Rechtssache C‑69/10

Brahim Samba Diouf

gegen

Ministre du Travail, de l’Emploi et de l’Immigration

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal administratif [Luxembourg])

„Richtlinie 2005/85/EG – Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft – Begriff ‚Entscheidung über [den] Asylantrag‘ im Sinne von Art. 39 dieser Richtlinie – Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft – Nichtvorliegen der Gründe für die Gewährung internationalen Schutzes – Ablehnung des Antrags im beschleunigten Verfahren – Kein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung, über den Antrag in einem beschleunigten Verfahren zu entscheiden – Recht auf effektive gerichtliche Kontrolle“

Leitsätze des Urteils

1.        Grenzkontrollen, Asyl, Einwanderung – Asylpolitik – Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft – Richtlinie 2005/85 – Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf

(Richtlinie 2005/85 des Rates, Art. 39 Abs. 1)

2.        Grenzkontrollen, Asyl, Einwanderung – Asylpolitik – Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft – Richtlinie 2005/85 – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

(Richtlinie 2005/85 des Rates, Art. 23 und 39)

3.        Grenzkontrollen, Asyl, Einwanderung – Asylpolitik – Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft – Richtlinie 2005/85 – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

(Richtlinie 2005/85 des Rates, Art. 39)

4.        Grenzkontrollen, Asyl, Einwanderung – Asylpolitik – Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft – Richtlinie 2005/85 – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

(Richtlinie 2005/85 des Rates, Art. 39)

1.        Aus dem Wortlaut von Art. 39 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/85 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft und insbesondere den dort nicht erschöpfend aufgezählten Handlungen geht hervor, dass der Begriff „Entscheidung über den Asylantrag“ eine Reihe von Entscheidungen erfasst, die einer endgültigen abschlägigen Entscheidung in der Sache gleichkommen, da sie die Ablehnung des Asylantrags nach sich ziehen oder an der Grenze ergehen. Gleiches gilt für die übrigen Entscheidungen, gegen die Art. 39 der Richtlinie 2005/85 in Abs. 1 Buchst. b bis e ausdrücklich ein Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf vorsieht. Somit sind die Entscheidungen, gegen die der Asylbewerber gemäß Art. 39 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85 einen Rechtsbehelf haben muss, diejenigen, die eine Ablehnung des Asylantrags wegen Unbegründetheit oder gegebenenfalls aus formalen oder verfahrensrechtlichen Gründen, die eine Sachentscheidung ausschließen, implizieren. Folglich sind eine Sachentscheidung vorbereitende Entscheidungen oder Entscheidungen der Verfahrensorganisation nicht von dieser Bestimmung erfasst.

Im Übrigen wäre eine Auslegung von Art. 39 der Richtlinie 2005/85 dahin, dass „eine Entscheidung über den Antrag“ jede Entscheidung im Zusammenhang mit dem Asylantrag ist, einschließlich Entscheidungen, die die endgültige Entscheidung über den Asylantrag vorbereiten, oder Entscheidungen der Verfahrensorganisation, nicht mit dem Interesse an der raschen Abwicklung von Asylverfahren vereinbar. Dass ein derartiges Verfahren gemäß Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie 2005/85 unbeschadet einer angemessenen und vollständigen Prüfung der Anträge so rasch wie möglich zum Abschluss gebracht wird, liegt, wie aus dem elften Erwägungsgrund hervorgeht, im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Asylbewerber.

(vgl. Randnrn. 41-44)

2.        Art. 39 der Richtlinie 2005/85 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung nicht entgegenstehen, nach der gegen die Entscheidung der zuständigen nationalen Stelle, einen Asylantrag im beschleunigten Verfahren zu prüfen, kein selbständiger Rechtsbehelf eingelegt werden kann, sofern die Gründe, die diese Stelle dazu bewogen haben, die Begründetheit des Asylantrags im beschleunigten Verfahren zu prüfen, im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die endgültige abschlägige Entscheidung tatsächlich einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können; es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob dies der Fall ist.

Die Entscheidung über das Verfahren für die Prüfung des Asylantrags, die selbständig und unabhängig von der endgültigen Entscheidung, mit der dem Asylantrag stattgegeben oder dieser abgelehnt wird, vorgesehen ist, stellt nämlich eine Maßnahme zur Vorbereitung der endgültigen Entscheidung über den Antrag dar. Unter diesen Umständen stellt das Fehlen eines Rechtsbehelfs in diesem Verfahrensstadium keine Verletzung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf dar, sofern die Rechtmäßigkeit der im beschleunigten Verfahren ergangenen endgültigen Entscheidung und insbesondere die Gründe, aus denen die zuständige Stelle den Asylantrag als unbegründet abgelehnt hat, im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die Ablehnung des Asylantrags einer eingehenden Prüfung durch den nationalen Richter zugänglich ist.

Die Wirksamkeit eines solchen Rechtsbehelfs wäre nicht gewährleistet, wenn die Gründe, die die zuständige Stelle dazu bewogen haben, die Begründetheit eines Asylantrags im beschleunigten Verfahren zu prüfen, wegen des Ausschlusses eines Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung dieser Stelle, einen Asylantrag im beschleunigten Verfahren zu prüfen, keiner solchen Kontrolle zugänglich wären, sofern diese Gründe die gleichen wie die für die Ablehnung des Schutzantrags sind. Eine solche Situation würde die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unmöglich machen. Folglich müssen diese Gründe später vor dem nationalen Richter im Rahmen des Rechtsbehelfs, der gegen die endgültige, das Verfahren wegen des Asylantrags abschließende Entscheidung eingelegt werden kann, wirksam angefochten und von diesem Richter geprüft werden können. Es wäre nämlich nicht mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn eine solche nationale Regelung dahin ausgelegt werden könnte, dass die Gründe, die die zuständige nationale Behörde dazu bewogen haben, den Asylantrag im beschleunigten Verfahren zu prüfen, keiner gerichtlichen Kontrolle zugänglich wären.

Was die Auslegung des nationalen Rechts durch den nationalen Richter angeht, verlangt der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung, dass die nationalen Gerichte alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie 2005/85 zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von dieser verfolgten Ziel übereinstimmt. Das Ziel der Richtlinie 2005/85 besteht darin, einen gemeinsamen Garantierahmen aufzustellen, durch den die uneingeschränkte Wahrung der Genfer Konvention und der Grundrechte sichergestellt werden kann. Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf stellt ein Grundprinzip des Unionsrechts dar. Damit dieses Recht wirksam ausgeübt werden kann, muss der nationale Richter die Stichhaltigkeit der Gründe prüfen können, die die zuständige nationale Behörde dazu bewogen haben, den Antrag auf internationalen Schutz als unbegründet oder missbräuchlich anzusehen; für diese Gründe gilt keine unwiderlegliche Rechtmäßigkeitsvermutung. Im Rahmen dieses Rechtsbehelfs muss der zuständige nationale Richter ferner untersuchen, ob beim Erlass der Entscheidung, einen Asylantrag im beschleunigten Verfahren zu prüfen, die Verfahren und Garantien des Kapitels II der Richtlinie 2005/85 eingehalten wurden, wie dies deren Art. 23 Abs. 4 vorsieht.

(vgl. Randnrn. 55-58, 60-61, 70 und Tenor)

3.        Beträgt nach einer nationalen Regelung über das Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft die Klagefrist gegen eine im beschleunigten Verfahren erlassene endgültige Entscheidung über den Asylantrag 15 Tage, während sie im Fall einer im gewöhnlichen Verfahren erlassenen Entscheidung einen Monat beträgt, muss diese vorgesehene Frist tatsächlich ausreichen, um einen wirksamen Rechtsbehelf vorzubereiten und einzureichen. Bei beschleunigten Verfahren erscheint eine Frist von 15 Tagen für die Vorbereitung und Einreichung eines wirksamen Rechtsbehelfs im Grundsatz nicht tatsächlich unzureichend, sondern gegenüber den berührten Rechten und Belangen angemessen und verhältnismäßig. Sollte diese Frist in einer bestimmten Situation in Anbetracht der Umstände unzureichend sein, obliegt es jedoch dem nationalen Gericht, festzustellen, ob dies allein es rechtfertigen kann, dem Rechtsbehelf stattzugeben, der mittelbar gegen die Entscheidung, den Asylantrag im beschleunigten Verfahren zu prüfen, eingelegt wurde, so dass das nationale Gericht, wenn es dem Rechtsbehelf stattgäbe, anordnen würde, den Antrag im gewöhnlichen Verfahren zu prüfen.

(vgl. Randnrn. 66-68)

4.        Die Richtlinie 2005/85 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft schreibt nicht vor, dass es zwei Gerichtsinstanzen geben muss. Entscheidend ist nach Art. 39 der Richtlinie 2005/85 allein, dass ein Rechtsbehelf vor einem Gericht oder Tribunal sichergestellt ist. Der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes eröffnet dem Einzelnen den Zugang zu einem Gericht und nicht zu mehreren Gerichtsinstanzen.

(vgl. Randnr. 69)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

28. Juli 2011(*)

„Richtlinie 2005/85/EG – Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft – Begriff ‚Entscheidung über [den] Asylantrag‘ im Sinne von Art. 39 dieser Richtlinie – Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft – Nichtvorliegen der Gründe für die Gewährung internationalen Schutzes – Ablehnung des Antrags im beschleunigten Verfahren – Kein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung, über den Antrag in einem beschleunigten Verfahren zu entscheiden – Recht auf effektive gerichtliche Kontrolle“

In der Rechtssache C‑69/10

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal administratif (Luxemburg) mit Entscheidung vom 3. Februar 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Februar 2010, in dem Verfahren

Brahim Samba Diouf

gegen

Ministre du Travail, de l’Emploi et de l’Immigration

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richter A. Arabadjiev, A. Rosas (Berichterstatter), U. Lõhmus und A. Ó Caoimh,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Samba Diouf, vertreten durch O. Lang und G. Gros, avocats,

–        der luxemburgischen Regierung, vertreten durch C. Schiltz als Bevollmächtigten,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und N. Graf Vitzthum als Bevollmächtigte,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch M. Michelogiannaki als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou‑Durande als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. März 2011

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 39 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326, S. 13, berichtigt im ABl. 2006, L 236, S. 36).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Samba Diouf, einem illegal aufhältigen mauretanischen Staatsangehörigen, und dem luxemburgischen Ministre du Travail, de l’Emploi et de l’Immigration (Minister für Arbeit, Beschäftigung und Zuwanderung) über die im beschleunigten Verfahren ergangene Ablehnung seines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen Nichtvorliegens der Gründe für die Gewährung internationalen Schutzes.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Charta der Grundrechte der Europäischen Union

3        Art. 47 („Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht“) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bestimmt:

„Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

…“

 Richtlinie 2005/85

4        Der elfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/85 lautet:

„Es liegt im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Asylbewerber, dass über Asylanträge so rasch wie möglich entschieden wird. Die Organisation der Bearbeitung von Asylanträgen sollte dem freien Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen bleiben, so dass sie gemäß den nationalen Erfordernissen unter Berücksichtigung der in dieser Richtlinie enthaltenen Normen Anträge vorrangig oder beschleunigt bearbeiten können.“

5        Satz 1 des 13. Erwägungsgrundes dieser Richtlinie lautet:

„Im Interesse einer ordnungsgemäßen Ermittlung der Personen, die Schutz als Flüchtlinge im Sinne des Artikels 1 des [am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (im Folgenden: Genfer Flüchtlingskonvention)] benötigen, sollte jeder Antragsteller – vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen – einen wirksamen Zugang zum Asylverfahren und die Möglichkeit der Zusammenarbeit und echten Kommunikation mit den zuständigen Behörden haben, um ihnen die asylrelevanten Tatsachen vortragen zu können; ferner sollten ausreichende Garantien bestehen, damit er sein Verfahren über sämtliche Instanzen betreiben kann.“

6        Der 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/85 lautet:

„Einem Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts zufolge müssen die Entscheidungen über einen Asylantrag und über die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft vor einem Gericht oder Tribunal im Sinne des Artikels [267 AEUV] anfechtbar sein. Die Wirksamkeit des Rechtsbehelfs, auch hinsichtlich der Prüfung der relevanten Tatsachen, hängt von dem – als ein Ganzes betrachteten – Verwaltungs- und Justizsystem jedes einzelnen Mitgliedstaats ab.

7        Art. 23 („Prüfungsverfahren“) der Richtlinie 2005/85 bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten bearbeiten Asylanträge im Rahmen eines Prüfungsverfahrens unter Beachtung der in Kapitel II enthaltenen Grundsätze und Garantien.

(2)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein derartiges Verfahren unbeschadet einer angemessenen und vollständigen Prüfung der Anträge so rasch wie möglich zum Abschluss gebracht wird.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Asylbewerber für den Fall, dass innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung ergehen kann,

a)      über die Verzögerung informiert wird oder

b)      auf sein Ersuchen hin über den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen mit einer Entscheidung über seinen Antrag zu rechnen ist, unterrichtet wird. Diese Unterrichtung begründet für den Mitgliedstaat keine Verpflichtung gegenüber dem Asylbewerber, innerhalb dieses zeitlichen Rahmens eine Entscheidung zu treffen.

(3)      Die Mitgliedstaaten können jede Prüfung gemäß den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II vorrangig oder beschleunigt bearbeiten, u. a. in Fällen, in denen der Antrag wahrscheinlich wohlbegründet ist oder in denen der Asylbewerber besondere Bedürfnisse hat.

(4)      Ferner können die Mitgliedstaaten festlegen, dass ein Prüfungsverfahren gemäß den Grundprinzipien und Garantien nach Kapitel II vorrangig oder beschleunigt durchgeführt wird, wenn

b)      der Antragsteller offensichtlich nicht als Flüchtling anzuerkennen ist oder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem Mitgliedstaat nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG [Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304, S. 12)] offensichtlich nicht erfüllt, oder

c)      der Asylantrag als unbegründet betrachtet wird:

i)      weil der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne der Artikel 29, 30 und 31 kommt, oder

ii)      weil der Staat, der kein Mitgliedstaat ist, unbeschadet des Artikels 28 Absatz 1 als sicherer Drittstaat für den Antragsteller betrachtet wird, oder

d)      der Antragsteller die Behörden durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität und/oder Staatsangehörigkeit, die sich negativ auf die Entscheidung hätten auswirken können, getäuscht hat, …

…“

8        Art. 28 („Unbegründete Anträge“) der Richtlinie 2005/85 lautet:

„(1)      Unbeschadet der Artikel 19 und 20 können die Mitgliedstaaten einen Asylantrag nur dann als unbegründet betrachten, wenn die Asylbehörde festgestellt hat, dass der Asylbewerber nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG erfüllt.

(2)      In den in Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe b genannten Fällen und im Falle von unbegründeten Asylanträgen, bei denen einer der in Artikel 23 Absatz 4 Buchstabe a und Buchstaben c bis o aufgeführten Umstände gegeben ist, können die Mitgliedstaaten einen Antrag ferner als offensichtlich unbegründet betrachten, wenn dies so in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist.“

9        Art. 39 („Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf“) der Richtlinie 2005/85 lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Asylbewerber das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht oder Tribunal haben gegen

a)      eine Entscheidung über ihren Asylantrag, einschließlich einer Entscheidung:

i)      den Antrag nach Artikel 25 Absatz 2 als unzulässig zu betrachten;

ii)      an der Grenze oder in den Transitzonen eines Mitgliedstaats nach Artikel 35 Absatz 1;

iii)      keine Prüfung nach Artikel 36 vorzunehmen;

b)      eine Ablehnung der Wiederaufnahme der Prüfung eines Antrags nach ihrer Einstellung gemäß den Artikeln 19 und 20;

c)      eine Entscheidung, den Folgeantrag gemäß den Artikeln 32 und 34 nicht weiter zu prüfen;

d)      eine Entscheidung über die Verweigerung der Einreise im Rahmen der Verfahren nach Artikel 35 Absatz 2;

e)      eine Entscheidung zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft nach Artikel 38.

(2)      Die Mitgliedstaaten legen Fristen und sonstige Vorschriften fest, die erforderlich sind, damit der Antragsteller sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Absatz 1 wahrnehmen kann.

(3)      Die Mitgliedstaaten legen im Einklang mit ihren internationalen Verpflichtungen gegebenenfalls Vorschriften fest im Zusammenhang mit

a)      der Frage, ob der Rechtsbehelf nach Absatz 1 zur Folge hat, dass Antragsteller sich bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf im betreffenden Mitgliedstaat aufhalten dürfen,

b)      der Möglichkeit eines Rechtsmittels oder von Sicherungsmaßnahmen, wenn der Rechtsbehelf nach Absatz 1 nicht zur Folge hat, dass sich Antragsteller bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf im betreffenden Mitgliedstaat aufhalten dürfen. Die Mitgliedstaaten können auch ein von Amts wegen eingeleitetes Rechtsbehelfsverfahren vorsehen, und

c)      der Begründung der Anfechtung einer Entscheidung nach Artikel 25 Absatz 2 Buchstabe c im Einklang mit der nach Artikel 27 Absatz 2 Buchstaben b und c angewandten Methode.

(4)      Die Mitgliedstaaten können für das Gericht nach Absatz 1 Fristen für die Prüfung der Entscheidung der Asylbehörde vorsehen.

(5)      Wurde dem Antragsteller ein Status zuerkannt, der ihm nach nationalem Recht und nach Gemeinschaftsrecht dieselben Rechte und Vergünstigungen wie die Flüchtlingseigenschaft nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG gewährt, so kann davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller über einen wirksamen Rechtsbehelf verfügt, wenn ein Gericht entscheidet, dass der Rechtsbehelf nach Absatz 1 unzulässig ist oder wegen mangelnden Interesses von Seiten des Antragstellers an der Fortsetzung des Verfahrens wenig Aussichten auf Erfolg hat.

(6)      Die Mitgliedstaaten können ferner in ihren nationalen Rechtsvorschriften die Bedingungen für die Vermutung der stillschweigenden Rücknahme oder des Nichtbetreibens eines Rechtsbehelfs nach Absatz 1 sowie das anzuwendende Verfahren festlegen.“

 Nationales Recht

10      Einschlägig ist die Loi relative au droit d’asile et à des formes complémentaires de protection (Gesetz über das Asylrecht und ergänzende Schutzformen) vom 5. Mai 2006 (Mémorial A 2006, S. 1402) in der durch das Gesetz vom 29. August 2008 (Mémorial A 2008, S. 2024) geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz vom 5. Mai 2006).

11      Art. 19 des Gesetzes vom 5. Mai 2006 bestimmt:

„(1)      Der Minister entscheidet über die Begründetheit des Antrags auf internationalen Schutz durch mit Gründen zu versehende Entscheidung, die dem Antragsteller schriftlich bekanntgegeben wird. Im Fall einer ablehnenden Entscheidung hat diese eine ausdrückliche Rechtsbehelfsbelehrung zu enthalten. Der Minister stellt sicher, dass das Verfahren unbeschadet einer angemessenen und vollständigen Prüfung des Antrags so rasch wie möglich zum Abschluss gebracht wird. Für den Fall, dass innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung ergehen kann, wird der Antragsteller auf sein Ersuchen hin über den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen mit einer Entscheidung über seinen Antrag zu rechnen ist, unterrichtet. Diese Unterrichtung begründet für den Minister keine Verpflichtung gegenüber dem Antragsteller, innerhalb dieses zeitlichen Rahmens eine Entscheidung zu treffen. Eine ablehnende Entscheidung des Ministers gilt als Ausweisungsverfügung.

(2)      Durch außergerichtliche Rechtsbehelfe werden die in diesem Artikel vorgesehenen Rechtsbehelfsfristen nicht unterbrochen.

(3)      Gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wird, kann beim Verwaltungsgericht Abänderungsklage erhoben werden. Gegen die Ausweisungsverfügung kann beim Verwaltungsgericht Anfechtungsklage erhoben werden. Beide Klagen sind in einer einzigen Klageschrift miteinander zu verbinden; eine gesonderte Klage ist unzulässig. Die Klage ist innerhalb einer Frist von einem Monat ab Zustellung der Entscheidung zu erheben. Der Lauf der Klagefrist und die fristgerecht erhobene Klage haben aufschiebende Wirkung. …

(4)       Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts kann Berufung an den Verwaltungsgerichtshof eingelegt werden. Die Berufung ist innerhalb der Frist von einem Monat ab Zustellung des Urteils durch die Kanzlei einzulegen. Der Lauf der Berufungsfrist sowie die fristgerecht eingelegte Berufung haben aufschiebende Wirkung. …“

12      Art. 20 des Gesetzes vom 5. Mai 2006 sieht vor:

„(1)      Der Minister kann über die Begründetheit des Antrags auf internationalen Schutz im beschleunigten Verfahren entscheiden, wenn

b)      klar ersichtlich ist, dass der Antragsteller die Voraussetzungen für die Zuerkennung des durch den internationalen Schutz verliehenen Status nicht erfüllt;

d)      der Antragsteller die Behörden durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen von Informationen oder Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder Staatsangehörigkeit, die sich negativ auf die Entscheidung hätten auswirken können, getäuscht hat;

(2)      Der Minister trifft seine Entscheidung innerhalb einer Frist von längstens zwei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem sich zeigt, dass auf den Antragsteller einer der in Abs. 1 genannten Fälle zutrifft. Er hat die Entscheidung mit Gründen zu versehen und dem Antragsteller schriftlich bekanntzugeben. Im Fall einer ablehnenden Entscheidung hat diese eine ausdrückliche Rechtsbehelfsbelehrung zu enthalten. Eine ablehnende Entscheidung des Ministers gilt als Ausweisungsverfügung nach dem … Gesetz vom 28. März 1972 in geänderter Fassung.

(3)      Durch außergerichtliche Rechtsbehelfe werden die in diesem Artikel vorgesehenen Rechtsbehelfsfristen nicht unterbrochen.

(4)      Gegen eine im beschleunigten Verfahren ergangene Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wird, kann beim Verwaltungsgericht Abänderungsklage erhoben werden. Gegen die Ausweisungsverfügung kann beim Verwaltungsgericht Anfechtungsklage erhoben werden. Beide Klagen sind in einer einzigen Klageschrift miteinander zu verbinden; eine gesonderte Klage ist unzulässig. Die Klage ist innerhalb einer Frist von 15 Tagen ab Zustellung der Entscheidung zu erheben. Das Verwaltungsgericht entscheidet binnen zwei Monaten nach Klageerhebung … Der Lauf der Klagefrist und die fristgerecht erhobene Klage haben aufschiebende Wirkung. Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts sind nicht anfechtbar.

(5)      Die Entscheidung des Ministers, über die Begründetheit eines Antrags auf internationalen Schutz im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, ist unanfechtbar.“

13      Durch das Gesetz vom 19. Mai 2011 (Mémorial A 2011, S. 1618) wurde das Gesetz vom 5. Mai 2006 geändert. In dessen Art. 20 wurde Abs. 5 gestrichen und Abs. 4 wie folgt neugefasst:

„Gegen die Entscheidung des Ministers, über die Begründetheit eines Antrags auf internationalen Schutz im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, kann beim Verwaltungsgericht Anfechtungsklage erhoben werden. Gegen eine im beschleunigten Verfahren ergangene Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wird, kann beim Verwaltungsgericht Abänderungsklage erhoben werden. Gegen die Ausweisungsverfügung kann beim Verwaltungsgericht Anfechtungsklage erhoben werden. Die drei Klagen sind in einer einzigen Klageschrift miteinander zu verbinden; eine gesonderte Klage ist unzulässig. Die Klage ist innerhalb einer Frist von 15 Tagen ab Zustellung der Entscheidung zu erheben. Das Verwaltungsgericht entscheidet binnen zwei Monaten nach Klageerhebung … Der Lauf der Klagefrist und die fristgerecht erhobene Klage haben aufschiebende Wirkung. Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts sind nicht anfechtbar.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14      Am 19. August 2009 stellte Herr Samba Diouf, mauretanischer Staatsangehöriger, bei der zuständigen Dienststelle des luxemburgischen Ministère des Affaires étrangères et de l’Immigration (Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und Zuwanderung) einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 22. September 2009 wurde er zu seiner Lage und zu den Gründen für diesen Antrag befragt.

15      Herr Samba Diouf gab an, er sei aus Mauretanien aus einer sklavereiähnlichen Lage geflüchtet und wolle sich in Europa niederlassen, um unter besseren Bedingungen zu leben und eine Familie zu gründen. Er habe Angst, dass sein ehemaliger Arbeitgeber, dem er 3 000 Euro gestohlen habe, um nach Europa gehen zu können, ihn suchen und töten lassen werde.

16      Der Antrag von Herrn Samba Diouf auf internationalen Schutz wurde im beschleunigten Verfahren geprüft und mit Entscheidung des Ministers für Arbeit, Beschäftigung und Zuwanderung vom 18. November 2009, die dem Betroffenen am 20. November 2009 per Einschreiben zugesandt wurde, als unbegründet abgelehnt.

17      Mit dieser Entscheidung wurde Herrn Samba Diouf erstens mitgeteilt, dass über die Begründetheit seines Antrags auf internationalen Schutz im beschleunigten Verfahren entschieden werde, da auf ihn zwei der Fälle des Art. 20 Abs. 1 des Gesetzes vom 5. Mai 2006 zuträfen: Es sei klar ersichtlich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des durch den internationalen Schutz verliehenen Status nicht erfüllt seien (Art. 20 Abs. 1 Buchst. b), und der Antragsteller habe versucht, die Behörden durch falsche Angaben oder Dokumente zu täuschen (Art. 20 Abs. 1 Buchst. d).

18      Zweitens versagte der Minister für Arbeit, Beschäftigung und Zuwanderung mit der genannten Entscheidung in der Sache den von Herrn Samba Diouf beantragten internationalen Schutz. Drittens verfügte er die Ausweisung des Betroffenen aus dem luxemburgischen Hoheitsgebiet.

19      Die Ablehnung des Antrags von Herrn Samba Diouf wurde zum einen damit begründet, dass er einen gefälschten Pass vorgelegt habe, wodurch die Behörden getäuscht worden seien, und zum anderen damit, dass die geltend gemachten Gründe wirtschaftlicher Natur seien und keinem der Sachkriterien für die Gewährung internationalen Schutzes entsprächen.

20      Im Einzelnen wurde ausgeführt, dass die Angst von Herrn Samba Diouf vor Vergeltungsmaßnahmen seitens seines früheren Arbeitgebers nicht als Angst vor Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention angesehen werden könne, da es an einem politischen, ethnischen oder religiösen Hintergrund fehle. Überdies sei diese Angst, die hypothetisch bleibe, nicht erwiesen. Die anderen von Herrn Samba Diouf angeführten Erwägungen, nämlich dass er auch deshalb nach Europa gekommen sei, um zu heiraten und eine Familie zu gründen, und dass ihm die Arbeit in Mauretanien zu hart gewesen sei, wurden als offensichtlich nicht in den Anwendungsbereich der Genfer Konvention fallend angesehen. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass die neue mauretanische Regierung ein Gesetz gegen Sklaverei erlassen habe, das im Februar 2008 in Kraft getreten sei und für Sklaverei eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren vorsehe.

21      Schließlich gebe es keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass Herr Samba Diouf tatsächlich Gefahr laufe, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 37 des Gesetzes vom 5. Mai 2006 zu erleiden, der die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertige.

22      Herr Samba Diouf erhob gegen die Entscheidung des Ministers für Arbeit, Beschäftigung und Zuwanderung vom 18. November 2009 beim Tribunal administratif (Verwaltungsgericht) Klage auf erstens Aufhebung, soweit der Minister mit dieser Entscheidung anordnet, dass über die Begründetheit seines Antrags auf internationalen Schutz im beschleunigten Verfahren entschieden wird, zweitens Abänderung bzw. Aufhebung, soweit ihm mit dieser Entscheidung internationaler Schutz versagt wird, und drittens Aufhebung, soweit mit dieser Entscheidung seine Ausweisung aus dem luxemburgischen Hoheitsgebiet verfügt wird.

23      Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Klage auf Aufhebung der Entscheidung des Ministers für Arbeit, Beschäftigung und Zuwanderung, über die Begründetheit des Antrags von Herrn Samba Diouf auf internationalen Schutz im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, befand das Verwaltungsgericht, dass sich hinsichtlich der Anwendung von Art. 20 Abs. 5 des Gesetzes vom 5. Mai 2006, wonach eine solche Entscheidung nicht angefochten werden kann, Fragen nach der Auslegung von Art. 39 der Richtlinie 2005/85 im Zusammenhang mit der Anwendung des allgemeinen Grundsatzes des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf stellten.

24      Das Verwaltungsgericht weist insoweit darauf hin, dass die Entscheidung, über die Begründetheit eines Asylantrags im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, für den Asylbewerber nicht ohne Folgen sei. Zum einen werde durch die Wahl des beschleunigten Verfahrens, die nach luxemburgischem Recht anders als die Sachentscheidungen der Versagung internationalen Schutzes und der Ausweisungsverfügung nicht anfechtbar sei, die Klagefrist von einem Monat auf 15 Tage verkürzt. Zum anderen werde der dem Asylbewerber eröffnete Rechtsweg, der gewöhnlich zwei Gerichtsinstanzen umfasse, in diesem Verfahren auf eine Instanz verkürzt.

25      Das Verwaltungsgericht geht überdies auf die Argumentation des Vertreters der luxemburgischen Regierung in dem Verfahren vor ihm ein, dass die Rechtmäßigkeit der Entscheidung, über die Begründetheit eines Antrags auf internationalen Rechtsschutz im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, vom Verwaltungsgericht – durch einen mittelbaren Rechtsbehelf – bei der Prüfung der Abänderungsklage gegen die endgültige Ablehnungsentscheidung kontrolliert werde. Dieses Vorbringen sei auf ein Urteil der Cour administrative (Verwaltungsgerichtshof) vom 16. Januar 2007 (Nr. 22095C) gestützt.

26      Das Verwaltungsgericht führt aus, es könne dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs in diesem Punkt nicht folgen, da die Verweisung auf den „gegen die endgültige Entscheidung eröffneten Klageweg“ für eine Kontrolle der Entscheidung, über die Begründetheit eines Asylantrags im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, wie sie der Verwaltungsgerichtshof vorschlage, im Gegensatz zum Willen des Gesetzgebers stehe, durch Art. 20 Abs. 5 des Gesetzes vom 5. Mai 2006 eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung auszuschließen.

27      Unter diesen Umständen hat das Verwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist Art. 39 der Richtlinie 2005/85/EG dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Großherzogtum Luxemburg durch Art. 20 Abs. 5 des Gesetzes vom 5. Mai 2006 eingeführten entgegensteht, die vorsieht, dass für einen Asylbewerber die Entscheidung der Behörde, über die Begründetheit seines Antrags auf internationalen Schutz im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, nicht mit einer Klage anfechtbar ist?

2.      Falls diese Frage verneint wird: Ist der aus den Art. 6 und 13 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten hergeleitete allgemeine Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Großherzogtum Luxemburg durch Art. 20 Abs. 5 des Gesetzes vom 5. Mai 2006 eingeführten entgegensteht, die vorsieht, dass für einen Asylbewerber die Entscheidung der Behörde, über die Begründetheit seines Antrags auf internationalen Schutz im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, nicht mit einer Klage anfechtbar ist?

 Zu den Vorlagefragen

28      Mit diesen Fragen, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 39 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/85, wonach Asylbewerbern gegen eine Entscheidung „über ihren Asylantrag“ das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf zusteht, und im weiteren Sinne der allgemeine Grundsatz des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegenstehen, nach der gegen die Entscheidung der zuständigen nationalen Stelle, einen Asylantrag im beschleunigten Verfahren zu prüfen, kein selbständiger Rechtsbehelf bei einem Gericht eingelegt werden kann.

 Vorbemerkungen

29      Zur Prüfung dieser Frage ist zunächst hervorzuheben, dass die durch die Richtlinie 2005/85 vorgesehenen Verfahren Mindestnormen darstellen und dass die Mitgliedstaaten in mehrfacher Hinsicht über ein Ermessen verfügen, bei der Umsetzung dieser Bestimmungen die Besonderheiten des nationalen Rechts zu berücksichtigen.

30      So wird nach dem elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/85 die Organisation der Bearbeitung von Asylanträgen dem freien Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen, die gemäß den nationalen Erfordernissen unter Berücksichtigung der in dieser Richtlinie enthaltenen Normen Anträge vorrangig oder beschleunigt bearbeiten können, unbeschadet – entsprechend Art. 23 Abs. 2 dieser Richtlinie – einer angemessenen und vollständigen Prüfung der Anträge. Im elften Erwägungsgrund wird ferner hervorgehoben, dass es im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Asylbewerber liegt, dass über Asylanträge so rasch wie möglich entschieden wird.

31      Nach Art. 23 der Richtlinie 2005/85 haben die Mitgliedstaaten insbesondere die Möglichkeit, in den Fällen der Abs. 3 und 4 dieses Artikels ein beschleunigtes Verfahren durchzuführen, d. h. in Fällen, in denen der Antrag wahrscheinlich wohlbegründet ist oder in denen der Asylbewerber besondere Bedürfnisse hat, oder anhand von 16 spezifischen Gründen für die Durchführung eines solchen Verfahrens. Diese betreffen u. a. Anträge, bei denen alles dafür spricht, dass sie unbegründet sind, da klare und eindeutige Merkmale die Annahme erlauben, dass dem Antragsteller kein internationaler Schutz zugute kommen kann, sowie missbräuchliche oder betrügerische Anträge.

32      Insoweit sind in Art. 23 Abs. 4 Buchst. b und d der Richtlinie 2005/85 u. a. die Fälle angeführt, in denen der Antragsteller offensichtlich nicht als Flüchtling anzuerkennen ist oder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem Mitgliedstaat nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83 offensichtlich nicht erfüllt oder in denen der Antragsteller die Behörden durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität und/oder Staatsangehörigkeit, die sich negativ auf die Entscheidung hätten auswirken können, getäuscht hat.

33      Der Begriff des beschleunigten Verfahrens ist in der Richtlinie 2005/85 nicht definiert. Nach deren Art. 23 Abs. 4 unterliegt jedoch die beschleunigte Behandlung von Asylanträgen in bestimmten Fällen den Grundprinzipien und Garantien nach Kapitel II. Dieses Kapitel enthält ein Bündel von Bestimmungen, die einen wirksamen Zugang zu den Asylverfahren gewährleisten sollen, indem den Mitgliedstaaten auferlegt wird, den Antragstellern ausreichende Garantien einzuräumen, damit sie ihre Verfahren über sämtliche Instanzen betreiben können.

34      Nach ihrem achten Erwägungsgrund steht die Richtlinie 2005/85 in Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. Insbesondere müssen nach dem 27. Erwägungsgrund dieser Richtlinie die Entscheidungen über einen Asylantrag und über die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft vor einem Gericht oder Tribunal im Sinne des Art. 267 AEUV anfechtbar sein.

35      Das Grundprinzip des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf ist Gegenstand von Art. 39 der Richtlinie 2005/85. Nach diesem Artikel haben die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, dass Asylbewerber das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen die in Abs. 1 aufgeführten Handlungen haben.

36      Nach dem genannten Art. 39 Abs. 1 Buchst. a müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Asylbewerber das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf haben gegen „eine Entscheidung über ihren Asylantrag“, einschließlich einer Entscheidung, den Antrag als unzulässig zu betrachten, einer Entscheidung an der Grenze oder in den Transitzonen sowie einer Entscheidung, keine Prüfung des Antrags vorzunehmen, weil die zuständige Behörde festgestellt hat, dass der Asylbewerber aus einem sicheren Drittstaat unrechtmäßig in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats einzureisen versucht oder eingereist ist.

 Zum Begriff der Entscheidung über den Asylantrag im Sinne von Art. 39 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/85

37      Das vorlegende Gericht fragt erstens, ob Art. 39 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/85 so zu verstehen ist, dass er die Entscheidung der zuständigen Behörde, einen Antrag auf internationalen Schutz im beschleunigten Verfahren zu prüfen, erfasst.

38      Der Kläger des Ausgangsverfahrens macht geltend, die unscharfe Formulierung von Art. 39 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/85, die beabsichtigt sei, berechtige zu der Annahme, dass von dieser Bestimmung jede Entscheidung über einen Asylantrag erfasst werde und dass die Mitgliedstaaten gegen die Entscheidung einer nationalen Behörde, einen Antrag im beschleunigten Verfahren zu prüfen, einen Rechtsbehelf vorsehen müssten.

39      Die Regierungen, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, und die Kommission sind hingegen der Auffassung, dass von der genannten Bestimmung nur endgültige Entscheidungen erfasst würden, die zur Verweigerung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft führten. Gegenstand des wirksamen Rechtsbehelfs im Sinne von Art. 39 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/85 könne nur die endgültige Entscheidung über den Schutzantrag sein und nicht die Entscheidung der nationalen Behörde, diesen Antrag im beschleunigten Verfahren zu prüfen, die eine die endgültige Entscheidung vorbereitende Entscheidung oder eine Entscheidung der Verfahrensorganisation sei.

40      Folglich ist zu prüfen, ob die Entscheidung, einen Asylantrag im beschleunigten Verfahren zu prüfen, eine Entscheidung „über den Asylantrag“ darstellt, gegen die dem Antragsteller nach Art. 39 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/85 das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht oder Tribunal zusteht.

41      Insoweit geht aus dem Wortlaut von Art. 39 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2005/85 und insbesondere den dort nicht erschöpfend aufgezählten Handlungen hervor, dass der Begriff „Entscheidung über den Asylantrag“ eine Reihe von Entscheidungen erfasst, die einer endgültigen abschlägigen Entscheidung in der Sache gleichkommen, da sie die Ablehnung des Asylantrags nach sich ziehen oder an der Grenze ergehen. Gleiches gilt für die übrigen Entscheidungen, gegenüber denen Art. 39 der Richtlinie 2005/85 in Abs. 1 Buchst. b bis e ausdrücklich und zwingend ein Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf vorsieht.

42      Somit sind die Entscheidungen, gegen die der Asylbewerber gemäß Art. 39 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85 einen Rechtsbehelf haben muss, diejenigen, die eine Ablehnung des Asylantrags wegen Unbegründetheit oder gegebenenfalls aus formalen oder verfahrensrechtlichen Gründen, die eine Sachentscheidung ausschließen, implizieren.

43      Folglich sind eine Sachentscheidung vorbereitende Entscheidungen oder Entscheidungen der Verfahrensorganisation nicht von dieser Bestimmung erfasst.

44      Im Übrigen wäre, wie der Generalanwalt in den Nrn. 53 und 54 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, eine Auslegung von Art. 39 der Richtlinie 2005/85 dahin, dass „eine Entscheidung über den Antrag“ jede Entscheidung im Zusammenhang mit dem Asylantrag ist, einschließlich Entscheidungen, die die endgültige Entscheidung über den Asylantrag vorbereiten, oder Entscheidungen der Verfahrensorganisation, nicht mit dem Interesse an der raschen Abwicklung von Asylverfahren vereinbar. Dass ein derartiges Verfahren unbeschadet einer angemessenen und vollständigen Prüfung der Anträge so rasch wie möglich zum Abschluss gebracht wird, liegt, wie aus dem elften Erwägungsgrund hervorgeht, im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Asylbewerber.

45      Folglich ist Art. 39 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85 so auszulegen, dass er nicht vorschreibt, dass das nationale Recht gegen die Entscheidung, einen Asylantrag im beschleunigten Verfahren zu prüfen, einen spezifischen oder selbständigen Rechtsbehelf vorsieht. Diese Bestimmung steht somit einer nationalen Regelung wie der des Art. 20 Abs. 5 des Gesetzes vom 5. Mai 2006 im Grundsatz nicht entgegen.

 Zur Vereinbarkeit einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen mit dem Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf

46      Art. 39 Abs. 2 der Richtlinie 2005/85 überlässt es den Mitgliedstaaten, Fristen und sonstige Vorschriften festzulegen, die für die Wahrnehmung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 39 Abs. 1 erforderlich sind. Wie im 27. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ausgeführt, hängt die Wirksamkeit des Rechtsbehelfs, auch hinsichtlich der Prüfung der relevanten Tatsachen, von dem – als ein Ganzes betrachteten – Verwaltungs- und Justizsystem jedes einzelnen Mitgliedstaats ab.

47      Da im Ausgangsverfahren die Gründe der zuständigen Behörde für ein beschleunigtes Verfahren weitgehend mit den Gründen identisch sind oder sich überschneiden, aus denen die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in der Sache verweigert wurde, fragt das vorlegende Gericht zweitens, ob durch den Umstand, dass ein Asylbewerber gegen die Entscheidung der zuständigen Behörde, seinen Antrag im beschleunigten Verfahren zu prüfen, keinen Rechtsbehelf einlegen kann, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf insofern verletzt wird, als der Asylbewerber nicht in der Lage wäre, die Entscheidung, mit der ihm die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verweigert wird, inhaltlich anzufechten.

48      Die gestellte Frage betrifft somit das Recht eines Asylbewerbers auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gemäß Art. 39 der Richtlinie 2005/85 und, im Kontext des Unionsrechts, gemäß dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes.

49      Dieser Grundsatz ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der nunmehr in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zum Ausdruck kommt (Urteil vom 22. Dezember 2010, DEB, C‑279/09, Slg. 2010, I‑0000, Randnrn. 30 und 31, sowie Beschluss vom 1. März 2011, Chartry, C‑457/09, Slg. 2011, I‑0000, Randnr. 25).

50      Folglich ist zu untersuchen, ob das durch die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung eingeführte System dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes entspricht und, insbesondere, ob dem Asylbewerber durch das Fehlen eines Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung, den Asylantrag im beschleunigten Verfahren zu prüfen, sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf genommen wird.

51      Das Gesetz vom 5. Mai 2006 sieht in Art. 20 Abs. 4 das Recht vor, gegen eine im beschleunigten Verfahren ergangene Entscheidung des Ministers für Arbeit, Beschäftigung und Zuwanderung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wird, Abänderungsklage und gegen die Ausweisungsverfügung Anfechtungsklage zu erheben.

52      Nach Auffassung des Klägers des Ausgangsverfahrens steht Art. 20 Abs. 5 des Gesetzes vom 5. Mai 2006, wonach die Entscheidung des Ministers, über die Begründetheit eines Antrags auf internationalen Schutz im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, unanfechtbar ist, einer gerichtlichen Kontrolle dieser Entscheidung entgegen, und zwar sowohl im Rahmen eines selbständigen Rechtsbehelfs als auch im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die endgültige Entscheidung über die Gewährung internationalen Schutzes. Ein solcher Ausschluss eines Rechtsbehelfs hindere den Antragsteller daran, gegen die endgültige Sachentscheidung über seinen Asylantrag einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, da dieser unter diesen Umständen keine Erfolgsaussicht habe.

53      Die Regierungen, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, und die Kommission, sind der Auffassung, dass das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegenstehe, und weisen darauf hin, dass bei der Prüfung der endgültigen Entscheidung auch die rechtliche Grundlage jeder vorbereitenden Entscheidung der gerichtlichen Kontrolle zugänglich sein müsse. Die luxemburgische Regierung macht in diesem Zusammenhang geltend, dass über den gegen die endgültige Entscheidung eröffneten Klageweg eine effektive Klagemöglichkeit bestehe, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 16. Januar 2007 (Nr. 22095C) anerkannt habe und die bisher ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts bestätige.

54      Insoweit ist zu beachten, dass der Gerichtshof im Urteil vom 11. September 2003, Safalero (C‑13/01, Slg. 2003, I‑8679, Randnrn. 54 bis 56) bereits entschieden hat, dass der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Schutzes der Rechte, die die Rechtsordnung der Union den Einzelnen verleiht, dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung, nach der ein Einzelner keinen gerichtlichen Rechtsschutz gegen eine Entscheidung der öffentlichen Verwaltung beanspruchen kann, nicht entgegensteht, sofern er über einen Rechtsweg verfügt, der die Wahrung der ihm durch das Unionsrecht verliehenen Rechte gewährleistet und auf dem er eine Gerichtsentscheidung erwirken kann, mit der die Unvereinbarkeit der fraglichen Regelung mit dem Unionsrecht festgestellt wird.

55      Die Entscheidung über das Verfahren für die Prüfung des Asylantrags, die von der endgültigen Entscheidung, mit der dem Asylantrag stattgegeben oder dieser abgelehnt wird, selbständig und unabhängig vorgesehen ist, stellt eine Maßnahme zur Vorbereitung der endgültigen Entscheidung über den Antrag dar.

56      Unter diesen Umständen stellt das Fehlen eines Rechtsbehelfs in diesem Verfahrensstadium keine Verletzung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf dar, sofern die Rechtmäßigkeit der im beschleunigten Verfahren ergangenen endgültigen Entscheidung und insbesondere die Gründe, aus denen die zuständige Stelle den Asylantrag als unbegründet abgelehnt hat, im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die Ablehnung des Asylantrags einer eingehenden Prüfung durch den nationalen Richter zugänglich ist.

57      Zu der gerichtlichen Kontrolle im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die den Antrag auf internationalen Schutz ablehnende Entscheidung ist festzustellen, dass die Wirksamkeit des Rechtsbehelfs nicht gewährleistet wäre, wenn die Gründe, die den Minister für Arbeit, Beschäftigung und Zuwanderung dazu bewogen haben, die Begründetheit des Antrags im beschleunigten Verfahren zu prüfen, wegen des Rechtsbehelfsausschlusses in Art. 20 Abs. 5 des Gesetzes vom 5. Mai 2006 keiner solchen Kontrolle zugänglich wären. In einer Situation, wie sie im Ausgangsverfahren gegeben ist, sind nämlich die von dem Minister für das beschleunigte Verfahren angeführten Gründe die gleichen wie die für die Ablehnung des Schutzantrags. Eine solche Situation würde die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unmöglich machen (vgl. entsprechend Urteil vom 19. September 2006, Wilson, C‑506/04, Slg. 2006, I‑8613, Randnrn. 60 bis 62).

58      Folglich müssen die Gründe für die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens später vor dem nationalen Richter im Rahmen des Rechtsbehelfs, der gegen die endgültige, das Verfahren wegen des Asylantrags abschließende Entscheidung eingelegt werden kann, wirksam angefochten und von diesem geprüft werden können. Es wäre nicht mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn eine nationale Regelung wie die des Art. 20 Abs. 5 des Gesetzes vom 5. Mai 2006 dahin ausgelegt werden könnte, dass die Gründe, die die zuständige nationale Behörde dazu bewogen haben, die Begründetheit des Antrags im beschleunigten Verfahren zu prüfen, keiner gerichtlichen Kontrolle zugänglich wären.

59      Insoweit ist zu beachten, dass der Gerichtshof nicht befugt ist, im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens darüber zu entscheiden, wie nationale Vorschriften auszulegen sind oder ob ihre Auslegung durch das vorlegende Gericht richtig ist. Denn nur die nationalen Gerichte sind dafür zuständig, über die Auslegung innerstaatlichen Rechts zu befinden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. April 2009, Angelidaki u. a., C‑378/07 bis C‑380/07, Slg. 2009, I‑3071, Randnr. 48).

60      In diesem Zusammenhang wird aber den nationalen Gerichten durch das Gebot einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts ermöglicht, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, wenn sie über die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten entscheiden (vgl. u. a. Urteil vom 15. April 2008, Impact, C‑268/06, Slg. 2008, I‑2483, Randnr. 99). Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung verlangt, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der von diesem anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der betreffenden Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von dieser verfolgten Ziel übereinstimmt (vgl. Urteil Impact, Randnr. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61      Das Ziel der Richtlinie 2005/85 besteht darin, einen gemeinsamen Garantierahmen aufzustellen, durch den die uneingeschränkte Wahrung der Genfer Konvention und der Grundrechte sichergestellt werden kann. Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf stellt ein Grundprinzip des Unionsrechts dar. Damit dieses Recht wirksam ausgeübt werden kann, muss der nationale Richter die Stichhaltigkeit der Gründe prüfen können, die die zuständige nationale Behörde dazu bewogen haben, den Antrag auf internationalen Schutz als unbegründet oder missbräuchlich anzusehen; für diese Gründe gilt keine unwiderlegliche Rechtmäßigkeitsvermutung. Im Rahmen dieses Rechtsbehelfs muss der zuständige Richter ferner untersuchen, ob beim Erlass der Entscheidung, einen Asylantrag im beschleunigten Verfahren zu prüfen, die Verfahren und Garantien des Kapitels II der Richtlinie 2005/85 eingehalten wurden, wie dies deren Art. 23 Abs. 4 vorsieht.

62      In Bezug auf die Rechtsbehelfsfristen und den zwei Gerichtsinstanzen umfassenden Rechtsweg weist das vorlegende Gericht auf die Unterschiede zwischen dem beschleunigten und dem gewöhnlichen Verfahren für die Prüfung eines Asylantrags hin. Insbesondere müsse die Klage gegen die endgültige Entscheidung binnen 15 Tagen ab deren Zustellung erhoben werden anstelle der Monatsfrist im Rahmen des gewöhnlichen Verfahrens, und die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts im beschleunigten Verfahren seien nicht anfechtbar.

63      Die Regierungen, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, und die Kommission, tragen vor, dass der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes bereits bei nur einer gerichtlichen Instanz gewahrt sei und dass eine Frist von 15 Tagen im vorliegenden Fall im Licht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht gegen diesen Grundsatz verstoße.

64      Es ist zu prüfen, ob das Unionsrecht einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen insoweit entgegensteht, als die Wahl des beschleunigten anstelle des gewöhnlichen Verfahrens Unterschiede impliziert, die im Wesentlichen in einer Schlechterstellung des Asylbewerbers hinsichtlich des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf zum Ausdruck kommen, da dieser nur innerhalb von 15 Tagen klagen kann und nicht über zwei Gerichtsinstanzen verfügt.

65      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Unterschiede, die nach der nationalen Regelung zwischen dem beschleunigten und dem gewöhnlichen Verfahren in Gestalt einer kürzeren Klagefrist und dem Wegfall der zweiten Gerichtsinstanz bestehen, mit der Natur des eingeführten Verfahrens zusammenhängen. Durch die im Ausgangsverfahren fraglichen Bestimmungen soll eine schnellere Bearbeitung unbegründeter oder unzulässiger Asylanträge erreicht werden, damit die Anträge von Personen, die die Flüchtlingseigenschaft berechtigterweise beanspruchen, effizienter bearbeitet werden können.

66      Hinsichtlich des Umstands, dass im beschleunigten Verfahren die Klagefrist 15 Tage, im Fall einer im gewöhnlichen Verfahren erlassenen Entscheidung dagegen einen Monat beträgt, ist, wie der Generalanwalt in Nr. 63 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, entscheidend, dass die vorgesehene Frist tatsächlich ausreicht, um einen wirksamen Rechtsbehelf vorzubereiten und einzureichen.

67      Bei beschleunigten Verfahren erscheint eine Frist von 15 Tagen für die Vorbereitung und Einreichung eines Rechtsbehelfs im Grundsatz nicht tatsächlich unzureichend, sondern gegenüber den berührten Rechten und Belangen angemessen und verhältnismäßig.

68      Sollte diese Frist in einer bestimmten Situation in Anbetracht der Umstände unzureichend sein, obliegt es jedoch dem nationalen Gericht, festzustellen, ob dies allein es rechtfertigen kann, dem Rechtsbehelf stattzugeben, der mittelbar gegen die Entscheidung, den Asylantrag im beschleunigten Verfahren zu prüfen, eingelegt wurde, so dass das nationale Gericht, wenn es dem Rechtsbehelf stattgäbe, anordnen würde, den Antrag im gewöhnlichen Verfahren zu prüfen.

69      Hinsichtlich des Umstands, dass der Asylbewerber nur bei einer im gewöhnlichen Verfahren erlassenen Entscheidung über zwei Gerichtsinstanzen verfügt, ist festzustellen, dass die Richtlinie 2005/85 nicht vorschreibt, dass es zwei Gerichtsinstanzen geben muss. Entscheidend ist nach Art. 39 der Richtlinie 2005/85 allein, dass ein Rechtsbehelf vor einem Gericht oder Tribunal sichergestellt ist. Der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes eröffnet dem Einzelnen den Zugang zu einem Gericht und nicht zu mehreren Gerichtsinstanzen.

70      Folglich ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass Art. 39 der Richtlinie 2005/85 und der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegenstehen, nach der gegen die Entscheidung der zuständigen nationalen Stelle, einen Asylantrag im beschleunigten Verfahren zu prüfen, kein selbständiger Rechtsbehelf eingelegt werden kann, sofern die Gründe, die diese Stelle dazu bewogen haben, die Begründetheit des Asylantrags im beschleunigten Verfahren zu prüfen, im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die endgültige abschlägige Entscheidung tatsächlich einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies der Fall ist.

 Kosten

71      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Art. 39 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegenstehen, nach der gegen die Entscheidung der zuständigen nationalen Stelle, einen Asylantrag im beschleunigten Verfahren zu prüfen, kein selbständiger Rechtsbehelf eingelegt werden kann, sofern die Gründe, die diese Stelle dazu bewogen haben, die Begründetheit des Asylantrags im beschleunigten Verfahren zu prüfen, im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die endgültige abschlägige Entscheidung tatsächlich einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies der Fall ist.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Französisch.