URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

21. November 2013 ( *1 )

„Gemeinschaftsgeschmacksmuster — Nichtigkeitsverfahren — Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das einen Korkenzieher darstellt — Älteres nationales Geschmacksmuster — Nichtigkeitsgrund — Fehlende Eigenart — Kein anderer Gesamteindruck — Informierter Benutzer — Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers — Art. 4, 6 und 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 6/2002“

In der Rechtssache T‑337/12

El Hogar Perfecto del Siglo XXI, SL mit Sitz in Madrid (Spanien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Ruiz Gallegos und E. Veiga Conde,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch Ó. Mondéjar Ortuño als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Verfahrensbeteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:

Wenf International Advisers Ltd mit Sitz in Tortola, Britische Jungferninseln (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. L. Rivas Zurdo, E. Seijo Veiguela und I. Munilla Muñoz,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des HABM vom 1. Juni 2012 (Sache R 89/2011‑3) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Wenf International Advisers Ltd und El Hogar Perfecto del Siglo XXI, SL

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richter G. Berardis (Berichterstatter) und C. Wetter,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 30. Juli 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 30. Oktober 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 26. Oktober 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Am 22. November 2007 meldete die Klägerin, die El Hogar Perfecto del Siglo XXI, SL, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster an.

2

Angemeldet wurde das nachfolgend wiedergegebene Geschmacksmuster:

3

Das angegriffene Geschmacksmuster soll für „Korkenzieher“ verwendet werden, die zur Klasse 07-06 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle vom 8. Oktober 1968 in geänderter Fassung gehören.

4

Das angegriffene Geschmacksmuster wurde am Tag der Anmeldung unter der Nr. 000830831‑0001 eingetragen und im Blatt für Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 2007/191 vom 14. Dezember 2007 veröffentlicht.

5

Am 16. April 2009 beantragte die Streithelferin, die Wenf International Advisers Ltd, beim HABM die Nichtigerklärung des angegriffenen Geschmacksmusters. Dieser Antrag wurde auf Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 gestützt, der bestimmt, dass ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster für nichtig zu erklären ist, wenn es die Voraussetzungen der Art. 4 bis 9 dieser Verordnung nicht erfüllt. In ihrem Antrag auf Nichtigerklärung machte die Streithelferin geltend, dass dem angegriffenen Geschmacksmuster die Neuheit und die Eigenart im Sinne von Art. 4 der Verordnung Nr. 6/2002 in Verbindung mit deren Art. 5 und 6 fehle.

6

Sie stützte ihren Nichtigkeitsantrag auf das am 7. September 1994 in Spanien unter dem Aktenzeichen 131750 eingetragene Geschmacksmuster, das am 16. Oktober 1994 durch seine Veröffentlichung im Boletín Oficial de la Propiedad Industrial (spanisches Amtsblatt für gewerbliches Eigentum) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde und für „Korkenzieher“ verwendet werden sollte. Das ältere Geschmacksmuster ist wie folgt dargestellt:

7

Am 12. November 2010 gab die Nichtigkeitsabteilung des HABM dem Nichtigkeitsantrag mit der Begründung statt, dass es dem angegriffenen Geschmacksmuster an Neuheit und Eigenart fehle. Sie führte aus, dass sich der von dem angegriffenen Geschmacksmuster hervorgerufene Gesamteindruck angesichts der zahlreichen Ähnlichkeiten, wie etwa der Gestaltung des gebogenen Griffs, dem identisch positionierten, aus zwei mit einem Stift verbundenen Plättchen bestehenden Bauteil und der identisch positionierten kleinen Klinge, nicht vom Gesamteindruck des älteren Geschmacksmusters unterscheide. Weiterhin führte sie aus, dass diese Ähnlichkeiten sowohl bei ausgeklappter als auch bei geschlossener Position der Geräte hervorgerufen würden. Schließlich ist die Nichtigkeitsabteilung der Ansicht, dass der Entwerfer über ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit verfüge, da das Gerät nach den Akten ausgehend von einer Vielzahl verschiedener Ansätze entworfen werden könne.

8

Am 11. Januar 2011 legte die Klägerin nach den Art. 55 bis 60 der Verordnung Nr. 6/2002 beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein.

9

Mit Entscheidung vom 1. Juni 2012 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Dritte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Sie verwarf zunächst das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der Bösgläubigkeit der Streithelferin und untersuchte dann die Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters. Weiter definierte die Beschwerdekammer den informierten Benutzer sowohl als den privaten als auch den professionellen Benutzer der von diesem Geschmacksmuster betroffenen Produkte, mithin von Korkenziehern, und befand, dass der Entwerfer über ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit verfüge. Zwar erforderten diese Geräte bestimmte unerlässliche Funktionsteile, nach Ansicht der Beschwerdekammer können diese jedoch auf vielfältige Art und Weise entworfen und verbunden werden. Ihrer Meinung nach haben die beiden Geschmacksmuster verschiedene nichtfunktionelle Aspekte gemein, nämlich die Gestaltung des Griffs sowie die Positionierung des kleinen Messers, und rufen daher keinen anderen Gesamteindruck auf den informierten Benutzer hervor. Insbesondere im Hinblick auf die Ähnlichkeit des Griffs führte die Beschwerdekammer zum einen aus, dass dessen Form einen wesentlichen Einfluss auf das allgemeine Erscheinungsbild eines Korkenziehers habe, da es sich dabei um dessen größten Bestandteil handele, der alle anderen Teile teilweise oder vollständig umschließe; zum anderen sei der Griff von entscheidender Bedeutung für den Gesamteindruck, der von dieser Art von Produkten in geschlossenem Zustand des Geräts hervorgerufen werde. In diesem Zusammenhang stellte die Beschwerdekammer fest, dass der Griff der beiden fraglichen Geschmacksmuster so entworfen worden sei, dass er in geschlossenem Zustand des Korkenziehers denselben Teil der Spiralwendel und des Hebels sichtbar lasse. Der bestehende Unterschied zwischen den Griffen der beiden fraglichen Geschmacksmuster, nämlich die Gestaltung ihrer jeweiligen Innenseite, genüge daher nicht, um einen anderen Gesamteindruck bei dem informierten Benutzer hervorzurufen.

Anträge der Beteiligten

10

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

dem HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

11

Das HABM und die Streithelferin beantragen,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

12

Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe, nämlich erstens auf einen Verstoß gegen die Art. 4 und 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung hinsichtlich des Begriffs des informierten Benutzers im Rahmen der Beurteilung der Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters und zweitens auf einen Verstoß gegen die Art. 4 und 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung hinsichtlich des Grades der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des angegriffenen Geschmacksmusters im Rahmen der Beurteilung von dessen Eigenart.

13

Da sich diese beiden Klagegründe gegen die von der Beschwerdekammer bei der Beurteilung der Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters angeblich begangenen Fehler richten, sind sie nach Ansicht des Gerichts gemeinsam zu prüfen.

14

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Beschwerdekammer bei ihrer Beurteilung der Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters Fehler begangen habe. Insbesondere habe die Beschwerdekammer Fehler bei der Beurteilung des Begriffs des informierten Benutzers gemacht, die sich auf die Beurteilung des von dem angegriffenen Geschmacksmuster bei diesem Benutzer hervorgerufenen Gesamteindrucks ausgewirkt hätten, sowie bei der Beurteilung des Grades der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers. Die Klägerin ist der Ansicht, dass zwischen dem angegriffenen Geschmacksmuster und dem älteren Geschmacksmuster derartige Unterschiede bestünden, dass der beim informierten Benutzer hervorgerufene Gesamteindruck verschieden sei und es dem angegriffenen Geschmacksmuster folglich nicht an Eigenart fehle.

15

Das HABM und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

16

Nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 kann ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster nur dann für nichtig erklärt werden, wenn es die Voraussetzungen der Art. 4 bis 9 der Verordnung nicht erfüllt.

17

Gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 6/2002 wird ein Geschmacksmuster nur durch ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt, soweit es neu ist und Eigenart hat.

18

Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 hat ein eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Geschmacksmuster, das der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen wird, vor dem Prioritätstag zugänglich gemacht worden ist, bei diesem Benutzer hervorruft.

19

Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 bestimmt, dass bei der Beurteilung der Eigenart der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters berücksichtigt wird.

20

Zur Prüfung der Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters ist demnach festzustellen, ob der Beschwerdekammer bei ihrer Entscheidung hinsichtlich des informierten Benutzers des Geschmacksmusters und bei der anschließenden Entscheidung hinsichtlich des Grads der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung dieses Geschmacksmusters sowie bei ihrem Vergleich der von den fraglichen Geschmacksmustern beim informierten Benutzer hervorgerufenen Gesamteindrücke ein Fehler unterlaufen ist.

Informierter Benutzer

21

Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass der Begriff des informierten Benutzers zwischen dem im Markenbereich anwendbaren Begriff des Durchschnittsverbrauchers, von dem keine speziellen Kenntnisse erwartet werden und der im Allgemeinen keinen direkten Vergleich zwischen den einander gegenüberstehenden Marken anstellt, und dem des Fachmanns als Sachkundigem mit profunden technischen Fertigkeiten liegt (Urteil des Gerichts vom 20. Oktober 2011, PepsiCo/Grupo Promer Mon Graphic, C-281/10 P, Slg. 2011, I-10153, Randnr. 53).

22

Mithin ist der informierte Benutzer zwar nicht der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, der ein Geschmacksmuster in der Regel als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet, er ist aber auch kein Sachkundiger oder Fachmann, der minimale Unterschiede, die zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern bestehen können, im Detail feststellen kann (Urteil PepsiCo/Grupo Promer Mon Graphic, oben in Randnr. 21 angeführt, Randnr. 59).

23

Ferner setzt die Benutzereigenschaft voraus, dass der Betreffende das Produkt, welches das Geschmacksmuster verkörpert, zu dem für dieses Produkt vorgesehenen Zweck benutzt (Urteil des Gerichts vom 22. Juni 2010, Shenzhen Taiden/HABM – Bosch Security Systems [Fernmeldegeräte], T-153/08, Slg. 2010, II-2517, Randnr. 46). Außerdem setzt das Adjektiv „informiert“ voraus, dass der Benutzer, ohne ein Entwerfer oder technischer Sachverständiger zu sein, die verschiedenen Geschmacksmuster, die es in dem betreffenden Bereich gibt, kennt, dass er gewisse Kenntnisse in Bezug auf die Elemente besitzt, die diese Geschmacksmuster für gewöhnlich aufweisen, und dass er diese Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit verhältnismäßig großer Aufmerksamkeit benutzt (Urteile PepsiCo/Grupo Promer Mon Graphic, oben in Randnr. 21 angeführt, Randnr. 59, und Fernmeldegeräte, Randnr. 47).

24

Somit kann der Begriff des informierten Benutzers als Bezeichnung eines Benutzers verstanden werden, dem keine durchschnittliche Aufmerksamkeit, sondern eine besondere Wachsamkeit eigen ist, sei es wegen seiner persönlichen Erfahrung oder seiner umfangreichen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich (Urteil PepsiCo/Grupo Promer Mon Graphic, oben in Randnr. 21 angeführt, Randnr. 53; Urteil des Gerichts vom 25. April 2013, Bell & Ross/HABM – KIN [Gehäuse einer Armbanduhr], T‑80/10, Randnr. 103).

25

Dieser Umstand bedeutet jedoch nicht, dass ein informierter Benutzer über die durch die Benutzung des betreffenden Produkts erworbenen Erfahrungen hinaus in der Lage wäre, die durch die technische Funktion gebotenen äußeren Aspekte des Produkts von dessen gewillkürten Aspekten zu unterscheiden. Es handelt sich mithin um eine Person, die über eine gewisse Kenntnis der in dem betreffenden Bereich existierenden Geschmacksmuster verfügt, ohne jedoch zu wissen, welche Aspekte des Produkts durch eine technische Funktion geboten sind (Urteile des Gerichts Gehäuse einer Armbanduhr, oben in Randnr. 24 angeführt, Randnr. 104, und vom 9. September 2011, Kwang Yang Motor/HABM – Honda Giken Kogyo [Verbrennungsmotor], T‑11/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 26).

26

Vorliegend hat die Beschwerdekammer in Randnr. 16 der angefochtenen Entscheidung zunächst darauf hingewiesen, dass „es sich bei dem fraglichen Bereich um den Bereich der Korkenzieher, d. h. der Geräte zum Entfernen eines Korken aus einer Weinflasche, [handele]“. Aus Randnr. 19 der angefochtenen Entscheidung, in der die Funktionsteile dieser Geräte beschrieben werden, geht hervor, dass die Beschwerdekammer den fraglichen Bereich entgegen der Auffassung der Klägerin auf Hebel-Korkenzieher eingegrenzt hat. Weiter hat sie in Randnr. 17 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass es sich bei dem informierten Benutzer „sowohl um einen privaten Nutzer, der … [diese Geräte] bei sich zu Hause nutzt, als auch um einen professionellen Nutzer (Kellner, Weinkellner), der sie in einem Restaurant benutzt“, handeln könne. Ihrer Meinung nach ist ein solcher Benutzer in dem Sinne informiert, „dass er sich als Weingenießer mit Weinen und Zubehör auskennt und, ohne ein Entwerfer zu sein, aufgrund seines Interesses und seiner Vorliebe eine gewisse Kenntnis des Marktangebots an Flaschenöffnern für Weinflaschen angeeignet hat“. Mit anderen Worten ist diese Person nach Ansicht der Beschwerdekammer zwar kein Fachmann für Industriedesign, aber über das, was der Markt bietet, und die grundlegenden Merkmale des Produkts auf dem Laufenden.

27

Diese Definition des informierten Benutzers ist entgegen der Auffassung der Klägerin zutreffend und entspricht den in den Randnrn. 21 bis 25 dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen. Nach der dort erwähnten Rechtsprechung kennt der informierte Benutzer die verschiedenen Geschmacksmuster, die es in dem betreffenden Bereich gibt, besitzt gewisse Kenntnisse in Bezug auf die Elemente, die diese Geschmacksmuster für gewöhnlich aufweisen, und benutzt diese Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit verhältnismäßig großer Aufmerksamkeit, so dass der Begriff des informierten Benutzers als Bezeichnung eines Benutzers verstanden werden kann, dem wegen seiner persönlichen Erfahrung oder seiner umfangreichen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich eine besondere Wachsamkeit eigen ist.

28

Diesbezüglich ist weiterhin festzustellen, dass die Klägerin nicht nur ihr Vorbringen nicht substantiiert hat, nach dem es sich zum einen bei dem informierten Benutzer ausschließlich um einen „professionellen Weinexperten und/oder Versandexperten für Wein“ handele und private Benutzer zum anderen nur selten einen Hebel-Korkenzieher, wie vorliegend in Rede stehend, nutzten, da dieses Produkt im Übrigen nicht in Einzelhandelsgeschäften verkauft werde, sondern sie hat nicht einmal nachgewiesen, dass die Begrenzung des Begriffs des informierten Benutzers ausschließlich auf professionelle Nutzer die von der Beschwerdekammer in Randnr. 17 Satz 2 der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Definition in Frage stellen würde.

29

Selbst wenn im Übrigen unterstellt wird, dass das Geschmacksmuster, wie die Klägerin geltend macht, als Werbeartikel angesehen werden könne, den Weinproduzenten nach Personalisierung der sichtbaren Oberfläche des Griffs verschenkten, würde sich die Definition des informierten Benutzers nicht ändern, da sie, ebenso wie die von der Beschwerdekammer vorgenommene Definition, zum einen den professionellen Nutzer, der sie erwirbt, um sie an die Endnutzer weiterzugeben, und zum anderen diese Endnutzer selbst umfassen würde (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Juni 2011, Sphere Time/HABM – Punch [An einem Band befestigte Taschenuhr], T-68/10, Slg. 2011, II-2275, Randnr. 53).

30

Die Beschwerdekammer hat daher fehlerfrei festgestellt, dass es sich bei dem informierten Benutzer sowohl um den privaten als auch um den professionellen Benutzer der von diesem Geschmacksmuster betroffenen Produkte handelt.

Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers

31

Im Rahmen der Beurteilung der Eigenart eines Geschmacksmusters und seiner sichtbaren Merkmale und mithin des bei einem informierten Benutzer von dem Geschmacksmuster hervorgerufenen Gesamteindrucks ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des streitigen Geschmacksmusters zu berücksichtigen (vgl. Urteil Verbrennungsmotor, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32

Nach der Rechtsprechung wird der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters insbesondere durch die Vorgaben bestimmt, die sich aus den durch die technische Funktion des Erzeugnisses oder eines Bestandteils des Erzeugnisses bedingten Merkmalen oder aus den auf das Erzeugnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften ergeben. Diese Vorgaben führen zu einer Standardisierung bestimmter Merkmale, die dann zu gemeinsamen Merkmalen aller beim betreffenden Erzeugnis verwendeten Geschmacksmuster werden (vgl. Urteil Verbrennungsmotor, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33

Je größer also die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters ist, desto weniger reichen kleine Unterschiede zwischen den miteinander verglichenen Geschmacksmustern aus, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen. Je beschränkter umgekehrt die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters ist, desto eher genügen kleine Unterschiede zwischen den miteinander verglichenen Geschmacksmustern, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen. Somit stützt ein hoher Grad an Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung eines Geschmacksmusters die Schlussfolgerung, dass die miteinander verglichenen Geschmacksmuster, die keine erheblichen Unterschiede aufweisen, beim informierten Benutzer denselben Gesamteindruck hervorrufen (vgl. Urteil Verbrennungsmotor, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Im vorliegenden Fall vertritt die Beschwerdekammer in Randnr. 19 der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, dass, obwohl ein Korkenzieher bestimmte Bestandteile beinhalten müsse, um seinen Zweck erfüllen zu können, für den Entwerfer eines solchen Erzeugnisses dennoch ein hoher Grad an Gestaltungsfreiheit verbleibe. Der Umstand, dass ein Korkenzieher notwendigerweise bestimmte Teile beinhalten müsse wie eine Spiralwendel, die sich in den Korken eindrehe und sich dort verankere, einen Griff zur Kontrolle des Geräts, ein oder zwei Hebel, um das Gerät gegen den Flaschenhals zu drücken, und eine Klinge zur Abtrennung der den Korken bedeckenden Kapsel, schließe nämlich nicht aus, dass diese Teile unter Beibehaltung ihrer Funktionalität auf verschiedene Art und Weise entworfen und ausgestaltet werden könnten. Als Beispiel wurde von der Beschwerdekammer ausgeführt, dass die kleine Klinge sowohl an dem einem als auch an dem anderen Ende des Geräts positioniert werden und der Griff verschiedene Formen annehmen und in der Länge und Dicke variieren könne, ohne dass dadurch die Funktionalität oder die Anwenderfreundlichkeit des Geräts beeinträchtigt würde.

35

Dies wird von der Klägerin bestritten. Die strukturellen Merkmale von Korkenziehern dieses Typs seien bereits durch die von ihnen erfüllte Funktion und die Bedürfnisse der Personen, für die sie bestimmt seien, wobei es sich ihrer Ansicht nach um Angehörige des Hotelgewerbes und um Weinproduzenten handelt, definiert und vorgegeben. Insbesondere könnten von den vier Bestandteilen, die von der technischen Funktion des Geräts geboten seien, nämlich der Spiralwendel, den beiden Hebeln, dem Griff und der kleinen Klinge, nur die zwei letztgenannten abweichend entworfen werden. Zu der Klinge wird von der Klägerin im Übrigen ausgeführt, dass jede andere Positionierung der Klinge auf dem Griff eines Korkenziehers der vorliegend in Rede stehenden Art die Klinge letztlich ineffektiv, unfunktionell und gefährlich machen würde. Die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers eines Korkenziehers mit doppeltem Hebel sei mithin beschränkt.

36

Hierzu ist festzustellen, dass es zwar zutrifft, dass bestimmte Bestandteile von Hebel-Korkenziehern unerlässlich sind und in jedem Korkenzieher dieser Art verbaut sein müssen, damit dieser seine Funktion erfüllen kann. Wie das HABM und die Streithelferin zutreffend vorgetragen haben, wirken sich die funktionellen, das Vorhandensein bestimmter Bestandteile eines Hebel-Korkenziehers betreffenden Vorgaben jedoch nicht in bedeutsamem Maße auf seine Form und sein allgemeines Erscheinungsbild aus (vgl. in diesem Sinne Urteil Gehäuse einer Armbanduhr, oben in Randnr. 24 angeführt, Randnr. 118); die einzigen einzuhaltenden technischen Vorgaben sind die Dimension des Hebels, unabhängig davon, ob es sich um einen einfachen oder um einen Doppel-Hebel handelt, das Vorhandensein von Einkerbungen an einem Ende dieses Hebels sowie die Positionierung der Spiralwendel und deren Abstand zum Hebel. Somit kann insbesondere der Griff, bei dem es sich, wie von der Beschwerdekammer zutreffend ausgeführt wurde, um den zentralen und größten Bestandteil eines Korkenziehers handelt, verschiedene Formen annehmen und in der Größe variieren, und die kleine Klinge kann unterschiedlich positioniert werden.

37

Aus der Akte, die dem Gericht vom HABM übermittelt wurde, ergibt sich nämlich, dass Geschmacksmuster für Hebel-Korkenzieher in unterschiedlichen Formen und Gestaltungen existieren, die sich von denen, die für das angegriffene Geschmacksmuster verwendet werden, erheblich unterscheiden. Beispielsweise können zunächst Unterschiede hinsichtlich der Dimension und der Form des Griffs, der geradlinig oder bogenförmig, abgerundet oder rechteckig sein kann, sowie hinsichtlich des sichtbaren Teils der anderen Bestandteile des Korkenziehers festgestellt werden, die in den Griff integriert werden können. Ebenso bestehen Unterschiede in Bezug auf das Vorhandensein und die Positionierung eines Kapselhebers oder einer kleinen Klinge. Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin nichts vorgetragen hat, was ihre Behauptung stützen könnte, dass eine andere Positionierung der Klinge auf dem Griff diese unfunktionell und sogar gefährlich machen würde.

38

Folglich sind die Gestaltung und die Form des Griffs sowie die Positionierung der vorstehend genannten Bestandteile nicht durch funktionelle Anforderungen vorgegeben. Daraus folgt, dass das allgemeine Erscheinungsbild des Korkenziehers nicht durch technische Vorgaben bestimmt wird und erheblich variieren kann.

39

Die Beschwerdekammer ist demnach zu Recht in Randnr. 19 der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen davon ausgegangen, dass der Entwerfer eines Korkenziehers über ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit verfügt.

Vergleich der von den fraglichen Geschmacksmustern beim informierten Benutzer hervorgerufenen Gesamteindrücke

40

Angesichts der zahlreichen Ähnlichkeiten hinsichtlich der Form, der Positionierung und der Größe der verschiedenen Bestandteile des Korkenziehers unterscheidet sich nach Ansicht der Beschwerdekammer der beim informierten Benutzer von dem angegriffenen Geschmacksmuster hervorgerufene Gesamteindruck nicht vom Gesamteindruck des älteren Geschmacksmusters.

41

Die Beschwerdekammer hat im Wesentlichen ausgeführt, der beim informierten Benutzer hervorgerufene Gesamteindruck werde hauptsächlich vom Erscheinungsbild des Griffs sowie von der Positionierung bestimmter Bestandteile des Korkenziehers bestimmt. Weiterhin komme angesichts der Merkmale dieser Art von Korkenziehern, deren wesentliche Besonderheit darin bestehe, dass sie zusammengeklappt und in der Tasche aufbewahrt werden könnten, der Gestaltung und der Form des Griffs eine entscheidende Bedeutung für den von diesen hervorgerufenen Gesamteindruck zu.

42

Dies wird von der Klägerin bestritten. Zunächst wirft sie der Beschwerdekammer vor, einen Beurteilungsfehler begangen zu haben, da sie die fraglichen Geschmacksmuster ausschließlich in geschlossener und nicht in geöffneter oder in Gebrauchsstellung untersucht habe. Weiter führt sie aus, beim Gebrauch des Geräts könnten Unterschiede im Bereich des Griffs, der Klinge, der Spiralwendel und des Doppelhebels festgestellt werden. Die Klägerin unterbreitet damit eine detaillierte Analyse der fraglichen Geschmacksmuster und verweist darauf, dass ihre Merkmale nicht identisch und die von ihnen hervorgerufenen Gesamteindrücke demzufolge bei einer Prüfung in geöffneter Position verschieden seien.

43

Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass der Vorwurf, die Beschwerdekammer habe das allgemeine äußere Erscheinungsbild der fraglichen Geschmacksmuster fälschlicherweise ausschließlich auf der Grundlage von deren geschlossener Position vorgenommen, auf einem verfehlten Verständnis der angefochtenen Entscheidung beruht. Aus dieser Entscheidung ergibt sich nämlich, dass die Beschwerdekammer nur zur Stützung ihrer Ansicht zum Fehlen wesentlicher Unterschiede bei der Gestaltung der von den fraglichen Geschmacksmustern dargestellten Griffe, die in eingeklappter Position insbesondere dieselben Teile der Spiralwendel und des Hebels sichtbar ließen, in Randnr. 21 Buchst. a bis Randnr. 24 der angefochtenen Entscheidung inzidenter auf das betroffene Produkt in geschlossener Position Bezug genommen hat. Im Übrigen ergibt sich aus Randnr. 5 der angefochtenen Entscheidung, dass die Nichtigkeitsabteilung davon ausgeht, dass die zahlreichen Ähnlichkeiten zwischen den beiden fraglichen Geschmacksmustern sowohl bei ausgeklappter als auch bei geschlossener Position bestehen. Diese Feststellung hat die Klägerin vor der Beschwerdekammer nicht angegriffen. Nach der Rechtsprechung gehören dann, wenn die Beschwerdekammer die Entscheidung der unteren Instanz des HABM in vollem Umfang bestätigt, diese Entscheidung sowie ihre Begründung zu dem Kontext, in dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde und der dem Kläger bekannt ist und es dem Richter ermöglicht, seine Rechtmäßigkeitskontrolle in Bezug auf die Richtigkeit der Beurteilung der Eigenart des fraglichen Geschmacksmusters in vollem Umfang auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 6. Oktober 2011, Industrias Francisco Ivars/HABM – Motive [Mechanisches Untersetzungsgetriebe], T‑246/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 20, und vom 22. Mai 2012, Sport Eybl & Sports Experts/HABM – Seven [SEVEN SUMMITS], T‑179/11, Randnr. 50). Daher ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer, wie auch die Nichtigkeitsabteilung, bei der Beurteilung der Ähnlichkeiten zwischen den fraglichen Geschmacksmustern, entgegen dem Vorbringen der Klägerin, sowohl die offene als auch die geschlossene Position des Geräts berücksichtigt hat.

44

Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass die Länge des Griffs des angegriffenen Geschmacksmusters nur wenig geringer als die des älteren Geschmacksmusters ist und dass für die fraglichen Geschmacksmuster kein bedeutsamer Unterschied hinsichtlich der Gesamtabmessungen sowie der Proportionen und der Anordnung der verschiedenen Bestandteile um den Griff, sei es in ausgeklappter oder geschlossener Position, feststellbar ist. Der von der Klägerin vorgeschlagene direkte Vergleich der Produktmuster, die sich in der dem Gericht vom HABM übermittelten Akte befinden, ändert übrigens nichts an dieser Feststellung.

45

Wären ausschließlich die Gesamteindrücke der beiden Geschmacksmuster zu berücksichtigen, die beim informierten Benutzer bei dessen Gebrauch des fraglichen Produkts, d. h. in dessen ausgeklappter Position, hervorgerufen werden, wie das die Klägerin annimmt, so ist zu bedenken, dass sich der Korkenzieher beim Gebrauch, der mit dem Aufklappen des Korkenziehers beginnt, stets in der Hand des Benutzers befindet. Zum Zweck der Beurteilung des von den fraglichen Geschmacksmustern hervorgerufenen Gesamteindrucks ist daher festzustellen, dass der informierte Benutzer bei bestimmungsgemäßem Gebrauch der den fraglichen Geschmacksmustern entsprechenden Korkenzieher stets nur einen sehr geringen Teil dieser Korkenzieher, nämlich im Wesentlichen den Doppelhebel und den darin integrierten Kapselheber sowie die kleine Klinge und die Spiralwendel sehen wird. Somit entziehen sich die von der Klägerin angeführten Details der von den fraglichen Geschmacksmustern dargestellten Korkenzieher aufgrund ihrer konkreten Gebrauchsmodalitäten der Sicht dieses Benutzers und haben daher nur einen geringen Einfluss auf dessen Wahrnehmung der genannten Geschmacksmuster (vgl. in diesem Sinne Urteil Gehäuse einer Armbanduhr, oben in Randnr. 24 angeführt, Randnrn. 133 und 134).

46

Unter diesen Umständen kann angesichts dessen, dass nach der Rechtsprechung der Gesamteindruck zu beurteilen ist, den ein Geschmacksmuster beim informierten Benutzer hervorruft, wobei auch die Art und Weise zu berücksichtigen ist, wie das von dem Geschmacksmuster dargestellte Produkt benutzt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Fernmeldegeräte, oben in Randnr. 23 angeführt, Randnr. 66, und Urteil An einem Band befestigte Taschenuhr, oben in Randnr. 29 angeführt, Randnr. 78), der Beschwerdekammer aufgrund der Merkmale der Hebel-Korkenzieher, die ja gerade dazu bestimmt sind, zusammengeklappt zu werden, nicht vorgeworfen werden, dass sie auch den Gesamteindruck berücksichtigt hat, den das fragliche Geschmacksmuster in geschlossenem Zustand beim informierten Benutzer hervorruft. Im Übrigen ergibt sich aus der Akte, die dem Gericht vom HABM übermittelt wurde, dass die fraglichen Produkte in der betreffenden Branche hauptsächlich und zum Teil ausschließlich in zusammengeklapptem Zustand dargestellt werden, da es sich dabei im Allgemeinen um die Grundstellung von Hebel-Korkenziehern handelt. In diesem Zustand kann nämlich die allgemeine Form des betroffenen Geschmacksmusters wahrgenommen werden.

47

Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass die von der Klägerin vorgebrachten Unterschiede zwischen den fraglichen Geschmacksmustern, die eine Prüfung der von ihnen dargestellten Produkte in geöffneter Stellung voraussetzen, entweder irrelevant oder vernachlässigbar sind. Gleiches gilt für die von der Klägerin angeführten funktionellen Details, die nicht hinreichend markant sind, um Auswirkungen auf den von diesen Geschmacksmustern hervorgerufenen Gesamteindruck zu haben.

48

Was erstens den Griff angeht, trifft es zwar zu, dass – wie auch von der Beschwerdekammer in Randnr. 24 der angegriffenen Entscheidung ausgeführt wurde – ein Unterschied zwischen den fraglichen Geschmacksmustern, insbesondere hinsichtlich der Gestaltung der Innenseite, die bei dem älteren Geschmacksmuster kleine Vertiefungen aufweist, während sie bei dem angegriffenen Geschmacksmuster glatt ist, besteht. Dieser Unterschied ist jedoch nicht sehr auffällig, weil zum einen die Krümmung des von dem angegriffenen Geschmacksmuster dargestellten Produkts, auch wenn sie weniger stark als bei dem von dem älteren Geschmacksmuster dargestellten Produkt ausfällt, sehr ähnlich ist und zum anderen die Anordnung der verschiedenen Bestandteile um den Griff ebenso wie deren sichtbarer Teil in eingeklapptem Zustand des Griffs bei den fraglichen Geschmacksmustern identisch sind. Daher ist festzustellen, dass die beim angegriffenen Geschmacksmuster vorhandene leicht unterschiedliche Gestaltung des Griffs, wie von der Beschwerdekammer zu Recht ausgeführt wurde, die festgestellten Ähnlichkeiten nicht aufwiegen kann und demzufolge nicht ausreicht, um dem genannten Geschmacksmuster Eigenart zu verleihen.

49

Zweitens ist hinsichtlich der kleinen Klinge entgegen dem Vorbringen der Klägerin zunächst festzustellen, dass sich aus einem Vergleich der fraglichen Geschmacksmuster nicht ergibt, dass die kleine Klinge des älteren Geschmacksmusters im Wesentlichen kleiner oder weniger sichtbar ist als die des angegriffenen Geschmacksmusters oder eine andere Form als dieses hat. Im Hinblick auf die Schneide der Klinge genügt die Feststellung, dass sich nicht klar aus den Abbildungen des älteren Geschmacksmusters ergibt, dass die darauf dargestellte Klinge glatt oder jedenfalls nicht mit einer Zahnung versehen ist. Dagegen ergibt sich aus einer von der Klägerin vorgeschlagenen Prüfung der Produktmuster, die sie der dem Gericht übermittelten Akte des HABM beigefügt hatte, dass die kleine Klinge des älteren Geschmacksmusters keinesfalls glatt ist, sondern ebenso wie die Klinge des angegriffenen Geschmacksmusters eine gezahnte Schneide aufweist. Jedenfalls kann kein bedeutsamer Unterschied zwischen den Klingen der von den fraglichen Geschmacksmustern dargestellten Produkte festgestellt werden.

50

Drittens behauptet die Klägerin im Hinblick auf die Spiralwendeln der von den fraglichen Geschmacksmustern dargestellten Produkte, dass zum einen ein farblicher Unterschied und zum anderen ein Unterschied hinsichtlich des Materials bestehe, aus denen sie hergestellt oder mit denen sie beschichtet seien. Diese Unterschiede ergäben sich ebenso bei einem Vergleich der Produktmuster, die sie der dem Gericht übermittelten Akte des HABM beigefügt hatte. Hierzu ist festzustellen, dass der Umstand, dass die Spiralwendel des angegriffenen Geschmacksmusters in Schwarz und die Spiralwendel des älteren Geschmacksmusters in Weiß wiedergegeben ist, nicht von Bedeutung ist, da für das angegriffene Geschmacksmuster keine Farbe beansprucht wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil An einem Band befestigte Taschenuhr, oben in Randnr. 29 angeführt, Randnr. 82). Aus einem Vergleich der Produktmuster ergibt sich jedenfalls, dass sowohl die Spiralwendel des von dem angegriffenen Geschmacksmuster dargestellten Produkts als auch die Spiralwendel des von dem älteren Geschmacksmuster dargestellten Produkts in Schwarz gehalten sind. Entsprechendes gilt hinsichtlich des Materials, aus denen die beiden Spiralwendeln angeblich hergestellt oder mit denen sie angeblich beschichtet sind.

51

Viertens ist im Hinblick auf den Doppelhebel davon auszugehen, dass die von der Klägerin vorgetragenen Verarbeitungsunterschiede bezüglich der beiden Einkerbungen nicht klar aus einem Vergleich der Abbildungen der fraglichen Geschmacksmuster hervorgehen. Jedenfalls sind sie derart schwer erkennbar, dass sie nur aufgrund einer sehr detaillierten und sorgfältigen technischen Prüfung der beiden Produkte – was, wie in Randnr. 22 festgestellt, nicht der von dem informierten Benutzer durchgeführten Prüfung entspricht ‐ gegebenenfalls entdeckt werden könnten. Hinsichtlich des unterschiedlichen Erscheinungsbilds der Oberfläche der beiden Hebel, die bei dem angegriffenen Geschmacksmuster glatt und bei dem älteren Geschmacksmuster gerillt wäre, ist festzustellen, dass das Fehlen von Rillen bei dem angegriffenen Geschmacksmuster keine bedeutsame Auswirkung auf den bei dem informierten Benutzer hervorgerufenen Gesamteindruck haben könnte und allein nicht ausreichen würde, um dem genannten Geschmacksmuster Eigenart zu verleihen.

52

Fünftens ist in Bezug auf die Nachteile und Schwierigkeiten beim Gebrauch des Griffs, der kleinen Klinge, der Spiralwendel sowie des Doppelgriffs des älteren Geschmacksmusters, denen angeblich durch die Gestaltung des angegriffenen Geschmacksmusters abgeholfen worden war, festzustellen, dass solche Nachteile und Schwierigkeiten beim Gebrauch, selbst wenn sie nachgewiesen wären, nicht entscheidend für den Nachweis der Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters sind. Denn die Eigenart eines Geschmacksmusters beurteilt sich nach Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 anhand eines Vergleichs der von den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern beim informierten Benutzer hervorgerufenen Gesamteindrücke und unter Berücksichtigung des Grades der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers. Das von der Klägerin vorgebrachte Kriterium zu den Nachteilen und Schwierigkeiten beim Gebrauch des älteren Geschmacksmusters, denen bei dem angegriffenen Geschmacksmuster angeblich abgeholfen worden war, gehört mithin nicht zu den Kriterien, die bei der Beurteilung der Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters berücksichtigt werden können. Im Übrigen hat das materielle Geschmacksmusterrecht, wie sich aus den Art. 1 und 3 der Verordnung Nr. 6/2002 ergibt, den Schutz der Erscheinungsform eines Erzeugnisses und nicht die Gestaltung von dessen Benutzungs- oder Funktionsbedingungen zum Gegenstand. Schließlich ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass zum einen die Klägerin ihre Argumentation nicht substantiiert hat und dass zum anderen einem einfachen Vergleich der von den fraglichen Geschmacksmustern dargestellten Produkte keinerlei Erwägung zu den Benutzungs- oder Funktionseigenschaften dieser Produkte entnommen werden kann.

53

Die weiteren von der Klägerin vorgetragenen Unterschiede zu bestimmten Merkmalen des operativen Teils des Griffs, der kleinen Klinge, des Kapselhebers, der Stelle, an der die Spirale befestigt ist und des sogenannten „Öffnungsbereichs“ sind für den von den fraglichen Geschmacksmustern hervorgerufenen Gesamteindruck unbedeutend. Denn diese Unterschiede sind nicht hinreichend markant, um die beiden Geräte in der Wahrnehmung eines informierten Benutzers, der, wie oben in Randnr. 22 ausgeführt, nicht über eine bestimmte Prüfungsintensität und ein bestimmtes Maß an Genauigkeit hinausgeht, zu unterscheiden.

54

Die Beschwerdekammer hat daher fehlerfrei in Randnr. 26 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass das angegriffene Geschmacksmuster und das ältere Geschmacksmuster keinen anderen Gesamteindruck beim informierten Benutzer hervorrufen, und daraus gefolgert, dass es dem angegriffenen Geschmacksmuster an Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 fehlt.

55

Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kosten

56

Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

57

Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Die El Hogar Perfecto del Siglo XXI, SL trägt die Kosten.

 

Kanninen

Berardis

Wetter

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. November 2013.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.