Verbundene Rechtssachen C-128/10 und C-129/10

Naftiliaki Etaireia Thasou

und

Amaltheia I Naftiki Etaireia

gegen

Ypourgos Emporikis Naftilías

(Vorabentscheidungsersuchen des Symvoulio tis Epikrateias)

„Vorabentscheidungsersuchen – Freier Dienstleistungsverkehr – Seekabotage – Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 – Art. 1 und 4 – Vorherige behördliche Genehmigung der Kabotagedienste – Überwachung der Sicherheitsbedingungen der Schiffe – Aufrechterhaltung der Ordnung in den Häfen – Gemeinwohlverpflichtungen – Fehlen genauer und im Voraus bekannter Kriterien“

Leitsätze des Urteils

Verkehr – Seeverkehr – Freier Dienstleistungsverkehr – Seekabotage – Nationale Regelung, die Seekabotagedienste von einem System der vorherigen Genehmigung abhängig macht

(Verordnung Nr. 3577/92 des Rates, Art. 1 und 4)

Art. 1 in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) ist dahin auszulegen , dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, mit der ein System der vorherigen Genehmigung für Seekabotagedienste eingeführt wird, das den Erlass von Verwaltungsentscheidungen zur Einhaltung bestimmter Fahrplanzeiten aus Gründen vorsieht, die mit der Sicherheit der Schiffe und der Ordnung in den Häfen sowie mit Gemeinwohlverpflichtungen zusammenhängen, vorausgesetzt, dass ein solches System – insbesondere für den Fall, dass mehrere Reeder zum selben Zeitpunkt in denselben Hafen einlaufen möchten – auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruht. Bei Verwaltungsentscheidungen, durch die Gemeinwohlverpflichtungen auferlegt werden, ist darüber hinaus erforderlich, dass ein tatsächlicher Bedarf für eine Gemeinwohldienstleistung feststellbar ist, weil die Linienverkehrsdienste bei freiem Wettbewerb nicht ausreichend wären. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.

(vgl. Randnr. 63 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

17. März 2011(*)

„Vorabentscheidungsersuchen – Freier Dienstleistungsverkehr – Seekabotage – Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 – Art. 1 und 4 – Vorherige behördliche Genehmigung der Kabotagedienste – Überwachung der Sicherheitsbedingungen der Schiffe – Aufrechterhaltung der Ordnung in den Häfen – Gemeinwohlverpflichtungen – Fehlen genauer und im Voraus bekannter Kriterien“

In den verbundenen Rechtssachen C‑128/10 und C‑129/10

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Symvoulio tis Epikrateias (Griechenland) mit Entscheidungen vom 30. Dezember 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 11. März 2010, in den Verfahren

Naftiliaki Etaireia Thasou AE (C‑128/10),

Amaltheia I Naftiki Etaireia (C‑129/10)

gegen

Ypourgos Emporikis Naftilías,

Streithelferin:

Koinopraxia Epibatikon Ochimatagogon Ploion Kavalas – Thasou (C‑128/10),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Schiemann sowie des Richters L. Bay Larsen und der Richterin C. Toader (Berichterstatterin),

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der griechischen Regierung, vertreten durch S. Chala als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts im Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der Seekabotage.

2        Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zum einen der Naftiliaki Etaireia Thasou AE (im Folgenden: Naftiliaki Etaireia Thasou) und zum anderen der Amaltheia I Naftiki Etaireia jeweils gegen den Ypourgos Emporikis Naftilías (Minister für die Handelsmarine) über die Gültigkeit von Entscheidungen dieses Ministers, die die Seekabotage bestimmten Voraussetzungen unterwerfen.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) (ABl. L 364, S. 7) (im Folgenden: Verordnung) heißt es im achten Erwägungsgrund:

„Die Kabotagefreiheit sollte schrittweise eingeführt werden und braucht nicht unbedingt für alle betroffenen Dienstleistungen einheitlich zu sein; zu berücksichtigen wären die Beschaffenheit bestimmter spezifischer Dienstleistungen sowie der Umfang der Anstrengungen, die einigen Volkswirtschaften in der Gemeinschaft aufgrund des unterschiedlichen Entwicklungsstandes abverlangt werden.“

4        Der neunte Erwägungsgrund der Verordnung lautet:

„Die Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Leistungen mit bestimmten Rechten und Pflichten für die betreffenden Reeder kann vertretbar sein, um ausreichende Liniendienste von, zwischen und nach Inseln sicherzustellen, sofern es dabei nicht zu Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes kommt.“

5        Art. 1 Abs. 1 der Verordnung sieht vor:

„Mit Wirkung vom 1. Januar 1993 gilt der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs im Seeverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats (Seekabotage) für Gemeinschaftsreeder, deren Schiffe in einem Mitgliedstaat registriert sind und unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahren, sofern diese Schiffe alle Voraussetzungen erfüllen, um zur Kabotage in diesem Mitgliedstaat zugelassen zu werden; hierin eingeschlossen sind die in EUROS registrierten Schiffe, sobald dieses Register vom Rat gebilligt ist.“

6        Art. 2 der Verordnung bestimmt:

„Im Sinne dieser Verordnung sind:

1.      ...

c)      Inselkabotage: die Beförderung von Passagieren oder Gütern auf dem Seeweg zwischen:

–        Häfen auf dem Festland und auf einer oder mehreren Inseln ein und desselben Mitgliedstaats;

–        Häfen auf den Inseln innerhalb eines Mitgliedstaats.

...

3.      ‚Verträge über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes‘ Verträge, die zwischen den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats und einem Gemeinschaftsreeder abgeschlossen werden, um der Allgemeinheit ausreichende Verkehrsdienste zu bieten.

Ein Vertrag über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes kann insbesondere Folgendes umfassen:

–        Verkehrsdienste, die bestimmten Anforderungen an die Kontinuität, Regelmäßigkeit, Leistungsfähigkeit und Qualität genügen;

–        zusätzliche Verkehrsdienste;

–        Verkehrsdienste zu besonderen Tarifen und Bedingungen, vor allem für bestimmte Personengruppen oder auf bestimmten Verkehrsverbindungen;

4.      ‚Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes‘ Verpflichtungen, die der betreffende Gemeinschaftsreeder im eigenen wirtschaftlichen Interesse nicht oder nicht im gleichen Umfang und nicht unter den gleichen Bedingungen übernehmen würde;

...“

7        Art. 4 der Verordnung sieht vor:

(1)      Ein Mitgliedstaat kann mit Schifffahrtsgesellschaften, die sich an Liniendiensten von, zwischen und nach Inseln beteiligen, als Voraussetzung für das Recht zur Erbringung von Kabotageleistungen Verträge über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes schließen oder ihnen entsprechende Verpflichtungen auferlegen.

… bei der Auferlegung … [von] Verpflichtungen [des öffentlichen Dienstes] haben die Mitgliedstaaten darauf zu achten, dass kein Gemeinschaftsreeder diskriminiert wird.

(2)      Bei der Auferlegung von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes beschränken sich die Mitgliedstaaten auf Auflagen hinsichtlich der anzulaufenden Häfen, der Regelmäßigkeit, Beständigkeit und Häufigkeit des Verkehrs, der Dienstleistungskapazität, der zu erhebenden Gebühren sowie der Schiffsbesatzung.

...“

8        Art. 6 Abs. 2 und 3 der Verordnung bestimmt:

„(2)      Inselkabotage im Mittelmeerraum und Kabotage mit den Kanarischen Inseln, den Azoren und Madeira, Ceuta und Melilla, den französischen Inseln vor der Atlantikküste und den französischen überseeischen Departements werden im Wege einer Sonderregelung von der Anwendung dieser Verordnung zeitweilig bis zum 1. Januar 1999 ausgenommen.

(3)      Aus Gründen des sozioökonomischen Zusammenhalts wird die Sonderregelung gemäß Absatz 2 im Falle Griechenlands für Linienpassagier- und -fährdienste sowie für Beförderungsdienstleistungen durch Schiffe von weniger als 650 BRZ bis zum 1. Januar 2004 verlängert.“

 Nationales Recht

9        Art. 1 des Gesetzes 2932/2001 über den freien Dienstleistungsverkehr in der Seekabotage (FEK A’ 145/27.6.2001) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz 2932/2001) lautet:

„1.      Ab 1. November 2002 ist die Erbringung von Seeverkehrsdienstleistungen frei, die

a)      von einem Reeder eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft … gegen Entgelt erbracht werden und

b)      zwischen Häfen auf dem Festland und den Inseln oder zwischen den Inselhäfen von Schiffen zur Beförderung von Passagieren und Fahrzeugen, Passagier- oder Frachtschiffen im Liniendienst zur Beförderung von Passagieren oder im Linienfährverkehr oder von Schiffen von weniger als 650 BRZ … erbracht werden, wenn diese Schiffe in Griechenland oder einem anderen Mitgliedstaat registriert sind … und die Flagge dieses Staates führen.

…“

10      Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes 2932/2001 bestimmt:

„Durch Entscheidung des Ministers, die nach Stellungnahme des Symvoulio Aktoploïkon Syngkoinonion ergeht, können Reedern, die ein Schiff auf einer oder mehreren Routen in Dienst nehmen möchten, Gemeinwohlverpflichtungen auferlegt werden. Diese Verpflichtungen werden aus Gründen des öffentlichen Interesses auferlegt; dazu gehören – sofern dadurch keine Diskriminierung entsteht – Bedingungen in Bezug auf die zu bedienenden Häfen, die Regelmäßigkeit der Bedienung, die Kontinuität, die Häufigkeit und die Anpassung des Angebots von Beförderungsdienstleistungen, die Fracht und die Besatzung der Schiffe …“

11      Art. 3 („Einsatz im Liniendienst – Bedingungen“) des Gesetzes 2932/2001 bestimmt:

„1.      Der Einsatz eines Schiffes zur Beförderung von Passagieren und Fahrzeugen, eines Passagier- oder eines Frachtschiffs ist jeweils auf ein Jahr ab dem 1. November beschränkt (Liniendienst).

2.      Für diesen Einsatz

a)      muss das Schiff alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Kabotage in dem Mitgliedstaat, in dem es registriert ist, und in Griechenland erfüllen, für das Schiff müssen alle nach den geltenden Bestimmungen erforderlichen Seedokumente, Zertifikate für Sicherheit und Gewässerschutz sowie ein von einer Klassifikationsgesellschaft ausgestelltes Klassifizierungszeugnis vorliegen, wenn es von dieser überwacht wird …;

b)      das Schiff muss den Möglichkeiten der Hafeninfrastruktur und gegebenenfalls besonderen Anforderungen der Linie entsprechen, die es bedienen soll;

...“

12      Art. 4 („Verfahren für den Einsatz im Liniendienst“) des Gesetzes 2932/2001 sieht vor:

„1.      Für den Einsatz eines oder mehrerer Schiffe auf einer bestimmten Route hat der Reeder dem Ministerium eine Anmeldung mit seinem Namen und seinem Sitz oder Wohnsitz vorzulegen; handelt es sich bei ihm um eine natürliche Person, hat er seinen Namen, seinen Vornamen und seine Staatsangehörigkeit anzugeben … Ferner sind die Daten zur Identifizierung des Schiffes, die Verbindungen, die auf einer oder mehreren Linien des Netzes bedient werden, die Abgangshäfen, der endgültige Bestimmungsort und die Zwischenlandungen in der entsprechenden Reihenfolge, die Abfahrts‑ und Ankunftstage und ‑zeiten, der Höchstpreis des Dienstes in der Touristen‑ oder Einheitsklasse … während des Betriebszeitraums und die übrigen Daten gemäß dem im folgenden Absatz genannten Erlass anzugeben.

...

3.      Die Anmeldung für den Einsatz ist bis spätestens 31. Januar einzureichen. Bis spätestens 10. Februar veröffentlicht der zuständige Dienst eine Pressemitteilung, die in mindestens zwei landesweiten Tageszeitungen erscheint und in der die eingereichten Anmeldungen aufgeführt sind. Bis 20. Februar können die Betroffenen ihre Anmeldung ergänzen, ändern oder zurückziehen. Der zuständige Dienst veröffentlicht diese Änderungen bis spätestens 28. Februar in einer Pressemitteilung und gibt sie auf der Website des Ministeriums bekannt, wenn diese existiert. Vorbehaltlich des folgenden Absatzes unterrichtet der Dienst den Betroffenen schriftlich bis spätestens 31. März von der Annahme der Anmeldung.

4.      Das Ministerium kann, soweit notwendig, die Anmeldung in Bezug auf die Verbindungen, die bedient werden sollen, ändern, wenn es Gründe für die Annahme hat, dass

a)      die Situation in einem oder mehreren Häfen die Bedienung der beantragten Verbindungen aus Gründen der Schiffssicherheit oder der Ordnung im Hafen nicht erlaubt,

b)      das Schiff nicht ungehindert in den Hafen einlaufen und die Beförderung in eine bestimmte Hafenzone und zu dem festgelegten Zeitpunkt nicht durchführen kann und

c)      die Häufigkeit der Verbindungen oder der für deren Unterbrechung vorgesehene Zeitpunkt im Betriebszeitraum nicht der erforderlichen Regelmäßigkeit der Dienstleistungen entspricht. Das Ministerium kann die Erklärung auch in Bezug auf den Betrag der Frachtrate ändern, wenn es Gründe für die Annahme hat, dass der beabsichtigte Höchsttarif gemäß Abs. 1 auf einer bestimmten Verbindung zu hoch ist und dem öffentlichen Interesse widerspricht.

5.      … In den Fällen des Abs. 4 Buchst. a und b müssen die Reeder ihre Fahrpläne einvernehmlich aufeinander abstimmen, indem sie die Zeitabstände einplanen, die zur Lösung dieser Probleme erforderlich sind. Erfolgt keine Einigung innerhalb von fünf Tagen, regelt der Minister durch Erlass die notwendigen Fahrplanänderungen nach Stellungnahme des Symvoulio Aktoploïkon Syngkoinonion.

...“

 Die Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen

 Rechtssache C-128/10

13      Am 30. Januar 2006 meldete die Naftiliaki Etaireia Thasou, eine griechische Schifffahrtsgesellschaft, beim Ypourgos Emporikis Naftilías ihre Schiffe für die Zeit vom 1. November 2006 bis 31. Oktober 2007 für den Einsatz im Linienverkehr zwischen dem Festland und der Insel Thasos, genauer auf den Linien von Kavala nach Prinos Thasou und von Keramoti nach Thasos, an und fügte eine Fahrplantabelle bei.

14      Der Ypourgos Emporikis Naftilías ersuchte die Hafenverwaltung von Kavala und den Symvoulio Aktoploïkon Syngkoinonion, das zuständige Gremium für Fragen der Kabotage, das sich aus Vertretern sämtlicher mit der Kabotage befasster sozialer und beruflicher Einrichtungen zusammensetzt, um eine Stellungnahme hierzu.

15      Am 20. März 2006 teilte die Hafenverwaltung von Kavala dem Ypourgos Emporikis Naftilías in ihrer Stellungnahme im Wesentlichen mit, dass die gleichzeitige oder praktisch gleichzeitige Ankunft oder Abfahrt der Schiffe die Sicherheit der Schifffahrt gefährde, und eine andere planmäßige Aufteilung der Ankunfts‑ und Abfahrtszeiten einen besseren öffentlichen Verkehrsdienst ermöglichen würde. Sie empfahl daher eine Änderung des von der Naftiliaki Etaireia Thasou vorgeschlagenen Fahrplans.

16      Da trotz verschiedener Sitzungen, die in der zentralen Hafenverwaltung von Kavala und im Ministerium für die Handelsmarine zum Zweck einer Abstimmung stattfanden, keine Einigung insbesondere in Bezug auf die Linienfahrpläne zustande kam, gab der Symvoulio Aktoploïkon Syngkoinonion am 26. Oktober 2006 eine Stellungnahme ab, in der er sich den von der Hafenverwaltung von Kavala vorgeschlagenen Änderungen anschloss.

17      Der Ypourgos Emporikis Naftilías änderte daraufhin mit fünf Bescheiden vom 31. Oktober 2006 die Anmeldung der Naftiliaki Etaireia Thasou wie folgt:

–        Für die Linie von Kavala nach Prinos Thasou wurde die Bedienung der Verbindung um eine halbe Stunde geändert und entschieden, dass für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August 2007 die Schiffe der Naftiliaki Etaireia Thasou um 19.00 Uhr anstatt, wie ursprünglich angemeldet, um 18.30 Uhr den Hafen von Prinos verlassen sollten;

–        für die Linie von Keramoti nach Thasos entschied der Ypourgos Emporikis Naftilías:

a)      Die für die Schiffe der Naftiliaki Etaireia Thasou zur Bedienung der Verbindungen festgesetzten Zeiten sollten so bleiben, wie sie für die entsprechenden Verbindungen für den vorherigen Betriebszeitraum vom 1. November 2005 bis 31. Oktober 2006 festgesetzt worden waren;

b)      für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. August 2007 sollten die Verbindungen in Anbetracht der Größe des Hafens von Keramoti und aus Sicherheitsgründen in Abständen von 30 Minuten bedient werden.

18      Die Naftiliaki Etaireia Thasou focht die Gültigkeit der vom Ypourgos Emporikis Naftilías verfügten Änderungen beim vorlegenden Gericht an und machte geltend, dass die Bestimmungen des Gesetzes 2932/2001, aufgrund deren in den in Rede stehenden Bescheiden einseitig Änderungen der Fahrplantabellen verfügt worden seien, wegen Verstoßes gegen die Verordnung ungültig seien.

19      Die Koinopraxia Epibatikon Ochimatagogon Ploion Kavalas – Thasou, eine Vereinigung der Schifffahrtsgesellschaften, die ihre Schiffe für den Einsatz im Linienverkehr auf den streitigen Routen für die Zeit vom 1. November 2006 bis 31. Oktober 2007 angemeldet hatten, trat dem Rechtsstreit als Streithelferin zur Unterstützung des Ypourgos Emporikis Naftilías bei und beantragte die Abweisung der Klage der Naftiliaki Etaireia Thasou.

20      Das vorlegende Gericht vertritt die Ansicht, dass die Annahme der Anmeldungen der Reeder durch den Ypourgos Emporikis Naftilías im griechischen Recht Genehmigungen darstellten. Wie aus Art. 4 Abs. 4 des Gesetzes 2932/2001 hervorgehe, unterlägen die Leistungen der Seekabotage nach diesem Gesetz einem System der vorherigen behördlichen Genehmigung, mit dem insbesondere bezweckt sei, gemäß den Buchst. a und b dieser Bestimmung festzustellen, dass unter Berücksichtigung der in einem bestimmten Hafen bestehenden Situation die von einem Reeder angemeldeten Verbindungen unter Bedingungen durchgeführt werden könnten, die die Sicherheit des Schiffs, die Einhaltung der Ordnung in dem betreffenden Hafen und ein ungehindertes Einlaufen gewährleisteten, und gemäß Buchst. c dieser Bestimmung gegebenenfalls Gemeinwohlverpflichtungen u. a. bezüglich der Häufigkeit der Verbindungen und ganz allgemein einer ausreichenden Bedienung der betreffenden Linie vorzuschreiben.

21      Ferner habe Art. 4 Abs. 5 des Gesetzes 2932/2001 in der ursprünglichen Fassung vorgesehen, dass die Verwaltung, wenn mehrere Reeder gleichzeitig Zugang zu einem Hafen beantragten, dessen Kapazität nicht ausreichend sei, und es ihnen nicht gelinge, die Ankunft ihrer Schiffe einvernehmlich zu koordinieren, die Reihenfolge beim Anlegen und Festmachen im Wege einer Ausschreibung bestimme.

22      Unter Verweisung insbesondere auf Randnr. 34 des Urteils vom 20. Februar 2001, Analir u. a. (C‑205/99, Slg. 2001, I‑1271), führt das vorlegende Gericht ferner aus, dass das durch Art. 4 Abs. 4 Buchst. c des Gesetzes 2932/2001 eingeführte System der vorherigen Genehmigung ausnahmslos alle Schifffahrtslinien betreffe, die Inseln bedienten, ohne dass die zuständigen nationalen Behörden beim Erlass dieser Regelung für jede dieser Linien die Gefahr eines unzureichenden Liniendienstes für den Fall festgestellt hätten, dass dieser Dienst allein den Marktkräften überlassen bleibe.

23      Aufgrund dieser Erwägungen hat das Symvoulio tis Epikrateias das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Erlauben die Art. 1, 2 und 4 der Verordnung – ausgelegt im Licht des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs – den Erlass nationaler Vorschriften, wonach die Reeder Seekabotagedienste nur nach vorheriger Einholung einer behördlichen Genehmigung erbringen können, wenn

a)      mit dieser Genehmigungsregelung bezweckt ist, festzustellen, ob unter Berücksichtigung der in einem bestimmten Hafen bestehenden Situation die von einem Reeder angemeldeten Verbindungen unter Bedingungen durchgeführt werden können, die die Sicherheit des Schiffs, die Einhaltung der Ordnung im Hafen und ein ungehindertes Einlaufen des Schiffs, für das die Genehmigung beantragt wurde, in einem bestimmten Hafen zu der vom Reeder für die Durchführung einer bestimmten Verbindung gewünschten Uhrzeit gewährleisten, ohne dass jedoch in einer Rechtsnorm die Kriterien im Voraus festgelegt sind, auf deren Grundlage diese Fragen von der Verwaltung entschieden werden, insbesondere, falls mehrere Reeder an einer Anlegemöglichkeit zum selben Zeitpunkt im selben Hafen interessiert sind;

b)      diese Genehmigungsregelung gleichzeitig ein Mittel darstellt, um Gemeinwohlverpflichtungen mit folgenden Merkmalen vorzuschreiben:

i)      Sie betreffen unterschiedslos alle Linienverbindungen zu den Inseln;

ii)      die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Verwaltungsbehörde verfügt über ein sehr weites Ermessen bei der Auferlegung von Gemeinwohlverpflichtungen, ohne dass in einer Rechtsnorm die Kriterien für die Ausübung dieses Ermessens im Voraus festgelegt sind und ohne dass der Inhalt dieser möglichen Gemeinwohlverpflichtungen im Voraus festgelegt ist?

 Rechtssache C‑129/10

24      Am 30. Januar 2006 meldete die Amaltheia I Naftiki Etaireia beim Ypourgos Emporikis Naftilías ihr Schiff für die Zeit vom 1. November 2006 bis 31. Oktober 2007 für den Einsatz im Linienverkehr zwischen dem auf dem Festland gelegenen Arkitsa und dem auf einer Insel gelegenen Dorf Aidipsos an und fügte die Fahrplantabellen der betreffenden Fahrtrouten bei.

25      Im März 2006 erklärten die Hafenbehörden nach der Feststellung, dass den eingereichten Fahrplantabellen zufolge täglich, insbesondere während der Sommersaison, Schiffe gleichzeitig abfahren sollten, dass sie aus Sicherheitsgründen die gleichzeitige Abfahrt mehrerer Schiffe nicht erlauben könnten.

26      Da trotz verschiedener Sitzungen, die in der Hafenverwaltung Aidipsos und im Ministerium für die Handelsmarine zum Zweck einer Abstimmung stattfanden, keine Einigung zustande kam, sprach sich der Symvoulio Aktoploïkon Syngkoinonion am 26. Oktober 2006 in seiner Stellungnahme dafür aus, die Verbindungen nach dem letzten Vorschlag der Hafenbehörden zu organisieren, d. h., dass nur zwei und nicht drei Schiffe gleichzeitig abfahren sollten.

27      Aufgrund der Anmeldungen anderer Schifffahrtsgesellhaften erließ der Ypourgos Emporikis Naftilías am 31. Oktober 2006 acht Bescheide, die die gleichzeitige Abfahrt des Schiffs der Klägerin und eines Schiffs, das einer Vereinigung anderer am Betrieb der betreffenden Linie interessierter Reeder gehörte, vorsahen.

28      Die Amaltheia I Naftiki Etaireia focht diese acht Bescheide beim vorlegenden Gericht an und machte geltend, dass der Ypourgos Emporikis Naftilías die von ihren Wettbewerbern eingereichten Anmeldungen für den Einsatz ihrer Schiffe allein zu dem Zweck hätte ändern sollen, die gleichzeitige Abfahrt von Schiffen zu verhindern.

29      Das vorlegende Gericht weist erneut darauf hin, dass Art. 4 Abs. 5 des Gesetzes 2932/2001 in seiner ursprünglichen Fassung vorgesehen habe, dass die Verwaltung, wenn mehrere Reeder gleichzeitig Zugang zu einem Hafen beantragten, dessen Kapazität nicht ausreichend sei, und es ihnen nicht gelinge, die Ankunft ihrer Schiffe einvernehmlich zu koordinieren, die Reihenfolge beim Anlegen und Festmachen im Wege einer Ausschreibung bestimme.

30      Aufgrund dieser Erwägungen hat das Symvoulio tis Epikrateias das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Erlauben die Art. 1 und 2 der Verordnung – ausgelegt im Licht des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs – den Erlass nationaler Vorschriften, wonach die Reeder Seekabotagedienste nur nach vorheriger Einholung einer behördlichen Genehmigung erbringen können, die im Rahmen einer Genehmigungsregelung erteilt wird, mit der bezweckt ist, u. a. festzustellen, ob unter Berücksichtigung der in einem bestimmten Hafen bestehenden Situation die von einem Reeder angemeldeten Verbindungen unter Umständen durchgeführt werden können, die die Sicherheit des Schiffs, die Einhaltung der Ordnung im Hafen und ein ungehindertes Einlaufen des Schiffs, für das die Genehmigung beantragt wurde, in einen bestimmten Hafen zu der vom Reeder für die Durchführung einer bestimmten Verbindung gewünschten Uhrzeit gewährleisten, ohne dass jedoch in einer Rechtsnorm die Kriterien im Voraus festgelegt sind, auf deren Grundlage diese Fragen von der Verwaltung entschieden werden, insbesondere, falls mehrere Reeder an einer Anlegemöglichkeit zum selben Zeitpunkt im selben Hafen interessiert sind?

31      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 8. April 2010 sind die Rechtssachen C‑128/10 und C‑129/10 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

 Zu den Vorlagefragen

 Vorbemerkungen

32      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 58 Abs. 1 AEUV für den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs die Bestimmungen des Titels VI im dritten Teil des AEUV gelten, die den Verkehr betreffen und zu denen Art. 100 Abs. 2 AEUV gehört, der das Europäische Parlament und den Rat ermächtigt, geeignete Vorschriften für die Seeschifffahrt zu erlassen.

33      Auf der Grundlage von Art. 80 Abs. 2 EG, jetzt Art. 100 Abs. 2 AEUV, hat der europäische Gesetzgeber die Verordnung erlassen, mit der laut ihrem Art. 1 bezweckt ist, den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten anzuwenden (Urteile Analir u. a., Randnr. 20, sowie vom 9. März 2006, Kommission/Spanien, C‑323/03, Slg. 2006, I‑2161, Randnr. 43).

34      Nach dem achten Erwägungsgrund der Verordnung soll die Kabotagefreiheit schrittweise eingeführt werden. Nach Art. 6 Abs. 2 und 3 der Verordnung war die Hellenische Republik bis 1. Januar 2004 von der Anwendung der Verordnung befreit. Zum Zeitpunkt des Erlasses der in Rede stehenden Ministerialentscheidungen war die Verordnung nach ihrem Art. 6 Abs. 2 und 3 in Griechenland zeitlich bereits auf diese anwendbar.

35      Zweitens ist auch noch vorab zu prüfen, ob durch die im griechischen Recht vorgesehenen Bestimmungen tatsächlich ein System der vorherigen Genehmigung eingeführt worden ist.

36      Nach dem Akteninhalt betrafen die Entscheidungen in den beiden Ausgangsverfahren die Änderung der von den Reedern vorgeschlagenen Abfahrtszeiten. Sie waren wegen der Sicherheit der Schiffe und der Ordnung in den Häfen und wegen der Notwendigkeit erlassen worden, eine bestimmte Bedienungsdichte zu gewährleisten.

37      In den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird das anwendbare nationale Recht unterschiedlich ausgelegt. Die griechische Regierung und die Europäische Kommission sind sich nämlich nicht darüber einig, ob dieses Recht eine Genehmigungsregelung enthält.

38      Die Kommission ist ebenso wie das vorlegende Gericht der Ansicht, dass das durch das Gesetz 2932/2001 geschaffene System, wonach der Ypourgos Emporikis Naftilías die Anmeldungen der Schiffe durch die Schiffseigner für den Einsatz im Linienverkehr annehmen oder ablehnen kann, eine Genehmigungsregelung wie diejenige sei, um die es in der mit dem Urteil Analir u. a. entschiedenen Rechtssache ging.

39      Die griechische Regierung macht dagegen geltend, dass das Verfahren zur Prüfung dieser von den Reedern eingereichten Anmeldungen der Verwaltung keine sachliche, sondern nur eine förmliche Prüfung erlaube und dieses Verfahren daher keine Genehmigungsregelung darstelle.

40      Der Gerichtshof ist in Bezug auf die Auslegung von Bestimmungen des nationalen Rechts grundsätzlich gehalten, die sich aus der Vorlageentscheidung ergebenden Qualifizierungen zugrunde zu legen. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Gerichtshof nämlich nicht befugt, das innerstaatliche Recht eines Mitgliedstaats auszulegen (Urteil vom 20. Oktober 2005, Ten Kate Holding Musselkanaal u. a., C‑511/03, Slg. 2005, I‑8979, Randnr. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Da sich die griechische Verwaltung im vorliegenden Fall, wie aus den Vorlageentscheidungen hervorgeht, nicht auf eine bloße Annahme der Anmeldungen der Reeder beschränkt, sondern auch die von ihnen vorgeschlagenen Fahrpläne insbesondere in Bezug auf die Abfahrtszeiten der Schiffe ändern kann, stehen die rechtlichen Wirkungen einer solchen Änderung denjenigen einer Genehmigung gleich. Somit führt das Gesetz 2932/2001 tatsächlich ein System der vorherigen Genehmigung für Seekabotagedienste ein.

42      Drittens ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht mit seinen Vorabentscheidungsfragen nicht um Auslegung der in Art. 2 der Verordnung enthaltenen Begriffe ersucht hat und daher kein Grund besteht, auf diesen Artikel einzugehen.

 Zu den Maßnahmen betreffend die Überwachung der Sicherheit der Schiffe und der Ordnung in den Häfen

43      Was die Frage betrifft, ob die Verordnung und insbesondere ihr Art. 1 einem System wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, aufgrund dessen zur Sicherheit der Schiffe und Aufrechterhaltung der Ordnung in den Häfen Fahrplanzeiten vorgeschrieben werden können, so ist eine nationale Regelung, die die Erbringung von Seekabotagediensten von einer vorherigen behördlichen Genehmigung abhängig macht, geeignet, die Erbringung dieser Dienste zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, und stellt deshalb eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar (vgl. Urteile Analir u. a., Randnr. 22, sowie Kommission/Spanien, Randnr. 44).

44      Im vorliegenden Fall können nämlich die aus Gründen der Sicherheit der Häfen und der Schiffe vorgeschriebenen Änderungen an den Fahrplanvorschlägen der Reeder eine Beschränkung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen, der auf die Seekabotage nach Art. 1 der Verordnung Anwendung findet.

45      Eine solche Beschränkung kann jedoch aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Gewährleistung der Sicherheit in den Hafengewässern einen solchen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 1998, Corsica Ferries France, C‑266/96, Slg. 1998, I‑3949, Randnr. 60).

46      Eine Maßnahme, die sich auf Gründe der Sicherheit in den Hafengewässern stützt, kann jedoch nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie die Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung erfüllt.

47      In Bezug auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist erstens einzuräumen, dass die Einführung eines Systems der vorherigen Genehmigung, das wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende sicherstellen soll, dass die gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Schiffe in einem Hafen nicht deren Sicherheit gefährdet, ein für die Verfolgung des Zwecks der Sicherheit in den Hafengewässern sowohl geeignetes als auch notwendiges Mittel darstellt.

48      Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung keine Ermessensausübung der nationalen Behörden rechtfertigen kann, die geeignet ist, den Bestimmungen der Union, insbesondere wenn sie eine Grundfreiheit wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende betreffen, ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen. Damit ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung trotz des Eingriffs in eine solche Grundfreiheit gerechtfertigt ist, muss es daher auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruhen, die sicherstellen, dass der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden hinreichende Grenzen gesetzt werden (vgl. Urteil vom 22. Dezember 2010, Yellow Cab Verkehrsbetrieb, C‑338/09, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Die Notwendigkeit, die Ermessensausübung der Verwaltung durch diese Kriterien einzugrenzen, besteht auch, wenn die nationale Verwaltung in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren, in der es um die Zuweisung der Fahrplanzeiten an mehrere betroffene Reeder geht, die untereinander in Wettbewerb stehen, die Bewerber nicht gleichbehandelt, weil aus Gründen der Sicherheit der Schiffe und der Häfen mehrere gleichzeitige Abfahrten nicht möglich sind oder einen Mindestabstand zwischen den Abfahrten erforderlich machen.

50      Im vorliegenden Fall kann nach Art. 4 Abs. 4 Buchst. a und b des Gesetzes 2932/2001 die Änderung der von den Reedern vorgeschlagenen Fahrplanzeiten mit den Erfordernissen der Sicherheit des Schiffs und der Ordnung in den Häfen begründet werden. Ferner sehen diese Bestimmungen vor, dass der Minister die Anmeldung eines Reeders nur „soweit erforderlich“ durch eine mit Gründen versehene Entscheidung ändern kann. Selbst wenn diese allgemeinen Kriterien nicht im Einzelnen festlegen, welche Gründe in Bezug auf Sicherheit und Ordnung eine Änderung der Fahrplanzeiten rechtfertigen können, dürften sie eine objektive, hinreichend genaue und im Voraus bekannte Begrenzung der Ermessensausübung der nationalen Behörden darstellen.

51      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die Prüfungen vorzunehmen, die im Hinblick auf sein nationales Recht erforderlich sind.

 Zu den Maßnahmen, mit denen Gemeinwohlverpflichtungen auferlegt werden

52      Zur Frage, ob die Verordnung und insbesondere ihre Art. 1 und 4 einem System der vorherigen Genehmigung entgegenstehen, mit dem Gemeinwohlverpflichtungen in Form der Festsetzung bestimmter Fahrplanzeiten auferlegt werden, ist festzustellen, dass nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung ein Mitgliedstaat den Reedern solche Verpflichtungen in Bezug auf die Häufigkeit des Linienverkehrs auferlegen kann.

53      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung ein Mittel zur Auferlegung von Gemeinwohlverpflichtungen sein (vgl. Urteil Analir u. a., Randnr. 34).

54      Unter Berücksichtigung dessen, dass nicht alle Kabotagelinien notwendigerweise die Auferlegung von Gemeinwohlverpflichtungen erfordern, ist ein solches System nur zulässig, wenn die zuständigen nationalen Behörden für jede betroffene Strecke festgestellt haben, dass die Liniendienste nicht ausreichen würden, wenn ihre Erbringung allein den Marktkräften überlassen bliebe, und wenn dieses System notwendig ist und im rechen Verhältnis zu dem Zweck steht, einen ausreichenden Linienverkehr von, zwischen und nach den Inseln sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne neunter Erwägungsgrund der Verordnung sowie Urteil Analir u. a., Randnrn. 29 und 34).

55      Schließlich kann ein solches System der vorherigen Genehmigung keine Ermessensausübung der nationalen Behörden rechtfertigen, die geeignet ist, den Bestimmungen der Verordnung ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen. Daher muss sie auf objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruhen, die den betroffenen Unternehmen im Voraus bekannt sind, damit dem Ermessen der nationalen Behörden Grenzen gesetzt sind, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteil Analir u. a., Randnrn. 37 und 38).

56      Das Symvoulio tis Epikrateias verweist in seinen Vorlageentscheidungen insbesondere auf das Fehlen objektiver Kriterien in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung, an die sich die nationale Verwaltung im Verfahren über den Erlass der Genehmigungsentscheidungen zu halten hätte. Die griechische Regierung und die Kommission meinen, dass Art. 4 Abs. 4 des Gesetzes 2932/2001 Art. 4 Abs. 2 der Verordnung durch Wiedergabe der dort enthaltenen Kriterien umsetze.

57      Wie in Randnr. 55 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, muss das System der vorherigen Genehmigung auf im Voraus bekannten, objektiven, verhältnismäßigen und nicht diskriminierenden Regeln beruhen.

58      Ebenso ist wesentlich, dass der Inhalt der Gemeinwohlverpflichtungen, die auferlegt werden können, ebenfalls in einer Maßnahme von allgemeiner Art festgelegt ist, damit die Einzelheiten und der Umfang dieser Verpflichtungen im Voraus bekannt sind.

59      Was die Kriterien für die Auferlegung von Gemeinwohlverpflichtungen angeht, ist Art. 4 Abs. 2 der Verordnung, der die Auflagen festlegt, auf die sich die Mitgliedstaaten bei der Auferlegung von Gemeinwohlverpflichtungen beschränken müssen und die die anzulaufenden Häfen, die Regelmäßigkeit, die Beständigkeit, die Häufigkeit des Verkehrs, die Dienstleistungskapazität, die zu erhebenden Gebühren und die Schiffsbesatzung betreffen, als erschöpfende Liste zu betrachten.

60      Solche Auflagen können als objektive Kriterien betrachtet werden, auf die sich die Verwaltung bei der Ausübung ihres Ermessens in Bezug auf die Auferlegung von Gemeinwohlverpflichtungen insbesondere dann zu beschränken hat, wenn mehrere Reeder zum selben Zeitpunkt in denselben Hafen einlaufen möchten.

61      In Bezug auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung ist insbesondere festzustellen, dass Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes 2932/2001 die verschiedenen Bedingungen aufführt, die die Auferlegung der in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung vorgesehenen Gemeinwohlverpflichtungen rechtfertigen können. Ferner stellt Art. 2 klar, dass solche Verpflichtungen „aus Gründen des öffentlichen Interesses“ auferlegt werden sollen, „sofern dadurch keine Diskriminierung entsteht“. Nach Art. 4 Abs. 4 Buchst. c des Gesetzes können Änderungen der Anmeldung der Reeder, durch die ihnen solche Verpflichtungen auferlegt werden sollen, gerechtfertigt sein, um die Regelmäßigkeit der Dienstleistungen zu gewährleisten. Schließlich können nach dieser Bestimmung solche Änderungen nur „soweit notwendig“ und „wenn es Gründe hierfür gibt“ beschlossen werden.

62      Dem vorlegenden Gericht obliegt die Beurteilung, ob die Bestimmungen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung aufgrund dieser Gegebenheiten den in den Randnrn. 54 und 55 dieses Urteils aufgeführten Voraussetzungen genügen.

63      Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass Art. 1 in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, mit der ein System der vorherigen Genehmigung für Seekabotagedienste eingeführt wird, das den Erlass von Verwaltungsentscheidungen zur Einhaltung bestimmter Fahrplanzeiten aus Gründen vorsieht, die mit der Sicherheit der Schiffe und der Ordnung in den Häfen sowie mit Gemeinwohlverpflichtungen zusammenhängen, vorausgesetzt, dass ein solches System – insbesondere für den Fall, dass mehrere Reeder zum selben Zeitpunkt in denselben Hafen einlaufen möchten – auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruht. Bei Verwaltungsentscheidungen, durch die Gemeinwohlverpflichtungen auferlegt werden, ist darüber hinaus erforderlich, dass ein tatsächlicher Bedarf für eine Gemeinwohldienstleistung feststellbar ist, weil die Linienverkehrsdienste bei freiem Wettbewerb nicht ausreichend wären. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob in den Ausgangsverfahren diese Voraussetzungen erfüllt sind.

 Kosten

64      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 1 in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, mit der ein System der vorherigen Genehmigung für Seekabotagedienste eingeführt wird, das den Erlass von Verwaltungsentscheidungen zur Einhaltung bestimmter Fahrplanzeiten aus Gründen vorsieht, die mit der Sicherheit der Schiffe und der Ordnung in den Häfen sowie mit Gemeinwohlverpflichtungen zusammenhängen, vorausgesetzt, dass ein solches System – insbesondere für den Fall, dass mehrere Reeder zum selben Zeitpunkt in denselben Hafen einlaufen möchten – auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruht. Bei Verwaltungsentscheidungen, durch die Gemeinwohlverpflichtungen auferlegt werden, ist darüber hinaus erforderlich, dass ein tatsächlicher Bedarf für eine Gemeinwohldienstleistung feststellbar ist, weil die Linienverkehrsdienste bei freiem Wettbewerb nicht ausreichend wären. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob in den Ausgangsverfahren diese Voraussetzungen erfüllt sind.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Griechisch.