Rechtssache C‑543/08

Europäische Kommission

gegen

Portugiesische Republik

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 56 EG und 43 EG – Freier Kapitalverkehr – Vom portugiesischen Staat an EDP gehaltene Sonderaktien (‚golden shares‘) – Energias de Portugal – Beschränkungen beim Erwerb von Beteiligungen und Eingriff in die Verwaltung einer privatisierten Gesellschaft“

Leitsätze des Urteils

1.        Vertragsverletzungsklage – Streitgegenstand – Bestimmung während des Vorverfahrens

(Art. 258 AEUV)

2.        Freier Kapitalverkehr – Beschränkungen – Gesellschaftsrecht

(Art. 56 Abs. 1 EG, 58 EG und 86 Abs. 2 EG)

1.        Eine Partei kann im Lauf des Verfahrens nicht den Streitgegenstand selbst ändern, und die Begründetheit der Klage ist allein anhand der in der Klageschrift enthaltenen Anträge zu prüfen. Außerdem ist die Kommission nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 38 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs verpflichtet, in jeder nach Art. 258 AEUV erhobenen Klage genau die Rügen anzugeben, über die der Gerichtshof entscheiden soll, und zumindest in gedrängter Form die rechtlichen und tatsächlichen Umstände darzulegen, auf die diese Rügen gestützt sind. Die Tatsache, dass die Kommission im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage in ihrer Erwiderung eine von ihr bereits in der Klageschrift in allgemeiner Form erhobene Rüge näher ausführt, indem sie als zusätzliches Argument zum Nachweis der Begründetheit ihres Vorwurfs auf ein weiteres Recht, über das ein Staat in einer privatisierten Gesellschaft verfügt, hingewiesen hat, verändert den Gegenstand der behaupteten Vertragsverletzung indessen nicht und wirkt sich nicht auf den Umfang des Rechtsstreits aus.

(vgl. Randnrn. 20-21, 23)

2.        Ein Mitgliedstaat verstößt dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 56 EG, dass er an einer Aktiengesellschaft zugunsten des Staates und anderer öffentlicher Einrichtungen Sonderrechte aufrechterhält, die in Verbindung mit vom Staat gehaltenen Sonderaktien („golden shares“) am Gesellschaftskapital dieses Unternehmens gewährt werden und die in der Befreiung von der für die Stimmabgabe der übrigen Aktionäre vorgesehenen Begrenzung von 5 %, dem Recht, ein Verwaltungsratsmitglied zu bestimmen, wenn der Staat gegen den bei der Wahl der Verwaltungsratsmitglieder erfolgreichen Vorschlag gestimmt hat, dem Vetorecht bei Beschlüssen der Hauptversammlung der Aktionäre über

–      die Änderung der Satzung, einschließlich die Kapitalerhöhung, die Fusion, die Spaltung und die Auflösung,

–      den Abschluss von Gruppenverträgen als gleichberechtigte oder untergeordnete Partei,

–      die Abschaffung oder Beschränkung des Vorzugsrechts der Aktionäre im Fall einer Kapitalerhöhung

bestehen.

Soweit das Vetorecht dem Staat eine Einflussnahme auf die Verwaltung und Kontrolle der Gesellschaft verleiht, die nicht durch den Umfang der Beteiligung, die er an dieser Gesellschaft hält, gerechtfertigt ist, ist es nämlich geeignet, Wirtschaftsteilnehmer anderer Mitgliedstaaten davon abzuhalten, Direktinvestitionen in diese Gesellschaft zu tätigen, da sie an deren Verwaltung und der Kontrolle nicht entsprechend dem Wert ihrer Beteiligungen mitwirken könnten. Das fragliche Vetorecht kann auch für Portfolioinvestitionen in die Gesellschaft eine abschreckende Wirkung haben, da eine Weigerung des betreffenden Staates, einer wichtigen Entscheidung zuzustimmen, die von den Organen dieser Gesellschaft als in deren Interesse liegend vorgeschlagen wird, den Wert der Aktien der Gesellschaft belasten und damit die Attraktivität einer Investition in diese Aktien mindern kann.

Was die jeden Anteilseigner mit Ausnahme des betreffenden Staates, für den dies nicht gilt, treffende Begrenzung der Ausübung auf höchstens 5 % der Stimmrechte, die auf von einem Anteilseigner gehaltene normale Aktien entfallen, angeht, sind die mit Aktien verbundenen Stimmrechte eines der Hauptmittel des Aktionärs, sich aktiv an der Verwaltung eines Unternehmens oder dessen Kontrolle zu beteiligen. Folglich kann jede Maßnahme, die die Ausübung dieser Rechte verhindern oder sie Bedingungen unterwerfen soll, Anleger aus anderen Mitgliedstaaten davon abschrecken, Beteiligungen an den betreffenden Unternehmen zu erwerben, und stellt eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar. Stimmrechtsbegrenzungen sind zudem ein Instrument, das die Möglichkeit der Direktinvestoren einschränken kann, sich an der Gesellschaft zu beteiligen, um dauerhafte und direkte Wirtschaftsbeziehungen mit ihr zu schaffen oder aufrechtzuerhalten, die es ihnen ermöglichen, sich effektiv an ihrer Verwaltung oder ihrer Kontrolle zu beteiligen, und verringern das Interesse am Erwerb einer Beteiligung am Kapital einer Gesellschaft.

Was das Recht zur Bestimmung eines Verwaltungsratsmitglieds angeht, stellt dieses Recht eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, da ein solches in einer nationalen gesetzlichen Maßnahme allein zugunsten öffentlicher Akteure vorgesehenes Sonderrecht eine Abweichung vom allgemeinen Gesellschaftsrecht darstellt. Zwar kann diese Befugnis durch Gesetz als qualifiziertes Minderheitsrecht gewährt werden, sie muss in diesem Fall jedoch allen Aktionären zugänglich sein und darf nicht ausschließlich dem Staat vorbehalten werden. Indem die Möglichkeit anderer Aktionäre als des Staates beschränkt wird, sich an der Gesellschaft zu beteiligen, um dauerhafte und direkte Wirtschaftsbeziehungen mit ihr zu schaffen oder aufrechtzuerhalten, die es ermöglichen, sich effektiv an ihrer Verwaltung und ihrer Kontrolle zu beteiligen, kann das Recht der Bestimmung eines Verwaltungsratsmitglieds Direktinvestoren aus anderen Mitgliedstaaten nämlich davon abhalten, in das Kapital dieser Gesellschaft zu investieren.

Was die in Art. 58 EG zugelassenen Ausnahmen betrifft, kann die Notwendigkeit, die Sicherheit der Energieversorgung des betreffenden Mitgliedstaats im Krisen‑, Kriegs‑ oder Terrorfall sicherzustellen, einen Grund der öffentlichen Sicherheit im Sinne von Art. 58 EG darstellen. Die Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit sind jedoch, insbesondere als Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs, eng auszulegen, so dass ihre Tragweite nicht von jedem Mitgliedstaat einseitig ohne Nachprüfung durch die Organe der Union bestimmt werden kann. So ist eine Berufung auf die öffentliche Sicherheit nur möglich, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Macht ein Staat den Rechtfertigungsgrund der Sicherheit der Energieversorgung jedoch nur geltend, ohne die genauen Gründe darzulegen, aus denen er der Auffassung ist, dass sich mit jedem einzelnen der beanstandeten Sonderrechte oder mit diesen insgesamt eine solche Beeinträchtigung eines Grundinteresses der Gesellschaft verhindern ließe, kann eine auf die öffentliche Sicherheit gestützte Rechtfertigung nicht angenommen werden.

Was im Übrigen die Verhältnismäßigkeit der fraglichen Beschränkung betrifft, stellt die Unsicherheit, die dadurch geschaffen wird, dass die Ausübung von Sonderrechten, die der Besitz von Sonderaktien am Gesellschaftskapital der Gesellschaft dem Staat verleiht, keiner Bedingung und nicht dem Vorliegen eines spezifischen objektiven Umstands unterworfen ist, eine schwerwiegende Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs dar, da hierdurch den nationalen Behörden bei der Ausübung derartiger Rechte ein so weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird, dass dieser nicht als den verfolgten Zielen angemessen angesehen werden kann.

Schließlich findet Art. 86 Abs. 2 EG auf die genannten nationalen Bestimmungen keine Anwendung und kann daher zur Rechtfertigung dieser Bestimmungen nicht geltend gemacht werden, soweit diese Beschränkungen der im Vertrag verbürgten Freiheit des Kapitalverkehrs begründen. Denn anhand von Art. 86 Abs. 2 EG in Verbindung mit dessen Abs. 1 lässt sich rechtfertigen, dass ein Mitgliedstaat einem Unternehmen, das mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut ist, den Bestimmungen des Vertrags zuwiderlaufende besondere oder ausschließliche Rechte überträgt, sofern die Erfüllung der diesem Unternehmen übertragenen besonderen Aufgabe nur durch die Einräumung solcher Rechte gesichert werden kann und soweit die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das dem Interesse der Union zuwiderläuft. Dies ist jedoch nicht der Gegenstand einer nationalen Regelung, die einem Mitgliedstaat Sonderrechte an einer Aktiengesellschaft zuweist, die mit von diesem Staat am Gesellschaftskapital gehaltenen Sonderaktien verbunden sind.

(vgl. Randnrn. 56-58, 62-64, 84-85, 87, 90, 92-97 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

11. November 2010(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 56 EG und 43 EG – Freier Kapitalverkehr – Vom portugiesischen Staat an EDP gehaltene Sonderaktien (‚golden shares‘) – Energias de Portugal – Beschränkungen beim Erwerb von Beteiligungen und Eingriff in die Verwaltung einer privatisierten Gesellschaft“

In der Rechtssache C‑543/08

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 4. Dezember 2008,

Europäische Kommission, vertreten durch G. Braun, P. Guerra e Andrade und M. Teles Romão als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes im Beistand von C. Botelho Moniz und P. Gouveia e Melo, advogados,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet, M. Ilešič und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 2010,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 56 EG und 43 EG verstoßen hat, dass sie Sonderrechte des portugiesischen Staates an EDP – Energias de Portugal (im Folgenden: EDP) aufrechterhält, die in Verbindung mit von diesem Staat gehaltenen Sonderaktien („golden shares“) gewährt werden.

 Rechtlicher Rahmen

 Nationales Recht

2        Art. 13 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 11/90 betreffend das Rahmengesetz über Privatisierungen (Lei n.º 11/90, Lei Quadro das Privatizações) vom 5. April 1990 (Diário da República I, Serie A, Nr. 80, vom 5. April 1990; im Folgenden: LQP) sieht vor:

„Bei Reprivatisierungen, die durch einen Aufruf zum Wettbewerb, ein Angebot an der Wertpapierbörse oder eine öffentliche Zeichnung erfolgen, können natürliche oder juristische Personen nicht mehr als einen bestimmten, auch in der Regelung, auf die sich Art. 4 Abs. 1 bezieht, definierten Prozentsatz des zu reprivatisierenden Kapitals erwerben oder zeichnen; Zuwiderhandlungen werden nach Maßgabe des Vorzusehenden durch Zwangsverkauf der dieses Limit überschreitenden Aktien, den Verlust des durch diese Aktien verliehenen Stimmrechts oder Nichtigkeit geahndet.“

3        Insoweit sehen die ausführenden gesetzesvertretenden Verordnungen über die Reprivatisierung von EDP, insbesondere die gesetzesvertretenden Verordnungen Nr. 78-A/97 vom 7. April 1997 zur Genehmigung der ersten Phase des Reprivatisierungsprozesses des Gesellschaftskapitals von EDP – Electricidade de Portugal SA (Diário da República I, Serie A, Nr. 81, vom 7. April 1997), Nr. 94-C/98 vom 17. April 1998 zur Genehmigung der dritten Phase des Reprivatisierungsprozesses des Gesellschaftskapitals von EDP – Electricidade de Portugal SA (Diário da República I, Serie A, Nr. 90, vom 17. April 1998) und Nr. 141/2000 vom 15. Juli 2000 zur Genehmigung der vierten Phase des Reprivatisierungsprozesses des Gesellschaftskapitals von EDP – Electricidade de Portugal SA (Diário da República I, Serie A, Nr. 162, vom 15. Juli 2000) in ihrem jeweiligen Art. 9 Abs. 1 vor:

„Keine natürliche oder juristische Person kann im Rahmen der in der vorliegenden gesetzesvertretenden Verordnung vorgesehenen Geschäfte Aktien erwerben, die einen 5 % übersteigenden Anteil am Gesellschaftskapital von EDP darstellen; Erwerbsgebote, die über dieses Limit hinausgehen, werden entsprechend herabgesetzt.“

4        Nach Art. 384 Abs. 2 des portugiesischen Gesetzbuchs über Handelsgesellschaften (im Folgenden: CSC) können die Satzungen dieser Gesellschaften

„a)      vorsehen, dass eine bestimmte Anzahl Aktien nur einer Stimme entspricht, wenn alle von der Gesellschaft ausgegebenen Aktien berücksichtigt werden, und dass auf je 1 000 Euro wenigstens eine Stimme entfällt;

b)      vorsehen, dass die eine bestimmte Anzahl überschreitenden Stimmen nicht gezählt werden, wenn sie von einem einzigen Aktionär in seinem eigenen Namen oder auch als Vertreter eines anderen Aktionärs abgegeben werden“.

5        Art. 384 Abs. 3 bestimmt:

„Die im vorstehenden Absatz unter Buchst. b erlaubte Begrenzung der Anzahl der Stimmen kann für alle Aktien oder nur für die Aktien einer oder mehrerer Kategorien, nicht aber für bestimmte Aktionäre festgelegt werden.“

6        Art. 15 Abs. 3 LQP sieht die Möglichkeit der Ausgabe von Sonderaktien nach folgender Maßgabe vor:

„Außerdem können in der Regelung gemäß Art. 4 Abs. 1 [zur Genehmigung der Satzung des Unternehmens, das privatisiert oder in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden soll] ausnahmsweise, wenn Gründe des nationalen Interesses dies erfordern, Sonderaktien vorgesehen werden, die Eigentum des Staates bleiben und diesem, unabhängig von der Zahl der Aktien, bei Satzungsänderungen und anderen Entscheidungen in bestimmten, in der Satzung ordnungsgemäß vorgesehenen Bereichen ein Vetorecht einräumen.“

7        Art. 13 Abs. 1 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 141/2000 sieht zu den Sonderrechten des Staates vor:

„Solange der Staat Aktionär der Gesellschaft ist und unabhängig von der Zahl der Aktien, deren Inhaber er unmittelbar oder mittelbar über öffentliche Einrichtungen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. c des Gesetzes Nr. 71/88 vom 24. Mai 1988 ist, gelten die nachfolgend aufgeführten Beschlüsse der Hauptversammlung nur dann als angenommen, wenn sie mit der Stimme des Staates ergangen sind:

a)      Beschlüsse über die Änderung der Satzung, einschließlich der Kapitalerhöhung, der Fusion, der Spaltung und der Auflösung;

b)      Beschlüsse über den Abschluss von Gruppenverträgen als gleichberechtigte oder untergeordnete Partei;

c)      Beschlüsse über Abschaffung oder Beschränkung des Vorzugsrechts der Aktionäre im Fall einer Kapitalerhöhung.“

8        Art. 15 Abs. 1 LQP bestimmt:

„Ausnahmsweise und wenn Gründe des nationalen Interesses es erfordern, kann der Rechtsakt betreffend den Erlass der Satzung des zu reprivatisierenden Unternehmens zur Wahrung des allgemeinen Interesses vorsehen, dass Beschlüsse über bestimmte Bereiche durch ein vom Staat zu ernennendes Verwaltungsratsmitglied zu genehmigen sind.“

9        Art. 13 Abs. 2 und 3 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 141/2000 sieht zu den Sonderrechten des Staates vor:

„(2)      Solange er Aktionär der Gesellschaft im Sinne des vorstehenden Absatzes ist, hat der Staat, wenn er gegen den bei der Wahl der Verwaltungsratsmitglieder erfolgreichen Vorschlag stimmt, ferner das Recht, ein Verwaltungsratsmitglied zu bestimmen, das die Person, die die wenigsten Stimmen von der Liste der erfolgreichen Kandidaten erhalten hat, oder bei Stimmengleichheit die Person, die an letzter Stelle auf dieser Liste steht, automatisch ersetzt.

(3)      Das dem Staat im vorstehenden Absatz gewährte Recht geht Minderheitsaktionären nach Art. 392 des [CSC] gewährten ähnlichen Rechten vor.“

10      Art. 10 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 218-A/2004 vom 25. Oktober 2004 zur Genehmigung der fünften Phase des Reprivatisierungsprozesses des Gesellschaftskapitals von EDP – Electricidade de Portugal SA (Diário da República I, Serie A, Nr. 251, vom 25. Oktober 2004) und Art. 6 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 209‑A/2005 vom 2. Dezember 2005 zur Genehmigung der sechsten Phase des Reprivatisierungsprozesses des Gesellschaftskapitals von EDP – Energias de Portugal SA (Diário da República I, Serie A, Nr. 231, vom 2. Dezember 2005) erhalten die Sonderrechte des portugiesischen Staates ausdrücklich aufrecht.

 Satzung von EDP

11      Art. 4 Abs. 4 der Satzung von EDP sieht vor:

„Aktien der Kategorie B sind zu reprivatisierende Aktien; das mit ihnen verbundene Sonderrecht besteht allein darin, dass die Aktionäre, die ihre Inhaber sind oder ihren Inhaber vertreten, hinsichtlich dieser Aktien nicht von der Begrenzung der Zahl der Stimmen nach Art. 14 Abs. 3 ff. betroffen sind.“

12      Art. 14 Abs. 2 und 3 der Satzung bestimmt:

„(2)      Jede Aktie berechtigt zu einer Stimme.

(3)      Stimmen der Kategorie A, die ein Aktionär in seinem Namen oder als Vertreter eines anderen Aktionärs abgibt, werden nicht berücksichtigt, wenn sie 5 % aller der dem Gesellschaftskapital entsprechenden Stimmen übersteigen.“

13      Art. 17 Abs. 2 der Satzung lautet:

„Zur Genehmigung des Strategieplans der Gesellschaft und zur Umsetzung der nachfolgend aufgeführten Handlungen durch die Gesellschaft oder durch von EDP beherrschte Gesellschaften ist eine positive Stellungnahme des Aufsichtsrats erforderlich:

a)      Erwerb oder Veräußerung von Gütern, Rechten oder Gesellschaftsanteilen von erheblichem wirtschaftlichen Wert;

b)      Inanspruchnahme von Finanzierungen von erheblichem Wert;

c)      Eröffnung oder Schließung von Niederlassungen oder erheblichen Teilen von Niederlassungen oder erhebliche Erweiterungen oder Verminderungen der Tätigkeit;

d)      andere Geschäfte oder Handlungen von erheblichem wirtschaftlichen oder strategischen Wert;

e)      Errichtung oder Beendigung strategischer Partnerschaften oder anderer Formen dauerhafter Zusammenarbeit;

f)      Vorhaben einer Spaltung, Fusion oder Umwandlung;

g)      Satzungsänderungen, einschließlich Änderung des Sitzes oder Kapitalerhöhung, wenn sie auf Initiative des Verwaltungsrats erfolgen.“

 Die Vorgeschichte des Rechtsstreits und das Vorverfahren

14      Seit Beginn der 1990er Jahre ist im portugiesischen Elektrizitätssektor ein umfangreicher Restrukturierungsprozess im Gange. In diesem Rahmen wurde EDP, die 1976 durch die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 502/76 vom 30. Juni 1976 (Diário da República I, Série A, Nr. 151, vom 30. Juni 1976) als öffentliches Unternehmen errichtet wurde, 1991 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Danach nahm der portugiesische Staat eine Reprivatisierung dieses Unternehmens nach einem in mehreren Phasen umgesetzten Prozess vor. Gegenwärtig hält der Staat nach Angaben der Portugiesischen Republik 25,73 % des Gesellschaftskapitals von EDP über die Parpública – Participações Públicas SGPS SA und die Caixa Geral de Depósitos SA.

15      EDP ist der Hauptkonzessionär für den Vertrieb von Elektrizität in Portugal und für die Tätigkeit des Universallieferanten („comercializador de último recurso“); über ihr Tochterunternehmen EDP Gás SA ist sie auch in dem Segment des Vertriebs und der Lieferung von Erdgas in der Region Grande Porto tätig.

16      Am 18. Oktober 2006 richtete die Kommission an die Portugiesische Republik ein Mahnschreiben, in dem sie ihr vorwarf, dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 56 EG verstoßen zu haben, dass der Staat und andere öffentliche Anteilseigner über Sonderaktien am Kapital von EDP verfügten, die mit Sonderrechten ausgestattet seien, insbesondere dem Vetorecht bei bestimmten Beschlüssen der Hauptversammlung der Aktionäre dieser Gesellschaft und dem Recht der Bestimmung eines Verwaltungsratsmitglieds, wenn der Staat gegen den bei der Wahl der Verwaltungsratsmitglieder erfolgreichen Vorschlag gestimmt habe, und schließlich der Befreiung des Staates von der für die Stimmabgabe vorgesehenen Begrenzung von 5 %.

17      Da die Kommission die am 18. Dezember 2008 erteilte Antwort der Portugiesischen Republik für unzureichend hielt, erließ sie am 29. Juli 2007 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie den Wortlaut des Mahnschreibens wiederholte und den betroffenen Mitgliedstaat aufforderte, dieser Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen.

18      Die portugiesischen Behörden antworteten auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme mit Schreiben vom 30. Oktober 2007. Da diese Antwort die Kommission nicht zufriedenstellte, hat sie beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

 Zur Zulässigkeit der Klage

 Vorbringen der Parteien

19      Die Portugiesische Republik macht in ihrer Gegenerwiderung geltend, dass die Klage teilweise unzulässig sei, weil die Kommission in ihrer Erwiderung ein neues rechtliches Vorbringen eingeführt habe, das dahin gehe, dass das Verwaltungsratsmitglied nach Art. 13 Abs. 1 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 141/2000 die Befugnis habe, die Beschlüsse der Hauptversammlung von EDP nach Art. 15 LQP zu bestätigen, was bedeute, dass in diesem fortgeschrittenen Verfahrensstadium eine neue Vertragsverletzungsrüge eingeführt werde; diese Rüge müsse für unzulässig erklärt werden.

 Würdigung durch den Gerichtshof

20      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass eine Partei im Lauf des Verfahrens nicht den Streitgegenstand selbst ändern kann und dass die Begründetheit der Klage allein anhand der in der Klageschrift enthaltenen Anträge zu prüfen ist (vgl. u. a. Urteile vom 25. September 1979, Kommission/Frankreich, 232/78, Slg. 1979, 2729, Randnr. 3, vom 6. April 2000, Kommission/Frankreich, C‑256/98, Slg. 2000, I‑2487, Randnr. 31, und vom 4. Mai 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑508/03, Slg. 2006, I‑3969, Randnr. 61).

21      Außerdem ist die Kommission nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 38 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung verpflichtet, in jeder nach Art. 258 AEUV erhobenen Klage genau die Rügen anzugeben, über die der Gerichtshof entscheiden soll, und zumindest in gedrängter Form die rechtlichen und tatsächlichen Umstände darzulegen, auf die diese Rügen gestützt sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. März 1992, Kommission/Dänemark, C‑52/90, Slg. 1992, I‑2187, Randnr. 17, Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 62, und vom 3. Juni 2010, Kommission/Spanien, C‑487/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 71).

22      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kommission in ihren Anträgen in der Klageschrift klar angegeben hat, dass sie der Portugiesischen Republik vorwirft, dass der portugiesische Staat und andere öffentliche Anteilseigner über Sonderaktien am Gesellschaftskapital von EDP verfügten, die mit bestimmten Sonderrechten ausgestattet seien, nämlich dem Vetorecht bei bestimmten Beschlüssen der Gesellschaft, dem Recht, ein Verwaltungsratsmitglied zu bestimmen, wenn der Staat gegen den bei der Wahl der Verwaltungsratsmitglieder erfolgreichen Vorschlag gestimmt habe, und der Befreiung von der für die Stimmabgabe vorgesehenen Begrenzung von 5 %. Indem sie sich zudem auf die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus den Art. 43 EG und 56 EG berufen hat, denen die Portugiesische Republik nicht nachgekommen sein soll, hat die Kommission daher den Streitgegenstand hinreichend genau bestimmt.

23      Zwar hat sich die Kommission erst in ihrer Erwiderung erstmals auf Art. 15 Abs. 1 LQP und das in dieser Vorschrift vorgesehene Recht gestützt. Aus den Akten ergibt sich jedoch, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Portugiesischen Republik in ihrer Erwiderung nicht die Ansicht vertreten hat, der portugiesische Staat verfüge über ein neues Sonderrecht, sondern dass sie als zusätzliches Argument zum Nachweis der Begründetheit ihres Vorwurfs auf ein weiteres Recht, über das dieser Staat verfüge, hingewiesen hat. Daher hat der Umstand, dass die Kommission eine von ihr bereits in der Klageschrift in allgemeiner Form erhobene Rüge näher ausführt, den Gegenstand der behaupteten Vertragsverletzung nicht verändert und sich nicht auf den Umfang des Rechtsstreits ausgewirkt (vgl. Urteile vom 27. November 2003, Kommission/Finnland, C‑185/00, Slg. 2003, I‑14189, Randnrn. 84 bis 87, und vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, C‑171/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 29).

24      Unter Berücksichtigung des Vorstehenden ist die von der Portugiesischen Republik erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

 Zum Bestehen von Beschränkungen

 Vorbringen der Parteien

25      Die Kommission macht erstens geltend, die Ausgabe von Sonderaktien am Gesellschaftskapital von EDP ergebe sich nicht aus einer normalen Anwendung des Gesellschaftsrechts und stelle daher eine staatliche Maßnahme dar, die in den Anwendungsbereich der Art. 56 EG und 43 Abs. 1 EG falle.

26      Die mit diesen Aktien verbundenen Sonderrechte seien als in Ausübung hoheitlicher Befugnisse vorgenommene Handlungen und nicht als private Handlungen anzusehen. Das Vetorecht und das Recht, ein Verwaltungsratsmitglied zu bestimmen, seien nämlich im Gesetz vorgesehen und unmittelbar anwendbar. Der portugiesische Staat könne unabhängig von der Zahl der Aktien, die er – unmittelbar oder mittelbar – halte, diese Sonderrechte ausüben, die sich gegen die Sonderrechte von Minderheitsaktionären durchsetzten. Zur Stimmrechtsbegrenzung führt die Kommission aus, ihr Charakter einer staatlichen Maßnahme ergebe sich daraus, dass der Staat in die Satzung von EDP die Vorschrift aufgenommen habe, die die Stimmrechtsbegrenzung für jeden einzelnen Aktionär festlege, wobei er selbst von dieser befreit sei, außerdem habe er dann mittels eines Gesetzes das spezifische Vetorecht eingeführt, das für Beschlüsse über Änderungen der Satzung gelte.

27      Was die von den Art. 56 EG und 43 EG verbotenen Beschränkungen angeht, ist die Kommission der Ansicht, dass das Vetorecht das Recht der Aktionäre, bei der Verwaltung und Kontrolle von EDP im Verhältnis zum Wert der von ihnen gehaltenen Anteile wirksam mitzuwirken, einschränke und begrenze, indem es ihnen die Befugnis nehme, strategische Verwaltungsentscheidungen zu treffen und über Änderungen an den Eigentumsverhältnissen des Unternehmens zu entscheiden. Zudem beschränke dieses Recht auch die Freiheit des Kapitalverkehrs und die Niederlassungsfreiheit, da es Investitionen berühren könne, die in der Absicht einer finanziellen Anlage erfolgten, und Investoren aus anderen Mitgliedstaaten davon abschrecken könne, solche Investitionen vorzunehmen.

28      Die Kommission macht zweitens geltend, dass das mit den Sonderaktien des portugiesischen Staates verbundene Vetorecht als eine Genehmigungsregelung und mithin als eine Regelung, die die Niederlassungsfreiheit beschränke, zu werten sei. Die LQP enthalte kein Kriterium für die Ausübung des Vetorechts, eine solche Regelung müsse sich aber auf objektive und den betroffenen Unternehmen im Voraus bekannte Kriterien stützen.

29      Was das Recht des Staates, ein Verwaltungsratsmitglied zu bestimmen, angeht, ist die Kommission der Auffassung, dass dies ebenfalls eine gegen die Art. 56 EG und 43 EG verstoßende Beschränkung darstelle, da es ein Hemmnis für Direktinvestitionen sei, denn dieses spezifische Recht weiche vom allgemeinen Gesellschaftsrecht ab, weil es in einer nationalen Gesetzgebungsmaßnahme allein zum Nutzen öffentlicher Anteilseigner vorgesehen sei. Das Argument der Portugiesischen Republik, wonach nach einer aktualisierten Auslegung des CSC das Recht des Staates, ein Verwaltungsratsmitglied zu bestimmen, letztlich nicht als solches zu verstehen sei, sondern als das Recht, ein Mitglied des Aufsichtsrats zu bestimmen, also ein überwachendes Mitglied, sei zurückzuweisen. Die Kommission beruft sich hierfür auf Art. 17 Abs. 2 der Satzung von EDP, wonach wichtige strategische Entscheidungen und Änderungen dieser Satzung jedenfalls einer positiven Stellungnahme des Aufsichtsrats unterlägen.

30      Was die Begrenzung der Anzahl der Stimmen, über die die gewöhnlichen Aktionäre verfügen, auf 5 % des Gesellschaftskapitals von EDP angeht, eine Begrenzung, die auf vom portugiesischen Staat gehaltene Sonderaktien keine Anwendung findet, ist die Kommission der Ansicht, dass diese Regelung die Möglichkeit beschränke, sich effektiv an der Verwaltung eines Unternehmens oder an seiner Kontrolle zu beteiligen, und Investoren aus anderen Mitgliedstaaten davon abschrecken könne, Beteiligungen an dem betreffenden Unternehmen zu erwerben.

31      Die Portugiesische Republik tritt dem Vorwurf der Vertragsverletzung insgesamt entgegen und macht zunächst geltend, dass die fraglichen nationalen Bestimmungen nicht in den Anwendungsbereich der Art. 43 EG und 56 EG fielen, da sie weder bewirkten noch bezweckten, den Eintritt von Direktinvestoren oder Portfolioinvestoren in das Gesellschaftskapital von EDP unmittelbar oder substanziell zu behindern. Die Sonderrechte, über die der Staat verfüge, beeinflussten den Zugang zu Investitionen in diese Gesellschaft weder unmittelbar noch substanziell, sie hätten also nicht zur Folge, Anleger oder Unternehmen, gleichviel ob inländische oder ausländische, von Portfolioinvestitionen oder Direktinvestitionen abzuhalten. Im Übrigen sei die Kommission, da sie keine Untersuchung der Auswirkungen solcher Sonderrechte auf die Entscheidungen von Anlegern mit Sitz in der Union und auf die für sie bestimmten Anreize vorgelegt habe, nicht ihrer Beweislast nach Art. 226 EG nachgekommen.

32      Sodann ist die portugiesische Regierung der Auffassung, dass der Umfang des Begriffs einer für den freien Kapitalverkehr und die Niederlassungsfreiheit „beschränkenden Maßnahme“ klargestellt werden müsse, denn die auf inländische Anleger und Anleger aus anderen Mitgliedstaaten unterschiedslos anwendbaren nationalen Maßnahmen könnten nur dann beschränkende Maßnahmen nach den Art. 43 EG und 56 EG darstellen, wenn sie den Marktzugang der Anleger unmittelbar und substanziell beeinflussten. Sie fordert den Gerichtshof daher auf, den Begriff der Beschränkung des freien Kapitalverkehrs und der Niederlassungsfreiheit im Licht des Urteils vom 24. November 1993, Keck und Mithouard (C‑267/91 und C‑268/91, Slg. 1993, I‑6097), betreffend Verkaufsmodalitäten im Zusammenhang mit der Freiheit des Warenverkehrs auszulegen.

33      Zum Charakter einer staatlichen Maßnahme, die die in der Satzung von EDP vorgesehene Stimmrechtsbegrenzung von 5 % haben solle, führt die Portugiesische Republik aus, diese sei keine staatliche Maßnahme, sondern ein privatrechtlicher Rechtsakt, der nicht in den Anwendungsbereich der Art. 43 EG und 56 EG falle.

34      Schließlich wendet sich die Portugiesische Republik gegen die Analyse des Vetorechts durch die Kommission, wonach dieses Sonderrecht eine Regelung der vorherigen Genehmigung darstelle, die das Recht der Aktionäre, sich im Verhältnis zum Wert der von ihnen gehaltenen Aktien effektiv an der Verwaltung und Kontrolle der Gesellschaft zu beteiligen oder strategische Verwaltungsentscheidungen zu treffen, beschränke und begrenze. Die fraglichen nationalen Bestimmungen verliehen dem portugiesischen Staat – unter strenger Beachtung des öffentlichen Interesses am Schutz der Sicherheit der Energieversorgung des Landes – nur ein Vetorecht in Bezug auf solche Beschlüsse der Hauptversammlung, die die Struktur von EDP grundlegend änderten und die daher die Versorgungssicherheit in Frage stellen könnten. Daher nehme dieses Recht den Aktionären nicht die Befugnis, strategische Verwaltungsentscheidungen zu treffen.

35      Hinsichtlich des Rechts des portugiesischen Staates, ein Verwaltungsratsmitglied zu bestimmen, hebt die Portugiesische Republik hervor, dass dieses Recht nach einer Überarbeitung des CSC im Jahr 2006 als Möglichkeit aufzufassen sei, ein Mitglied des Aufsichtsrats, nicht aber, wie die Kommission fälschlich annehme, ein Verwaltungsratsmitglied zu bestimmen. Da ein einziger Vertreter und eine einzige Stimme in einem kollegialen Überwachungsorgan, wie es der Aufsichtsrat sei, dem Staat zugewiesen seien, verfüge dieser deshalb in Wirklichkeit nicht über einen maßgeblichen Einfluss im Verwaltungsorgan von EDP und beschränke die wirksame Beteiligung der anderen Aktionäre an der Verwaltung und Kontrolle dieser Gesellschaft folglich nicht. Dieses Recht könne jedenfalls keine Bedeutung für das Interesse inländischer oder in anderen Mitgliedstaaten ansässiger Unternehmen haben, finanzielle oder qualifizierte Beteiligungen am Gesellschaftskapital von EDP zu erwerben.

36      Auf das Vorbringen der Portugiesischen Republik in der Klagebeantwortung erwidert die Kommission unter Bezugnahme auf das Urteil vom 13. Mai 2003, Kommission/Spanien (C‑463/00, Slg. 2003, I‑4581), dass die Heranziehung der Rechtsprechung im Urteil Keck und Mithouard nicht geboten sei.

37      Die Portugiesische Republik meint im Übrigen in ihrer Gegenerwiderung, dass die in der vorliegenden Klage in Rede stehenden nationalen Bestimmungen ausschließlich im Licht von Art. 43 EG und nicht anhand von Art. 56 EG zu untersuchen seien. Unter Bezugnahme auf das Urteil vom 26. März 2009, Kommission/Italien (C‑326/07, Slg. 2009, I‑2291), vertritt sie die Auffassung, dass die Sonderrechte, die der Staat genieße, nur diejenigen Aktionäre betreffen könnten, die über einen Anteil am Gesellschaftskapital von EDP verfügten, der ihnen einen sicheren Einfluss auf die Verwaltung der Gesellschaft verschaffe. Selbst wenn die fraglichen Bestimmungen eine beschränkende Wirkung auf den freien Kapitalverkehr haben können sollen, was bestritten werde, so sei diese Wirkung hypothetisch und sehr gering, jedenfalls sei sie nur die unausweichliche Folge eines eventuellen Hindernisses für die Niederlassungsfreiheit und rechtfertige keine eigenständige Prüfung der nationalen Bestimmungen anhand von Art. 56 EG.

38      Darüber hinaus habe die Kommission in schwerwiegender Weise die Verpflichtung hinsichtlich der ihr im Rahmen der Art. 226 EG und 86 Abs. 2 EG obliegenden Beweislast verletzt, indem sie keinerlei Untersuchung dieser nationalen Bestimmungen im Zusammenhang mit den vom portugiesischen Staat auf der Grundlage von Art. 86 Abs. 2 EG vorgetragenen Argumenten vorgenommen habe.

 Würdigung durch den Gerichtshof

–       Zur Anwendbarkeit der Art. 56 EG und 43 EG

39      Die Kommission ist der Auffassung, dass die vorgeworfene Vertragsverletzung sowohl anhand von Art. 56 EG über die Freiheit des Kapitalverkehrs als auch anhand von Art. 43 EG über die Niederlassungsfreiheit zu prüfen sei. Die Portugiesische Republik dagegen meint, die in der vorliegenden Klage in Rede stehenden nationalen Bestimmungen seien ausschließlich im Licht von Art. 43 EG und nicht anhand von Art. 56 EG zu untersuchen.

40      Für die Beantwortung der Frage, ob eine nationale Regelung unter die eine oder unter die andere Verkehrsfreiheit fällt, ist nach gefestigter Rechtsprechung auf den Gegenstand der betreffenden nationalen Regelung abzustellen (vgl. u. a. Urteile vom 24. März 2007, Holböck, C‑157/05, Slg. 2007, I‑4051, Randnr. 22, und Kommission/Italien, Randnr. 33).

41      In den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 43 EG über die Niederlassungsfreiheit fallen nationale Vorschriften, die anzuwenden sind, wenn ein Angehöriger des betreffenden Mitgliedstaats am Kapital einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat eine Beteiligung hält, die es ihm ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen dieser Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen (vgl. insbesondere Urteile vom 13. April 2000, Baars, C‑251/98, Slg. 2000, I‑2787, Randnr. 22, und Kommission/Italien, Randnr. 34).

42      Von Art. 56 EG, der den freien Kapitalverkehr betrifft, werden insbesondere Direktinvestitionen erfasst, nämlich Investitionen jeder Art durch natürliche oder juristische Personen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter und direkter Beziehungen zwischen denjenigen, die diese Mittel bereitstellen, und dem Unternehmen, für das die Mittel zum Zweck einer wirtschaftlichen Tätigkeit bestimmt sind. Dieses Ziel setzt voraus, dass die Aktien ihrem Inhaber die Möglichkeit geben, sich aktiv an der Verwaltung dieser Gesellschaft oder an deren Kontrolle zu beteiligen (vgl. insbesondere Urteile vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland, C‑112/05, Slg. 2007, I‑8995, Randnr. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Kommission/Italien, Randnr. 35).

43      Eine nationale Regelung, die nicht nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, sondern unabhängig vom Umfang der Beteiligung eines Aktionärs an einer Gesellschaft gilt, kann sowohl unter Art. 43 EG als auch unter Art. 56 EG fallen (Urteil Kommission/Italien, Randnr. 36).

44      Es ist festzustellen, dass es im vorliegenden Vertragsverletzungsverfahren nicht ausgeschlossen ist, dass die in Rede stehenden nationalen Bestimmungen alle Aktionäre und potenziellen Investoren berühren und nicht nur die Aktionäre, die einen sicheren Einfluss auf die Verwaltung und Kontrolle von EDP ausüben können. Die streitigen Bestimmungen sind daher unter dem Blickwinkel der Art. 56 EG und 43 EG zu prüfen.

–       Zum Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Art. 56 EG

45      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung Art. 56 Abs. 1 EG ganz allgemein Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten verbietet (vgl. u. a. Urteile vom 28. September 2006, Kommission/Niederlande, C‑282/04 und C‑283/04, Slg. 2006, I‑9141, Randnr. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung, Kommission/Deutschland, Randnr. 17, und Kommission/Portugal, Randnr. 48).

46      In Ermangelung einer Definition des Begriffs „Kapitalverkehr“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EG im Vertrag hat der Gerichtshof der Nomenklatur für den Kapitalverkehr in Anhang I der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 [EG] (dieser Artikel ist durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben worden) (ABl. L 178, S. 5) Hinweischarakter zuerkannt. So hat der Gerichtshof befunden, dass „Kapitalbewegungen“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EG insbesondere sogenannte Direktinvestitionen sind, also Investitionen in Form der Beteiligung an einem Unternehmen durch Besitz von Aktien, die die Möglichkeit verschafft, sich tatsächlich an der Verwaltung und der Kontrolle dieses Unternehmens zu beteiligen, sowie sogenannte Portfolioinvestitionen, d. h. Investitionen in Form des Erwerbs von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt allein in der Absicht einer Geldanlage, ohne auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss nehmen zu wollen (vgl. Urteile Kommission/Niederlande, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung, Kommission/Deutschland, Randnr. 18, sowie Kommission/Portugal, Randnr. 49).

47      Zu diesen beiden Investitionsformen hat der Gerichtshof festgestellt, dass nationale Regelungen als „Beschränkungen“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EG anzusehen sind, wenn sie geeignet sind, den Erwerb von Aktien der betreffenden Unternehmen zu verhindern oder zu beschränken oder aber Investoren anderer Mitgliedstaaten davon abzuschrecken, in das Kapital dieser Unternehmen zu investieren (vgl. Urteile vom 4. Juni 2002, Kommission/Portugal, C‑367/98, Slg. 2002, I‑4731, Randnr. 45, vom 4. Juni 2002, Kommission/Frankreich, C‑483/99, Slg. 2002, I‑4781, Randnr. 40, vom 13. Mai 2003, Kommission/Spanien, Randnrn. 61 und 62, vom 13. Mai 2003, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑98/01, Slg. 2003, I‑4641, Randnrn. 47 und 49, vom 2. Juni 2005, Kommission/Italien, C‑174/04, Slg. 2005, I‑4933, Randnrn. 30 und 31, Kommission/Niederlande, Randnr. 20, Kommission/Deutschland, Randnr. 19, sowie vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 50).

48      Die Portugiesische Republik bestreitet, dass es sich bei der Stimmrechtsbegrenzung von 5 % nach Art. 14 Abs. 3 der Satzung von EDP um eine nationale Maßnahme im Sinne der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung handele, und verweist auf die privatrechtliche Natur dieser Satzung. Folglich sei die fragliche Vorschrift keine staatliche Maßnahme und falle daher nicht in den Anwendungsbereich der Art. 43 EG und 56 EG.

49      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es zwar feststeht, dass der CSC sich auf die Einräumung der Möglichkeit beschränkt, im Gesellschaftsvertrag von EDP eine Stimmrechtsbegrenzung für Aktien einer bestimmten Kategorie vorzusehen und dass gerade nach der in Anwendung dieses Gesetzes erlassenen Satzung dieses Unternehmens diese Aktien eingeführt und dem portugiesischen Staat zugewiesen wurden.

50      Gleichwohl wurde die fragliche Bestimmung der Satzung, wie sich aus den Akten ergibt, vor dem Abschluss der ersten Phase der Privatisierung von EDP erlassen, d. h. zu einer Zeit, als der portugiesische Staat die große Mehrheit des Gesellschaftskapitals von EDP hielt. Nach der Festsetzung dieser Stimmrechtsbegrenzung und zu einem Zeitpunkt, zu dem dieser Staat gerade dazu überging, einen geringeren Anteil an diesem Kapital zu halten, führte er in Art. 15 Abs. 3 LQP ein spezifisches Vetorecht zu seinen Gunsten ein, das insbesondere bei Beschlüssen zur Änderung der Satzung dieser Gesellschaft ausgeübt wird. Damit kann die Klausel der Stimmrechtsbegrenzung nach Art. 14 Abs. 3 der Satzung durch die Gesellschafter nicht mehr ohne Zustimmung des Staates aufgehoben werden.

51      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Portugiesische Republik selbst zum einen über ihren Gesetzgeber die Ausgabe von Sonderaktien am Gesellschaftskapital von EDP gestattet und zum anderen in ihrer Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt beschlossen hat, nach Art. 15 Abs. 3 LQP Sonderaktien an diesem Kapital einzuführen, sie dem Staat zuzuweisen und die mit ihnen verbundenen Sonderrechte festzulegen.

52      Zudem ist die Ausgabe dieser Sonderaktien auch nicht auf eine normale Anwendung des Gesellschaftsrechts zurückzuführen, da die Sonderaktien, die abweichend von den Bestimmungen des CSC eingeführt worden sind, auf Dauer im Eigentum des Staates verbleiben sollen und daher nicht übertragbar sind.

53      Die zugunsten des portugiesischen Staates geltende Befreiung von der Stimmrechtsbegrenzung von 5 % ist daher als dem Staat zurechenbar anzusehen und fällt demgemäß in den Anwendungsbereich von Art. 56 Abs. 1 EG.

54      Zur restriktiven Natur der in den nationalen Rechtsvorschriften – teils in Verbindung mit der Satzung von EDP – vorgesehenen Regelung über den Besitz durch den portugiesischen Staat von mit Sonderrechten verbundenen Sonderaktien am Kapital dieser Gesellschaft ist festzustellen, dass solche Aktien Wirtschaftsteilnehmer anderer Mitgliedstaaten davon abschrecken können, in das Kapital der Gesellschaft zu investieren.

55      Zum Vetorecht ergibt sich nämlich aus Art. 13 Abs. 1 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 141/2000, dass die Genehmigung einer erheblichen Anzahl wichtiger Beschlüsse bereffend EDP von der Einwilligung des portugiesischen Staates abhängig ist. Insbesondere ist dessen Zustimmung für jeden Beschluss zur Änderung der Satzung von EDP erforderlich, so dass der Einfluss des portugiesischen Staates auf diese Gesellschaft nur abnehmen kann, wenn dieser Staat selbst dem zustimmt.

56      Somit ist dieses Vetorecht, soweit es diesem Staat eine Einflussnahme auf die Verwaltung und Kontrolle von EDP verleiht, die nicht durch den Umfang der Beteiligung, die er an dieser Gesellschaft hält, gerechtfertigt ist, geeignet, Wirtschaftsteilnehmer anderer Mitgliedstaaten davon abzuhalten, Direktinvestitionen in EDP zu tätigen, da sie an der Verwaltung und der Kontrolle dieser Gesellschaft nicht entsprechend dem Wert ihrer Beteiligungen mitwirken könnten (vgl. u. a. Urteile Kommission/Deutschland, Randnrn. 50 bis 52, und vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 60).

57      Das fragliche Vetorecht kann auch für Portfolioinvestitionen in EDP eine abschreckende Wirkung haben, da eine Weigerung des portugiesischen Staates, einer wichtigen Entscheidung zuzustimmen, die von den Organen dieser Gesellschaft als in deren Interesse liegend vorgeschlagen wird, den Wert der Aktien von EDP belasten und damit die Attraktivität einer Investition in diese Aktien mindern kann (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Niederlande, Randnr. 27, und vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 61).

58      Was die jeden Anteilseigner mit Ausnahme des portugiesischen Staates, für den dies nicht gilt, treffende Begrenzung der Ausübung auf höchstens 5 % der Stimmrechte, die auf von einem Anteilseigner gehaltene normale Aktien entfallen, angeht, ist festzustellen, dass die mit Aktien verbundenen Stimmrechte eines der Hauptmittel des Aktionärs sind, sich aktiv an der Verwaltung eines Unternehmens oder dessen Kontrolle zu beteiligen. Folglich kann jede Maßnahme, die die Ausübung dieser Rechte verhindern oder sie Bedingungen unterwerfen soll, Anleger aus anderen Mitgliedstaaten davon abschrecken, Beteiligungen an den betreffenden Unternehmen zu erwerben, und stellt eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar (vgl. Urteil vom 14. Februar 2008, Kommission/Spanien, C‑274/06, Randnr. 24). Stimmrechtsbegrenzungen sind zudem ein Instrument, das die Möglichkeit der Direktinvestoren einschränken kann, sich an der Gesellschaft zu beteiligen, um dauerhafte und direkte Wirtschaftsbeziehungen mit ihr zu schaffen oder aufrechtzuerhalten, die es ihnen ermöglichen, sich effektiv an ihrer Verwaltung oder ihrer Kontrolle zu beteiligen, und verringern das Interesse am Erwerb einer Beteiligung am Kapital einer Gesellschaft (Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 54).

59      Was das Recht der Bestimmung eines Verwaltungsratsmitglieds angeht, macht die Portugiesische Republik zunächst geltend, dass dieses in den Art. 15 Abs. 1 LQP und 13 Abs. 2 und 3 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 141/2000 vorgesehene Recht nach einer aktualisierten Auslegung des CSC als Möglichkeit zu verstehen sei, ein Mitglied des Aufsichtsrats und somit einen Überwacher zu bestimmen. Die Kommission tritt dieser Auslegung entgegen.

60      Dem Vorbringen der Portugiesischen Republik kann nicht gefolgt werden. Selbst wenn unterstellt wird, dass eine solche „aktualisierte“ Auslegung zutrifft, hat dieser Staat nicht den Nachweis dieser von der Kommission bestrittenen Auslegung erbracht. Denn sie findet keine Stütze im Wortlaut der in der vorstehenden Randnummer angeführten Vorschriften. So sehen sowohl Art. 15 Abs. 1 LQP als auch Art. 13 Abs. 2 und 3 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 141/2000 ausdrücklich die Bestimmung eines Verwaltungsratsmitglieds und nicht eines Aufsichtsratsmitglieds vor. Ferner hat dieser Mitgliedstaat nicht dargetan, weshalb die Änderung einiger Bestimmungen des CSC, die das Recht der portugiesischen Handelsgesellschaften regeln, notwendigerweise zur Folge haben sollen, dass die in jenen Vorschriften vorgesehene Möglichkeit der Bestimmung eines „Verwaltungsratsmitglieds“ – ohne dass ihr Wortlaut ausdrücklich geändert worden wäre – als Möglichkeit zu verstehen sein soll, ein „Aufsichtsratsmitglied“ zu bestimmen, zumal sich diese Vorschriften auf Privatisierungen insbesondere im Energiesektor beziehen und somit unter das öffentliche Recht fallen.

61      Dass der Aufsichtsrat kein Entscheidungs‑, sondern ein Kontrollorgan ist, ändert im Übrigen nichts an der Position und dem Einfluss der betreffenden öffentlichen Akteure. Auch wenn das portugiesische Gesellschaftsrecht dem Aufsichtsrat nur die Aufgabe überträgt, die Geschäftsführung der Gesellschaft zu überwachen, stattet es ihn jedoch für die Erfüllung dieser Aufgabe mit erheblichen Befugnissen aus. Außerdem ist, worauf die Kommission hingewiesen hat, die Zustimmung des Aufsichtsrats nach Art. 17 Abs. 2 der Satzung von EDP für einige Handlungen notwendig, zu denen neben dem Erwerb und der Veräußerung von Gütern, Rechten oder Gesellschaftsanteilen von erheblichem wirtschaftlichen Wert insbesondere die Errichtung oder Schließung von Niederlassungen oder die Beendigung strategischer Partnerschaften oder anderer Formen einer dauerhaften Zusammenarbeit, die Spaltung, die Fusion oder die Umwandlung der Gesellschaft sowie die Änderungen ihrer Satzung einschließlich der Verlegung des Sitzes oder der Kapitalerhöhung zählen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 65).

62      Hiernach ist festzustellen, dass das Recht zur Bestimmung eines Verwaltungsratsmitglieds eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt, da ein solches in einer nationalen gesetzlichen Maßnahme allein zugunsten öffentlicher Akteure vorgesehenes Sonderrecht eine Abweichung vom allgemeinen Gesellschaftsrecht darstellt (vgl. Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 61). Zwar kann diese Befugnis durch Gesetz als qualifiziertes Minderheitsrecht gewährt werden, sie muss in diesem Fall jedoch allen Aktionären zugänglich sein und darf nicht ausschließlich dem Staat vorbehalten werden.

63      Indem die Möglichkeit anderer Aktionäre als des portugiesischen Staates beschränkt wird, sich an der Gesellschaft zu beteiligen, um dauerhafte und direkte Wirtschaftsbeziehungen mit ihr zu schaffen oder aufrechtzuerhalten, die es ermöglichen, sich effektiv an ihrer Verwaltung und ihrer Kontrolle zu beteiligen, ist das in den Art. 15 Abs. 1 LQP und 13 Abs. 2 und 3 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 141/2000 vorgesehene Recht der Bestimmung eines Verwaltungsratsmitglieds nämlich geeignet, Direktinvestoren aus anderen Mitgliedstaaten davon abzuhalten, in das Kapital dieser Gesellschaft zu investieren.

64      Daraus folgt, dass das Vetorecht in Bezug auf bestimmte Beschlüsse der Hauptversammlung von EDP, die zugunsten des portugiesischen Staates vorgesehene Befreiung von der Stimmrechtsbegrenzung von 5 % und das Recht zur Bestimmung eines Verwaltungsratsmitglieds, wenn der Staat gegen den bei der Wahl der Verwaltungsratsmitglieder erfolgreichen Vorschlag gestimmt hat, Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EG darstellen.

65      Diese Feststellung wird auch nicht durch das Vorbringen der Portugiesischen Republik in Frage gestellt, das diese auf die Anwendbarkeit des dem angeführten Urteil Keck und Mithouard vermeintlich zugrunde liegenden Gedankengangs stützt.

66      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die in Rede stehenden nationalen Maßnahmen nicht den Regelungen über Verkaufsmodalitäten entsprechen, die der Gerichtshof im Urteil Keck und Mithouard als dem Anwendungsbereich von Art. 28 EG entzogen angesehen hat.

67      Nach dem genannten Urteil ist die Anwendung nationaler Bestimmungen, die im Gebiet des Einfuhrmitgliedstaats bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern, sofern diese Bestimmungen erstens für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und zweitens den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Anwendung einer solchen Regelung nicht geeignet ist, den Marktzugang für diese Erzeugnisse im Einfuhrmitgliedstaat zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tut (Urteil vom 10. Mai 1995, Alpine Investments, C‑384/93, Slg. 1995, I‑1141, Randnr. 37).

68      Im vorliegenden Fall sind die fraglichen Beschränkungen zwar unterschiedslos sowohl auf Gebietsansässige als auch auf Gebietsfremde anwendbar, doch berühren sie die Situation des Erwerbers einer Beteiligung als solche und sind daher geeignet, Anleger aus anderen Mitgliedstaaten von solchen Investitionen abzuhalten und damit den Marktzugang zu beeinflussen (vgl. Urteile vom 13. Mai 2003, Kommission/Spanien, Randnr. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 67).

69      Im Übrigen kann die Feststellung, dass diese nationalen Bestimmungen Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs darstellen, nicht durch das Vorbringen der Portugiesischen Republik in Frage gestellt werden, dass die beanstandeten Sonderrechte weder Auswirkungen auf Direktinvestitionen noch auf Portfolioinvestitionen in EDP hätten, weil deren Aktien zu den meistgekauften an der Börse von Lissabon gehörten und sich ein großer Teil von ihnen im Besitz ausländischer Anleger befinde.

70      Wie in den Randnrn. 56 und 58 des vorliegenden Urteils erwähnt worden ist, verringern die streitigen nationalen Bestimmungen das Interesse am Erwerb einer Beteiligung am Gesellschaftskapital von EDP, da sie Instrumente einführen, die geeignet sind, die Möglichkeit für Anleger zu beschränken, sich an diesem Kapital zu beteiligen, um dauerhafte und direkte Wirtschaftsbeziehungen mit EDP zu schaffen oder aufrechtzuerhalten, die es ermöglichen, sich effektiv an der Verwaltung und Kontrolle dieser Gesellschaft zu beteiligen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 54).

71      Diese Feststellung wird nicht dadurch berührt, dass es unter den Aktionären von EDP eine Reihe von Direktinvestoren gibt. Dieser Umstand vermag nämlich nichts daran zu ändern, dass tatsächliche oder potenzielle Direktinvestoren aus anderen Mitgliedstaaten möglicherweise davon abgeschreckt wurden, eine Beteiligung am Kapital dieser Gesellschaft zu erwerben, um sich mit dem Ziel an dieser zu beteiligen, dauerhafte und direkte Wirtschaftsbeziehungen mit ihr zu schaffen oder aufrechtzuerhalten, die es ermöglichen, sich effektiv an ihrer Verwaltung und ihrer Kontrolle zu beteiligen, obwohl sie berechtigt waren, sich auf den Grundsatz des freien Kapitalverkehrs und den Schutz, den dieser ihnen gewährt, zu berufen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 55).

72      Nach alledem ist festzustellen, dass der Besitz von Sonderaktien durch den portugiesischen Staat in Verbindung mit den Sonderrechten, die diese Aktien ihrem Inhaber verleihen, eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EG darstellt.

 Zur Rechtfertigung der Beschränkungen

 Vorbringen der Parteien

73      Die Kommission ist der Auffassung, dass Beschränkungen wie diejenigen, die durch die fraglichen nationalen Bestimmungen geschaffen worden seien, nicht durch eines der im allgemeinen Interesse liegenden Ziele, auf die sich die Portugiesische Republik berufe, gerechtfertigt werden könnten und dass sie jedenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstießen.

74      Was die Notwendigkeit angehe, die Sicherheit der Energieversorgung der Portugiesischen Republik zu garantieren, hebt die Kommission hervor, dass diese Sicherheit nicht zur öffentlichen Sicherheit im Sinne des Vertrags gehöre, wie dieser Mitgliedstaat behaupte. Insoweit habe die Portugiesische Republik entgegen den Anforderungen der Rechtsprechung, insbesondere der Randnrn. 71 und 72 des Urteils vom 13. Mai 2003, Kommission/Spanien, nicht das Vorliegen einer „tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“, nachgewiesen, das geeignet wäre, die fraglichen Sonderrechte aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu rechtfertigen.

75      Die Kommission ist der Ansicht, die Portugiesische Republik könne auf jede tatsächliche Gefährdung der Sicherheit der Energieversorgung durch ihr verwaltungsrechtliches System der Regulierung reagieren, ohne auf das Mittel von am Gesellschaftskapital von EDP eingeräumten, an Sonderaktien geknüpften Sonderrechten zurückzugreifen, also ohne Hindernisse für den freien Kapitalverkehr oder die Niederlassungsfreiheit zu schaffen.

76      Die Kommission stellt auch in Abrede, dass die Tätigkeiten von EDP Gemeinwohldienstleistungen seien. Die Lieferung von Elektrizität und Gas seien Dienste von allgemeinem Interesse, sie seien jedoch keine öffentliche Dienstleistung. Was solche Dienste von allgemeinem Interesse angehe, sei der Staat für ihre Gewährleistung verantwortlich, d. h., diese Dienstleistungen könnten von privaten Einrichtungen erbracht werden. Die Tätigkeiten von EDP, nämlich die Universalverteilungs‑ und Verkaufstätigkeiten, fielen in die Verantwortlichkeit des Staates, dessen wesentliches Instrument die Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens seines Systems der Regulierung der Energieversorgung und nicht die Übernahme von spezifischen Beteiligungen des Staates an den betreffenden Gesellschaften sei.

77      Die Kommission macht außerdem geltend, dass die fraglichen nationalen Bestimmungen jedenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstießen. Die Ausübung der fraglichen Sonderrechte sei an kein objektives und genaues Kriterium geknüpft, das die Anwendung des geschaffenen Systems leite, mit Ausnahme desjenigen, dass solche Sonderrechte nur dann ausgeübt werden dürften, wenn Gründe des nationalen Interesses es erforderten. Selbst wenn man einräume, dass die von der Portugiesischen Republik geltend gemachten Ziele legitim seien, gehe ein derart weit gefasstes Ermessen über das hinaus, was zu ihrer Erreichung erforderlich sei.

78      Schließlich weist die Kommission die Ausführungen der Portugiesischen Republik zur Anwendbarkeit von Art. 86 Abs. 2 EG zurück und führt aus, dass diese den Rahmen verkenne, in dem diese Bestimmung stehe.

79      Die Portugiesische Republik hebt hervor, dass, selbst wenn die Sonderrechte des Staates am Gesellschaftskapital von EDP Beschränkungen der von der Kommission angeführten Freiheiten sein sollten, diese Beschränkungen doch durch zwingende Gründe des allgemeinen Interesses gerechtfertigt seien. Unter Bezugnahme vor allem auf das Urteil vom 10. Juli 1984, Campus Oil u. a. (72/83, Slg. 1984, 2727), weist dieser Mitgliedstaat darauf hin, dass die fraglichen nationalen Maßnahmen darauf abzielten, die Sicherheit der Energieversorgung des Landes zu garantieren, die ein Interesse der öffentlichen Sicherheit sei. Zur Rechtfertigung beruft er sich darüber hinaus darauf, dass sich die Sonderrechte des portugiesischen Staates auf Tätigkeiten bezögen, die Gemeinwohlverpflichtungen unterlägen, und daher jedenfalls nach den Art. 58 Abs. 1 Buchst. b EG und 46 Abs. 1 EG gerechtfertigt seien.

80      Zudem behalte die Portugiesische Republik, soweit das Unionsrecht bei seinem gegenwärtigen Stand keine Vorschriften oder Maßnahmen enthalte, die die Sicherheit der Energieversorgung der Mitgliedstaaten hinreichend garantierten, die Befugnis sowie die entsprechende Pflicht, die ihr sowohl im nationalen Recht als auch durch das Unionsrecht auferlegt werde, adäquate nationale Maßnahmen zu erlassen, um den Schutz dieses Grundinteresses der Gesellschaft unter Beachtung der Vorschriften des Vertrags zu gewährleisten, wie sich dies aus dem angeführten Urteil Campus Oil u. a. ergebe.

81      Im Übrigen seien diese Sonderrechte zum Schutz der Sicherheit des Energiesektors in Portugal adäquate Instrumente, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrten, da es keine anderen, weniger belastenden Mittel gebe, die es ermöglichten, sich dem Erlass von Beschlüssen der Verwaltungsorgane einer Gesellschaft wie EDP zu widersetzen, wenn diese die Ordnungsgemäßheit, die Sicherheit und die Kontinuität der Energieversorgung beeinträchtigen könnten.

82      Darüber hinaus seien die fraglichen nationalen Bestimmungen erforderlich, damit EDP die Aufgaben der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, die ihr vom portugiesischen Staat nach Art. 86 Abs. 2 EG übertragen seien, gewährleisten könne. Wenn ein Verstoß gegen die Art. 43 EG und 56 EG durch diese Bestimmungen bejaht würde, stellte die Anwendung dieser Artikel ein Hindernis für die Erfüllung der EDP übertragenen Aufgabe dar, eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Sinne von Art. 86 Abs. 2 EG zu erbringen. Die Aufrechterhaltung dieser nationalen Bestimmungen, die dem portugiesischen Staat Sonderrechte verliehen, beeinträchtige jedenfalls weder den Handelsverkehr in der Union noch deren Interesse. Da es im Übrigen Sache der Kommission sei, das Interesse der Union zu erläutern, in dessen Licht die eventuelle Auswirkung, die sich aus der Existenz von Sonderrechten des portugiesischen Staates an EDP ergeben könnten, zu beurteilen sei, sei die Kommission demnach ihrer Beweislast aus Art. 226 EG nicht nachgekommen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

83      Nach gefestigter Rechtsprechung können nationale Regelungen, die den freien Kapitalverkehr beschränken, aus den in Art. 58 EG genannten Gründen oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sofern sie geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (vgl. Urteile Kommission/Deutschland, Randnrn. 72 und 73 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 69).

84      Was die in Art. 58 EG zugelassenen Ausnahmen betrifft, lässt sich nicht leugnen, dass das von der Portugiesischen Republik angeführte Ziel, die Sicherheit der Energieversorgung dieses Staates im Krisen‑, Kriegs‑ oder Terrorfall sicherzustellen, einen Grund der öffentlichen Sicherheit darstellen (vgl. Urteile vom 14. Februar 2008, Kommission/Spanien, Randnr. 38, und vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 72) und gegebenenfalls eine Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs rechtfertigen kann. Die Bedeutung, die die Mitgliedstaaten und die Union dem Schutz der Sicherheit der Energieversorgung beimessen, kommt zudem insbesondere in der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. L 211, S. 55) zum Ausdruck.

85      Unstreitig sind jedoch die Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit, insbesondere als Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs, eng auszulegen, so dass ihre Tragweite nicht von jedem Mitgliedstaat einseitig ohne Nachprüfung durch die Organe der Union bestimmt werden kann. So ist eine Berufung auf die öffentliche Sicherheit nur möglich, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. u. a. Urteile vom 14. März 2000, Église de scientologie, C‑54/99, Slg. 2000, I‑1335, Randnr. 17, und vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 73).

86      Insoweit macht die Portugiesische Republik geltend, eine solche Gefährdung dürfe angesichts der entscheidenden Bedeutung der Energie in Form von Elektrizität und Erdgas für alle heutigen Volkswirtschaften und Gesellschaften nicht als konkrete Gefährdung verstanden werden. Unter Berücksichtigung der Pflicht eines Mitgliedstaats, die Sicherheit einer ordnungsgemäßen und kontinuierlichen Versorgung mit Elektrizität und Erdgas zu gewährleisten, sei es legitim, dass dieser Staat sich die Mittel gebe, die erforderlich seien, um das Grundinteresse der Versorgungssicherheit zu garantieren, auch wenn keine unmittelbare Gefährdung vorliege. Da das Risiko ernsthafter Gefährdungen für die Sicherheit der Energieversorgung nicht ausgeschlossen werden könne und da solche Gefährdungen per definitionem plötzlich einträten und zumeist unvorhersehbar seien, sei es Sache des betroffenen Mitgliedstaats, dafür zu sorgen, dass angemessene Instrumente geschaffen würden, mit denen rasch und effektiv reagiert werden könne, um eine dauerhafte Sicherheit der Energieversorgung zu gewährleisten.

87      Dieses Vorbringen ist nicht ganz unbegründet. Da jedoch die Portugiesische Republik den Rechtfertigungsgrund der Sicherheit der Energieversorgung nur geltend gemacht hat, ohne die genauen Gründe darzulegen, aus denen sie der Auffassung ist, dass sich mit jedem einzelnen der beanstandeten Sonderrechte oder mit diesen insgesamt eine solche Beeinträchtigung eines Grundinteresses der Gesellschaft verhindern ließe, kann eine auf die öffentliche Sicherheit gestützte Rechtfertigung im vorliegenden Fall nicht angenommen werden.

88      Im Übrigen ist das Vorbringen der Portugiesischen Republik, dass das Recht der Union in seinem gegenwärtigen Stadium die Sicherheit der Energieversorgung der Mitgliedstaaten nicht hinreichend gewährleiste, was sie dazu zwinge, angemessene nationale Maßnahmen zu erlassen, um den Schutz dieses Grundinteresses der Gesellschaft zu garantieren, völlig unerheblich.

89      Selbst wenn, wie die Portugiesische Republik behauptet, nach den Vorschriften des Sekundärrechts der Union eine Verpflichtung eines Mitgliedstaats bestehen sollte, die Energieversorgung in seinem Staatsgebiet zu garantieren, kann die Beachtung einer solchen Verpflichtung nicht angeführt werden, um irgendeine Maßnahme zu rechtfertigen, die grundsätzlich einer Grundfreiheit zuwiderläuft.

90      Zur Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen ist ferner darauf hinzuweisen, wie die Kommission zu Recht geltend macht, dass die Ausübung von Sonderrechten, die der Besitz von Sonderaktien am Gesellschaftskapital von EDP dem portugiesischen Staat verleiht, entgegen dem Vorbringen des beklagten Mitgliedstaats keiner Bedingung und nicht dem Vorliegen eines spezifischen objektiven Umstands unterworfen ist.

91      Zwar bestimmt nämlich Art. 15 Abs. 3 LQP, dass die Ausgabe von Sonderaktien am Gesellschaftskapital von EDP, die dem portugiesischen Staat Sonderrechte verleihen, der – im Übrigen ziemlich allgemein und ungenau formulierten – Bedingung unterliegt, dass Gründe des nationalen Interesses dies erfordern, doch legt weder dieses Gesetz noch die Satzung von EDP die Kriterien hinsichtlich der spezifischen Umstände fest, unter denen diese Sonderrechte ausgeübt werden können (vgl. Urteil vom 26. März 2009, Kommission/Italien, Randnr. 51). Das Gleiche gilt für Art. 15 Abs. 1, der die Bestimmung eines Verwaltungsratsmitglieds durch den portugiesischen Staat von einer – ebenfalls ziemlich allgemein und ungenau formulierten – Bedingung der Wahrung des allgemeinen Interesses abhängig macht.

92      Eine solche Unsicherheit stellt daher eine schwerwiegende Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs dar, da hierdurch den nationalen Behörden bei der Ausübung derartiger Rechte ein so weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird, dass dieser nicht als den verfolgten Zielen angemessen angesehen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2009, Kommission/Italien, Randnr. 52).

93      Schließlich ist zu der auf Art. 86 Abs. 2 EG gestützten Rechtfertigung festzustellen, dass sich anhand dieser Bestimmung in Verbindung mit deren Abs. 1 rechtfertigen lässt, dass ein Mitgliedstaat einem Unternehmen, das mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut ist, den Bestimmungen des Vertrags zuwiderlaufende besondere oder ausschließliche Rechte überträgt, sofern die Erfüllung der diesem Unternehmen übertragenen besonderen Aufgabe nur durch die Einräumung solcher Rechte gesichert werden kann und soweit die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das dem Interesse der Union zuwiderläuft (Urteile vom 17. Mai 2001, TNT Traco, C‑340/99, Slg. 2001, I‑4109, Randnr. 52, vom 18. Dezember 2007, Asociación Profesional de Empresas de Reparto y Manipulado de Correspondencia, C‑220/06, Slg. 2007, I‑12175, Randnr. 78, und vom 1. Oktober 2009, Woningstichting Sint Servatius, C‑567/07, Slg. 2009, I‑9021, Randnr. 44).

94      Im vorliegenden Fall ist jedoch festzustellen, dass dies nicht der Gegenstand der Bestimmungen der nationalen Regelung ist, um die es in dem vorliegenden Vertragsverletzungsverfahren gegen die Portugiesische Republik geht.

95      Wie die Kommission zutreffend darlegt, bezieht sich dieses Verfahren nämlich nicht auf die Übertragung besonderer oder ausschließlicher Rechte auf EDP und auch nicht auf die Qualifizierung von deren Tätigkeiten als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, sondern es betrifft die Rechtmäßigkeit der Zuweisung von Sonderrechten, die mit vom portugiesischen Staat am Gesellschaftskapital von EDP gehaltenen Sonderaktien verbunden sind, an diesen Staat in seiner Eigenschaft als Aktionär dieser Gesellschaft.

96      Daraus folgt, dass Art. 86 Abs. 2 EG auf eine Situation wie die im vorliegenden Fall keine Anwendung findet und daher von der Portugiesischen Republik zur Rechtfertigung der fraglichen nationalen Bestimmungen nicht geltend gemacht werden kann, soweit diese Beschränkungen der im Vertrag verbürgten Freiheit des Kapitalverkehrs begründen.

97      Demgemäß ist festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 EG verstoßen hat, dass sie Sonderrechte an EDP wie die im vorliegenden Fall in der LQP, der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 141/2000 und der Satzung von EDP zugunsten des Staates und anderer öffentlicher Einrichtungen vorgesehenen, die in Verbindung mit vom Staat gehaltenen Sonderaktien am Gesellschaftskapital dieses Unternehmens gewährt werden, aufrechterhält.

 Zur Verletzung der Verpflichtungen aus Art. 43 EG

98      Die Kommission beantragt außerdem die Feststellung, dass die Portugiesische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 43 EG verstoßen habe, weil die Gewährung von Sonderrechten an den portugiesischen Staat, die mit von diesem gehaltenen Sonderaktien verbunden seien, die übrigen Aktionäre daran hindern könne, einen tatsächlichen Einfluss auf die Entscheidungen von EDP zu nehmen und mithin deren Tätigkeiten zu bestimmen.

99      Hierzu genügt die Feststellung, dass nach ständiger Rechtsprechung, soweit die fraglichen nationalen Maßnahmen zu Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit führen, solche Beschränkungen die unmittelbare Folge der in den Randnrn. 45 bis 72 des vorliegenden Urteils geprüften Hindernisse für den freien Kapitalverkehr sind, mit denen sie untrennbar verbunden sind. Da ein Verstoß gegen Art. 56 Abs. 1 EG festgestellt worden ist, brauchen die fraglichen Maßnahmen somit nicht gesondert im Licht der Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit geprüft zu werden (vgl. u. a. Urteile vom 13. Mai 2003, Kommission/Spanien, Randnr. 86, Kommission/Niederlande, Randnr. 43, und vom 8. Juli 2010, Kommission/Portugal, Randnr. 80).

 Kosten

100    Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Portugiesischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 EG verstoßen, dass sie an EDP – Energias de Portugal Sonderrechte wie die im vorliegenden Fall im Gesetz Nr. 11/90 vom 5. April 1990 betreffend das Rahmengesetz über Privatisierungen (Lei n.º 11/90, Lei Quadro das Privatizações), in der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 141/2000 vom 15. Juli 2000 zur Genehmigung der vierten Phase des Reprivatisierungsprozesses des Gesellschaftskapitals von EDP – Energias de Portugal SA und in der Satzung dieser Gesellschaft zugunsten des portugiesischen Staates und anderer öffentlicher Einrichtungen vorgesehenen, die in Verbindung mit vom Staat gehaltenen Sonderaktien („golden shares“) am Gesellschaftskapital dieses Unternehmens gewährt werden, aufrechterhalten hat.

2.      Die Portugiesische Republik trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Portugiesisch.