Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Parteien

In der Rechtssache T-406/08

Industries chimiques du fluor (ICF) mit Sitz in Tunis (Tunesien), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte M. van der Woude und T. Hennen, dann Rechtsanwälte P. Wytinck und D. Gillet,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch É. Gippini Fournier, K. Mojzesowicz und N. von Lingen als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C(2008) 3043 der Kommission vom 25. Juni 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (COMP/39.180 – Aluminiumfluorid) betreffend eine Absprache auf dem Weltmarkt für Aluminiumfluorid, die sich auf die Festsetzung der Preise und die Aufteilung der Märkte weltweit bezog, sowie, hilfsweise, Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi (Berichterstatter) sowie der Richterin I. Labucka und des Richters S. Frimodt Nielsen,

Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2012

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe

Vorgeschichte des Rechtsstreits

I – Sachverhalt

1. Die Entscheidung C(2008) 3043 der Kommission vom 25. Juni 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (COMP/39.180 – Aluminiumfluorid) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) betrifft eine Absprache auf dem Weltmarkt für Aluminiumfluorid, die sich auf die Festsetzung der Preise und die Aufteilung der Märkte weltweit bezog und an der die Klägerin, die Industries chimiques du fluor (ICF), aktiv beteiligt gewesen sein soll.

2. Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft tunesischen Rechts, die an der Börse von Tunis (Tunesien) notiert ist und im Bereich Herstellung und Verkauf von Aluminiumfluorid tätig ist (23. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

3. Boliden Odda A/S (im Folgenden: Boliden) ist ein Unternehmen norwegischen Rechts, das im Bereich Herstellung und Verkauf von Zink und Aluminiumfluorid tätig ist (fünfter Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Am 23. März 2005 stellte Boliden bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften einen Antrag auf Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission von 2002 über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit). Im April 2005 übermittelte Boliden Einzelheiten und ergänzende Auskünfte und gab mündliche Erklärungen ab. Am 28. April 2005 gewährte die Kommission Boliden einen bedingten Geldbußenerlass nach Nr. 8 Buchst. a der Mitteilung über Zusammenarbeit (56. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

4. Am 25. und 26. Mai 2005 nahm die Kommission gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) in den Räumen europäischer Lieferanten von Aluminiumfluorid Untersuchungen vor (57. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), insbesondere in den Räumen von Fluorsid SpA, einer Gesellschaft italienischen Rechts, von Alufluor AB, Derivados del Fluor, SA und C.E. Giulini & C. Srl.

5. Am 23. und 31. August 2006 befragte die Kommission Herrn O., den ehemaligen Vertriebsleiter von Boliden in der Abteilung Aluminiumfluorid „Noralf“, gemäß Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 (58. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

6. Zwischen September 2006 und Februar 2007 sandte die Kommission gemäß Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 mehrere Auskunftsverlangen an die Unternehmen, gegen die sich das Verwaltungsverfahren damals richtete, insbesondere an die Klägerin, an Boliden, an Alufluor, an Derivados del Fluor, an Fluorsid, an C.E. Giulini & C., an Minmet, eine Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz und Hauptaktionär von Fluorsid, und an Industrial Quimica de Mexico (IQM), eine Gesellschaft mexikanischen Rechts. Die genannten Gesellschaften kamen den Auskunftsverlangen nach (59. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

7. Am 29. März 2007 legte Fluorsid bei einem Treffen mit der Kommission eine Reihe von Dokumenten vor. Am 22. April 2007 stellte Fluorsid aufgrund der Mitteilung über Zusammenarbeit einen „Antrag auf Geldbußenerlass oder auf Herabsetzung der Geldbuße“, den die Kommission als einen Antrag auf Ermäßigung der Geldbuße auslegte. Am 27. Mai 2007 legte Fluorsid einen Nachtrag zu diesem Antrag vor. Am 13. Juli 2007 teilte die Kommission Fluorsid mit, dass sie ihr keine Geldbußenermäßigung gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit gewähren werde (Erwägungsgründe 60 sowie 248 und 249 der angefochtenen Entscheidung).

8. Am 24. April 2007 leitete die Kommission u. a. gegen die Klägerin, Boliden, Fluorsid, Minmet und IQM förmlich das Verfahren ein und verabschiedete eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die am 25. April 2007 an die genannten Unternehmen übersandt und ihnen zwischen dem 26. und 30. April 2007 zugestellt wurde. Zugleich gewährte die Kommission den genannten Adressaten Einsicht in die Akten in Form von CD-ROMs (61. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

9. Mit Ausnahme vom Boliden nahmen die Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu den gegen sie angeführten Beschwerdepunkten Stellung (62. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

10. Am 13. September 2007 fand eine mündliche Anhörung statt, an der alle Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte teilnahmen (63. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

11. Am 11. und 14. April 2008 richtete die Kommission Auskunftsverlangen an sämtliche Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte, in denen diese aufgefordert wurden, ihren Gesamtumsatz und ihren Umsatz mit Aluminiumfluorid mitzuteilen sowie nähere Angaben zu allen Änderungen zu machen, die hinsichtlich Tätigkeit und Eigentum bevorstünden (64. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

II – Angefochtene Entscheidung

A – Verfügender Teil der angefochtenen Entscheidung

12. Der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung lautet wie folgt:

„ Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben durch ihre Beteiligung an einer Vereinbarung und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweise in der Aluminiumfluorid-Branche gegen Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen verstoßen:

a) Boliden …

b) Fluorsid … und Minmet …

c) [ICF]

d) [IQM] und Q.B. Industrias S.A.B.

Artikel 2

Für die in Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen festgesetzt:

a) Boliden … : 0 EUR;

b) Fluorsid … und Minmet … gesamtschuldnerisch: 1 600 000 EUR;

c) [ICF]: 1 700 000 EUR;

d) [IQM] und Q.B. Industrias S.A.B. gesamtschuldnerisch: 1 670 000 EUR.

…“

B – Begründung der angefochtenen Entscheidung

13. In der Begründung der angefochtenen Entscheidung vertrat die Kommission im Wesentlichen folgende Auffassung.

1. Zur Aluminiumfluorid-Branche

14. Das Aluminiumfluorid sei eine zur Herstellung von Aluminium verwendete chemische Verbindung, die den für den Schmelzvorgang erforderlichen Stromverbrauch bei der Herstellung von Hüttenaluminium senke und damit erheblich zur Reduzierung der Herstellungskosten von Aluminium beitrage. Die Aluminiumhersteller seien die hauptsächlichen Verbraucher von Aluminiumfluorid. Die Aluminiumproduktion belaufe sich weltweit auf jährlich mehr als 20 Mio. Tonnen, von denen ungefähr 30 % in Europa hergestellt würden (Erwägungsgründe 2 und 3 der angefochtenen Entscheidung).

15. Im Jahr 2000 habe sich der von der Klägerin erzielte Absatz von Aluminiumfluorid im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) auf 8 146 129 Euro und weltweit auf 34 339 694 Euro belaufen. Im Jahr 2007 habe der weltweite Umsatz einen Betrag von 36 891 574 Euro erreicht (25. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

16. Im Jahr 2000 habe der geschätzte gesamte Marktwert des auf dem freien Markt des EWR verkauften Aluminiumfluorids bei 71 600 000 Euro gelegen. Der Marktwert des Aluminiumfluorids, das auf dem vom Kartell betroffenen freien Weltmarkt verkauft worden sei, habe im Jahr 2000 bei 340 000 000 Euro gelegen. Der geschätzte gemeinsame Marktanteil der von der angefochtenen Entscheidung betroffenen Unternehmen betrage 33 % auf dem Markt des EWR und 35 % auf dem Weltmarkt (33. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

17. Aluminiumfluorid werde weltweit gehandelt. Der Handelsverkehr verlaufe aus den Vereinigten Staaten in den EWR und aus dem EWR in die Vereinigten Staaten, nach Afrika, Südamerika und Australien (35. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Klägerin setze erhebliche Mengen des genannten Erzeugnisses im EWR ab (36. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Seit 1997 würden die Hersteller vom Verband der Aluminiumfluoridindustrie, der Inorganic Fluorine Producers Association (IFPA) (Verband der Hersteller anorganischer Fluoride [IFPA]), weltweit vertreten (38. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

2. Das Treffen in Mailand und die Durchführung des Kartells

18. Die Kommission führt aus, gewisse abgestimmte Verhaltensweisen habe es in der Aluminiumfluoridindustrie bereits in der Zeit zwischen der Gründung der IFPA im Jahr 1997 und dem Treffen in Mailand (Italien) vom 12. Juli 2000 gegeben, es lägen insoweit jedoch keine überzeugenden Belege vor (73. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Bei dem Treffen in Mailand seien Vertreter von Fluorsid, der Klägerin und von IQM anwesend gewesen, während ein Vertreter aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden per Telefon an diesem Treffen teilgenommen habe. Bei diesem Treffen seien die genannten Unternehmen übereingekommen, die Preise um 20 % zu erhöhen. Sie hätten verschiedene Erdteile, darunter Europa, auf die Durchsetzbarkeit eines allgemeinen Preisniveaus und gegebenenfalls einer Marktaufteilung geprüft. Gemäß ihrer Vereinbarung habe das allgemeine Ziel darin bestanden, ein höheres Preisniveau zu erreichen und jede Preisermäßigung von Bedeutung zu verhindern. Die Teilnehmer hätten auch vertrauliche geschäftliche Informationen ausgetauscht. Die Kommission stützte sich insoweit auf das Protokoll von Herrn R., dem Vertreter von Fluorsid, die Notizen von Herrn O., dem Vertreter aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden, und die Erklärung von Herrn O. (Erwägungsgründe 77 bis 91 der angefochtenen Entscheidung).

19. Nach dem Treffen in Mailand hätten die betreffenden Unternehmen untereinander Verbindung gehalten (93. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

20. Am 25. Oktober 2000 hätten Herr T. aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden und Herr A. von IQM telefonisch Informationen über ihre Angebote an einen Kunden in Australien ausgetauscht, darunter Informationen über die Preishöhe, die Vertragsdauer und die Angebotsmenge. Der Inhalt dieses Telefongesprächs sei seinerzeit in einer handschriftlichen Notiz von Herrn T. festgehalten worden, die an den ebenfalls der Abteilung „Noralf“ angehörenden Herrn O. gerichtet gewesen sei (94. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

21. Am 8. November 2000 habe Herr C., der Geschäftsführer von Minmet, an Fluorsid eine Notiz über ein Telefongespräch gesandt, das er am selben Tag mit Herrn G., einem Mitarbeiter der Klägerin, über die Verkaufspreise von Aluminiumfluorid geführt habe (95. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

22. Am 9. November 2000 habe Minmet an Fluorsid ferner das Protokoll eines Treffens mit der Klägerin in Lausanne (Schweiz) gesandt, das sich mit der Kundschaft und den Preisen auf bestimmten Märkten, insbesondere Brasilien und Venezuela, befasst habe (96. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

3. Zur Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 EWR-Abkommen

23. Die Kommission gelangte zu dem Ergebnis, dass das Treffen in Mailand und die nachfolgenden Handlungen zu dessen Durchführung alle Merkmale einer Vereinbarung und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 EG bzw. Art. 53 EWR-Abkommen erfüllten (Erwägungsgründe 115 bis 122 der angefochtenen Entscheidung) und dass dieses Kartell eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung darstelle (Erwägungsgründe 123 bis 129 der angefochtenen Entscheidung).

24. Diese Zuwiderhandlung habe eine Einschränkung des Wettbewerbs in der Gemeinschaft und im EWR bezweckt (Erwägungsgründe 130 bis 135 der angefochtenen Entscheidung), wobei sich jedoch der räumliche Umfang der Zuwiderhandlung auf die ganze Welt erstreckt habe und die im Protokoll des Treffens in Mailand genannten Gebiete betroffen habe, nämlich insbesondere Europa, die Türkei, Australien, Südamerika, Südafrika und Nordamerika (136. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

25. Das Kartell sei geeignet gewesen, spürbare Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten „und/oder“ zwischen den Vertragsparteien des EWR-Abkommens zu haben (Erwägungsgründe 137 bis 142 der angefochtenen Entscheidung).

4. Zur Dauer der Zuwiderhandlung

26. Trotz der Hinweise, dass sich die Aluminiumfluoridhersteller bereits in der zweiten Hälfte der 90er Jahre auf abgestimmte Verhaltensweisen eingelassen hatten, vor allem im Anschluss an ein Treffen, das 1999 in Griechenland stattgefunden hatte, war die Kommission der Ansicht, dass ihr überzeugende Belege für das Bestehen eines Kartells erst für die Zeit „zumindest“ ab dem 12. Juli 2000, dem Zeitpunkt des Treffens in Mailand, vorlägen (144. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

27. In der Aluminiumfluorid-Branche würden die Lieferverträge innerhalb eines Zeitraums, der im Laufe des zweiten Halbjahrs eines Kalenderjahrs beginne und mit Ablauf des betreffenden Kalenderjahrs oder in den ersten fünf Monaten des folgenden Kalenderjahrs ende, im Voraus ausgehandelt. Dies gelte auch für mehrjährige Verträge. In bestimmten mehrjährigen Verträgen sei noch eine Aushandlung der Preise am Ende des Kalenderjahrs oder einer halbjährliche Überprüfung der Preise am Ende des Halbjahrs vorgesehen gewesen. Das Protokoll des Treffens in Mailand bestätige, dass es in der Branche Praxis gewesen sei, die Preise im Voraus für das folgende Geschäftsjahr festzulegen. Die Kommission schloss hieraus, dass das Ergebnis der kollusiven Gespräche im Juli 2000 bei den Verhandlungen herangezogen worden sei, die im Laufe des zweiten Halbjahrs des Jahres 2000 geführt worden seien (146. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

28. Die Kommission gelangte daher zu dem Schluss, dass sich das Kartell durch die Handlungen seiner Mitglieder „zumindest“ bis zum 31. Dezember 2000 fortgesetzt wettbewerbswidrig ausgewirkt habe (147. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

5. Zur Bemessung der Geldbuße

29. Die Kommission setzte mit dem Hinweis, dass nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) „zur Bestimmung des Grundbetrags ein bestimmter Anteil am Umsatz, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet, mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung multipliziert [wird]“ (234. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), den Grundbetrag der gegen die Klägerin zu verhängenden Geldbuße auf 1 700 000 Euro fest (243. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

30. Im vorliegenden Fall habe die Zuwiderhandlung vor allem in einer horizontalen Preisabsprache bestanden, die ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen gehöre. Dies müsse sich in dem Anteil am Umsatz, der berücksichtigt werde, widerspiegeln (236. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Der geschätzte gemeinsame Marktanteil der Unternehmen, die an dieser Zuwiderhandlung beteiligt gewesen seien, sei im Jahr 2000 nicht größer als 35 % im EWR gewesen (237. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Räumlich habe sich das Kartell auf die ganze Welt erstreckt (238. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission „berücksichtigte bei der Festlegung des heranzuziehenden Anteils am Umsatz auch den Grad der Ausführung der Zuwiderhandlung [Erwägungsgründe 134 und 135, 154 bis 156, 172 und 185 der angefochtenen Entscheidung]“ (239. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

31. Angesichts der vorstehend angeführten Gesichtspunkte bezüglich der Art der Zuwiderhandlung und ihres räumlichen Umfangs gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass sich der Anteil am Umsatz des einzelnen Unternehmens, anhand dessen der Grundbetrag der zu verhängenden Geldbußen zu ermitteln sei, auf 17 % belaufe (240. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

32. Da die Zuwiderhandlung „zumindest“ vom 12. Juli 2000 bis zum 31. Dezember 2000 gedauert habe, betrage der auf den Grundbetrag anzuwendende Multiplikationsfaktor 0,5 (241. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Der Zusatzbetrag, um die Unternehmen von der Beteiligung an horizontalen Preisabsprachen wie im vorliegenden Fall von vornherein abzuschrecken, belaufe sich auf 17 % des Umsatzwerts (242. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

33. Die Kommission ermittelte die gegen die Kartellbeteiligten zu verhängenden Grundbeträge der Geldbuße wie folgt:

– Boliden: 1 Mio. Euro;

– Fluorsid und Minmet: 1,6 Mio. Euro;

– ICF: 1,7 Mio. Euro;

– IQM, Q.B. Industrias S.A.B.: 1,67 Mio. Euro.

34. Gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit gewährte die Kommission Boliden letzten Endes den Erlass der Geldbuße; Boliden wurde von jeder Geldbuße befreit.

6. Zu den mildernden Umständen

35. Die Kommission war der Ansicht, die von der Klägerin beigebrachten Beweismittel belegten weder, dass ihr tatsächliches Marktverhalten „geeignet war, die wettbewerbswidrigen Wirkungen der festgestellten Zuwiderhandlung aufzuheben, noch dass sie sich auf dem Markt während des Zeitraums der Zuwiderhandlung stets unabhängig verhielt“. Die in den Akten der Kommission enthaltenen Beweise zeigten vielmehr, dass die Klägerin bilaterale Kontakte mit ihren Mitbewerbern auch noch nach dem Treffen in Mailand unterhalten habe (Erwägungsgründe 245 bis 247 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission stellte zugunsten der Klägerin keinen mildernden Umstand fest, der zu einer Ermäßigung der Geldbuße hätte führen können.

36. Die Kommission gelangte zu dem Ergebnis, dass die nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 gegen die Klägerin zu verhängende Geldbuße 1,7 Mio. Euro betragen solle (276. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

Verfahren und Anträge der Parteien

37. Die Klägerin hat mit E-Mail und mit Telefax, die am 19. bzw. 20. September 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, die vorliegende Klage erhoben. Die Papierfassung der Klageschrift ist bei der Kanzlei am 24. September 2008 eingegangen. Die Übermittlung der Klageschrift erfolgte in allen Fällen unter Begleitung eines Anschreibens.

38. Die Klägerin hat am 27. Oktober 2008 nach Aufforderung durch das Gericht zu der Frage Stellung genommen, ob die am 24. September 2008 eingegangene Papierfassung die Urschrift der Klageschrift darstellt.

39. Die Klägerin beantragt,

– die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

– hilfsweise, die gegen sie verhängte Geldbuße erheblich herabzusetzen;

– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

40. Die Kommission beantragt,

– die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

41. Das Gericht (Erste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

42. Da ein Richter an der weiteren Mitwirkung am Verfahren gehindert war, hat der Präsident des Gerichts gemäß Art. 32 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts einen anderen Richter bestimmt, durch den die Kammer ergänzt wird.

43. Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung hat das Gericht die Kommission aufgefordert, bestimmte Dokumente vorzulegen und Fragen schriftlich zu beantworten. Die Kommission hat diesen prozessleitenden Maßnahmen innerhalb der dafür gesetzten Frist Folge geleistet.

44. Die Parteien haben in der Sitzung vom 14. Juni 2012 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet

Rechtliche Würdigung

I – Zur Zulässigkeit der Klage

45. Die Kommission erhebt eine Einrede der Unzulässigkeit der vorliegenden Klage.

46. Die angefochtene Entscheidung vom 25. Juni 2008 sei der Klägerin am 10. Juli 2008 zugestellt worden. Die um die Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängerte Frist für die Erhebung der Nichtigkeitsklage gegen die angefochtene Entscheidung sei am 22. September 2008 abgelaufen. Eine Kopie der Klageschrift sei bei der Kanzlei des Gerichts per E-Mail am 19. September 2008 und per Telefax am 20. September 2008 eingegangen, während die Papierfassung erst am 24. September 2008 eingegangen sei. Da die Papierfassung nicht die Urschrift der Klageschrift sei, sondern eine Fotokopie der Urschrift, sei Art. 43 § 6 der Verfahrensordnung nicht anwendbar, und die verspätet eingereichte Klage sei unzulässig. Die Unterschrift auf der Kopie der Klageschrift sei keine handschriftliche Unterzeichnung, sondern eine Kopie der genannten Unterschrift. Das Erfordernis einer handschriftlichen Unterzeichnung im Sinne von Art. 43 § 1 der Verfahrensordnung sei als eine wesentliche Formvorschrift anzusehen und müsse strikt angewandt werden, so dass ihre Nichteinhaltung die Unzulässigkeit der Klage nach sich ziehe. Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage stellt die Kommission in das Ermessen des Gerichts.

47. Die Klägerin ist der Auffassung, der in Rede stehende „verwaltungsmäßige Bearbeitungsfehler“ verletze weder den Grundsatz der Rechtssicherheit noch Art. 43 der Verfahrensordnung. Am 19. September 2008 habe der Beistand der Klägerin die von den Rechtsanwälten M. van der Woude und T. Hennen unterzeichnete Klageschrift per Telefax übersandt. Das Anschreiben für das Telefax sei von den Rechtsanwälten Hennen und P. Wytinck, den Partnern von Rechtsanwalt van der Woude, unterzeichnet worden. Am selben Tag habe Rechtsanwalt Hennen die Klageschrift, das Anschreiben und die Eingangsbestätigung für das Telefax per E-Mail an die Kanzlei des Gerichtshofs übersandt, und Rechtsanwalt van der Woude habe diese E-Mail am 20. September 2008 wiederum an die Kanzlei des Gerichts gesandt. Am 23. September 2008 habe Rechtsanwalt Hennen durch das Unternehmen UPS sieben Ausfertigungen der Klageschrift an die Kanzlei des Gerichts gesandt, nämlich eine als Urschrift gekennzeichnete Ausfertigung und sechs beglaubigte Kopien. Das Anschreiben für diese Sendung sei von Rechtsanwalt Hennen unterzeichnet worden. Die sieben Ausfertigungen, die am 23. September 2008 übersandt worden seien, stimmten inhaltlich mit dem Text überein, der per Telefax und E-Mail übersandt und von Rechtsanwalt Hennen unterzeichnet worden sei. Die Fassung der als Urschrift gekennzeichneten Klageschrift, deren Originalfassung wegen eines „Bearbeitungsfehlers“ allerdings nicht übersandt worden sei, enthalte keine handschriftlich angebrachte Unterschrift.

48. Die Klägerin macht geltend, die der Kanzlei übermittelte Papierfassung der Klageschrift sei sehr wohl die „Urschrift“ gewesen. Selbst wenn die Unterschrift im vorliegenden Fall nicht handschriftlich angebracht worden sei, sei der Grundsatz der Rechtssicherheit gewahrt worden. Erstens seien sämtliche bei der Kanzlei eingegangenen Fassungen der Klageschrift inhaltlich identisch. Zweitens ergebe sich aus dem von Rechtsanwalt Hennen handschriftlich unterzeichneten Anschreiben vom 23. September 2008 eindeutig, dass die Klägerin eine Urschrift habe übersenden wollen. Die Unterschrift auf dem Schreiben sei identisch mit der Unterschrift, die auf dem als Urschrift der Klageschrift gekennzeichneten Dokument wiedergegeben werde, sowie mit den Unterschriften, die auf allen anderen an die Kanzlei des Gerichts übersandten Dokumenten angebracht worden seien. Drittens sei die als Urschrift der Klageschrift gekennzeichnete Fassung identisch mit der Fassung, die eingescannt und per E-Mail übersandt worden sei. Da viertens Rechtsanwalt Hennen sämtliche an die Kanzlei des Gerichts übersandten Dokumente unterzeichnet habe, stehe es außer Zweifel, dass diese Dokumente von dem beauftragten Rechtsanwalt stammten. Die Klägerin schließt hieraus, dass es keinen Zweifel daran geben könne, wer der Verfasser der als Urschrift gekennzeichneten Klageschrift sei.

49. Art. 43 § 1 der Verfahrensordnung bestimmt, dass die Urschrift jedes Schriftsatzes vom Bevollmächtigten oder vom Anwalt der Partei zu unterzeichnen ist.

50. Ist ein Schriftsatz zunächst mittels Fernkopierer oder sonstiger beim Gericht vorhandener technischer Kommunikationsmittel vor Ablauf der Verfahrensfrist an die Kanzlei übermittelt worden, so gilt nach Art. 43 § 6 der Verfahrensordnung diese Frist als gewahrt, sofern die unterzeichnete Urschrift des Schriftsatzes spätestens zehn Tage danach bei der Kanzlei eingereicht wird.

51. Im vorliegenden Fall ist die Papierfassung der Klageschrift innerhalb von zehn Tagen nach Eingang der mittels Telefax und E-Mail übermittelten Fassungen bei der Kanzlei eingegangen.

52. Wie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt ist, soll das Erfordernis einer handschriftlichen Unterzeichnung im Sinne von Art. 43 § 1 Abs. 1 der Verfahrensordnung im Interesse der Rechtssicherheit die Echtheit der Klageschrift gewährleisten und das Risiko ausschließen, dass der Schriftsatz in Wirklichkeit nicht von dem zu seiner Abfassung Bevollmächtigten stammt. Dieses Erfordernis ist daher als eine wesentliche Formvorschrift anzusehen und strikt anzuwenden, so dass seine Nichtbeachtung zur Unzulässigkeit der Klage führt (Urteil des Gerichts vom 23. Mai 2007, Parlament/Eistrup, T-223/06 P, Slg. 2007, II-1581, Randnr. 51).

53. Art. 43 der Verfahrensordnung soll die Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit sichern und verlangt zu diesem Zweck, dass die Klageschrift echt ist und von einem ordnungsgemäß von seinem Mandanten bevollmächtigten Anwalt stammt.

54. Im vorliegenden Fall wurde Rechtsanwalt Hennen von der Klägerin, wie sich aus dem der Klageschrift beigefügten Dokument vom 8. September 2008 ergibt, ordnungsgemäß bevollmächtigt.

55. Die am 23. September 2008 übersandte Klageschrift selbst ist zwar nicht mit einer Originalunterschrift des beauftragten Rechtsanwalts, sondern nur mit einer Fotokopie der Originalunterschrift versehen, sie war jedoch einem Anschreiben beigefügt, das die Originalunterschrift dieses beauftragten Anwalts, Rechtsanwalt Hennen, trug, die wiederum der Unterschrift auf dem Anschreiben für die Übermittlung per Telefax entsprach. Es ist daher offensichtlich, dass die Unterschrift auf dem Anschreiben, die Unterschrift auf der am 23. September 2008 übersandten Papierfassung der Klageschrift und die Unterschrift der per Telefax übersandten Fassung der Klageschrift von demselben Anwalt, Rechtsanwalt Hennen, stammen. Es bestehen also keine Zweifel daran, wer der Verfasser der als Urschrift gekennzeichneten Klageschrift ist. Überdies sind ein vom Vertreter der Klägerin unterzeichnetes Schreiben oder Begleitschreiben sowie ein Schriftsatz, der nicht unterzeichnet wurde, als ein einziger Schriftsatz anzusehen, der unterzeichnet wurde, wenn beide, wie im vorliegenden Fall, zu ein und derselben Postsendung gehören.

56. Es ist somit davon auszugehen, dass die per E-Mail und per Telefax erfolgte Übermittlung der Klageschrift gemäß Art. 43 § 5 der Verfahrensordnung rechtzeitig bestätigt wurde und dass die Klage damit zulässig ist.

II – Zur Begründetheit

A – Zusammenfassung der Nichtigkeitsgründe

57. Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen vier Klagegründe geltend, von denen sich einige in mehrere Teile gliedern.

58. Der erste Klagegrund betrifft in erster Linie eine Verletzung der Verteidigungsrechte und einen Verstoß gegen Art. 27 der Verordnung Nr. 1/2003. Die angefochtene Entscheidung ahnde eine andere Zuwiderhandlung als die, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargestellt worden sei, und die Kommission habe sich nach Versendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte in der angefochtenen Entscheidung auf neue Dokumente gestützt. Die Klägerin habe von den wirklichen Rügen der Kommission keine Kenntnis nehmen können. Diese habe daher die Verteidigungsrechte der Klägerin verletzt.

59. Der zweite Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen Art. 81 EG. Mit dem ersten Teil des zweiten Klagegrundes wird geltend gemacht, die der Klägerin zur Last gelegten Umstände stellten keine Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 81 EG dar. Die in der angefochtenen Entscheidung vorgebrachten Beweise belegten weder eine Preisabsprache noch eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 EG. Mit dem zweiten Teil des zweiten Klagegrundes wird hilfsweise geltend gemacht, die der Klägerin zur Last gelegten Umstände könnten nicht als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft werden.

60. Der hilfsweise geltend gemachte dritte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 und eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes. Der erste Teil wird auf eine fehlerhafte Anwendung der Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 gestützt. Mit dem zweiten Teil wird eine fehlerhafte Festsetzung des Grundbetrags und des Zusatzbetrags der Geldbuße geltend gemacht.

61. Der vierte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen Art. 36 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tunesischen Republik andererseits (ABl. 1998, L 97, S. 2, im Folgenden: Europa-Mittelmeer-Abkommen), gegen das Fürsorgeprinzip und gegen den völkerrechtlichen Grundsatz der Courtoisie.

62. Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst den zweiten Klagegrund zu prüfen.

B – Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 81 EG

1. Zum ersten Teil, mit dem geltend gemacht wird, die der Klägerin zur Last gelegten Umstände stellten keine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG dar

a) Vorbemerkungen

63. Die Klägerin stellt eine Verletzung des Art. 81 EG und das Bestehen eines Kartells sowie den wettbewerbswidrigen Zweck bzw. die wettbewerbswidrige Wirkung eines Informationsaustauschs in Abrede. Sie macht weiter geltend, die Kommission habe mit der Feststellung, dass das Vorliegen eines wettbewerbswidrigen Zwecks als Nachweis für das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung ausreiche, einen Rechtsfehler begangen.

64. Die in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Beweise belegten allenfalls, dass es Gespräche gegeben habe, in denen die Beteiligten die verschiedenen Märkte, auf denen sie tätig gewesen seien, einer Prüfung unterzogen hätten. Die Klägerin habe sich weder durch eine Absprache noch durch eine abgestimmte Verhaltensweise mit ihren Mitbewerbern über die Preise verständigt. Die in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigten Umstände stellten allenfalls einen Informationsaustausch dar, dessen wettbewerbswidriger Zweck oder dessen wettbewerbswidrige Wirkung nicht nachgewiesen sei. Die Kommission habe nicht dargetan, dass die betreffenden Unternehmen übereingekommen seien, die Preise um 20 % zu erhöhen oder die Ziele einer Preiserhöhung festzusetzen. Das Protokoll des Treffens in Mailand spreche nur von einer Erhöhung der Produktionskosten – einer allgemein bekannten Gegebenheit des Marktes – und von dem „Wunsch“ der Beteiligten nach einer entsprechenden Preiserhöhung für ihre Produkte. Die Beteiligten hätten jedoch bezweifelt, dass der Markt eine solche Preiserhöhung akzeptieren könnte. Die Erörterungen seien „hypothetischer Natur“ gewesen, und es sei nicht zu einem gemeinsamen Willen, die Preise des Aluminiumfluorids um 20 % zu erhöhen, gekommen. Es handele sich um ein Analysepapier und nicht um eine Vereinbarung. Die Notizen, die Herr O. bei dem Treffen in Mailand gefertigt habe, seien ebenfalls analytischer Natur, ließen jedoch keine Preisabsprache erkennen. Die Notizen von Herrn O. aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden vom 25. Oktober 2000 bezüglich Australiens bezögen sich nicht auf eine Absprache oder auf das Treffen in Mailand. Auch die Notizen von Fluorsid vom 8. November 2000 und von Herrn R. von Fluorsid vom 9. November 2000 seien kein Beweis für eine Preisabsprache und nähmen keinen Bezug auf die angebliche Absprache von Mailand. Die Vorstellung schließlich, dass vier Hersteller eine weltweite Preiserhöhung hätten vereinbaren können, sei „wirtschaftlich absurd“. Die Kommission habe auch weder den Zweck des Informationsaustauschs noch dessen wettbewerbswidrige Wirkung belegt.

65. Nach Auffassung der Kommission ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

66. Zunächst ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach es zum einen der Partei oder der Behörde, die den Vorwurf einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln erhebt, obliegt, die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend beweisen, und wonach zum anderen das Unternehmen, das sich gegenüber der Feststellung einer Zuwiderhandlung auf eine Rechtfertigung berufen möchte, den Nachweis zu erbringen hat, dass die Voraussetzungen für diese Rechtfertigung erfüllt sind, so dass die genannte Behörde dann auf andere Beweismittel zurückgreifen muss (Urteile des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C-185/95 P, Slg. 1998, I-8417, Randnr. 58, vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Slg. 2004, I-123, Randnr. 78, und des Gerichts vom 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T-120/04, Slg. 2006, II-4441, Randnr. 50).

67. Für den Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG muss die Kommission genaue und übereinstimmende Beweismittel beibringen, um die feste Überzeugung zu begründen, dass der behauptete Verstoß begangen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 28. März 1984, CRAM und Rheinzink/Kommission, 29/83 und 30/83, Slg. 1984, 1679, Randnr. 20). Hat der Richter Zweifel, muss dies dem Unternehmen zugutekommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Der Richter kann daher nicht davon ausgehen, dass die Kommission das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn bei ihm noch Zweifel in dieser Hinsicht bestehen; dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung handelt, mit der eine Geldbuße verhängt wird (Urteil des Gerichts vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T-38/02, Slg. 2005, II-4407, Randnr. 215).

68. Außerdem muss nach ständiger Rechtsprechung nicht jeder der von der Kommission vorgelegten Beweise diesen Kriterien notwendig hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung genügen. Es reicht aus, dass das von der Kommission angeführte Indizienbündel bei einer Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T-67/00, T-68/00, T-71/00 und T-78/00, Slg. 2004, II-2501, Randnr. 180 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69. Im Übrigen ist es üblich, dass die Tätigkeiten, mit denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen und Verhaltensweisen verbunden sind, insgeheim ablaufen, dass die Zusammenkünfte heimlich stattfinden und dass die Unterlagen darüber auf ein Minimum reduziert werden. Selbst wenn die Kommission Schriftstücke findet, die – wie z. B. die Protokolle einer Zusammenkunft – eine unzulässige Kontaktaufnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen, handelt es sich folglich normalerweise nur um lückenhafte und vereinzelte Belege, so dass es häufig erforderlich ist, bestimmte Einzelheiten durch Schlussfolgerungen zu rekonstruieren. In den meisten Fällen muss daher das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteile des Gerichtshofs, Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnrn. 55 bis 57, und vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, C-403/04 P und C-405/04 P, Slg. 2007, I-729, Randnr. 51).

b) Inhalt der angefochtenen Entscheidung

70. Die Kommission stützte sich in der angefochtenen Entscheidung für die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG im Wesentlichen auf folgende Dokumente: Protokoll des Treffens in Mailand (Erwägungsgründe 77 und 81 bis 88 der angefochtenen Entscheidung), Notizen, die Herr O. aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden bei dem genannten Treffen fertigte (89. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), Erklärung von Herrn O. vom 23. und 31. August 2006 vor der Kommission bezüglich des genannten Protokolls (90. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), Notizen von Herrn O. vom 25. Oktober 2000 über das Telefongespräch zwischen der Abteilung „Noralf“ von Boliden und IQM (94. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) sowie Notizen von Herrn C. von Minmet vom 8. und 9. November 2000 (Erwägungsgründe 95 und 96 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission leitete aus diesen Dokumenten ab, dass am 12. Juli 2000 in Mailand, Italien, ein Treffen der Vertreter von Fluorsid – Herrn R. –, der Klägerin – Herrn G. – und von IQM – Herrn A. – stattfand, an dem der Vertreter aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden, Herr O., per Telefon teilnahm. Das Protokoll des Treffens in Mailand wurde von Herrn R. von Fluorsid geführt. Nach Auffassung der Kommission waren Gegenstand und Zweck dieses Treffens wettbewerbswidrig (Erwägungsgründe 115 bis 122 der angefochtenen Entscheidung).

71. In den genannten Dokumenten werden folgende Fachausdrücke verwendet:

– „US$/T oder US$/MT“: Die Preise werden in US-Dollar (USD) je Tonne oder metrische Tonne angegeben;

– „Incoterms“: „International Commercial Terms“ (Internationale Handelsklauseln);

– „C & F Filo“ (Cost and Freight und Free in Liner out): „Kosten und Fracht und Verladekosten im Hafen, Entladekosten durch die Reederei“;

– „cfr“ (cost and freight): „Kosten und Fracht“;

– „fca“ (free carrier): „frei Frachtführer“;

– „fob“ (free on board): „frei an Bord“;

– „LME“ (London Metal Exchange) ist die „Londoner Metallbörse“, an der die Kurse für Metalle notiert werden. Die Kurse der LME bestimmen den Aluminiumpreis. In den gekennzeichneten Dokumenten bezeichnet diese Abkürzung den Aluminiumpreis;

– „AlF 3 “ ist die Abkürzung für Aluminiumfluorid. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Preis des Aluminiumfluorids als Prozentsatz des Kurses der LME angegeben werden kann. Nach dem Vortrag der Parteien beläuft sich der Preis des AlF 3 normalerweise auf 45 bis 55 % der LME und liegt normalerweise zwischen 650 und 900 USD.

72. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Dokumente, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung stützt, von Boliden oder von den sonstigen Mitgliedern des Kartells, darunter insbesondere die Klägerin, vorgelegt wurden. Die Klägerin hat weder die Echtheit noch die Glaubwürdigkeit noch die Überzeugungskraft der genannten Dokumente in Zweifel gezogen, und die Akten enthalten nichts, was vermuten ließe, dass ihre Beweiskraft in Frage zu stellen wäre. Die Klägerin stellt nämlich nicht den Gehalt dieser Beweismittel als solchen in Frage, sondern greift lediglich die Schlussfolgerungen an, die die Kommission aus ihnen für die Feststellung eines Kartells gezogen hat.

c) Zum Nachweis der Zuwiderhandlung

73. In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Kommission die Auffassung, die Teilnehmer des Treffens in Mailand hätten eine Vereinbarung über die Erhöhung des Verkaufspreises des Aluminiumfluorids um 20 % getroffen. Sie hätten auch in mehreren Regionen der Welt einschließlich Europa ein allgemeines Preisniveau festgelegt und in einer Reihe von Fällen die Märkte aufgeteilt und vertrauliche geschäftliche Informationen ausgetauscht. Es sind daher die Beweise zu würdigen, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zur Begründung ihrer Schlussfolgerungen stützte.

74. Das Protokoll des Treffens in Mailand bezieht sich zunächst auf eine Erhöhung der Gesamtkosten in der Zeit von Juni 1999 bis Juni 2000 um 20 %, die 2001 eine Preiserhöhung des Aluminiumfluorids um 20 % erforderlich mache. Hierzu wird sodann Folgendes festgestellt (81. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung):

„Da der Verkaufspreis für [Aluminiumfluorid] im Jahr 2000 Ende des ersten Halbjahrs 1999 festgelegt wurde und unsere Kosten Mitte des Jahres 2000 um 20 % höher waren als 1999, sollten unsere Preise für [Aluminiumfluorid] im Jahr 2001 um 20 % höher liegen als im Jahr 2000. Die drei Beteiligten [Fluorsid, die Klägerin und IQM] sind übereingekommen, dass diese Preiserhöhung aus der Sicht des Erzeugers angemessen ist. Es bleibt jedoch die Frage, ob Angebot/Nachfrage des Marktes diese Preiserhöhung zulässt“ (S. 1 des Protokolls des Treffens in Mailand).

75. Aus dem Protokoll des Treffens in Mailand geht somit klar hervor, dass die an diesem Treffen teilnehmenden Vertreter, unter ihnen der Vertreter der Klägerin, übereinkamen, ihren Verkaufspreis für Aluminiumfluorid im Jahr 2001 um 20 % zu erhöhen.

76. In Bezug auf den europäischen Markt bezieht sich das Protokoll des Treffens in Mailand ferner auf eine Vereinbarung der genannten Vertreter über einen Preis von 775 USD „fca“, d. h. 800 USD „fob“, je Tonne Aluminiumfluorid für das Jahr 2001 (85. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung):

„Für das Jahr 2001 möchte [ICF] den Preis auf 800 USD/t fca Mordijk anheben [u]nd auf 775 USD/t fob Gabes. [Der] Preis des europäischen Erzeugers [beläuft sich] somit auf 775/800 USD/t fca/fob [ab] europäischen Erzeuger“ (S. 6 des Protokolls von Mailand).

77. Aus der Gesamtheit dieser Schriftstücke ergibt sich, dass der genannte Preis ein Mindestverkaufspreis war, den die Mitglieder des Kartells mit ihren Angeboten auf den betroffenen Märkten nicht unterschreiten durften.

78. Diese Schlussfolgerungen werden durch die Notizen bestätigt, die Herr O. aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden bei dem Treffen in Mailand gefertigt hatte, an dem er per Telefon teilgenommen hatte, sowie durch seine mündlichen Erklärungen, die er am 23. und 31. August 2006 vor der Kommission abgab (Erwägungsgründe 77, 89 und 90 der angefochtenen Entscheidung). Wie sich aus diesen Notizen und Erklärungen somit ergibt, erklärten die Teilnehmer dieses Treffens, dass eine Preiserhöhung um 20 % erforderlich sei, und gelangten nach Aufstellung der Kosten zum Schluss, dass die Preise für 2001 um 20 % angehoben und auf 800 USD je Tonne, d. h. auf 50 % des LME-Preises, festgesetzt werden sollten.

79. Eine Reihe von Dokumenten, die aus der Zeit nach dem Treffen in Mailand stammen, belegt, dass die Teilnehmer an diesem Treffen das Abkommen eingehalten haben, insoweit bilaterale Kontakte unterhalten haben und vertrauliche geschäftliche Informationen ausgetauscht haben, insbesondere zum Zwecke der gegenseitigen Kontrolle ihrer jeweiligen Preispolitik. So wird in der Notiz, die Herr T. aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden an Herrn O. – ebenfalls aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden – sandte und die ein Telefongespräch vom 25. Oktober 2000 zwischen Herrn T. und Herrn AR. von IQM betraf, festgehalten, dass die beiden Letztgenannten Informationen über ihre Preisangebote an einen Kunden in Australien austauschten. Diese Preisangebote entsprachen dem beim Treffen in Mailand vereinbarten Mindestpreis von 800 USD je Tonne. Aus der genannten Notiz ergibt sich nämlich, dass IQM dem genannten Kunden ein Preisniveau von „850 – 875 – 900 USD“ angeboten hatte, während die Abteilung „Noralf“ von Boliden erklärte, sie habe einen Preis von ungefähr 800 USD angeboten, einen Vertrag mit dem australischen Kunden allerdings noch nicht geschlossen (94. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

80. Ferner geht aus der Notiz von Herrn C. von Minmet über dessen Telefongespräch vom 8. November 2000 mit Herrn G. von der Klägerin hervor, dass diese sich über die „niedrigen“ Preise beschwerte, die Minmet bei einer Ausschreibung in Ägypten geboten habe – sie beliefen sich auf „725 USD je Tonne fob/745 USD je Tonne cfr“ –, und wissen wollte, wie Minmet den in Venezuela angewandten Preis auf 875 USD anheben wolle angesichts der Tatsache, dass die Venezolaner Zugang zur Ausschreibung in Ägypten hätten. Aus der Notiz ergibt sich weiter, dass Herr C. von Minmet antwortete, die Lage sei wegen des fehlenden Vertrauens schwer zu kontrollieren, und dass Herr G. bestätigte, die Preise, die Albras – einem Kunden und Aluminiumhersteller in Brasilien – angeboten worden seien, lägen über 800 USD je Tonne. Aus der Notiz geht ferner hervor, dass die Klägerin nach dem Treffen in Mailand mit einem anderen Teilnehmer dieses Treffens, Minmet, Gespräche über die in Mailand geschlossene Vereinbarung führte, um die von Minmet verlangten Preise zu überwachen und über die eigenen, Albras angebotenen Preise zu informieren (vgl. auch 95. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

81. Laut dem von Herrn C. von Minmet erstellten und an Fluorsid übersandten Protokoll vom 9. November 2000, das das Treffen mit den Herren G. und T. von der Klägerin betraf, erklärte die Klägerin, sie habe von dem Kunden Albras für 3 000 metrische Tonnen und für eine Option von 1 000 metrischen Tonnen einen Preis von 845 USD „cfr“ und von „740 USD ‚fob + 65 freight‘“ verlangt, und Derivados del Fluor habe von Albras einen Preis von 803 USD je Tonne „cfr“ verlangt. Minmet hält in dem Protokoll fest, dass die Klägerin erklärt habe, sie habe von dem Kunden Egyptalum 845 USD je Tonne „fob“ verlangt und die Bitte dieses Kunden, den Preis auf 750 USD je Tonne zu senken, zurückgewiesen. Ausweislich des Protokolls beschwerte sich die Klägerin über den niedrigen Preis, den Minmet verlangt habe. Das Protokoll nimmt auch Bezug auf einen Austausch von Informationen über das geschäftliche Verhalten von IQM in Australien, Nordamerika und Brasilien sowie über den venezolanischen Markt. Bezüglich des letztgenannten Marktes heißt es dort, die Klägerin habe ihre Absicht bestätigt, ihr Angebot auf 6 000 metrische Tonnen zu beschränken, während Minmet darauf bestanden habe, dass die Preise über 800 USD je Tonne „cfr“ lägen (vgl. auch 96. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

82. Aus den Dokumenten bezüglich der Gespräche vom 25. Oktober, 8. November und 9. November 2000 ergibt sich somit, dass die betroffenen Unternehmen das Preisniveau gegenseitig kontrollierten. Überdies entsprachen die Preise, wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zutreffend feststellt, dem Ergebnis der Verhandlungen, die bei dem Treffen in Mailand geführt worden waren. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass die Dokumente vom 25. Oktober, 8. November und 9. November 2000 auf Gespräche Bezug nehmen, die nach dem Treffen in Mailand zwischen den Teilnehmern dieses Treffens stattfanden, insbesondere zwischen Fluorsid, Minmet und der Klägerin, die offensichtlich durch die Absprache über die bei diesem Treffen vereinbarten Preise gebunden waren, da sie auf die Kernpunkte dieser Absprache Bezug nehmen.

83. Die Preisabsprache betraf zum einen die europäischen Märkte. Insoweit nennt das Protokoll des Treffens in Mailand die Produktions- und Verkaufsmengen von Aluminiumfluorid, die 2000 insbesondere für Norwegen, Schweden, Spanien und Italien realisiert wurden (S. 2 des Protokolls von Mailand), sowie die Verkaufserwartungen für das Jahr 2001 für Rumänien, Italien, Norwegen, Deutschland und die Niederlande (S. 2 und 3 des Protokolls von Mailand). Außerdem spricht das Protokoll des Treffens in Mailand von einem Austausch von Informationen über die Umsätze der Kartellteilnehmer in Europa, insbesondere in Italien, Rumänien, Spanien, Skandinavien, Deutschland, in den Benelux-Ländern und im Vereinigten Königreich. Die Klägerin erklärte insoweit, sie wolle den Preis für 2001 auf 800 USD je Tonne „fca Mordijk“ und auf 775 USD je Tonne „fob Gabes“ erhöhen, mit der Folge, dass sich der europäische Herstellerpreis auf 775/800 USD je Tonne „fca/fob“ belaufen hätte (S. 6 des Protokolls von Mailand; vgl. auch 85. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung und oben, Randnr. 76).

84. Zum anderen stellte die Kommission fest, dass die Absprache auch in verschiedenen Weltregionen Anwendung gefunden habe. So war laut Protokoll des Treffens in Mailand die „Preisidee“ für 2001 bezüglich Australiens 800 USD je Tonne „fob Europa“, d. h. „50 % LME fob“, während der europäische Preis höher als der chinesische Preis sein konnte und 875 USD je Tonne betragen sollte. Bezüglich Südamerikas sind im Protokoll Preise für 2000 und Mindestpreise für das Jahr 2001 aufgeführt. Für Venezuela werden für das Jahr 2001 der Preis von 850 USD je metrische Tonne „C & F filo“ und als absoluter Mindestpreis 890 USD je metrische Tonne genannt. Bezüglich Brasiliens sind sich alle Hersteller darin einig, dass der Preis ungefähr bei „50 % LME fob“ und 875 USD je Tonne „cfr“ liegen müsse. In Bezug auf Nordamerika betrage der Preis von Alcoa für das Jahr 2000 775 USD je metrische Tonne „ex Point Comfort“ und für das Jahr 2001 800/825 USD je metrische Tonne „ex Point Comfort“. Lieferanten, die Alcoa nicht belieferten, sollten einen Preis von 825 USD je Tonne „ab Lager“ und 825 USD je angelieferter Tonne erhalten. Die Teilnehmer an dem Treffen in Mailand bekundeten ihr Interesse an der Versorgung bestimmter Weltregionen. Bezüglich Indiens stellte das Protokoll des Treffens in Mailand fest, dass ein Interesse an einem Absatz von 3 000 Tonnen bestehe, der Preis sich jedoch auf 900 USD je angelieferter metrischer Tonne belaufen müsse. Bezüglich der Türkei wird der Preis von 800 USD je Tonne „fob“ genannt (S. 6 und 7 des Protokolls des Treffens in Mailand; vgl. auch Erwägungsgründe 86 und 87 der angefochtenen Entscheidung).

85. In seinen mündlichen Erklärungen vor der Kommission am 23. und 31. August 2006 bestätigte Herr O. aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden ferner, dass sich die Teilnehmer des Treffens in Mailand über die Kunden jedes Einzelnen sowie über das Preisniveau verständigt hätten, das in Europa und außerhalb Europas eingehalten werden sollte. Zweck des Treffens in Mailand sei es auch gewesen, sich gemeinsam darüber zu verständigen, wie die neuen Preisniveaus eingeführt werden sollten. Die Teilnehmer des Treffens in Mailand hätten die den einzelnen Kunden anzubietenden Mengen untereinander aufgeteilt. Es habe eine stillschweigende Vereinbarung gegeben, die jeweiligen Kunden des einzelnen Unternehmens und die Lieferungen an diese Kunden zu respektieren (vgl. 90. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

86. Laut der Telefonnotiz vom 25. Oktober 2000 wollte Herr A. von IQM mit Herrn T. aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden „in Kontakt bleiben“; er erklärte sich bezüglich Australiens damit einverstanden, dass die Abteilung „Noralf“ von Boliden 3 000 Tonnen liefere, wies jedoch darauf hin, dass er im Jahr 1999 7 000 Tonnen geliefert habe und dieses Niveau beibehalten wolle. Aus dieser Notiz ergibt sich ferner, dass Herr T. bei dieser Gelegenheit an den Preis von 800 USD erinnerte, der der Preis war, der bei dem Treffen in Mailand für Australien festgelegt worden war. Die Notiz ist somit ein Beweis für die Gespräche, die nach dem Treffen in Mailand zwischen der Abteilung „Noralf“ von Boliden und IQM über den Preis und die in Australien gelieferten oder angebotenen Mengen an Aluminiumfluorid stattfanden und deren Inhalt der Vereinbarung entsprach, die auf dem Treffen in Mailand getroffen worden war (vgl. auch 94. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

87. Schließlich ergibt sich aus dem Protokoll des Treffens in Mailand auch, dass die Teilnehmer dieses Treffens, d. h. Fluorsid, die Klägerin und IQM, in der Folgezeit Informationen über die Produktion, die Absatzmengen im Jahr 2000 und die Erwartungen für 2001 in Bezug auf verschiedene Länder der Welt mit genauen Mengenangaben sowie Informationen je nach Hersteller und Kunden austauschten. Bezüglich der „individuellen Märkte“ heißt es im Protokoll wie folgt (84. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung):

„Wir haben die einzelnen Märkte untersucht, um ein allgemeines Preisniveau festzulegen und in bestimmten Fällen eine Marktaufteilung vorzunehmen. Wir sind jedoch übereingekommen, dass unabhängig davon, wer den Auftrag erhält, ein höheres Preisniveau erreicht werden muss. Wir müssen daher von jeder größeren Ermäßigung abraten“ (S. 5 des Protokolls des Treffens in Mailand).

88. Hieraus ergibt sich, dass die Teilnehmer des Treffens in Mailand vertrauliche geschäftliche Informationen austauschten, darunter solche über ihre Produktionsmengen, über die Mengen, die sie verkauft hatten oder verkaufen wollten, über ihre Kunden sowohl in Europa als auch weltweit, über die Festsetzung ihrer Preise sowie über die Aufteilung der Märkte, um eine Einigung über diese Wettbewerbsparameter zu erreichen.

89. Aus der Gesamtheit dieser Beweise, deren Inhalt die Klägerin nicht in Frage stellt, ergibt sich somit, dass die Kommission das Vorliegen einer Vereinbarung über die Festsetzung von Preisen im Sinne von Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen, die bei dem Treffen in Mailand geschlossen wurde, an dem die Klägerin teilnahm, rechtlich hinreichend nachgewiesen hat.

90. Die Kommission hat somit in der angefochtenen Entscheidung den wettbewerbswidrigen Zweck des Treffens in Mailand und das Vorliegen einer gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßenden Vereinbarung nachgewiesen, ohne dass nachgewiesen zu werden braucht, dass diese Vereinbarung Wirkungen erzeugt hat (Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C-49/92 P, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 123, und JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 181). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der wettbewerbswidrige Zweck und die wettbewerbswidrige Wirkung einer Vereinbarung keine kumulativen, sondern alternative Voraussetzungen für die Beurteilung sind, ob diese Vereinbarung unter das Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG fällt. Nach ständiger Rechtsprechung weist der durch die Konjunktion „oder“ gekennzeichnete alternative Charakter dieser Voraussetzung darauf hin, dass zunächst der eigentliche Zweck der abgestimmten Verhaltensweise in Betracht zu ziehen ist, wobei die wirtschaftlichen Begleitumstände ihrer Durchführung zu berücksichtigen sind. Die Auswirkungen einer Vereinbarung brauchen daher nicht geprüft zu werden, wenn feststeht, dass sie einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 6. Oktober 2009, GlaxoSmithKline Services u. a./Kommission u. a., C-501/06 P, C-513/06 P, C-515/06 P und C-519/06 P, Slg. 2009, I-9291, Randnr. 55, und vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C-403/08 und C-429/08, Slg. 2011, I-9083, Randnr. 135).

91. Daher ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsprechungskriterien, die für den Begriff der abgestimmten Verhaltensweise gelten (vgl. Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 90 angeführt, Randnrn. 111 bis 114, 131 und 132, und Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T-9/99, Slg. 2002, II-1487, Randnrn. 187 und 190), auch hier erfüllt sind. Da im vorliegenden Fall das Verbot des Art. 81 EG nämlich bereits greift, weil das Tatbestandsmerkmal einer „Vereinbarung“ erfüllt ist, würde es sich bloß um eine alternative Einstufung desselben Kartells handeln, die für die weitere Analyse unerheblich wäre.

92. Nach alledem ist die Rüge des Verstoßes gegen Art. 81 EG als unbegründet zurückzuweisen.

2. Zum zweiten Teil, mit dem hilfsweise geltend gemacht wird, die der Klägerin zur Last gelegten Umstände könnten nicht als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft werden

a) Vorbemerkungen

93. Die Klägerin wendet sich gegen die angefochtene Entscheidung, weil die Kommission die Zuwiderhandlung als einheitlich und fortgesetzt eingestuft habe. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte habe zwischen den verschiedenen Kontakten, die zwischen den Teilnehmern des Kartells stattgefunden hätten, keine Verbindung hergestellt. Außerdem verfüge die Kommission offenbar auch über keine Beweise dafür, dass das Kartell nach dem Treffen in Mailand bestanden habe. Die bilateralen Kontakte zwischen der Abteilung „Noralf“ von Boliden und IQM einerseits und Fluorsid und der Klägerin andererseits erlaubten nicht die Feststellung, dass alle Teilnehmer des Treffens in Mailand untereinander Kontakt aufgenommen hätten. Auch bezögen sich die Dokumente, die die Kontakte im Oktober und November 2000 beträfen, nicht auf das Treffen in Mailand.

94. Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und gelangt zu dem Schluss, dass der zweite Klagegrund zurückzuweisen sei.

b) Zur einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung

95. Zunächst ist der Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zu definieren.

96. Es ist entschieden worden, dass es gekünstelt wäre, ein durch ein einziges Ziel gekennzeichnetes kontinuierliches Verhalten zu zerlegen und darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen, während es sich im Gegenteil um eine einheitliche Zuwiderhandlung handelt, die sich nach und nach sowohl durch Vereinbarungen als auch durch abgestimmte Verhaltensweisen konkretisiert hat (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 90 angeführt, Randnr. 81, und Urteil des Gerichts vom 16. Juni 2011, Putters International/Kommission, T-211/08, Slg. 2011, II-3729, Randnr. 31).

97. Unter solchen Umständen ist ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die den Begriff von auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt haben und zur Mitwirkung an der Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit bestimmt waren, an einer solchen Zuwiderhandlung beteiligt hat, für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich, das andere Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung an den Tag legten (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 90 angeführt, Randnr. 83, und Putters International/Kommission, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnr. 32).

98. Dieser Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass die Kommission, um das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung darzutun, zu beweisen hat, dass das Unternehmen durch sein Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte sowie bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 90 angeführt, Randnr. 87, und Putters International/Kommission, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnr. 33).

99. Kartelle können nämlich nur dann als Bestandteile einer einheitlichen wettbewerbswidrigen Vereinbarung angesehen werden, wenn erwiesen ist, dass sie zu einem Gesamtplan gehörten, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wurde. Zudem kann die Teilnahme eines Unternehmens an den betreffenden Kartellen nur dann Ausdruck seines Beitritts zu dieser Vereinbarung sein, wenn es, als es an diesen Kartellen teilnahm, wusste oder hätte wissen müssen, dass es sich damit in die einheitliche Vereinbarung eingliederte (vgl. Urteil Putters International/Kommission, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

100. Aus der oben in den Randnrn. 96 bis 99 angeführten Rechtsprechung ergibt sich somit, dass für den Nachweis der Beteiligung an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, nämlich das Vorliegen eines Gesamtplans, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird, der vorsätzliche Beitrag des Unternehmens zu diesem Plan und die Kenntnis des Unternehmens von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Teilnehmer (vgl. Urteil Putters International/Kommission, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnr. 35).

101. Der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung erfasst daher eine Situation, in der mehrere Unternehmen an einer Zuwiderhandlung beteiligt waren, die aus einem fortgesetzten Verhalten bestand, mit dem ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die Verfälschung des Wettbewerbs, oder aber an einzelnen Zuwiderhandlungen, die miteinander durch eine Übereinstimmung des Zwecks (ein und dieselbe Zielsetzung sämtlicher Bestandteile) und der Personen (Übereinstimmung der beteiligten Unternehmen, die sich der Beteiligung am gemeinsamen Zweck bewusst waren) verbunden waren (Urteile des Gerichts vom 24. März 2011, Aalberts Industries u. a./Kommission, T-385/06, Slg. 2011, II-1223, Randnr. 86, vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T-446/05, Slg. 2010, II-1255, Randnr. 89, und vom 8. Juli 2008, BPB/Kommission, T-53/03, Slg. 2008, II-1333, Randnr. 257). Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortlaufenden Verhaltens auch für sich genommen einen Verstoß gegen Art. 81 EG darstellen könnten (Urteile Aalberts Industries u. a./Kommission, Randnr. 86, BPB/Kommission, Randnr. 252).

102. Zudem kann sich der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung nach ständiger Rechtsprechung auf die rechtliche Einstufung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens beziehen, das in Vereinbarungen, aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen und Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen besteht (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T-305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94, Slg. 1999, II-931, Randnrn. 696 bis 698, HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 91 angeführt, Randnr. 186, vom 12. Dezember 2007, BASF und UCB/Kommission, T-101/05 und T-111/05, Slg. 2007, II-4949, Randnr. 159, sowie Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, oben in Randnr. 101 angeführt, Randnr. 91)

103. Fügen sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen „Gesamtplan“ ein, so ist die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (Urteile des Gerichtshofs Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnr. 258, und vom 21. September 2006, Technische Unie/Kommission, C-113/04 P, Slg. 2006, I-8831, Randnr. 178; Urteile des Gerichts Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, oben in Randnr. 101 angeführt, Randnr. 90, und Aalberts Industries u. a./Kommission, oben in Randnr. 101 angeführt, Randnr. 87). Die einzelnen Ausprägungen des wettbewerbswidrigen Verhaltens sind in einem Gesamtzusammenhang zu betrachten, der ihren Grund erklärt. Insoweit wird im Rahmen der Beweisführung der Beweiswert verschiedener tatsächlicher Umstände durch die übrigen tatsächlichen Umstände verstärkt oder erhärtet, die zusammen das logische und vollständige Bild einer einheitlichen Zuwiderhandlung ergeben (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission, T-54/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 271).

104. Auch ist klarzustellen, dass der Begriff des einzigen Ziels nicht durch einen allgemeinen Verweis auf die Verzerrung des Wettbewerbs auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt bestimmt werden kann, da die Beeinträchtigung des Wettbewerbs als Ziel oder Wirkung jedem von Art. 81 Abs. 1 EG erfassten Verhalten eigen ist. Eine solche Definition des Begriffs des einzigen Ziels könnte dem Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilweise seinen Sinn nehmen, da sie zur Folge hätte, dass mehrere einen Wirtschaftssektor betreffende Verhaltensweisen, die nach Art. 81 Abs. 1 EG verboten sind, systematisch als Bestandteile einer einzigen Zuwiderhandlung eingestuft werden müssten. Es ist somit bei der Einstufung unterschiedlicher Vorgänge als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zu prüfen, ob zwischen ihnen insofern ein Komplementaritätsverhältnis besteht, als jede von ihnen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen soll und durch Interaktion zur Verwirklichung sämtlicher wettbewerbswidriger Wirkungen beiträgt, die ihre Urheber im Rahmen eines auf ein einziges Ziel gerichteten Gesamtplans anstreben. Insoweit sind alle Umstände zu berücksichtigen, die diese Verbindung nachweisen oder in Frage stellen können, wie der Anwendungszeitraum, der Inhalt (einschließlich der verwendeten Methoden) und im Zusammenhang damit das Ziel der verschiedenen fraglichen Handlungen (vgl. in diesem Sinne Urteile BASF und UCB/Kommission, oben in Randnr. 102 angeführt, Randnrn. 179 bis 181, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, oben in Randnr. 101 angeführt, Randnr. 92, und Aalberts Industries u. a./Kommission, oben in Randnr. 101 angeführt, Randnr. 88).

105. Im vorliegenden Fall ging die Kommission in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass das Treffen in Mailand, das Telefongespräch zwischen der Abteilung „Noralf“ von Boliden und IQM vom 25. Oktober 2000 sowie die Gespräche im November 2000 eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bildeten, geleitet von dem gemeinsamen Willen der Teilnehmer, unter ihnen die Klägerin, sich auf dem Markt für Aluminiumfluorid in einer bestimmten Weise zu verhalten. Die angefochtene Entscheidung stellte fest, dass sich die Teilnehmer des genannten Treffens durch eine Vereinbarung „und/oder“ durch eine abgestimmte Verhaltensweise darüber verständigt hätten, ihr Marktverhalten anzugleichen und damit ihre jeweilige Selbständigkeit in Bezug auf ihre Unternehmensstrategie einzuschränken. Diese Verhaltensweisen hätten zu einem Gesamtplan gehört, mit dem ein einheitliches und gemeinsames wettbewerbswidriges Ziel verfolgt worden sei, nämlich die Verfälschung der normalen Entwicklung der Preise für Aluminiumfluorid (Erwägungsgründe 125 bis 128 der angefochtenen Entscheidung).

106. Wie die Kommission feststellte, ergibt sich aus den Beweisen, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen und die oben in den Randnrn. 73 bis 89 analysiert wurden, dass die Teilnehmer des Treffens in Mailand, unter ihnen die Klägerin, Informationen über die berechneten bzw. zu berechnenden Preise austauschten und sich über Preiserhöhungen einigten. Sie tauschten auch vertrauliche geschäftliche Informationen über die Preiserwartungen und ihr Verhalten in verschiedenen geografischen Gebieten aus und hielten sich nach dem Treffen in Mailand über ihr Vorgehen, ihre Angebote und Preise auf dem Markt auf dem Laufenden. Die Verhaltensweisen der beteiligten Unternehmen bezweckten alle ein und dasselbe, nämlich die Erhöhung des Aluminiumfluoridpreises und die entsprechende Abstimmung des Marktverhaltens der Kartellteilnehmer. Aus den Dokumenten, die belegen, dass die Gespräche zwischen ihnen nach dem Treffen in Mailand stattfanden, geht hervor, dass die Teilnehmer dieses Treffens den Kontakt aufrechterhielten, dass sie weiterhin geschäftliche Informationen über den Gegenstand des Treffens in Mailand und über die Preise austauschten, die einzelnen Kunden in verschiedenen Regionen der Welt angeboten wurden, und dass sie dafür sorgten, dass diese Preise dem entsprachen, was beim Treffen in Mailand vereinbart worden war. Dabei ist der Umstand, dass die Dokumente bezüglich der Gespräche im Oktober und November 2000 nicht auf das Treffen in Mailand hinweisen, nicht entscheidend, und eine ausdrückliche Bezugnahme auf das Treffen in Mailand ist nicht erforderlich. Wie nämlich aus den Dokumenten eindeutig hervorgeht, stimmen die in ihnen angeführten Preise mit den auf dem Treffen in Mailand vereinbarten Preisen völlig überein. Die Kommission musste folglich zu dem Ergebnis gelangen, dass es sich um ein fortgesetztes Marktverhalten der Kartellmitglieder bezüglich des Aluminiumfluoridpreises handelte, wie es ursprünglich vereinbart worden war.

107. Der Umstand, dass die verschiedenen Gespräche – sowohl die bei dem Treffen in Mailand als auch die späteren Gespräche – innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums stattfanden, steht der Schlussfolgerung der Kommission, dass eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung vorliegt, nicht entgegen. Eine Mindestdauer oder eine Mindestzahl von Handlungen oder Zusammenkünften ist nicht erforderlich, um die Voraussetzung einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zu erfüllen, allerdings kann die längere Dauer oder größere Häufigkeit die Annahme bestätigen, dass eine solche Zuwiderhandlung vorliegt. Entscheidend ist, dass sich die einzelnen Umstände in einen Gesamtplan einfügen, was die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nachgewiesen hat. Es ging um Verhaltensweisen, die ein und dasselbe bezweckten, nämlich die Vereinbarung des Aluminiumfluoridpreises und die Einhaltung dieser Vereinbarung durch die Kartellteilnehmer.

108. Die Kommission gelangte somit zu Recht zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung vorliegt.

109. Der zweite Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

C – Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte und Verstoß gegen Art. 27 der Verordnung Nr. 1/2003

1. Vorbemerkungen

110. Die Klägerin ist der Auffassung, die Kommission habe mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung gegen Art. 27 der Verordnung Nr. 1/2003 verstoßen und den fundamentalen Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte verletzt. Die angefochtene Entscheidung ahnde andere Tatsachen und Umstände als die, die der Klägerin in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angelastet worden seien. Diese Abweichung habe das Recht der Klägerin beeinträchtigt, ihren Standpunkt im Verwaltungsverfahren sachgerecht zur Geltung zu bringen. Es gebe beachtliche Unterschiede bezüglich der Teilnehmer und der Dauer der Zuwiderhandlung. Der räumliche Umfang des mit der angefochtenen Entscheidung beanstandeten Kartells sei erheblich weiter als der Anwendungsbereich der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte beschriebenen wettbewerbsbeschränkenden Praktiken. Die Systematik, die Struktur und das Ziel der in der angefochtenen Entscheidung beschriebenen Zuwiderhandlung entsprächen nicht der Beschreibung der Zuwiderhandlung in der Mitteilung der Beschwerdepunkte. Nach dieser habe sich die Klägerin an einem komplexen Verstoß von erheblicher Dauer beteiligt, der gekennzeichnet gewesen sei durch eine vorbereitende Phase mit bilateralen Zusammenkünften und durch eine Endphase nach dem Abschluss einer Vereinbarung in Griechenland am 29. Juli 1999, in deren Verlauf die Preise für das Jahr 2000 vereinbart worden seien. Das Treffen in Mailand sei zusammen mit dem Treffen in Griechenland der Kulminationspunkt des Kartells gewesen und habe den betroffenen Unternehmen die Möglichkeit gegeben, die Preise für d as Jahr 2001 festzusetzen. Die Kommission habe keinen Beleg für ein weiteres Kartelltreffen in den Jahren nach dem Treffen in Mailand gefunden. Die späteren Kontakte hätten sich auf einen bilateralen Informationsaustausch beschränkt. Dagegen lasse die angefochtene Entscheidung die vorbereitende Phase und das Treffen in Griechenland unberücksichtigt, stelle das Treffen in Mailand als Beginn einer weiteren Zuwiderhandlung im Anschluss an eine Reihe früherer Ereignisse dar und stelle fest, dass die Kontakte, die nach dem Treffen in Mailand stattgefunden hätten, den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben hätten, die Durchführung ihrer angeblichen Vereinbarung zu kontrollieren. Die Kommission stütze sich in der angefochtenen Entscheidung überdies auf Schriftstücke, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht erwähnt worden seien. Die Klägerin leitet daraus her, dass der Unterschied zwischen der Zuwiderhandlung, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte beschrieben werde, und der Zuwiderhandlung, die mit der angefochtenen Entscheidung geahndet werde, so beschaffen sei, dass die Klägerin nur anhand der letztgenannten Entscheidung von den tatsächlichen Beschwerdepunkten der Kommission habe Kenntnis nehmen können. Während des Verwaltungsverfahrens habe die Klägerin keine Gelegenheit gehabt, sich zu der vorrangigen Rolle des Treffens in Mailand oder zu den späteren Kontakten, mit denen das Treffen angeblich umgesetzt worden sei, zu äußern. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte sorge bei der Klägerin auch hinsichtlich des räumlichen Ausmaßes des Kartells für Verwirrung. Die Klägerin habe sich nicht zu den neuen Gesichtspunkten äußern können, die die Kommission dazu veranlasst hätten, ausgehend von Kontakten, zu denen sie nicht habe Stellung nehmen können, eine andere Zuwiderhandlung als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung einzustufen. Die Kommission habe damit die Verteidigungsrechte der Klägerin verletzt. Die Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte wiege umso schwerer, als das Verfahren offensichtlich anders ausgegangen wäre, wenn die Parteien ihre Argumente hätten vorbringen können.

111. Die Kommission tritt den Argumenten der Klägerin entgegen. Sie erinnert insoweit an die Grundsätze, die für die Mitteilung der Beschwerdepunkte im Rahmen der Frage gelten, ob die Verteidigungsrechte gewahrt wurden. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte müsse insbesondere eine hinreichend klare Darlegung der Beschwerdepunkte enthalten, damit die Betroffenen erkennen könnten, welches Verhalten ihnen die Kommission zur Last lege. Die endgültige Entscheidung brauche aber nicht notwendig ein genaues Abbild der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu sein, da die Kommission in der Lage sein müsse, in der Entscheidung die Antworten der betroffenen Unternehmen zu berücksichtigen.

112. Hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung und der Anzahl der Zuwiderhandelnden macht die Kommission geltend, sie müsse ihre Beurteilung bezüglich der Dauer der Zuwiderhandlung und der hieran Beteiligten ändern können, vor allem wenn sie den Umfang der angelasteten Beschwerdepunkte einschränke. Sie habe in der angefochtenen Entscheidung den Zeitraum vom 12. Juli bis zum 31. Dezember 2000 statt des Zeitraums vom 30. Juni 1997 bis zum 31. Dezember 2001 berücksichtigt. Eine Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin aufgrund dieser Unterschiede sei nicht gegeben. Hinsichtlich des räumlichen Umfangs des Kartells weist die Kommission auf den weltweiten Charakter des Kartells hin, der bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte festgestellt worden sei und aus dem Protokoll des Treffens in Mailand klar hervorgehe. Der Klägerin sei der weltweite Charakter des Kartells bekannt gewesen, und sie habe die Möglichkeit gehabt, sich hierzu im Verwaltungsverfahren zu äußern. Die Kommission weist die Ausführungen der Klägerin über die Logik und die Struktur des Kartells zurück. In Bezug auf die Art der Zuwiderhandlung führt die Kommission aus, die Mitteilung der Beschwerdepunkte und die angefochtene Entscheidung stellten beide fest, dass die beschriebenen wettbewerbswidrigen Tätigkeiten die Merkmale einer Vereinbarung „und/oder“ einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 EG erfüllten und dass dieses Verhalten eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung darstelle. Auch seien die zur Begründung der Zuwiderhandlung herangezogenen Umstände der Klägerin bekannt gewesen, die die Möglichkeit gehabt habe, während des Verwaltungsverfahrens ihren Standpunkt deutlich zu machen. Entgegen den Ausführungen der Klägerin habe die Kommission die vorbereitende Phase und das Treffen in Griechenland nicht unberücksichtigt gelassen, und das Treffen in Mailand sei nicht der Beginn einer aus dem Nichts entstandenen Zuwiderhandlung. Die Beweise für den Zeitraum, der vor dem Treffen in Mailand liege, hätten jedoch nicht ausgereicht. Ferner habe die Klägerin Gelegenheit gehabt, sich zu der vorrangigen Rolle des Treffens in Mailand sowie zu den bilateralen Kontakten zu äußern, die nach dem Treffen in Mailand stattgefunden hätten.

113. Zu den Dokumenten in Bezug auf Kontakte, die am 8. und 9. November 2000 zwischen Minmet und der Klägerin stattgefunden hätten, trägt die Kommission vor, diese Dokumente seien in der Akte enthalten gewesen, die der Klägerin zusammen mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt worden sei, und die Kommission habe sie in der angefochtenen Entscheidung in Erwiderung auf das Vorbringen der Klägerin verwertet, mit dem das Vorliegen einer Vereinbarung bestritten worden sei. Zudem habe die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt, dass die an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen nach dem Treffen in Mailand weiterhin Marktinformationen im Wege bilateraler Kontakte ausgetauscht hätten. Die Kommission ist jedenfalls der Ansicht, die Beweise bezüglich des Treffens in Mailand belegten die Beteiligung der Klägerin an der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung beschriebenen Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend, und die Klägerin habe nicht dargetan, dass sie sich von der bei diesem Treffen getroffenen Vereinbarung distanziert habe.

114. Der erste Klagegrund, mit dem eine Verletzung der Verteidigungsrechte geltend gemacht werde, sei somit als unbegründet zurückzuweisen.

2. Würdigung durch das Gericht

a) Allgemeines

115. Die Beachtung der Verteidigungsrechte bei der Durchführung von Verwaltungsverfahren im Bereich der Wettbewerbspolitik stellt einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, dessen Wahrung die Gerichte der Union zu sichern haben (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C-534/09 P, Slg. 2009, I-7415, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

116. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert es die Wahrung der Verteidigungsrechte, dem betroffenen Unternehmen im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zu geben, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen und Umstände sowie zu den von ihr zur Stützung ihrer Behauptung, dass ein Verstoß gegen den Vertrag vorliege, herangezogenen Schriftstücken sachgerecht Stellung zu nehmen (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 10, vom 6. April 1995, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, C-310/93 P, Slg. 1995, I-865, Randnr. 21, und vom 9. Juli 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C-511/06 P, Slg. 2009, I-5843, Randnr. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

117. Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 spiegelt diesen Grundsatz insofern wider, als er vorsieht, dass den Beteiligten eine Mitteilung der Beschwerdepunkte übersandt wird, in der alle wesentlichen Tatsachen, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, klar angegeben werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnr. 67), dergestalt dass die Betroffenen tatsächlich erkennen können, welches Verhalten ihnen die Kommission zur Last legt und über welche Beweismittel diese verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, Slg. 2002, I-8375, Randnrn. 315 und 316, und Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnrn. 66 und 67), und dass sie ihre Verteidigung sachgerecht wahrnehmen können, bevor die Kommission eine endgültige Entscheidung erlässt (vgl. in diesem Sinne Archer Daniels Midland/Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnrn. 85 und 86). Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn die genannte Entscheidung den Betroffenen keine anderen Zuwiderhandlungen zur Last legt als diejenigen, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannt werden, und sich nur auf Tatsachen stützt, zu denen die Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung hatten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 19. März 2003, CMA CGM u. a./Kommission, T-213/00, Slg. 2003, II-913, Randnr. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).

118. Die Darstellung der wesentlichen Gesichtspunkte, auf die sich die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte stützt, kann jedoch in gedrängter Form erfolgen, und die endgültige Entscheidung braucht nicht notwendig ein Abbild der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu sein (Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 14), da es sich bei dieser um ein vorbereitendes Schriftstück handelt, dessen tatsächliche und rechtliche Wertungen lediglich vorläufiger Natur sind (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 17. November 1987, British American Tobacco und Reynolds Industries/Kommission, 142/84 und 156/84, Slg. 1987, 4487, Randnr. 70). Zulässig sind daher Ergänzungen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Beteiligten, deren Argumente zeigen, dass sie ihre Verteidigungsrechte tatsächlich wahrnehmen konnten. Die Kommission darf auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsverfahrens Argumente, auf die sie ihre Beschwerdepunkte stützt, in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ändern oder ergänzen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 28. Februar 2002, Compagnie générale maritime u. a./Kommission, T-86/95, Slg. 2002, II-1011, Randnr. 448, und vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission, T-310/01, Slg. 2002, II-4071, Randnr. 438). Bis zum Erlass einer endgültigen Entscheidung kann daher die Kommission in Anbetracht insbesondere der schriftlichen oder mündlichen Äußerungen der Beteiligten entweder einzelne oder auch sämtliche bis dahin gegen diese erhobenen Beschwerdepunkte fallen lassen und damit ihre Auffassung zugunsten der Beteiligten ändern oder umgekehrt beschließen, neue Beschwerdepunkte hinzuzufügen, sofern sie den betreffenden Unternehmen Gelegenheit gibt, hierzu Stellung zu nehmen (Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T-191/98, T-212/98 bis T-214/98, Slg. 2003, II-3275, Randnr. 115 und die dort angeführte Rechtsprechung).

119. Wie ferner von der Rechtsprechung anerkannt ist, liegt eine Verletzung der Verteidigungsrechte vor, wenn aufgrund eines von der Kommission begangenen Fehlers die Möglichkeit besteht, dass das von ihr durchgeführte Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Zum Nachweis eines solchen Verstoßes braucht ein klagendes Unternehmen nicht darzutun, dass die Entscheidung der Kommission einen anderen Inhalt gehabt hätte, sondern muss nur hinreichend belegen, dass es sich ohne den Fehler besser hätte verteidigen können, z. B. deshalb, weil es zu seiner Verteidigung Schriftstücke hätte einsetzen können, in die ihm im Verwaltungsverfahren keine Einsicht gewährt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, C-194/99 P, Slg. 2003, I-10821, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 1. Juli 2010, Knauf Gips/Kommission, C-407/08 P, Slg. 2010, I-6375, Randnr. 28; vgl. auch entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 1. Oktober 2009, Foshan Shunde Yongjian Housewares & Hardware/Rat, C-141/08 P, Slg. 2009, I-9147, Randnr. 94).

120. Was insbesondere das Recht auf Akteneinsicht betrifft, braucht nach ständiger Rechtsprechung das Unternehmen in dem Fall, dass die Akteneinsicht abgelehnt wurde, nur darzutun, dass es die fraglichen Unterlagen zu seiner Verteidigung hätte einsetzen können (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, C-109/10 P, Slg. 2011, I-10329, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in dieser Rechtssache, ebd., Nr. 171 und die dort angeführte Rechtsprechung, Urteile Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnrn. 74 und 75, Knauf Gips/Kommission, oben in Randnr. 119 angeführt, Randnr. 23, und vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 117 angeführt, Randnrn. 318 und 324). Das Unternehmen braucht nicht nachzuweisen, dass diese Unregelmäßigkeit den Verfahrensablauf und den Inhalt der Entscheidung der Kommission zu seinen Ungunsten beeinflusst hat, sondern dass sie den Verfahrensablauf und den Inhalt der Entscheidung der Kommission beeinflussen konnte (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zum Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, Nrn. 179 und 181, und Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Hercules Chemicals/Kommission, C-51/92 P, Slg. 1999, I-4235, Randnr. 81, vom 2. Oktober 2003, Corus UK/Kommission, C-199/99 P, Slg. 2003, I-11177, Randnr. 128, vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 117 angeführt, Randnr. 318, und Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnr. 74). Das betroffene Unternehmen muss bei einer unterbliebenen Offenlegung nicht nachweisen, dass das Verwaltungsverfahren aufgrund der Offenlegung der Dokumente zu einem anderen Ergebnis geführt hätte (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zum Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, Nr. 181, und Urteil Knauf Gips/Kommission, oben in Randnr. 119 angeführt, Randnr. 28). Es wäre lediglich darauf abzustellen, ob das betroffene Unternehmen eine – sei es auch nur entfernte – Möglichkeit dargetan hat, dass die im Verwaltungsverfahren nicht einsehbaren Schriftstücke für seine Verteidigung hätten von Nutzen sein können (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zum Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, Nr. 181, und Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnr. 131).

b) Würdigung im vorliegenden Fall

Einführung

121. Im vorliegenden Fall wirft die Klägerin der Kommission vor, sie habe in der angefochtenen Entscheidung andere belastende Tatsachen und Umstände berücksichtigt als in der Mitteilung der Beschwerdepunkte. Dies gelte für die Teilnehmer und die Dauer sowie für den räumlichen Umfang und die Beschreibung der Zuwiderhandlung. Auch stütze sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung auf Schriftstücke, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht erwähnt worden seien. Die Klägerin behauptet, sie habe sich zu diesen Punkten nicht äußern können.

Zur Rüge bezüglich der Teilnehmer und der Dauer des Kartells

122. Zum Vorbringen der Klägerin, es gebe hinsichtlich der Teilnehmer der Zuwiderhandlung Unterschiede, ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Zahl der Teilnehmer der Zuwiderhandlung im Vergleich zur Mitteilung der Beschwerdepunkte reduzierte. Wie oben in den Randnrn. 117 und 118 dargelegt, kann die Kommission im Verwaltungsverfahren ihre Beurteilung anpassen und sogar ändern, insbesondere in Anbetracht der Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte. Der Umstand, dass ein anderes Unternehmen als die Klägerin Adressatin der Mitteilung der Beschwerdepunkte, nicht aber der angefochtenen Entscheidung war, berührt nicht die Verteidigungsrechte der Klägerin. Die Kommission verletzte somit die Verteidigungsrechte der Klägerin nicht dadurch, dass sie die Zahl der Adressaten der angefochtenen Entscheidung reduzierte. Festzustellen ist im Übrigen, dass die Klägerin kein Argument zur Stützung dieser Auffassung vorgetragen hat.

123. Zur Dauer der Zuwiderhandlung ist festzustellen, dass die in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigte Dauer, nämlich vom 12. Juli bis zum 31. Dezember 2000, kürzer ist als die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angegebene Dauer vom 30. Juni 1997 bis zum 31. Dezember 2001. Die Kommission vertrat in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, es bestünden einige Anhaltspunkte dafür, dass es in der Aluminiumfluoridindustrie bereits vor der Mailänder Vereinbarung vom 12. Juli 2000 bestimmte abgestimmte Verhaltensweisen gegeben habe, dass aber kein ausschlaggebender Beweis für diesen früheren Zeitraum vorgelegen habe (73. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission reduzierte daher im Verwaltungsverfahren die Dauer der Zuwiderhandlung entsprechend dem Beweiswert der Beweismittel und wies darauf hin, dass sie mit dem Treffen in Mailand und den Beweisen für dieses Treffen und seinen Gegenstand über eindeutige Beweismittel für ein seit dem 12. Juli 2000 bestehendes Kartell verfüge (Erwägungsgründe 73 bis 76 und 144 der angefochtenen Entscheidung). Der Umstand, dass die angefochtene Entscheidung das Treffen in Mailand und nicht schon, wie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte geschehen, das Treffen in Griechenland am 29. Juli 1999 als Beweis für den Beginn der Zuwiderhandlung wertet, stellt somit eine Beschränkung der von der Kommission behaupteten Dauer der Zuwiderhandlung dar. Diese Beschränkung stellt keinen zusätzlichen Beschwerdepunkt dar und beeinträchtigte nicht die Interessen der Klägerin. Die Reduzierung der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte berücksichtigten Dauer der Zuwiderhandlung im Vergleich zu der in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigten Dauer wirkt vielmehr zugunsten der Klägerin und kann folglich ihre Interessen grundsätzlich nicht beeinträchtigen (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 435). Dies läuft letztlich auf einen zulässigen Teilverzicht der Kommission auf einen Beschwerdepunkt zugunsten der Klägerin hinaus (vgl. entsprechend Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Randnr. 118 angeführt, Randnr. 115).

124. Außerdem ist festzustellen, dass die Klägerin Gelegenheit hatte, zur Mitteilung der Beschwerdepunkte und auch zu den Angaben über die längere Dauer der Zuwiderhandlung, die die kürzere, letztlich in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigte Dauer einschloss, Stellung zu nehmen. Im Verwaltungsverfahren machte die Klägerin lediglich geltend, dass „die Dauer auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Informationsaustauschs, also den 12. Juli 2000, zu begrenzen ist“ (168. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung unter Bezugnahme auf den 245. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

125. Somit hat die Kommission die Verteidigungsrechte der Klägerin in der angefochtenen Entscheidung auch im Zusammenhang mit der Dauer der Zuwiderhandlung nicht verletzt.

Zur Rüge bezüglich des räumlichen Umfangs des Kartells

126. Was die Rüge bezüglich des räumlichen Umfangs des Kartells betrifft, genügt die Feststellung, dass die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und in der angefochtenen Entscheidung jeweils eine weltweite Ausdehnung des Kartells berücksichtigte. Das räumliche Ausmaß der Zuwiderhandlung wird nämlich sowohl in Abschnitt 163 der Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch im 136. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung als weltweit eingestuft.

127. Entgegen den Ausführungen der Klägerin gibt es somit hinsichtlich des räumlichen Umfangs keine Abweichung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung. Zudem hatte die Klägerin die Möglichkeit, zur weltweiten Ausdehnung des Kartells, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte herangezogen wurde, Stellung zu nehmen. Somit ist festzustellen, dass die Verteidigungsrechte der Klägerin insoweit nicht verletzt wurden.

Zur Rüge bezüglich der Logik und der Struktur des Kartells und der Dokumente betreffend die Kontakte vom 8. und 9. November 2000

i) Einführung

128. Die Klägerin macht geltend, die in der angefochtenen Entscheidung beschriebene Zuwiderhandlung entspreche insbesondere hinsichtlich ihrer „Systematik“, ihrer „Struktur“ und ihres „Ziels“ nicht der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte beschriebenen Zuwiderhandlung.

129. Die wesentlichen Umstände, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung heranzog, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung zu begründen, entsprechen jedoch den Umständen, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführt worden waren. Hieraus folgt, dass diese Umstände der Klägerin bekannt waren und sie Gelegenheit hatte, sich im Verwaltungsverfahren zu ihnen zu äußern (vgl. Randnrn. 62 bis 70 der Antwort der Klägerin auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte). Das Treffen in Mailand und dessen wichtige Rolle waren somit bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte hinreichend bezeichnet (vgl. Abschnitte 103 bis 116, 151, 163 bis 165, 200 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). In Randnr. 16 der Klageschrift führt die Klägerin selbst die Mitteilung der Beschwerdepunkte dafür an, dass das Treffen in Mailand zusammen mit dem Treffen in Griechenland den „Kulminationspunkt des Kartells“ gebildet habe.

130. Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe die angefochtene Entscheidung auf Schriftstücke gestützt, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht genannt worden seien, insbesondere auf die Dokumente betreffend die Kontakte vom 8. und 9. November 2000. Im Verwaltungsverfahren habe die Klägerin keine Gelegenheit gehabt, zu den Kontakten, die nach dem Treffen in Mailand stattgefunden hätten, Stellung zu nehmen.

ii) Zum Inhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte

131. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte ging die Kommission davon aus, dass es seit 1997 Kontakte gegeben habe (Abschnitte 76 ff.); sie nennt ein Treffen in Griechenland am 29. Juli 1999 (Abschnitte 85 ff.) sowie „spätere Kontakte“ (Abschnitte 92 ff.) und das Treffen in Mailand (Abschnitte 103 ff.). Die Mitteilung der Beschwerdepunkte führt in der Sachverhaltsdarstellung bezüglich der Arbeitsweise des Kartells Kontakte zwischen den Mitgliedern des Kartells auf, darunter auch Kontakte, die nach dem Treffen in Mailand stattfanden. Die Kommission ging davon aus, dass „[n]ach dem Treffen in Mailand … die Unternehmen, die an der getroffenen Vereinbarung beteiligt waren, im Wege bilateraler Kontakte weiterhin Informationen über den Aluminiumfluoridmarkt [austauschten]“ (Abschnitt 117). Sie nennt insoweit ausdrücklich Kontakte vom 25. Oktober 2000, Kontakte im Laufe des Jahres 2001, eine Konferenz, die vom 17. bis zum 21. Februar 2002 stattgefunden habe, eine weitere Konferenz in San Diego, Kalifornien (Vereinigte Staaten), am 6. März 2003 sowie Kontakte im Januar 2004 und am 21. Januar 2005 (Abschnitte 118 bis 123). Die Kommission führt ferner aus, dass das Kartell durchgeführt worden sei und dass sie dies bei ihrer Würdigung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigen werde (Abschnitt 227).

132. Bezüglich der Dauer der Zuwiderhandlung ging die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte davon aus, dass die Zuwiderhandlung am 30. Juni 1997, dem Zeitpunkt des Treffens in Sousse (Tunesien), begonnen habe, dass die Intensität der Zuwiderhandlung seit dem Treffen in Griechenland am 29. Juli 1999, „als die endgültige Vereinbarung über die Preiserhöhung für die Verkäufe im Jahr 2000 geschlossen wurde und in Kraft trat“, zugenommen habe und dass eine ähnliche Vereinbarung am 12. Juli 2000 in Mailand für die Verkaufspreise im Jahr 2001 geschlossen worden sei. Die Kommission schloss hieraus, dass die Zuwiderhandlung im Fall von Fluorsid, der Klägerin und von IQM „zumindest bis zum 31. Dezember 2001“ fortgesetzt worden sei, wobei das Ende des Zeitraums, in dem die genannte Vereinbarung durchgeführt worden sei, dem Ende des Zeitraums entsprochen habe, in dem die von der Vereinbarung erfassten Umsätze getätigt worden seien (Abschnitt 216).

iii) Zum Inhalt der angefochtenen Entscheidung

133. In den Erwägungsgründen 155 und 156 der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission „bilaterale Kontakte im Herbst 2000“ an, insbesondere die Kontakte vom 25. Oktober 2000 sowie vom 8. und 9. November 2000. Die letztgenannten Kontakte seien ein Beleg dafür, dass die Durchführung der bei dem Treffen in Mailand geschlossenen Vereinbarung überwacht worden sei. Im 239. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung bezieht sich die Kommission im Zusammenhang mit der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße erneut auf die Dokumente, die die Kontakte vom 8. und 9. November 2000 bezüglich der Durchführung der Zuwiderhandlung betreffen. Sie führt aus, sie habe den Grad der Ausführung der Zuwiderhandlung berücksichtigt, um den heranzuziehenden Anteil am Umsatz festzulegen, und verweist insbesondere auf die Erwägungsgründe 154 bis 156 der angefochtenen Entscheidung.

134. Bezüglich der Dauer der Zuwiderhandlung geht die Kommission in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass die Zuwiderhandlung zumindest vom 12. Juli bis zum 31. Dezember 2000 gedauert habe (Erwägungsgründe 241 und 147 der angefochtenen Entscheidung). Gemäß dem 146. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung „werden die Lieferverträge innerhalb eines Zeitraums, der im Laufe des zweiten Halbjahrs eines Kalenderjahrs beginnt und mit Ablauf des betreffenden Kalenderjahrs oder in den ersten fünf Monaten des folgenden Kalenderjahrs endet, im Voraus ausgehandelt“. Die Kommission ging somit davon aus, dass es in der Aluminiumfluorid-Branche Praxis sei, die Preise im Voraus für das folgende Geschäftsjahr festzulegen.

135. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Dokumente bezüglich der nach dem Treffen in Mailand stattgefundenen Kontakte, darunter die Kontakte vom 8. und 9. November 2000, in dem Teil der angefochtenen Entscheidung, der sich mit der Dauer der Zuwiderhandlung befasst, nicht erwähnt werden.

iv) Würdigung

– Zum Zugang zu den fraglichen Dokumenten während des Verwaltungsverfahrens

136. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte stützte sich auf Dokumente bezüglich der oben in Randnr. 131 angeführten Kontakte, die nach dem Treffen in Mailand stattfanden. Es ist jedoch festzustellen, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht ausdrücklich die Dokumente anführt, die sich auf die bilateralen Kontakte vom 8. und 9. November 2000 beziehen, die aber in der angefochtenen Entscheidung erwähnt werden.

137. Die genannten Dokumente bezüglich der Kontakte vom 8. und 9. November 2000 waren indessen in der Verwaltungsakte der Kommission enthalten, die diese Dokumente den Beteiligten des Verwaltungsverfahrens, unter ihnen die Klägerin, zusammen mit der Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelte, damit die Verteidigungsrechte und die Rechte auf Akteneinsicht ausgeübt werden konnten. Die Klägerin hatte somit Zugang zu allen diesen Dokumenten. Infolgedessen unterscheidet sich die Situation im vorliegenden Fall erheblich von den Fällen, in denen die Akteneinsicht oder der Zugang zu bestimmten Dokumenten verweigert wurde und in denen die Rechtsprechung eine Verletzung der Verteidigungsrechte bejaht hat. Es ist nämlich unstreitig, dass zum einen die Klägerin vollständige Einsicht in die Akten einschließlich der Dokumente bezüglich der Kontakte vom 8. und 9. November 2000 erhielt und dass zum anderen die Kontakte, die nach dem Treffen in Mailand stattfanden, ausdrücklich, wenn auch nur allgemein, in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnt wurden.

– Zur Bedeutung der fraglichen Dokumente für die Beurteilung der Ausführung der Zuwiderhandlung

138. Sowohl die bilateralen Kontakte vom 8. und 9. November 2000, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht ausdrücklich erwähnt wurden, als auch die dort ausdrücklich erwähnten Kontakte bestätigen, dass die Klägerin an dem Kartell und an dessen Durchführung, die nach dem Treffen in Mailand erfolgte, beteiligt war. Es war jedoch insoweit ausreichend, dass die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Beurteilung der Frage, ob eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung vorlag und ausgeführt wurde, auf verschiedene Beweise stützte, zu denen das Treffen in Mailand sowie bilaterale und multilaterale Kontakte nach diesem Treffen, insbesondere ein Kontakt am 25. Oktober 2000, gehörten. Schon allein die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten Beweise reichten nämlich aus, um der Klägerin vor Augen zu führen, dass die Kommission die genannten Beweise als belastende Beweismittel gegen sie verwenden konnte. Angesichts der Dokumente bezüglich der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnten Kontakte, die nach dem Treffen in Mailand stattfanden, waren die Dokumente betreffend die Kontakte vom 8. und 9. November 2000 somit für den Nachweis, dass eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung vorlag und ausgeführt wurde, nicht erforderlich. So bezieht sich die Kommission im 156. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, insbesondere in Fn. 120, auch auf den Kontakt vom 25. Oktober 2000, der bereits in Abschnitt 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannt worden war. Die Dokumente bezüglich der Kontakte vom 8. und 9. November 2000 waren demnach für das Ergebnis, zu dem die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gelangte, für sich genommen nicht ausschlaggebend, da eine über den 31. Dezember 2000 hinausgehende fortgesetzte Zuwiderhandlung und deren Ausführung bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte aufgrund anderer Beweismittel zur Last gelegt worden war.

139. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, wie von der oben in Randnr. 119 angeführten Rechtsprechung bestätigt worden ist, die Verteidigungsrechte nur verletzt sind, wenn die Möglichkeit besteht, dass ohne den Verfahrensfehler, hier die unterbliebene Bezugnahme auf die Dokumente bezüglich der Kontakte vom 8. und 9. November 2000, das Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.

140. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

141. Wie oben in Randnr. 137 ausgeführt worden ist, hatte die Klägerin Zugang zu den Dokumenten bezüglich der Kontakte vom 8. und 9. November 2000, ohne dass sie diesen Dokumenten im Rahmen des Verwaltungsverfahrens oder im Laufe des gerichtlichen Verfahrens entlastendes Material entnommen hätte. Zudem verzichtete die Klägerin im Stadium des Verwaltungsverfahrens sogar darauf, zu den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich erwähnten Kontakten, die nach dem Treffen in Mailand stattfanden, Stellung zu nehmen (Abschnitte 117 bis 123 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). Auch hat die Klägerin im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nicht substantiiert dargelegt, inwiefern im Verwaltungsverfahren die Wirksamkeit ihrer Verteidigung dadurch beeinträchtigt wurde, dass die genannten Dokumente in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht ausdrücklich angeführt worden waren, und wie sie sich wirksamer hätte verteidigen können, wenn sie bei dieser Gelegenheit ausdrücklich darüber informiert worden wäre, dass die Kommission die Dokumente vom 8. und 9. November 2000 in der angefochtenen Entscheidung als Beweis für ihre Teilnahme an der Zuwiderhandlung und deren Ausführung verwenden wollte. In Anbetracht der genannten Dokumente und der Tatsache, dass diese der Klägerin vollständig bekannt waren, ist vielmehr festzustellen, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass sie diesen Dokumenten im Hinblick auf eine Vereinbarung und deren Ausführung entlastendes Material hätte entnehmen können. Insoweit ist klarzustellen, dass die Kommission – im Rahmen der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung zum Zwecke der Festsetzung der Geldbuße – die Auswirkungen der fraglichen Zuwiderhandlung nicht berücksichtigte. Die Klägerin kann daher nicht nachweisen, dass der Umstand, dass sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte über die Absicht der Kommission, die fraglichen Dokumente als belastende Beweise zu verwenden, nicht informiert wurde, die Wirksamkeit ihrer Verteidigung beeinträchtigen und damit das Ergebnis der Kommission in der angefochtenen Entscheidung in Frage stellen konnte (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 17. Dezember 1991, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung, bestätigt durch Urteil vom 8. Juli 1999, Hercules Chemicals/Kommission, oben in Randnr. 120 angeführt, Randnr. 80).

– Zur Bedeutung der fraglichen Dokumente für die Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung

142. Sowohl in der Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch in der angefochtenen Entscheidung wurde die Dauer der Zuwiderhandlung nicht auf die nach dem Treffen in Mailand stattgefundenen Kontakte vom 8. und 9. November 2000 gestützt. In Bezug auf die Dauer der Zuwiderhandlung, die über das Treffen in Mailand hinausging, unterscheidet sich die angefochtene Entscheidung nicht von der Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der festgestellt worden war, dass die Zuwiderhandlung über das Treffen in Mailand hinaus angedauert habe, nämlich – was insbesondere die Klägerin angeht – bis zum 31. Dezember 2001. Die Klägerin war somit durchaus in der Lage, zu erkennen, welche Relevanz die Beweismittel bezüglich der nach dem Treffen in Mailand zwischen den betroffenen Unternehmen stattgefundenen Kontakte, wie sie sowohl in der Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch in der angefochtenen Entscheidung aufgeführt waren, für die Dauer der Zuwiderhandlung hatten, wobei die Kommission die Dauer im Wesentlichen daraus ableitete, dass es in der Aluminiumfluorid-Branche Praxis gewesen sei, die Preise im Voraus für das folgende Geschäftsjahr festzulegen. Unter Berücksichtigung dieser Praxis ging die Kommission aufgrund der bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich angeführten Beweise zu Recht davon aus, dass die Dauer der Zuwiderhandlung das gesamte fragliche Halbjahr bis zum 31. Dezember 2001 umfasste. Insoweit ist der zusätzliche Hinweis in der angefochtenen Entscheidung auf die Dokumente bezüglich der Kontakte vom 8. und 9. November 2000 ohne Bedeutung.

143. Ferner ist klarzustellen, dass die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigte Dauer die Mindestdauer einer Zuwiderhandlung ist, da Zeiträume von weniger als einem Halbjahr als Halbjahr gezählt werden und sich der auf den Grundbetrag der Geldbuße anzuwendende Multiplikationsfaktor in beiden Fällen auf lediglich 0,5 beläuft. Selbst wenn daher die Dauer der Zuwiderhandlung nur auf das Treffen in Mailand beschränkt wäre, ohne dass die Auswirkungen der dort getroffenen Vereinbarung und die nach diesem Treffen stattgefundenen Kontakte berücksichtigt würden, würde der Zeitfaktor für die Ermittlung der Geldbuße derselbe sein.

v) Ergebnis

144. Nach alledem wurden die Verteidigungsrechte der Klägerin nicht verletzt. Der erste Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

D – Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 und gegen die Leitlinien von 2006 bezüglich der Festsetzung der Geldbuße

1. Vorbemerkungen

145. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich im vorliegenden Fall um einen Anwendungsfall der Leitlinien von 2006 handelt.

146. Dieser Klagegrund besteht im Wesentlichen aus drei Teilen: erstens Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, zweitens fehlerhafte Anwendung der Leitlinien von 2006 bezüglich der Ermittlung des Umsatzes und drittens fehlerhafte Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße und des Zusatzbetrags.

147. Vorab ist auf die allgemeinen Grundsätze für die Festsetzung von Geldbußen hinzuweisen.

148. Nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 ist bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße, die bei einem Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu verhängen ist, die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.

149. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Schwere der Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Urteile des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, Slg. 2005, I-5425, Randnr. 241, Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 115 angeführt, Randnr. 54, und vom 24. September 2009, Erste Group Bank u. a./Kommission, C-125/07 P, C-133/07 P, C-135/07 P und C-137/07 P, Slg. 2009, I-8681, Randnr. 91).

150. Nach der Rechtsprechung sind bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen die Dauer der Zuwiderhandlungen sowie sämtliche Faktoren zu berücksichtigen, die für die Beurteilung der Schwere dieser Zuwiderhandlungen eine Rolle spielen, wie das Verhalten jedes einzelnen Unternehmens, die Rolle, die jedes Unternehmen bei der Abstimmung der Verhaltensweisen gespielt hat, der Gewinn, den die Unternehmen aus diesen Verhaltensweisen ziehen konnten, ihre Größe und der Wert der betroffenen Waren sowie die Gefahr, die derartige Zuwiderhandlungen für die Gemeinschaft bedeuteten (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C-386/10 P, Slg. 2011, I-13085, Randnr. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

151. Auch hat der Gerichtshof entschieden, dass objektive Gesichtspunkte wie Inhalt und Dauer der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, deren Zahl und Intensität, der Umfang des betroffenen Marktes und die Schädigung der öffentlichen Wirtschaftsordnung einzubeziehen sind. Bei der Analyse sind auch die relative Bedeutung und der Marktanteil der verantwortlichen Unternehmen sowie ein etwaiger Wiederholungsfall zu berücksichtigen (vgl. Urteil Chalkor/Kommission, oben in Randnr. 150 angeführt, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

152. Diese Vielzahl an Faktoren zwingt die Kommission zu einer gründlichen Prüfung der Umstände der Zuwiderhandlung (Urteil Chalkor/Kommission, oben in Randnr. 150 angeführt, Randnr. 58).

153. Um die Transparenz und Objektivität ihrer Entscheidungen, mit denen Geldbußen wegen des Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln festgesetzt werden, zu erhöhen, hat die Kommission Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen erlassen (Ziff. 3 der Leitlinien von 2006). In diesen Leitlinien legt die Kommission dar, inwieweit sie die einzelnen Umstände der Zuwiderhandlung berücksichtigt und welche Konsequenzen sich daraus für die Höhe der Geldbuße ergeben (Urteil Chalkor/Kommission, oben in Randnr. 150 angeführt, Randnr. 59).

154. Die Leitlinien – nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Verhaltensnorm, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthält und von der die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind, abweichen kann – beschreiben lediglich die Vorgehensweise der Kommission bei der Prüfung der Zuwiderhandlung und die Kriterien, zu deren Berücksichtigung sie sich verpflichtet, wenn sie die Höhe der Geldbuße festsetzt (vgl. Urteil Chalkor/Kommission, oben in Randnr. 150 angeführt, Randnr. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

155. Die Leitlinien sind nämlich ein Instrument, mit dem unter Beachtung höherrangigen Rechts die Kriterien präzisiert werden sollen, die die Kommission im Rahmen der Ausübung des ihr nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 zustehenden Ermessens bei der Festsetzung von Geldbußen anzuwenden gedenkt. Die Leitlinien stellen zwar nicht die Rechtsgrundlage für eine Entscheidung dar, mit der Geldbußen verhängt werden – diese Entscheidung beruht auf der Verordnung Nr. 1/2003 –, sie enthalten jedoch eine allgemeine und abstrakte Regelung der Vorgehensweise, die sich die Kommission zur Festsetzung der in dieser Entscheidung verhängten Geldbußen auferlegt hat, und schaffen damit Rechtssicherheit für die Unternehmen (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnrn. 209 bis 213, und Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, T-259/02 bis T-264/02 und T-271/02, Slg. 2006, II-5169, Randnrn. 219 und 223).

156. Auch wenn die Leitlinien somit nicht als Rechtsnorm qualifiziert werden können, die die Verwaltung auf jeden Fall zu beachten hat, stellen sie doch eine Verhaltensnorm dar, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthält und von der die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann, will sie nicht Gefahr laufen, gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung zu verstoßen (Urteile des Gerichtshofs Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnrn. 209 und 210, und vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, C-397/03 P, Slg. 2006, I-4429, Randnr. 91).

157. Gemäß Ziff. 5 der Leitlinien von 2006 in der Fassung, die für die vorliegende Rechtssache gilt, sollen die Geldbußen auf der Grundlage des Wertes der verkauften Waren oder Dienstleistungen berechnet werden, mit denen der Verstoß in Zusammenhang steht. Die Dauer der Zuwiderhandlung soll ebenfalls als wichtiger Gesichtspunkt berücksichtigt werden. Die Verbindung des Umsatzes auf den vom Verstoß betroffenen Märkten mit der Dauer der Zuwiderhandlung gibt die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens angemessen wieder. Gemäß Ziff. 6 der Leitlinien von 2006 vermitteln diese Gesichtspunkte Aufschluss über die Größenordnung der Geldbuße und sollten nicht als Grundlage für eine „automatische arithmetische Berechnungsmethode“ verstanden werden.

158. Gemäß den Ziff. 10 und 11 der Leitlinien von 2006 setzt die Kommission für die Berechnung der Geldbuße für jedes einzelne Unternehmen einen Grundbetrag fest, den sie anpassen kann.

159. Gemäß den Ziff. 12 und 13 der Leitlinien von 2006 richtet sich der Grundbetrag der Geldbuße nach dem Wert der Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen und von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauft wurden, im Regelfall im letzten vollständigen Geschäftsjahr, in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war. Gemäß Ziff. 15 dieser Leitlinien hat die Kommission die „zuverlässigsten Daten “ heranzuziehen, die von diesem Unternehmen „verfügbar“ sind.

160. Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 sieht Folgendes vor:

„Soweit sich eine Zuwiderhandlung in einem Gebiet auswirkt, das über das Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums (‚EWR‘) hinausreicht (beispielsweise weltweite Kartelle), gibt der innerhalb des EWR erzielte Umsatz das Gewicht der einzelnen Unternehmen bei der Zuwiderhandlung möglicherweise nicht angemessen wieder. Das ist insbesondere der Fall, wenn eine Aufteilung der Märkte weltweit vereinbart wurde.

Um in solchen Fällen sowohl den aggregierten Umsatz im EWR als auch das jeweilige Gewicht der einzelnen Unternehmen bei der Zuwiderhandlung wiederzugeben, kann die Kommission den Gesamtwert des Umsatzes mit den betreffenden Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in Zusammenhang stehen, im gesamten (über den EWR hinausreichenden) relevanten räumlichen Markt schätzen, den Anteil der einzelnen beteiligten Unternehmen am Umsatz auf diesem Markt ermitteln und diesen Anteil auf den aggregierten Umsatz derselben Unternehmen innerhalb des EWR anwenden. Das Ergebnis wird als Umsatz bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet.“

161. Nach Ziff. 19 der Leitlinien von 2006 wird zur Bestimmung des Grundbetrags ein bestimmter Anteil am Umsatz, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet, mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung multipliziert. Nach Ziff. 20 der Leitlinien von 2006 wird die Schwere der Zuwiderhandlung in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände beurteilt. Nach Ziff. 21 der Leitlinien von 2006 kann grundsätzlich ein Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festgesetzt werden.

2. Zum ersten Teil: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

162. Es ist darauf hinzuweisen, dass sich die Klägerin im Zusammenhang mit dem dritten Klagegrund auch auf einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes im Hinblick auf die Bemessung der Geldbuße bezieht, diesen Aspekt jedoch in der Begründung des Klagegrundes weder ausführt noch untermauert.

163. Nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts muss die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Diese Angaben müssen unabhängig von Fragen der Terminologie so klar und genau sein, dass dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht die Ausübung seiner Kontrolle ermöglicht wird. Nach ständiger Rechtsprechung muss das Gericht einen Antrag, der in einer bei ihm eingereichten Klageschrift enthalten ist, als unzulässig zurückweisen, wenn sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die er gestützt ist, nicht zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben (Urteil des Gerichtshofs vom 18. Juli 2006, Rossi/HABM, C-214/05 P, Slg. 2006, I-7057, Randnr. 37, Beschluss des Gerichtshofs vom 13. März 2007, Arizona Chemical u. a./Kommission, C-150/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 45, und Urteil des Gerichtshofs vom 16. Dezember 2010, AceaElectrable/Kommission, C-480/09 P, Slg. 2010, I-13335, Randnr. 28).

164. Insbesondere reicht es zwar aus, wenn das Vorbringen die Klagegründe ihrem Inhalt nach erkennen lässt, ohne diese rechtlich einzuordnen, doch gilt dies nur unter der Voraussetzung, dass die Klagegründe mit hinreichender Deutlichkeit aus der Klageschrift hervorgehen. Auch erfüllt die bloß abstrakte Aufzählung der Klagegründe die oben genannten Anforderungen nicht, da in der Klageschrift im Einzelnen darzulegen ist, worin der Klagegrund besteht, auf den die Klage gestützt wird. Diese Minimalanforderungen einer Klageschrift werden nicht erfüllt durch eine Klageschrift, die nicht einmal eine kurze Darstellung der Klagegründe oder der geltend gemachten rechtlichen Gründe enthält, aus denen der Beklagte entnehmen könnte, auf welche Gründe der Kläger seine Klage stützt, oder die verständlich machten, inwiefern die Anträge stichhaltig sein könnten (Urteile des Gerichts vom 27. November 1997, Tremblay u. a./Kommission, T-224/95, Slg. 1997, II-2215, Randnr. 79, und vom 26. März 2010, Proges/Kommission, T-577/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 19 bis 21).

165. Da sich die Klägerin somit darauf beschränkt, einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vorzutragen, ohne diesen Teil des Klagegrundes auch nur kurz zu erläutern, ist dieser Teil als unzulässig zurückzuweisen.

3. Zum zweiten Teil: fehlerhafte Anwendung der Leitlinien von 2006 bezüglich der Bestimmung des Umsatzes

a) Vorbemerkungen

166. Im vorliegenden Fall macht die Klägerin geltend, der Umsatz sei nach Ziff. 18 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen bestimmt worden, doch habe die Kommission bei der Anwendung dieser Ziffer zwei Fehler begangen. Erstens berücksichtige die angefochtene Entscheidung im 25. Erwägungsgrund für das Jahr 2000 einen weltweiten Umsatz von 34 339 694 Euro, den die Klägerin in ihrer Antwort vom 30. Oktober 2006 mitgeteilt habe. Diese Zahl entspreche nicht der zuverlässigsten Zahl, die beim Erlass der angefochtenen Entscheidung verfügbar gewesen sei. Am 25. April 2008 habe sie auf ausdrücklichen Wunsch der Kommission geprüfte Daten zur Verfügung gestellt, nach denen sich ihr Umsatz im Jahr 2000 auf 32 368 925 Euro belaufen habe, Daten, die die Kommission gemäß Ziff. 15 der Leitlinien von 2006 hätte zugrunde legen müssen. Zweitens habe die Kommission Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 nicht richtig angewandt. Die Kommission habe den Anteil der Umsätze der einzelnen Unternehmen in einem über den EWR hinausreichenden räumlichen Markt in Bezug auf die Umsätze der Kartellteilnehmer geschätzt. Diese Schätzung hätte in Bezug auf die Umsätze aller anderen auf dem Aluminiumfluoridmarkt tätigen Unternehmen erfolgen müssen. Hätte die Kommission die geprüften Zahlen verwendet, die niedriger als die berücksichtigten Zahlen gewesen seien, und die Ziff. 18 richtig angewandt, wäre sie zu einem Anteil gelangt, der geringer als der in der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Anteil von 28,5 % gewesen wäre.

167. Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und gelangt zu dem Schluss, dass dieser Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen sei.

168. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im vorliegenden Fall den von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung ermittelten Grundbetrag angreift, indem sie den von der Kommission ermittelten Umsatz sowie die Schwere der Zuwiderhandlung in Zweifel zieht. Sie stellt jedoch weder die Dauer der Zuwiderhandlung noch die Anpassungen des Grundbetrags in Frage.

169. Der vorliegende Teil untergliedert sich in zwei Abschnitte, nämlich in die unrichtige Verwendung der Umsatzzahlen zur Festsetzung der Geldbußen und in die fehlerhafte Anwendung der Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 durch Außerachtlassung der Umsätze von anderen, nicht am Kartell beteiligten Unternehmen.

b) Zu den von der Kommission verwendeten Zahlen

170. Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe unzutreffende Umsatzzahlen zur Festsetzung der Geldbußen verwendet.

171. Was den Grundbetrag angeht, bestimmen die Ziff. 12 und 13 der Leitlinien von 2006, dass sich dieser nach dem Wert der Waren oder Dienstleistungen richtet, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen und von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauft wurden, im Regelfall im letzten vollständigen Geschäftsjahr, in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war. Hierbei hat die Kommission die „zuverlässigsten Daten“ heranzuziehen (Ziff. 15 der Leitlinien von 2006).

172. Soweit sich eine Zuwiderhandlung in einem Gebiet auswirkt, das über das Gebiet des EWR hinausreicht, beispielsweise, wie hier, im Fall weltweiter Kartelle, gibt der innerhalb des EWR erzielte Umsatz gemäß Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 das Gewicht der einzelnen Unternehmen bei der Zuwiderhandlung möglicherweise nicht angemessen wieder, was insbesondere der Fall sein könnte, wenn eine Aufteilung der Märkte weltweit vereinbart wurde. In solchen Fällen kann die Kommission den Gesamtwert des Umsatzes, der mit dem Verstoß in Zusammenhang steht, im gesamten über den EWR hinausreichenden relevanten räumlichen Markt schätzen, den Anteil der einzelnen beteiligten Unternehmen am Umsatz auf diesem Markt ermitteln und diesen Anteil auf den aggregierten Umsatz derselben Unternehmen innerhalb des EWR anwenden.

173. Im vorliegenden Fall übermittelte die Klägerin bezüglich ihres sowohl weltweiten als auch innerhalb des EWR erreichten Absatzes von Aluminiumfluorid die Umsatzzahlen für die Jahre 1997 bis 2005 mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 sowie mit Schreiben vom 25. April 2008 für die Jahre 1999, 2000 und 2001. Im Schreiben vom 25. April 2008 war auch der Umrechnungskurs des tunesischen Dinars in Euro für die genannten Jahre angegeben, u. a. auch für das Jahr 2000.

174. In der angefochtenen Entscheidung setzte die Kommission den von der Klägerin im Jahr 2000 im EWR erzielten Umsatz auf 8 146 129 Euro fest und den Umsatz, der auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Markt, also auf dem Weltmarkt, erzielt wurde, auf 34 339 694 Euro (25. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission gab an, dass sie sich auf die von der Klägerin am 30. Oktober 2006 zur Verfügung gestellten Zahlen sowie auf die Schreiben der Klägerin vom 25. April und 12. Mai 2008 gestützt habe und dass sie für die Umrechnung des tunesischen Dinars in Euro den Kurs zugrunde gelegt habe, den die Klägerin in ihrem Schreiben vom 25. April 2008 mitgeteilt habe.

175. Bezüglich der im Dokument vom 25. April 2008 angeführten Umsätze heißt es dort, dass die Umsätze auf der Grundlage „fob ohne Kommission“ angegeben seien, d. h. frei von Kosten für Transport und Kommission. Um den Umsatz für die Festlegung des Grundbetrags der Geldbuße zu bestimmen, kommt es aber auf den Umsatz an, der den tatsächlichen Betrag des Geschäftsvorgangs vollständig wiedergibt. Daher ist der Umsatz in der Höhe zu berücksichtigen, wie er sich aus der Buchführung des Unternehmens ergibt. Die Kommission hat darüber hinaus vorgetragen, sie habe bezüglich der am 25. April 2008 vorgelegten Zahlen ein Auskunftsverlangen an die Klägerin gerichtet, das die Klägerin nicht vollständig beantwortet habe. Zudem ist auf Ziff. 16 der Leitlinien von 2006 hinzuweisen, wo es heißt, dass, wenn die von einem Unternehmen zur Verfügung gestellten Daten unvollständig oder unzuverlässig sind, die Kommission den Umsatz mittels der erhaltenen Teildaten oder jeder anderen von ihr als einschlägig oder geeignet erachteten Information bestimmen kann.

176. Wie die Kommission ausgeführt hat, entspricht überdies der Umsatz dem Preis, wie er dem Kunden in Rechnung gestellt wurde, ohne Abzug für Transportkosten oder sonstige Kosten. In diesem Zusammenhang ist an die Rechtsprechung zu erinnern, wonach bezüglich der Transportkosten davon auszugehen ist, dass, wenn ein Erzeuger die Absatzmengen auf Wunsch des Käufers an den Bestimmungsort liefert, die Transportleistung zum Verkauf des Erzeugnisses gehört. Der für diese Leistung geforderte Preis ist daher, auch wenn er dem Betrag entsprechen sollte, den der Verkäufer dem für diese Leistung eingeschalteten unabhängigen Spediteur zu zahlen hat, Teil des Gesamtkaufpreises (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95, Slg. 2000, II-491, Randnr. 5030).

177. Die Kommission durfte somit zu Recht davon ausgehen, dass die am 30. Oktober 2006 übermittelten Zahlen die im Sinne von Ziff. 15 der Leitlinien von 2006 zuverlässigsten Daten waren, die zur Verfügung standen. Der erste Abschnitt des ersten Teils des Klagegrundes, mit dem eine fehlerhafte Anwendung der Leitlinien von 2006 bezüglich der Bestimmung des Umsatzes geltend gemacht wird, ist folglich zurückzuweisen.

178. In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die Kommission im 229. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung feststellte, dass sich gemäß Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 der für die Klägerin festgesetzte Umsatz im EWR auf 6 739 601 Euro belaufen habe. Hierbei verwies die Kommission auf die von der Klägerin am 30. Oktober 2006 zur Verfügung gestellten Daten, denen zufolge ihr Umsatz im Jahr 2000 im EWR 8 146 129 Euro und auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Markt, also dem Weltmarkt, 34 339 694 Euro betragen habe (25. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

c) Zum Umsatz und zum Marktanteil

179. Was den zweiten Abschnitt dieses Teils des Klagegrundes betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung feststellte, dass nach Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 das jeweilige Gewicht der einzelnen Unternehmen dem Anteil ihrer im Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung stehenden Umsätze in dem vom Kartell betroffenen räumlichen Markt am aggregierten Umsatz aller betreffenden Unternehmen in diesem Markt entspreche. Dieser Anteil sei sodann auf den aggregierten Umsatz der Unternehmen im EWR anzuwenden, der im Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung stehe (232. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission stellte somit klar, dass die Frage, ob die unternehmensinternen Umsätze anderer Unternehmen zu berücksichtigen seien, und die Frage, wie der räumliche Markt genau zu bestimmen sei, ohne Bedeutung für die Festsetzung des Umsatzes und der endgültigen Geldbuße sei (233. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

180. Gemäß dem 32. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung stellen einige der „großen Aluminiumhersteller, also der großen Verbraucher von Aluminiumfluorid, … in bedeutendem Umfang ‚unternehmensintern‘ Aluminiumfluorid her, was bedeutet, dass sie (hauptsächlich) für ihren eigenen Gebrauch produzieren, selbst wenn sie während des Zuwiderhandlungszeitraums Aluminiumfluorid auch von anderen Herstellern bezogen haben“.

181. Die Klägerin stellt die Rechtmäßigkeit der Erwägungsgründe 232 ff. der angefochtenen Entscheidung in Frage, weil die Kommission in diesen Erwägungsgründen Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 fehlerhaft angewandt habe. Die Kommission habe es versäumt, die Umsätze anderer am Kartell nicht beteiligter Unternehmen zu berücksichtigen, zu denen Unternehmen mit einer „unternehmensinternen“ Produktion gehörten. Zudem habe sich die Kommission in Widerspruch zu ihrer eigenen Entscheidungspraxis gesetzt.

182. Angesichts dieser Rügen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Ziff. 18 der Leitlinien von 2006, um sowohl den aggregierten Umsatz im EWR als auch das jeweilige Gewicht der einzelnen Unternehmen bei der Zuwiderhandlung wiederzugeben, den Gesamtwert des Umsatzes mit den betreffenden Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in Zusammenhang stehen, im gesamten (über den EWR hinausreichenden) relevanten räumlichen Markt schätzen, den Anteil der einzelnen beteiligten Unternehmen am Umsatz auf diesem Markt ermitteln und diesen Anteil auf den aggregierten Umsatz derselben Unternehmen innerhalb des EWR anwenden kann. Das Ergebnis wird als Umsatz bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet.

183. Aus der Systematik und dem Wortlaut von Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 ergibt sich, dass die Wendung „den Gesamtwert des Umsatzes mit den betreffenden Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in Zusammenhang stehen“, so zu verstehen ist, dass damit der Gesamtwert des Umsatzes der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen gemeint ist, nicht aber der Gesamtwert des Umsatzes aller Unternehmen, die auf dem Markt tätig sind, auf dem die Unternehmen die Zuwiderhandlung begangen haben. Die Umsätze der Unternehmen, die an der Zuwiderhandlung nicht beteiligt sind, sind nämlich keine Umsätze, „die mit dem Verstoß in Zusammenhang stehen“.

184. Diese wörtliche Auslegung entspricht zudem der Systematik von Ziff. 18 der Leitlinien von 2006, die zum Ziel hat, dass sowohl der betreffende aggregierte Umsatz als auch das jeweilige Gewicht der einzelnen Unternehmen bei der Zuwiderhandlung wiedergegeben wird. Das letztgenannte Ziel setzt voraus, dass ausschließlich der Wert des Umsatzes derjenigen Unternehmen berücksichtigt wird, die an der Zuwiderhandlung beteiligt sind.

185. Die genannte Auslegung fügt sich schließlich in den Zusammenhang und die Systematik der gesamten Leitlinien von 2006 ein, die zum Ziel haben, die Geldbußen auf der Grundlage des Wertes des von der Zuwiderhandlung betroffenen Umsatzes zu berechnen. Wie die Kommission hervorhebt, entspricht der Wert der Umsätze, die nach Maßgabe der – im selben Abschnitt wie Ziff. 18 enthaltenen – Ziff. 13 und 14 der Leitlinien von 2006 berücksichtigt werden, dem Wert, den die Unternehmen aufgrund der Zuwiderhandlung erzielen.

186. Diese Auslegung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 auf den „Markt“ Bezug nimmt. Dieser „Markt“ bezieht sich nämlich nur auf den über den EWR hinausreichenden räumlichen Markt, der von den Umsätzen der am Verstoß beteiligten Unternehmen betroffen ist.

187. Die Klägerin macht daher zu Unrecht geltend, die Einhaltung der Leitlinien hätte die Kommission dazu gebracht, den Umsatz der übrigen Unternehmen und auch die unternehmensinterne Produktion von Wirtschaftsteilnehmern wie Alcan und Alcoa einzubeziehen.

188. Entgegen den Ausführungen der Klägerin wird die genannte Auslegung der Leitlinien von 2006 nicht in Frage gestellt durch die frühere Entscheidungspraxis der Kommission, wie sie sich aus der Entscheidung 2002/742/EG der Kommission vom 5. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/36.604 - Zitronensäure) (ABl. 2002, L 239, S. 18) ergibt und der zufolge die Höhe der Geldbußen entsprechend dem jeweiligen Gewicht, das die Beteiligten im Rahmen von über die Union hinausreichenden Kartellen haben, anzupassen wäre.

189. Nach der Rechtsprechung kann nämlich die Tatsache, dass die Kommission für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen in der Vergangenheit Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, ihr nicht die Möglichkeit nehmen, die Geldbußen innerhalb der Grenzen der Verordnung Nr. 1/2003 zu erhöhen, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union sicherzustellen. Vielmehr verlangt die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann. Das gilt nicht nur dann, wenn die Kommission das Niveau der Geldbußen durch die Verhängung von Geldbußen in Einzelentscheidungen anhebt, sondern auch, wenn diese Anhebung dadurch erfolgt, dass Verhaltensnormen mit allgemeiner Geltung wie die Leitlinien auf konkrete Fälle angewandt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnrn. 227 und 230).

190. Die frühere Entscheidungspraxis, auf die sich die Klägerin bezieht, beruhte auf der Mitteilung der Kommission vom 14. Januar 1998 über die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien von 1998).

191. Die Kommission wies in den Ziff. 3 bis 5 der Leitlinien von 2006 darauf hin, dass sie beabsichtige, ihre Geldbußenpolitik, die zum Ziel habe, Zuwiderhandlungen zu ahnden und andere Unternehmen von der Aufnahme oder Fortsetzung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG oder Art. 82 EG abzuhalten, weiter zu entwickeln und zu verfeinern. Um diese Ziele zu erreichen, hielt es die Kommission für angemessen, die Geldbußen auf der Grundlage des Wertes der verkauften Waren oder Dienstleistungen zu berechnen, mit denen der Verstoß in Zusammenhang steht. Somit hat die Kommission dargelegt, weshalb sie für die Festsetzung der Geldbuße eine neue Methode anwandte, nämlich wegen der Notwendigkeit, eine wirksamere Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union sicherzustellen, und die Klägerin hat nichts vorgetragen, was die Richtigkeit der geän derten Herangehensweise in Frage stellen könnte.

192. Infolgedessen waren die Bestimmungen der Leitlinien von 2006 nicht danach auszulegen, wie die Leitlinien von 1998 angewandt wurden.

193. Aus den vorstehend aufgeführten Gründen ist auch der zweite Abschnitt des zweiten Teils zurückzuweisen.

4. Zum dritten Teil: fehlerhafte Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße und fehlerhafte Anwendung des Zusatzbetrags

194. Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung Fehler begangen, und zwar konkret bei der Bewertung der Art der Zuwiderhandlung und bei der Analyse des Marktanteils der Adressaten der angefochtenen Entscheidung. Zudem habe die Kommission bei den Faktoren, die dem Grundbetrag der Geldbuße zugrunde gelegt worden seien, zu Unrecht die Ausführung der Zuwiderhandlung berücksichtigt.

195. Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe die Zuwiderhandlung falsch bewertet. Die der Klägerin zur Last gelegten Umstände könnten allenfalls als gelegentlicher Informationsaustausch bewertet werden und stellten weder einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht noch eine horizontale Vereinbarung zur Festsetzung von Preisen im Sinne der Ziff. 23 und 24 der Leitlinien dar. Die Bewertung in der angefochtenen Entscheidung als horizontale Vereinbarung zur Festsetzung von Preisen und damit als schwere Beschränkung des Wettbewerbs habe die Kommission veranlasst, den Grundbetrag gemäß Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 um einen Zusatzbetrag zu erhöhen. Die zur Last gelegte Zuwiderhandlung könne zudem nicht als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft werden. In diesem Zusammenhang macht die Klägerin erneut geltend, es liege eine Verletzung der Verteidigungsrechte vor, die es dem Gericht nicht erlaube, seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung auszuüben. Sie begehrt die Abänderung der Erwägungsgründe 236 und 242 der angefochtenen Entscheidung durch das Gericht.

196. Ihrer Ansicht nach weist der in der angefochtenen Entscheidung festgestellte gemeinsame Marktanteil von 35 % dem angeblichen Kartell ein unverhältnismäßiges wirtschaftliches Gewicht zu, da dieser Anteil ohne Berücksichtigung der unternehmensinternen Produktion der großen Aluminiumhersteller festgesetzt worden sei. Die Kommission habe damit eines der wesentlichen Kriterien für die Beurteilung der Schwere der in Rede stehenden Zuwiderhandlung falsch bewertet.

197. Schließlich sei die Kommission davon ausgegangen, dass die Absprache von Mailand über eine angebliche Preiserhöhung in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 überwacht worden sei, und beziehe sich auf die bilateralen Kontakte zwischen IQM und der Abteilung „Noralf“ von Boliden vom 25. Oktober 2000 sowie auf die Gespräche zwischen der Klägerin und Fluorsid im November 2000, obwohl diese bilateralen Kontakte in keinem Zusammenhang mit dem Treffen in Mailand gestanden hätten und der Klägerin nicht zur Last gelegten werden könnten, da sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht erwähnt worden seien. Da es keine Dokumente oder sonstigen stichhaltigen Beweismittel aus der Zeit nach dem Treffen in Mailand gebe, sei die Schlussfolgerung, dass das Kartell durchgeführt worden sei, nicht möglich. Hieraus folge, dass der Zusatzbetrag vollständig aufgehoben und der für die Festsetzung des Grundbetrags angewandte Prozentsatz von 17 % wesentlich herabgesetzt werden müsse.

198. Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und gelangt zu dem Schluss, dass dieser dritte Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen sei.

199. Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, was das Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 81 Abs. 1 EG angeht, zutreffend davon ausging, dass ein Kartell und eine horizontale Preis- und Marktaufteilungsabsprache zwischen den Beteiligten, unter ihnen die Klägerin, bestanden habe (vgl. oben, Randnrn. 66 bis 92). Dies kann an dieser Stelle nicht durch Ausführungen der Klägerin in Frage gestellt werden, die die von der Kommission verhängte Geldbuße betreffen.

200. Überdies ist die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin in Übereinstimmung mit Ziff. 23 der Leitlinien von 2006 in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass es sich vorliegend um einen Verstoß gehandelt habe, der vor allem in einer horizontalen Vereinbarung zur Festsetzung von Preisen bestanden habe, die ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen gehöre.

201. Demnach hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 anwandte, wo es heißt, dass, „unabhängig von der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung, … die Kommission einen Betrag zwischen 15 % und 25 % des Umsatzes [hinzufügt], um die Unternehmen … an der Beteiligung an horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen [und] Aufteilung von Märkten … abzuschrecken“, und sie gemäß Ziff. 22 der Leitlinien von 2006 Umstände wie die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligten Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis berücksichtigte.

202. In der angefochtenen Entscheidung ist die Kommission davon ausgegangen, dass der gemeinsame Marktanteil im Jahr 2000 im EWR nicht mehr als 35 % betragen habe (237. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, mit Verweis auf den 33. Erwägungsgrund dieser Entscheidung) und dass der von der Zuwiderhandlung betroffene räumliche Markt weltweit bestanden habe (238. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, mit Verweis auf den 136. Erwägungsgrund dieser Entscheidung). Die Kommission hat überdies darauf hingewiesen, dass sie einen Marktanteil von weniger als 35 % berücksichtigt habe, was sie veranlasste, den Grundbetrag nicht zu erhöhen. Diese die Schwere der Zuwiderhandlung betreffenden Umstände wurden von der Kommission, wie oben in den Randnrn. 199 bis 201 dargelegt, zutreffend festgestellt.

203. Was die Durchführung des Kartells betrifft, ist die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass die Absprache von Mailand in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 überwacht wurde. Die Kommission legte in der angefochtenen Entscheidung dar, dass zwischen den Adressaten der Entscheidung, unter ihnen die Klägerin, eine Vereinbarung bestanden habe. Sowohl der Abschluss einer Vereinbarung bei dem Treffen in Mailand als auch die bilateralen Kontakte nach diesem Treffen, insbesondere am 25. Oktober 2000, wurden nachgewiesen. Wie vorstehend im Rahmen des ersten Klagegrundes bezüglich des Vorliegens der Zuwiderhandlung ausgeführt, kontrollierten bei diesen bilateralen Kontakten die Adressaten der angefochtenen Entscheidung, insbesondere die Klägerin, gegenseitig das Preisniveau. Die Preise, die bei diesen nach dem Treffen in Mailand stattgefundenen Kontakten festgesetzt wurden, entsprachen der bei diesem Treffen getroffenen Absprache. Die Kommission durfte daher zu Recht davon ausgehen, dass sich die genannten Kontakte auf die beim Treffen in Mailand getroffene Absprache bezogen und somit ein Beweis für die Durchführung des Kartells sind.

204. Da, wie in den Randnrn. 66 bis 109 ausgeführt, der zweite Klagegrund zurückgewiesen wird und die angefochtene Entscheidung, in der das Bestehen einer Absprache sowie die Dauer und die Schwere dieser Absprache festgestellt wird, aufrechterhalten bleibt, ist dieser Teil des dritten Klagegrundes, mit dem eine fehlerhafte Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße geltend gemacht wird, als unbegründet zurückzuweisen.

205. Folglich konnte die Kommission zu Recht einen Anteil von 17 % des Umsatzes zur Bestimmung des Grundbetrags der gegen die Klägerin zu verhängenden Geldbuße festsetzen.

206. Obwohl die Dauer der Zuwiderhandlung von der Klägerin nicht in Frage gestellt wurde, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung feststellte, die Zuwiderhandlung habe „zumindest“ vom 12. Juli bis zum 31. Dezember 2000 gedauert, also weniger als ein halbes Jahr. Gemäß Ziff. 24 der Leitlinien von 2006 verwendete die Kommission bei der Multiplikation den Faktor 0,5. Ziff. 24 der Leitlinien von 2006 bestimmt nämlich, dass, um der Dauer der Mitwirkung der einzelnen Unternehmen an der Zuwiderhandlung in voller Länge Rechnung zu tragen, der nach dem Umsatz ermittelte Wert mit der Anzahl der Jahre multipliziert wird, die das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war, wobei Zeiträume bis zu sechs Monaten mit einem halben Jahr angerechnet werden.

207. Der dritte Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

E – Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 36 des Europa-Mittelmeer-Abkommens, das Fürsorgeprinzip und den völkerrechtlichen Grundsatz der Courtoisie

1. Vorbemerkungen

208. Die Klägerin macht geltend, die Wettbewerbsregeln des Europa-Mittelmeer-Abkommens fänden im vorliegenden Fall zumindest neben den Wettbewerbsregeln der Union Anwendung. Die Kommission habe aber die Anwendung des Art. 36 Abs. 1 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zugunsten der ausschließlichen Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union ausgeschlossen. Dabei habe sich die Kommission auf die Schutzklausel des Art. 36 Abs. 6 des Europa-Mittelmeer-Abkommens berufen. Einer solchen Maßnahme hätte eine Konsultation im Assoziationsausschuss vorausgehen müssen. Die Klägerin ist der Auffassung, die Nichteinhaltung des Verfahrens nach dem Europa-Mittelmeer-Abkommen stelle die Verletzung einer wesentlichen Förmlichkeit dar, deren Beachtung einen entscheidenden Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens hätte haben können. Das einseitige Vorgehen der Kommission verstoße nicht nur gegen Art. 36 des Europa-Mittelmeer-Abkommens, sondern auch gegen den völkerrechtlichen Grundsatz der Courtoisie sowie gegen die Fürsorgepflicht.

209. Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und gelangt zu dem Schluss, dass der vierte Klagegrund zurückzuweisen sei.

210. Wie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt ist, findet das Wettbewerbsrecht der Union auf ein Kartell Anwendung, dessen Auswirkungen sich auf den Binnenmarkt erstrecken, unabhängig davon, ob eines der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen in einem Drittland ansässig ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 25. November 1971, Béguelin Import, 22/71, Slg. 1971, 949, Randnrn. 22 bis 29, vom 27. September 1988, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, 89/85, 104/85, 114/85, 116/85, 117/85 und 125/85 bis 129/85, Slg. 1988, 5193, Randnrn. 11 bis 23, und Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Randnr. 118 angeführt, Randnrn. 69 bis 93).

2. Zum Europa-Mittelmeer-Abkommen

211. Das Europa-Mittelmeer-Abkommen zwischen der Gemeinschaft und Tunesien gehört zu den Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen, die zwischen der Gemeinschaft und sieben Ländern des südlichen Mittelmeerraums geschlossen wurden. Diese Abkommen bieten einen Rahmen für den politischen Nord-Süd-Dialog, bilden die Grundlage für die schrittweise Liberalisierung des Handels im Mittelmeerraum und legen die Voraussetzungen für die Zusammenarbeit in den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereichen zwischen der Gemeinschaft und den einzelnen Partnerländern fest.

212. Was das Europa-Mittelmeer-Abkommen betrifft, genügt unabhängig von dessen rechtlicher Natur und dessen Auswirkungen im Rahmen der Rechtsordnung der Union die Feststellung, dass das Abkommen dem anwendbaren Unionsrecht, insbesondere Art. 81 EG, nicht vorgeht und die Anwendung der letztgenannten Vorschrift nicht ausschließt. Art. 36 des Europa-Mittelmeer-Abkommens, auf den sich die Klägerin beruft, verpflichtet im Gegenteil die Vertragsparteien zur Anwendung des Wettbewerbsrechts und bestimmt ausdrücklich, dass alle Verhaltensweisen, die im Gegensatz zu diesem Recht stehen, nach den Kriterien beurteilt werden, die sich aus den Art. 81 EG, 82 EG und 87 EG ergeben (Art. 36 Abs. 2 des Europa-Mittelmeer-Abkommens). Art. 36 Abs. 6 des Europa-Mittelmeer-Abkommens sieht eine Konsultation im Assoziationsausschuss nur unter bestimmten Voraussetzungen vor, insbesondere wenn nach dem Wettbewerbsrecht eine Lösung des Problems nicht möglich ist.

213. Die angefochtene Entscheidung betrifft keine Verhaltensweise, die speziell den Handel zwischen der Europäischen Union und Tunesien beeinträchtigt, sondern eine Verhaltensweise mit weltweiter Wirkung, die den europäischen Markt beeinträchtigt. Die Kommission nahm in der angefochtenen Entscheidung ihre Befugnis wahr und wandte Art. 81 EG hinsichtlich der Beeinträchtigung des Wettbewerbs innerhalb des EWR an. Die angefochtene Entscheidung fällt dagegen nicht in den Anwendungsbereich des Europa-Mittelmeer-Abkommens und verstößt erst recht nicht gegen dieses Abkommen. Es bestand somit kein Grund für die Anwendung des Europa-Mittelmeer-Abkommens und seiner Mechanismen.

214. Das Vorbringen ist daher unbegründet und ist zurückzuweisen.

3. Zur internationalen Courtoisie und zum „Fürsorgeprinzip“

215. Was das Vorbringen der Klägerin betrifft, die internationale Courtoisie ( comitas gentium ) sei nicht beachtet worden, hat die Klägerin den geltend gemachten Grundsatz weder erläutert, noch dessen Wirkungen dargetan noch ausgeführt, weshalb der Grundsatz die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage stellt. Es ist nicht erkennbar, weshalb sich aus ihm ergeben würde, dass die Kommission, „bevor sie einseitig die gemeinschaftlichen Wettbewerbsbestimmungen anwendet, die tunesischen Behörden [hätte] kontaktieren müssen“.

216. Sofern im Übrigen das Vorbringen der Klägerin die Zuständigkeit der Gemeinschaft für die Anwendung ihrer Wettbewerbsvorschriften auf Verhaltensweisen wie die im vorliegenden Fall festgestellten in Frage stellen sollte (Urteil Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, oben in Randnr. 210 angeführt, Randnrn. 31 und 32), wäre es jedenfalls zurückzuweisen. Die Kommission ist nämlich für die Verfolgung und Ahndung von Verstößen gegen Art. 81 EG in Bezug auf den europäischen Markt zuständig. Ein solcher Verstoß wurde von der Kommission im vorliegenden Fall festgestellt. Unter diesen Umständen wird die Zuständigkeit der Kommission für die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft auf derartige Verhaltensweisen in Anbetracht der Regeln des Völkerrechts bestätigt (vgl. in diesem Sinne Urteil Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, oben in Randnr. 210 angeführt, Randnr. 18; vgl. auch entsprechend Urteil des Gerichts vom 25. März 1999, Gencor/Kommission, T-102/96, Slg. 1999, II-753, Randnrn. 89 ff.).

217. Was die von der Klägerin geltend gemachte angebliche „Fürsorgepflicht“ angeht, wonach sich die Kommission vor allem an die tunesischen Behörden hätte wenden müssen, wird diese weder substantiiert noch erläutert. Es ist somit nicht klar, worauf sich die Klägerin beruft. Im Übrigen legt sie auch nicht dar, inwiefern sich dieser allgemeine Grundsatz des Völkerrechts auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung auswirken würde.

218. Nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts muss die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Insoweit ist an die Grundsätze und die Rechtsprechung zu erinnern, die oben in den Randnrn. 163 und 164 angeführt worden sind.

219. Da die Klägerin lediglich vorgetragen hat, dass die „internationale Courtoisie“ nicht beachtet worden sei und dass es eine „Fürsorgepflicht“ gebe, ohne jedoch dieses Vorbringen, sei es auch nur kurz, zu erläutern, ist es als unzulässig zurückzuweisen.

220. Der vierte Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

221. Nach alledem sind die Nichtigkeitsanträge insgesamt zurückzuweisen. Was ferner den hilfsweise gestellten Antrag auf Abänderung der Höhe der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße betrifft, ist in Wahrnehmung der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung diesem Antrag aufgrund insbesondere der vorstehenden Erwägungen nicht stattzugeben.

222. Die Klage ist somit insgesamt abzuweisen.

Kosten

223. Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Industries chimiques du fluor trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.


URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

18. Juni 2013 ( *1 )

„Wettbewerb — Kartelle — Weltmarkt für Aluminiumfluorid — Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen festgestellt wird — Festsetzung der Preise und Aufteilung der Märkte — Nachweis der Zuwiderhandlung — Verteidigungsrechte — Übereinstimmung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung — Geldbußen — Leitlinien von 2006 zur Festsetzung der Geldbußen — Europa-Mittelmeer-Abkommen“

In der Rechtssache T-406/08

Industries chimiques du fluor (ICF) mit Sitz in Tunis (Tunesien), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte M. van der Woude und T. Hennen, dann Rechtsanwälte P. Wytinck und D. Gillet,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch É. Gippini Fournier, K. Mojzesowicz und N. von Lingen als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C(2008) 3043 der Kommission vom 25. Juni 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (COMP/39.180 – Aluminiumfluorid) betreffend eine Absprache auf dem Weltmarkt für Aluminiumfluorid, die sich auf die Festsetzung der Preise und die Aufteilung der Märkte weltweit bezog, sowie, hilfsweise, Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi (Berichterstatter) sowie der Richterin I. Labucka und des Richters S. Frimodt Nielsen,

Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2012

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

I – Sachverhalt

1

Die Entscheidung C(2008) 3043 der Kommission vom 25. Juni 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (COMP/39.180 – Aluminiumfluorid) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) betrifft eine Absprache auf dem Weltmarkt für Aluminiumfluorid, die sich auf die Festsetzung der Preise und die Aufteilung der Märkte weltweit bezog und an der die Klägerin, die Industries chimiques du fluor (ICF), aktiv beteiligt gewesen sein soll.

2

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft tunesischen Rechts, die an der Börse von Tunis (Tunesien) notiert ist und im Bereich Herstellung und Verkauf von Aluminiumfluorid tätig ist (23. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

3

Boliden Odda A/S (im Folgenden: Boliden) ist ein Unternehmen norwegischen Rechts, das im Bereich Herstellung und Verkauf von Zink und Aluminiumfluorid tätig ist (fünfter Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Am 23. März 2005 stellte Boliden bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften einen Antrag auf Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission von 2002 über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit). Im April 2005 übermittelte Boliden Einzelheiten und ergänzende Auskünfte und gab mündliche Erklärungen ab. Am 28. April 2005 gewährte die Kommission Boliden einen bedingten Geldbußenerlass nach Nr. 8 Buchst. a der Mitteilung über Zusammenarbeit (56. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

4

Am 25. und 26. Mai 2005 nahm die Kommission gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) in den Räumen europäischer Lieferanten von Aluminiumfluorid Untersuchungen vor (57. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), insbesondere in den Räumen von Fluorsid SpA, einer Gesellschaft italienischen Rechts, von Alufluor AB, Derivados del Fluor, SA und C.E. Giulini & C. Srl.

5

Am 23. und 31. August 2006 befragte die Kommission Herrn O., den ehemaligen Vertriebsleiter von Boliden in der Abteilung Aluminiumfluorid „Noralf“, gemäß Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 (58. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

6

Zwischen September 2006 und Februar 2007 sandte die Kommission gemäß Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 mehrere Auskunftsverlangen an die Unternehmen, gegen die sich das Verwaltungsverfahren damals richtete, insbesondere an die Klägerin, an Boliden, an Alufluor, an Derivados del Fluor, an Fluorsid, an C.E. Giulini & C., an Minmet, eine Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz und Hauptaktionär von Fluorsid, und an Industrial Quimica de Mexico (IQM), eine Gesellschaft mexikanischen Rechts. Die genannten Gesellschaften kamen den Auskunftsverlangen nach (59. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

7

Am 29. März 2007 legte Fluorsid bei einem Treffen mit der Kommission eine Reihe von Dokumenten vor. Am 22. April 2007 stellte Fluorsid aufgrund der Mitteilung über Zusammenarbeit einen „Antrag auf Geldbußenerlass oder auf Herabsetzung der Geldbuße“, den die Kommission als einen Antrag auf Ermäßigung der Geldbuße auslegte. Am 27. Mai 2007 legte Fluorsid einen Nachtrag zu diesem Antrag vor. Am 13. Juli 2007 teilte die Kommission Fluorsid mit, dass sie ihr keine Geldbußenermäßigung gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit gewähren werde (Erwägungsgründe 60 sowie 248 und 249 der angefochtenen Entscheidung).

8

Am 24. April 2007 leitete die Kommission u. a. gegen die Klägerin, Boliden, Fluorsid, Minmet und IQM förmlich das Verfahren ein und verabschiedete eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die am 25. April 2007 an die genannten Unternehmen übersandt und ihnen zwischen dem 26. und 30. April 2007 zugestellt wurde. Zugleich gewährte die Kommission den genannten Adressaten Einsicht in die Akten in Form von CD-ROMs (61. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

9

Mit Ausnahme vom Boliden nahmen die Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu den gegen sie angeführten Beschwerdepunkten Stellung (62. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

10

Am 13. September 2007 fand eine mündliche Anhörung statt, an der alle Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte teilnahmen (63. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

11

Am 11. und 14. April 2008 richtete die Kommission Auskunftsverlangen an sämtliche Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte, in denen diese aufgefordert wurden, ihren Gesamtumsatz und ihren Umsatz mit Aluminiumfluorid mitzuteilen sowie nähere Angaben zu allen Änderungen zu machen, die hinsichtlich Tätigkeit und Eigentum bevorstünden (64. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

II – Angefochtene Entscheidung

A – Verfügender Teil der angefochtenen Entscheidung

12

Der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung lautet wie folgt:

„Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben durch ihre Beteiligung an einer Vereinbarung und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweise in der Aluminiumfluorid-Branche gegen Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen verstoßen:

a)

Boliden …

b)

Fluorsid … und Minmet …

c)

[ICF]

d)

[IQM] und Q.B. Industrias S.A.B.

Artikel 2

Für die in Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen festgesetzt:

a)

Boliden … : 0 EUR;

b)

Fluorsid … und Minmet … gesamtschuldnerisch: 1600000 EUR;

c)

[ICF]: 1700000 EUR;

d)

[IQM] und Q.B. Industrias S.A.B. gesamtschuldnerisch: 1670000 EUR.

…“

B – Begründung der angefochtenen Entscheidung

13

In der Begründung der angefochtenen Entscheidung vertrat die Kommission im Wesentlichen folgende Auffassung.

1. Zur Aluminiumfluorid-Branche

14

Das Aluminiumfluorid sei eine zur Herstellung von Aluminium verwendete chemische Verbindung, die den für den Schmelzvorgang erforderlichen Stromverbrauch bei der Herstellung von Hüttenaluminium senke und damit erheblich zur Reduzierung der Herstellungskosten von Aluminium beitrage. Die Aluminiumhersteller seien die hauptsächlichen Verbraucher von Aluminiumfluorid. Die Aluminiumproduktion belaufe sich weltweit auf jährlich mehr als 20 Mio. Tonnen, von denen ungefähr 30 % in Europa hergestellt würden (Erwägungsgründe 2 und 3 der angefochtenen Entscheidung).

15

Im Jahr 2000 habe sich der von der Klägerin erzielte Absatz von Aluminiumfluorid im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) auf 8146129 Euro und weltweit auf 34339694 Euro belaufen. Im Jahr 2007 habe der weltweite Umsatz einen Betrag von 36891574 Euro erreicht (25. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

16

Im Jahr 2000 habe der geschätzte gesamte Marktwert des auf dem freien Markt des EWR verkauften Aluminiumfluorids bei 71600000 Euro gelegen. Der Marktwert des Aluminiumfluorids, das auf dem vom Kartell betroffenen freien Weltmarkt verkauft worden sei, habe im Jahr 2000 bei 340000000 Euro gelegen. Der geschätzte gemeinsame Marktanteil der von der angefochtenen Entscheidung betroffenen Unternehmen betrage 33 % auf dem Markt des EWR und 35 % auf dem Weltmarkt (33. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

17

Aluminiumfluorid werde weltweit gehandelt. Der Handelsverkehr verlaufe aus den Vereinigten Staaten in den EWR und aus dem EWR in die Vereinigten Staaten, nach Afrika, Südamerika und Australien (35. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Klägerin setze erhebliche Mengen des genannten Erzeugnisses im EWR ab (36. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Seit 1997 würden die Hersteller vom Verband der Aluminiumfluoridindustrie, der Inorganic Fluorine Producers Association (IFPA) (Verband der Hersteller anorganischer Fluoride [IFPA]), weltweit vertreten (38. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

2. Das Treffen in Mailand und die Durchführung des Kartells

18

Die Kommission führt aus, gewisse abgestimmte Verhaltensweisen habe es in der Aluminiumfluoridindustrie bereits in der Zeit zwischen der Gründung der IFPA im Jahr 1997 und dem Treffen in Mailand (Italien) vom 12. Juli 2000 gegeben, es lägen insoweit jedoch keine überzeugenden Belege vor (73. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Bei dem Treffen in Mailand seien Vertreter von Fluorsid, der Klägerin und von IQM anwesend gewesen, während ein Vertreter aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden per Telefon an diesem Treffen teilgenommen habe. Bei diesem Treffen seien die genannten Unternehmen übereingekommen, die Preise um 20 % zu erhöhen. Sie hätten verschiedene Erdteile, darunter Europa, auf die Durchsetzbarkeit eines allgemeinen Preisniveaus und gegebenenfalls einer Marktaufteilung geprüft. Gemäß ihrer Vereinbarung habe das allgemeine Ziel darin bestanden, ein höheres Preisniveau zu erreichen und jede Preisermäßigung von Bedeutung zu verhindern. Die Teilnehmer hätten auch vertrauliche geschäftliche Informationen ausgetauscht. Die Kommission stützte sich insoweit auf das Protokoll von Herrn R., dem Vertreter von Fluorsid, die Notizen von Herrn O., dem Vertreter aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden, und die Erklärung von Herrn O. (Erwägungsgründe 77 bis 91 der angefochtenen Entscheidung).

19

Nach dem Treffen in Mailand hätten die betreffenden Unternehmen untereinander Verbindung gehalten (93. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

20

Am 25. Oktober 2000 hätten Herr T. aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden und Herr A. von IQM telefonisch Informationen über ihre Angebote an einen Kunden in Australien ausgetauscht, darunter Informationen über die Preishöhe, die Vertragsdauer und die Angebotsmenge. Der Inhalt dieses Telefongesprächs sei seinerzeit in einer handschriftlichen Notiz von Herrn T. festgehalten worden, die an den ebenfalls der Abteilung „Noralf“ angehörenden Herrn O. gerichtet gewesen sei (94. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

21

Am 8. November 2000 habe Herr C., der Geschäftsführer von Minmet, an Fluorsid eine Notiz über ein Telefongespräch gesandt, das er am selben Tag mit Herrn G., einem Mitarbeiter der Klägerin, über die Verkaufspreise von Aluminiumfluorid geführt habe (95. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

22

Am 9. November 2000 habe Minmet an Fluorsid ferner das Protokoll eines Treffens mit der Klägerin in Lausanne (Schweiz) gesandt, das sich mit der Kundschaft und den Preisen auf bestimmten Märkten, insbesondere Brasilien und Venezuela, befasst habe (96. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

3. Zur Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 EWR-Abkommen

23

Die Kommission gelangte zu dem Ergebnis, dass das Treffen in Mailand und die nachfolgenden Handlungen zu dessen Durchführung alle Merkmale einer Vereinbarung und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 EG bzw. Art. 53 EWR-Abkommen erfüllten (Erwägungsgründe 115 bis 122 der angefochtenen Entscheidung) und dass dieses Kartell eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung darstelle (Erwägungsgründe 123 bis 129 der angefochtenen Entscheidung).

24

Diese Zuwiderhandlung habe eine Einschränkung des Wettbewerbs in der Gemeinschaft und im EWR bezweckt (Erwägungsgründe 130 bis 135 der angefochtenen Entscheidung), wobei sich jedoch der räumliche Umfang der Zuwiderhandlung auf die ganze Welt erstreckt habe und die im Protokoll des Treffens in Mailand genannten Gebiete betroffen habe, nämlich insbesondere Europa, die Türkei, Australien, Südamerika, Südafrika und Nordamerika (136. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

25

Das Kartell sei geeignet gewesen, spürbare Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten „und/oder“ zwischen den Vertragsparteien des EWR-Abkommens zu haben (Erwägungsgründe 137 bis 142 der angefochtenen Entscheidung).

4. Zur Dauer der Zuwiderhandlung

26

Trotz der Hinweise, dass sich die Aluminiumfluoridhersteller bereits in der zweiten Hälfte der 90er Jahre auf abgestimmte Verhaltensweisen eingelassen hatten, vor allem im Anschluss an ein Treffen, das 1999 in Griechenland stattgefunden hatte, war die Kommission der Ansicht, dass ihr überzeugende Belege für das Bestehen eines Kartells erst für die Zeit „zumindest“ ab dem 12. Juli 2000, dem Zeitpunkt des Treffens in Mailand, vorlägen (144. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

27

In der Aluminiumfluorid-Branche würden die Lieferverträge innerhalb eines Zeitraums, der im Laufe des zweiten Halbjahrs eines Kalenderjahrs beginne und mit Ablauf des betreffenden Kalenderjahrs oder in den ersten fünf Monaten des folgenden Kalenderjahrs ende, im Voraus ausgehandelt. Dies gelte auch für mehrjährige Verträge. In bestimmten mehrjährigen Verträgen sei noch eine Aushandlung der Preise am Ende des Kalenderjahrs oder einer halbjährliche Überprüfung der Preise am Ende des Halbjahrs vorgesehen gewesen. Das Protokoll des Treffens in Mailand bestätige, dass es in der Branche Praxis gewesen sei, die Preise im Voraus für das folgende Geschäftsjahr festzulegen. Die Kommission schloss hieraus, dass das Ergebnis der kollusiven Gespräche im Juli 2000 bei den Verhandlungen herangezogen worden sei, die im Laufe des zweiten Halbjahrs des Jahres 2000 geführt worden seien (146. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

28

Die Kommission gelangte daher zu dem Schluss, dass sich das Kartell durch die Handlungen seiner Mitglieder „zumindest“ bis zum 31. Dezember 2000 fortgesetzt wettbewerbswidrig ausgewirkt habe (147. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

5. Zur Bemessung der Geldbuße

29

Die Kommission setzte mit dem Hinweis, dass nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) „zur Bestimmung des Grundbetrags ein bestimmter Anteil am Umsatz, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet, mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung multipliziert [wird]“ (234. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), den Grundbetrag der gegen die Klägerin zu verhängenden Geldbuße auf 1700000 Euro fest (243. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

30

Im vorliegenden Fall habe die Zuwiderhandlung vor allem in einer horizontalen Preisabsprache bestanden, die ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen gehöre. Dies müsse sich in dem Anteil am Umsatz, der berücksichtigt werde, widerspiegeln (236. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Der geschätzte gemeinsame Marktanteil der Unternehmen, die an dieser Zuwiderhandlung beteiligt gewesen seien, sei im Jahr 2000 nicht größer als 35 % im EWR gewesen (237. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Räumlich habe sich das Kartell auf die ganze Welt erstreckt (238. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission „berücksichtigte bei der Festlegung des heranzuziehenden Anteils am Umsatz auch den Grad der Ausführung der Zuwiderhandlung [Erwägungsgründe 134 und 135, 154 bis 156, 172 und 185 der angefochtenen Entscheidung]“ (239. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

31

Angesichts der vorstehend angeführten Gesichtspunkte bezüglich der Art der Zuwiderhandlung und ihres räumlichen Umfangs gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass sich der Anteil am Umsatz des einzelnen Unternehmens, anhand dessen der Grundbetrag der zu verhängenden Geldbußen zu ermitteln sei, auf 17 % belaufe (240. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

32

Da die Zuwiderhandlung „zumindest“ vom 12. Juli 2000 bis zum 31. Dezember 2000 gedauert habe, betrage der auf den Grundbetrag anzuwendende Multiplikationsfaktor 0,5 (241. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Der Zusatzbetrag, um die Unternehmen von der Beteiligung an horizontalen Preisabsprachen wie im vorliegenden Fall von vornherein abzuschrecken, belaufe sich auf 17 % des Umsatzwerts (242. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

33

Die Kommission ermittelte die gegen die Kartellbeteiligten zu verhängenden Grundbeträge der Geldbuße wie folgt:

Boliden: 1 Mio. Euro;

Fluorsid und Minmet: 1,6 Mio. Euro;

ICF: 1,7 Mio. Euro;

IQM, Q.B. Industrias S.A.B.: 1,67 Mio. Euro.

34

Gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit gewährte die Kommission Boliden letzten Endes den Erlass der Geldbuße; Boliden wurde von jeder Geldbuße befreit.

6. Zu den mildernden Umständen

35

Die Kommission war der Ansicht, die von der Klägerin beigebrachten Beweismittel belegten weder, dass ihr tatsächliches Marktverhalten „geeignet war, die wettbewerbswidrigen Wirkungen der festgestellten Zuwiderhandlung aufzuheben, noch dass sie sich auf dem Markt während des Zeitraums der Zuwiderhandlung stets unabhängig verhielt“. Die in den Akten der Kommission enthaltenen Beweise zeigten vielmehr, dass die Klägerin bilaterale Kontakte mit ihren Mitbewerbern auch noch nach dem Treffen in Mailand unterhalten habe (Erwägungsgründe 245 bis 247 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission stellte zugunsten der Klägerin keinen mildernden Umstand fest, der zu einer Ermäßigung der Geldbuße hätte führen können.

36

Die Kommission gelangte zu dem Ergebnis, dass die nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 gegen die Klägerin zu verhängende Geldbuße 1,7 Mio. Euro betragen solle (276. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

Verfahren und Anträge der Parteien

37

Die Klägerin hat mit E-Mail und mit Telefax, die am 19. bzw. 20. September 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, die vorliegende Klage erhoben. Die Papierfassung der Klageschrift ist bei der Kanzlei am 24. September 2008 eingegangen. Die Übermittlung der Klageschrift erfolgte in allen Fällen unter Begleitung eines Anschreibens.

38

Die Klägerin hat am 27. Oktober 2008 nach Aufforderung durch das Gericht zu der Frage Stellung genommen, ob die am 24. September 2008 eingegangene Papierfassung die Urschrift der Klageschrift darstellt.

39

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

hilfsweise, die gegen sie verhängte Geldbuße erheblich herabzusetzen;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

40

Die Kommission beantragt,

die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

41

Das Gericht (Erste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

42

Da ein Richter an der weiteren Mitwirkung am Verfahren gehindert war, hat der Präsident des Gerichts gemäß Art. 32 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts einen anderen Richter bestimmt, durch den die Kammer ergänzt wird.

43

Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung hat das Gericht die Kommission aufgefordert, bestimmte Dokumente vorzulegen und Fragen schriftlich zu beantworten. Die Kommission hat diesen prozessleitenden Maßnahmen innerhalb der dafür gesetzten Frist Folge geleistet.

44

Die Parteien haben in der Sitzung vom 14. Juni 2012 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet

Rechtliche Würdigung

I – Zur Zulässigkeit der Klage

45

Die Kommission erhebt eine Einrede der Unzulässigkeit der vorliegenden Klage.

46

Die angefochtene Entscheidung vom 25. Juni 2008 sei der Klägerin am 10. Juli 2008 zugestellt worden. Die um die Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängerte Frist für die Erhebung der Nichtigkeitsklage gegen die angefochtene Entscheidung sei am 22. September 2008 abgelaufen. Eine Kopie der Klageschrift sei bei der Kanzlei des Gerichts per E-Mail am 19. September 2008 und per Telefax am 20. September 2008 eingegangen, während die Papierfassung erst am 24. September 2008 eingegangen sei. Da die Papierfassung nicht die Urschrift der Klageschrift sei, sondern eine Fotokopie der Urschrift, sei Art. 43 § 6 der Verfahrensordnung nicht anwendbar, und die verspätet eingereichte Klage sei unzulässig. Die Unterschrift auf der Kopie der Klageschrift sei keine handschriftliche Unterzeichnung, sondern eine Kopie der genannten Unterschrift. Das Erfordernis einer handschriftlichen Unterzeichnung im Sinne von Art. 43 § 1 der Verfahrensordnung sei als eine wesentliche Formvorschrift anzusehen und müsse strikt angewandt werden, so dass ihre Nichteinhaltung die Unzulässigkeit der Klage nach sich ziehe. Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage stellt die Kommission in das Ermessen des Gerichts.

47

Die Klägerin ist der Auffassung, der in Rede stehende „verwaltungsmäßige Bearbeitungsfehler“ verletze weder den Grundsatz der Rechtssicherheit noch Art. 43 der Verfahrensordnung. Am 19. September 2008 habe der Beistand der Klägerin die von den Rechtsanwälten M. van der Woude und T. Hennen unterzeichnete Klageschrift per Telefax übersandt. Das Anschreiben für das Telefax sei von den Rechtsanwälten Hennen und P. Wytinck, den Partnern von Rechtsanwalt van der Woude, unterzeichnet worden. Am selben Tag habe Rechtsanwalt Hennen die Klageschrift, das Anschreiben und die Eingangsbestätigung für das Telefax per E-Mail an die Kanzlei des Gerichtshofs übersandt, und Rechtsanwalt van der Woude habe diese E-Mail am 20. September 2008 wiederum an die Kanzlei des Gerichts gesandt. Am 23. September 2008 habe Rechtsanwalt Hennen durch das Unternehmen UPS sieben Ausfertigungen der Klageschrift an die Kanzlei des Gerichts gesandt, nämlich eine als Urschrift gekennzeichnete Ausfertigung und sechs beglaubigte Kopien. Das Anschreiben für diese Sendung sei von Rechtsanwalt Hennen unterzeichnet worden. Die sieben Ausfertigungen, die am 23. September 2008 übersandt worden seien, stimmten inhaltlich mit dem Text überein, der per Telefax und E-Mail übersandt und von Rechtsanwalt Hennen unterzeichnet worden sei. Die Fassung der als Urschrift gekennzeichneten Klageschrift, deren Originalfassung wegen eines „Bearbeitungsfehlers“ allerdings nicht übersandt worden sei, enthalte keine handschriftlich angebrachte Unterschrift.

48

Die Klägerin macht geltend, die der Kanzlei übermittelte Papierfassung der Klageschrift sei sehr wohl die „Urschrift“ gewesen. Selbst wenn die Unterschrift im vorliegenden Fall nicht handschriftlich angebracht worden sei, sei der Grundsatz der Rechtssicherheit gewahrt worden. Erstens seien sämtliche bei der Kanzlei eingegangenen Fassungen der Klageschrift inhaltlich identisch. Zweitens ergebe sich aus dem von Rechtsanwalt Hennen handschriftlich unterzeichneten Anschreiben vom 23. September 2008 eindeutig, dass die Klägerin eine Urschrift habe übersenden wollen. Die Unterschrift auf dem Schreiben sei identisch mit der Unterschrift, die auf dem als Urschrift der Klageschrift gekennzeichneten Dokument wiedergegeben werde, sowie mit den Unterschriften, die auf allen anderen an die Kanzlei des Gerichts übersandten Dokumenten angebracht worden seien. Drittens sei die als Urschrift der Klageschrift gekennzeichnete Fassung identisch mit der Fassung, die eingescannt und per E-Mail übersandt worden sei. Da viertens Rechtsanwalt Hennen sämtliche an die Kanzlei des Gerichts übersandten Dokumente unterzeichnet habe, stehe es außer Zweifel, dass diese Dokumente von dem beauftragten Rechtsanwalt stammten. Die Klägerin schließt hieraus, dass es keinen Zweifel daran geben könne, wer der Verfasser der als Urschrift gekennzeichneten Klageschrift sei.

49

Art. 43 § 1 der Verfahrensordnung bestimmt, dass die Urschrift jedes Schriftsatzes vom Bevollmächtigten oder vom Anwalt der Partei zu unterzeichnen ist.

50

Ist ein Schriftsatz zunächst mittels Fernkopierer oder sonstiger beim Gericht vorhandener technischer Kommunikationsmittel vor Ablauf der Verfahrensfrist an die Kanzlei übermittelt worden, so gilt nach Art. 43 § 6 der Verfahrensordnung diese Frist als gewahrt, sofern die unterzeichnete Urschrift des Schriftsatzes spätestens zehn Tage danach bei der Kanzlei eingereicht wird.

51

Im vorliegenden Fall ist die Papierfassung der Klageschrift innerhalb von zehn Tagen nach Eingang der mittels Telefax und E-Mail übermittelten Fassungen bei der Kanzlei eingegangen.

52

Wie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt ist, soll das Erfordernis einer handschriftlichen Unterzeichnung im Sinne von Art. 43 § 1 Abs. 1 der Verfahrensordnung im Interesse der Rechtssicherheit die Echtheit der Klageschrift gewährleisten und das Risiko ausschließen, dass der Schriftsatz in Wirklichkeit nicht von dem zu seiner Abfassung Bevollmächtigten stammt. Dieses Erfordernis ist daher als eine wesentliche Formvorschrift anzusehen und strikt anzuwenden, so dass seine Nichtbeachtung zur Unzulässigkeit der Klage führt (Urteil des Gerichts vom 23. Mai 2007, Parlament/Eistrup, T-223/06 P, Slg. 2007, II-1581, Randnr. 51).

53

Art. 43 der Verfahrensordnung soll die Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit sichern und verlangt zu diesem Zweck, dass die Klageschrift echt ist und von einem ordnungsgemäß von seinem Mandanten bevollmächtigten Anwalt stammt.

54

Im vorliegenden Fall wurde Rechtsanwalt Hennen von der Klägerin, wie sich aus dem der Klageschrift beigefügten Dokument vom 8. September 2008 ergibt, ordnungsgemäß bevollmächtigt.

55

Die am 23. September 2008 übersandte Klageschrift selbst ist zwar nicht mit einer Originalunterschrift des beauftragten Rechtsanwalts, sondern nur mit einer Fotokopie der Originalunterschrift versehen, sie war jedoch einem Anschreiben beigefügt, das die Originalunterschrift dieses beauftragten Anwalts, Rechtsanwalt Hennen, trug, die wiederum der Unterschrift auf dem Anschreiben für die Übermittlung per Telefax entsprach. Es ist daher offensichtlich, dass die Unterschrift auf dem Anschreiben, die Unterschrift auf der am 23. September 2008 übersandten Papierfassung der Klageschrift und die Unterschrift der per Telefax übersandten Fassung der Klageschrift von demselben Anwalt, Rechtsanwalt Hennen, stammen. Es bestehen also keine Zweifel daran, wer der Verfasser der als Urschrift gekennzeichneten Klageschrift ist. Überdies sind ein vom Vertreter der Klägerin unterzeichnetes Schreiben oder Begleitschreiben sowie ein Schriftsatz, der nicht unterzeichnet wurde, als ein einziger Schriftsatz anzusehen, der unterzeichnet wurde, wenn beide, wie im vorliegenden Fall, zu ein und derselben Postsendung gehören.

56

Es ist somit davon auszugehen, dass die per E-Mail und per Telefax erfolgte Übermittlung der Klageschrift gemäß Art. 43 § 5 der Verfahrensordnung rechtzeitig bestätigt wurde und dass die Klage damit zulässig ist.

II – Zur Begründetheit

A – Zusammenfassung der Nichtigkeitsgründe

57

Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen vier Klagegründe geltend, von denen sich einige in mehrere Teile gliedern.

58

Der erste Klagegrund betrifft in erster Linie eine Verletzung der Verteidigungsrechte und einen Verstoß gegen Art. 27 der Verordnung Nr. 1/2003. Die angefochtene Entscheidung ahnde eine andere Zuwiderhandlung als die, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargestellt worden sei, und die Kommission habe sich nach Versendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte in der angefochtenen Entscheidung auf neue Dokumente gestützt. Die Klägerin habe von den wirklichen Rügen der Kommission keine Kenntnis nehmen können. Diese habe daher die Verteidigungsrechte der Klägerin verletzt.

59

Der zweite Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen Art. 81 EG. Mit dem ersten Teil des zweiten Klagegrundes wird geltend gemacht, die der Klägerin zur Last gelegten Umstände stellten keine Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 81 EG dar. Die in der angefochtenen Entscheidung vorgebrachten Beweise belegten weder eine Preisabsprache noch eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 EG. Mit dem zweiten Teil des zweiten Klagegrundes wird hilfsweise geltend gemacht, die der Klägerin zur Last gelegten Umstände könnten nicht als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft werden.

60

Der hilfsweise geltend gemachte dritte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 und eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes. Der erste Teil wird auf eine fehlerhafte Anwendung der Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 gestützt. Mit dem zweiten Teil wird eine fehlerhafte Festsetzung des Grundbetrags und des Zusatzbetrags der Geldbuße geltend gemacht.

61

Der vierte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen Art. 36 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tunesischen Republik andererseits (ABl. 1998, L 97, S. 2, im Folgenden: Europa-Mittelmeer-Abkommen), gegen das Fürsorgeprinzip und gegen den völkerrechtlichen Grundsatz der Courtoisie.

62

Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst den zweiten Klagegrund zu prüfen.

B – Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 81 EG

1. Zum ersten Teil, mit dem geltend gemacht wird, die der Klägerin zur Last gelegten Umstände stellten keine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG dar

a) Vorbemerkungen

63

Die Klägerin stellt eine Verletzung des Art. 81 EG und das Bestehen eines Kartells sowie den wettbewerbswidrigen Zweck bzw. die wettbewerbswidrige Wirkung eines Informationsaustauschs in Abrede. Sie macht weiter geltend, die Kommission habe mit der Feststellung, dass das Vorliegen eines wettbewerbswidrigen Zwecks als Nachweis für das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung ausreiche, einen Rechtsfehler begangen.

64

Die in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Beweise belegten allenfalls, dass es Gespräche gegeben habe, in denen die Beteiligten die verschiedenen Märkte, auf denen sie tätig gewesen seien, einer Prüfung unterzogen hätten. Die Klägerin habe sich weder durch eine Absprache noch durch eine abgestimmte Verhaltensweise mit ihren Mitbewerbern über die Preise verständigt. Die in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigten Umstände stellten allenfalls einen Informationsaustausch dar, dessen wettbewerbswidriger Zweck oder dessen wettbewerbswidrige Wirkung nicht nachgewiesen sei. Die Kommission habe nicht dargetan, dass die betreffenden Unternehmen übereingekommen seien, die Preise um 20 % zu erhöhen oder die Ziele einer Preiserhöhung festzusetzen. Das Protokoll des Treffens in Mailand spreche nur von einer Erhöhung der Produktionskosten – einer allgemein bekannten Gegebenheit des Marktes – und von dem „Wunsch“ der Beteiligten nach einer entsprechenden Preiserhöhung für ihre Produkte. Die Beteiligten hätten jedoch bezweifelt, dass der Markt eine solche Preiserhöhung akzeptieren könnte. Die Erörterungen seien „hypothetischer Natur“ gewesen, und es sei nicht zu einem gemeinsamen Willen, die Preise des Aluminiumfluorids um 20 % zu erhöhen, gekommen. Es handele sich um ein Analysepapier und nicht um eine Vereinbarung. Die Notizen, die Herr O. bei dem Treffen in Mailand gefertigt habe, seien ebenfalls analytischer Natur, ließen jedoch keine Preisabsprache erkennen. Die Notizen von Herrn O. aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden vom 25. Oktober 2000 bezüglich Australiens bezögen sich nicht auf eine Absprache oder auf das Treffen in Mailand. Auch die Notizen von Fluorsid vom 8. November 2000 und von Herrn R. von Fluorsid vom 9. November 2000 seien kein Beweis für eine Preisabsprache und nähmen keinen Bezug auf die angebliche Absprache von Mailand. Die Vorstellung schließlich, dass vier Hersteller eine weltweite Preiserhöhung hätten vereinbaren können, sei „wirtschaftlich absurd“. Die Kommission habe auch weder den Zweck des Informationsaustauschs noch dessen wettbewerbswidrige Wirkung belegt.

65

Nach Auffassung der Kommission ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

66

Zunächst ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach es zum einen der Partei oder der Behörde, die den Vorwurf einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln erhebt, obliegt, die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend beweisen, und wonach zum anderen das Unternehmen, das sich gegenüber der Feststellung einer Zuwiderhandlung auf eine Rechtfertigung berufen möchte, den Nachweis zu erbringen hat, dass die Voraussetzungen für diese Rechtfertigung erfüllt sind, so dass die genannte Behörde dann auf andere Beweismittel zurückgreifen muss (Urteile des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C-185/95 P, Slg. 1998, I-8417, Randnr. 58, vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Slg. 2004, I-123, Randnr. 78, und des Gerichts vom 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T-120/04, Slg. 2006, II-4441, Randnr. 50).

67

Für den Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG muss die Kommission genaue und übereinstimmende Beweismittel beibringen, um die feste Überzeugung zu begründen, dass der behauptete Verstoß begangen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 28. März 1984, CRAM und Rheinzink/Kommission, 29/83 und 30/83, Slg. 1984, 1679, Randnr. 20). Hat der Richter Zweifel, muss dies dem Unternehmen zugutekommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Der Richter kann daher nicht davon ausgehen, dass die Kommission das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn bei ihm noch Zweifel in dieser Hinsicht bestehen; dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung handelt, mit der eine Geldbuße verhängt wird (Urteil des Gerichts vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T-38/02, Slg. 2005, II-4407, Randnr. 215).

68

Außerdem muss nach ständiger Rechtsprechung nicht jeder der von der Kommission vorgelegten Beweise diesen Kriterien notwendig hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung genügen. Es reicht aus, dass das von der Kommission angeführte Indizienbündel bei einer Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T-67/00, T-68/00, T-71/00 und T-78/00, Slg. 2004, II-2501, Randnr. 180 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69

Im Übrigen ist es üblich, dass die Tätigkeiten, mit denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen und Verhaltensweisen verbunden sind, insgeheim ablaufen, dass die Zusammenkünfte heimlich stattfinden und dass die Unterlagen darüber auf ein Minimum reduziert werden. Selbst wenn die Kommission Schriftstücke findet, die – wie z. B. die Protokolle einer Zusammenkunft – eine unzulässige Kontaktaufnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen, handelt es sich folglich normalerweise nur um lückenhafte und vereinzelte Belege, so dass es häufig erforderlich ist, bestimmte Einzelheiten durch Schlussfolgerungen zu rekonstruieren. In den meisten Fällen muss daher das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteile des Gerichtshofs, Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnrn. 55 bis 57, und vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, C-403/04 P und C-405/04 P, Slg. 2007, I-729, Randnr. 51).

b) Inhalt der angefochtenen Entscheidung

70

Die Kommission stützte sich in der angefochtenen Entscheidung für die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG im Wesentlichen auf folgende Dokumente: Protokoll des Treffens in Mailand (Erwägungsgründe 77 und 81 bis 88 der angefochtenen Entscheidung), Notizen, die Herr O. aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden bei dem genannten Treffen fertigte (89. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), Erklärung von Herrn O. vom 23. und 31. August 2006 vor der Kommission bezüglich des genannten Protokolls (90. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), Notizen von Herrn O. vom 25. Oktober 2000 über das Telefongespräch zwischen der Abteilung „Noralf“ von Boliden und IQM (94. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) sowie Notizen von Herrn C. von Minmet vom 8. und 9. November 2000 (Erwägungsgründe 95 und 96 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission leitete aus diesen Dokumenten ab, dass am 12. Juli 2000 in Mailand, Italien, ein Treffen der Vertreter von Fluorsid – Herrn R. –, der Klägerin – Herrn G. – und von IQM – Herrn A. – stattfand, an dem der Vertreter aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden, Herr O., per Telefon teilnahm. Das Protokoll des Treffens in Mailand wurde von Herrn R. von Fluorsid geführt. Nach Auffassung der Kommission waren Gegenstand und Zweck dieses Treffens wettbewerbswidrig (Erwägungsgründe 115 bis 122 der angefochtenen Entscheidung).

71

In den genannten Dokumenten werden folgende Fachausdrücke verwendet:

„US$/T oder US$/MT“: Die Preise werden in US-Dollar (USD) je Tonne oder metrische Tonne angegeben;

„Incoterms“: „International Commercial Terms“ (Internationale Handelsklauseln);

„C&F Filo“ (Cost and Freight und Free in Liner out): „Kosten und Fracht und Verladekosten im Hafen, Entladekosten durch die Reederei“;

„cfr“ (cost and freight): „Kosten und Fracht“;

„fca“ (free carrier): „frei Frachtführer“;

„fob“ (free on board): „frei an Bord“;

„LME“ (London Metal Exchange) ist die „Londoner Metallbörse“, an der die Kurse für Metalle notiert werden. Die Kurse der LME bestimmen den Aluminiumpreis. In den gekennzeichneten Dokumenten bezeichnet diese Abkürzung den Aluminiumpreis;

„AlF3“ ist die Abkürzung für Aluminiumfluorid. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Preis des Aluminiumfluorids als Prozentsatz des Kurses der LME angegeben werden kann. Nach dem Vortrag der Parteien beläuft sich der Preis des AlF3 normalerweise auf 45 bis 55 % der LME und liegt normalerweise zwischen 650 und 900 USD.

72

Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Dokumente, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung stützt, von Boliden oder von den sonstigen Mitgliedern des Kartells, darunter insbesondere die Klägerin, vorgelegt wurden. Die Klägerin hat weder die Echtheit noch die Glaubwürdigkeit noch die Überzeugungskraft der genannten Dokumente in Zweifel gezogen, und die Akten enthalten nichts, was vermuten ließe, dass ihre Beweiskraft in Frage zu stellen wäre. Die Klägerin stellt nämlich nicht den Gehalt dieser Beweismittel als solchen in Frage, sondern greift lediglich die Schlussfolgerungen an, die die Kommission aus ihnen für die Feststellung eines Kartells gezogen hat.

c) Zum Nachweis der Zuwiderhandlung

73

In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Kommission die Auffassung, die Teilnehmer des Treffens in Mailand hätten eine Vereinbarung über die Erhöhung des Verkaufspreises des Aluminiumfluorids um 20 % getroffen. Sie hätten auch in mehreren Regionen der Welt einschließlich Europa ein allgemeines Preisniveau festgelegt und in einer Reihe von Fällen die Märkte aufgeteilt und vertrauliche geschäftliche Informationen ausgetauscht. Es sind daher die Beweise zu würdigen, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zur Begründung ihrer Schlussfolgerungen stützte.

74

Das Protokoll des Treffens in Mailand bezieht sich zunächst auf eine Erhöhung der Gesamtkosten in der Zeit von Juni 1999 bis Juni 2000 um 20 %, die 2001 eine Preiserhöhung des Aluminiumfluorids um 20 % erforderlich mache. Hierzu wird sodann Folgendes festgestellt (81. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung):

„Da der Verkaufspreis für [Aluminiumfluorid] im Jahr 2000 Ende des ersten Halbjahrs 1999 festgelegt wurde und unsere Kosten Mitte des Jahres 2000 um 20 % höher waren als 1999, sollten unsere Preise für [Aluminiumfluorid] im Jahr 2001 um 20 % höher liegen als im Jahr 2000. Die drei Beteiligten [Fluorsid, die Klägerin und IQM] sind übereingekommen, dass diese Preiserhöhung aus der Sicht des Erzeugers angemessen ist. Es bleibt jedoch die Frage, ob Angebot/Nachfrage des Marktes diese Preiserhöhung zulässt“ (S. 1 des Protokolls des Treffens in Mailand).

75

Aus dem Protokoll des Treffens in Mailand geht somit klar hervor, dass die an diesem Treffen teilnehmenden Vertreter, unter ihnen der Vertreter der Klägerin, übereinkamen, ihren Verkaufspreis für Aluminiumfluorid im Jahr 2001 um 20 % zu erhöhen.

76

In Bezug auf den europäischen Markt bezieht sich das Protokoll des Treffens in Mailand ferner auf eine Vereinbarung der genannten Vertreter über einen Preis von 775 USD „fca“, d. h. 800 USD „fob“, je Tonne Aluminiumfluorid für das Jahr 2001 (85. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung):

„Für das Jahr 2001 möchte [ICF] den Preis auf 800 USD/t fca Mordijk anheben [u]nd auf 775 USD/t fob Gabes. [Der] Preis des europäischen Erzeugers [beläuft sich] somit auf 775/800 USD/t fca/fob [ab] europäischen Erzeuger“ (S. 6 des Protokolls von Mailand).

77

Aus der Gesamtheit dieser Schriftstücke ergibt sich, dass der genannte Preis ein Mindestverkaufspreis war, den die Mitglieder des Kartells mit ihren Angeboten auf den betroffenen Märkten nicht unterschreiten durften.

78

Diese Schlussfolgerungen werden durch die Notizen bestätigt, die Herr O. aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden bei dem Treffen in Mailand gefertigt hatte, an dem er per Telefon teilgenommen hatte, sowie durch seine mündlichen Erklärungen, die er am 23. und 31. August 2006 vor der Kommission abgab (Erwägungsgründe 77, 89 und 90 der angefochtenen Entscheidung). Wie sich aus diesen Notizen und Erklärungen somit ergibt, erklärten die Teilnehmer dieses Treffens, dass eine Preiserhöhung um 20 % erforderlich sei, und gelangten nach Aufstellung der Kosten zum Schluss, dass die Preise für 2001 um 20 % angehoben und auf 800 USD je Tonne, d. h. auf 50 % des LME-Preises, festgesetzt werden sollten.

79

Eine Reihe von Dokumenten, die aus der Zeit nach dem Treffen in Mailand stammen, belegt, dass die Teilnehmer an diesem Treffen das Abkommen eingehalten haben, insoweit bilaterale Kontakte unterhalten haben und vertrauliche geschäftliche Informationen ausgetauscht haben, insbesondere zum Zwecke der gegenseitigen Kontrolle ihrer jeweiligen Preispolitik. So wird in der Notiz, die Herr T. aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden an Herrn O. – ebenfalls aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden – sandte und die ein Telefongespräch vom 25. Oktober 2000 zwischen Herrn T. und Herrn AR. von IQM betraf, festgehalten, dass die beiden Letztgenannten Informationen über ihre Preisangebote an einen Kunden in Australien austauschten. Diese Preisangebote entsprachen dem beim Treffen in Mailand vereinbarten Mindestpreis von 800 USD je Tonne. Aus der genannten Notiz ergibt sich nämlich, dass IQM dem genannten Kunden ein Preisniveau von „850 – 875 – 900 USD“ angeboten hatte, während die Abteilung „Noralf“ von Boliden erklärte, sie habe einen Preis von ungefähr 800 USD angeboten, einen Vertrag mit dem australischen Kunden allerdings noch nicht geschlossen (94. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

80

Ferner geht aus der Notiz von Herrn C. von Minmet über dessen Telefongespräch vom 8. November 2000 mit Herrn G. von der Klägerin hervor, dass diese sich über die „niedrigen“ Preise beschwerte, die Minmet bei einer Ausschreibung in Ägypten geboten habe – sie beliefen sich auf „725 USD je Tonne fob/745 USD je Tonne cfr“ –, und wissen wollte, wie Minmet den in Venezuela angewandten Preis auf 875 USD anheben wolle angesichts der Tatsache, dass die Venezolaner Zugang zur Ausschreibung in Ägypten hätten. Aus der Notiz ergibt sich weiter, dass Herr C. von Minmet antwortete, die Lage sei wegen des fehlenden Vertrauens schwer zu kontrollieren, und dass Herr G. bestätigte, die Preise, die Albras – einem Kunden und Aluminiumhersteller in Brasilien – angeboten worden seien, lägen über 800 USD je Tonne. Aus der Notiz geht ferner hervor, dass die Klägerin nach dem Treffen in Mailand mit einem anderen Teilnehmer dieses Treffens, Minmet, Gespräche über die in Mailand geschlossene Vereinbarung führte, um die von Minmet verlangten Preise zu überwachen und über die eigenen, Albras angebotenen Preise zu informieren (vgl. auch 95. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

81

Laut dem von Herrn C. von Minmet erstellten und an Fluorsid übersandten Protokoll vom 9. November 2000, das das Treffen mit den Herren G. und T. von der Klägerin betraf, erklärte die Klägerin, sie habe von dem Kunden Albras für 3000 metrische Tonnen und für eine Option von 1000 metrischen Tonnen einen Preis von 845 USD „cfr“ und von 740 USD ‚fob + 65 freight‘“ verlangt, und Derivados del Fluor habe von Albras einen Preis von 803 USD je Tonne „cfr“ verlangt. Minmet hält in dem Protokoll fest, dass die Klägerin erklärt habe, sie habe von dem Kunden Egyptalum 845 USD je Tonne „fob“ verlangt und die Bitte dieses Kunden, den Preis auf 750 USD je Tonne zu senken, zurückgewiesen. Ausweislich des Protokolls beschwerte sich die Klägerin über den niedrigen Preis, den Minmet verlangt habe. Das Protokoll nimmt auch Bezug auf einen Austausch von Informationen über das geschäftliche Verhalten von IQM in Australien, Nordamerika und Brasilien sowie über den venezolanischen Markt. Bezüglich des letztgenannten Marktes heißt es dort, die Klägerin habe ihre Absicht bestätigt, ihr Angebot auf 6000 metrische Tonnen zu beschränken, während Minmet darauf bestanden habe, dass die Preise über 800 USD je Tonne „cfr“ lägen (vgl. auch 96. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

82

Aus den Dokumenten bezüglich der Gespräche vom 25. Oktober, 8. November und 9. November 2000 ergibt sich somit, dass die betroffenen Unternehmen das Preisniveau gegenseitig kontrollierten. Überdies entsprachen die Preise, wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zutreffend feststellt, dem Ergebnis der Verhandlungen, die bei dem Treffen in Mailand geführt worden waren. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass die Dokumente vom 25. Oktober, 8. November und 9. November 2000 auf Gespräche Bezug nehmen, die nach dem Treffen in Mailand zwischen den Teilnehmern dieses Treffens stattfanden, insbesondere zwischen Fluorsid, Minmet und der Klägerin, die offensichtlich durch die Absprache über die bei diesem Treffen vereinbarten Preise gebunden waren, da sie auf die Kernpunkte dieser Absprache Bezug nehmen.

83

Die Preisabsprache betraf zum einen die europäischen Märkte. Insoweit nennt das Protokoll des Treffens in Mailand die Produktions- und Verkaufsmengen von Aluminiumfluorid, die 2000 insbesondere für Norwegen, Schweden, Spanien und Italien realisiert wurden (S. 2 des Protokolls von Mailand), sowie die Verkaufserwartungen für das Jahr 2001 für Rumänien, Italien, Norwegen, Deutschland und die Niederlande (S. 2 und 3 des Protokolls von Mailand). Außerdem spricht das Protokoll des Treffens in Mailand von einem Austausch von Informationen über die Umsätze der Kartellteilnehmer in Europa, insbesondere in Italien, Rumänien, Spanien, Skandinavien, Deutschland, in den Benelux-Ländern und im Vereinigten Königreich. Die Klägerin erklärte insoweit, sie wolle den Preis für 2001 auf 800 USD je Tonne „fca Mordijk“ und auf 775 USD je Tonne „fob Gabes“ erhöhen, mit der Folge, dass sich der europäische Herstellerpreis auf 775/800 USD je Tonne „fca/fob“ belaufen hätte (S. 6 des Protokolls von Mailand; vgl. auch 85. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung und oben, Randnr. 76).

84

Zum anderen stellte die Kommission fest, dass die Absprache auch in verschiedenen Weltregionen Anwendung gefunden habe. So war laut Protokoll des Treffens in Mailand die „Preisidee“ für 2001 bezüglich Australiens 800 USD je Tonne „fob Europa“, d. h. „50 % LME fob“, während der europäische Preis höher als der chinesische Preis sein konnte und 875 USD je Tonne betragen sollte. Bezüglich Südamerikas sind im Protokoll Preise für 2000 und Mindestpreise für das Jahr 2001 aufgeführt. Für Venezuela werden für das Jahr 2001 der Preis von 850 USD je metrische Tonne „C & F filo“ und als absoluter Mindestpreis 890 USD je metrische Tonne genannt. Bezüglich Brasiliens sind sich alle Hersteller darin einig, dass der Preis ungefähr bei „50 % LME fob“ und 875 USD je Tonne „cfr“ liegen müsse. In Bezug auf Nordamerika betrage der Preis von Alcoa für das Jahr 2000 775 USD je metrische Tonne „ex Point Comfort“ und für das Jahr 2001 800/825 USD je metrische Tonne „ex Point Comfort“. Lieferanten, die Alcoa nicht belieferten, sollten einen Preis von 825 USD je Tonne „ab Lager“ und 825 USD je angelieferter Tonne erhalten. Die Teilnehmer an dem Treffen in Mailand bekundeten ihr Interesse an der Versorgung bestimmter Weltregionen. Bezüglich Indiens stellte das Protokoll des Treffens in Mailand fest, dass ein Interesse an einem Absatz von 3000 Tonnen bestehe, der Preis sich jedoch auf 900 USD je angelieferter metrischer Tonne belaufen müsse. Bezüglich der Türkei wird der Preis von 800 USD je Tonne „fob“ genannt (S. 6 und 7 des Protokolls des Treffens in Mailand; vgl. auch Erwägungsgründe 86 und 87 der angefochtenen Entscheidung).

85

In seinen mündlichen Erklärungen vor der Kommission am 23. und 31. August 2006 bestätigte Herr O. aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden ferner, dass sich die Teilnehmer des Treffens in Mailand über die Kunden jedes Einzelnen sowie über das Preisniveau verständigt hätten, das in Europa und außerhalb Europas eingehalten werden sollte. Zweck des Treffens in Mailand sei es auch gewesen, sich gemeinsam darüber zu verständigen, wie die neuen Preisniveaus eingeführt werden sollten. Die Teilnehmer des Treffens in Mailand hätten die den einzelnen Kunden anzubietenden Mengen untereinander aufgeteilt. Es habe eine stillschweigende Vereinbarung gegeben, die jeweiligen Kunden des einzelnen Unternehmens und die Lieferungen an diese Kunden zu respektieren (vgl. 90. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

86

Laut der Telefonnotiz vom 25. Oktober 2000 wollte Herr A. von IQM mit Herrn T. aus der Abteilung „Noralf“ von Boliden „in Kontakt bleiben“; er erklärte sich bezüglich Australiens damit einverstanden, dass die Abteilung „Noralf“ von Boliden 3000 Tonnen liefere, wies jedoch darauf hin, dass er im Jahr 1999 7 000 Tonnen geliefert habe und dieses Niveau beibehalten wolle. Aus dieser Notiz ergibt sich ferner, dass Herr T. bei dieser Gelegenheit an den Preis von 800 USD erinnerte, der der Preis war, der bei dem Treffen in Mailand für Australien festgelegt worden war. Die Notiz ist somit ein Beweis für die Gespräche, die nach dem Treffen in Mailand zwischen der Abteilung „Noralf“ von Boliden und IQM über den Preis und die in Australien gelieferten oder angebotenen Mengen an Aluminiumfluorid stattfanden und deren Inhalt der Vereinbarung entsprach, die auf dem Treffen in Mailand getroffen worden war (vgl. auch 94. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

87

Schließlich ergibt sich aus dem Protokoll des Treffens in Mailand auch, dass die Teilnehmer dieses Treffens, d. h. Fluorsid, die Klägerin und IQM, in der Folgezeit Informationen über die Produktion, die Absatzmengen im Jahr 2000 und die Erwartungen für 2001 in Bezug auf verschiedene Länder der Welt mit genauen Mengenangaben sowie Informationen je nach Hersteller und Kunden austauschten. Bezüglich der „individuellen Märkte“ heißt es im Protokoll wie folgt (84. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung):

„Wir haben die einzelnen Märkte untersucht, um ein allgemeines Preisniveau festzulegen und in bestimmten Fällen eine Marktaufteilung vorzunehmen. Wir sind jedoch übereingekommen, dass unabhängig davon, wer den Auftrag erhält, ein höheres Preisniveau erreicht werden muss. Wir müssen daher von jeder größeren Ermäßigung abraten“ (S. 5 des Protokolls des Treffens in Mailand).

88

Hieraus ergibt sich, dass die Teilnehmer des Treffens in Mailand vertrauliche geschäftliche Informationen austauschten, darunter solche über ihre Produktionsmengen, über die Mengen, die sie verkauft hatten oder verkaufen wollten, über ihre Kunden sowohl in Europa als auch weltweit, über die Festsetzung ihrer Preise sowie über die Aufteilung der Märkte, um eine Einigung über diese Wettbewerbsparameter zu erreichen.

89

Aus der Gesamtheit dieser Beweise, deren Inhalt die Klägerin nicht in Frage stellt, ergibt sich somit, dass die Kommission das Vorliegen einer Vereinbarung über die Festsetzung von Preisen im Sinne von Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen, die bei dem Treffen in Mailand geschlossen wurde, an dem die Klägerin teilnahm, rechtlich hinreichend nachgewiesen hat.

90

Die Kommission hat somit in der angefochtenen Entscheidung den wettbewerbswidrigen Zweck des Treffens in Mailand und das Vorliegen einer gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßenden Vereinbarung nachgewiesen, ohne dass nachgewiesen zu werden braucht, dass diese Vereinbarung Wirkungen erzeugt hat (Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C-49/92 P, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 123, und JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 181). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der wettbewerbswidrige Zweck und die wettbewerbswidrige Wirkung einer Vereinbarung keine kumulativen, sondern alternative Voraussetzungen für die Beurteilung sind, ob diese Vereinbarung unter das Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG fällt. Nach ständiger Rechtsprechung weist der durch die Konjunktion „oder“ gekennzeichnete alternative Charakter dieser Voraussetzung darauf hin, dass zunächst der eigentliche Zweck der abgestimmten Verhaltensweise in Betracht zu ziehen ist, wobei die wirtschaftlichen Begleitumstände ihrer Durchführung zu berücksichtigen sind. Die Auswirkungen einer Vereinbarung brauchen daher nicht geprüft zu werden, wenn feststeht, dass sie einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 6. Oktober 2009, GlaxoSmithKline Services u. a./Kommission u. a., C-501/06 P, C-513/06 P, C-515/06 P und C-519/06 P, Slg. 2009, I-9291, Randnr. 55, und vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C-403/08 und C-429/08, Slg. 2011, I-9083, Randnr. 135).

91

Daher ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsprechungskriterien, die für den Begriff der abgestimmten Verhaltensweise gelten (vgl. Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 90 angeführt, Randnrn. 111 bis 114, 131 und 132, und Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T-9/99, Slg. 2002, II-1487, Randnrn. 187 und 190), auch hier erfüllt sind. Da im vorliegenden Fall das Verbot des Art. 81 EG nämlich bereits greift, weil das Tatbestandsmerkmal einer „Vereinbarung“ erfüllt ist, würde es sich bloß um eine alternative Einstufung desselben Kartells handeln, die für die weitere Analyse unerheblich wäre.

92

Nach alledem ist die Rüge des Verstoßes gegen Art. 81 EG als unbegründet zurückzuweisen.

2. Zum zweiten Teil, mit dem hilfsweise geltend gemacht wird, die der Klägerin zur Last gelegten Umstände könnten nicht als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft werden

a) Vorbemerkungen

93

Die Klägerin wendet sich gegen die angefochtene Entscheidung, weil die Kommission die Zuwiderhandlung als einheitlich und fortgesetzt eingestuft habe. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte habe zwischen den verschiedenen Kontakten, die zwischen den Teilnehmern des Kartells stattgefunden hätten, keine Verbindung hergestellt. Außerdem verfüge die Kommission offenbar auch über keine Beweise dafür, dass das Kartell nach dem Treffen in Mailand bestanden habe. Die bilateralen Kontakte zwischen der Abteilung „Noralf“ von Boliden und IQM einerseits und Fluorsid und der Klägerin andererseits erlaubten nicht die Feststellung, dass alle Teilnehmer des Treffens in Mailand untereinander Kontakt aufgenommen hätten. Auch bezögen sich die Dokumente, die die Kontakte im Oktober und November 2000 beträfen, nicht auf das Treffen in Mailand.

94

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und gelangt zu dem Schluss, dass der zweite Klagegrund zurückzuweisen sei.

b) Zur einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung

95

Zunächst ist der Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zu definieren.

96

Es ist entschieden worden, dass es gekünstelt wäre, ein durch ein einziges Ziel gekennzeichnetes kontinuierliches Verhalten zu zerlegen und darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen, während es sich im Gegenteil um eine einheitliche Zuwiderhandlung handelt, die sich nach und nach sowohl durch Vereinbarungen als auch durch abgestimmte Verhaltensweisen konkretisiert hat (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 90 angeführt, Randnr. 81, und Urteil des Gerichts vom 16. Juni 2011, Putters International/Kommission, T-211/08, Slg. 2011, II-3729, Randnr. 31).

97

Unter solchen Umständen ist ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die den Begriff von auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt haben und zur Mitwirkung an der Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit bestimmt waren, an einer solchen Zuwiderhandlung beteiligt hat, für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich, das andere Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung an den Tag legten (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 90 angeführt, Randnr. 83, und Putters International/Kommission, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnr. 32).

98

Dieser Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass die Kommission, um das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung darzutun, zu beweisen hat, dass das Unternehmen durch sein Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte sowie bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 90 angeführt, Randnr. 87, und Putters International/Kommission, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnr. 33).

99

Kartelle können nämlich nur dann als Bestandteile einer einheitlichen wettbewerbswidrigen Vereinbarung angesehen werden, wenn erwiesen ist, dass sie zu einem Gesamtplan gehörten, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wurde. Zudem kann die Teilnahme eines Unternehmens an den betreffenden Kartellen nur dann Ausdruck seines Beitritts zu dieser Vereinbarung sein, wenn es, als es an diesen Kartellen teilnahm, wusste oder hätte wissen müssen, dass es sich damit in die einheitliche Vereinbarung eingliederte (vgl. Urteil Putters International/Kommission, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

100

Aus der oben in den Randnrn. 96 bis 99 angeführten Rechtsprechung ergibt sich somit, dass für den Nachweis der Beteiligung an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, nämlich das Vorliegen eines Gesamtplans, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird, der vorsätzliche Beitrag des Unternehmens zu diesem Plan und die Kenntnis des Unternehmens von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Teilnehmer (vgl. Urteil Putters International/Kommission, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnr. 35).

101

Der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung erfasst daher eine Situation, in der mehrere Unternehmen an einer Zuwiderhandlung beteiligt waren, die aus einem fortgesetzten Verhalten bestand, mit dem ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die Verfälschung des Wettbewerbs, oder aber an einzelnen Zuwiderhandlungen, die miteinander durch eine Übereinstimmung des Zwecks (ein und dieselbe Zielsetzung sämtlicher Bestandteile) und der Personen (Übereinstimmung der beteiligten Unternehmen, die sich der Beteiligung am gemeinsamen Zweck bewusst waren) verbunden waren (Urteile des Gerichts vom 24. März 2011, Aalberts Industries u. a./Kommission, T-385/06, Slg. 2011, II-1223, Randnr. 86, vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T-446/05, Slg. 2010, II-1255, Randnr. 89, und vom 8. Juli 2008, BPB/Kommission, T-53/03, Slg. 2008, II-1333, Randnr. 257). Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortlaufenden Verhaltens auch für sich genommen einen Verstoß gegen Art. 81 EG darstellen könnten (Urteile Aalberts Industries u. a./Kommission, Randnr. 86, BPB/Kommission, Randnr. 252).

102

Zudem kann sich der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung nach ständiger Rechtsprechung auf die rechtliche Einstufung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens beziehen, das in Vereinbarungen, aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen und Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen besteht (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T-305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94, Slg. 1999, II-931, Randnrn. 696 bis 698, HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 91 angeführt, Randnr. 186, vom 12. Dezember 2007, BASF und UCB/Kommission, T-101/05 und T-111/05, Slg. 2007, II-4949, Randnr. 159, sowie Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, oben in Randnr. 101 angeführt, Randnr. 91)

103

Fügen sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen „Gesamtplan“ ein, so ist die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (Urteile des Gerichtshofs Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnr. 258, und vom 21. September 2006, Technische Unie/Kommission, C-113/04 P, Slg. 2006, I-8831, Randnr. 178; Urteile des Gerichts Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, oben in Randnr. 101 angeführt, Randnr. 90, und Aalberts Industries u. a./Kommission, oben in Randnr. 101 angeführt, Randnr. 87). Die einzelnen Ausprägungen des wettbewerbswidrigen Verhaltens sind in einem Gesamtzusammenhang zu betrachten, der ihren Grund erklärt. Insoweit wird im Rahmen der Beweisführung der Beweiswert verschiedener tatsächlicher Umstände durch die übrigen tatsächlichen Umstände verstärkt oder erhärtet, die zusammen das logische und vollständige Bild einer einheitlichen Zuwiderhandlung ergeben (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission, T-54/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 271).

104

Auch ist klarzustellen, dass der Begriff des einzigen Ziels nicht durch einen allgemeinen Verweis auf die Verzerrung des Wettbewerbs auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt bestimmt werden kann, da die Beeinträchtigung des Wettbewerbs als Ziel oder Wirkung jedem von Art. 81 Abs. 1 EG erfassten Verhalten eigen ist. Eine solche Definition des Begriffs des einzigen Ziels könnte dem Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilweise seinen Sinn nehmen, da sie zur Folge hätte, dass mehrere einen Wirtschaftssektor betreffende Verhaltensweisen, die nach Art. 81 Abs. 1 EG verboten sind, systematisch als Bestandteile einer einzigen Zuwiderhandlung eingestuft werden müssten. Es ist somit bei der Einstufung unterschiedlicher Vorgänge als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung zu prüfen, ob zwischen ihnen insofern ein Komplementaritätsverhältnis besteht, als jede von ihnen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen soll und durch Interaktion zur Verwirklichung sämtlicher wettbewerbswidriger Wirkungen beiträgt, die ihre Urheber im Rahmen eines auf ein einziges Ziel gerichteten Gesamtplans anstreben. Insoweit sind alle Umstände zu berücksichtigen, die diese Verbindung nachweisen oder in Frage stellen können, wie der Anwendungszeitraum, der Inhalt (einschließlich der verwendeten Methoden) und im Zusammenhang damit das Ziel der verschiedenen fraglichen Handlungen (vgl. in diesem Sinne Urteile BASF und UCB/Kommission, oben in Randnr. 102 angeführt, Randnrn. 179 bis 181, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, oben in Randnr. 101 angeführt, Randnr. 92, und Aalberts Industries u. a./Kommission, oben in Randnr. 101 angeführt, Randnr. 88).

105

Im vorliegenden Fall ging die Kommission in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass das Treffen in Mailand, das Telefongespräch zwischen der Abteilung „Noralf“ von Boliden und IQM vom 25. Oktober 2000 sowie die Gespräche im November 2000 eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung bildeten, geleitet von dem gemeinsamen Willen der Teilnehmer, unter ihnen die Klägerin, sich auf dem Markt für Aluminiumfluorid in einer bestimmten Weise zu verhalten. Die angefochtene Entscheidung stellte fest, dass sich die Teilnehmer des genannten Treffens durch eine Vereinbarung „und/oder“ durch eine abgestimmte Verhaltensweise darüber verständigt hätten, ihr Marktverhalten anzugleichen und damit ihre jeweilige Selbständigkeit in Bezug auf ihre Unternehmensstrategie einzuschränken. Diese Verhaltensweisen hätten zu einem Gesamtplan gehört, mit dem ein einheitliches und gemeinsames wettbewerbswidriges Ziel verfolgt worden sei, nämlich die Verfälschung der normalen Entwicklung der Preise für Aluminiumfluorid (Erwägungsgründe 125 bis 128 der angefochtenen Entscheidung).

106

Wie die Kommission feststellte, ergibt sich aus den Beweisen, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen und die oben in den Randnrn. 73 bis 89 analysiert wurden, dass die Teilnehmer des Treffens in Mailand, unter ihnen die Klägerin, Informationen über die berechneten bzw. zu berechnenden Preise austauschten und sich über Preiserhöhungen einigten. Sie tauschten auch vertrauliche geschäftliche Informationen über die Preiserwartungen und ihr Verhalten in verschiedenen geografischen Gebieten aus und hielten sich nach dem Treffen in Mailand über ihr Vorgehen, ihre Angebote und Preise auf dem Markt auf dem Laufenden. Die Verhaltensweisen der beteiligten Unternehmen bezweckten alle ein und dasselbe, nämlich die Erhöhung des Aluminiumfluoridpreises und die entsprechende Abstimmung des Marktverhaltens der Kartellteilnehmer. Aus den Dokumenten, die belegen, dass die Gespräche zwischen ihnen nach dem Treffen in Mailand stattfanden, geht hervor, dass die Teilnehmer dieses Treffens den Kontakt aufrechterhielten, dass sie weiterhin geschäftliche Informationen über den Gegenstand des Treffens in Mailand und über die Preise austauschten, die einzelnen Kunden in verschiedenen Regionen der Welt angeboten wurden, und dass sie dafür sorgten, dass diese Preise dem entsprachen, was beim Treffen in Mailand vereinbart worden war. Dabei ist der Umstand, dass die Dokumente bezüglich der Gespräche im Oktober und November 2000 nicht auf das Treffen in Mailand hinweisen, nicht entscheidend, und eine ausdrückliche Bezugnahme auf das Treffen in Mailand ist nicht erforderlich. Wie nämlich aus den Dokumenten eindeutig hervorgeht, stimmen die in ihnen angeführten Preise mit den auf dem Treffen in Mailand vereinbarten Preisen völlig überein. Die Kommission musste folglich zu dem Ergebnis gelangen, dass es sich um ein fortgesetztes Marktverhalten der Kartellmitglieder bezüglich des Aluminiumfluoridpreises handelte, wie es ursprünglich vereinbart worden war.

107

Der Umstand, dass die verschiedenen Gespräche – sowohl die bei dem Treffen in Mailand als auch die späteren Gespräche – innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums stattfanden, steht der Schlussfolgerung der Kommission, dass eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung vorliegt, nicht entgegen. Eine Mindestdauer oder eine Mindestzahl von Handlungen oder Zusammenkünften ist nicht erforderlich, um die Voraussetzung einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zu erfüllen, allerdings kann die längere Dauer oder größere Häufigkeit die Annahme bestätigen, dass eine solche Zuwiderhandlung vorliegt. Entscheidend ist, dass sich die einzelnen Umstände in einen Gesamtplan einfügen, was die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nachgewiesen hat. Es ging um Verhaltensweisen, die ein und dasselbe bezweckten, nämlich die Vereinbarung des Aluminiumfluoridpreises und die Einhaltung dieser Vereinbarung durch die Kartellteilnehmer.

108

Die Kommission gelangte somit zu Recht zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung vorliegt.

109

Der zweite Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

C – Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte und Verstoß gegen Art. 27 der Verordnung Nr. 1/2003

1. Vorbemerkungen

110

Die Klägerin ist der Auffassung, die Kommission habe mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung gegen Art. 27 der Verordnung Nr. 1/2003 verstoßen und den fundamentalen Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte verletzt. Die angefochtene Entscheidung ahnde andere Tatsachen und Umstände als die, die der Klägerin in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angelastet worden seien. Diese Abweichung habe das Recht der Klägerin beeinträchtigt, ihren Standpunkt im Verwaltungsverfahren sachgerecht zur Geltung zu bringen. Es gebe beachtliche Unterschiede bezüglich der Teilnehmer und der Dauer der Zuwiderhandlung. Der räumliche Umfang des mit der angefochtenen Entscheidung beanstandeten Kartells sei erheblich weiter als der Anwendungsbereich der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte beschriebenen wettbewerbsbeschränkenden Praktiken. Die Systematik, die Struktur und das Ziel der in der angefochtenen Entscheidung beschriebenen Zuwiderhandlung entsprächen nicht der Beschreibung der Zuwiderhandlung in der Mitteilung der Beschwerdepunkte. Nach dieser habe sich die Klägerin an einem komplexen Verstoß von erheblicher Dauer beteiligt, der gekennzeichnet gewesen sei durch eine vorbereitende Phase mit bilateralen Zusammenkünften und durch eine Endphase nach dem Abschluss einer Vereinbarung in Griechenland am 29. Juli 1999, in deren Verlauf die Preise für das Jahr 2000 vereinbart worden seien. Das Treffen in Mailand sei zusammen mit dem Treffen in Griechenland der Kulminationspunkt des Kartells gewesen und habe den betroffenen Unternehmen die Möglichkeit gegeben, die Preise für das Jahr 2001 festzusetzen. Die Kommission habe keinen Beleg für ein weiteres Kartelltreffen in den Jahren nach dem Treffen in Mailand gefunden. Die späteren Kontakte hätten sich auf einen bilateralen Informationsaustausch beschränkt. Dagegen lasse die angefochtene Entscheidung die vorbereitende Phase und das Treffen in Griechenland unberücksichtigt, stelle das Treffen in Mailand als Beginn einer weiteren Zuwiderhandlung im Anschluss an eine Reihe früherer Ereignisse dar und stelle fest, dass die Kontakte, die nach dem Treffen in Mailand stattgefunden hätten, den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben hätten, die Durchführung ihrer angeblichen Vereinbarung zu kontrollieren. Die Kommission stütze sich in der angefochtenen Entscheidung überdies auf Schriftstücke, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht erwähnt worden seien. Die Klägerin leitet daraus her, dass der Unterschied zwischen der Zuwiderhandlung, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte beschrieben werde, und der Zuwiderhandlung, die mit der angefochtenen Entscheidung geahndet werde, so beschaffen sei, dass die Klägerin nur anhand der letztgenannten Entscheidung von den tatsächlichen Beschwerdepunkten der Kommission habe Kenntnis nehmen können. Während des Verwaltungsverfahrens habe die Klägerin keine Gelegenheit gehabt, sich zu der vorrangigen Rolle des Treffens in Mailand oder zu den späteren Kontakten, mit denen das Treffen angeblich umgesetzt worden sei, zu äußern. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte sorge bei der Klägerin auch hinsichtlich des räumlichen Ausmaßes des Kartells für Verwirrung. Die Klägerin habe sich nicht zu den neuen Gesichtspunkten äußern können, die die Kommission dazu veranlasst hätten, ausgehend von Kontakten, zu denen sie nicht habe Stellung nehmen können, eine andere Zuwiderhandlung als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung einzustufen. Die Kommission habe damit die Verteidigungsrechte der Klägerin verletzt. Die Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte wiege umso schwerer, als das Verfahren offensichtlich anders ausgegangen wäre, wenn die Parteien ihre Argumente hätten vorbringen können.

111

Die Kommission tritt den Argumenten der Klägerin entgegen. Sie erinnert insoweit an die Grundsätze, die für die Mitteilung der Beschwerdepunkte im Rahmen der Frage gelten, ob die Verteidigungsrechte gewahrt wurden. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte müsse insbesondere eine hinreichend klare Darlegung der Beschwerdepunkte enthalten, damit die Betroffenen erkennen könnten, welches Verhalten ihnen die Kommission zur Last lege. Die endgültige Entscheidung brauche aber nicht notwendig ein genaues Abbild der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu sein, da die Kommission in der Lage sein müsse, in der Entscheidung die Antworten der betroffenen Unternehmen zu berücksichtigen.

112

Hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung und der Anzahl der Zuwiderhandelnden macht die Kommission geltend, sie müsse ihre Beurteilung bezüglich der Dauer der Zuwiderhandlung und der hieran Beteiligten ändern können, vor allem wenn sie den Umfang der angelasteten Beschwerdepunkte einschränke. Sie habe in der angefochtenen Entscheidung den Zeitraum vom 12. Juli bis zum 31. Dezember 2000 statt des Zeitraums vom 30. Juni 1997 bis zum 31. Dezember 2001 berücksichtigt. Eine Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin aufgrund dieser Unterschiede sei nicht gegeben. Hinsichtlich des räumlichen Umfangs des Kartells weist die Kommission auf den weltweiten Charakter des Kartells hin, der bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte festgestellt worden sei und aus dem Protokoll des Treffens in Mailand klar hervorgehe. Der Klägerin sei der weltweite Charakter des Kartells bekannt gewesen, und sie habe die Möglichkeit gehabt, sich hierzu im Verwaltungsverfahren zu äußern. Die Kommission weist die Ausführungen der Klägerin über die Logik und die Struktur des Kartells zurück. In Bezug auf die Art der Zuwiderhandlung führt die Kommission aus, die Mitteilung der Beschwerdepunkte und die angefochtene Entscheidung stellten beide fest, dass die beschriebenen wettbewerbswidrigen Tätigkeiten die Merkmale einer Vereinbarung „und/oder“ einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 EG erfüllten und dass dieses Verhalten eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung darstelle. Auch seien die zur Begründung der Zuwiderhandlung herangezogenen Umstände der Klägerin bekannt gewesen, die die Möglichkeit gehabt habe, während des Verwaltungsverfahrens ihren Standpunkt deutlich zu machen. Entgegen den Ausführungen der Klägerin habe die Kommission die vorbereitende Phase und das Treffen in Griechenland nicht unberücksichtigt gelassen, und das Treffen in Mailand sei nicht der Beginn einer aus dem Nichts entstandenen Zuwiderhandlung. Die Beweise für den Zeitraum, der vor dem Treffen in Mailand liege, hätten jedoch nicht ausgereicht. Ferner habe die Klägerin Gelegenheit gehabt, sich zu der vorrangigen Rolle des Treffens in Mailand sowie zu den bilateralen Kontakten zu äußern, die nach dem Treffen in Mailand stattgefunden hätten.

113

Zu den Dokumenten in Bezug auf Kontakte, die am 8. und 9. November 2000 zwischen Minmet und der Klägerin stattgefunden hätten, trägt die Kommission vor, diese Dokumente seien in der Akte enthalten gewesen, die der Klägerin zusammen mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt worden sei, und die Kommission habe sie in der angefochtenen Entscheidung in Erwiderung auf das Vorbringen der Klägerin verwertet, mit dem das Vorliegen einer Vereinbarung bestritten worden sei. Zudem habe die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt, dass die an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen nach dem Treffen in Mailand weiterhin Marktinformationen im Wege bilateraler Kontakte ausgetauscht hätten. Die Kommission ist jedenfalls der Ansicht, die Beweise bezüglich des Treffens in Mailand belegten die Beteiligung der Klägerin an der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung beschriebenen Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend, und die Klägerin habe nicht dargetan, dass sie sich von der bei diesem Treffen getroffenen Vereinbarung distanziert habe.

114

Der erste Klagegrund, mit dem eine Verletzung der Verteidigungsrechte geltend gemacht werde, sei somit als unbegründet zurückzuweisen.

2. Würdigung durch das Gericht

a) Allgemeines

115

Die Beachtung der Verteidigungsrechte bei der Durchführung von Verwaltungsverfahren im Bereich der Wettbewerbspolitik stellt einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, dessen Wahrung die Gerichte der Union zu sichern haben (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C-534/09 P, Slg. 2009, I-7415, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

116

Nach ständiger Rechtsprechung erfordert es die Wahrung der Verteidigungsrechte, dem betroffenen Unternehmen im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zu geben, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen und Umstände sowie zu den von ihr zur Stützung ihrer Behauptung, dass ein Verstoß gegen den Vertrag vorliege, herangezogenen Schriftstücken sachgerecht Stellung zu nehmen (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 10, vom 6. April 1995, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, C-310/93 P, Slg. 1995, I-865, Randnr. 21, und vom 9. Juli 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C-511/06 P, Slg. 2009, I-5843, Randnr. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

117

Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 spiegelt diesen Grundsatz insofern wider, als er vorsieht, dass den Beteiligten eine Mitteilung der Beschwerdepunkte übersandt wird, in der alle wesentlichen Tatsachen, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, klar angegeben werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnr. 67), dergestalt dass die Betroffenen tatsächlich erkennen können, welches Verhalten ihnen die Kommission zur Last legt und über welche Beweismittel diese verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, Slg. 2002, I-8375, Randnrn. 315 und 316, und Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnrn. 66 und 67), und dass sie ihre Verteidigung sachgerecht wahrnehmen können, bevor die Kommission eine endgültige Entscheidung erlässt (vgl. in diesem Sinne Archer Daniels Midland/Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnrn. 85 und 86). Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn die genannte Entscheidung den Betroffenen keine anderen Zuwiderhandlungen zur Last legt als diejenigen, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannt werden, und sich nur auf Tatsachen stützt, zu denen die Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung hatten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 19. März 2003, CMA CGM u. a./Kommission, T-213/00, Slg. 2003, II-913, Randnr. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).

118

Die Darstellung der wesentlichen Gesichtspunkte, auf die sich die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte stützt, kann jedoch in gedrängter Form erfolgen, und die endgültige Entscheidung braucht nicht notwendig ein Abbild der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu sein (Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 14), da es sich bei dieser um ein vorbereitendes Schriftstück handelt, dessen tatsächliche und rechtliche Wertungen lediglich vorläufiger Natur sind (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 17. November 1987, British American Tobacco und Reynolds Industries/Kommission, 142/84 und 156/84, Slg. 1987, 4487, Randnr. 70). Zulässig sind daher Ergänzungen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Beteiligten, deren Argumente zeigen, dass sie ihre Verteidigungsrechte tatsächlich wahrnehmen konnten. Die Kommission darf auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsverfahrens Argumente, auf die sie ihre Beschwerdepunkte stützt, in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ändern oder ergänzen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 28. Februar 2002, Compagnie générale maritime u. a./Kommission, T-86/95, Slg. 2002, II-1011, Randnr. 448, und vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission, T-310/01, Slg. 2002, II-4071, Randnr. 438). Bis zum Erlass einer endgültigen Entscheidung kann daher die Kommission in Anbetracht insbesondere der schriftlichen oder mündlichen Äußerungen der Beteiligten entweder einzelne oder auch sämtliche bis dahin gegen diese erhobenen Beschwerdepunkte fallen lassen und damit ihre Auffassung zugunsten der Beteiligten ändern oder umgekehrt beschließen, neue Beschwerdepunkte hinzuzufügen, sofern sie den betreffenden Unternehmen Gelegenheit gibt, hierzu Stellung zu nehmen (Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T-191/98, T-212/98 bis T-214/98, Slg. 2003, II-3275, Randnr. 115 und die dort angeführte Rechtsprechung).

119

Wie ferner von der Rechtsprechung anerkannt ist, liegt eine Verletzung der Verteidigungsrechte vor, wenn aufgrund eines von der Kommission begangenen Fehlers die Möglichkeit besteht, dass das von ihr durchgeführte Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Zum Nachweis eines solchen Verstoßes braucht ein klagendes Unternehmen nicht darzutun, dass die Entscheidung der Kommission einen anderen Inhalt gehabt hätte, sondern muss nur hinreichend belegen, dass es sich ohne den Fehler besser hätte verteidigen können, z. B. deshalb, weil es zu seiner Verteidigung Schriftstücke hätte einsetzen können, in die ihm im Verwaltungsverfahren keine Einsicht gewährt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, C-194/99 P, Slg. 2003, I-10821, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 1. Juli 2010, Knauf Gips/Kommission, C-407/08 P, Slg. 2010, I-6375, Randnr. 28; vgl. auch entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 1. Oktober 2009, Foshan Shunde Yongjian Housewares & Hardware/Rat, C-141/08 P, Slg. 2009, I-9147, Randnr. 94).

120

Was insbesondere das Recht auf Akteneinsicht betrifft, braucht nach ständiger Rechtsprechung das Unternehmen in dem Fall, dass die Akteneinsicht abgelehnt wurde, nur darzutun, dass es die fraglichen Unterlagen zu seiner Verteidigung hätte einsetzen können (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, C-109/10 P, Slg. 2011, I-10329, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in dieser Rechtssache, ebd., Nr. 171 und die dort angeführte Rechtsprechung, Urteile Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnrn. 74 und 75, Knauf Gips/Kommission, oben in Randnr. 119 angeführt, Randnr. 23, und vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 117 angeführt, Randnrn. 318 und 324). Das Unternehmen braucht nicht nachzuweisen, dass diese Unregelmäßigkeit den Verfahrensablauf und den Inhalt der Entscheidung der Kommission zu seinen Ungunsten beeinflusst hat, sondern dass sie den Verfahrensablauf und den Inhalt der Entscheidung der Kommission beeinflussen konnte (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zum Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, Nrn. 179 und 181, und Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Hercules Chemicals/Kommission, C-51/92 P, Slg. 1999, I-4235, Randnr. 81, vom 2. Oktober 2003, Corus UK/Kommission, C-199/99 P, Slg. 2003, I-11177, Randnr. 128, vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 117 angeführt, Randnr. 318, und Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnr. 74). Das betroffene Unternehmen muss bei einer unterbliebenen Offenlegung nicht nachweisen, dass das Verwaltungsverfahren aufgrund der Offenlegung der Dokumente zu einem anderen Ergebnis geführt hätte (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zum Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, Nr. 181, und Urteil Knauf Gips/Kommission, oben in Randnr. 119 angeführt, Randnr. 28). Es wäre lediglich darauf abzustellen, ob das betroffene Unternehmen eine – sei es auch nur entfernte – Möglichkeit dargetan hat, dass die im Verwaltungsverfahren nicht einsehbaren Schriftstücke für seine Verteidigung hätten von Nutzen sein können (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zum Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, Nr. 181, und Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnr. 131).

b) Würdigung im vorliegenden Fall

Einführung

121

Im vorliegenden Fall wirft die Klägerin der Kommission vor, sie habe in der angefochtenen Entscheidung andere belastende Tatsachen und Umstände berücksichtigt als in der Mitteilung der Beschwerdepunkte. Dies gelte für die Teilnehmer und die Dauer sowie für den räumlichen Umfang und die Beschreibung der Zuwiderhandlung. Auch stütze sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung auf Schriftstücke, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht erwähnt worden seien. Die Klägerin behauptet, sie habe sich zu diesen Punkten nicht äußern können.

Zur Rüge bezüglich der Teilnehmer und der Dauer des Kartells

122

Zum Vorbringen der Klägerin, es gebe hinsichtlich der Teilnehmer der Zuwiderhandlung Unterschiede, ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Zahl der Teilnehmer der Zuwiderhandlung im Vergleich zur Mitteilung der Beschwerdepunkte reduzierte. Wie oben in den Randnrn. 117 und 118 dargelegt, kann die Kommission im Verwaltungsverfahren ihre Beurteilung anpassen und sogar ändern, insbesondere in Anbetracht der Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte. Der Umstand, dass ein anderes Unternehmen als die Klägerin Adressatin der Mitteilung der Beschwerdepunkte, nicht aber der angefochtenen Entscheidung war, berührt nicht die Verteidigungsrechte der Klägerin. Die Kommission verletzte somit die Verteidigungsrechte der Klägerin nicht dadurch, dass sie die Zahl der Adressaten der angefochtenen Entscheidung reduzierte. Festzustellen ist im Übrigen, dass die Klägerin kein Argument zur Stützung dieser Auffassung vorgetragen hat.

123

Zur Dauer der Zuwiderhandlung ist festzustellen, dass die in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigte Dauer, nämlich vom 12. Juli bis zum 31. Dezember 2000, kürzer ist als die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angegebene Dauer vom 30. Juni 1997 bis zum 31. Dezember 2001. Die Kommission vertrat in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, es bestünden einige Anhaltspunkte dafür, dass es in der Aluminiumfluoridindustrie bereits vor der Mailänder Vereinbarung vom 12. Juli 2000 bestimmte abgestimmte Verhaltensweisen gegeben habe, dass aber kein ausschlaggebender Beweis für diesen früheren Zeitraum vorgelegen habe (73. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission reduzierte daher im Verwaltungsverfahren die Dauer der Zuwiderhandlung entsprechend dem Beweiswert der Beweismittel und wies darauf hin, dass sie mit dem Treffen in Mailand und den Beweisen für dieses Treffen und seinen Gegenstand über eindeutige Beweismittel für ein seit dem 12. Juli 2000 bestehendes Kartell verfüge (Erwägungsgründe 73 bis 76 und 144 der angefochtenen Entscheidung). Der Umstand, dass die angefochtene Entscheidung das Treffen in Mailand und nicht schon, wie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte geschehen, das Treffen in Griechenland am 29. Juli 1999 als Beweis für den Beginn der Zuwiderhandlung wertet, stellt somit eine Beschränkung der von der Kommission behaupteten Dauer der Zuwiderhandlung dar. Diese Beschränkung stellt keinen zusätzlichen Beschwerdepunkt dar und beeinträchtigte nicht die Interessen der Klägerin. Die Reduzierung der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte berücksichtigten Dauer der Zuwiderhandlung im Vergleich zu der in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigten Dauer wirkt vielmehr zugunsten der Klägerin und kann folglich ihre Interessen grundsätzlich nicht beeinträchtigen (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 435). Dies läuft letztlich auf einen zulässigen Teilverzicht der Kommission auf einen Beschwerdepunkt zugunsten der Klägerin hinaus (vgl. entsprechend Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Randnr. 118 angeführt, Randnr. 115).

124

Außerdem ist festzustellen, dass die Klägerin Gelegenheit hatte, zur Mitteilung der Beschwerdepunkte und auch zu den Angaben über die längere Dauer der Zuwiderhandlung, die die kürzere, letztlich in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigte Dauer einschloss, Stellung zu nehmen. Im Verwaltungsverfahren machte die Klägerin lediglich geltend, dass „die Dauer auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Informationsaustauschs, also den 12. Juli 2000, zu begrenzen ist“ (168. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung unter Bezugnahme auf den 245. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

125

Somit hat die Kommission die Verteidigungsrechte der Klägerin in der angefochtenen Entscheidung auch im Zusammenhang mit der Dauer der Zuwiderhandlung nicht verletzt.

Zur Rüge bezüglich des räumlichen Umfangs des Kartells

126

Was die Rüge bezüglich des räumlichen Umfangs des Kartells betrifft, genügt die Feststellung, dass die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und in der angefochtenen Entscheidung jeweils eine weltweite Ausdehnung des Kartells berücksichtigte. Das räumliche Ausmaß der Zuwiderhandlung wird nämlich sowohl in Abschnitt 163 der Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch im 136. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung als weltweit eingestuft.

127

Entgegen den Ausführungen der Klägerin gibt es somit hinsichtlich des räumlichen Umfangs keine Abweichung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung. Zudem hatte die Klägerin die Möglichkeit, zur weltweiten Ausdehnung des Kartells, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte herangezogen wurde, Stellung zu nehmen. Somit ist festzustellen, dass die Verteidigungsrechte der Klägerin insoweit nicht verletzt wurden.

Zur Rüge bezüglich der Logik und der Struktur des Kartells und der Dokumente betreffend die Kontakte vom 8. und 9. November 2000

i) Einführung

128

Die Klägerin macht geltend, die in der angefochtenen Entscheidung beschriebene Zuwiderhandlung entspreche insbesondere hinsichtlich ihrer „Systematik“, ihrer „Struktur“ und ihres „Ziels“ nicht der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte beschriebenen Zuwiderhandlung.

129

Die wesentlichen Umstände, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung heranzog, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung zu begründen, entsprechen jedoch den Umständen, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführt worden waren. Hieraus folgt, dass diese Umstände der Klägerin bekannt waren und sie Gelegenheit hatte, sich im Verwaltungsverfahren zu ihnen zu äußern (vgl. Randnrn. 62 bis 70 der Antwort der Klägerin auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte). Das Treffen in Mailand und dessen wichtige Rolle waren somit bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte hinreichend bezeichnet (vgl. Abschnitte 103 bis 116, 151, 163 bis 165, 200 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). In Randnr. 16 der Klageschrift führt die Klägerin selbst die Mitteilung der Beschwerdepunkte dafür an, dass das Treffen in Mailand zusammen mit dem Treffen in Griechenland den „Kulminationspunkt des Kartells“ gebildet habe.

130

Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe die angefochtene Entscheidung auf Schriftstücke gestützt, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht genannt worden seien, insbesondere auf die Dokumente betreffend die Kontakte vom 8. und 9. November 2000. Im Verwaltungsverfahren habe die Klägerin keine Gelegenheit gehabt, zu den Kontakten, die nach dem Treffen in Mailand stattgefunden hätten, Stellung zu nehmen.

ii) Zum Inhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte

131

In der Mitteilung der Beschwerdepunkte ging die Kommission davon aus, dass es seit 1997 Kontakte gegeben habe (Abschnitte 76 ff.); sie nennt ein Treffen in Griechenland am 29. Juli 1999 (Abschnitte 85 ff.) sowie „spätere Kontakte“ (Abschnitte 92 ff.) und das Treffen in Mailand (Abschnitte 103 ff.). Die Mitteilung der Beschwerdepunkte führt in der Sachverhaltsdarstellung bezüglich der Arbeitsweise des Kartells Kontakte zwischen den Mitgliedern des Kartells auf, darunter auch Kontakte, die nach dem Treffen in Mailand stattfanden. Die Kommission ging davon aus, dass „[n]ach dem Treffen in Mailand … die Unternehmen, die an der getroffenen Vereinbarung beteiligt waren, im Wege bilateraler Kontakte weiterhin Informationen über den Aluminiumfluoridmarkt [austauschten]“ (Abschnitt 117). Sie nennt insoweit ausdrücklich Kontakte vom 25. Oktober 2000, Kontakte im Laufe des Jahres 2001, eine Konferenz, die vom 17. bis zum 21. Februar 2002 stattgefunden habe, eine weitere Konferenz in San Diego, Kalifornien (Vereinigte Staaten), am 6. März 2003 sowie Kontakte im Januar 2004 und am 21. Januar 2005 (Abschnitte 118 bis 123). Die Kommission führt ferner aus, dass das Kartell durchgeführt worden sei und dass sie dies bei ihrer Würdigung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigen werde (Abschnitt 227).

132

Bezüglich der Dauer der Zuwiderhandlung ging die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte davon aus, dass die Zuwiderhandlung am 30. Juni 1997, dem Zeitpunkt des Treffens in Sousse (Tunesien), begonnen habe, dass die Intensität der Zuwiderhandlung seit dem Treffen in Griechenland am 29. Juli 1999, „als die endgültige Vereinbarung über die Preiserhöhung für die Verkäufe im Jahr 2000 geschlossen wurde und in Kraft trat“, zugenommen habe und dass eine ähnliche Vereinbarung am 12. Juli 2000 in Mailand für die Verkaufspreise im Jahr 2001 geschlossen worden sei. Die Kommission schloss hieraus, dass die Zuwiderhandlung im Fall von Fluorsid, der Klägerin und von IQM „zumindest bis zum 31. Dezember 2001“ fortgesetzt worden sei, wobei das Ende des Zeitraums, in dem die genannte Vereinbarung durchgeführt worden sei, dem Ende des Zeitraums entsprochen habe, in dem die von der Vereinbarung erfassten Umsätze getätigt worden seien (Abschnitt 216).

iii) Zum Inhalt der angefochtenen Entscheidung

133

In den Erwägungsgründen 155 und 156 der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission „bilaterale Kontakte im Herbst 2000“ an, insbesondere die Kontakte vom 25. Oktober 2000 sowie vom 8. und 9. November 2000. Die letztgenannten Kontakte seien ein Beleg dafür, dass die Durchführung der bei dem Treffen in Mailand geschlossenen Vereinbarung überwacht worden sei. Im 239. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung bezieht sich die Kommission im Zusammenhang mit der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße erneut auf die Dokumente, die die Kontakte vom 8. und 9. November 2000 bezüglich der Durchführung der Zuwiderhandlung betreffen. Sie führt aus, sie habe den Grad der Ausführung der Zuwiderhandlung berücksichtigt, um den heranzuziehenden Anteil am Umsatz festzulegen, und verweist insbesondere auf die Erwägungsgründe 154 bis 156 der angefochtenen Entscheidung.

134

Bezüglich der Dauer der Zuwiderhandlung geht die Kommission in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass die Zuwiderhandlung zumindest vom 12. Juli bis zum 31. Dezember 2000 gedauert habe (Erwägungsgründe 241 und 147 der angefochtenen Entscheidung). Gemäß dem 146. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung „werden die Lieferverträge innerhalb eines Zeitraums, der im Laufe des zweiten Halbjahrs eines Kalenderjahrs beginnt und mit Ablauf des betreffenden Kalenderjahrs oder in den ersten fünf Monaten des folgenden Kalenderjahrs endet, im Voraus ausgehandelt“. Die Kommission ging somit davon aus, dass es in der Aluminiumfluorid-Branche Praxis sei, die Preise im Voraus für das folgende Geschäftsjahr festzulegen.

135

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Dokumente bezüglich der nach dem Treffen in Mailand stattgefundenen Kontakte, darunter die Kontakte vom 8. und 9. November 2000, in dem Teil der angefochtenen Entscheidung, der sich mit der Dauer der Zuwiderhandlung befasst, nicht erwähnt werden.

iv) Würdigung

– Zum Zugang zu den fraglichen Dokumenten während des Verwaltungsverfahrens

136

Die Mitteilung der Beschwerdepunkte stützte sich auf Dokumente bezüglich der oben in Randnr. 131 angeführten Kontakte, die nach dem Treffen in Mailand stattfanden. Es ist jedoch festzustellen, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht ausdrücklich die Dokumente anführt, die sich auf die bilateralen Kontakte vom 8. und 9. November 2000 beziehen, die aber in der angefochtenen Entscheidung erwähnt werden.

137

Die genannten Dokumente bezüglich der Kontakte vom 8. und 9. November 2000 waren indessen in der Verwaltungsakte der Kommission enthalten, die diese Dokumente den Beteiligten des Verwaltungsverfahrens, unter ihnen die Klägerin, zusammen mit der Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelte, damit die Verteidigungsrechte und die Rechte auf Akteneinsicht ausgeübt werden konnten. Die Klägerin hatte somit Zugang zu allen diesen Dokumenten. Infolgedessen unterscheidet sich die Situation im vorliegenden Fall erheblich von den Fällen, in denen die Akteneinsicht oder der Zugang zu bestimmten Dokumenten verweigert wurde und in denen die Rechtsprechung eine Verletzung der Verteidigungsrechte bejaht hat. Es ist nämlich unstreitig, dass zum einen die Klägerin vollständige Einsicht in die Akten einschließlich der Dokumente bezüglich der Kontakte vom 8. und 9. November 2000 erhielt und dass zum anderen die Kontakte, die nach dem Treffen in Mailand stattfanden, ausdrücklich, wenn auch nur allgemein, in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnt wurden.

– Zur Bedeutung der fraglichen Dokumente für die Beurteilung der Ausführung der Zuwiderhandlung

138

Sowohl die bilateralen Kontakte vom 8. und 9. November 2000, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht ausdrücklich erwähnt wurden, als auch die dort ausdrücklich erwähnten Kontakte bestätigen, dass die Klägerin an dem Kartell und an dessen Durchführung, die nach dem Treffen in Mailand erfolgte, beteiligt war. Es war jedoch insoweit ausreichend, dass die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Beurteilung der Frage, ob eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung vorlag und ausgeführt wurde, auf verschiedene Beweise stützte, zu denen das Treffen in Mailand sowie bilaterale und multilaterale Kontakte nach diesem Treffen, insbesondere ein Kontakt am 25. Oktober 2000, gehörten. Schon allein die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten Beweise reichten nämlich aus, um der Klägerin vor Augen zu führen, dass die Kommission die genannten Beweise als belastende Beweismittel gegen sie verwenden konnte. Angesichts der Dokumente bezüglich der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnten Kontakte, die nach dem Treffen in Mailand stattfanden, waren die Dokumente betreffend die Kontakte vom 8. und 9. November 2000 somit für den Nachweis, dass eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung vorlag und ausgeführt wurde, nicht erforderlich. So bezieht sich die Kommission im 156. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, insbesondere in Fn. 120, auch auf den Kontakt vom 25. Oktober 2000, der bereits in Abschnitt 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannt worden war. Die Dokumente bezüglich der Kontakte vom 8. und 9. November 2000 waren demnach für das Ergebnis, zu dem die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gelangte, für sich genommen nicht ausschlaggebend, da eine über den 31. Dezember 2000 hinausgehende fortgesetzte Zuwiderhandlung und deren Ausführung bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte aufgrund anderer Beweismittel zur Last gelegt worden war.

139

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, wie von der oben in Randnr. 119 angeführten Rechtsprechung bestätigt worden ist, die Verteidigungsrechte nur verletzt sind, wenn die Möglichkeit besteht, dass ohne den Verfahrensfehler, hier die unterbliebene Bezugnahme auf die Dokumente bezüglich der Kontakte vom 8. und 9. November 2000, das Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.

140

Dies ist vorliegend nicht der Fall.

141

Wie oben in Randnr. 137 ausgeführt worden ist, hatte die Klägerin Zugang zu den Dokumenten bezüglich der Kontakte vom 8. und 9. November 2000, ohne dass sie diesen Dokumenten im Rahmen des Verwaltungsverfahrens oder im Laufe des gerichtlichen Verfahrens entlastendes Material entnommen hätte. Zudem verzichtete die Klägerin im Stadium des Verwaltungsverfahrens sogar darauf, zu den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich erwähnten Kontakten, die nach dem Treffen in Mailand stattfanden, Stellung zu nehmen (Abschnitte 117 bis 123 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). Auch hat die Klägerin im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nicht substantiiert dargelegt, inwiefern im Verwaltungsverfahren die Wirksamkeit ihrer Verteidigung dadurch beeinträchtigt wurde, dass die genannten Dokumente in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht ausdrücklich angeführt worden waren, und wie sie sich wirksamer hätte verteidigen können, wenn sie bei dieser Gelegenheit ausdrücklich darüber informiert worden wäre, dass die Kommission die Dokumente vom 8. und 9. November 2000 in der angefochtenen Entscheidung als Beweis für ihre Teilnahme an der Zuwiderhandlung und deren Ausführung verwenden wollte. In Anbetracht der genannten Dokumente und der Tatsache, dass diese der Klägerin vollständig bekannt waren, ist vielmehr festzustellen, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass sie diesen Dokumenten im Hinblick auf eine Vereinbarung und deren Ausführung entlastendes Material hätte entnehmen können. Insoweit ist klarzustellen, dass die Kommission – im Rahmen der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung zum Zwecke der Festsetzung der Geldbuße – die Auswirkungen der fraglichen Zuwiderhandlung nicht berücksichtigte. Die Klägerin kann daher nicht nachweisen, dass der Umstand, dass sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte über die Absicht der Kommission, die fraglichen Dokumente als belastende Beweise zu verwenden, nicht informiert wurde, die Wirksamkeit ihrer Verteidigung beeinträchtigen und damit das Ergebnis der Kommission in der angefochtenen Entscheidung in Frage stellen konnte (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 17. Dezember 1991, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung, bestätigt durch Urteil vom 8. Juli 1999, Hercules Chemicals/Kommission, oben in Randnr. 120 angeführt, Randnr. 80).

– Zur Bedeutung der fraglichen Dokumente für die Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung

142

Sowohl in der Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch in der angefochtenen Entscheidung wurde die Dauer der Zuwiderhandlung nicht auf die nach dem Treffen in Mailand stattgefundenen Kontakte vom 8. und 9. November 2000 gestützt. In Bezug auf die Dauer der Zuwiderhandlung, die über das Treffen in Mailand hinausging, unterscheidet sich die angefochtene Entscheidung nicht von der Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der festgestellt worden war, dass die Zuwiderhandlung über das Treffen in Mailand hinaus angedauert habe, nämlich – was insbesondere die Klägerin angeht – bis zum 31. Dezember 2001. Die Klägerin war somit durchaus in der Lage, zu erkennen, welche Relevanz die Beweismittel bezüglich der nach dem Treffen in Mailand zwischen den betroffenen Unternehmen stattgefundenen Kontakte, wie sie sowohl in der Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch in der angefochtenen Entscheidung aufgeführt waren, für die Dauer der Zuwiderhandlung hatten, wobei die Kommission die Dauer im Wesentlichen daraus ableitete, dass es in der Aluminiumfluorid-Branche Praxis gewesen sei, die Preise im Voraus für das folgende Geschäftsjahr festzulegen. Unter Berücksichtigung dieser Praxis ging die Kommission aufgrund der bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich angeführten Beweise zu Recht davon aus, dass die Dauer der Zuwiderhandlung das gesamte fragliche Halbjahr bis zum 31. Dezember 2001 umfasste. Insoweit ist der zusätzliche Hinweis in der angefochtenen Entscheidung auf die Dokumente bezüglich der Kontakte vom 8. und 9. November 2000 ohne Bedeutung.

143

Ferner ist klarzustellen, dass die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigte Dauer die Mindestdauer einer Zuwiderhandlung ist, da Zeiträume von weniger als einem Halbjahr als Halbjahr gezählt werden und sich der auf den Grundbetrag der Geldbuße anzuwendende Multiplikationsfaktor in beiden Fällen auf lediglich 0,5 beläuft. Selbst wenn daher die Dauer der Zuwiderhandlung nur auf das Treffen in Mailand beschränkt wäre, ohne dass die Auswirkungen der dort getroffenen Vereinbarung und die nach diesem Treffen stattgefundenen Kontakte berücksichtigt würden, würde der Zeitfaktor für die Ermittlung der Geldbuße derselbe sein.

v) Ergebnis

144

Nach alledem wurden die Verteidigungsrechte der Klägerin nicht verletzt. Der erste Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

D – Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 und gegen die Leitlinien von 2006 bezüglich der Festsetzung der Geldbuße

1. Vorbemerkungen

145

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich im vorliegenden Fall um einen Anwendungsfall der Leitlinien von 2006 handelt.

146

Dieser Klagegrund besteht im Wesentlichen aus drei Teilen: erstens Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, zweitens fehlerhafte Anwendung der Leitlinien von 2006 bezüglich der Ermittlung des Umsatzes und drittens fehlerhafte Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße und des Zusatzbetrags.

147

Vorab ist auf die allgemeinen Grundsätze für die Festsetzung von Geldbußen hinzuweisen.

148

Nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 ist bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße, die bei einem Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu verhängen ist, die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.

149

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Schwere der Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Urteile des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, Slg. 2005, I-5425, Randnr. 241, Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 115 angeführt, Randnr. 54, und vom 24. September 2009, Erste Group Bank u. a./Kommission, C-125/07 P, C-133/07 P, C-135/07 P und C-137/07 P, Slg. 2009, I-8681, Randnr. 91).

150

Nach der Rechtsprechung sind bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen die Dauer der Zuwiderhandlungen sowie sämtliche Faktoren zu berücksichtigen, die für die Beurteilung der Schwere dieser Zuwiderhandlungen eine Rolle spielen, wie das Verhalten jedes einzelnen Unternehmens, die Rolle, die jedes Unternehmen bei der Abstimmung der Verhaltensweisen gespielt hat, der Gewinn, den die Unternehmen aus diesen Verhaltensweisen ziehen konnten, ihre Größe und der Wert der betroffenen Waren sowie die Gefahr, die derartige Zuwiderhandlungen für die Gemeinschaft bedeuteten (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C-386/10 P, Slg. 2011, I-13085, Randnr. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

151

Auch hat der Gerichtshof entschieden, dass objektive Gesichtspunkte wie Inhalt und Dauer der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, deren Zahl und Intensität, der Umfang des betroffenen Marktes und die Schädigung der öffentlichen Wirtschaftsordnung einzubeziehen sind. Bei der Analyse sind auch die relative Bedeutung und der Marktanteil der verantwortlichen Unternehmen sowie ein etwaiger Wiederholungsfall zu berücksichtigen (vgl. Urteil Chalkor/Kommission, oben in Randnr. 150 angeführt, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

152

Diese Vielzahl an Faktoren zwingt die Kommission zu einer gründlichen Prüfung der Umstände der Zuwiderhandlung (Urteil Chalkor/Kommission, oben in Randnr. 150 angeführt, Randnr. 58).

153

Um die Transparenz und Objektivität ihrer Entscheidungen, mit denen Geldbußen wegen des Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln festgesetzt werden, zu erhöhen, hat die Kommission Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen erlassen (Ziff. 3 der Leitlinien von 2006). In diesen Leitlinien legt die Kommission dar, inwieweit sie die einzelnen Umstände der Zuwiderhandlung berücksichtigt und welche Konsequenzen sich daraus für die Höhe der Geldbuße ergeben (Urteil Chalkor/Kommission, oben in Randnr. 150 angeführt, Randnr. 59).

154

Die Leitlinien – nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Verhaltensnorm, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthält und von der die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind, abweichen kann – beschreiben lediglich die Vorgehensweise der Kommission bei der Prüfung der Zuwiderhandlung und die Kriterien, zu deren Berücksichtigung sie sich verpflichtet, wenn sie die Höhe der Geldbuße festsetzt (vgl. Urteil Chalkor/Kommission, oben in Randnr. 150 angeführt, Randnr. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

155

Die Leitlinien sind nämlich ein Instrument, mit dem unter Beachtung höherrangigen Rechts die Kriterien präzisiert werden sollen, die die Kommission im Rahmen der Ausübung des ihr nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 zustehenden Ermessens bei der Festsetzung von Geldbußen anzuwenden gedenkt. Die Leitlinien stellen zwar nicht die Rechtsgrundlage für eine Entscheidung dar, mit der Geldbußen verhängt werden – diese Entscheidung beruht auf der Verordnung Nr. 1/2003 –, sie enthalten jedoch eine allgemeine und abstrakte Regelung der Vorgehensweise, die sich die Kommission zur Festsetzung der in dieser Entscheidung verhängten Geldbußen auferlegt hat, und schaffen damit Rechtssicherheit für die Unternehmen (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnrn. 209 bis 213, und Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, T-259/02 bis T-264/02 und T-271/02, Slg. 2006, II-5169, Randnrn. 219 und 223).

156

Auch wenn die Leitlinien somit nicht als Rechtsnorm qualifiziert werden können, die die Verwaltung auf jeden Fall zu beachten hat, stellen sie doch eine Verhaltensnorm dar, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthält und von der die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann, will sie nicht Gefahr laufen, gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung zu verstoßen (Urteile des Gerichtshofs Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnrn. 209 und 210, und vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, C-397/03 P, Slg. 2006, I-4429, Randnr. 91).

157

Gemäß Ziff. 5 der Leitlinien von 2006 in der Fassung, die für die vorliegende Rechtssache gilt, sollen die Geldbußen auf der Grundlage des Wertes der verkauften Waren oder Dienstleistungen berechnet werden, mit denen der Verstoß in Zusammenhang steht. Die Dauer der Zuwiderhandlung soll ebenfalls als wichtiger Gesichtspunkt berücksichtigt werden. Die Verbindung des Umsatzes auf den vom Verstoß betroffenen Märkten mit der Dauer der Zuwiderhandlung gibt die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens angemessen wieder. Gemäß Ziff. 6 der Leitlinien von 2006 vermitteln diese Gesichtspunkte Aufschluss über die Größenordnung der Geldbuße und sollten nicht als Grundlage für eine „automatische arithmetische Berechnungsmethode“ verstanden werden.

158

Gemäß den Ziff. 10 und 11 der Leitlinien von 2006 setzt die Kommission für die Berechnung der Geldbuße für jedes einzelne Unternehmen einen Grundbetrag fest, den sie anpassen kann.

159

Gemäß den Ziff. 12 und 13 der Leitlinien von 2006 richtet sich der Grundbetrag der Geldbuße nach dem Wert der Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen und von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauft wurden, im Regelfall im letzten vollständigen Geschäftsjahr, in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war. Gemäß Ziff. 15 dieser Leitlinien hat die Kommission die „zuverlässigsten Daten“ heranzuziehen, die von diesem Unternehmen „verfügbar“ sind.

160

Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 sieht Folgendes vor:

„Soweit sich eine Zuwiderhandlung in einem Gebiet auswirkt, das über das Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums (‚EWR‘) hinausreicht (beispielsweise weltweite Kartelle), gibt der innerhalb des EWR erzielte Umsatz das Gewicht der einzelnen Unternehmen bei der Zuwiderhandlung möglicherweise nicht angemessen wieder. Das ist insbesondere der Fall, wenn eine Aufteilung der Märkte weltweit vereinbart wurde.

Um in solchen Fällen sowohl den aggregierten Umsatz im EWR als auch das jeweilige Gewicht der einzelnen Unternehmen bei der Zuwiderhandlung wiederzugeben, kann die Kommission den Gesamtwert des Umsatzes mit den betreffenden Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in Zusammenhang stehen, im gesamten (über den EWR hinausreichenden) relevanten räumlichen Markt schätzen, den Anteil der einzelnen beteiligten Unternehmen am Umsatz auf diesem Markt ermitteln und diesen Anteil auf den aggregierten Umsatz derselben Unternehmen innerhalb des EWR anwenden. Das Ergebnis wird als Umsatz bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet.“

161

Nach Ziff. 19 der Leitlinien von 2006 wird zur Bestimmung des Grundbetrags ein bestimmter Anteil am Umsatz, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet, mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung multipliziert. Nach Ziff. 20 der Leitlinien von 2006 wird die Schwere der Zuwiderhandlung in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände beurteilt. Nach Ziff. 21 der Leitlinien von 2006 kann grundsätzlich ein Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festgesetzt werden.

2. Zum ersten Teil: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

162

Es ist darauf hinzuweisen, dass sich die Klägerin im Zusammenhang mit dem dritten Klagegrund auch auf einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes im Hinblick auf die Bemessung der Geldbuße bezieht, diesen Aspekt jedoch in der Begründung des Klagegrundes weder ausführt noch untermauert.

163

Nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts muss die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Diese Angaben müssen unabhängig von Fragen der Terminologie so klar und genau sein, dass dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht die Ausübung seiner Kontrolle ermöglicht wird. Nach ständiger Rechtsprechung muss das Gericht einen Antrag, der in einer bei ihm eingereichten Klageschrift enthalten ist, als unzulässig zurückweisen, wenn sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die er gestützt ist, nicht zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben (Urteil des Gerichtshofs vom 18. Juli 2006, Rossi/HABM, C-214/05 P, Slg. 2006, I-7057, Randnr. 37, Beschluss des Gerichtshofs vom 13. März 2007, Arizona Chemical u. a./Kommission, C-150/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 45, und Urteil des Gerichtshofs vom 16. Dezember 2010, AceaElectrable/Kommission, C-480/09 P, Slg. 2010, I-13335, Randnr. 28).

164

Insbesondere reicht es zwar aus, wenn das Vorbringen die Klagegründe ihrem Inhalt nach erkennen lässt, ohne diese rechtlich einzuordnen, doch gilt dies nur unter der Voraussetzung, dass die Klagegründe mit hinreichender Deutlichkeit aus der Klageschrift hervorgehen. Auch erfüllt die bloß abstrakte Aufzählung der Klagegründe die oben genannten Anforderungen nicht, da in der Klageschrift im Einzelnen darzulegen ist, worin der Klagegrund besteht, auf den die Klage gestützt wird. Diese Minimalanforderungen einer Klageschrift werden nicht erfüllt durch eine Klageschrift, die nicht einmal eine kurze Darstellung der Klagegründe oder der geltend gemachten rechtlichen Gründe enthält, aus denen der Beklagte entnehmen könnte, auf welche Gründe der Kläger seine Klage stützt, oder die verständlich machten, inwiefern die Anträge stichhaltig sein könnten (Urteile des Gerichts vom 27. November 1997, Tremblay u. a./Kommission, T-224/95, Slg. 1997, II-2215, Randnr. 79, und vom 26. März 2010, Proges/Kommission, T-577/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 19 bis 21).

165

Da sich die Klägerin somit darauf beschränkt, einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vorzutragen, ohne diesen Teil des Klagegrundes auch nur kurz zu erläutern, ist dieser Teil als unzulässig zurückzuweisen.

3. Zum zweiten Teil: fehlerhafte Anwendung der Leitlinien von 2006 bezüglich der Bestimmung des Umsatzes

a) Vorbemerkungen

166

Im vorliegenden Fall macht die Klägerin geltend, der Umsatz sei nach Ziff. 18 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen bestimmt worden, doch habe die Kommission bei der Anwendung dieser Ziffer zwei Fehler begangen. Erstens berücksichtige die angefochtene Entscheidung im 25. Erwägungsgrund für das Jahr 2000 einen weltweiten Umsatz von 34339694 Euro, den die Klägerin in ihrer Antwort vom 30. Oktober 2006 mitgeteilt habe. Diese Zahl entspreche nicht der zuverlässigsten Zahl, die beim Erlass der angefochtenen Entscheidung verfügbar gewesen sei. Am 25. April 2008 habe sie auf ausdrücklichen Wunsch der Kommission geprüfte Daten zur Verfügung gestellt, nach denen sich ihr Umsatz im Jahr 2000 auf 32368925 Euro belaufen habe, Daten, die die Kommission gemäß Ziff. 15 der Leitlinien von 2006 hätte zugrunde legen müssen. Zweitens habe die Kommission Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 nicht richtig angewandt. Die Kommission habe den Anteil der Umsätze der einzelnen Unternehmen in einem über den EWR hinausreichenden räumlichen Markt in Bezug auf die Umsätze der Kartellteilnehmer geschätzt. Diese Schätzung hätte in Bezug auf die Umsätze aller anderen auf dem Aluminiumfluoridmarkt tätigen Unternehmen erfolgen müssen. Hätte die Kommission die geprüften Zahlen verwendet, die niedriger als die berücksichtigten Zahlen gewesen seien, und die Ziff. 18 richtig angewandt, wäre sie zu einem Anteil gelangt, der geringer als der in der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Anteil von 28,5 % gewesen wäre.

167

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und gelangt zu dem Schluss, dass dieser Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen sei.

168

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im vorliegenden Fall den von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung ermittelten Grundbetrag angreift, indem sie den von der Kommission ermittelten Umsatz sowie die Schwere der Zuwiderhandlung in Zweifel zieht. Sie stellt jedoch weder die Dauer der Zuwiderhandlung noch die Anpassungen des Grundbetrags in Frage.

169

Der vorliegende Teil untergliedert sich in zwei Abschnitte, nämlich in die unrichtige Verwendung der Umsatzzahlen zur Festsetzung der Geldbußen und in die fehlerhafte Anwendung der Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 durch Außerachtlassung der Umsätze von anderen, nicht am Kartell beteiligten Unternehmen.

b) Zu den von der Kommission verwendeten Zahlen

170

Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe unzutreffende Umsatzzahlen zur Festsetzung der Geldbußen verwendet.

171

Was den Grundbetrag angeht, bestimmen die Ziff. 12 und 13 der Leitlinien von 2006, dass sich dieser nach dem Wert der Waren oder Dienstleistungen richtet, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen und von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauft wurden, im Regelfall im letzten vollständigen Geschäftsjahr, in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war. Hierbei hat die Kommission die „zuverlässigsten Daten“ heranzuziehen (Ziff. 15 der Leitlinien von 2006).

172

Soweit sich eine Zuwiderhandlung in einem Gebiet auswirkt, das über das Gebiet des EWR hinausreicht, beispielsweise, wie hier, im Fall weltweiter Kartelle, gibt der innerhalb des EWR erzielte Umsatz gemäß Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 das Gewicht der einzelnen Unternehmen bei der Zuwiderhandlung möglicherweise nicht angemessen wieder, was insbesondere der Fall sein könnte, wenn eine Aufteilung der Märkte weltweit vereinbart wurde. In solchen Fällen kann die Kommission den Gesamtwert des Umsatzes, der mit dem Verstoß in Zusammenhang steht, im gesamten über den EWR hinausreichenden relevanten räumlichen Markt schätzen, den Anteil der einzelnen beteiligten Unternehmen am Umsatz auf diesem Markt ermitteln und diesen Anteil auf den aggregierten Umsatz derselben Unternehmen innerhalb des EWR anwenden.

173

Im vorliegenden Fall übermittelte die Klägerin bezüglich ihres sowohl weltweiten als auch innerhalb des EWR erreichten Absatzes von Aluminiumfluorid die Umsatzzahlen für die Jahre 1997 bis 2005 mit Schreiben vom 30. Oktober 2006 sowie mit Schreiben vom 25. April 2008 für die Jahre 1999, 2000 und 2001. Im Schreiben vom 25. April 2008 war auch der Umrechnungskurs des tunesischen Dinars in Euro für die genannten Jahre angegeben, u. a. auch für das Jahr 2000.

174

In der angefochtenen Entscheidung setzte die Kommission den von der Klägerin im Jahr 2000 im EWR erzielten Umsatz auf 8146129 Euro fest und den Umsatz, der auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Markt, also auf dem Weltmarkt, erzielt wurde, auf 34339694 Euro (25. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission gab an, dass sie sich auf die von der Klägerin am 30. Oktober 2006 zur Verfügung gestellten Zahlen sowie auf die Schreiben der Klägerin vom 25. April und 12. Mai 2008 gestützt habe und dass sie für die Umrechnung des tunesischen Dinars in Euro den Kurs zugrunde gelegt habe, den die Klägerin in ihrem Schreiben vom 25. April 2008 mitgeteilt habe.

175

Bezüglich der im Dokument vom 25. April 2008 angeführten Umsätze heißt es dort, dass die Umsätze auf der Grundlage „fob ohne Kommission“ angegeben seien, d. h. frei von Kosten für Transport und Kommission. Um den Umsatz für die Festlegung des Grundbetrags der Geldbuße zu bestimmen, kommt es aber auf den Umsatz an, der den tatsächlichen Betrag des Geschäftsvorgangs vollständig wiedergibt. Daher ist der Umsatz in der Höhe zu berücksichtigen, wie er sich aus der Buchführung des Unternehmens ergibt. Die Kommission hat darüber hinaus vorgetragen, sie habe bezüglich der am 25. April 2008 vorgelegten Zahlen ein Auskunftsverlangen an die Klägerin gerichtet, das die Klägerin nicht vollständig beantwortet habe. Zudem ist auf Ziff. 16 der Leitlinien von 2006 hinzuweisen, wo es heißt, dass, wenn die von einem Unternehmen zur Verfügung gestellten Daten unvollständig oder unzuverlässig sind, die Kommission den Umsatz mittels der erhaltenen Teildaten oder jeder anderen von ihr als einschlägig oder geeignet erachteten Information bestimmen kann.

176

Wie die Kommission ausgeführt hat, entspricht überdies der Umsatz dem Preis, wie er dem Kunden in Rechnung gestellt wurde, ohne Abzug für Transportkosten oder sonstige Kosten. In diesem Zusammenhang ist an die Rechtsprechung zu erinnern, wonach bezüglich der Transportkosten davon auszugehen ist, dass, wenn ein Erzeuger die Absatzmengen auf Wunsch des Käufers an den Bestimmungsort liefert, die Transportleistung zum Verkauf des Erzeugnisses gehört. Der für diese Leistung geforderte Preis ist daher, auch wenn er dem Betrag entsprechen sollte, den der Verkäufer dem für diese Leistung eingeschalteten unabhängigen Spediteur zu zahlen hat, Teil des Gesamtkaufpreises (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95, Slg. 2000, II-491, Randnr. 5030).

177

Die Kommission durfte somit zu Recht davon ausgehen, dass die am 30. Oktober 2006 übermittelten Zahlen die im Sinne von Ziff. 15 der Leitlinien von 2006 zuverlässigsten Daten waren, die zur Verfügung standen. Der erste Abschnitt des ersten Teils des Klagegrundes, mit dem eine fehlerhafte Anwendung der Leitlinien von 2006 bezüglich der Bestimmung des Umsatzes geltend gemacht wird, ist folglich zurückzuweisen.

178

In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die Kommission im 229. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung feststellte, dass sich gemäß Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 der für die Klägerin festgesetzte Umsatz im EWR auf 6739601 Euro belaufen habe. Hierbei verwies die Kommission auf die von der Klägerin am 30. Oktober 2006 zur Verfügung gestellten Daten, denen zufolge ihr Umsatz im Jahr 2000 im EWR 8146129 Euro und auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Markt, also dem Weltmarkt, 34339694 Euro betragen habe (25. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

c) Zum Umsatz und zum Marktanteil

179

Was den zweiten Abschnitt dieses Teils des Klagegrundes betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung feststellte, dass nach Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 das jeweilige Gewicht der einzelnen Unternehmen dem Anteil ihrer im Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung stehenden Umsätze in dem vom Kartell betroffenen räumlichen Markt am aggregierten Umsatz aller betreffenden Unternehmen in diesem Markt entspreche. Dieser Anteil sei sodann auf den aggregierten Umsatz der Unternehmen im EWR anzuwenden, der im Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung stehe (232. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission stellte somit klar, dass die Frage, ob die unternehmensinternen Umsätze anderer Unternehmen zu berücksichtigen seien, und die Frage, wie der räumliche Markt genau zu bestimmen sei, ohne Bedeutung für die Festsetzung des Umsatzes und der endgültigen Geldbuße sei (233. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

180

Gemäß dem 32. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung stellen einige der „großen Aluminiumhersteller, also der großen Verbraucher von Aluminiumfluorid, … in bedeutendem Umfang ‚unternehmensintern‘ Aluminiumfluorid her, was bedeutet, dass sie (hauptsächlich) für ihren eigenen Gebrauch produzieren, selbst wenn sie während des Zuwiderhandlungszeitraums Aluminiumfluorid auch von anderen Herstellern bezogen haben“.

181

Die Klägerin stellt die Rechtmäßigkeit der Erwägungsgründe 232 ff. der angefochtenen Entscheidung in Frage, weil die Kommission in diesen Erwägungsgründen Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 fehlerhaft angewandt habe. Die Kommission habe es versäumt, die Umsätze anderer am Kartell nicht beteiligter Unternehmen zu berücksichtigen, zu denen Unternehmen mit einer „unternehmensinternen“ Produktion gehörten. Zudem habe sich die Kommission in Widerspruch zu ihrer eigenen Entscheidungspraxis gesetzt.

182

Angesichts dieser Rügen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Ziff. 18 der Leitlinien von 2006, um sowohl den aggregierten Umsatz im EWR als auch das jeweilige Gewicht der einzelnen Unternehmen bei der Zuwiderhandlung wiederzugeben, den Gesamtwert des Umsatzes mit den betreffenden Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in Zusammenhang stehen, im gesamten (über den EWR hinausreichenden) relevanten räumlichen Markt schätzen, den Anteil der einzelnen beteiligten Unternehmen am Umsatz auf diesem Markt ermitteln und diesen Anteil auf den aggregierten Umsatz derselben Unternehmen innerhalb des EWR anwenden kann. Das Ergebnis wird als Umsatz bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet.

183

Aus der Systematik und dem Wortlaut von Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 ergibt sich, dass die Wendung „den Gesamtwert des Umsatzes mit den betreffenden Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in Zusammenhang stehen“, so zu verstehen ist, dass damit der Gesamtwert des Umsatzes der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen gemeint ist, nicht aber der Gesamtwert des Umsatzes aller Unternehmen, die auf dem Markt tätig sind, auf dem die Unternehmen die Zuwiderhandlung begangen haben. Die Umsätze der Unternehmen, die an der Zuwiderhandlung nicht beteiligt sind, sind nämlich keine Umsätze, „die mit dem Verstoß in Zusammenhang stehen“.

184

Diese wörtliche Auslegung entspricht zudem der Systematik von Ziff. 18 der Leitlinien von 2006, die zum Ziel hat, dass sowohl der betreffende aggregierte Umsatz als auch das jeweilige Gewicht der einzelnen Unternehmen bei der Zuwiderhandlung wiedergegeben wird. Das letztgenannte Ziel setzt voraus, dass ausschließlich der Wert des Umsatzes derjenigen Unternehmen berücksichtigt wird, die an der Zuwiderhandlung beteiligt sind.

185

Die genannte Auslegung fügt sich schließlich in den Zusammenhang und die Systematik der gesamten Leitlinien von 2006 ein, die zum Ziel haben, die Geldbußen auf der Grundlage des Wertes des von der Zuwiderhandlung betroffenen Umsatzes zu berechnen. Wie die Kommission hervorhebt, entspricht der Wert der Umsätze, die nach Maßgabe der – im selben Abschnitt wie Ziff. 18 enthaltenen – Ziff. 13 und 14 der Leitlinien von 2006 berücksichtigt werden, dem Wert, den die Unternehmen aufgrund der Zuwiderhandlung erzielen.

186

Diese Auslegung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass Ziff. 18 der Leitlinien von 2006 auf den „Markt“ Bezug nimmt. Dieser „Markt“ bezieht sich nämlich nur auf den über den EWR hinausreichenden räumlichen Markt, der von den Umsätzen der am Verstoß beteiligten Unternehmen betroffen ist.

187

Die Klägerin macht daher zu Unrecht geltend, die Einhaltung der Leitlinien hätte die Kommission dazu gebracht, den Umsatz der übrigen Unternehmen und auch die unternehmensinterne Produktion von Wirtschaftsteilnehmern wie Alcan und Alcoa einzubeziehen.

188

Entgegen den Ausführungen der Klägerin wird die genannte Auslegung der Leitlinien von 2006 nicht in Frage gestellt durch die frühere Entscheidungspraxis der Kommission, wie sie sich aus der Entscheidung 2002/742/EG der Kommission vom 5. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/36.604 - Zitronensäure) (ABl. 2002, L 239, S. 18) ergibt und der zufolge die Höhe der Geldbußen entsprechend dem jeweiligen Gewicht, das die Beteiligten im Rahmen von über die Union hinausreichenden Kartellen haben, anzupassen wäre.

189

Nach der Rechtsprechung kann nämlich die Tatsache, dass die Kommission für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen in der Vergangenheit Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, ihr nicht die Möglichkeit nehmen, die Geldbußen innerhalb der Grenzen der Verordnung Nr. 1/2003 zu erhöhen, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union sicherzustellen. Vielmehr verlangt die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann. Das gilt nicht nur dann, wenn die Kommission das Niveau der Geldbußen durch die Verhängung von Geldbußen in Einzelentscheidungen anhebt, sondern auch, wenn diese Anhebung dadurch erfolgt, dass Verhaltensnormen mit allgemeiner Geltung wie die Leitlinien auf konkrete Fälle angewandt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnrn. 227 und 230).

190

Die frühere Entscheidungspraxis, auf die sich die Klägerin bezieht, beruhte auf der Mitteilung der Kommission vom 14. Januar 1998 über die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien von 1998).

191

Die Kommission wies in den Ziff. 3 bis 5 der Leitlinien von 2006 darauf hin, dass sie beabsichtige, ihre Geldbußenpolitik, die zum Ziel habe, Zuwiderhandlungen zu ahnden und andere Unternehmen von der Aufnahme oder Fortsetzung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG oder Art. 82 EG abzuhalten, weiter zu entwickeln und zu verfeinern. Um diese Ziele zu erreichen, hielt es die Kommission für angemessen, die Geldbußen auf der Grundlage des Wertes der verkauften Waren oder Dienstleistungen zu berechnen, mit denen der Verstoß in Zusammenhang steht. Somit hat die Kommission dargelegt, weshalb sie für die Festsetzung der Geldbuße eine neue Methode anwandte, nämlich wegen der Notwendigkeit, eine wirksamere Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union sicherzustellen, und die Klägerin hat nichts vorgetragen, was die Richtigkeit der geänderten Herangehensweise in Frage stellen könnte.

192

Infolgedessen waren die Bestimmungen der Leitlinien von 2006 nicht danach auszulegen, wie die Leitlinien von 1998 angewandt wurden.

193

Aus den vorstehend aufgeführten Gründen ist auch der zweite Abschnitt des zweiten Teils zurückzuweisen.

4. Zum dritten Teil: fehlerhafte Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße und fehlerhafte Anwendung des Zusatzbetrags

194

Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung Fehler begangen, und zwar konkret bei der Bewertung der Art der Zuwiderhandlung und bei der Analyse des Marktanteils der Adressaten der angefochtenen Entscheidung. Zudem habe die Kommission bei den Faktoren, die dem Grundbetrag der Geldbuße zugrunde gelegt worden seien, zu Unrecht die Ausführung der Zuwiderhandlung berücksichtigt.

195

Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe die Zuwiderhandlung falsch bewertet. Die der Klägerin zur Last gelegten Umstände könnten allenfalls als gelegentlicher Informationsaustausch bewertet werden und stellten weder einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht noch eine horizontale Vereinbarung zur Festsetzung von Preisen im Sinne der Ziff. 23 und 24 der Leitlinien dar. Die Bewertung in der angefochtenen Entscheidung als horizontale Vereinbarung zur Festsetzung von Preisen und damit als schwere Beschränkung des Wettbewerbs habe die Kommission veranlasst, den Grundbetrag gemäß Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 um einen Zusatzbetrag zu erhöhen. Die zur Last gelegte Zuwiderhandlung könne zudem nicht als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft werden. In diesem Zusammenhang macht die Klägerin erneut geltend, es liege eine Verletzung der Verteidigungsrechte vor, die es dem Gericht nicht erlaube, seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung auszuüben. Sie begehrt die Abänderung der Erwägungsgründe 236 und 242 der angefochtenen Entscheidung durch das Gericht.

196

Ihrer Ansicht nach weist der in der angefochtenen Entscheidung festgestellte gemeinsame Marktanteil von 35 % dem angeblichen Kartell ein unverhältnismäßiges wirtschaftliches Gewicht zu, da dieser Anteil ohne Berücksichtigung der unternehmensinternen Produktion der großen Aluminiumhersteller festgesetzt worden sei. Die Kommission habe damit eines der wesentlichen Kriterien für die Beurteilung der Schwere der in Rede stehenden Zuwiderhandlung falsch bewertet.

197

Schließlich sei die Kommission davon ausgegangen, dass die Absprache von Mailand über eine angebliche Preiserhöhung in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 überwacht worden sei, und beziehe sich auf die bilateralen Kontakte zwischen IQM und der Abteilung „Noralf“ von Boliden vom 25. Oktober 2000 sowie auf die Gespräche zwischen der Klägerin und Fluorsid im November 2000, obwohl diese bilateralen Kontakte in keinem Zusammenhang mit dem Treffen in Mailand gestanden hätten und der Klägerin nicht zur Last gelegten werden könnten, da sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht erwähnt worden seien. Da es keine Dokumente oder sonstigen stichhaltigen Beweismittel aus der Zeit nach dem Treffen in Mailand gebe, sei die Schlussfolgerung, dass das Kartell durchgeführt worden sei, nicht möglich. Hieraus folge, dass der Zusatzbetrag vollständig aufgehoben und der für die Festsetzung des Grundbetrags angewandte Prozentsatz von 17 % wesentlich herabgesetzt werden müsse.

198

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und gelangt zu dem Schluss, dass dieser dritte Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen sei.

199

Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, was das Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 81 Abs. 1 EG angeht, zutreffend davon ausging, dass ein Kartell und eine horizontale Preis- und Marktaufteilungsabsprache zwischen den Beteiligten, unter ihnen die Klägerin, bestanden habe (vgl. oben, Randnrn. 66 bis 92). Dies kann an dieser Stelle nicht durch Ausführungen der Klägerin in Frage gestellt werden, die die von der Kommission verhängte Geldbuße betreffen.

200

Überdies ist die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin in Übereinstimmung mit Ziff. 23 der Leitlinien von 2006 in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass es sich vorliegend um einen Verstoß gehandelt habe, der vor allem in einer horizontalen Vereinbarung zur Festsetzung von Preisen bestanden habe, die ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen gehöre.

201

Demnach hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 anwandte, wo es heißt, dass, „unabhängig von der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung, … die Kommission einen Betrag zwischen 15 % und 25 % des Umsatzes [hinzufügt], um die Unternehmen … an der Beteiligung an horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen [und] Aufteilung von Märkten … abzuschrecken“, und sie gemäß Ziff. 22 der Leitlinien von 2006 Umstände wie die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligten Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis berücksichtigte.

202

In der angefochtenen Entscheidung ist die Kommission davon ausgegangen, dass der gemeinsame Marktanteil im Jahr 2000 im EWR nicht mehr als 35 % betragen habe (237. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, mit Verweis auf den 33. Erwägungsgrund dieser Entscheidung) und dass der von der Zuwiderhandlung betroffene räumliche Markt weltweit bestanden habe (238. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, mit Verweis auf den 136. Erwägungsgrund dieser Entscheidung). Die Kommission hat überdies darauf hingewiesen, dass sie einen Marktanteil von weniger als 35 % berücksichtigt habe, was sie veranlasste, den Grundbetrag nicht zu erhöhen. Diese die Schwere der Zuwiderhandlung betreffenden Umstände wurden von der Kommission, wie oben in den Randnrn. 199 bis 201 dargelegt, zutreffend festgestellt.

203

Was die Durchführung des Kartells betrifft, ist die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass die Absprache von Mailand in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 überwacht wurde. Die Kommission legte in der angefochtenen Entscheidung dar, dass zwischen den Adressaten der Entscheidung, unter ihnen die Klägerin, eine Vereinbarung bestanden habe. Sowohl der Abschluss einer Vereinbarung bei dem Treffen in Mailand als auch die bilateralen Kontakte nach diesem Treffen, insbesondere am 25. Oktober 2000, wurden nachgewiesen. Wie vorstehend im Rahmen des ersten Klagegrundes bezüglich des Vorliegens der Zuwiderhandlung ausgeführt, kontrollierten bei diesen bilateralen Kontakten die Adressaten der angefochtenen Entscheidung, insbesondere die Klägerin, gegenseitig das Preisniveau. Die Preise, die bei diesen nach dem Treffen in Mailand stattgefundenen Kontakten festgesetzt wurden, entsprachen der bei diesem Treffen getroffenen Absprache. Die Kommission durfte daher zu Recht davon ausgehen, dass sich die genannten Kontakte auf die beim Treffen in Mailand getroffene Absprache bezogen und somit ein Beweis für die Durchführung des Kartells sind.

204

Da, wie in den Randnrn. 66 bis 109 ausgeführt, der zweite Klagegrund zurückgewiesen wird und die angefochtene Entscheidung, in der das Bestehen einer Absprache sowie die Dauer und die Schwere dieser Absprache festgestellt wird, aufrechterhalten bleibt, ist dieser Teil des dritten Klagegrundes, mit dem eine fehlerhafte Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße geltend gemacht wird, als unbegründet zurückzuweisen.

205

Folglich konnte die Kommission zu Recht einen Anteil von 17 % des Umsatzes zur Bestimmung des Grundbetrags der gegen die Klägerin zu verhängenden Geldbuße festsetzen.

206

Obwohl die Dauer der Zuwiderhandlung von der Klägerin nicht in Frage gestellt wurde, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung feststellte, die Zuwiderhandlung habe „zumindest“ vom 12. Juli bis zum 31. Dezember 2000 gedauert, also weniger als ein halbes Jahr. Gemäß Ziff. 24 der Leitlinien von 2006 verwendete die Kommission bei der Multiplikation den Faktor 0,5. Ziff. 24 der Leitlinien von 2006 bestimmt nämlich, dass, um der Dauer der Mitwirkung der einzelnen Unternehmen an der Zuwiderhandlung in voller Länge Rechnung zu tragen, der nach dem Umsatz ermittelte Wert mit der Anzahl der Jahre multipliziert wird, die das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war, wobei Zeiträume bis zu sechs Monaten mit einem halben Jahr angerechnet werden.

207

Der dritte Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

E – Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 36 des Europa-Mittelmeer-Abkommens, das Fürsorgeprinzip und den völkerrechtlichen Grundsatz der Courtoisie

1. Vorbemerkungen

208

Die Klägerin macht geltend, die Wettbewerbsregeln des Europa-Mittelmeer-Abkommens fänden im vorliegenden Fall zumindest neben den Wettbewerbsregeln der Union Anwendung. Die Kommission habe aber die Anwendung des Art. 36 Abs. 1 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zugunsten der ausschließlichen Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union ausgeschlossen. Dabei habe sich die Kommission auf die Schutzklausel des Art. 36 Abs. 6 des Europa-Mittelmeer-Abkommens berufen. Einer solchen Maßnahme hätte eine Konsultation im Assoziationsausschuss vorausgehen müssen. Die Klägerin ist der Auffassung, die Nichteinhaltung des Verfahrens nach dem Europa-Mittelmeer-Abkommen stelle die Verletzung einer wesentlichen Förmlichkeit dar, deren Beachtung einen entscheidenden Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens hätte haben können. Das einseitige Vorgehen der Kommission verstoße nicht nur gegen Art. 36 des Europa-Mittelmeer-Abkommens, sondern auch gegen den völkerrechtlichen Grundsatz der Courtoisie sowie gegen die Fürsorgepflicht.

209

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und gelangt zu dem Schluss, dass der vierte Klagegrund zurückzuweisen sei.

210

Wie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt ist, findet das Wettbewerbsrecht der Union auf ein Kartell Anwendung, dessen Auswirkungen sich auf den Binnenmarkt erstrecken, unabhängig davon, ob eines der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen in einem Drittland ansässig ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 25. November 1971, Béguelin Import, 22/71, Slg. 1971, 949, Randnrn. 22 bis 29, vom 27. September 1988, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, 89/85, 104/85, 114/85, 116/85, 117/85 und 125/85 bis 129/85, Slg. 1988, 5193, Randnrn. 11 bis 23, und Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Randnr. 118 angeführt, Randnrn. 69 bis 93).

2. Zum Europa-Mittelmeer-Abkommen

211

Das Europa-Mittelmeer-Abkommen zwischen der Gemeinschaft und Tunesien gehört zu den Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen, die zwischen der Gemeinschaft und sieben Ländern des südlichen Mittelmeerraums geschlossen wurden. Diese Abkommen bieten einen Rahmen für den politischen Nord-Süd-Dialog, bilden die Grundlage für die schrittweise Liberalisierung des Handels im Mittelmeerraum und legen die Voraussetzungen für die Zusammenarbeit in den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereichen zwischen der Gemeinschaft und den einzelnen Partnerländern fest.

212

Was das Europa-Mittelmeer-Abkommen betrifft, genügt unabhängig von dessen rechtlicher Natur und dessen Auswirkungen im Rahmen der Rechtsordnung der Union die Feststellung, dass das Abkommen dem anwendbaren Unionsrecht, insbesondere Art. 81 EG, nicht vorgeht und die Anwendung der letztgenannten Vorschrift nicht ausschließt. Art. 36 des Europa-Mittelmeer-Abkommens, auf den sich die Klägerin beruft, verpflichtet im Gegenteil die Vertragsparteien zur Anwendung des Wettbewerbsrechts und bestimmt ausdrücklich, dass alle Verhaltensweisen, die im Gegensatz zu diesem Recht stehen, nach den Kriterien beurteilt werden, die sich aus den Art. 81 EG, 82 EG und 87 EG ergeben (Art. 36 Abs. 2 des Europa-Mittelmeer-Abkommens). Art. 36 Abs. 6 des Europa-Mittelmeer-Abkommens sieht eine Konsultation im Assoziationsausschuss nur unter bestimmten Voraussetzungen vor, insbesondere wenn nach dem Wettbewerbsrecht eine Lösung des Problems nicht möglich ist.

213

Die angefochtene Entscheidung betrifft keine Verhaltensweise, die speziell den Handel zwischen der Europäischen Union und Tunesien beeinträchtigt, sondern eine Verhaltensweise mit weltweiter Wirkung, die den europäischen Markt beeinträchtigt. Die Kommission nahm in der angefochtenen Entscheidung ihre Befugnis wahr und wandte Art. 81 EG hinsichtlich der Beeinträchtigung des Wettbewerbs innerhalb des EWR an. Die angefochtene Entscheidung fällt dagegen nicht in den Anwendungsbereich des Europa-Mittelmeer-Abkommens und verstößt erst recht nicht gegen dieses Abkommen. Es bestand somit kein Grund für die Anwendung des Europa-Mittelmeer-Abkommens und seiner Mechanismen.

214

Das Vorbringen ist daher unbegründet und ist zurückzuweisen.

3. Zur internationalen Courtoisie und zum „Fürsorgeprinzip“

215

Was das Vorbringen der Klägerin betrifft, die internationale Courtoisie (comitas gentium) sei nicht beachtet worden, hat die Klägerin den geltend gemachten Grundsatz weder erläutert, noch dessen Wirkungen dargetan noch ausgeführt, weshalb der Grundsatz die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage stellt. Es ist nicht erkennbar, weshalb sich aus ihm ergeben würde, dass die Kommission, „bevor sie einseitig die gemeinschaftlichen Wettbewerbsbestimmungen anwendet, die tunesischen Behörden [hätte] kontaktieren müssen“.

216

Sofern im Übrigen das Vorbringen der Klägerin die Zuständigkeit der Gemeinschaft für die Anwendung ihrer Wettbewerbsvorschriften auf Verhaltensweisen wie die im vorliegenden Fall festgestellten in Frage stellen sollte (Urteil Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, oben in Randnr. 210 angeführt, Randnrn. 31 und 32), wäre es jedenfalls zurückzuweisen. Die Kommission ist nämlich für die Verfolgung und Ahndung von Verstößen gegen Art. 81 EG in Bezug auf den europäischen Markt zuständig. Ein solcher Verstoß wurde von der Kommission im vorliegenden Fall festgestellt. Unter diesen Umständen wird die Zuständigkeit der Kommission für die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften der Gemeinschaft auf derartige Verhaltensweisen in Anbetracht der Regeln des Völkerrechts bestätigt (vgl. in diesem Sinne Urteil Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, oben in Randnr. 210 angeführt, Randnr. 18; vgl. auch entsprechend Urteil des Gerichts vom 25. März 1999, Gencor/Kommission, T-102/96, Slg. 1999, II-753, Randnrn. 89 ff.).

217

Was die von der Klägerin geltend gemachte angebliche „Fürsorgepflicht“ angeht, wonach sich die Kommission vor allem an die tunesischen Behörden hätte wenden müssen, wird diese weder substantiiert noch erläutert. Es ist somit nicht klar, worauf sich die Klägerin beruft. Im Übrigen legt sie auch nicht dar, inwiefern sich dieser allgemeine Grundsatz des Völkerrechts auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung auswirken würde.

218

Nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts muss die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Insoweit ist an die Grundsätze und die Rechtsprechung zu erinnern, die oben in den Randnrn. 163 und 164 angeführt worden sind.

219

Da die Klägerin lediglich vorgetragen hat, dass die „internationale Courtoisie“ nicht beachtet worden sei und dass es eine „Fürsorgepflicht“ gebe, ohne jedoch dieses Vorbringen, sei es auch nur kurz, zu erläutern, ist es als unzulässig zurückzuweisen.

220

Der vierte Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

221

Nach alledem sind die Nichtigkeitsanträge insgesamt zurückzuweisen. Was ferner den hilfsweise gestellten Antrag auf Abänderung der Höhe der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße betrifft, ist in Wahrnehmung der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung diesem Antrag aufgrund insbesondere der vorstehenden Erwägungen nicht stattzugeben.

222

Die Klage ist somit insgesamt abzuweisen.

Kosten

223

Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Industries chimiques du fluor trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.

 

Azizi

Labucka

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. Juni 2013.

Frimodt Nielsen

Unterschriften

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. Juni 2013.

Inhaltsverzeichnis

 

Vorgeschichte des Rechtsstreits

 

I – Sachverhalt

 

II – Angefochtene Entscheidung

 

A – Verfügender Teil der angefochtenen Entscheidung

 

B – Begründung der angefochtenen Entscheidung

 

1. Zur Aluminiumfluorid-Branche

 

2. Das Treffen in Mailand und die Durchführung des Kartells

 

3. Zur Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 EWR-Abkommen

 

4. Zur Dauer der Zuwiderhandlung

 

5. Zur Bemessung der Geldbuße

 

6. Zu den mildernden Umständen

 

Verfahren und Anträge der Parteien

 

Rechtliche Würdigung

 

I – Zur Zulässigkeit der Klage

 

II – Zur Begründetheit

 

A – Zusammenfassung der Nichtigkeitsgründe

 

B – Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 81 EG

 

1. Zum ersten Teil, mit dem geltend gemacht wird, die der Klägerin zur Last gelegten Umstände stellten keine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG dar

 

a) Vorbemerkungen

 

b) Inhalt der angefochtenen Entscheidung

 

c) Zum Nachweis der Zuwiderhandlung

 

2. Zum zweiten Teil, mit dem hilfsweise geltend gemacht wird, die der Klägerin zur Last gelegten Umstände könnten nicht als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft werden

 

a) Vorbemerkungen

 

b) Zur einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung

 

C – Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte und Verstoß gegen Art. 27 der Verordnung Nr. 1/2003

 

1. Vorbemerkungen

 

2. Würdigung durch das Gericht

 

a) Allgemeines

 

b) Würdigung im vorliegenden Fall

 

Einführung

 

Zur Rüge bezüglich der Teilnehmer und der Dauer des Kartells

 

Zur Rüge bezüglich des räumlichen Umfangs des Kartells

 

Zur Rüge bezüglich der Logik und der Struktur des Kartells und der Dokumente betreffend die Kontakte vom 8. und 9. November 2000

 

i) Einführung

 

ii) Zum Inhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte

 

iii) Zum Inhalt der angefochtenen Entscheidung

 

iv) Würdigung

 

– Zum Zugang zu den fraglichen Dokumenten während des Verwaltungsverfahrens

 

– Zur Bedeutung der fraglichen Dokumente für die Beurteilung der Ausführung der Zuwiderhandlung

 

– Zur Bedeutung der fraglichen Dokumente für die Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung

 

v) Ergebnis

 

D – Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 und gegen die Leitlinien von 2006 bezüglich der Festsetzung der Geldbuße

 

1. Vorbemerkungen

 

2. Zum ersten Teil: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

 

3. Zum zweiten Teil: fehlerhafte Anwendung der Leitlinien von 2006 bezüglich der Bestimmung des Umsatzes

 

a) Vorbemerkungen

 

b) Zu den von der Kommission verwendeten Zahlen

 

c) Zum Umsatz und zum Marktanteil

 

4. Zum dritten Teil: fehlerhafte Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße und fehlerhafte Anwendung des Zusatzbetrags

 

E – Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 36 des Europa-Mittelmeer-Abkommens, das Fürsorgeprinzip und den völkerrechtlichen Grundsatz der Courtoisie

 

1. Vorbemerkungen

 

2. Zum Europa-Mittelmeer-Abkommen

 

3. Zur internationalen Courtoisie und zum „Fürsorgeprinzip“

 

Kosten


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.