eingeleitet.“

14

Frau Abla Mohamed Fawzi Ali Ahmed steht an achter Stelle der Liste. Die zweite Spalte enthält folgende Informationen: „Ehefrau von Ahmed Abdelaziz Ezz Geburtsdatum: 31.1.1963 Weiblich“.

15

Frau Khadiga Ahmed Ahmed Kamel Yassin steht an neunter Stelle der Liste. Die zweite Spalte enthält folgende Informationen: „Ehefrau von Ahmed Abdelaziz Ezz Geburtsdatum: 25.5.1959 Weiblich“.

16

Frau Shahinaz Abdel Aziz Abdel Wahab Al Naggar steht an zehnter Stelle der Liste. Die zweite Spalte enthält folgende Informationen: „Ehefrau von Ahmed Abdelaziz Ezz Geburtsdatum: 9.10.1969 Weiblich“.

17

Gestützt auf Art. 215 Abs. 2 AEUV und auf den Beschluss 2011/172 erließ der Rat die Verordnung Nr. 270/2011. In Art. 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung sind im Wesentlichen die Bestimmungen von Art. 1 Abs. 1 und 2 des Beschlusses 2011/172 übernommen. Der Verordnung ist ein Anhang I beigefügt, der mit dem Anhang des Beschlusses 2011/172 übereinstimmt. Wie sich aus dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung ergibt, bedurfte es, weil die im Beschluss 2011/72 vorgesehenen Maßnahmen „in den Geltungsbereich des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [fallen,] … für ihre Umsetzung Rechtsvorschriften auf Ebene der Union“, so dass der Erlass dieses Rechtsakts gerechtfertigt war.

18

Die Verordnung Nr. 270/2011 war nicht Gegenstand einer der Berichtigung des Beschlusses 2011/172 entsprechenden Berichtigung.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

19

Mit Klageschrift, die am 20. Mai 2011 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben die Rechtsmittelführer eine Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011, soweit diese Rechtsakte sie betreffen.

20

Sie stützten ihre Klage auf acht Gründe. Mit dem vierten Klagegrund rügten sie, dass die den Gründen für ihre Aufnahme in die Listen im Anhang des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011 zugrunde liegenden Tatsachen verkannt und fehlerhaft rechtlich qualifiziert worden seien. Sie machten insoweit geltend, dass in Ägypten keine gerichtlichen Verfahren gegen sie eingeleitet worden seien.

21

Das Gericht hat in den Rn. 123 bis 133 und 137 des angefochtenen Urteils Folgendes festgestellt:

„123

Mit Schreiben vom 7. Juni 2011 teilte der Rat der Anwaltskanzlei der Kläger mit, dass er ein ‚vom 13. Februar 2011 datiertes Schreiben des ägyptischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten [erhalten habe], das einen Antrag des ägyptischen Generalstaatsanwalts enthält, die Vermögenswerte bestimmter früherer Minister und Beamter‘, darunter des Klägers zu 1, einzufrieren. Diesem Schreiben des Rates war die Kopie eines vom 13. Februar 2011 datierten Schreibens mit dem Briefkopf des Kabinetts des ägyptischen Ministers für Auswärtige Angelegenheiten beigefügt. In diesem Schreiben, das nicht unterzeichnet war, wurde auf einen Antrag des ägyptischen Generalstaatsanwalts verwiesen, die Vermögenswerte ‚früherer Minister, Beamter und Staatsangehöriger‘ Ägyptens einzufrieren. Zu den von diesem Antrag betroffenen Personen gehörte der Kläger zu 1, nicht aber die Klägerinnen zu 2, zu 3 und zu 4.

125

Der Rat beantwortete die Schreiben der Anwaltskanzlei der Kläger vom 13. Mai, 9. Juni und 15. Juli 2011 mit Schreiben vom 29. Juli 2011. Auf etwaige Gerichtsverfahren gegen die Klägerinnen zu 2, zu 3 und zu 4 wurde darin nicht Bezug genommen. Es hieß darin lediglich wie folgt:

‚[Diese] sind in der Liste der Personen, die von dem vorstehend genannten Rechtshilfeersuchen der ägyptischen Behörden betroffen waren, eingetragen (sie sind auf der beigefügten Liste unter den Nrn. 2, 3 und 4 eingetragen). Aus dem Ersuchen ergibt sich, dass die Sicherstellung der Vermögenswerte aller Personen auf der Liste vom ägyptischen Generalstaatsanwalt angeordnet und diese Anordnung von den Strafgerichten bestätigt worden ist.‘

126

Diesem Schreiben des Rates vom 29. Juli 2011 war ein Vermerk vom 24. Februar 2011 mit dem Aktenzeichen NV93/11/ms beigefügt, in dem die Botschaft der Arabischen Republik Ägypten in Brüssel (Belgien) den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik ersuchte, den ‚zuständigen Justizbehörden‘ ein Rechtshilfeersuchen des Büros des ägyptischen Generalstaatsanwalts zu übermitteln.

127

Dem Vermerk waren drei Anlagen beigefügt.

128

Bei der ersten Anlage handelte es sich um den nicht datierten und nicht unterzeichneten Text des Rechtshilfeersuchens. Dieses in Englisch abgefasste Ersuchen zielte auf das ‚Einfrieren, die Sicherstellung und die Wiedererlangung der Vermögenswerte bestimmter früherer Minister und Beamter‘ ab. Es bezog sich auf ‚die von der ägyptischen Staatsanwaltschaft in den Rechtssachen Nrn. 162 und 234/2010 …; 34, 36, 38, 39, 55 und 70/2011 … sowie der Rechtssache Nr. 137/2011 … durchgeführte Ermittlung wegen Korruption, widerrechtlicher Aneignung öffentlicher Vermögenswerte und Geldwäschedelikten früherer Minister und Beamter‘ und zählte fünfzehn Personen auf, darunter die vier Kläger. Ferner hieß es darin zum einen, dass der ägyptische Generalstaatsanwalt die Sicherstellung der Vermögenswerte der auf der Liste stehenden Personen beschlossen habe, und zum anderen, dass diese Sicherstellung ‚von den Strafgerichten gebilligt‘ worden sei.

129

Bei der zweiten Anlage des Vermerks vom 24. Februar 2011 handelte es sich um eine ‚Liste ehemaliger Beamter sowie deren Ehegatten und Kinder‘, darunter, an zweiter, dritter und vierter Stelle aufgeführt, die Klägerinnen zu 2, zu 3 und zu 4.

130

Die dritte Anlage des Vermerks vom 24. Februar 2011 stellte eine Zusammenfassung der Anklagepunkte gegen den Kläger zu 1 in der vorstehend in Rn. 128 genannten ‚Rechtssache Nr. 38/2011‘ dar. Das Schriftstück war nicht datiert. Ebenso fehlten Briefkopf und Unterschrift. Wie der Vermerk vom 24. Februar 2011 und alle ihm beigefügten Schriftstücke war es jedoch mit dem Stempel der Botschaft der Arabischen Republik Ägypten in Brüssel versehen.

131

Letztlich lässt keines der genannten Dokumente den Schluss zu, dass die Klägerinnen zu 2, zu 3 und zu 4 in Ägypten wegen einer rechtswidrigen Verwendung staatlicher Gelder strafrechtlich verfolgt wurden.

132

Dagegen ergibt sich aus dem in Rn. 128 des vorliegenden Urteils genannten Rechtshilfeersuchen eindeutig, dass am 24. Februar 2011, d. h. weniger als einen Monat vor Erlass des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011, gegenüber allen Klägern die Sicherstellung ihrer Vermögenswerte vom ägyptischen Generalstaatsanwalt angeordnet worden war, die von einem Strafgericht gebilligt worden war und die mit Ermittlungen wegen rechtswidriger Verwendungen staatlicher Gelder zusammenhing.

133

Die Kläger haben im Übrigen nichts vorgetragen, was die Richtigkeit der Sachverhaltsangaben zu diesem Rechtshilfeersuchen in Zweifel ziehen könnte. Im Gegenteil bestätigt die Entscheidung eines ägyptischen Gerichts, von der der Kanzlei des Gerichts am 5. März 2013 eine Übersetzung vorgelegt worden ist, dass die Vermögenswerte der Klägerin zu 2 noch am 30. Januar 2013 eingefroren waren. Zudem haben die Kläger das Bestehen der vorerwähnten Anordnung der Sicherstellung in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten.

137

Aus dem in Rn. 130 des vorliegenden Urteils genannten Schriftstück geht … klar hervor, dass der Kläger zu 1 ‚in der Rechtssache Nr. 38/2011‘ einerseits wegen ‚widerrechtlicher Aneignung‘ von Vermögenswerten eines ‚vom Staat gehaltenen öffentlichen Unternehmens‘ und andererseits wegen ‚Straftaten, die darin bestanden haben, aus öffentlichen Vermögenswerten Profit gezogen und diese rechtswidrig verwendet sowie sich widerrechtlich angeeignet und … bei der Aneignung [solcher Vermögenswerte] Beistand geleistet zu haben‘, ‚angeklagt‘ wurde.“

22

Da das Gericht keinem der Klagegründe gefolgt ist, hat es die Klage insgesamt abgewiesen.

Anträge der Parteien

23

Die Rechtsmittelführer beantragen,

das angefochtene Urteil aufzuheben,

den Beschluss 2011/172 und die Verordnung Nr. 270/2011 für nichtig zu erklären, soweit diese Rechtsakte sie betreffen,

dem Rat die Kosten des Rechtsmittels und die Kosten des Verfahrens vor dem Gericht aufzuerlegen und

alle sonstigen Maßnahmen zu erlassen, die das Gericht für angemessen hält.

24

Der Rat beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen und

den Rechtsmittelführern die Kosten aufzuerlegen.

25

Die Europäische Kommission beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen und

den Rechtsmittelführern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

26

Zur Stützung ihres Rechtsmittels machen die Rechtsmittelführer sechs Gründe geltend.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

27

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund tragen die Rechtsmittelführer vor, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es entschieden habe, dass der Beschluss 2011/172 rechtsgültig auf der Grundlage von Art. 29 EU erlassen worden sei. Dieser Rechtsmittelgrund betrifft die Rn. 44 bis 47 des angefochtenen Urteils.

Angefochtenes Urteil

28

Um die Bedeutung von Art. 29 EUV zu ermitteln, hat das Gericht die Art. 21 EUV, 23 EUV bis 25 EUV und 28 EUV untersucht. Es ist in Rn. 41 des angefochtenen Urteils zu folgendem Ergebnis gekommen:

„Aus der Zusammenschau dieser Bestimmungen ergibt sich, dass den ‚Standpunkt der Union‘ im Sinne von Art. 29 EUV die Beschlüsse darstellen, die erstens zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) im Sinne von Art. 24 Abs. 1 EUV gehören, zweitens einer ‚bestimmten Frage geografischer oder thematischer Art‘ zuzuordnen sind und drittens kein ‚operatives Vorgehen‘ im Sinne von Art. 28 EUV sind.“

29

In den Rn. 44 bis 46 dieses Urteils hat das Gericht festgestellt, dass die drei Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt seien. Es hat daraus in Rn. 47 des Urteils geschlossen, dass Art. 1 des Beschlusses 2011/172 rechtsgültig auf der Grundlage von Art. 29 EUV habe erlassen werden können.

Vorbringen der Parteien

30

Die Rechtsmittelführer machen geltend, im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen für den Erlass von Beschlüssen auf der Grundlage von Art. 29 EUV nicht erfüllt. Die im Anhang des Beschlusses 2011/172 genannten Gründe für die Aufnahme in die Liste fielen nicht in den Rahmen der in Art. 21 EUV festgelegten Grundsätze und Ziele der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Die ägyptischen Behörden hätten in den vom Rat angeführten Schreiben zu keiner Zeit zu verstehen gegeben, dass die den Rechtsmittelführern vorgeworfenen Handlungen die „Demokratie“ in Ägypten oder die „[nachhaltige] Entwicklung [der] Wirtschaft [oder der] Gesellschaft“ dieses Landes beeinträchtigten.

31

Das dem Rechtsmittelführer zu 1 vorgeworfene Verhalten, nämlich Betrug zum Schaden der Anteilseigner einer Gesellschaft, rechtfertige keine Handlung der Union auf internationaler Ebene auf der Grundlage der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Außerdem gebe es keine materielle Anschuldigung gegenüber den Ehefrauen von Herrn Ezz. Wenn man der Ansicht folgen würde, dass in einem Drittstaat begangene betrügerische Handlungen die Außen- und Sicherheitspolitik der Union berührten, hätte dies eine spürbare Erweiterung des Anwendungsbereichs dieser Politik zur Folge, zum Nachteil der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Rechtshilfe.

32

Zudem hätten die ägyptischen Behörden die Union nicht um den Erlass eines Beschlusses nach Art. 29 EUV gebeten, sondern um Rechtshilfe ersucht, die in die Zuständigkeit der nationalen Justizbehörden falle.

33

Schließlich betreffe das Ersuchen dieser Behörden das Einbehalten von Geldern, die für den Vollzug eines von einem nationalen Gericht gegen Herrn Ezz erlassenen Urteils verwendet werden und die „Rückführung“ der betreffenden Summen ermöglichen könnten, wofür es im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik keine Zuständigkeit gebe. Mit der Feststellung, dass einer der Rechtsmittelführer wegen Handlungen angeklagt sei, die von den ägyptischen Behörden für eine Bedrohung der demokratischen Regierung der Arabischen Republik Ägypten oder der nachhaltigen Entwicklung der Wirtschaft und Gesellschaft in diesem Land gehalten worden seien, habe das Gericht die ihm vorgelegten Beweise verfälscht.

34

Der Rat trägt vor, dass mit dem ersten Rechtsmittelgrund zwei Rügen vermengt würden, von denen die eine das Fehlen einer Rechtsgrundlage für den Beschluss 2011/172 und die andere den Umstand betreffe, dass die Rechtsmittelführer nicht die Voraussetzungen erfüllten, um in den Anwendungsbereich des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011 zu fallen. Das Gericht sei in den Rn. 44 bis 47 des angefochtenen Urteils auf ihren Klagegrund der fehlenden Rechtsgrundlage eingegangen.

35

Nach Ansicht des Rates legen die Rechtsmittelführer die Ziele des Beschlusses 2011/172 falsch aus, da der Beschluss nichts enthalte, was darauf schließen lasse, dass der in seinem Anhang aufgeführte Grund für ihre Aufnahme in die Liste der Personen, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren würden, eine in einem Drittland begangene betrügerische Handlung gewesen sei oder dass es Ziel des Beschlusses wäre, Rechtshilfe zu leisten.

36

Der Beschluss 2011/172 sei eine eigenständige Maßnahme, die nicht erlassen worden sei, um dem Ersuchen der ägyptischen Behörden nachzukommen, sondern um die Ziele der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu verwirklichen, und die in Ausübung des dem Rat insoweit zur Verfügung stehenden Ermessens ergangen sei. Deshalb habe sich das Gericht bei der Prüfung der Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 1 des Beschlusses 2011/172 weder zu den angeblichen Handlungen der Rechtsmittelführer noch zum Inhalt des Vermerks NV93/11/ms geäußert und sei auch nicht dazu verpflichtet gewesen.

37

Die Kommission macht geltend, der erste Rechtsmittelgrund sei unzulässig, soweit er das Fehlen einer Rechtsgrundlage für den Beschluss 2011/172 betreffe, da er in der im ersten Rechtszug erhobenen Nichtigkeitsklage nicht geltend gemacht worden sei. Er sei auch in der Sache neu, da das Kriterium der Haftung für eine rechtswidrige Verwendung staatlicher Gelder, auf das das Einfrieren der Gelder der Rechtsmittelführer gestützt sei, nicht mit Art. 21 EUV vereinbar sei, da die Maßnahme keines der in den Abs. 1 und 2 dieses Artikels genannten Ziele verfolge. Außerdem gehe das Rechtsmittel auf keine der in den Rn. 34 bis 54 des angefochtenen Urteils enthaltenen Erwägungen des Gerichts zur Bedeutung und Tragweite von Art. 29 EUV ein. Daher müsse der Rechtsmittelgrund für unzulässig erklärt werden.

38

Hilfsweise trägt die Kommission vor, das Gericht habe mit der Annahme, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 29 EUV nicht erfüllt seien, keinen Rechtsfehler begangen. Sie macht geltend, im vorliegenden Fall gehe es entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführer nicht darum, ob ein in einem Drittland begangener Betrugsfall die Außen- und Sicherheitspolitik der Union berühre, sondern darum, den Ersuchen einer in einem Drittland neu eingesetzten Regierung nachzukommen, staatliche Gelder dieses Landes einzubehalten, um ihre künftige Wiedererlangung und Verwendung zum Nutzen des ägyptischen Volkes zu ermöglichen.

39

Im Übrigen habe der Umstand, dass die ägyptischen Behörden ein ausdrückliches Ersuchen an die Justizbehörden der Union gerichtet hätten, keine Auswirkung auf die Frage, ob Art. 29 EUV eine geeignete Rechtsgrundlage für den Erlass des Beschlusses 2011/172 über restriktive Maßnahmen sei. Diese restriktiven Maßnahmen seien nämlich eigenständige Maßnahmen, die der Rat auch ohne Ersuchen des betroffenen Drittlands treffen dürfe.

40

Schließlich sei der Verweis auf die Rückführung der Gelder im vorliegenden Fall unerheblich, da diese Frage außerhalb des Anwendungsbereichs des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011 liege.

Würdigung durch den Gerichtshof

41

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es entschieden habe, dass der Beschluss 2011/172 rechtsgültig auf der Grundlage von Art. 29 EUV erlassen worden sei.

42

Die Prüfung der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts ermöglicht es, die Zuständigkeit des Urhebers des Rechtsakts zu überprüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil Deutschland/Parlament und Rat, C‑376/98, EU:C:2000:544, Rn. 83) und festzustellen, ob das Verfahren zum Erlass dieses Rechtsakts rechtswidrig war (Urteil ABNA u. a., C‑453/03, C‑11/04, C‑12/04 und C‑194/04, EU:C:2005:741, Rn. 53). Nach ständiger Rechtsprechung muss die Wahl der Rechtsgrundlage für einen Rechtsakt der Union auf objektiven und gerichtlich nachprüfbaren Umständen beruhen, zu denen das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören (vgl. u. a. Urteil Parlament/Rat, C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 42).

43

In den Rn. 44 bis 46 des angefochtenen Urteils hat das Gericht den Zweck und den Inhalt des Beschlusses 2011/172 geprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass er rechtsgültig auf der Grundlage von Art. 29 EUV habe erlassen werden können. Insbesondere hat das Gericht in Rn. 44 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass der Beschluss 2011/172 Teil einer Politik zur Unterstützung der neuen ägyptischen Behörden sei, die der politischen und wirtschaftlichen Stabilisierung dieses Staates dienen und speziell den Behörden dieses Landes bei ihrem Kampf gegen die rechtswidrige Verwendung staatlicher Gelder helfen solle, und dass er damit in vollem Umfang auf die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zurückgehe und den in Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und d EUV genannten Zielen entspreche.

44

Insoweit enthält das Vorbringen der Rechtsmittelführer kein Argument zum Nachweis eines Rechtsfehlers des Gerichts bei den in der vorangegangenen Randnummer dargelegten Erwägungen, sondern lediglich die allgemeine Behauptung, dass die ägyptischen Behörden in den vom Rat vorgelegten Schreiben nicht erklärt hätten, dass die gerügten Handlungen der Rechtsmittelführer die Demokratie oder die nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft oder der Gesellschaft in Ägypten im Sinne von Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und d EUV beeinträchtigten. Daher kann diesem Argument der Rechtsmittelführer nicht gefolgt werden.

45

Die Rechtsmittelführer stellen außerdem in Abrede, dass der Beschluss 2011/172 im Hinblick auf Art. 21 EUV sachlich begründet ist.

46

In Anbetracht der großen Reichweite der Ziele und Zwecke der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, wie sie in den Art. 3 Abs. 5 EUV und 21 EUV und in den Sonderbestimmungen für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, insbesondere den Art. 23 EUV und 24 EUV, ausgedrückt sind, kann mit diesem Argument jedoch nicht die Würdigung des Gerichts hinsichtlich der Rechtsgrundlage des Beschlusses 2011/172 in Frage gestellt werden.

47

In Bezug auf die Rüge der Verfälschung von Beweisen ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführer nicht darlegen, welchen Teil der mit dem ersten Rechtsmittelgrund beanstandeten Randnummern des angefochtenen Urteils diese Rüge betrifft.

48

Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

49

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund tragen die Rechtsmittelführer vor, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es entschieden habe, dass sie die in Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2011/172 und in Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 270/2011 festgelegten Voraussetzungen und die in den Anhängen dieser Regelungen aufgeführten Gründe für den Erlass restriktiver Maßnahmen gegen sie in Bezug auf ihre Gelder und ihre wirtschaftlichen Ressourcen und für die Aufnahme ihrer Namen in die Liste im Anhang dieser Rechtsakte erfüllten.

Angefochtenes Urteil

50

Das Gericht hat in Anbetracht des Unterschieds zwischen der Formulierung von Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2011/172 in der englischen Fassung und in den anderen Sprachfassungen in den Rn. 62 bis 84 des angefochtenen Urteils eine Auslegung dieser Bestimmung vorgenommen. In ihrer englischen Fassung sieht sie nämlich das Einfrieren der Vermögenswerte der Personen vor, die als für die rechtswidrige Verwendung „ermittelt“ worden sind („persons having been identified as responsible“), während in der französischen Fassung auf die Personen Bezug genommen wird, die als für die rechtswidrige Verwendung verantwortlich „befunden“ worden sind („personnes reconnues comme responsables“).

51

Unter Berücksichtigung des Zusammenhangs und des Zwecks der Bestimmung ist das Gericht in Rn. 67 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis gekommen, dass sie weit auszulegen sei. In den Rn. 70 bis 81 des Urteils hat das Gericht entschieden, dass der Grundsatz einer engen Auslegung verwaltungsrechtlicher Sanktionsnormen dieser Auslegung nicht entgegenstehe. In Bezug auf den Grundsatz der Unschuldsvermutung hat das Gericht in den Rn. 82 bis 84 des Urteils ebenso entschieden.

52

Bei der Prüfung der Gründe für die Aufnahme der Namen der Rechtsmittelführer in die Liste im Anhang des Beschlusses 2011/172 hat das Gericht deren Formulierung in den verschiedenen Sprachfassungen des Beschlusses verglichen. In Rn. 93 des angefochtenen Urteils hat es darauf hingewiesen, dass der Aufnahmegrund unabhängig von der anwendbaren Sprachfassung mit Art. 1 des Beschlusses im Einklang stehe, und in Rn. 94 des Urteils hat es festgestellt, dass die englische Sprachfassung dieses Anhangs dem Zweck dieses Artikels besser gerecht werde.

53

Das Gericht hat sich daher auf den Wortlaut der englischen Fassung von Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2011/172 gestützt und in Rn. 95 des angefochtenen Urteils entschieden, dass „der Rat die Vermögenswerte der Kläger aus dem Grund einfrieren wollte, dass gegen sie in Ägypten gerichtliche Verfahren anhängig seien, die in irgendeiner Weise mit Ermittlungen wegen rechtswidriger Verwendung staatlicher Gelder verbunden seien“. In Rn. 99 des Urteils ist es zu dem Ergebnis gekommen, dass der Rat „mit der Aufnahme der Kläger in die Liste im Anhang des Beschlusses 2011/172 die Kriterien, die er selbst in Art. 1 Abs. 1 dieses Beschlusses niedergelegt hat, nicht verkannt [hat]“.

Vorbringen der Parteien

54

Die Rechtsmittelführer beanstanden zunächst die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2011/172 und von Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 270/2011 durch das Gericht. Sie machen geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es die englische Fassung dieser Bestimmungen zugrunde gelegt habe. Zum einen sei es nicht zutreffend, dass die englische Fassung dem Zweck des Beschlusses 2011/172 besser gerecht werde, und zum anderen hätte das Gericht die verschiedenen Sprachfassungen in Einklang bringen müssen. Das Gericht sei verpflichtet gewesen, diese Bestimmungen entsprechend dem Zusammenhang und dem Zweck der Regelung auszulegen. Die Rechtsmittelführer beanstanden auch die vom Gericht in den Rn. 85 bis 95 des angefochtenen Urteils vorgenommene Auslegung des Rechtfertigungsgrundes für die Aufnahme eines jeden von ihnen in den Anhang des Beschlusses 2011/172 und in den Anhang der Verordnung Nr. 270/2011.

55

In Anbetracht dieser falschen Auslegungen habe das Gericht nicht die vom Unionsrecht geforderte umfassende und strenge Überprüfung der Beweise durchgeführt. Es habe sich ausschließlich auf die im Rechtshilfeersuchen aufgeführten Behauptungen gestützt, ohne deren Richtigkeit zu überprüfen. Insbesondere habe es das Argument des Rechtsmittelführers zu 1 nicht berücksichtigt, dass die gegen ihn erhobene Klage in Wirklichkeit ein politisches Ziel habe und unbegründet sei. Ebenso wenig habe das Gericht die Rügen des Rechtsmittelführers geprüft, dass seine Behandlung in Ägypten gegen die grundlegenden Garantien des fairen Verfahrens und des Rechtsstaats verstoße.

56

Das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es in Rn. 99 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass der Rat mit der Aufnahme des Namens der Rechtsmittelführer in die Liste im Anhang des Beschlusses 2011/172 die Kriterien, die er selbst in Art. 1 Abs. 1 dieses Beschlusses niedergelegt habe, nicht verkannt habe.

57

Dieser Fehler sei in Bezug auf die Rechtsmittelführerinnen zu 2, zu 3 und zu 4 besonders offensichtlich. Das Gericht habe in Rn. 131 des angefochtenen Urteils nämlich festgestellt, dass keines der vom Rat vorgelegten Dokumente den Schluss zulasse, dass diese Rechtsmittelführerinnen in Ägypten wegen einer rechtswidrigen Verwendung staatlicher Gelder strafrechtlich verfolgt worden seien. Indem sich das Gericht auf eine Verbindung zwischen diesen Rechtsmittelführerinnen und dem Rechtsmittelführer zu 1 gestützt habe, habe es weder das Urteil Tay Za/Rat (C‑376/10 P, EU:C:2012:138, Rn. 66) des Gerichtshofs noch das Urteil Nabipour u. a./Rat (T‑58/12, EU:T:2013:640, Rn. 107 und 108) des Gerichts berücksichtigt, nach denen nur die eigene Beteiligung der natürlichen Person an den von der einschlägigen Regelung erfassten Handlungen den Erlass restriktiver Maßnahmen gegen sie rechtfertige.

58

Nach Ansicht des Rates hat das Gericht bei seiner Auslegung des Beschlusses 2011/172 keinen Rechtsfehler begangen. Die Frage der Absicht des Urhebers des Rechtsakts sei jedenfalls seit der Veröffentlichung einer Berichtigung des Beschlusses endgültig entschieden.

59

Hinsichtlich der Beweise für die Existenz eines Strafverfahrens gegen den Rechtsmittelführer zu 1 verweist der Rat auf den Vermerk NV93/11/ms des ägyptischen Generalstaatsanwalts und auf den Umstand, dass dieser Rechtsmittelführer in der von ihm beim Gericht eingereichten Klageschrift eingeräumt habe, dass gegen ihn ein solches Verfahren eingeleitet worden sei. Die Strafverfolgung sei nicht auf einen Verstoß gegen das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption gestützt, sondern die dem Rechtsmittelführer von den ägyptischen Behörden vorgeworfenen Gesichtspunkte entsprächen den in dem Übereinkommen – insbesondere in dessen Art. 17 und 18 – beschriebenen Straftaten. Daher entsprächen die Gründe für die Aufnahme in die Liste im Anhang des Beschlusses 2011/172 der Existenz gerichtlicher Verfahren der ägyptischen Behörden, von denen der Rechtsmittelführer zu 1 selbst berichtet habe.

60

Der Rat weist darauf hin, dass die Rechtsmittelführer nicht darlegten, inwiefern der Rat oder das Gericht das Argument hätte berücksichtigen müssen, dass die Klage gegen den Rechtsmittelführer zu 1 in Wirklichkeit ein politisches Ziel verfolgt habe. Außerdem stellten die gegen diesen erlassenen restriktiven Maßnahmen keine strafrechtliche Sanktion dar, so dass das Argument eines Verstoßes gegen das faire Verfahren und den Rechtsstaat nicht relevant sei.

61

In Bezug auf die Rechtsmittelführerinnen zu 2, zu 3 und zu 4 betont der Rat, dass der Grund für ihre Aufnahme in die Liste im Anhang des Beschlusses 2011/172 nicht darin bestanden habe, dass sie mit dem Rechtsmittelführer zu 1 verbunden gewesen seien. Er weist insoweit darauf hin, dass das Gericht u. a. in Rn. 97 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Rechtsmittelführer allein aus dem Grund in diese Liste aufgenommen worden seien, dass gegen sie in Ägypten ein gerichtliches Verfahren anhängig gewesen sei, das einen Zusammenhang mit Ermittlungen wegen rechtswidriger Verwendung staatlicher Gelder aufgewiesen habe.

62

Die Kommission trägt vor, dass die Rechtsmittelführer nicht die Rn. 57 bis 84 des angefochtenen Urteils beanstandeten, in denen das Gericht Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2011/172 ausgelegt habe. Ihrer Ansicht nach hat das Gericht zu Recht einer weiten Auslegung dieser Bestimmung den Vorrang eingeräumt. Das Ziel des Einfrierens der Gelder, nämlich die Ermöglichung der späteren Wiedererlangung der Gelder durch die ägyptische Regierung, hätte nämlich nicht erreicht werden können, wenn die Einleitung von Strafverfahren hätte abgewartet werden müssen. Zudem stehe der Wortlaut des Beschlusses 2011/172 einer solchen Auslegung nicht entgegen. Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2011/172 und Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 270/2011 richteten sich nämlich an die als für die rechtswidrige Verwendung staatlicher Gelder Ägyptens verantwortlich ermittelten Personen und an die mit ihnen „verbundenen“ Personen. Außerdem sehe Abs. 2 dieser Artikel eine Maßnahme vor, die verhindern solle, dass die betreffenden Personen die gegen sie verhängten restriktiven Maßnahmen umgingen. Die Kommission kommt daher zu dem Ergebnis, dass der Grund für die Aufnahme in die Listen im Anhang des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011, nämlich der Umstand, dass „gerichtliche Verfahren … eingeleitet“ worden seien, nicht dahin ausgelegt werden könne, dass die betreffenden Personen „strafrechtlich verfolgt“ sein müssten.

63

In Bezug auf die Beweise betont die Kommission, dass sich der Rat auf die Schreiben der ägyptischen Behörden habe stützen können, ohne die Begründetheit der in diesen Schreiben enthaltenen Argumente zu prüfen oder entsprechend dem Ausgang dieser Strafverfolgung zu entscheiden. Das Rechtshilfeersuchen des ägyptischen Generalstaatsanwalts habe sich zwar hinsichtlich des Rechtsmittelführers zu 1 auf detaillierte Tatsachen bezogen, die insbesondere „Straftaten, die darin bestanden haben, aus öffentlichen Vermögenswerten Profit gezogen und diese rechtswidrig verwendet … zu haben“, betroffen hätten, doch treffe dies in Bezug auf die Rechtsmittelführerinnen zu 2, zu 3 und zu 4 nicht zu. Der Grund, weshalb ihre Gelder von den ägyptischen Behörden sichergestellt und durch die Unionsrechtsakte eingefroren worden seien, bestehe darin, dass diese Personen durch ihre Beziehung zum Rechtsmittelführer zu 1 staatliche Gelder rechtswidrig verwenden könnten oder zu diesem Zweck benutzt werden könnten. Außerdem sei nach den in diesen Schreiben enthaltenen Informationen die Sicherstellung der Gelder dieser Rechtsmittelführerinnen der Gegenstand von Anordnungen des Generalstaatsanwalts gewesen, die von den Strafgerichten gebilligt worden seien. Der Rat habe somit die relevanten Informationen mitgeteilt, die als Grundlage für die Erstellung der in Rede stehenden Listen gedient hätten.

64

In Bezug auf die von den Rechtsmittelführern geforderte umfassende Überprüfung der Gründe für die Aufnahme in diese Listen betont die Kommission, dass es nicht Sache des Rates sei, die „Stichhaltigkeit“ der Argumente der ägyptischen Behörden zu überprüfen oder in der Sache über den innerstaatlichen Fall zu entscheiden. Die Schreiben der ägyptischen Behörden stellten angemessene Informationen dar, auf die sich der Rat für den Erlass der restriktiven Maßnahmen habe stützen können.

65

Ebenso wie der Rat macht die Kommission geltend, dass die Bezugnahme auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption die Rechtsgrundlage des Rechtshilfeersuchens darstelle und nicht als Darlegung der besonderen Gründe für die gerichtlichen Verfahren gegen den Rechtsmittelführer zu 1 verstanden werden könne.

66

Deshalb spiegele die Rüge, dass die Erwägungen des Gerichts dürftig seien, nicht das angefochtene Urteil wider. Die Rechtsmittelführer beanstandeten nicht Rn. 67 des angefochtenen Urteils und berücksichtigten nicht die vom Gericht vorgenommene detaillierte Prüfung der Definition der für die Aufnahme in die Liste im Anhang des Beschlusses 2011/172 relevanten Kriterien (Rn. 57 bis 84 des Urteils), der Definition des Grundes für die Aufnahme in die Liste (Rn. 85 bis 95 des Urteils) und der rechtlichen Qualifizierung der Tatsachen (Rn. 118 bis 157).

67

Schließlich sei das Urteil Tay Za/Rat (EU:C:2012:138) im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Diese Rechtssache habe den Sohn einer mit den Machthabern Birmas verbundenen Führungskraft eines Unternehmens betroffen, und die gegenüber dem Regime dieses Landes getroffenen Maßnahmen hätten Funktionäre betroffen, „die Strategien konzipieren oder durchführen, die den Übergang von Birma/Myanmar zur Demokratie behindern, oder aus solchen Strategien Nutzen ziehen“. Im vorliegenden Fall bestehe das Ziel darin, staatliche Gelder einzubehalten, um sie in Zukunft an die Arabische Republik Ägypten zurückzugeben. Daher bedeute die bloße Tatsache, dass jemand mit einer mit den Machthabern eines Staates verbundenen Person verheiratet sei, nicht, dass er als mit dem politischen Regime dieses Staates verbunden angesehen werde. Diese Situation sei hingegen dann relevant, wenn die restriktiven Maßnahmen darauf gerichtet seien, staatliche Gelder einzubehalten, da bestimmte Vermögensgegenstände vom Ehemann und seinen Ehefrauen gemeinsam gehalten werden könnten. Bereits die Tatsache, dass in Ägypten Anordnungen erlassen worden seien – auch wenn sie für die Aufnahme der Rechtsmittelführerinnen zu 2, zu 3 und zu 4 in die Listen im Anhang des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011 nicht unerlässlich seien –, stelle einen ernsthaften Hinweis auf eine Verbindung dar, da die ägyptischen Gerichte über eine bessere Kenntnis des auf den Rechtsmittelführer zu 1 und seine Ehefrauen anwendbaren Güterrechts verfügten.

Würdigung durch den Gerichtshof

68

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund beanstanden die Rechtsmittelführer erstens die Auslegung der Kriterien für die Aufnahme in die Listen im Anhang des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011 durch das Gericht und zweitens ihre Aufnahme im Hinblick auf diese Kriterien und die angegebene Begründung.

69

Anders als die Rechtsmittelführer an erster Stelle geltend machen, hat das Gericht eine Auslegung von Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2011/172 und von Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 270/2011 vorgenommen, bei der es die unterschiedliche Formulierung dieser Bestimmungen in den verschiedenen Sprachfassungen des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011, ihren Zusammenhang und ihren Zweck berücksichtigt hat.

70

In dieser Hinsicht hat das Gericht in Rn. 66 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei festgestellt, dass das Ziel dieser Rechtsakte die Hilfe für die ägyptischen Behörden beim Kampf gegen die rechtswidrige Verwendung staatlicher Gelder ist. Dieses Ziel geht nämlich ausdrücklich aus dem zweiten Erwägungsgrund des Beschlusses 2011/172 hervor.

71

Im Hinblick auf dieses Ziel hat das Gericht in Rn. 66 des angefochtenen Urteils auch rechtsfehlerfrei entschieden, dass die praktische Wirksamkeit des Beschlusses 2011/172 in Frage gestellt wäre, wenn der Erlass restriktiver Maßnahmen von der strafrechtlichen Verurteilung der Personen abhinge, die im Verdacht stehen, Gelder rechtswidrig verwendet zu haben, da diese Personen in der Zwischenzeit über die erforderliche Zeit verfügen würden, um ihre Vermögenswerte in Staaten zu transferieren, die keine Kooperation mit den ägyptischen Behörden unterhalten.

72

Das Gericht ist in Rn. 67 des angefochtenen Urteils daher zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2011/172 so zu verstehen ist, dass er nicht nur Personen betrifft, die strafrechtlich verfolgt werden, sondern auch Personen, gegen die gerichtliche Verfahren eingeleitet worden sind, die mit Strafverfahren wegen „rechtswidriger Verwendung staatlicher Gelder Ägyptens“ zusammenhängen, wobei die zuletzt genannten Personen als Personen eingestuft werden können, die mit den Personen, gegen die sich die Strafverfahren richten, verbunden sind.

73

Da diese Auslegung richtig ist, hat das Gericht in Rn. 93 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass der Grund für die Aufnahme des Namens der Rechtsmittelführer unabhängig von der Sprachfassung dieses Grundes im Einklang mit Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2011/172 steht, und in Rn. 94 des Urteils, dass die englische Sprachfassung dem Zweck dieser Vorschrift besser gerecht wird. Deshalb ist das Gericht in Rn. 95 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Rat die Vermögenswerte der Rechtsmittelführer aus dem Grund einfrieren wollte, dass gegen sie in Ägypten gerichtliche Verfahren anhängig seien, die in irgendeiner Weise mit Ermittlungen wegen rechtswidriger Verwendung staatlicher Gelder verbunden seien.

74

Die Rechtsmittelführer beanstanden zweitens ihre Aufnahme in die Listen im Anhang des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011, weil sie gegen den Beschluss 2011/172 verstoße. Auch wenn – wie eben in Rn. 72 des vorliegenden Urteils dargelegt worden ist – der von den Rechtsmittelführern vorgenommenen Auslegung dieses Beschlusses nicht gefolgt werden kann, sind die von ihnen insoweit vorgebrachten Argumente gleichwohl zu prüfen.

75

In Bezug auf das Rechtshilfeersuchen der ägyptischen Behörden ist festzustellen, dass dieses Ersuchen u. a. in den Rn. 128 bis 134 und 137 des angefochtenen Urteils geprüft wird. In Rn. 128 des Urteils hat das Gericht festgestellt, dass sich dieses Ersuchen auf eine von der ägyptischen Staatsanwaltschaft gegen die vier Rechtsmittelführer durchgeführte Ermittlung u. a. wegen Korruption und widerrechtlicher Aneignung öffentlicher Vermögenswerte bezogen habe. In Rn. 133 des Urteils hat das Gericht ausgeführt, dass die Rechtsmittelführer nichts vorgetragen hätten, was die Richtigkeit der Sachverhaltsangaben zu diesem Rechtshilfeersuchen in Zweifel ziehen könne. Ebenso hat es darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelführer das Bestehen einer von einem Strafgericht gebilligten Anordnung des ägyptischen Generalstaatsanwalts der Sicherstellung ihrer Vermögenswerte nicht bestritten hätten. Was insbesondere den Rechtsmittelführer zu 1 angeht, hat das Gericht in den Rn. 130 und 137 des angefochtenen Urteils ein Schriftstück aus den Anlagen des Rechtshilfeersuchens geprüft und festgestellt, dass der Rechtsmittelführer zu 1 in „der Rechtssache Nr. 38/2011“ wegen „widerrechtlicher Aneignung“ von Vermögenswerten eines „vom Staat gehaltenen öffentlichen Unternehmens“ und wegen „Straftaten, die darin bestanden haben, aus öffentlichen Vermögenswerten Profit gezogen und diese rechtswidrig verwendet sowie sich widerrechtlich angeeignet und … bei der Aneignung [solcher Vermögenswerte] Beistand geleistet zu haben“, „angeklagt“ worden sei.

76

Da die Rechtsmittelführer weder die Existenz des Rechtshilfeersuchens und der ihm als Anlage beigefügten Schriftstücke noch der Anordnung der Sicherstellung ihrer Vermögenswerte bestreiten, kann unter diesen Umständen entgegen ihrem Vorbringen dem Gericht nicht vorgeworfen werden, keine umfassende und strenge Überprüfung dieser Beweise vorgenommen zu haben.

77

Insoweit ist zu betonen, dass der Rat oder das Gericht nicht die Begründetheit der gegen die Rechtsmittelführer eingeleiteten Ermittlungen, sondern nur die Begründetheit des Beschlusses über das Einfrieren der Gelder im Hinblick auf das Rechtshilfeersuchen zu überprüfen hatte. In Bezug auf die Tatsachenfeststellungen des Gerichts hinsichtlich der Existenz gerichtlicher Verfahren betreffend die vier Rechtsmittelführer ist auf die ständige Rechtsprechung hinzuweisen, wonach allein das Gericht für die Tatsachenfeststellung zuständig ist, sofern sich nicht aus den Akten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind, und für die Würdigung dieser Tatsachen. Die Würdigung der Tatsachen ist, sofern die dem Gericht vorgelegten Beweise nicht verfälscht werden, daher keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (vgl. u. a. Urteile Versalis/Kommission, C‑511/11 P, EU:C:2013:386, Rn. 66, sowie Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 84).

78

In Bezug auf den Rechtsmittelführer zu 1 möchten die Rechtsmittelführer in Wirklichkeit eine neue Würdigung der Beweise erreichen, ohne sich auf eine Verfälschung der Beweise durch das Gericht zu berufen, indem sie geltend machen, dass das u. a. in den Rn. 128, 130 und 137 des angefochtenen Urteils beschriebene Rechtshilfeersuchen der ägyptischen Behörden nicht den Beweis erbringe, dass der Rechtsmittelführer zu 1 in Ägypten strafrechtlich verfolgt werde, und insbesondere, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, indem es die Existenz einer gerichtlichen Untersuchung gegen ihn wegen einer in seiner Eigenschaft als ehemaliger ägyptischer Abgeordneter begangenen rechtswidrigen Verwendung staatlicher Gelder festgestellt habe. Dieses Argument ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

79

Das Argument der Rechtsmittelführer, dass es keinen Beweis dafür gebe, dass die Anordnung „wegen rechtswidriger Verwendung staatlicher Gelder auf der Grundlage des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption“ erlassen worden sei, ist ebenfalls zurückzuweisen, da aus dem Rechtshilfeersuchen selbst hervorgeht, dass der Rechtsmittelführer zu 1 in Ägypten strafrechtlich verfolgt wird und die ägyptischen Behörden dieses Übereinkommen als Rechtsgrundlage des Rechtshilfeersuchens angegeben haben, indem sie sich u. a. auf dessen Art. 17 bis 19, 23 und 31 bezogen haben.

80

In Bezug auf die Rechtsmittelführerinnen zu 2, zu 3 und zu 4 hat das Gericht in Rn. 131 des angefochtenen Urteils zwar anerkannt, dass kein Dokument den Schluss zulasse, dass sie in Ägypten wegen einer rechtswidrigen Verwendung staatlicher Gelder strafrechtlich verfolgt worden seien, doch hat es in Rn. 132 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass ihre Vermögenswerte aufgrund einer Anordnung des ägyptischen Generalstaatsanwalts sichergestellt worden seien, die von einem Strafgericht gebilligt worden sei und mit Ermittlungen wegen rechtswidriger Verwendungen staatlicher Gelder zusammengehangen habe.

81

In Bezug auf das Argument der Rechtsmittelführer, dass die Sicherstellung ihrer Vermögenswerte in Ägypten nicht die Existenz eines gerichtlichen Verfahrens gegen die Rechtsmittelführerinnen zu 2, zu 3 und zu 4 beweise, genügt der Hinweis, dass diese Sicherstellung vom ägyptischen Generalstaatsanwalt angeordnet und von einem Strafgericht gebilligt worden ist, die als gerichtliche Organe anzusehen sind. Das Argument der Rechtsmittelführer, dass diese Sicherstellung nur präventiven Charakter habe, ist nicht begründet, da diese Sicherstellung von Justizbehörden angeordnet worden ist und der präventive Charakter einer Maßnahme ihr nicht ihren justiziellen Charakter nehmen kann.

82

Daher ist das Gericht in Rn. 134 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Rat dadurch, dass er im Anhang des Beschlusses 2011/172 die Rechtsmittelführerinnen zu 2, zu 3 und zu 4 als Personen eingestuft hat, gegen die ein gerichtliches Verfahren in Ägypten eingeleitet worden war, das einen Zusammenhang mit Ermittlungen wegen rechtswidriger Verwendung staatlicher Gelder aufwies, weder die Tatsachen verkannt noch sie fehlerhaft rechtlich qualifiziert hat.

83

Die Rechtsmittelführer führen ferner an, dass die gegen den Rechtsmittelführer zu 1 erhobene Klage ein politisches Ziel habe und seine Behandlung in Ägypten gegen die Regeln des Rechtsstaats verstoße. Sie geben jedoch nicht an, auf welchen der beim Gericht vorgetragenen Klagegründe das Gericht nicht eingegangen sein soll, und legen auch nicht dar, inwiefern das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat.

84

Die Rechtsmittelführer machen schließlich geltend, das Gericht hätte bei der Prüfung der Aufnahme in die Listen im Anhang des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011 die persönliche Beteiligung der natürlichen Person an der Vornahme der von den einschlägigen Rechtsvorschriften erfassten Handlungen berücksichtigen müssen. Es ist jedoch festzustellen, dass das Kriterium in Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2011/172, wonach sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der als für die rechtswidrige Verwendung staatlicher Gelder Ägyptens verantwortlich ermittelten Personen oder Organisationen eingefroren werden, dahin auszulegen ist, dass es danach möglich ist, die Existenz gerichtlicher Verfahren, die mit einer gerichtlichen Verfolgung wegen rechtswidriger Verwendung staatlicher Gelder in Verbindung stehen, als Grundlage für restriktive Maßnahmen heranzuziehen, ohne dass eine persönliche Beteiligung der betreffenden Person festgestellt zu werden braucht. Daraus folgt, dass die von den Rechtsmittelführern geltend gemachte und in Rn. 57 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung nicht einschlägig ist.

85

Nach alledem ist der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

86

Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es entschieden habe, dass der Rat in dem Beschluss 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011 seiner Begründungspflicht nachgekommen sei.

87

Sie machen geltend, der Rat habe ihre Aufnahme in die Listen im Anhang dieser Rechtsakte mit einem einzigen Grund gerechtfertigt, der für jeden von ihnen der gleiche sei, nämlich, dass „[d]ie ägyptischen Behörden … gerichtliche Verfahren gegen [sie] wegen rechtswidriger Verwendung staatlicher Gelder auf der Grundlage des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption eingeleitet [haben]“. Ein solcher Grund sei ungenau und ermögliche nicht, die „besonderen und konkreten“ Gründe zu bestimmen, aus denen den Rechtsmittelführern die restriktiven Maßnahmen auferlegt worden seien. Die Ungenauigkeit der vom Rat angegebenen Begründung werde durch die bedeutenden Unterschiede zwischen den Sprachfassungen des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011 verschlimmert und nehme den Rechtsmittelführern die Möglichkeit, ihre Rechte bestmöglich zu verteidigen.

88

Der Rat trägt vor, dass die Rechtsmittelführer nicht erklärten, inwiefern das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, indem es die Gültigkeit des Wortlauts der Aufnahmegründe bestätigt habe. Jedenfalls hätten die Rechtsmittelführer alle für ihre Verteidigung relevanten Dokumente erhalten.

89

Der Rat hebt außerdem hervor, dass dies das erste Mal sei, dass die Rechtsmittelführer die durch die Unterschiede zwischen den Sprachfassungen des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011 verursachten Schwierigkeiten geltend machten. Die Rechtsmittelführer hätten im Verfahren immer die englische Sprache benutzt, so dass schwer ersichtlich sei, inwiefern die Bezugnahme auf die englische Sprachfassung der beanstandeten Maßnahmen sie daran gehindert habe, sich unter den bestmöglichen Bedingungen zu verteidigen.

90

Die Kommission macht geltend, dass die Begründung dieser Rechtsakte ausreichend sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

91

In den Rn. 107 bis 109 des angefochtenen Urteils hat das Gericht rechtsfehlerfrei auf die Rechtsprechung zur Begründung von Rechtsakten und insbesondere zu Rechtsakten, die restriktive Maßnahmen wie das Einfrieren von Vermögenswerten auferlegen, hingewiesen.

92

Nachdem es in Rn. 113 des angefochtenen Urteils die Angaben zur Rechtsgrundlage des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011 geprüft hatte, hat es in Rn. 114 des Urteils festgestellt, dass die tatsächlichen Erwägungen, auf deren Grundlage der Rat das Einfrieren von Vermögenswerten beschlossen habe, hinreichend substantiiert seien, um den Rechtsmittelführern die Möglichkeit zu geben, deren Genauigkeit vor dem Rat und sodann vor dem Unionsgericht in Frage zu stellen. In Rn. 115 des Urteils hat es festgestellt, dass diese Erwägungen nicht stereotyper Art seien, sondern die konkrete Situation der Rechtsmittelführer beschreiben wollten.

93

In Rn. 116 des angefochtenen Urteils hat das Gericht rechtsfehlerfrei entschieden, dass der Beschluss 2011/172 und die Verordnung Nr. 270/2011 die rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte wiedergeben, die ihnen nach Ansicht des Rates zugrunde liegen, und dass die Begründung des Rates in ihrem Wortlaut eindeutig zum Ausdruck kommt.

94

Daher ist der dritte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

95

Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es in den Rn. 158 bis 185 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass die Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführer und ihr Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz nicht verletzt worden seien.

96

Das Gericht habe zu Unrecht befunden, dass der Beschluss 2011/172 und die Verordnung Nr. 270/2011 hinreichend begründet seien. Ebenso wenig habe es berücksichtigt, dass die Rechtsmittelführer eine Kopie des Rechtshilfeersuchens erst über vier Monate nach Erlass des Beschlusses und der Verordnung erhalten hätten, d. h. nach dem Datum der Klageerhebung vor dem Gericht. Die im Schreiben vom 29. Juli 2011 erteilten Informationen seien unvollständig. Das Gericht habe nicht geprüft, ob die vom Rat zugrunde gelegten Tatsachen, auf denen die Gründe für die Aufnahme der Rechtsmittelführer in die Listen im Anhang dieser Rechtsakte beruhten, nachgewiesen seien. Die Feststellung des Gerichts, dass die Aufnahme der Rechtsmittelführerinnen zu 2, zu 3 und zu 4 in diese Listen rechtmäßig sei, sei auf einen anderen als den vom Rat angegebenen Grund gestützt.

97

Der Rat macht geltend, dass die Rechtsmittelführer nicht nachwiesen, inwiefern sie an der umfassenden Ausübung ihrer Verteidigungsrechte und ihres Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gehindert gewesen seien, da sie in der Lage gewesen seien, eine Nichtigkeitsklage innerhalb der gesetzlich festgelegten Frist zu erheben, und sie im Rahmen dieser Klage genau dieselben Elemente beanstandet hätten wie die, die ihnen in Beantwortung der Auskunftsersuchen mitgeteilt worden seien, die sie nach Erlass des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011 gestellt hätten.

98

Der Rat und die Kommission weisen darauf hin, dass das Gericht in den Rn. 164 und 165 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass der Rat den Rechtsmittelführern die zu ihrer Verteidigung erforderlichen Dokumente übermittelt habe. Die Rechtsmittelführer beanstandeten jedoch nicht diese Randnummern des angefochtenen Urteils.

99

In Bezug auf die übrigen Argumente macht der Rat geltend, dass im Rahmen der übrigen Rechtsmittelgründe bereits auf sie eingegangen worden sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

100

In den Rn. 158 bis 185 des angefochtenen Urteils, gegen die sich der vierte Rechtsmittelgrund richtet, ist das Gericht auf drei verschiedene Argumente eingegangen, die von den Rechtsmittelführern vorgebracht worden sind.

101

Das Gericht hat in den Rn. 159 bis 166 des angefochtenen Urteils zunächst entschieden, dass das Argument der Rechtsmittelführer, ihnen seien die Beweismittel, auf deren Grundlage ihre Vermögenswerte eingefroren worden seien, nicht mitgeteilt worden, sachlich unzutreffend sei. Die Rn. 164 und 165 des angefochtenen Urteils, mit denen das Gericht festgestellt hat, dass der Rat den Rechtsmittelführern die zu ihrer Verteidigung erforderlichen Dokumente übermittelt habe, lauten:

„164

Zum einen geht nämlich aus den Akten hervor, dass der Rat das Ersuchen vom 1. April 2011 mit dem … Schreiben vom 7. Juni 2011 beantwortet hat, in dem er die Kläger auf ein Dokument ‚des ägyptischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten vom 13. Februar 2011 [verwies], das einen Antrag des ägyptischen Generalstaatsanwalts enthält, die Vermögenswerte bestimmter früherer Minister und Beamter auf der Grundlage der Konvention der Vereinten Nationen gegen die Korruption einzufrieren, und [den Kläger zu 1] in der Liste der betroffenen Personen aufführt‘. Dieses Dokument vom 13. Februar 2011 war dem Schreiben des Rates beigefügt.

165

Zum anderen antwortete der Rat mit einem Schreiben vom 29. Juli 2011, auf das in Rn. 125 des vorliegenden Urteils hingewiesen wurde, u. a. auf das Schreiben vom 13. Mai 2011. Er verwies die Anwaltskanzlei der Kläger nicht nur auf die ‚in dem vorangegangenen Schreiben des Rates vom 7. Juni 2011 mitgeteilten Angaben“, sondern auch auf einen „Vermerk der ägyptischen Vertretung bei der E[uropäischen] U[nion] vom 24. Februar 2011, der ein Rechtshilfeersuchen des ägyptischen Generalstaatsanwalts einschloss‘. Dieser Vermerk sowie das Rechtshilfeersuchen, die in den Rn. 126 bzw. 128 des vorliegenden Urteils dargestellt worden sind, waren dem Schreiben des Rates beigefügt.“

102

Da die Rechtsmittelführer keine Verfälschung der Tatsachen oder Beweise geltend gemacht haben, ist der vierte Rechtsmittelgrund gemäß der in Rn. 77 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung als unzulässig zurückzuweisen, soweit er auf die Rn. 159 bis 166 des angefochtenen Urteils gerichtet ist.

103

In den Rn. 167 bis 170 des angefochtenen Urteils hat das Gericht sodann ein Argument der Rechtsmittelführer hinsichtlich eines Begründungsmangels des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011 zurückgewiesen.

104

Insoweit ist in Rn. 93 des vorliegenden Urteils bereits festgestellt worden, dass das Gericht rechtsfehlerfrei entschieden hat, dass diese Rechtsakte rechtlich hinreichend begründet waren. Daher ist der vierte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen, soweit er auf die Rn. 167 bis 170 des angefochtenen Urteils gerichtet ist.

105

In den Rn. 171 bis 185 des angefochtenen Urteils hat das Gericht schließlich mehrere Argumente der Rechtsmittelführer zurückgewiesen, mit denen eine Verletzung ihres Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz dargetan werden sollte. Im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittelgrundes rügen die Rechtsmittelführer, das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass ihnen eine Kopie des Rechtshilfeersuchens, das der wichtigste Beweis sei, auf den der Beschluss 2011/172 und die Verordnung Nr. 270/2011 gestützt seien, am 29. Juli 2011, d. h. mehr als vier Monate nach Erlass dieser Rechtsakte, übermittelt worden sei. Die Rechtsmittelführer sind daher der Ansicht, dass der Rat ihnen entgegen der Würdigung durch das Gericht in Rn. 182 des angefochtenen Urteils nicht „rechtzeitig“ geantwortet habe.

106

Hierzu genügt die Feststellung, dass die Rechtsmittelführer dieses Argument vor dem Gericht nicht vorgetragen haben, so dass sie im Stadium des Rechtsmittels nicht berechtigt sind, einen Rechtsfehler geltend zu machen, den das Gericht insoweit begangen haben soll.

107

Daher ist der vierte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Zum fünften Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

108

Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es entschieden habe, dass der Eingriff in ihr Eigentumsrecht und/oder ihre unternehmerische Freiheit verhältnismäßig gewesen sei.

109

Das Gericht habe nicht die Möglichkeit geprüft, auf weniger strenge Maßnahmen als die restriktive Maßnahme zurückzugreifen, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Es habe in Rn. 207 des angefochtenen Urteils lediglich hervorgehoben, dass die Rechtsmittelführer nicht nachgewiesen hätten, dass der Rat weniger einschneidende, aber ebenso geeignete Maßnahmen hätte in Betracht ziehen können wie die im Beschluss 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011 vorgesehenen Maßnahmen. Im Übrigen habe das Gericht nicht die individuelle Situation jedes Rechtsmittelführers geprüft. Ohne diese Fehler wäre das Gericht zwangsläufig zu dem Ergebnis gekommen, dass die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht und/oder die unternehmerische Freiheit der Rechtsmittelführer darstellten.

110

Der Rat weist darauf hin, dass das Gericht in den Rn. 187 bis 217 des angefochtenen Urteils die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen eingehend geprüft habe. Im Übrigen sei eine Prüfung der individuellen Situation jedes Rechtsmittelführers nicht erforderlich gewesen, da die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen nicht die Strafe für eine mutmaßliche oder nachgewiesene Straftat darstellten und daher nicht an das Verhalten der von ihr betroffenen Personen angepasst werden müssten. Die Rechtsmittelführer hätten insoweit weder vor dem Gericht noch vor dem Gerichtshof einen Umstand angeführt, der eine derart unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Daher machten sie zu Unrecht geltend, dass das Gericht durch die Nichtberücksichtigung eines Arguments einen Fehler begangen habe, da dieses Argument bei ihm nicht vorgetragen worden sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

111

Nach ständiger Rechtsprechung muss ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen (vgl. u. a. Urteile Frankreich/Monsanto und Kommission, C‑248/99 P, EU:C:2002:1, Rn. 68, und Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 46).

112

Die Rechtsmittelführer tragen jedoch kein rechtliches Argument zum Nachweis des Vorliegens eines Rechtsfehlers in den Rn. 205 bis 209 des angefochtenen Urteils vor, in denen das Gericht die Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen geprüft hat. Die Rechtsmittelführer beanstanden lediglich die in Rn. 207 des angefochtenen Urteils stehende und in Rn. 109 des vorliegenden Urteils angeführte Begründung des Gerichts, mit der es feststellt, dass sie keine Gesichtspunkte zum Nachweis dafür vorgetragen hätten, dass der Erlass weniger einschneidender Maßnahmen möglich gewesen sei, ohne auch nur den Nachweis zu versuchen, dass sie solche Gesichtspunkte beim Gericht vorgetragen haben.

113

Zur persönlichen Situation jedes Rechtsmittelführers genügt der Hinweis, dass das Gericht die Begründetheit ihrer Aufnahme in die Listen im Anhang des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011 in seiner Antwort auf den vierten Grund der Nichtigkeitsklage geprüft hat. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht auf Art. 1 Abs. 3 des Beschlusses 2011/172 verwiesen hat, nach dem die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unter gewissen Bedingungen im Einzelfall die Freigabe oder die Bereitstellung bestimmter eingefrorener Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen genehmigen können. Art. 4 der Verordnung Nr. 270/2011 enthält eine ähnliche Bestimmung. In Anbetracht des alle Rechtsmittelführer betreffenden speziellen Ziels des Einfrierens der Gelder – der Blockierung von Vermögenswerten, die im Anschluss an rechtswidrige Verwendungen staatlicher Gelder zum Nachteil der ägyptischen Behörden in das Vermögen der Rechtsmittelführer haben gelangen können –, der in Rn. 209 des angefochtenen Urteils hervorgehobenen befristeten und reversiblen Natur der Maßnahmen und der genannten Bestimmungen, die im Einzelfall eine Freigabe bestimmter Gelder ermöglichen, war das Gericht nicht verpflichtet, in Bezug auf jeden einzelnen Rechtsmittelführer eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der restriktiven Maßnahme vorzunehmen.

114

Daher ist der fünfte Rechtsmittelgrund als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

Zum sechsten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

115

Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführer geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es entschieden habe, dass der Rat keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe.

116

Das Gericht habe in den Rn. 235 und 236 des angefochtenen Urteils nämlich befunden, dass der Rat die in Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses 2011/172 und in Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 270/2011 festgelegten Kriterien eingehalten habe. Wie zudem aus Rn. 237 des Urteils hervorgehe, sei mit den Argumenten des Rates „davon [ausgegangen worden], dass es Aufgabe des Rates sei, festzustellen, ob sie für die rechtswidrige Verwendung staatlicher Gelder Ägyptens strafrechtlich verantwortlich seien“.

117

Der Rat und die Kommission machen gelten, dass im Rahmen der übrigen Rechtsmittelgründe bereits auf diese Argumente eingegangen worden sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

118

Es ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführer auf ihre zur Stützung des zweiten Rechtsmittelgrundes vorgebrachte Argumentation verweisen und somit die Würdigung des Gerichts in Bezug auf die Begründetheit ihrer Aufnahme in die Listen im Anhang des Beschlusses 2011/172 und der Verordnung Nr. 270/2011 in Frage stellen. Da diese Würdigung des Gerichts vom Gerichtshof im Rahmen der Prüfung des zweiten Rechtsmittelgrundes bestätigt worden ist, ist der sechste Rechtsmittelgrund folglich als unbegründet zurückzuweisen.

119

Da sämtliche Rechtsmittelgründe zurückgewiesen worden sind, ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Kosten

120

Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.

121

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach Art. 184 Abs. 1 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

122

Da die Rechtsmittelführer mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem entsprechenden Antrag des Rates und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Herr Ahmed Abdelaziz Ezz, Frau Abla Mohammed Fawzi Ali Ahmed, Frau Khadiga Ahmed Ahmed Kamel Yassin und Frau Shahinaz Abdel Azizabdel Wahab Al Naggar tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten des Rates der Europäischen Union und der Europäischen Kommission.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.