Rechtssache T‑211/08

Putters International NV

gegen

Europäische Kommission

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für internationale Umzugsdienste in Belgien – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Preisfestsetzung – Marktaufteilung – Manipulation von Auftragsvergaben – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Geldbußen – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006 – Schwere – Dauer“

Leitsätze des Urteils

1.      Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellen

(Art. 81 Abs. 1 EG)

2.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Umsatz

(Bekanntmachung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 13)

3.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Verhängung des Höchstbetrags

(Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Bekanntmachung 2006/C 210/02 der Kommission)

1.      Es wäre gekünstelt, ein durch ein einziges Ziel gekennzeichnetes kontinuierliches Verhalten zu zerlegen und darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen, während es sich im Gegenteil um eine einheitliche Zuwiderhandlung handelt, die sich nach und nach sowohl durch Vereinbarungen als auch durch abgestimmte Verhaltensweisen konkretisiert hat.

Unter solchen Umständen ist ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die den Begriff von auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt haben und zur Mitwirkung an der Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit bestimmt waren, an einer solchen Zuwiderhandlung beteiligt hat, für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich, das andere Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung an den Tag legten.

Die Kommission hat, um das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung darzutun, zu beweisen, dass das Unternehmen durch sein Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte sowie bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen.

Kartelle können nämlich nur dann als Bestandteile einer einheitlichen wettbewerbswidrigen Vereinbarung angesehen werden, wenn erwiesen ist, dass sie zu einem Gesamtplan gehörten, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wurde. Zudem kann die Teilnahme eines Unternehmens an den betreffenden Kartellen nur dann Ausdruck seines Beitritts zu dieser Vereinbarung sein, wenn es, als es an diesen Kartellen teilnahm, wusste oder hätte wissen müssen, dass es sich damit in die einheitliche Vereinbarung eingliederte.

Somit müssen für den Nachweis der Beteiligung an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung drei Voraussetzungen erfüllt sein, nämlich das Vorliegen eines Gesamtplans, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird, der vorsätzliche Beitrag dieses Unternehmens zu diesem Plan und die (bewiesene oder vermutete) Kenntnis des Unternehmens von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Teilnehmer.

Eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung kann durchaus das doppelte Ziel verfolgen, die Preise zu beeinflussen und den Markt aufzuteilen. Zudem berührt der bloße Umstand, dass sich jedes Unternehmen auf eine ihm eigene Art und Weise an der Zuwiderhandlung beteiligt, die Bewertung der Zuwiderhandlung als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung nicht.

(vgl. Randnrn. 31-35, 41)

2.      In Ziff. 13 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 heißt es: „Zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet die Kommission den Wert der von dem betreffenden Unternehmen … verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen.“ Dieser Bestimmung ist nicht zu entnehmen, dass allein der Umsatz mit Geschäften, die tatsächlich von den rechtswidrigen Verhaltensweisen betroffen sind, bei der Berechnung des relevanten Umsatzes berücksichtigt werden kann. So verweist der Wortlaut der Ziff. 13 dieser Leitlinien auf die „verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen“ und nicht auf die „vom Verstoß betroffenen Waren oder Dienstleistungen“. Mit der Formulierung in Ziff. 13 ist also der auf dem relevanten Markt erzielte Umsatz gemeint.

Diese Auslegung wird durch den Zweck der Wettbewerbsregeln der Union gestützt. Die Kommission muss für die Bestimmung des Grundbetrags der in Kartellsachen zu verhängenden Geldbußen nicht die einzelnen Vorgänge benennen, die vom Kartell betroffen waren. Die Unionsgerichte haben ihr eine solche Pflicht nämlich nie auferlegt, und nichts weist darauf hin, dass sich die Kommission in diesen Leitlinien eine solche Pflicht selbst auferlegen wollte.

Ferner kann der Teil des Umsatzes, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung bezog, einen zutreffenden Anhaltspunkt für das Ausmaß einer Zuwiderhandlung auf dem betreffenden Markt liefern. Insbesondere stellt der Umsatz, der mit den Erzeugnissen erzielt wurde, die Gegenstand einer beschränkenden Verhaltensweise waren, ein objektives Kriterium dar, das zutreffend angibt, wie schädlich sich diese Verhaltensweise auf den normalen Wettbewerb auswirkt.

(vgl. Randnrn. 57-61)

3.      Dass sich die letztlich verhängte Geldbuße auf 10 % der Umsätze des betreffenden Unternehmens beläuft, dieser Prozentsatz für andere Kartellteilnehmer aber niedriger ausfällt, kann allein keinen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit darstellen. Dies ergibt sich nämlich notwendigerweise aus der Auslegung der Obergrenze von 10 % als bloße Kappungsgrenze, die nach einer eventuellen Ermäßigung der Geldbuße wegen mildernder Umstände oder aufgrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zur Anwendung kommt.

Jedoch kann die Multiplikation des nach dem Umsatz errechneten Wertes mit der Anzahl der Jahre, die das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war, dazu führen, dass im Rahmen der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 die Anwendung der in diesem Art. 23 Abs. 3 vorgesehenen Obergrenze von 10 % für die Unternehmen, die hauptsächlich auf einem einzigen Markt tätig sind und mehr als ein Jahr an einem Kartell beteiligt waren, nunmehr eher die Regel als die Ausnahme darstellt. In diesem Fall wird sich normalerweise keine Differenzierung nach der Schwere oder wegen mildernder Umstände mehr auf eine Geldbuße niederschlagen können, die bei 10 % gekappt wurde. Die sich daraus ergebende fehlende Differenzierung beim Endbetrag der Geldbuße stellt mit Blick auf den Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen eine Problematik dar, die der neuen Methode immanent ist. Sie kann es erfordern, dass das Gericht seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung in den konkreten Fällen ausschöpft, in denen die alleinige Anwendung dieser Leitlinien keine angemessene Differenzierung zulässt.

(vgl. Randnrn. 74-75)







URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

16. Juni 2011(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für internationale Umzugsdienste in Belgien – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Preisfestsetzung – Marktaufteilung – Manipulation von Auftragsvergaben – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Geldbußen – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006 – Schwere – Dauer“

In der Rechtssache T‑211/08

Putters International NV mit Sitz in Cargovil (Belgien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt K. Platteau,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch A. Bouquet und F. Ronkes Agerbeek als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C(2008) 926 def. der Kommission vom 11. März 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/38.543 – Internationale Umzugsdienste) und, hilfsweise, Aufhebung oder Ermäßigung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters S. Papasavvas in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten sowie der Richter N. Wahl und A. Dittrich (Berichterstatter),

Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2010

folgendes

Urteil

 Sachverhalt

1.     Gegenstand des Rechtsstreits

1        Nach der Entscheidung C(2008) 926 def. der Kommission vom 11. März 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR‑Abkommen (Sache COMP/38.543 – Internationale Umzugsdienste) (im Folgenden: Entscheidung), von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 11. August 2009 (ABl. C 188, S. 16) veröffentlicht wurde, beteiligte sich die Klägerin, die Putters International NV, an einem auf dem Markt für internationale Umzugsdienste in Belgien bestehenden Kartell zur unmittelbaren und mittelbaren Preisfestsetzung, zur Marktaufteilung und zur Manipulation des Verfahrens zur Einreichung von Angeboten. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften führt aus, dass das Kartell fast 19 Jahre lang bestanden habe (von Oktober 1984 bis September 2003). Die Teilnehmer hätten Preise festgesetzt, den Kunden fiktive Kostenvoranschläge (sogenannte Schutzangebote) vorgelegt und sich untereinander über ein System von Abstandszahlungen (im Folgenden: Provisionen) für abgelehnte Angebote entschädigt.

2.     Klägerin

2        Die Putters International NV (im Folgenden: Putters oder Klägerin) besteht seit dem 9. Januar 1997 in Form einer Aktiengesellschaft. In dem am 31. Dezember 2006 abgeschlossenen Geschäftsjahr erzielte sie einen weltweiten konsolidierten Umsatz von 3 950 907 Euro.

3.     Verwaltungsverfahren

3        Nach den Ausführungen in der Entscheidung leitete die Kommission das Verfahren auf eigene Initiative ein, da sie über Informationen verfügte, die darauf hinwiesen, dass sich einige im Sektor für internationale Umzüge tätige belgische Gesellschaften an Vereinbarungen beteiligten, die geeignet waren, unter das Verbot des Art. 81 EG zu fallen.

4        Daher wurden auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. Nr. 13, S. 204), im September 2003 bei Allied Arthur Pierre NV, Interdean NV, Transworld International NV und Ziegler SA Nachprüfungen durchgeführt. Im Anschluss an diese Nachprüfungen beantragte Allied Arthur Pierre den Erlass oder die Ermäßigung ihrer Geldbuße gemäß der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über die Zusammenarbeit von 2002). Allied Arthur Pierre räumte ihre Beteiligung an Provisions- und Schutzangebotsvereinbarungen ein, benannte die beteiligten Wettbewerber, insbesondere einen den Dienststellen der Kommission vorher nicht bekannten Beteiligten, und legte Dokumente vor, die ihre mündlichen Angaben bestätigten.

5        Die an den wettbewerbswidrigen Vereinbarungen beteiligten Unternehmen, die Wettbewerber und ein Berufsverband wurden gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) schriftlich ersucht, Auskünfte zu erteilen. Am 18. Oktober 2006 erging die Mitteilung der Beschwerdepunkte und wurde mehreren Gesellschaften übermittelt. Alle Adressaten antworteten auf diese Mitteilung. Ihre Vertreter, mit Ausnahme derjenigen der Amertranseuro International Holdings Ltd, der Stichting Administratiekantoor Portielje, der Team Relocations Ltd und der Trans Euro Ltd, machten ihr Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Kommissionsakte geltend, die nur in den Diensträumen der Kommission einsehbar waren. Der Zugang wurde ihnen vom 6. bis 29. November 2006 gewährt. Die mündliche Anhörung fand am 22. März 2007 statt.

6        Am 11. März 2008 erließ die Kommission die Entscheidung.

4.     Angefochtene Entscheidung

7        Die Kommission stellt fest, dass die Adressaten der Entscheidung, darunter die Klägerin, an einem Kartell im Sektor für internationale Umzugsdienste in Belgien beteiligt gewesen seien oder dafür haftbar gemacht würden. Die Kartellteilnehmer hätten mindestens von 1984 bis 2003 Preise festgesetzt, Kunden untereinander aufgeteilt und die Einreichung von Angeboten manipuliert. Damit hätten sie eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG begangen.

8        Die betreffenden Dienstleistungen würden sowohl für natürliche Personen – Privatpersonen oder Mitarbeiter von Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen – als auch für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen erbracht. Dabei bilde Belgien entweder den Ausgangs- oder den Zielort der Umzüge. Da zudem die fraglichen internationalen Umzugsunternehmen alle ihren Sitz in Belgien hätten und das Kartell seine Tätigkeit in Belgien entfalte, sei Belgien als das geografische Zentrum des Kartells anzusehen.

9        Die mit internationalen Umzugsdiensten in Belgien erzielten kumulierten Umsätze aller Kartellteilnehmer schätzte die Kommission für 2002 auf 41 Mio. Euro. Da sie die Größe des Sektors auf ungefähr 83 Mio. Euro schätzte, setzte sie den kumulierten Marktanteil der beteiligten Unternehmen auf etwa 50 % fest.

10      Nach Ansicht der Kommission war das Kartell u. a. darauf gerichtet, ein hohes Preisniveau zu etablieren und aufrechtzuerhalten und den Markt gleichzeitig oder nachfolgend untereinander aufzuteilen, und zwar in verschiedenen Formen: Preisvereinbarungen, Vereinbarungen über die Marktaufteilung mittels eines Systems von Schutzangeboten und Vereinbarungen über ein System von Abstandszahlungen für abgelehnte oder unterlassene Angebote (Provisionen).

11      Von 1984 bis Anfang der 90er Jahre habe das Kartell insbesondere auf der Grundlage von schriftlichen Vereinbarungen über die Festsetzung von Preisen funktioniert. Parallel dazu seien die Provisionen und die Schutzangebote eingeführt worden. Eine Provision sei ein versteckter Bestandteil des Endpreises, den der Verbraucher habe bezahlen müssen, ohne eine entsprechende Leistung zu erhalten. Es handele sich nämlich um einen Geldbetrag, den das Umzugsunternehmen, das den Vertrag über einen internationalen Umzug erhalten habe, den Wettbewerbern geschuldet habe, die den Vertrag nicht erhalten hätten, gleichviel, ob diese ebenfalls ein Angebot abgegeben hätten oder nicht. Es handele sich also um eine Art finanzieller Entschädigung für die Umzugsunternehmen, die den Vertrag nicht erhalten hätten. Die Kartellmitglieder hätten sich gegenseitig Rechnungen über die Provisionen für die abgelehnten oder nicht abgegebenen Angebote ausgestellt, dabei fiktive Leistungen aufgeführt und den Kunden den Betrag dieser Provisionen in Rechnung gestellt. Diese Praxis sei als eine mittelbare Festsetzung der Preise für internationale Umzugsdienste in Belgien anzusehen.

12      Die Kartellmitglieder hätten ferner zusammengearbeitet, um Schutzangebote abzugeben, die den Kunden, d. h. den Arbeitgebern, die den Umzug bezahlt hätten, den irrigen Eindruck vermittelt hätten, sie könnten anhand von wettbewerbsbasierten Kriterien eine Wahl treffen. Bei einem Schutzangebot handele es sich um einen fiktiven Kostenvoranschlag, den ein Umzugsunternehmen einem Kunden oder dem Umziehenden vorgelegt habe, ohne die Absicht zu haben, den Umzug durchzuführen. Für die Abgabe von Schutzangeboten habe das Umzugsunternehmen, das den Vertrag habe abschließen wollen (im Folgenden: anforderndes Unternehmen), dafür gesorgt, dass die Einrichtung oder das Unternehmen mehrere Kostenvoranschläge erhalten habe, entweder unmittelbar oder mittelbar über die Person, die habe umziehen wollen. Dafür habe das anfordernde Unternehmen seinen Wettbewerbern den Preis, den Versicherungstarif und die Einlagerungskosten mitgeteilt, die sie für die Leistung in Rechnung stellen sollten. Dieser im Vergleich zu dem des anfordernden Unternehmens höhere Preis sei dann in den Schutzangeboten angegeben worden. Da ein Arbeitgeber gewöhnlich das Umzugsunternehmen wähle, das das günstigste Angebot abgebe, hätten die für denselben internationalen Umzug bietenden Unternehmen grundsätzlich im Voraus gewusst, wer von ihnen den Vertrag für diesen Umzug erhalten werde.

13      Nach Auffassung der Kommission konnte der von dem anfordernden Unternehmen verlangte Preis zudem höher sein, als er es sonst gewesen wäre, weil die anderen für denselben Umzug bietenden Unternehmen Schutzangebote abgegeben hätten, in denen der vom anfordernden Unternehmen vorgegebene Preis genannt gewesen sei. Als Beispiel führt die Kommission im 233. Erwägungsgrund der Entscheidung eine interne E-Mail von Allied Arthur Pierre vom 11. Juli 1997 an, in der es heißt: „[D]er Kunde hat zwei [Schutzangebote] angefordert, wir können also einen höheren Preis verlangen.“ Die Kommission ist daher der Meinung, dass die Abgabe von Schutzangeboten gegenüber Kunden eine Manipulation des Verfahrens zur Einreichung von Angeboten dargestellt habe, so dass die Preise in allen Angeboten absichtlich höher gewesen seien als der Preis des anfordernden Unternehmens und jedenfalls höher, als sie es in einem Umfeld mit funktionierendem Wettbewerb gewesen wären.

14      Solche Absprachen seien bis 2003 getroffen worden. Diese komplexen Tätigkeiten hätten dasselbe Ziel gehabt, nämlich die Preise festzusetzen und den Markt aufzuteilen und damit den Wettbewerb zu verfälschen.

15      Im Ergebnis stellte die Kommission in Art. 1 des verfügenden Teils der Entscheidung fest:

„Die folgenden Unternehmen haben gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] verstoßen, indem sie während der nachstehenden Zeiträume unmittelbar und mittelbar Preise für Auslandsumzüge von und nach Belgien festsetzten, den Markt teilweise untereinander aufteilten und das Verfahren zur Einreichung von Angeboten manipulierten:

f)      [Putters] vom 14. Februar 1997 bis 4. August 2003;

…“

16      Die Kommission verhängte deshalb in Art. 2 Buchst. h der Entscheidung gegen die Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 395 000 Euro.

17      Für die Berechnung der Höhe der Geldbußen bediente sich die Kommission in der Entscheidung der Methode, die in ihren Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) dargestellt ist.

 Verfahren und Anträge der Parteien

18      Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 4. Juni 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

19      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Achte Kammer) die mündliche Verhandlung eröffnet. In der Sitzung am 6. Mai 2010 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

20      Die Klägerin beantragt,

–        Art. 1 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit darin festgestellt wird, dass sie gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßen habe;

–        Art. 2 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit damit eine Geldbuße gegen sie verhängt wird;

–        gegebenenfalls eine Geldbuße festzusetzen, die deutlich unter dem von der Kommission festgesetzten Betrag liegt;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

21      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

22      Die Klägerin führt fünf Klagegründe für die Nichtigerklärung der Entscheidung und die Aufhebung oder Ermäßigung der Geldbuße an. Der erste Klagegrund betrifft die Anwendung des Art. 81 EG, die weiteren Klagegründe betreffen die Berechnung der Geldbuße.

1.     Zum ersten Klagegrund: Beteiligung der Klägerin an einem komplexen und gefestigten Kartell

 Vorbringen der Parteien

23      Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie davon ausgegangen sei, dass die Klägerin an einem komplexen und gefestigten Kartell teilgenommen habe, obwohl sie sich nur sporadisch an Verhaltensweisen beteiligt habe, die Provisionen und Schutzangebote betroffen hätten.

24      Die Klägerin macht erstens geltend, dass die Zielsetzungen bei den Preisvereinbarungen auf der einen Seite und bei den Provisions- und Schutzangebotsvereinbarungen auf der anderen Seite vollkommen unterschiedlich seien. Die Provisions- und die Schutzangebotsvereinbarungen seien nicht einmal indirekt darauf gerichtet gewesen, die Preise festzusetzen. Zweitens seien an der Preisvereinbarung nicht dieselben Unternehmen beteiligt gewesen wie an den Provisions- und den Schutzangebotsvereinbarungen. Drittens habe sie sich nicht an einem allgemeinen Plan beteiligt. Es habe zwar ein komplexes Kartell einer kleinen Gruppe von Unternehmen gegeben, doch habe sie nicht zu diesem harten Kern gehört und kenne die Preisvereinbarungen nicht. Viertens bestehe ein erheblicher qualitativer Unterschied zwischen ihrer Beteiligung an bestimmten Verhaltensweisen und dem Bestehen eines komplexen Kartells zwischen einer beschränkten Zahl von Akteuren.

25      In der Erwiderung führt die Klägerin näher aus, dass es sich bei den beiden unterschiedlichen mit dem Kartell verfolgten Zielen zum einen um die Aufrechterhaltung eines hohen Preisniveaus für die Erbringung von internationalen Umzugsdiensten in Belgien und zum anderen um die Aufteilung des Marktes für diese Dienste gehandelt habe. Ihre eigene sporadische Beteiligung an den Verhaltensweisen im Zusammenhang mit den Schutzangeboten und den Provisionen hätte jedoch nicht zu einer Erhöhung des allgemeinen Preisniveaus auf dem Markt führen können.

26      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

27      Mit diesem Klagegrund stellt die Klägerin die Wettbewerbswidrigkeit bestimmter Verhaltensweisen in Frage und bestreitet ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung, wie sie in der Entscheidung beschrieben ist. Daher ist zunächst die Wettbewerbswidrigkeit der Provisionen und Schutzangebote zu prüfen, dann der Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zu definieren, und schließlich sind diese Grundsätze auf die Situation der Klägerin anzuwenden.

 Zur Wettbewerbswidrigkeit der Provisionen und Schutzangebote

28      Nach Ansicht der Klägerin waren die Provisions- und Schutzangebotsvereinbarungen nicht einmal indirekt darauf gerichtet, die Preise festzusetzen. Dem ist nicht zu folgen. Die Provisionen wurden in Zahl und Höhe im Voraus festgelegt, noch bevor die Umzugsgesellschaften den Kunden ihre Kostenvoranschläge unterbreiteten. Sie haben daher notwendigerweise das Preisniveau angehoben, da die mit ihnen verbundenen Kosten an die Kunden weitergegeben wurden. Bei den Schutzangeboten wurde der im „unechten“ Angebot angegebene Preis von der Gesellschaft, die dieses angefordert hatte, vorgegeben und von der Gesellschaft, die es abgab, akzeptiert, was es der erstgenannten Gesellschaft erlaubte, ihren Preis höher anzusetzen, als er in einem freien Wettbewerb wäre, nämlich nahe an dem gemeinsam vereinbarten „unechten“ Preis. Im 233. Erwägungsgrund der Entscheidung hat die Kommission diese Wirkung der Schutzangebotspraxis auf die Preise nachgewiesen (siehe oben, Randnr. 13).

29      Zu dem Vorbringen, die Schutzangebote seien erst abgegeben worden, nachdem der Kunde seine Wahl getroffen habe, ist darauf hinzuweisen, dass derjenige, der mit dem Auftragnehmer in Kontakt tritt, z. B. der Bedienstete der Kommission, nicht der eigentliche Kunde der Umzugsunternehmen ist. Es ist nämlich Sache des Unternehmens oder der Einrichtung, die den Umzug finanziert, ein Umzugsunternehmen auszusuchen. Gerade um sich eine Wahl offenzuhalten, verlangen viele Unternehmen und öffentliche Einrichtungen die Einreichung mehrerer Angebote.

30      Schließlich ist auf das Vorbringen, die Beteiligung der Klägerin an den Verhaltensweisen im Zusammenhang mit den Schutzangeboten und den Provisionen habe nicht zu einer Erhöhung des allgemeinen Preisniveaus auf dem Markt geführt, zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG die konkreten Auswirkungen einer Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden brauchen, wenn sich wie im vorliegenden Fall ergibt, dass diese eine Einschränkung, Verhinderung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 1966, Consten und Grundig/Kommission, 56/64 und 58/64, Slg. 1966, 322, 390 f., und Urteil des Gerichts vom 6. April 1995, Ferriere Nord/Kommission, T‑143/89, Slg. 1995, II‑917, Randnr. 30).

 Zum Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung

31      In seinem Urteil vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni (C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Randnr. 82), hat der Gerichtshof festgestellt, dass es gekünstelt wäre, ein durch ein einziges Ziel gekennzeichnetes kontinuierliches Verhalten zu zerlegen und darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen, während es sich im Gegenteil um eine einheitliche Zuwiderhandlung handelt, die sich nach und nach sowohl durch Vereinbarungen als auch durch abgestimmte Verhaltensweisen konkretisiert hat.

32      Unter solchen Umständen ist ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die den Begriff von auf ein wettbewerbswidriges Ziel gerichteten Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt haben und zur Mitwirkung an der Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit bestimmt waren, an einer solchen Zuwiderhandlung beteiligt hat, für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der genannten Zuwiderhandlung auch für das Verhalten verantwortlich, das andere Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung an den Tag legten (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 31 angeführt, Randnr. 83).

33      Diesem Urteil ist zu entnehmen, dass die Kommission, um das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung darzutun, zu beweisen hat, dass das Unternehmen durch sein Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte sowie bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 31 angeführt, Randnr. 87).

34      Kartelle können nämlich nur dann als Bestandteile einer einheitlichen wettbewerbswidrigen Vereinbarung angesehen werden, wenn erwiesen ist, dass sie zu einem Gesamtplan gehörten, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wurde. Zudem kann die Teilnahme eines Unternehmens an den betreffenden Kartellen nur dann Ausdruck seines Beitritts zu dieser Vereinbarung sein, wenn es, als es an diesen Kartellen teilnahm, wusste oder hätte wissen müssen, dass es sich damit in die einheitliche Vereinbarung eingliederte (Urteil des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, Randnrn. 4027 und 4112).

35      Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich somit, dass für den Nachweis der Beteiligung an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, nämlich das Vorliegen eines Gesamtplans, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird, der vorsätzliche Beitrag dieses Unternehmens zu diesem Plan und die (bewiesene oder vermutete) Kenntnis des Unternehmens von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Teilnehmer.

36      Die Entscheidung ist daher anhand dieser Voraussetzungen zu prüfen.

 Zur Einordnung des fraglichen rechtswidrigen Verhaltens

–       Zum Vorliegen eines Gesamtplans, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird

37      Zum Vorliegen eines Gesamtplans, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird, macht die Kommission erstens geltend, dass die betreffenden Unternehmen das wirtschaftliche Ziel der Verfälschung der Preisentwicklung verfolgt hätten.

38      Der Begriff des gemeinsamen Ziels kann jedoch nicht durch einen allgemeinen Verweis auf die Verzerrung des Wettbewerbs auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt bestimmt werden, da die Beeinträchtigung des Wettbewerbs als Ziel oder Wirkung jedem von Art. 81 Abs. 1 EG erfassten Verhalten eigen ist. Eine solche Definition des Begriffs des gemeinsamen Ziels könnte dem Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilweise seinen Sinn nehmen, da sie zur Folge hätte, dass mehrere einen Wirtschaftssektor betreffende Verhaltensweisen, die nach Art. 81 Abs. 1 EG verboten sind, systematisch als Bestandteile einer einheitlichen Zuwiderhandlung eingestuft werden müssten.

39      Im vorliegenden Fall ist der Entscheidung zu entnehmen, dass das gemeinsame Ziel, das auf verschiedene, einem Gesamtplan zugehörige Arten verfolgt wurde, darin bestand, ein hohes Preisniveau für die Erbringung von internationalen Umzugsdiensten in Belgien zu etablieren und aufrechtzuerhalten und diesen Markt aufzuteilen. Dieses gemeinsame Ziel wird in den Erwägungsgründen 314 und 322 bis 344 der Entscheidung ausführlich dargestellt.

40      Wie auch die schriftliche Preisvereinbarung verfolgten die beiden Verhaltensweisen, an denen die Klägerin beteiligt war, ein gemeinsames Ziel, nämlich eine Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den Kartellteilnehmern durch die Einführung eines höheren Preisniveaus, als es ohne Vereinbarungen der Fall gewesen wäre. Die Provisionen, die den Wettbewerbern, die den Vertrag nicht erhielten, gezahlt wurden, hielten sie davon ab, einen wettbewerbsfähigen Preis anzubieten, und indem sie im Rahmen der Schutzangebote Informationen über ihre Angebote austauschten, beschränkten die Kartellmitglieder den Preiswettbewerb. Zudem erlaubte die Vereinbarung über die Schutzangebote den Kartellteilnehmern, die Preise auf einem höheren Niveau als ohne diese Vereinbarung zu halten.

41      Schließlich kann eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung durchaus das doppelte Ziel verfolgen, die Preise zu beeinflussen und den Markt aufzuteilen. Dieses Argument schließt also das Vorliegen einer solchen Zuwiderhandlung ebenso wenig aus wie das Vorbringen, nicht alle an der Preisvereinbarung beteiligten Unternehmen seien an den Provisions- und Schutzangebotsvereinbarungen beteiligt gewesen. Der bloße Umstand, dass sich jedes Unternehmen auf eine ihm eigene Art und Weise an der Zuwiderhandlung beteiligt, berührt nämlich die Bewertung der Zuwiderhandlung als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung nicht (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, BPB/Kommission, T‑53/03, Slg. 2008, II‑1333, Randnr. 260).

–       Zum vorsätzlichen Beitrag der Klägerin zum Gesamtplan

42      Was zweitens den Beitrag der Klägerin zur Zuwiderhandlung betrifft, hat sie unbestritten an zwei der drei in der Entscheidung beschriebenen Verhaltensweisen teilgenommen – an der Vereinbarung über die Provisionen und an der Vereinbarung über die Schutzangebote.

43      An der schriftlichen Preisvereinbarung war die Klägerin dagegen zu keiner Zeit beteiligt. Zwar kann ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen an einer Zuwiderhandlung beteiligt hat, auch für das Verhalten zur Verantwortung gezogen werden, das andere Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung an den Tag legten, doch gilt dies nur für die Zeit seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 31 angeführt, Randnr. 83). Folglich kann die Klägerin nicht für Verhaltensweisen zur Verantwortung gezogen werden, die mehr als fünf Jahre vor ihrem Beitritt zum Kartell eingestellt wurden.

44      Die Kommission hat allerdings in der Entscheidung eine Zuwiderhandlung der Klägerin gegen Art. 81 Abs. 1 EG nur für die Zeit vom 14. Februar 1997 bis 4. August 2003 festgestellt, also für den Zeitraum, in dem die Klägerin an allen Handlungen des Kartells beteiligt war. Somit hat die Kommission die Tatsache, dass die Klägerin erst ab 1997 am Kartell teilnahm, angemessen berücksichtigt.

45      Zudem ist das Vorbringen der Klägerin, die Provisions- und Schutzangebotsvereinbarungen seien nicht gleichzeitig zur Anwendung gekommen und die Absprachen über die Provisionen seien ad hoc erfolgt, unerheblich, da entgegen ihrer Auffassung diese beiden Verhaltensweisen dasselbe Ziel hatten.

–       Zur Kenntnis der Klägerin vom rechtswidrigen Verhalten

46      Was drittens die Frage angeht, ob die Klägerin Kenntnis von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Kartellteilnehmer hatte, ist festzustellen, dass während ihrer Beteiligung keine wettbewerbswidrigen Zusammenkünfte stattgefunden haben. Dass die Klägerin zu keiner Zeit an einer solchen Zusammenkunft teilgenommen hat, ist jedoch nicht entscheidend, da die Funktionsweise des Kartells zeigt, dass seine Mitglieder nicht an Zusammenkünften teilnehmen mussten, um über die Provisions- oder Schutzangebotsvereinbarungen informiert zu sein oder an ihnen teilzunehmen. Die Vereinbarungen erfolgten im Allgemeinen mittels Telefon, E-Mail und/oder Telefax.

47      Zudem musste die Klägerin zwangsläufig Kenntnis von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Teilnehmer haben, da die Provisions- und Schutzangebotspraxis auf einer wechselseitigen Zusammenarbeit mit bei jedem Anlass wechselnden Partnern beruhte. Dieses System beruhte nämlich auf dem Grundsatz do ut des, denn jedes Unternehmen, das eine Provision zahlte oder ein Schutzangebot abgab, erwartete, in der Zukunft selbst von diesem System zu profitieren und Provisionen oder Schutzangebote zu erhalten. Daher erfolgten diese Absprachen entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht ad hoc, sondern wiesen ein Komplementaritätsverhältnis auf.

48      Die Behauptung der Klägerin, sie habe von den schriftlichen Vereinbarungen nichts gewusst und vor 1997 keine Kenntnis von der Provisionspraxis gehabt, ist unerheblich, da die Entscheidung die Klägerin für die Zuwiderhandlung erst ab diesem Datum zur Verantwortung zieht. Spätestens 1997, als sie ihre erste Provision annahm, erfuhr die Klägerin davon, dass keines der Unternehmen seine Tätigkeit unter normalen Wettbewerbsbedingungen ausübte. Sie hatte demnach Kenntnis von dem rechtswidrigen Verhalten und dem von den anderen Unternehmen verfolgten wettbewerbswidrigen Ziel.

49      Folglich durfte die Kommission zu dem Schluss kommen, dass die Klägerin Kenntnis von dem rechtswidrigen Verhalten der anderen Kartellteilnehmer hatte oder hätte haben müssen.

50      Nach alledem hat die Kommission zutreffend festgestellt, dass die Klägerin an der in der Entscheidung beschriebenen einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt war. Daher ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

2.     Zum zweiten Klagegrund: Berechnung des Grundbetrags

 Vorbringen der Parteien

51      Mit ihrem zweiten Klagegrund rügt die Klägerin, die Kommission habe bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verletzt.

52      Der Grundbetrag sei zu hoch angesetzt, denn ihr unmittelbar oder mittelbar mit dem Verstoß im Zusammenhang stehender Umsatz sei deutlich geringer als der von der Kommission angesetzte Betrag von 1 441 149 Euro. Nur 1 % der unter Beteiligung der Klägerin im Jahr 2002 durchgeführten internationalen Umzüge sei nämlich von dem Verstoß beeinflusst worden. Es dürfe nicht auf die gesamten Umsätze mit internationalen Umzugsdiensten abgestellt werden, sondern nur auf die Umsätze mit Diensten, die vernünftigerweise unmittelbar oder mittelbar mit den von ihr begangenen Verstößen in Zusammenhang gebracht werden könnten.

53      Die Unverhältnismäßigkeit und Gleichheitswidrigkeit der von der Kommission verfolgten Methode zeige sich auch an dem Verhältnis zwischen den berücksichtigten Umsätzen und der Zahl der festgestellten Verstöße (18 476 Euro für die Klägerin gegenüber etwa 7 000 Euro für Allied Arthur Pierre, Interdean und Ziegler). Dieser Betrag von 18 476 Euro stehe auch zum durchschnittlichen Wert eines internationalen Umzugsdienstes der Klägerin (4 650 Euro) außer Verhältnis.

54      Nach Ansicht der Kommission ist das Vorbringen der Klägerin unbegründet oder geht sogar ins Leere. Sobald die Kommission die Waren oder Dienstleistungen identifiziert habe, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit dem Verstoß stünden, könne der Wert der Verkäufe aller dieser Waren oder Dienstleistungen zur Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße herangezogen werden.

 Würdigung durch das Gericht

55      Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe des von der Kommission zugrunde gelegten unmittelbar oder mittelbar mit dem Verstoß im Zusammenhang stehenden Umsatzes.

56      Entgegen der Auffassung der Kommission geht der vorliegende Klagegrund nicht ins Leere. Hätte die Kommission nämlich anstelle der 1 441 149 Euro für die Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße nur den Wert der Verkäufe zugrunde gelegt, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang gestanden haben sollen, also laut der Klägerin 1 % dieses Betrags (14 411,49 Euro), beliefe sich der Grundbetrag auf 18 374,65 Euro und bliebe daher weit unter der Obergrenze von 10 %, die im vorliegenden Fall für die Klägerin gegriffen habe.

57      Jedoch beruht das Argument, es dürfe nur auf den Wert der tatsächlich von dem Verstoß betroffenen Verkäufe abgestellt werden, auf einer fehlerhaften Auslegung der Ziff. 13 der Leitlinien von 2006. Darin heißt es:

„Zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße verwendet die Kommission den Wert der von dem betreffenden Unternehmen … verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen …“

58      Entgegen der Ansicht der Klägerin ist dieser Bestimmung nicht zu entnehmen, dass allein der Umsatz mit Umzügen, die tatsächlich von den rechtswidrigen Verhaltensweisen betroffen sind, bei der Berechnung des relevanten Umsatzes berücksichtigt werden kann.

59      So verweist der Wortlaut der Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 auf die „verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen“ und nicht auf die „vom Verstoß betroffenen Waren oder Dienstleistungen“. Mit der Formulierung in Ziff. 13 ist also der auf dem relevanten Markt erzielte Umsatz gemeint. Dies ergibt sich im Übrigen sehr klar aus der deutschen Fassung der Ziff. 6 der Leitlinien von 2006, in der vom „Umsatz auf den vom Verstoß betroffenen Märkten“ die Rede ist. Erst recht sind von Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 nicht nur die Fälle erfasst, in denen die Kommission über schriftliche Beweise für den Verstoß verfügt.

60      Diese Auslegung wird durch den Zweck der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln gestützt. Die von der Klägerin vorgeschlagene Auslegung würde bedeuten, dass die Kommission für die Bestimmung des Grundbetrags der in Kartellsachen zu verhängenden Geldbußen in jedem Fall die einzelnen Vorgänge benennen müsste, die vom Kartell betroffen waren. Die Unionsgerichte haben ihr eine solche Pflicht nie auferlegt, und nichts weist darauf hin, dass sich die Kommission in den Leitlinien von 2006 eine solche Pflicht selbst auferlegen wollte.

61      Zudem kann nach ständiger Rechtsprechung der Teil des Umsatzes, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich der Verstoß bezog, einen zutreffenden Anhaltspunkt für das Ausmaß eines Verstoßes auf dem betreffenden Markt liefern (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 121). Insbesondere stellt der Umsatz, der mit den Waren erzielt wurde, die Gegenstand einer beschränkenden Verhaltensweise waren, ein objektives Kriterium dar, das zutreffend angibt, wie schädlich sich diese Verhaltensweise auf den normalen Wettbewerb auswirkt (Urteile des Gerichts vom 11. März 1999, British Steel/Kommission, T‑151/94, Slg. 1999, II‑629, Randnr. 643, und vom 8. Juli 2008, Saint-Gobain Gyproc Belgium/Kommission, T‑50/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 84). Dieser Grundsatz hat Eingang in die Leitlinien von 2006 gefunden.

62      Daher sind die von der Klägerin angeführten Zahlen zum Verhältnis zwischen den berücksichtigten Umsätzen und der Zahl der festgestellten Verstöße unerheblich. Dies gilt umso mehr, als es in Kartellsachen, in denen es um naturgemäß heimliche Vorgänge geht, unvermeidbar ist, dass bestimmte Schriftstücke, die Teilhandlungen der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen belegen, nicht entdeckt werden. Im vorliegenden Fall wäre es tatsächlich nicht möglich gewesen, für jeden einzelnen der betroffenen Umzüge Belege zu finden.

63      Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

3.     Zum dritten Klagegrund: Fehlende Differenzierung

 Vorbringen der Parteien

64      Im Rahmen ihres dritten Klagegrundes rügt die Klägerin eine Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung in Bezug auf die einheitliche Anwendung eines Satzes von 17 % zur Erfassung der Schwere der Zuwiderhandlung nach Ziff. 19 der Leitlinien von 2006.

65      Die Klägerin wirft der Kommission vor, bei der Berechnung der Geldbuße für die Schwere der Zuwiderhandlung und für den der Abschreckung dienenden Zusatzbetrag auf alle betroffenen Unternehmen denselben Satz von 17 % angewandt zu haben, ohne der Rolle, die die einzelnen Unternehmen im Rahmen des Kartells gespielt hätten, und der Art der Verhaltensweisen, an denen sie beteiligt gewesen seien, Rechnung zu tragen. Dass somit alle Unternehmen gleichbehandelt würden, obwohl sie sich in sehr unterschiedlichen Situationen befänden, habe zur Folge, dass die Klägerin in Relation härter bestraft werde als ein Unternehmen, für das feststehe, dass es eine wichtige Rolle im Kartell gespielt habe. So belaufe sich das Verhältnis zwischen dem Grundbetrag der Geldbuße und der Zahl der festgestellten Zuwiderhandlungen für die Klägerin auf 23 462 Euro und für Allied Arthur Pierre nur auf 6 736 Euro. Seien an einer Zuwiderhandlung mehrere Unternehmen beteiligt, müsse die Kommission jedoch die relative Schwere jedes Tatbeitrags berücksichtigen. Wegen der unterschiedlichen Rollen der Unternehmen innerhalb des Kartells sei erforderlich, dass die Kommission eine Differenzierung vornehme.

66      Die Kommission trägt vor, dass die letztlich gegen die Klägerin verhängte Geldbuße durch die Anwendung der Geldbußenobergrenze bereits „äußerst gering“ sei, so dass die Geldbuße selbst dann nicht verringert worden wäre, wenn ihre Berechnung aus den von der Klägerin genannten Gründen angepasst worden wäre. Die Kommission tritt außerdem den Behauptungen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

67      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Annahme, es müsse einen direkten Zusammenhang zwischen der Zahl der schriftlichen Beweise für die von der Klägerin begangene Zuwiderhandlung und dem Prozentsatz zur Erfassung der Schwere dieser Zuwiderhandlung geben, nicht zutrifft. In Kartellsachen, in denen es um naturgemäß heimliche Vorgänge geht, ist es nämlich unvermeidbar, dass bestimmte Schriftstücke, die Teilhandlungen der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen belegen, nicht entdeckt werden, insbesondere dann, wenn die Kommission bei der Klägerin keine Kontrollen durchgeführt hat.

68      Was die Rüge der fehlenden Differenzierung betrifft, ist auf die Ausführungen des Gerichts im Rahmen des dritten Klagegrundes in der Rechtssache Team Relocations/Kommission (T‑204/08, Randnrn. 80 ff. des Urteils) und des zweiten Klagegrundes von Gosselin in der Rechtssache Gosselin/Kommission (T‑208/08, Randnrn. 124 ff. des Urteils) zu verweisen. Jedoch ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall bereits die Anwendung der Obergrenze von 10 % eine erhebliche Ermäßigung der Geldbuße bewirkt hat. Während nämlich der Grundbetrag der Geldbuße auf 1,83 Mio. Euro festgesetzt wurde, beträgt die verhängte Geldbuße 395 000 Euro. Unter diesen Umständen ist nicht anzunehmen, dass eine unterschiedliche Beurteilung der Schwere, die vor der Anwendung der Obergrenze erfolgen müsste, zu einer Verringerung des Endbetrags der Geldbuße führen könnte. In Anbetracht der Art der von der Klägerin begangenen Zuwiderhandlung müsste sich nämlich der Umsatzanteil, der anhand der Schwere der Zuwiderhandlung bestimmt wird, gemäß Ziff. 23 der Leitlinien von 2006 „am oberen Ende [der] Bandbreite“ bewegen. Doch auch wenn das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Auffassung wäre, dass bei der Bestimmung der Schwere und für den Zusatzbetrag ein Satz von 15,1 % festzusetzen sei, beliefe sich der Grundbetrag der Geldbuße auf 1,63 Mio. Euro und überschritte damit die Obergrenze immer noch bei Weitem.

69      Soweit also die Klägerin vorträgt, die relative Schwere ihres Tatbeitrags sei geringer als die anderer beteiligter Unternehmen, kann im vorliegenden Fall die zur Stützung dieser Behauptung entwickelte Argumentation keinen Einfluss auf den Endbetrag der verhängten Geldbuße haben.

70      Der dritte Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.

4.     Zum vierten Klagegrund: Verhängung der maximal zulässigen Geldbuße

 Vorbringen der Parteien

71      Mit diesem Klagegrund macht die Klägerin geltend, die Kommission habe dadurch die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verletzt, dass sie die maximal von der Verordnung Nr. 1/2003 zugelassene Geldbuße gegen sie verhängt habe, nämlich 10 % der Umsätze des vorhergehenden Geschäftsjahrs.

72      Dass die Anwendung der Obergrenze zu einer so wesentlichen Ermäßigung geführt habe, nämlich von 1 830 000 Euro auf 395 000 Euro, zeige allein schon die Unangemessenheit und Unverhältnismäßigkeit der Geldbuße und der Berechnungsmethode der Kommission. Die Kommission habe darüber hinaus gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verstoßen, indem sie die maximal zulässige Geldbuße gegen einen Teilnehmer verhängt habe, der im Kartell eine eingeschränkte Rolle gespielt und auf dem Markt geringen Einfluss gehabt habe.

73      Nach Ansicht der Kommission kommt diesem Klagegrund keine eigenständige Bedeutung zu.

 Würdigung durch das Gericht

74      Es ist festzustellen, dass dem vorliegenden Klagegrund, der sich gegen die Verhängung der maximal zulässigen Geldbuße richtet, gegenüber den anderen, gegen die Höhe der Geldbuße gerichteten Klagegründen keine eigenständige Bedeutung zukommt. Dass sich die letztlich verhängte Geldbuße auf 10 % der Umsätze der Klägerin beläuft, dieser Prozentsatz für andere Kartellteilnehmer aber niedriger ausfällt, kann allein keinen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit darstellen. Dies ergibt sich nämlich notwendigerweise aus der Auslegung der Obergrenze von 10 % als bloße Kappungsgrenze, die nach einer eventuellen Ermäßigung der Geldbuße wegen mildernder Umstände oder aufgrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zur Anwendung kommt.

75      Jedoch kann die Multiplikation des nach dem Umsatz errechneten Wertes mit der Anzahl der Jahre, die das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war, dazu führen, dass im Rahmen der Leitlinien von 2006 die Anwendung der in Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze von 10 % für die Unternehmen, die hauptsächlich auf einem einzigen Markt tätig sind und mehr als ein Jahr an einem Kartell beteiligt waren, nunmehr eher die Regel als die Ausnahme darstellt. In diesem Fall wird sich normalerweise keine Differenzierung nach der Schwere oder wegen mildernder Umstände mehr auf eine Geldbuße niederschlagen können, die bei 10 % gekappt wurde. Die sich daraus ergebende fehlende Differenzierung beim Endbetrag der Geldbuße stellt mit Blick auf den Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen eine Problematik dar, die der neuen Methode immanent ist. Sie kann es erfordern, dass das Gericht seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung in den konkreten Fällen ausschöpft, in denen die alleinige Anwendung der Leitlinien von 2006 keine angemessene Differenzierung zulässt. Dies ist hier jedoch nach Ansicht des Gerichts nicht der Fall (siehe dazu auch unten, Randnrn. 81 ff.).

76      Der vierte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

5.     Zum fünften Klagegrund: Mildernde Umstände

 Vorbringen der Parteien

77      Mit ihrem letzten Klagegrund macht die Klägerin geltend, die Kommission habe dadurch die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung verletzt und einen Beurteilungsfehler begangen, dass sie keinen mildernden Umstand angenommen habe.

78      Nach Ansicht der Klägerin erfüllt sie die Voraussetzungen für die Zubilligung einiger der in Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 beschriebenen mildernden Umstände. Insbesondere habe sie jede Beteiligung an den Verstößen nach dem ersten Eingreifen der Kommission beendet, ihre Beteiligung an dem Verstoß sei sehr geringfügig gewesen, sie habe aktiv zusammengearbeitet und immer alle erforderlichen und für die Kommission nützlichen Angaben übermittelt. Außerdem habe sie den Sachverhalt nicht bestritten und sich im Verfahren sehr diskret verhalten, indem sie nur eingeschränkt auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte reagiert und nicht an der Anhörung teilgenommen habe. Ihr Verhalten entspreche damit den Anforderungen an Unternehmen, die an einem Vergleich nach der Mitteilung der Kommission über die Durchführung von Vergleichsverfahren bei dem Erlass von Entscheidungen nach Artikel 7 und Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates in Kartellfällen (ABl. 2008, C 167, S. 1) und der Verordnung (EG) Nr. 622/2008 der Kommission vom 30. Juni 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 hinsichtlich der Durchführung von Vergleichsverfahren in Kartellfällen (ABl. L 171, S. 3) interessiert seien.

79      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie ist zudem der Ansicht, dass dieser Klagegrund für die Klägerin jedenfalls nicht von Nutzen sei, da die gegen sie verhängte Geldbuße wegen der Anwendung der Obergrenze bereits „äußerst gering“ sei.

 Würdigung durch das Gericht

80      Wie im Rahmen des dritten Klagegrundes stellt die Kommission den Nutzen des von der Klägerin vorgetragenen Klagegrundes in Frage. Hierzu ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall eine Ermäßigung der Geldbuße wegen mildernder Umstände tatsächlich nicht zu einer Ermäßigung des Endbetrags der Geldbuße führen könnte. Da nämlich die Anwendung der Obergrenze von 10 % bereits eine erhebliche Ermäßigung der Geldbuße bewirkt hat und in Anbetracht der Art der von der Klägerin angeführten mildernden Umstände, ist das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Auffassung, dass die Berücksichtigung dieser Umstände, die vor Anwendung der Obergrenze erfolgen müsste, keine Ermäßigung des Endbetrags der Geldbuße zur Folge haben kann. Wie die Kommission zutreffend ausgeführt hat, würde also die Geldbuße auch dann nicht ermäßigt, wenn ihre Berechnung aus den von der Klägerin genannten Gründen angepasst würde. Dies ergibt sich wieder aus der Auslegung der Obergrenze von 10 % als bloße Kappungsgrenze, die nach einer eventuellen Ermäßigung der Geldbuße wegen mildernder Umstände zur Anwendung kommt.

81      Vorsorglich prüft das Gericht dennoch das Vorbringen der Klägerin.

82      Diese macht erstens geltend, dass sie nach dem ersten Eingreifen der Kommission jede Beteiligung an den Verstößen beendet habe. Es trifft zwar zu, dass nach Ziff. 29 erster Gedankenstrich der Leitlinien von 2006 der Grundbetrag der Geldbuße verringert werden kann, wenn das betreffende Unternehmen nachweist, dass es den Verstoß nach dem ersten Eingreifen der Kommission beendet hat. Doch ist im folgenden Satz ausgeführt, dass dies nicht „im Falle geheimer Vereinbarungen oder Verhaltensweisen (insbesondere von Kartellen)“ gilt. Daher ist die Kommission zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich nicht um einen die Ermäßigung der Geldbuße rechtfertigenden Umstand handelt.

83      Was zweitens die Behauptung der Klägerin betrifft, ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung sei sehr geringfügig gewesen, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in Bezug auf dieses Unternehmen über schriftliche Belege für 78 konkrete Fälle von Provisionen und Schutzangeboten verfügt. Zwar trifft es zu, dass sich die fragliche Zuwiderhandlung im Lauf der Zeit entwickelt hat und die schriftlichen Vereinbarungen, die in der ersten Phase der Zuwiderhandlung zur Anwendung kamen, später aufgegeben wurden. Daher könnte der nach Ziff. 19 der Leitlinien von 2006 zu ermittelnde Umsatzanteil grundsätzlich zeitlich gestaffelt werden. Dieser Umstand könnte auch eine Ermäßigung der Geldbuße aufgrund mildernder Umstände rechtfertigen.

84      Jedoch handelt es sich bei den Verhaltensweisen, an denen die Klägerin beteiligt war, nicht um weniger schwere Verstöße als die schriftlichen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen oder die Ad‑hoc‑Festsetzung von Preisen für bestimmte Umzüge. Entgegen der Auffassung der Klägerin wirkten sich die Schutzangebote und die Provisionen auch auf die Preise aus (siehe oben, Randnr. 28). Ebenso ist die Tatsache, dass sie bei den wettbewerbswidrigen Zusammenkünften nicht anwesend war, unter den Umständen des vorliegenden Falles für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes unerheblich, da das Kartell über Mechanismen funktionierte, die solche Zusammenkünfte überflüssig machten.

85      Drittens ist zu dem Vorbringen der Klägerin, sie habe mit der Kommission zusammengearbeitet und den Sachverhalt nicht bestritten, darauf hinzuweisen, dass sich nach den Feststellungen in den Erwägungsgründen 592 und 594 der Entscheidung die Zusammenarbeit der Klägerin auf die Beantwortung von Anfragen zu der Struktur und den Wirtschaftsdaten des Unternehmens beschränkte. Die Klägerin hat nicht freiwillig Beweise für den Verstoß vorgelegt. Im Gegensatz zur Mitteilung der Kommission vom 18. Juli 1996 über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. C 207, S. 4) sieht die Mitteilung über die Zusammenarbeit von 2002 zudem keine niedrigere Festsetzung der Geldbuße vor, wenn der Sachverhalt nicht bestritten wird. Folglich durfte die Kommission zu dem Schluss kommen, dass keiner dieser Umstände eine Ermäßigung der Geldbuße rechtfertigt.

86      Schließlich trägt die Klägerin viertens vor, ihr Verhalten entspreche den Anforderungen an Unternehmen, die an einem Vergleich interessiert seien. Jedoch ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 622/2008 hinsichtlich der Durchführung von Vergleichsverfahren in Kartellfällen erst im Juli 2008 in Kraft getreten ist, während die Entscheidung aus März 2008 datiert und der Klägerin die Mitteilung der Beschwerdepunkte im Oktober 2006 bekannt gegeben wurde. Demnach war diese Verordnung im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Jedenfalls wurde aber das in dieser Verordnung vorgesehene Verfahren nicht eingehalten.

87      Der letzte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

88      Da alle Klagegründe zurückgewiesen worden sind, ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

89      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Putters International NV trägt die Kosten.

Papasavvas

Wahl

Dittrich

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Juni 2011.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis


Sachverhalt

1.  Gegenstand des Rechtsstreits

2.  Klägerin

3.  Verwaltungsverfahren

4.  Angefochtene Entscheidung

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

1.  Zum ersten Klagegrund: Beteiligung der Klägerin an einem komplexen und gefestigten Kartell

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zur Wettbewerbswidrigkeit der Provisionen und Schutzangebote

Zum Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung

Zur Einordnung des fraglichen rechtswidrigen Verhaltens

–  Zum Vorliegen eines Gesamtplans, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wird

–  Zum vorsätzlichen Beitrag der Klägerin zum Gesamtplan

–  Zur Kenntnis der Klägerin vom rechtswidrigen Verhalten

2.  Zum zweiten Klagegrund: Berechnung des Grundbetrags

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

3.  Zum dritten Klagegrund: Fehlende Differenzierung

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

4.  Zum vierten Klagegrund: Verhängung der maximal zulässigen Geldbuße

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

5.  Zum fünften Klagegrund: Mildernde Umstände

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Kosten


* Verfahrenssprache: Niederländisch.